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ROBERT KREUTZER

Als Autor und Herausgeber des erfolgreichen Fachbuches »Stütze!!? – Atemtechnik für
Bläser und Sänger« ist es mir ein großes Anliegen, mein Wissen und meine Erfahrung
weiterzugeben. Im Bewusstsein, mittlerweile unzähligen Bläsern und Sängern einen
unnötig mühevollen Weg erspart zu haben, nehme ich weiterhin meine Verantwortung
wahr, das Thema »Atemtechnik« aufzubereiten.
Allzu sehr kraftbetonte Methoden sind noch immer weitverbreitet und bereiten
unzähligen Bläsern, Sängern und Sprechern Probleme, weil sie sich damit ständig
verkrampfen. Der nachstehende Artikel gibt Einblick in die Situation bezüglich der
verschiedenen Lehrmeinungen bzw. der häufigsten Fehlinterpretationen des Begriffs
»Stütze«. Das im Anschluss daran dargestellte Prinzip von »Atmung + Stütze« zeigt
anschaulich, wie eine natürliche Atemtechnik ohne jeden unnötigen Kraftaufwand
definiert ist und eine ökonomische Anwendung in der Praxis möglich wird.

Atemtechnik: Begriffsverwirrung »Stütze«


In den letzten Jahren habe ich viele Seminare zu diesem Thema gehalten. Durch meine
Unterrichtstätigkeit konnte ich einen guten Überblick gewinnen, welche verschiedenen Anschauungen
es in diesem Fachbereich gibt.
Aufgrund dieser Erfahrungen muss ich leider feststellen, dass bezüglich »Atmung und Stütze« noch
immer eine unglaubliche Begriffsverwirrung vorherrscht. Mit diesem Artikel soll Klarheit geschaffen
werden.
Wenn ich in meinen Seminaren interessierte Pädagogen, Bläser und Sänger im Erfahrungsaustausch
darauf anspreche, wie man die so genannte »Stütze« definiert, erhalte ich immer wieder folgende
Antworten:
— »Es ist besser im Unterricht gar nicht darüber zu sprechen, weil die Schüler
sonst nur verwirrt werden.«
— »Man kann diesen Begriff nicht definieren oder in Worte fassen.«
— »Besser man sagt gar nichts, bevor man etwas Falsches sagt.«
Diese Meinung kann ich natürlich nicht teilen, denn wie in meinem Fachbuch »Stütze!!?«
anschaulich dargestellt, ist es sehr wohl möglich, die atemtechnischen Zusammenhänge verständ-
lich zu beschreiben und auch den Begriff »Stütze« mit klaren Worten zu definieren.

Selbst wenn dieser für viele Musiker so unglücklich gewählte Begriff konkret angesprochen wird,
gibt es die kontroversiellsten Meinungen. Hier ein Auszug der häufigsten Aussagen bzw. gängigsten
Praktiken und Lehrmethoden:
— »Man muss beim Stützen die Bauchmuskulatur anspannen, um die Luft zu komprimieren.«
— »Vor allem bei hohen Tönen muss gestützt werden.«
— »Stütze ist das gleiche Gefühl, wie wenn man auf der Toilette sitzt.«
— »Das Zwerchfell muss beim Blasen / Singen / Sprechen solange wie möglich eine Einatem-
Tendenz beibehalten, damit man weniger Luft verbraucht. Um dies zu erreichen, muss die
Bauchdecke nach außen gedrückt oder gehalten werden.«
— »Die Stütze ist die Summe aller Kräfte, die dem Ausströmen der Luft während der Tongebung
entgegenwirken.«
— »Man muss den Oberkörper auf das Becken draufsetzen, um die Luft zu komprimieren.«

All diese Aussagen sind sehr problematisch. Man ist sich zwar prinzipiell darin einig, dass man die
Töne nicht forcieren darf, um eine entsprechende Klangqualität zu erreichen, die Umsetzung in die
Praxis bereitet aber die größten Probleme.
Was Atemtechnik bzw. die Auslegung des Begriffs »Stütze« betrifft,
halten sich hartnäckig drei falsche Ansichten:
Erstens die seit Generationen weitergegebene und vertretene Meinung, dass man beim »Stützen«
die Bauchdecke anspannen müsse, um die Luft zu komprimieren; also die sogenannte »Bauchpresse«.
Diese Anschauung ist grundlegend falsch und völlig veraltet!
Warum ist einfach erklärt:
Der menschliche Körper ist so konditioniert, dass bei bewusstem, kraftvollem Anspannen der
Bauchmuskulatur unweigerlich eine »schließende Kraft« auf die Stimmbänder* wirkt. Im Extremfall
wird sogar ein Stimmband-Totalverschluss hervorgerufen, wie beispielsweise auch beim Heben
eines schweren Gewichts, wobei durch die aufgestaute Luft der Körper im Moment der (größten)
Belastung stabilisiert wird, oder zum Druckausgleich, wenn man auf der Toilette sitzt.
Es darf in diesem Sinn also gar nicht »gestützt« werden, weil dadurch zuviel Druck auf die
Stimmbänder ausgeübt wird.
Zweitens die Vorstellung, dass beim aktiven Ausatmen (Blasen / Singen / Sprechen) solange wie
möglich eine »Einatem-Tendenz« des Zwerchfells erhalten werden muss.
Diese Auslegung des Begriffs »Stütze« ist in der Vorstellung begründet, dass man durch ein Fixieren
der Bauchdecke in Einatem-Stellung oder ein »nach außen Drücken / Halten« der Bauchdecke quasi
eine Balance der Luftsäule erreicht und in der Praxis weniger Luft verbraucht.
Das Zwerchfell soll hierbei eine Zügelfunktion erfüllen. Je mehr das Zwerchfell beim Blasen / bei
der Stimmtätigkeit dem Ausströmen der Luft entgegenwirkt, desto ökonomischer soll der Luftverbrauch
sein.

Doch wie sieht dies in der Praxis aus?


Einerseits soll das Zwerchfell beim Blasen / bei der Stimmgebung so lange wie möglich »Einatem-
Tendenz«, »Zug nach unten« bewahren, andererseits muss sich aber derselbe Muskel aufwärts
bewegen, um die Luft gegen den Widerstand, den die Lippen / Stimmbänder bieten, zu komprimieren.
Dies ist ein Widerspruch, weil sich das Zwerchfell nicht zugleich in zwei verschiedene, einander
entgegengesetzte Richtungen bewegen kann!
Dabei kann man sich nur verkrampfen, weil man, wenn die Bauchdecke beim Blasen / Singen /
Sprechen »draußen« gehalten wird, eine Gegenbewegung zum Zwerchfell erzeugt. Die Bauchdecke
wird festgehalten, fixiert und im Extremfall sogar nach außen gedrückt. Das Zwerchfell muss sich
aber nach oben bewegen, um die Luft zu komprimieren und überhaupt einen Luftfluss, eine
Atemführung zu ermöglichen.
Bei dieser Methode kämpfen sozusagen zwei Muskelgruppen gegeneinander. Die Kräfte wirken hier
in entgegengesetzte Richtungen, was äußerst unökonomisch ist und auf die Dauer nicht gut gehen
kann.
Die Luftsäule mit dem jeweiligen Luftdruck wird dadurch instabil!
Durch das Zurückhalten der Luft, dieses »nach unten-außen Drücken / Halten« der Bauchdecke,
verhindert man, dass die Luft auf direktem Wege zu den Lippen / Stimmbändern gelangt. Nicht nur,
dass man sich dadurch die Luft von den Lippen / Stimmbändern wegnimmt, die Bauchdecke wird
dadurch fest und völlig unflexibel. In weiterer Folge verkrampft sich auch die Muskulatur im
Rumpfbereich, man schränkt sich in der Beweglichkeit ein und verliert jede Flexibilität. Der
natürliche Atemfluss wird dadurch gestört bzw. unterbrochen.
Leider wird diese falsche Beschreibung von »Atmung und Stütze« seit Generationen in den meisten

*) Um nicht näher auf die Anatomie des Stimmapparats eingehen zu müssen, wird hier und im Folgenden
vereinfacht der umgangssprachliche Begriff »Stimmbänder« verwendet.
Fachbüchern zu diesem Thema fast eins zu eins übernommen, ohne meines Erachtens die
Funktionalität wirklich zu hinterfragen.

Drittens die Ansicht, beim »Stützen« das gesamte Gewicht des Oberkörpers auf das Becken
»draufsetzen«, nach unten drücken zu müssen.
Zwar ist es mit dieser Methode kein Problem die Luft zu komprimieren, allerdings wird durch dieses
Verengen des Körpers die Muskulatur im gesamten Rumpfbereich immer wieder verkrampfen, was
wiederum große Probleme nach sich ziehen kann.
Ständige Stimmbandverschlüsse während dem Blasen, Luftstau, roter Kopf, hervortretende Adern,
Probleme mit der Tonansprache, der Artikulation, Intonationsschwierigkeiten (zu hoch oder zu tief),
verminderte Klangqualität bzw. Tragfähigkeit der Töne, zu scharf klingende forcierte Töne, Kickser,
fehlende Geläufigkeit, speziell beim Sänger lineare Töne, Tremolo, übermäßig »ausgeleiertes«
Vibrato, Heiserkeit, Stimmbandknötchen und so weiter: All diese Probleme u.v.m. sind immer
wieder hervorgerufene negative Auswirkungen dieser kraftbetonten Atem- bzw. Stütztechniken,
sind also in einer schlechten Atemführung begründet und auf eine verkrampfte Atemtechnik
zurückzuführen.

Die vorangehend besprochenen Fehlinterpretationen des Begriffs


»Stütze« sind drei Hauptgründe dafür, dass 80 bis 90 Prozent aller
Bläser und Sänger immer wieder Probleme bekommen, weil sie sich
durch diese Methoden völlig verkrampfen.
Aber auch wenn keine der angesprochenen Fehler gemacht werden (Bauchmuskulatur anspannen,
Bauchdecke fixieren oder nach außen drücken, Oberkörper nach unten drücken), verkrampfen sich
viele Bläser und Sänger, weil ihnen eine Voraussetzung fehlt, die unbedingt notwendig ist, um sich
eine gewisse Lockerheit und Flexibilität zu bewahren:
Meist wird die Tatsache völlig vernachlässigt, dass sich beim aktiven Ausatmen ein Öffnen des
Brustkorbs, ein Heben des Brustbeins ergeben muss, eine Beweglichkeit im Oberkörper- / Schulter-
bereich erhalten bleiben muss.
Ohne ein Öffnen des Oberkörpers schränkt man sich so sehr in der Beweglichkeit ein, dass man beim
Blasen oder Singen unweigerlich zuviel Spannung in der Bauchdecke und im gesamten Rumpf-
bereich aufbaut.
Die Folge: Immer wieder wirkt zuviel Druck und damit eine »schließende Kraft« auf die Stimmbänder!
Warum dies passiert, ist einfach erklärt:
Wenn sich unser Knochengerüst nicht bewegt (werden beispielsweise nur die Schultern fixiert oder
verengt), ist das Einzige, was sich beim Blasen / Singen bewegen kann, die Muskulatur, die rund-
herum kontrahiert und sich immer mehr verfestigt und verkrampft.
Ist das Knochengerüst hingegen beweglich, ermöglicht man durch ein Öffnen des Brustkorbs und
die Beweglichkeit der Schultern eine gewisse Flexibilität, so bleibt die Muskulatur locker genug,
um auch große körperliche Leistungen, wie sie etwa beim Blasen von «High-notes» oder beim Singen
einer dramatischen Arie erforderlich sind, ohne übermäßige Anstrengung – geschweige denn ein
Verkrampfen – bewältigen zu können.
Nicht nur in der Unterrichtspraxis, auch in der Fachliteratur wird dieser Bereich leider völlig
vernachlässigt!
Wie kann man es also schaffen, konsequent zu üben (zu trainieren), ohne sich ständig dabei zu
verkrampfen?
Hierbei kann man durchaus Vergleiche mit Spitzensportlern ziehen, denn jeder Sportler, Bläser oder
Sänger, generell jeder Mensch, der sich in irgendeiner Form körperlich betätigt und durch
tägliches Training (Üben) bestimmte Muskelgruppen für seinen spezifischen Bereich stärkt, führt
gleichzeitig einen ständigen Kampf gegen ein Verkrampfen der Muskulatur.
Eine Optimierung der bewegungstechnischen Zusammenhänge ist von Nöten, weil man sich nur
problemlos weiterentwickeln kann, wenn Beweglichkeit und Lockerheit erhalten bleiben.
Man muss also zuerst eine gute Technik erlernen, um in einen »positiven Bereich« zu kommen. Erst
dann kann man durch konsequente Arbeit die Muskulatur in Bezug auf Ausdauer und Kraft
so stärken, dass ein guter Fortschritt und eine Entwicklung bis hin zu einem professionellen Ergebnis
möglich wird.
Neigt man durch schlecht koordinierte, falsche Bewegungsabläufe und zu kraftbetonte Techniken
eher zum Verkrampfen, so wird man für seinen Fleiß und seine Konsequenz noch »bestraft«, weil
man auch das Verkrampfen gewissermaßen »trainiert« und so der Krampf immer schlimmer wird.

Das WICHTIGSTE ist prinzipiell die ständige Beweglichkeit, die Möglichkeit der Bewegung an sich,
weil nur so ein Verkrampfen der Muskulatur verhindert werden kann. Eine große Beweglichkeit
bedeutet auch, dass viel Luft bewegt werden kann, dass man mehr Reserven hat und nicht so schnell
an seine Grenzen gelangt.

Deshalb sollte man sich drei Schlagwörter immer wieder ins Gedächtnis rufen:

I OFFENHEIT

I BEWEGLICHKEIT

I LOCKERHEIT

In der Praxis sind eine offene Körpersprache und Beweglichkeit im gesamten Rumpfbereich
Voraussetzung, um sich eine gewisse Lockerheit zu bewahren!

Prinzip »Atmung + Stütze«


Jeder Bläser und Sänger muss wie ein Spitzensportler sein gesamtes Lungenvolumen nutzen bzw.
jederzeit abrufen können, wenn er es braucht.
Man benötigt viel Luft für lange Phrasen und laute Töne, und man muss einen hohen Luftdruck
erzeugen für hohe Töne.

Eine vollständige Atmung ist eine Kombination aus Zwerchfellatmung und Brustatmung. Man
spricht von »kombinierter Atmung« oder Vollatmung.
Die Zwerchfellatmung schließt automatisch Bauch-, Flanken- und Rückenatmung ein, allerdings
in einem ausgewogenen Verhältnis, wobei aus anatomischen Gründen die größte Bewegung im
Bauchbereich und die geringste am Rücken festzustellen ist. Als Teilbereich der Brustatmung
ist die Schlüsselbeinatmung zu sehen.
In der Praxis sind diese Teilbereiche der Atmung natürlich nicht voneinander zu trennen, sondern
gehen fließend ineinander über.

Als wichtigste Voraussetzungen für einen problemlosen und natürlichen Atmungsprozess im Sinne
eines bewegungstechnisch korrekten Ablaufs sind eine aufrechte Körperhaltung und die Basis in
der Zwerchfellatmung, mit dem Zwerchfell als zentralen Atemmuskel zu sehen, d. h. die Atmung
muss vom Zwerchfell ausgehen!
Das Zwerchfell ist ein Muskel, der die Brusthöhle von der Bauchhöhle trennt. Beim EINATMEN
bewegt es sich nach UNTEN , was zur Folge hat, dass die Eingeweide verdrängt werden. Daraus
resultiert wiederum eine Bewegung von Bauch-, Flanken- und Rückenmuskulatur nach AUSSEN .
Beim Ausatmen kehrt sich diese Bewegung um.

Die grundlegende Atembewegung ist vereinfacht formuliert also nach folgendem Prinzip auszuführen:
— Beim EINATMEN bewegt sich die Bauchdecke nach AUSSEN .
— Beim AUSATMEN bewegt sich die Bauchdecke nach INNEN .

Das größte Potential an Beweglichkeit ist hier im Vergleich zu den kraftbetonten, verengenden
Methoden tatsächlich im Bauchbereich zu sehen.
Um in der Praxis einen »langen Atem« für lange Phrasen zu haben, ist eine flexible Bauchdecke von
grundlegender Bedeutung, weil erst dadurch eine tiefe, vom Zwerchfell ausgehende Atmung
möglich wird; und nur wenn die Atmung vom Zwerchfell ausgeht, kann auch das maximale
Lungenvolumen mit all seinen Teilbereichen genutzt werden. Beim Einatmen muss die Bauchdecke
also völlig freigelassen werden, beim Ausatmen darf sie nicht fixiert werden.
So banal diese Beschreibung auch klingen mag, nahezu die Hälfte aller Bläser und Sänger haben
schon Mühe, diese grundlegende Atembewegung zu finden, weil einerseits durch eine schlechte,
gebückte Körperhaltung die Atemmuskulatur im unteren Rumpfbereich nicht mehr frei beweglich
ist, und andererseits durch übermäßige Spannungen im Bauchbereich ein Einatmen mit dem
Zwerchfell oft kaum mehr möglich ist.
Die Auswirkungen sind fatal: Wenn sich die Bauchdecke nicht bewegt bzw. bewegen kann, kehrt
sich die Atembewegung um. Aus diesen Gründen atmen so viele Leute zu flach und schränken damit
drastisch ihr Atemvolumen ein.
WICHTIG ist in diesem Zusammenhang, die atemtechnischen Bewegungsabläufe in der Praxis nur
ÜBER DIE LUFT zu steuern, d.h. also nicht durch willentlichen, kraftvollen Einsatz der Muskulatur!
Das übermäßige Forcieren eines bestimmten Teilbereichs der Atmung – wie z. B. eine über-
triebene Flankenatmung – ist zu vermeiden, weil dies zumeist durch einen bewussten Kraftakt
wie ein Hinausdrücken der Flanken über längere Zeit hindurch »anerzogen« wird.

Definition »Stütze« (Atemstütze)


Mit »Stütze« ist das Erzeugen einer konstanten Luftsäule mit einem gewissen Luftdruck für den
jeweilig zu produzierenden Ton gemeint.
Die ökonomischste Art und Weise eine solche Luftsäule zu erzeugen, also eine in ihren
Bewegungsabläufen natürliche und lockere Atemstütze aufzubauen, kann nur folgende sein:
Beim aktiven Ausatmen (Blasen / Singen / Sprechen) ZIEHEN SICH Bauch-, Flanken- und Rücken-
muskulatur unter dem Brustkorb ZUSAMMEN und unterstützen das Zwerchfell in seiner Be-
wegung nach OBEN . Dabei bewegt sich vornehmlich die Bauchdecke nach INNEN , womit
also in einer einheitlichen, gleichgerichteten Bewegung die Luft gegen den Widerstand, den
die Lippen / Stimmbänder bieten, komprimiert wird.
Diese Bewegung von Bauchdecke und Zwerchfell nach INNEN–OBEN bewirkt im Idealfall,
dass der Brustkorb aufgerichtet wird bzw. sich das Brustbein hebt. Der Oberkörper muss
sich dabei also öffnen!
Ist der entsprechende Luftdruck für den zu produzierenden Ton aufgebaut, geben die Lippen /
Stimmbänder die Luft frei und die an ihnen vorbeistreichende Luft bringt sie zum Schwingen.
So wird die Luft vorerst komprimiert und schließlich freigegeben (in der Praxis vollzieht sich dieser
Ablauf in Sekundenbruchteilen).
Genaugenommen stützen also das Zwerchfell und der ganze »Muskelring« unter dem Brustkorb
diese Luftsäule, und zwar MIT EINER »LOCKEREN SPANNUNG«, DIE SICH AUSSCHLIESSLICH
DURCH DAS AUSBLASEN / SINGEN / SPRECHEN ERGIBT!
Man kann in diesem Sinne sagen, die Luftsäule trägt als »lockere Atemstütze« die produzierten Töne.
Bei der Tongebung bewegt sich das Zwerchfell klarerweise entsprechend der entweichenden
Luftmenge immer weiter nach OBEN (die Bauchdecke nach INNEN), damit die Luftsäule mit dem
jeweiligen Luftdruck konstant bleiben kann.
Diese »lockere Spannung«, die sich durch das aktive Ausatmen ergibt, ist hierbei als mittlere
elastische Spannung bzw. als flexible Spannung zu sehen, wobei die Muskeln weder schlaff noch
verkrampft sind.

Dazu zwei grundlegende Prinzipien:

Prinzip 1: Luftmenge = Lautstärke + Länge des Tons


Je lauter man bläst / singt / spricht, desto schneller bewegen sich Bauchdecke und Zwerchfell nach
INNEN–OBEN , weil man mit zunehmender Lautstärke mehr Luft verbraucht.
Je länger eine Phrase dauert, desto weiter bewegen sich Bauchdecke und Zwerchfell nach
INNEN–OBEN und desto mehr muss sich der Brustkorb durch ein Heben des Brustbeins und ein
seitliches Ausweichen der Schultern öffnen.
Der offenste Punkt soll jeweils am Schluss einer jeden Phrase erreicht sein, was wiederum
Voraussetzung für eine perfekte »reflektorische Atmung« im Anschluss daran ist.

Prinzip 2: Luftdruck = Höhe des Tons


Je höher man bläst / singt / spricht, desto mehr ZI EHT SICH der »Muskelring« unter dem Brust-
korb ZUSAMMEN, um die Luft zu komprimieren. Es ergibt sich somit eine größere Spannung
der Muskulatur, die durchaus sehr intensiv sein kann, allerdings im Vergleich zum bewussten
Anspannen als eine »lockere« Spannung zu bezeichnen ist.
Entscheidend ist dabei: Jedes bewusste, kraftvolle Anspannen der Muskulatur, jedes Fixieren
der Bauchdecke und jedes Verengen des Oberkörpers muss vermieden werden, weil durch
all diese kraftbetonten Methoden zuviel Druck auf die Stimmbänder ausgeübt wird und eine
»schließende Kraft« auf die Stimmbänder wirkt, die im Extremfall einen Stimmband-Total-
verschluss bedingt. Ein solcher Totalverschluss der Stimmbänder bewirkt wiederum einen Luft-
stau, der unweigerlich ins Verkrampfen führt, weil die Luft nicht mehr entweichen kann.
Die Stimmbänder müssen beim Blasen im Idealfall immer völlig geöffnet, beim Singen / Sprechen
frei von übermäßigem Druck und somit schwingungsfähig bleiben.

»Reflektorische Atmung«
Unmittelbar nach dem Blasen / Singen / Sprechen müssen sich Bauch-, Flanken- und Rückenmus-
kulatur wieder völlig entspannen. Durch dieses sofortige Entspannen bewegt sich das Zwerchfell
REFLEXARTIG nach UNTEN, es entsteht ein SOG und die Luft wird bei geöffneten Atemwegen
innerhalb kürzester Zeit »REFLEKTORISCH« ANGESAUGT.
Diese »Reflektorik« kann natürlich auch nur dann funktionieren, wenn eine gewisse Flexibilität
durch ein vorheriges Öffnen des Brustkorbs beim aktiven Ausatmen gegeben ist. Bei optimaler
Ausführung ist sogar eine »REFLEKTORISCHE VOLLATMUNG« möglich! Umgekehrt geht aber die
Möglichkeit, reflektorisch Luft zu bekommen, völlig verloren, sobald man zuviel Spannung in der
Bauchdecke und im Rumpfbereich hat.
Dieses gesamte Prinzip »Atmung + Stütze« gilt gleichermaßen für alle Bläser (egal ob Holz- oder
Blechbläser), für jeden Sänger (ob gänzlich ohne Stimmausbildung oder mit professioneller
klassischer Stimmtechnik) und natürlich auch für sämtliche Sprechberufe.
Ich wiederhole: Das grundlegende Prinzip ist für alle Bereiche dasselbe, der Unterschied liegt
lediglich in der Intensität!
Vor allem ein hoher Blechbläser muss einen ungleich höheren Luftdruck erzeugen als ein Sänger,
was allerdings mit dieser lockeren Atemtechnik völlig problemlos umsetzbar ist bzw. sich auto-
matisch ergibt, weil durch den jeweiligen Ansatz (Lippen / Zunge) und das jeweilige Instrument
(Mundstück / -rohr) ein viel größerer Luftwiderstand gegeben ist.
Abschließend kann man sagen: Für jeden Bläser, Sänger und Sprecher ist eine gute Atemtechnik
unerlässlich.
Wer aber mit den Grundprinzipien von »Atmung und Stütze« nicht vertraut ist, wird über kurz oder
lang Probleme bekommen und sich künstlerisch nicht frei entfalten können.
Angesichts dessen, dass zu viele Musiker durch kraftbetonte Techniken und falsche Bewegungs-
abläufe immer wieder zum Verkrampfen neigen, ist es prinzipiell sehr begrüßenswert, dass in der
Ausbildung immer mehr Methoden zur Anwendung kommen, die dieser Problematik entgegenwirken.
Beginnend von der Alexander-Technik über Feldenkrais bis hin zu Qi-Gong und Yoga gibt es
hervorragende Möglichkeiten, übermäßige Spannungen zu lösen, elementare Bewegungsabläufe
zu schulen und sich bewusst zu machen.
Trotzdem muss darauf hingewiesen werden, dass auch die besten Entspannungsmethoden nichts
nützen, wenn die grundlegenden Voraussetzungen für eine natürliche Anwendung der Atem- und
Stütztechnik in der Praxis nicht gegeben sind. Denn keine dieser Methoden erklärt wirklich um-
fassend die Zusammenhänge der Atemstütze. Genau das ist aber ein ganz entscheidender Aspekt,
der eben speziell Bläser, Sänger und Sprecher betrifft, weswegen immer hinterfragt werden muss,
ob die entsprechenden Übungen auch wirklich praxisbezogen sind.
Was nützt eine Entspannungstechnik, wenn sich in der Praxis am »Instrument« bei den ersten
Phrasen aufgrund falscher Bewegungsabläufe und kraftbetonten Einsatzes die Muskulatur schon
wieder verkrampft?
Um diese lästigen Fehlspannungen und deren negative Begleiterscheinungen nicht nur symptomatisch
zu behandeln, muss die Ursache des Verkrampfens in der Praxis analysiert und behoben werden.
Ansonsten werden solche sehr hilfreiche Praktiken eben nur kurzfristig Besserung bringen und die
Probleme in kürzester Zeit wieder auftreten.
Es gibt sicher viele Wege, die zum Ziel führen. Geht man jedoch davon aus, dass wir alle über die
gleichen anatomischen Anlagen verfügen, muss es auch ein einfaches, allgemein gültiges atem-
technisches Prinzip geben, das jeder erlernen kann.
Ich selbst lehre und praktiziere eine Atemtechnik, die auf natürlichen Grundlagen basiert und somit
der uns von der Natur mitgegebenen Funktionalität des menschlichen Körpers nicht widerspricht:
eine Atemtechnik ohne jeden unnötigen Kraftaufwand.

I Copyright by Robert Kreutzer ABDRUCK NUR MIT GENEHMIGUNG DES AUTORS


Siehe dazu auch die Feber-Ausgabe der Fachzeitschrift »Das Orchester«, 2005 / 02

I BUCHTIPP
Robert Kreutzer »Stütze!!? – Atemtechnik für Bläser und Sänger. Theoretische Analyse und
praktische Anwendung« Eigenverlag, 1996. – Erscheint bereits in 5. Auflage (2004)

I KONTAKT
A-9073 Klagenfurt-Viktring · Keltenstrasse 57 / 9
Phone + 43 / (0) 664 / 415 78 16
e-Mail robertkreutzer@chello.at Internet: www.robertkreutzer.at

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