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VOM MYTHOS ZUM LOGOS

Die Entwicklung des Geistes bei den Griechen

1. Das Erwachen des kritischen Bewusstseins bei den Griechen .................................................... 2


1.1.1. Gesellschaftliche und mythische Gebundenheit, HOMER ................................................... 2
1.2 Beginnende Lösung aus gesellschaftlicher und mythischer Gebundenheit, Lyrik ............... 10
1.2.2 Lösung aus gesellschaftlicher Gebundenheit. ....................................................................... 12
1.2.3. Archilochos ............................................................................................................................. 13
1.2.4 Alkaios ...................................................................................................................................... 14
1.2.5. Sappho ...................................................................................................................................... 15
1.2.6. Hipponax .................................................................................................................................. 16
1.2.7. Solon ......................................................................................................................................... 18
1.3 Allmähliche Lösung aus der mythischen Gebundenheit, Die Vorsokratiker ....................... 21
1.3.1.Thales von Milet (640/24 - 546; Akmé 585)............................................................................ 22
1.3.2. Anaximander (aus Milet) (611 - 546; Akmé 570) ................................................................. 22
1.3.3. Anaximenes (aus Milet) (600(586) - 525; Akmé 546) ........................................................... 22
1.3.4. Xenophanes (aus Kolophon) (um 570 - um 480/75; Akmé um 530) ................................... 22
1.3.5.Heraklit aus Ephesos (um 540 - um 480; Akmé 504/01) ................................................. 23
1.3.6. Parmenides (aus Elea) ((540)515 - (470)450; Akmé (504/01) 475) .................................... 23
1.3.7.Leukipp (aus Milet) (Akmé um 450) .......................... 24
1.3.8.Demoktit (aus Abdera) (470/ 60 - 380/ 70; Akmé um 420) ................................................... 25
2. Radikaler Denkansatz in der griechischen Sophistik und seine ethisch-politischen
Konsequenzen .................................................................................................................................... 25
2. 1. Sophisten .................................................................................................................................... 26
2.1.1.Protagoras (aus Abdera) (um 490/ 80 - 414/ 11; Akmé 444/ 441) ........................................ 26
2.1.2 Gorgias (um 480 - nach 399).................................................................................................... 26
2.1.3. Prodikos von Keos (470/ 60 - nach 399)................................................................................. 27
2.1 4Kritias (um 455 - 403) ............................................................................................................... 27
2.1.5. Thrasymachos (um 450 - 400) ................................................................................................ 28
2.1.6. Antiphon (um 450 - 400) ......................................................................................................... 28
2.1.7. Hippias (nach 460 - nach 400) ................................................................................................ 28
2.2 Platon, Gorgias ............................................................................................................................ 30
2.3 Beispiel für die Legimitierung des Machtmissbrauchs durch sophistische Theorien - Das
Recht des Stärkeren der Politik ....................................................................................................... 33
Thukydides, Melierdialog (V, 85-114) ............................................................................................. 33
3. Individuum und politische Ordnung ........................................................................................... 36
3.1 Solon, Staatselegie (Fr. 3D)......................................................................................................... 36
3.2 Thukydides, Logos Epitaphios ................................................................................................... 40
3.3 Der Mensch in der Entscheidung zwischen Selbstverleugnung und Missachtung des
Anspruchs der Gemeinschaft ........................................................................................................... 43
Die attische Tragödie ....................................................................................................................... 43
4. Griechische Staatstheorie ............................................................................................................. 52
4.1. Platon, Staat ................................................................................................................................ 52
4.2 Aristoteles ..................................................................................................................................... 57
4.3 Die beste Verfassungsform (Vergleich) ..................................................................................... 60
5. Griechisches Allgemeinwissen ...................................................................................................... 60
ANHANG I: BILDER ...................................................................................................................... 62
ANHANG II: TEXTE ....................................................................................................................... 64

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1. Das Erwachen des kritischen Bewusstseins bei den Griechen

1.1.1. Gesellschaftliche und mythische Gebundenheit, HOMER


Das (griechische) Epos

1. Definition:

- τὸ ἔπος (< επεν) = eigtl. das Gesagte; Erzählung, Kunde; Lied, Gedicht.
- Epos bedeutet demnach in etwa „erzählende Dichtung“.
- Großform der Epik
- Es ist objektiver als die Lyrik, aber subjektiver als die Dramatik.
- Es besteht aus Versen von stets gleichem Maß (in der Regel Hexameter).
- Die Sprache ist gehoben, für den feierlichen mündlichen Vortrag (oral poetry)
durch sogenannte Rapsoden /Aoiden bestimmt.
- Den Stoff des Epos bildet ein Mythos.

1.1.2. Herkunft:

Das Epos (d. h. die Ilias) stellt im 8. Jht. v. Chr. eigentlich keinen Beginn, sondern den vorläufigen
Abschluss einer Entwicklung dar.
Verschiedene Textstellen (Il. VI,357; XVIII,590; Od. I,154; VIII) weisen auf die Existenz eines
Standes berufsmäßiger Sänger (Aoiden/Rapsoden) hin, die bei Festen und Gelagen unter
Leierbegleitung von Göttern und Helden und Geschehnissen der Vorzeit singend berichteten.
Ähnliche Formen der Epik gibt es heute noch bei den südslawischen Guslaren: vgl. den Roman von
Ivo Andric: Die Brücke über die Drina)

3. Die oral poetry (oder composition)

Stoff Gestalten und Geschehnisse eines längst vergangenen und bewunderten


Heroenzeitalters.
Form Abfolge rhythmischer Verse (meist im Hexameter)
typische Elemente Sich wiederholende epitheta ornantia.
Stets wiederkehrende Formeln für gleichartige Ereignisse und Szenen
(Formelverse), z. B. für Rüstung, Ausfahrt, Kampf, Hochzeit, Leichenfeier,
Genealogien, katalogartige Aufzählungen, usw.
Art und Weise Vortrag im Lied.
(des Vortrags) Der Sänger verfügt über genaue Kenntnisse des Sagenschatzes und der
formalen Elemente.
Der Sänger kennt keinen festen Text, er schafft ihn sich jedes Mal neu; dabei
handelt es sich um eine berufsmäßige Tradition, d. h. der Sänger gibt sein
Wissen über den Mythos seinem Sohn oder seinem Schüler mündlich weiter.
Den Rhythmus des Vortrags unterstreicht eine Instrumentalbegleitung (meist
Lyra).

Das Publikum bildet zunächst eine ausgewählte Oberschicht (Fürsten, Adlige), deren Lebensideale in
den Gesängen ihren Ausdruck finden; von da aus erfolgt allmählich eine Verbreitung in weitere
Volksschichten.

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1.1.3. Die Homerische Frage

Frage nach der Entstehung der homerischen Epen, ihrem Autor oder ihren Autoren

a) Analytiker

Sie spüren mit logisch-nachrechnendem Verstand in den Epen Widersprüche,


Zusammenhangslosigkeiten, fehlende Motivierungen, u. ä. auf.
Damit hatten bereits alexandrinische Gelehrte begonnen. In der Neuzeit stellte auf Grund solcher
Überlegungen im 17. Jhdt. der franz. Abbé d’ Augignac die These auf, die Ilias sei von einem
Anonymus aus Einzelstücken zu dem uns vorliegenden Ganzen vereinigt worden.
Friedrich-August Wolf (1759-1824) verfasste anschließend sein Prolegomena ad Homerum (1795):
Bis in die Zeit des Peisistratos (560-527 v. Chr.) seien die Epen mündlich tradiert worden, erst die
sogenannte peisistratische Redaktion habe ihnen die feste, heute vorliegende Form gegeben.
Im weiteren bildeten sich folgende analytische Richtungen aus:

• Erweiterungstheorie:
An eine sogenannte Urilias hätten sich weitere Einzelstücke angesetzt, bis allmählich das
uns überlieferte Werk entstanden sei.

• Liedertheorie:
Die Ilias sei aus Verbindungen mehrerer Einzellieder entstanden

• Kompilationstheorie:
Ilias und Odyssee seien aus mehreren kleineren Epen zusammengesetzt.

b) Unitarier

Sie gehen von der Einheit der Epen aus und verweisen auf die zwischen den Gesängen bestehenden
Beziehungen: Vor- und Rückverweise, Aussparungen, Retardationen, u. a., worin sie eine
einheitliche Gesamtkonzeption sehen.
Geht man von einer Einheit der Epen aus, so muss wegen ihres komplizierten Bauplans auch bereits
für das 8. Jhdt. v. Chr. die schriftliche Abfassung angenommen werden. Nach Ansicht der Unitarier
hätte demnach ein Dichter in der 2. Hälfte des 8. Jhdts., dem die Überlieferung den Namen Homer
gibt, die Ilias als Einheit verfasst und schriftlich niedergelegt. Ob er dann dabei auf schriftliche
Vorformen zurückgreifen konnte, ist fraglich; vielleicht war er der erste, der vom mündlichen Sang
zur schriftlichen Fixierung überging. Der Iliasdichter verwendete Elemente der oral poetry, stand
folglich selbst noch in dieser Tradition.
Von daher wird eine Verbindung zu gemäßigten Analytikern möglich:
Es ist mit unterschiedlichen Vorformen zu rechnen, die aber aufgegangen sind in der einheitlichen
Komposition eines Dichters.

3
1.1.4. Homer

Die antiken Viten Homers und der ἀγών Ὀμήρου καὶ Ἡσιόδου sind stark legendenhaft (z. B. sein
Zug der Blindheit, vgl. Demodokos in der Odyssee oder Dichter des Apollonhymnus’) und deshalb
unglaubwürdig.
Sicher ist jedoch die wahrscheinlich historische Existenz eines Dichters (vielleicht Homers):
- 2. Hälfte des 8. Jhdts. v. Chr. (Schrift, Kenntnis von Tempeln und Kultbildern)
- Kleinasien-Ionien (7 Städte wollen sein Geburtsort gewesen sein !)
- Rapsode (wohl nicht von ῥάβδος = der Stab, sondern von ῥάβδειν = nähen, reihen), ein
wandernder Rezitator, der an Fürstenhöfen oder bei Festen epische Texte aus dem Gedächtnis
vortrug (solche Rapsoden gab es noch zur Zeit Platons, vgl. Ion!)

Ilias
Der Stoff der Ilias gehört zum trojanischen Sagenkreis. Dahinter stehen sicherlich auch historische
Ereignisse, die angereichert mit Märchenmotiven und heroisch verklärt zur Sage werden (vgl. das
Nibelungenlied und den Untergang Burgunds!).
Bei den Ausgrabungen des historischen Troja durch Schlieman, Dörpfeld und Blegen traten
verschiedene Schichten zutage, darunter Troja VI (um 1300 v. Chr. durch Erdbeben zerstört) und
Troja VIIa (um 1200 v. Chr. von Feinden zerstört). Das Erdbeben könnte im mythischen Denken
umgestaltet worden sein zum „hölzernen Pferd“ (der rossegestaltige Erderschütterer Poseidon). Die
Zerstörung um 1200 v. Chr. geht wahrscheinlich auf die Nordvölker zurück; doch die Ruinen
könnten Erinnerung an Beutezüge festländischer Griechen unter Führung Mykenes gegen Troja
verlebendigt haben.
Daneben ist mit Einflüssen aus dem orientalischen Kulturbereich (z. B. hethitische
Göttervorstellungen) zu rechnen.
Besonders umstritten ist die Frage nach dem Einfluss anderer Epen auf die Ilias: so könnte das
Zornmotiv der Ilias auf vorhomerische Meleagerdichtung zurückgehen (vgl. IX. 524ff) oder eine
ältere Memnonis könnte als Vorbild der Ilias gedient haben (vgl. Inhaltsangabe der verlorenen
Aithiopis in Chrestomathie des Proklos).

4
DIE HANDLUNG

Buch göttliche Handlung menschliche Handlung


I Thetis vor Zeus; Der Streit zwischen Agamemnon u.
Heras Argwohn gegen Thetis Achill;
Achills Zorn; Thetis bei Achill;
Zeus macht die Trojaner übermächtig
II Agamemnons Trugtraum Erprobung des Heeres; Aufmarsch;
(Schiffs-)katalog
III Zweikampf Paris-Menelaos;
Mauerschau von Helena und Priamos
VI Hera und Athene von Zeus angestachelt Mustergang; Kampfbeginn
V Eingreifen der Götter Diomedes’ Sieg über Ares
VI Hektor in Troja;
Andromaches Klage
VII Zweikampf Hektor-Aias;
Mauerbau
VIII Zeus’ Kampfverbot Not der Achäer
IX Agamemnons Bittgesandtschaft;
Achills Weigerung
X Verwundung der drei Helden
XI Zeus auf dem Ida Entsendung des Patroklos;
Patroklos bei Nestor und bei Eurypyles
XII Poseidons Hilfe Sturm auf die Mauer
XIII Kampf im Lager
XIV Heras Überlistung des Zeus Zurückschlagung der Troer
XV Zeus’ Erwachen Patroklos Aufbruch;
Sturm auf die Schiffe
XVI Patroklos bei Achill;
Patroklos’ Sieg und Tod
XVII Kampf um Patroklos’ Leichnam;
Rückzug
XVIII Thetis bei Hephaistos Thetis bei Achill;
Empfang des toten Patroklos von Achill
XIX Achills Versöhnung mit Agamemnon
XX Zeus’ Kampferlaubnis Achills Siegeszug
XXI Götterschlacht Achills Bedrängnis durch den Flussgott
XXII Zweikampf Hektor-Achill;
Andromaches Klage
XXIII Leichenspiele
XXIV Zeus’ Gebot an Achill; Achills Milde;
Thetis von Hera empfangen die Lösung

Epischer Kyklos

Versuche, homerische Epen nachzuahmen oder zu ergänzen, z. B.: - Kyprien (Ereignisse vor der Ilias) - Aithiopis - die „kleine Ilias“-
Ilioupersis (Zerstörung Trojas/Ilions)- Nostoi (Heimkehr der gr. Helden)

5
Das homerische Epos (Ilias)
Epischer Erzählstil (+ Sprache)

- Vergleiche
- Epitheta ornantia
- ionische Sprache
- Hexameter
- Parataxen
- Teichoskopie (Betrachten einer Handlung von einer Mauer herab und Berichten des Ge-
schehens)
- epischer Vorverweis
- Formelverse

Sprache Homers

Auffälligkeiten:
- quantitative Metathese, z. B Ἀχιλλή
χιλλήος < Ἀχιλλέ
χιλλέως
- metrische Dehnung, z. B. οὐλομένην < ὀλομένην
- fakultatives Augment, z. B. διαστήτην < διεστάτην
- altertümliche Sprache, z. B. μίν statt αὔτον
ἔμμεναι statt ἔιναι
ἄμμε statt ἡμᾶς

Der archaische Heros ( Text zum homerischen Helden im Anhang Text 1)

Emotionalität heftige Gefühlsregungen bestimmen sein Handeln, werden weder unterdrückt


noch rational bewältigt.

Rangordnung entscheidende Rolle (Agamemnon als Oberbefehlshaber der Mächtigste)

Typos und Epithete ornantia als Ausdruck der Eigentümlichkeit (Helden nach Troja
Individualität besitzen keine Epitheta ornantia mehr!)

Ehre zukommender Anteil in Form einer Ehrengabe (γέρας);


materielle Sühne bei Verletzung der Ehre

Ruhm verhilft dem Helden dazu, sich über Zeitlichkeit und Vergänglichkeit zu
erheben;
sein materiell bestimmtes Handeln gewinnt dadurch einen idealen Zug.

6
Mythische Gebundenheit

Anthropomorphes Götterbild

- Die Götter Homers denken und fühlen menschlich; Übernatürliches fehlt ihnen
weitesthin, sie leben wie die adligen Herren der mykenischen Zeit.
- gleichbleibende Epitheta ornantia, z. B. Athene γλαυκῶπις
- Wandelbarkeit des Skamander
- Übertragung der weltlichen Ordnung auf Götterebene
(vgl. I. Bewirtung; XIV. Täuschung des Zeus; XX. Götterschlacht)

Animistisches Verständnis des Weltgeschehens

- Walten der Götter ist allgegenwärtig, auch in freundlichen und feindlichen Mächten
(μόροι, μοῖρα, πότμοι, ασα;
σα vgl. Buch VI. 486ff)
- Jedes Tun des Menschen wird als göttlicher Akt verstanden, sichtbar oder unsichtbar
von den Göttern bewirkt.
- Die Götter greifen sogar für ihre Lieblinge in den Kampf ein.
Trotzdem glaubt sich der Mensch frei in seinen Handlungen und Entscheidungen und
nimmt die Verantwortung dafür auf sich.
- Die Toten leben als Schattenbilder im Hades weiter, können keinen Einfluss auf die
Lebenden mehr nehmen.

Fehlen einer eigenen sittlichen Entscheidung

Beispiel: I. Entscheidungsszene des Achill


Achill trifft seine Entscheidung nicht infolge einer Reflexion (kein reflektiertes
Bewusstsein!), sondern auf Rat der Athene, welchen er, ohne nachzufragen,
akzeptiert. Er orientiert sich nach dem für ihn Besseren, eine verbindliche
moralische Norm gibt es nicht.

Kein, bzw. nur wenig reflektiertes Bewusstsein

Beispiel: II. Odysseus in der Königsrolle des Agamemnon.

Ambivalenz des Daseinsgefühls

VI. 146: οἵη περ φύλλων γενεή τοίη δὲ καὶ ἄνδρων


(Wie die Art der Blätter, so ist das Geschlecht der Männer)
VI. 484: δακρυοὲν γελάσασα (unter Tränen lachend)

Extrovertiertes Verständnis des menschlichen Wesens

Beispiel: - Gruppenpsyche, vgl. Entscheidungsszene des Achill (χρή ... θυμῷ κεξολωμένον)
- Abschiedsszene Hektor - Andromache (γέρας)

7
Gesellschaftliche Gebundenheit

- Ständeordnung einer in sich geschlossenen Gesellschaft:


Gliederung in 2 voneinander abgehobene Stände:
a) Fürsten, Könige, adelige Familien
b) abhängige, dienende Schicht
- Homers Könige waren Großgrundbesitzer. Sie distanzierten sich von der
dienenden Schicht, übernahmen aber dennoch auch schwere körperliche Arbeit.
Sie zeigten ihren Untergebenen Wohlwollen, waren aber unnachgiebig gegenüber
solchen, die gegen ihre vorbestimmte Rolle verstießen.
- Es war eine reine Männergesellschaft.
- Glücksvorstellung: Ruhm, Ehre, Rang, Reichtum, Schönheit, ...
- Unglücksvorstellung: Schande, Unehrbarkeit, Leid, Hässlichkeit, ...
⇒ keine individuellen und persönlich vertretbare Entscheidungen, Orientierung an
kollektiven Verhaltensmustern (soziale Aspekte stehen im Vordergrund!)

Entscheidungsszene des Achill ( Bild 1 im Anhang )

„Zweifache Überlegung“: τορδιάνδιχα


τορ μερμερίζειν
φάσγανον ἐρυσσάμενος ⇒ Ατρεϊδην ἐναρίζοι oder χόλον παύσειν

ἧος ὥρμαινε κατὰ φρένα καὶ κατὰ θυμόν



λθε Ἀθήνη

Die Rede der Athene (207-218) Die Entscheidung des Achill

Zweck ihres Kommens:


παύσουσα τὸν σὸν μένος χρὴ εἰρύσσαθαι
Von Hera gesandt: ↓
πρὸ δὲ μ᾿ ἧκε „Mann“-Bewußtsein
Befehle (Präs.): λῆγε ἔριδος Begründung:
Μηδὲ ἥλκεο ἀμείνον
ἴσχεο  
πείθεο utilitaristisch nicht sittlich
Empfehlung:
ὀνείδισον ἔπεσιν ⇓
Pragmatische Entscheidung:

τρὶς τόσσα δῶρα

8
Abschiedsszene Hektor – Andromache ( Bild 2 im Anhang; Text 2 im Anhang)

Zum Vergleich:
Homer, Ilias Vergil, Aeneis

Andromache Dido

1. Zukunftsschau: 1. Vorwurf:
φθεί
φθείσει τό σὸν μένος Abreise um jeden Preis?
2. Argumente:
χήρη ἔσομαι - Verlust der Ehre,
χθόνα δύμεναι - unfreiwillige Vermählung,
- Zerstörung Karthagos,
2. Narratio:
- Wunsch nach Kind.
Kindheit, Verwandte
3. Aufforderung:
å ëå´àéòå
4. Taktischer Tip:
ëàð´í óôçœóðí

noch keine persönlich


empfundenen Gefühle

Die Reaktion Hektors


(VI. 441-465)

441-449 Einsicht (mέλει, οῖδα)


Einwand (αἰδέομαι Τροῖας, ἔμαθον μάχεσθαι)
450-455 Schicksalsvergleich (μέλει ... σον)
456-465 Angst vor dem Schicksal seiner Frau (δάκρυχεουσαν; σῆς βοῆς)
Angst vor dem Verlust ihrer Ehre (ἱστόν)
und ihrer Hilflosigkeit (ἀνδρός ἀμύνειν)

Abschied
(466-496)

466-481 Liebkosung des Sohnes und Wunsch nach einer würdigen Nachfolge

482-485 Reaktion Andromaches: δακρυόεν γελασασα


(Ambivalenz des Daseinsgefühls!)
486-493 Reaktion Hektors: Trost; Einsicht in sein Schicksal (αῖσα)
Befehl, zum Alltag zurückzukehren (ἐκελευε)
Herausstellen seiner männlichen Schickung
(πόλεμος μελήσει ἀνδρέσσιν)

9
1.2 Beginnende Lösung aus gesellschaftlicher und mythischer
Gebundenheit, Lyrik

1.2.1 Allmähliche Lösung des Individuums aus der gesellschaftlich-sozialen


Gebundenheit und Einheit

Gattungsgeschichtliche Definiton

„Wo uns etwas erzählt wird, da handelt es sich um Epik,


wo verkleidete Menschen auf einem Schauplatz agieren, um Dramatik,
wo ein Zustand empfunden wird und von einem Ich ausgesprochen wird, um Lyrik.“
(Kayser1, S.332).

Herkunft und ursprüngliche Bedeutung

Lyrik ist (über das Französische) aus λυρικὴ τέχνη hergeleitet. Die Griechen verstanden
darunter lediglich Dichtung, die man nur zur Begleitung der Lyra, einem Saiteninstrument,
sang. Die antike Theorie unterscheidet formal zwischen Einzellied (μέλος) und Chorlied.
Entscheidend für die Gattungszugehörigkeit ist die Verbindung von Wort und Musik

(moderne, an der Klassik orientierte) Definition von Lyrik

„ ... lyrisch, dramatisch, episch sind nur literaturwissenschaftliche Namen für


„fundamentale Möglichkeiten des menschlichen Seins überhaupt“ „
(Emil Staiger, Grundbegriffe der Poetik 1946).
Unter diesem überzeitlichen Aspekt können wir unseren Lyrikbegriff auch auf die
griechische Lyrik und ihre Inhalte anwenden.

Griechische Lyrik

Vorformen

Arbeitlieder (für rhythmisch geprägte Arbeiten; vergleiche Kalypso, die am Webstuhl singt
Homer, Odyssee V.)

Kultische Lieder mit stark sakraler Funktion (zu Ehren einer Gottheit, bei Festen).

Volkslieder (brauchtümlich geformte Liedweisen, z. B. Schwalbenlied der Kindern, Erntelied).

1
Wolfgang Kayser: Das sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft, Bern 1948 (20.
Aufl.: Bern u.a. 1992).
1
Klassische Lyrik

μέλος (monodische Lyrik), ein Sänger

Chorlyrik (Chorgesänge von Tanz und Musik begleitet, zu Ehren von Göttern und
Heroen; Preislieder auf Sieger; Festgesänge)

Elegie (zum ἀυλός = Flöte) vorgetragen. Ursprünglich wohl phrygischer Klagegesang. Den
ausschließlich „elegischen“ Inhalt bekommt die Elegie erst in der deutschen Dichtung des 18. Jhts.
(Mischformen).

Iambos (Instrumentalbegleitung möglich). Kommt einem Sprechvers am nächsten. In der Antike


identisch mit kritischer, aggressiver Spottdichtung.

Geistesgeschichtliche Aspekte der frühgriechischen Lyrik

Die Epoche der frühgriechischen Lyrik (7.-6. Jht.)

Die frühgriechischen Lyriker und ihre Werke sind auf dem Hintergrund einer Epoche politischer
Wirren und sozialer und wirtschaftlicher Umwälzungen zu sehen.

- Rückgang der (politischen) Macht des Adels


Durch fortgesetzte Fehden schwächt sich der Adel selbst.
Der aufkommenden Demokratisierung hält die tradierte ständische - auf Abstammung gegrün-
dete - Gliederung der Gesellschaft nicht stand.
- Wirtschaftliche und soziale Veränderungen
Durch die Ausweitung der Wirtschaftsräume (u. a. als Konsequenz der griechischen Kolonisati-
on), Verwendung von Münzgeld und die aufstrebenden Wirtschaftszweige Handel und Gewerbe
steigen Nicht-Adelige auf und fordern Anerkennung und Mitbestimmung.
Während manche adelige Großgrundbesitzer an dem wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben,
geraten Kleinbauern und Pächter immer mehr in wirtschaftliche Abhängigkeit, die in vielen
Fällen die Versklavung zur Folge hat. Diese Entwicklung führt vor allem in Attika zu schweren
innerpolitischen Wirren und Spannungen ( → Solon).
- Andererseits geraten aber auch Adelige in wirtschaftliche Not und Abhängigkeit (Hipponax ?,
Theognis).
Der einzelne, der den Halt in einer festen gesellschaftlichen Ordnung verliert oder die Bedro-
hung und Gefährdung dieser Ordnung erlebt, wird auf sich selbst verwiesen, ja sogar isoliert
(Individuation).

1
1.2.2 Lösung aus gesellschaftlicher Gebundenheit.

Besondere Art des sozialen Bewußtseins

Sie zeigt sich zum einen in einem Bekenntnis zur Situation des Außenseiters (Hipponax), des
- unheldischen - Söldners (Archilochos), zum anderen in einer pessimistischen Reaktion auf die
gewandelte politisch-soziale Wirklichkeit (Theognis), zum dritten im Fortschreiten auf ein
Verantwortungsgefühl des einzelnen Bürgers als Glied einer Polis (Solon) und zum vierten in
einem aggressiven Abstandsdenken gegenüber dem Aufsteiger (Anakreon).
Es wird deutlich, wie die Lösung aus traditionellen Vorstellungen von Gesellschaft nicht im-
mer progressiv erfolgt, sondern die Individualität den einzelnen auch die Flucht in die - durch-
aus als gebrochen empfundene - Tradition antreten lässt.

Differenzierte Selbsterkenntnis und Erfahrung des eigenen Ich

Der Dichter erfährt sein Schicksal, sein Leid als - oft leidendes, einsames - Ich (Archilochos,
Hipponax, Sappho), nicht als das Schicksal einer Gruppe.
Im Gegensatz zum epischen Dichter tritt er lyrisch in eigner Sache (Solon, Archilochos) her-
vor. Nicht Muse und Hörer, wie bei Homer, stehen einander gegenüber, sondern Dichter und
Hörer ( → Zuschauer).

Differenzierte Fähigkeit der literarischen Aussage und Selbstdarstellung

Die differenzierte Erfahrung der eigenen Persönlichkeit bringt eine Differenzierung der
sprachlichen Mittel (Alkaios:Metapher; Theognis:Chiffre).
Hier ist auch die metrische Vielfalt zu nennen, sowie satirische und parodistische Elemente.

Lösung aus der mythischen Gebundenheit

Differenzierte Gottesvorstellung

Bei Solon wird die Δική ihrer anthropomorphen Züge weitestgehend entkleidet und als
Prinzip einer immanenten Gerechtigkeit empfunden. Die Götter (z.B. Zeus) werden zu
Repräsentanten ethischer Normen.
Hipponax wagt es, in satirisch-parodistischer Weise traditionelle religiöse Vorstellungen
zu karikieren und zu entlarven.

Zunehmende Verinnerlichung

Die Außensteuerung des archaischen Helden durch κλέος und τιμή verliert an
Bedeutung zugunsten einer Verinnerlichung (Archilochos’ θυμός; Sappho).
Dieser vertieften Erfahrung des eigenen Ich entspricht das Auseinandertreten von Sein
und Schein (Archilochos), die für Homer noch eine Einheit darstellten.
„Sie (=die Lyriker) entdecken neue Bezirke der Seele.“
(Snell, Entdeckung des Geistes, 1975, 81)

1
Bedeutung der griechischen Lyrik auf dem Weg der Selbstfindung des Individuums

„Die Entschiedenheit, mit der einzelne in der griechischen Lyrik ihren sehr persönlichen
Wertvorstellungen Ausdruck verleihen, markiert nicht nur den Beginn einer ganz neuen
literarischen Epoche, sondern vor allem die Wendung zu einer weitgehenden
Individualsierung des Bewußtseins, d.h. der einzelne empfindet sich nun als seiner
Umwelt gegenüberstehend.
Insofern ist es alles andere als verwunderlich, dass wir im Kreise der gr. Lyriker gerade
den Typus des gesellschaftlichen Außenseiters finden, wie Archilochos, den illegitimen
Sohn eines vornehmen Vaters und Sappho, eine Frau.
Diese Individualisierung des Bewußtseins geht Hand in Hand mit einer zunehmenden
Verinnerlichung, als deren Folge die Außenwelt „an Hintergrund“ gewinnt, gewissermaßen
durchsichtig wird.“
(Meyerhöfer, Der radikale Denkansatz in der griechischen Sophistik, Donauwörth,
1987,13)

1.2.3. Archilochos 2

Leben

Die Erwähnung der Sonnenfinsternis (fr. 74D) im Jahre 648 v. Chr. führt zur Festlegung der Lebenszeit auf
die erste Hälfte des 7. Jhdts.
Es stammt von der Insel Paros, von wo aus sein Großvater eine Kolonie nach Thasos führte. Sein Vater
Telesikles gehörte zum Priesteradel, seine Mutter Enipo war eine Sklavin, was Archilochos zum Bastard
machte. Nach Kritias sei er später aus Armut nach Thasos gegangen und habe dort an den Kämpfen gegen die
Thraker als Söldner teilgenommen. Er soll in einem Kampf zwischen Paros und Naxos den Tod gefunden
haben.

Werke

Archilochos schreibt seine Dichtungen im iambischen (∪ ), trochäischen (∪ ∪ ) und


daktylischen ( ∪ ∪) [≈ elegisches Distichon] Versmaß.
3
Fr. 1D Hervorhebung des eigenen „Ich“

εἰμί δ᾿ ἐγώ
 
θέραπων ἐπιεστάμενος
δῶρον Μουσέων

soziale Funktion Privatleben/Musendienst

Fr. 2D Spannungsfeld zwischen „Ich - Hobby“

Fr. 6D Lösung aus der sozialen Gebundenheit;


Verzicht auf Ehrenkodex; materialistisches Denken;
Fähigkeit zum differenzierten Denken;
Ende der Adelsherrschaft;
Aristokratie → Tyrannis

2
Textauswahl mit Kommentar : http://www.gottwein.de/Grie/lyr/LyrArchil01.php
3
Texte im Anhang
1
Fr. 60D Vorstellung und Wunsch nach einem gutmütigen Herrschers und Strategen/Feldherrn

Fr. 67aD differenziertes Innenleben (als Folge der Individualisation);


Einsicht in das „Auf und Ab“ des Lebens (ῥυσμος);
Θυμέ, θύμ᾿ ...

- Archilochos ist Söldner und Dichter zugleich.


- Der Mythos hat keine unbedingte Gültigkeit mehr, er lehnt traditionelle Vorstellungen ab
(Fr. 60D).
- Aber die alten Werte wie Gerechtigkeit, religiöse Normen, Tapferkeit, Schamgefühl gelten wei-
terhin.
- Appelle an sein eigenes Selbst (θύμος).
- Innere Sicherheit
- Der Mensch ist der Gesetzlichkeit des ῥυσμος unterworfen.

1.2.4 Alkaios

Leben

Alkaios stammt wie Sappho von der Insel Lesbos, wo er um 600 v. Chr. an den heftigen Kämpfen
zwischen den dortigen Adelsparteien teilnahm. Pittakos, der Tyrann von Mytilene, war sein ärgster
Feind. Obwohl Alkaios in seinen Gedichten verschiedene Andeutungen über die politischen
Verhältnisse macht, können wir nur wenig nachvollziehen, da die versteckten Informationen nur
„Insidern“ zugänglich sein dürften. Alkaios wurde sehr alt, zumindest spricht er in einem seiner
Gedichte von seiner ergrauten Brust. Während seines langen Lebens wurde er zweimal verbannt,
u. a. nach Ägypten.

Werke

Alkaios’ Dichtungen (die mindestens zehnbändige Alexandrinische Ausgabe) lassen sich in drei
Arten unterteilen:
• politische Lieder: Warnung vor der Tyrannis;
erstmals Bild (Allegorie) vom Staatsschiff
• Gelagelieder: Trinklieder (nicht selten mit politischem Inhalt!)
• Hymnen und mythologische Erzählungen: Themen aus dem Epos und Kyklos
[• erotische Lieder: verlorengegangen; Horaz stützt sich auf sie!]

1
46aD 326LP
1 ἀσυννέτημμι τὼν ἀνέμων στάσιν,
2 τὸ μὲν γὰρ ἔνθεν κῦμα κυλίνδεται,
3 τὸ δ' ἔνθεν, ἄμμες δ' ὂν τὸ μέσσον
4 νᾶι φορήμμεθα σὺν μελαίναι
5 χείμωνι μόχθεντες μεγάλωι μάλα·
6 πὲρ μὲν γὰρ ἄντλος ἰστοπέδαν ἔχει,
7 λαῖφος δὲ πὰν ζάδηλον ἤδη,
8 καὶ λάκιδες μέγαλαι κὰτ αὖτο,
9 χόλαισι δ' ἄγκυρραι

[vgl. Hor.c.1,14: Auch bei Alkaios handelt es sich um eine Allegorie auf das Staatsschiff "Mytilene"]
1 ἀσυννέτημμι - äol. = ἀσυνετέω (συνίημι) - verstehe nicht | 2f τὸ μὲν ἔνθεν - τὸ δ' ἔνθεν - von hier und von dort; von allen
Seiten | κυλίνδομαι - wälze mich | 3 ἄμμες - äol. = ὑμεῖς | ὂν - äol. = ἀνά | 4 νᾶι - äol. = νηί | φορήμμεθα = φερόμεθα (φόρημι
äol. = φέρω) | 5 μοχθέω τινί - leide unter etwas, mühe mich ab | 6 πὲρ = περί | ὁ ἄντλος - Schöpfwasser, Kielwasser | ἡ
ἰστοπέδη - Mastschuh | 7 τὸ λαῖφος - Lumpen, Segel(tuch) | πὰν = πᾶν | ζάδηλος = διάδηλος - durchsichtig, zerfetzt | 8 ἡ

λακίς - Fetzen | αὖτο - sc. τὸ λαῖφος | 9 χόλαισι = χαλῶσιν von χαλάω - lasse nach, werde schlaff | ἡ ἄγκυρρα - Anker

Individualisierung (ich)
Fähigkeit zum selbstständigen Denken
Benutzung von Bildern; Symbolisierung
(Staatsschiff = Allegorie; Schiff = Staat ≈ Metapher)
2. Einsicht in den Rhythmus des politischen Geschehens
3.Verallgemeinerung des „Ausgeliefertseins“ (ἀμηχανία )
4. Angst vor dem Untergang des Staats (=System)

Wortwahl: μελαίνα (schwarz ≅ Tod, Untergang)


μόχθεντες, μεγάλῳ, μάλα: Alliteration
- äolische Sprache
- eigenes Versmaß: alkäische Strophe (bestehend aus zwei alkäischen
Elfsilblern, einem Neun- und einen Zehnsilbler)

∪  ∪  ∪  ∪ ∪  ∪ 
∪  ∪  ∪  ∪ ∪  ∪ 
∪  ∪  ∪  ∪  
∪∪∪∪∪∪

- erstmals Verwendung der „Allegorie vom Staatsschiff“

1
1.2.5. Sappho

Leben

Sappho (∼600 v. Chr.) entstammte einer der vornehmsten Familien auf Lesbos, sie genoss eine gute
Erziehung, verlor ihren Vater mit sechs Jahren. Sie war (wahrscheinlich) verheiratet, vermutlich mit einem
vermögenden Bürger der Insel Andros, der jedoch früh gestorben sein muss und hatte eine Tochter namens
Kleis; sie muss einige Jahre auf Sizilien verbracht haben, der Grund dafür ist umstritten. Nach ihrer Rückkehr
gründete sie einen Jungfrauenorden, welcher der Aphrodite diente, den sogenannten Thiasos (θίασος). In ihm
war Sappho als Erzieherin und ,Oberin‘ tätig und verbrachte dort wohl dann auch den Rest ihres Lebens. Sie
war Zeitgenossin des Alkaios und stand mit ihm in Kontakt.

Werke4

Sapphos Dichtungen lassen sich grob in drei Formen einteilen:

• Hymnen, d. h. gottesdienstliche Lieder im Kult der Aphrodite

• Hochzeitslieder (Epithalamia) auf Heroen- und Götterhochzeiten und auf Hochzeiten


ihrer Mädchen

• Liebes- und Freundschaftslieder

- äolische Sprache
- eigenes Versmaß: sapphische Strophe

Fr. 2D Ohnmacht gegenüber der Welt


Rezeption durch Catull!
Vergleich der Geliebten mit einer Gottheit

Fr. 27aD Relativismus;


Die Liebe ist das Höchste aller Dinge.
Subjektivismus

- Die Liebe ist etwas Göttliches.


- Gefühl der Liebe (+ Enttäuschung) wird stark persönlich erlebt.

4
Texte im Anhang
1
1.2.6. Hipponax

Leben

Hipponax, der „Rosseherrscher“, (∼640 v. Chr.) stammte aus Ephesos, von wo er in den vierziger
Jahren des 6. Jhts. v. Chr. nach Klazomenai flüchtete. Arm und sozial unterbemittelt, verdiente er
sich seinen Lebensunterhalt durch Betteln um Essen und warme Kleidung. Dort lernte er die
„Vulgärsprache der Gosse“ kennen und benutzte sie auch in seinen Gedichten. Zudem verdingte er
sich als „Bettelpoet“ in den Straßen der Städte.

Werke

Eigenarten des „Bettelpoeten“:

- eigenes Versmaß: Hinkiambus (bereits früher bekannt, aber erstmals in Systemen verwendet)
- Parodien des Epos (Hexameter!)
- „Vulgärsprache der Gosse“

ρµ,φιλ¨ρκµ,ΜαιαδεΚυλλνιε,
πε χοµαιτο,κ"ρταγ$ρκακ%ς'ιγ%
δ(ςχλααν)ππ*νακτικα+κυππασ,σκον
κα+συµβ"λισκακ.σκερισκακα+χρ σου
στατρας/ξκοντα


κ"ρτα= µ"λα;χλαναMantel; κυπισσ,σκος= Wämslein;
συµβ"λισκα= σ"νδαλα;.σκ2ρισκον = Pelzschühchen

3µο+δ4Πλοτος-7στινγ$ρλι8ντυφλ9ς-
ςτ:ικι¨α;δ"µ¨ε<πεν·„ )ππ%ναξ
δ,δωµιτοιµν?ς.ργ ρουτρικοντα
κα+π9λλ¨7τ¨@λλα·δε,λαοςγ$ρτ$ςφρ2νας

δε,λαοςtraurig

1
1.2.7. Solon

Leben

Solon wurde um 640 v. Chr. in Athen als Sohn eines Adligen aus dem Metontidengeschlecht geboren. Es ist
uns nicht möglich, die Chronologie seiner Reisen als Kaufmann aufzustellen und seine Rolle im Krieg Athens
gegen Megara zu bestimmen. Leichter zugänglich sind uns seine Reformen, durch die er berühmt wurde. Er
war 594/593 Archont in Athen und wurde mit besonderen Befugnissen ausgestattet. So sollte erstmals
Dialakte (=Versöhner) zwischen den zerstrittenen Bürgerparteien einen Ausgleich schaffen. Solidarität und
Gerechtigkeit waren dabei für ihn unumstößliche Grundwerte. Die wichtigsten Erfolge der solonischen
Reformen waren (wenn auch teilweise nur auf Zeit): σεισάχθεια (Lastenabschüttelung-Schuldenausgleich/-
erlaß), Aufhebung der Schuldknechtschaft, Währungsreform, Schaffung des Rats der 400 (Befugnisse des
Areopags). Seine politisches Wunschsystem ist die Timokratie. Zudem lässt er jeden Bürger Athens
schwören, die Gesetze zu achten und einzuhalten. Solons Tod ist um 560 v. Chr. zu datieren.

Werke

- ca. 5.000 Verse, davon 200 aus den Elegien, ca. 70 aus Iamben und Trochäen erhalten.
- meist politische Dichtung:
eng verbunden mit seiner politischen Tätigkeit,
wobei die Iamben meist eher persönlicher sind,
in den Elegien hingegen meist theoretische Grundlagen erarbeitet werden.
Die Erkenntnisse sollen ermahnend auf die Bürger wirken:
die maßlose Besitzgier schaffe notwendigerweise schlimme Zustäne, die Strafe fur alles Unrecht
werde auf alle Fälle kommen, man solle nicht den Göttern die Schuld für selbst herbeigeführtes
Unheil geben.
Zentral ist die Auffassung von einer Rechts- und Weltordnung (vgl. Hesiod)
- Sprache: kräftig, ausdrucksstark, bildhaft (in Gleichnissen, oft dem Epos nahe)
- Die gleiche Folgerichtigkeit herrscht in der Natur und bei den Menschen.

1
Musenelegie (Fr.1D)

1
3/4 Bitte um Wohlstand von Seiten der Götter,
um guten Ruf bei den Menschen,
5/6 um Geltung bei Freund (Achtung)
und Feind (Furcht).

7/8 Zu Unrecht (ἀδίκως) erworbener Reichtum wird


abgelehnt;- Folge: πάντως ὕστερον ῆλθε
δίκη.
9/10 Von den Göttern verliehener Reichtum ist
allerdings beständig.
11/16 Dagegen entfaltet sich in dem durch ὕβρις
und ἀδικία erworbenben Reichtum aus
kleinem Anfang ἄτη (Fehler → Unheil);
den ἔργα der ὕβρις wohnt nämlich keine
Dauer inne.
17/32 Sondern Zeus hat das τέλος von allem im
Auge, schafft plötzlich den strafenden Ausgleich
(τίσις):
18/24 Wie ein Frühlingssturm, der die Atmosphäre
klärt,
25/32 so erfolgt diese τίσις; oft nicht sofort (wie
bei einem jähzornigen Menschen), sondern später
oder gar erst bei den Nachkommen.
33/62 Die Menschen dagegen, gute und
schlechte,
haben nur eine δεινὴ δόξα; bis sie ent-
täuscht werden, leben sie von κουφαὶ
ελπίδες (leichtsinnige Hoffnungen): z.B.
37/38 Der Kranke sinnt auf Gesundheit.
39/40 Der Jämmerliche und der Hässliche wäh-
nen sich tüchtig und schön.
41/62 Mittellose wähnen sich künftig reich:
43/46 Der Handelsmann zur See σπούδει δ᾿ ἄλλοθεν ἄλλος;
47/48 Der Bauer
49/50 Der Handwerker
51/52 Der Dichter
53/56 Der Seher - aber er kann das Schicksal
nicht abwehren.
57/62 Der Arzt - auch sein Tun hat kein τέλος·:
Handeln und Erfolge des Handelns
kongruieren oft nicht.

2
63/64 Die Μοῖρα bringt den Menschen
Schlechtes und Gutes, die Gaben der Götter
sind unentrinnbar.

65/70 Auf allen ἔργματα des Menschen liegt


κίνδυνος (Risiko; einen neues Wort
der Zeit!), der Ausgang jedes
Unternehmens ist für ihn ungewiß:

67/68 Der gut Handelnde, aber


οὐπρονοήσας fällt in ἄτη.

69/70 Der schlecht Handelnde erfährt durch


die Götter συντυχίνην ἀγαθήν und
dadurch ἔλκυσιν ἀφροσύνης..

71/73 Auch für den Reichtum erkennt der Mensch keine Grenze → gerade die Reichsten werden
darin unersättlich →
74/76 Die Götter verleihen den Gewinn, aber aus ihm tritt ἄτη, aus Licht τίσις hervor.

1.3 Allmähliche Lösung aus der mythischen Gebundenheit:


Die Vorsokratiker5
1. Erst das seiner Selbst innegewordenen Individuum vermag sich über seine Umwelt zu wundern
(διὰ τὸ θαυμάζειν, Aristoteles). Frage nach dem Grund und Urgrund wird gestellt.
2. Erst der freie Mensch erstrebt Wissen um des Wissens willen.
3. Mit dem Heraustreten des Individuums aus kollektiver Gebundenheit wird ein neues
Gemeinschaftsprinzip nötig, um menschliche Interaktion zu ermöglichen.
λόγος = Vernunft und Rede als Medium. Ausgangspunkt: Ionien (Milet!); Lage zwischen Orient und
Occident; Handel, Seefahrt. Schärft die Beobachtungsgabe der Ionier.
Nach dem Heraustreten aus der kollektiven Gebundenheit wird λόγος zum Medium
zwischenmenschlicher Kommunikation.

5
Alle Texte im Anhang
2
1.3.1.Thales von Milet (640/24 - 546; Akmé 585)

• Astronomie: Sonnenfinsternis 535 v. Chr. auf ein Jahr vorausberechnet.


• Arche: einheitlicher Urgrund (ἀρχή, στοιχεῖον, ὕλη, φύσις) der sinnlich wahrnehmbaren,
empirischen, mannigfachen Welt ist das Wasser (τὸ ὕδωρ).
δωρ
Es ist der einzige und gemeinsame Urstoff aller Dinge (Monismus)
• Das Wasser ist unverändert trotz aller Metamorphosen, belebt und beseelt zugleich:
Hylozoismus (lebendige, beseelte Materie als Ursprung).
Alles Existierende entsteht aus dem Wasser und kehrt zu ihm zurück.

1.3.2. Anaximander (aus Milet) (611 - 546; Akmé 570)

περὶ
περὶ φύσεως“)
• Erste schriftliche Fixierung seiner Lehre in Prosa („περ σεως
• Biologische Evolution: Mensch aus Haifischen
• Arche: τὸ ἄπειρον nicht ein empirischer Stoff, sondern eine denkerisch erschlossene und be-
wegte Substanz (ἀγένητον, ἄφθαρτον, θεῖον).
Es umfaßt und steuert alles ⇒ es ist mit dem Göttlichen gleichzusetzen.
[Unterschied zu den Göttern Homers: Homers Götter sind bereits geboren, ihre Le-
bensdauer ist nur für die Zukunft begrenzt.]
• Unerbittliches immanentes Weltgesetz: aus dem räumlich, zeitlich, qualitativ unbegrenzten
Raum (κατὰ τάξιν χρόνου) trennen sich die Dinge der Welt in Einzelgestalten ab.
• Zyklischer Weltprozeß:
„Woraus das Werden der seienden Dinge ist, in das geschieht auch das Vergehen.“
• Theodizee: Untergang und Tod sind Strafe (τίσις) für die Vereinzelung des Individuums.

1.3.3. Anaximenes (aus Milet) (600(586) - 525; Akmé 546)

• Arche: αήρ; strenger Monismus.


Gleichsetzung mit dem Göttlichen.
Die Luft umschließt den ganzen Kosmos.

1.3.4. Xenophanes (aus Kolophon) (um 570 - um 480/75; Akmé um 530)

Rapsode; Lehre in Gedichtform (Hexameter)


Weniger philosophischer als theologischer Denker;
nach Elea (in Unteritalien) ausgewandert

• Kritik am Antropomorphismus: Kritik an den olympischen Göttern; Die Götter sind nur Projek-
tionen menschlicher Empfindungen und Triebe, weshalb sie zu unmoralischem Handeln fähig
sind, was einer Gottheit unwürdig ist.
• Neues Gottesbild: ein einziger, absoluter Gott (Monotheismus);
Er ist unvergleichlich mit allem Menschlichen, Inbegriff der Einheit und Ganzheit; nicht mensch-

2
lich gestaltet und nicht gedacht; weltimmanent, ,,ἀκίνητος κίνων“ (unbewegter Beweger),
οῦλος ὁρα – νοεῖ
Der philosophische Begriff wird in einen persönlichen umgewandelt, ohne jedoch seine charak-
teristischen Eigenschaften zu verlieren.
• Ansätze zur Erkenntniskritik: Menschliches Wissen ist nur bruchstückhaft und Schein
(δόκος).
Fälle vollendeter Einsicht sind nur durch glückliches Gelingen erklärbar. Wissen ist jeweils den
Grundbedingungen der Zeit unterworfen, es gibt jedoch auch Erkenntnisfortschritte.
⇒ Entwicklung einer rationalen Theologie und einer philosophischen Ethik;
Anstoß zur Erkenntniskritik

1.3.5.Heraklit aus Ephesos (um 540 - um 480; Akmé 504/01)

der „Dunkle“ (ὁ σκοτεινός) ; aristokratische Einstellung


• Arche: πύρ ,das ewig bewegte Feuer;
Aus ihm entstehen alle Elemente und kehren in dasselbe zurück.
Zyklus: Feuer-Wasser-Erde-Wasser-Feuer
Feuer

Wasser

Erde
Wasser

• Alles ist in ständigem Wechsel (πάντα ῥεῖ). to be or not to be (W. Shakespeare)


„Es ist nicht möglich, zweimal in denselben Fluß zu steigen.“
(ἐς τὸν αὐτὸν ποταμὸν οὐκ ἄ ἐμβαίης)
• Jedes Werden entsteht aus Gegensätzen (πόλεμος π
πάάτηρ π
πάάντων.).

• Logoslehre: λόγος:- objektive Vernunft


- vernünftiges Weltgesetz
- vernünftige Rede (Medium der Verständigung denkender Menschen),
wird von der Masse nicht verstanden.
• Die menschliche Seele ist feuerartig und unsterblich, nicht räumlich;
löst sich nach dem Tod vom Körper.

1.3.6. Parmenides (aus Elea) ((540)515 - (470)450; Akmé (504/01) 475)

Rapsode (Hexameter)
Schüler des Xenophanes
Werk: „περὶ φύσεως“
Er trägt seine Lehre als epische Langgedichte vor und wählt dabei mythische Bildlichkeit in
traditionsgeprägter Sprache für philosophisch-abstrakte Inhalte. Er gebraucht für seine
philosophische Entwicklung die
• Methapher vom „Weg“ aus dem Dunkel der bloßen Meinung, zum Licht absoluter philosophi-
scher Wahrheit (Ἀληθεία).
Idee des Guten
2
• Ontologie und Logik
- sein = sein
nicht sein ≠ sein
- Etwas ist oder es ist nicht. Ein drittes ist ausgeschlossen.(Satz vom ausgeschlossenen Dritten).
- Beim logischen Urteil wir die Kopula „sein“ benutzt.
Sie bildet den gemeinsamen Bestandteil aller Urteile.
- Urteilendes Denken heißt, mit Hilfe des „ist“,
d. h. des „Seins“ zur Kenntnis zu gelangen: τὸ γὰρ αὐτὸ νοεῖν ἐστίν τε καὶ εἰναι.
- Beim Abgeben von Urteilen (Einzelbestimmungen) wird mit dem Sein ein Nichtsein ausge-
schlossen.
- Wird das Sein jedoch als allumfassendes Ganzes gedacht, kann es daneben nichts mehr geben.
- Das allumfassende Sein ist ist also ohne jedes Nichtsein, ungeworden, unvergänglich, unbe-
weglich, unveränderlich, unteilbar, in sich geschlossen wie eine Kugel (ἀγένητος,
α3ώλεθρον,ἀκίνητον, ἀτέλεστον, οὐλομελής, σφειροειδής).
• Welt des Seins
- Werden kann nur ein Übergang sein aus dem Nichtsein in das Sein. (δόξα)
- Da aber das uns in der Welt vermittelte Werden nur ein Schein ist (δόξα, δοκούντα), wird
man gezwungen, in zwei Welten zu leben und die relativ beste Welt zu suchen.

Die Atomisten

1.3.7.Leukipp (aus Milet) (Akmé um 450)

nach Elea ausgewandert (Parmenides!)


Gründung einer Schule in Abdera.
Dieser „lachende Philosoph“ wird durch seine Reisen bis nach Indien zum Polyhistor.

• Materialismus: Es existiert nichts als die Atome, das Volle (τὸ πλῆρης) und das Leere/der leere
Raum (τὸ κενόν = τὸ μὴ ον´) ; τὰ ἐλάχιστα πρῶτα σώματα ἄτομα καλεύντες. Abgesehen von
ihrer Vielzahl sind die Atome wie das Sein des Parmenides ungeworden usw. Sie sind verschieden
an Größe, Gestalt und Schwere. Der leere Raum, in dem kein Sein ist (vergleiche Nichtsein der
Eleaten), ermöglicht die Bewegung der Atome. Aufgrund ursachloser Selbstbewegung (vergleiche
Hylozoismus) werden die Atome hin und her getragen; durch Zusammenballen bewirken sie
Entstehen, durch Trennung Vergehen. Schwere und Härte beruhen auf der Zahl der Atome, die eine
Atomkomposition bilden, und auf der Enge ihrer Verbindung. Die sekundären Qualitäten (warm,
süß, schwarz, usw.) hängen von der Form und Art der Atome und von der subjektiven Art ab, mit der
die Menschen darauf reagieren.
• Substanzgesetz: Was ist, kann nicht vernichtet werden; aus Nichts kann nichts entstehen.
• Mechanistisches Prinzip: Alles Werden ist mechanische Bewegung. Bei der planlosen Bewegung
der Atome bilden sich flüchtige Atomkompositionen, ebenso wie Tragödie und Komödie aus den
gleichen Buchstaben zusammengesetzt sind. Die Atome stürzen in den leeren Raum, umschlingen
sich (Gleiches zu Gleichem), ballen sich zusammen, bewirken einen Wirbel; die feineren Teile
entweichen nach außen und bilden das Himmelsgewölbe. Die übrigen ballen sich kugelförmig zu
Sternen zusammen und zu unserer Erde. Es gibt unzählige Welten, die sich wieder auflösen.

2
• Kausalgesetz: Alles geschieht aus einem Grund und mit Notwendigkeit (keine Freiheit);
die Natur ist ein lückenloser Zusammenhang von Kausalitäten.
• Die Seele besteht aus feinen Feueratomen, die durch den Leib verteilt sind. Nach dem Tod werden
sie zertreut. Die Wahrnehmungen entstehen durch Emanationen von Bildern aus
den Atomen, die über Sinnesorgane in den Menschen eindringen; Ziel des
Menschen ist Wohlgemutheit (εὐθυμίη), Glück ohne Angst in heiterer Gemütsruhe.
• Erkenntnistheorie: echte Erkenntnis mittels des Denkens erfaßt objektive Realität;
dunkle Erkenntnis mittels Sinneswahrnehmungen
(unzuverlässig, subjektiv, relativ)

1.3.8.Demoktit (aus Abdera) (470/ 60 - 380/ 70; Akmé um 420)

Ähnliche Ansichten wie Leukipp, aber zudem:


• Seele und Geist sind ein und dasselbe.
• Seele und Körper vergehen zusammen.

2. Radikaler Denkansatz in der griechischen Sophistik und seine


ethisch-politischen Konsequenzen

1. Der Weg vom Mythos zum Logos, sowie politische und wirtschaftliche Veränderungen, hatten im
7./6. Jht. zur Lösung des Menschen aus mythischer und sozialer Gebundenheit geführt, ohne dass
eine neue verbindliche Ordnung gefunden wurde. So widersprechen sich in der Philosophie Heraklit
und die Eleaten. Der rationalen Philosophie steht die Orphik gegenüber (Offenbarungsreligion;
seliges Leben im Jenseits für alle Menschen, die durch Weihen und sündenloses Leben gereinigt
wurden).
2. Der radikale Denkansatz der Sophisten seit Mitte des 5. Jhts.:
a) Extreme Emanzipation des individuellen Individuums (Subjektivismus, Relativismus,
kritischer Rationalismus)
b) Nicht mehr die Natur steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch im Verhältnis zu seinen
Mitmenschen, Staat und Göttern.
c) Forderung einer modernen Erziehung: Lebenstüchtigkeit des Individuums durch
methodische Ausbildung des Denkens, Beherrschung der Rede und der Kunst der
Überredung. Die Sophisten durchwandern als Weisheitslehrer die griechische Welt,
halten Musterreden und Vorträge über die bürgerliche Tüchtigkeit notwendiger
Gegenstände.

2
2. 1. Sophisten

2.1.1.Protagoras (aus Abdera) (um 490/ 80 - 414/ 11; Akmé 444/ 441)

• Homo mensura -Satz:


πάντων χρημ
χρημά
άτων μ
μέέτρον ἐστί
στίν ἄνθρωπος, ττῶ
ῶν μὲ
μὲν ὄντων, ὡς ἔστιν, ττῶ
ῶν δὲ
δὲ οὐκ ὄντων, ὡς
οὐκ ἔστιν. (χρῆμα < χρῆσθαι eigentlich Gebrauchsgegenstände, die sich nun als Objekte
gegenüberstehen.)
• Subjektivismus: Was von keinem Subjekt erkannt wird, existiert nicht.
• Relativismus: Es gibt keinen absoluten Wahrheitsbegriff, er ist nur eine willkürlich vom Men-
schen festgesetzte Norm.
In der Ethik erkennt er allerdings noch αἰδώς und δίκη (Ehrfurcht und Recht) an.
• Sensualismus: Nur sinnliche Wahrnehmungen sind real (↔ Parmenides).
• Skeptizismus: gegenüber allem, was nicht durch die Sinne erfassbar ist (jegliche Erkenntnis ist auf
die Sinneswahrnehmung zurückzuführen):
„Über die Götter vermag ich nicht(s) zu wissen, weder dass es sie gibt, noch dass es
sie nicht gibt, auch nicht, wie sie im bezug auf irgendeine Art von Aussehen
beschaffen sind; denn es gibt viel, was (uns) daran hindert, darüber Bescheid zu
wissen: die Unsichtbarkeit und die Tatsache, dass das Leben des Menschen kurz ist.“
• Dialektik: Ablehnung des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten (Parmenides).
Über alle Dinge gibt es zwei Aussagen. (vgl. in utramque partem disputare)
„τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν“
• Pädagogik: Alles ist allen lehrbar.
• urgeschichtliche Spekulation: Die Menschen gewinnen zunächst technische Künste und suchen
dann die Kunst des Zusammenlebens im Staat, die auf Recht und
Ehrfurcht beruht.
• Agnostizismus: Die Existenz oder die Nichtexistenz der Götter ist nicht zu beweisen.

2.1.2 Gorgias (um 480 - nach 399)

aus Sizilien, kam 427 v. Chr. als Gesandter nach Athen.


Großer Erfolg als Redner.
Handbuch der Rhetorik mit Musterreden in attischer Sprache (ἀντίθετα, ἰσόκολα, παρόμοια,
ὁμοτέλεντα)
Mitunterredner und Titelgeber von Platons „Gorgias“

•Rhetorik ist Phsychagogie:In der Schrift περὶ τοῦ μὴ ὄντος ἤ περὶ φιλοσοφία: radikale Absage
an die Philosophie.
„Das Seiende gibt es nicht, auch das Seiende existiert nicht. Wenn es aber etwas geben sollte,
ist es unerkennbar und unvorstellbar und nicht mitteilbar.“
• Nihilismus: Kompromisslose Ablehnung von Lehr- und Glaubenssätzen.
• Agnostizismus: Die Existenz oder Nichtexistenz der Götter ist nicht zu beweisen.
• Beginn des Streits zwischen philosophischer und rhetorischer Bildung; Der Rhetorik geht es nicht
um die Wahrheit, sondern um die Durchschlagskraft der Argumente.

2
2.1.3. Prodikos von Keos (470/ 60 - nach 399)

• Rationalistische Erklärung für die Entstehung des Götterglaubens, Die Götter sind nur
Hyposthasen (=Personifikationen nützlicher Naturkräfte), Erfindungen des Menschen.
(z. B. Brot - Demeter, Wein - Dionysos)
• Gut und schlecht sind relativ; es kommt nur darauf an, wie der Mensch die Dinge gebraucht.
• In der Allegorie „Herakles am Scheideweg zwischen Tugend und Laster“ stellt er positive ethische
Forderungen auf.

2.1 4Kritias (um 455 - 403)

Onkel des Platon


Einer der „Dreißig Tyrannen“

• Kulturentstehungslehre
Religionskritik

1. Die Ära des Naturzustands

βίος ἄτακτος
θηριωδής
ἴσχυς ὑπερήτης

2. Die Ära der Sozialisation durch Gesetze

οἱ νόμοι φύσις  νόμος


δίκη τύραννος

3. Die Ära der Sozialisation durch Religion

Bezug auf ein „Über-Ich“

τις πυκνός ἀνήρ ... θεῶν δέος θνητοῖσιν ἐξευρεῖν


τὸ θεῖον εἰσηγήσατο
δαιμόνων

⇒ Religion ist eine Erfindung der Machthaber;


Manipulation durch Angst,
Religion ist Opium fürs Volk! (Karl Marx)

2
2.1.5. Thrasymachos (um 450 - 400)

Mitunterredner in Platons „Staat“ (Gyges und sein Ring: Jeder begeht Unrecht, wenn er sich dadurch
größere Vorteile verschaffen kann als mit legalen Mitteln.)

• φύσις und νόμος


τὸ δίκαιον τὸ τοῦ κρείττονος συμφέρον.
„Gerecht ist, was dem Stärkeren nützlich ist.“
• Deismus

2.1.6. Antiphon (um 450 - 400)

• φύσις ↔ νόμος
• Vertreter des Rechts des Schwächeren
Buchtitel: ∋Αληθεα („Aufklärung“)

φ∨σιϕ
Antithese φ∨σ ιϕ − νµοϕ

Recht des Schwächeren

positives Recht (νµοϕ)


πλεονεξα
willkürlich festgesetzt (Konventionen = ∠µολογηθντα)
Legalität ⇒ äußere Rechtssicherheit
τƒ µν τν νµων πθετα

Naturrecht (φ∨σιϕ)
legale Gesetzlichkeit = Gleichberechtigung;
Legitimität ⇒ innere Berechtigung (subjektives Recht des Menschen)
Naturrecht notwendig
τƒ δ τℑϕ φ∨σεωϕ ′ναγκαα

2.1.7. Hippias (nach 460 - nach 400)

• Radikalisierung der Ideen Anthiphons:


Gesetz als Tyrann, Natur macht die Menschen zu Freunden.
⇒ Relativierung des vόμος - Begriffs als weiterer Schritt aus der geschlossenen zur offenen
Gesellschaft

2
Das Problem Recht

Naturrecht positives Recht


φύσις νόμος

Vertreter: Art:
Antiphon, Aristoteles, Stoa Gewohnheitsrecht,
Vertragsrecht, Gesetzesrecht
Historische Entwicklung:
Magna Charta libertatum
Hugo Grotius *1583
Puffendorf *1632 Hobbes
habeas corpus Akte (1689) Positivisten des 19. Jhts.
Deklaration der (Comte)
Menschenrechte

Wurzel: Wurzel:
Gott, Vernunft Gesellschaft
Legitimität Legalität
→ „innere Berechtigung“ → „äußere Berechtigung“

2
2.2 Platon, Gorgias

I. Sokrates
1. Leben

Sokrates wurde 469 v. Chr. in Athen geboren. Sein ursprünglicher Beruf war Bildhauer. Er nahm am
Peloponnesischen Krieg teil (431-404 v. Chr.). Anschließend begann er, sich der Philosophie zu widmen. Er
wandte sich gegen die Vernünftelei der Sophisten und war der Meinung, dass es allgemein gültige ethische
Richtlinien des Handelns gebe, die er als im Menschen verankertes Sittengesetz zu ergründen suchte
(δαιμόνιον). Sokrates wurde 399. v. Chr. wegen Zersetzung der Jugend, Götterfrevel und Störung der
staatlichen Ordnung zum Tode verurteilt (Schierlingsbecher).
Sokrates hat selbst nichts Schriftliches hinterlassen; seine Lehre und seine Erkenntnisse sind überliefert in den
Dialogen und Schriften seines Schülers Platon.

2. Grundlinien sokratischen Denkens

- Abkehr von der Naturphilosophie wegen ungenügender Fragestellung


- Hebammenkunst (μαεία = Hebammenkunst); „οῖδα οὐδὲν εἰδώς.“
- Suche nach der Wahrheit: Dialog (Frage und Antwort) Widerstreit von Hypothesen endet in
einer Synthese (Wahrheitserkenntnis) oder einer Aporie (die vorgetragene Hypothese war nicht
stark genug).
- Die gefundene Wahrheit ist allgemein gültig:
Der Mensch muss das, was er als wahr erkannt hat, in die Tat umsetzen
(ethischer Intellektualismus).
- „Erkenne Dich selbst!“

Platon
Leben

Platon wurde 427 v. Chr. in Athen geboren und war Neffe des Kritias. Er war Schüler des Sokrates (bis zu
dessen Tod). Danach machte er sich selbstständig, reiste 399 v. Chr. nach Megara, später mehrere Male nach
Sizilien. 387 v. Chr. gründete er seine eigene Schule in Athen, die Akademie. Im Mittelpunkt seiner
Philosophie (Dialogform) stand die Ethik, die Lehre von der Tugend unter Ablehnung der Rhetorik.
Platon starb 347 v. Chr.

Lehre

- Lehre von der Tugend (ἀρετή)


- Ideenlehre: Idee des Guten (εἴδος bzw.ἰδέα τοῦ ἀγαθού)

Werke

Dialoge:
Politeia, Gorgias, Ion, Phaidon, Timaios, Phaidros, u.a.

3
Der Dialog Gorgias
Teilnehmer: Sokrates, Chairephon, Gorgias, Polos, Kallikles
Thema:πῶς βιωτέον;

Ausgangsthese des
Sokrates: τὸ ἀδικεῖν αἰσχίον εῖναι ζοῦ ἀδικεῖσθαι.
Unrecht zu tun ist schändlicher als Unrecht zu erleiden.
Was dem Gesetz nach schlecht ist, ist auch von Natur aus schändlich.
Kallikles: Was dem Gesetz nach schändlich ist, ist nicht auch der Natur nach schändlicher.

Themenbereiche

Naturrecht des Stärkeren (482C-484E)

Kallikles: Nach dem Gesetz der Natur tut der Starke lieber Unrecht, als dass er Unrecht erleidet;
dies ist sein Recht, verankert in der Natur. Er will und soll mehr haben als die
Schwächeren.

Kallikles entwickelt zwei Gruppen von Menschen:

οἱ ἀσθνεῖς /πολλοί Οἱ ἐρρωμενέστεροι


τιθέμενοι τοὺς νόμους πλέον ἔχουσιν
Die Schwachen stellen Gesetze Die Starken verschaffen sich Vermögen
(íð´ìðé) zu ihrem Schutz auf. (Macht, materielle Dinge):
Beweis: - Gültigkeit im Tierreich
(Löwe)
- unter Völkern (Perser)
- in Gedichten gefeiert (Pindar)

Begriffserklärungen

Positiv Bedeutung des Positiven Negativ (Gegensatz)


′µενων im Rang höher stehend, besser, tüchtiger; φαυλτεροϕ
tapferer, angesehener, edler, nützlicher,
vorteilhafter
βελτων sittlich besser; tapferer, geschickter, χερων, µοχθηρτερο
vorteilhafter,höher geschätzt, ansehnlicher ϕ
κρεττων stärker, kräftiger, überlegen, mächtiger; …ττων
vorzüglicher, besser, nützlicher; berechtigter
σχυρτεροϕ körperlich kräftiger, stärker; mächtiger, ′σθενστεροϕ
gewaltiger, härter, strenger
ρρωµενστεροϕ stärker, rüstiger; mutiger, standhafter, ′σθενστεροϕ
entschlossener, tüchtiger, energischer,
nachdrücklicher
δυνατϕ vermögend, in der Lage seiend, könnend; ′δ∨νατοϕ
kräftig, stark, mächtig, angesehen,
einflußreich; fähig, geschickt

3
Das Bild vom Übermenschen bei Kallikles

ἀμείνων
κρεὶτων

βελτίων ἱκανὴ φύσις > ἀνήρ ἐπανάστας ἀνεφάνη δεσπότης


ἐρρωμενέστεροσ
δυνατός

Philosophie und Lebenspraxis (491B-495A)

Kallikles: Philosophie ist von Wert bei der Erziehung der Jugend, verwehre als Erwachsener aber
den Zugang zum wirklichen Leben. Wenn man auch als Erwachsener Philosophie be-
treibt, werde man lebensfremd.
θεωρετικός (contemplativa) „Epikur“
βίος (vita) 〈
πρακτικός (activa) „Stoa“
βίος θεωρετικός: der philosophischen Reflexion gewidmet, die helfen soll, existentielle Fragen zu
bewältigen.
βίος πρακτικός: praktische Daseinsgestaltung, v. a. im politischen Bereich.
Sokrates erscheint ein ungeprüftes Leben nicht als lebenswert.

Hedonismus und Glück (499B-501C)

Sokrates: Das Herrschen über andere setzt Selbstbeherrschung voraus.


Kallikles: Dies bedeute, sich der Besonnenheit (σωφροσύνη ) zu unterwerfen, und das sei
Sklavenmoral.

Sein Bild vom Herrscher trägt folgende Züge,


welche die Tugenden (ἀρεταί ) des Kallikles sind:

- τρυφή (Schwelgerei)
- ἀκολασία (Zügellosigkeit)
- ἐλευθερiα (Willkür)
- ἀνδρεία (mannhaftes Durchsetzungsvermögen)
- φρόνησις (Klugheit)

Zum Hedonismus des Kallikles

ἐπιθυμίας ὡς μεγίστας ἐᾶν


〉 Maximierung der Lust
μὴ κολάζειν
ὑπηρέτειν
3
〉 Konservierung der Lust
ἀποπιμπλάναι

⇒ Für Sokrates ist das Ziel des individuellen und gesellschaftlichen Lebens Gerechtigkeit
(δικαιοσύνη) und Besonnenheit (σωφροσύνη). Eine auf Vernunft gegründete Ordnung läßt
sich nur erreichen, wenn eine vernünftige Ordnung in der Seele des Einzelnen herrscht.

Differenzierung zwischen ἡδονή und ἀγαθόν (502E-503B)

Sokrates, der wahre Staatsmann

Alle athenischen Staatsmänner haben bei der sittlichen Erziehung der Bevölkerung versagt; es gibt in
der ganzen Stadt nur einen Mann, der wegen dieses Wissens als der wahre Staatsmann gelten kann:
Sokrates.

Mythos vom Totengericht

Die Seele wird nach dem Tode gerichtet. Ist sie schuldlos, kommt sie auf die „Insel der Seligen“; ist
sie schuldig, bekommt sie ihre angemessene Strafe.
Staatsmänner und Herrscher erhalten eine furchtbare und ewige Strafe, falls sie im Besitz der Macht
alle Grenzen überschritten haben. Ein Philosoph wird dem Gericht bestehen, auch wenn er auf Erden
einem irdischen Gericht zum Opfer gefallen ist (Sokrates!).

2.3 Beispiel für die Legimitierung des Machtmissbrauchs durch sophistische


Theorien - Das Recht des Stärkeren der Politik

Thukydides, Melierdialog (V, 85-114)6

Leben

Thukydides, der wohl bedeutendste griechische Geschichtsschreiber der Antike, wurde um 460 v.
Chr. in Athen geboren. Unter seinen Ahnen befand sich Miltiades; er besaß südthrakische
Goldgruben in Erbpacht. Er ging 424 v. Chr. in die Verbannung und lebte bis 403 v. Chr. auf seinen
Besitzungen, aber auch bei Archelaos von Makedonien und in Feindesland. In dieser Zeit
beobachtete er die politischen Ereignisse dieser Zeit und sammelte Quellen und Erkundungen für
sein Werk „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“. Er starb um 395 v. Chr.

6
Text im Anhang
3
Werk

Thukydides ist der Schöpfer der attischen Kunstsprache.

Werk: „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“

8 Bücher: Über den Krieg wird Jahr für Jahr nach Sommer- und Winterhalbjahr berichtet.
Buch I: Archeologie; Methodenkapitel; Pentekontaetie, Ursache und Anlass des Krieges.
Buch I-V: Archidamischer Krieg, Nikiasfriede bis 416 v. Chr.
Buch VI-VII: Sizilische Expedition (Alkibiades).
Buch VIII: Abfall der Bundesgenossen Athens, Rückberufung des Alkibiades.
Das Werk bricht im Herbst 411 v. Chr. ab. Fortsetzung in Xenophons Hellenika.

Buch I:
Archäologie: Vorspann, Vorgeschichte.
Methodenkapitel: Pragmatische Geschichtsschreibung: „κτήμα εἰς ἀεί ´“

Ursache (αἰτία ): Dualismus Athen-Sparta


Gegensätze: Dorer-Ionier
„Kapitalismus-Sozialismus“
Demokratie- Oligarchie
Expansionspolitik Athens
„oligarchischer Kommunismus“ Spartas
Anlaß (προφασις): ψήφισμα (Handelssperre Athens gegen Korfu)
Streit

Prinzipien der Geschichtsschreibung (nach Thukydides):

- Ziel:
Darstellung, wie ein Ereignis wirklich war (und wie sich etwas bei der Natur des Menschen im-
mer wieder so oder ähnlich ereignen wird).
- Methode:
systematische Quellenforschung, genaue Quellenkritik, Aufdeckung der inneren Kausalzusam-
menhänge, Unterscheidung zwischen Ursachen und Anlässen;
Ausschaltung der Götter und Wunder.
- Komponenten des Geschichtsverlaufs:
ἀνθρωπίνον (z. B. δέος, τιμή, ὠφελεία ), also Berechenbares + τύχη (irrational; Zufall )
machen die Einmaligkeit eines Ereignisses aus.

⇒ sachliche, wahrheitsgetreue „pragmatische Geschichtsschreibung“ (κτήμα εἰς ἀεί )

Thukydides’ „politische Anschauung“:

- Der Schwache wird stets vom Starken niedergehalten;

3
Recht hat nur bei ausgewogenen Kräfteverhältnissen eine Bedeutung.
- Thukydides verzichtet auf Werturteile und zieht sich auf reine Tatsachenbeschreibung zurück.
- Er fordert nicht das Recht des Stärkeren, sondern er sieht es als geschichtliche Wirklichkeit.

Thukydideische Frage

Das Werk des Thukydides hat keinen Titel und besitzt 2 Einleitungen. Da das Werk abrupt (411)
abbricht (?), wird die These aufgestellt, dass trotz des Vorhandenseins von genügend stofflichem
Material noch keine Editionsreife vorhanden war.

Der Peloponnesische Krieg (militärischer Verlauf)

431 v. Chr. Beginn der Feindseligkeiten;


Perikles’ Taktik: Angriff mit der Flotte, keine Begegnung mit dem spartanischen Landheer
Taktik Spartas: Verwüstung Attikas
431-421 Archidamischer Krieg
429 Pest in Athen; Tod des Perikles; danach „Durchhaltepolitiker“ (Kleon, Nikias), harte
Bestrafungen gegenüber abgefallenen Bundesgenossen.
421 „Nikiasfriede“
ab 418 erneute Kampfhandlungen; Athen wendet sich enttäuscht radikalen Führern zu
(Alkibiades), die alle Neutralen zum Beitritt in den Attischen Seebund zwingen wollen
(Melos!).
415-413 Sizilische Expedition:
Intervention Athens im Streit zwischen Segesta und Seliunt; katastrophales Scheitern.
413-404 Dekeleischer Krieg:
Alkibiades läuft über, Sparta baut Flotte.

410 Alkibiades wieder auf Seiten Athens.


405 Vernichtung der athenischen Flotte; Belagerung Athens.
404 Kapitulation Athens.

Der Melierdialog (Thukydides, Buch V,85-114)

Melos , die Pflanzstadt der Lakedämonier, wird im Jahr 416 v. Chr. von Athen gezwungen, sich der Macht
Athens freiwillig zu unterwerfen, bzw. sich dem Bündnis der Athener (Attischer Seebund) anzuschließen.

Ziel der Athener: Anschluss Melos’ an den Attischen Seebund.


Ziel der Melier: Wohlwollende Neutralität.
Verfahren: Dialog zwischen athenischer Gesandtschaft und dem Rat der Melier.

Standpunkt Athens:
Athen behauptet, es gehe um die Rettung Melos’; die Athener versuchen von Anfang an, mit
Argumenten des Nutzens zu arbeiten. Sie lehnen eine Rechtfertigung ihrer Handlungsweise ab,
drohen den Meliern mit Abbruch der Verhandlungen und militärischen Interventionen; Gerechtigkeit
habe nicht zu gelten:
Gerechtigkeit gelte nur unter gleich starken Gegnern:
Athen sei der Stärkere, es sei im Recht (Recht des Stärkeren).

Standpunkt der Melier:


Trotz ihrer aussichtslosen Situation - denn in jedem Fall würden sie sich entweder in Abhängigkeit
begeben oder in die Sklaverei (beides δουιλεία ) kommen - versuchen die Melier, die Athener von
der Rechtmäßigkeit ihres Anliegens (τὸ δίκαιον ), nämlich neutral zu bleiben, zu überzeugen.
3
Sie behaupten, es werde sich im Falle einer Niederlage Athens im Krieg gegen Sparta als nachteilig
erweisen, wenn Athen jetzt die allgemeinen Menschenrechte, also das Naturrecht auf freie
Selbstbestimmung (τὸ κοίνον ἀγαθόν ), aufheben werde (gemeint ist, dass Athen dann dafür zu
Rechenschaft gezogen werde).
Doch schon früh in der Verhandlung zeigt sich, dass die Melier den „Rechtsvorstellungen“ (Recht
des Stärkeren) des stärkeren Gesprächspartners, Athen, eine andere, menschlichere Denkweise
gegenüberstellen wollen.
Aus der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) wird daher Billigkeit (τὰ εἰκότα ), aus dem Kriegsglück (τύχη )
göttliche Vorsehung (τύχη ἐκ τοῦ θεοῦ.).
Zuletzt hoffen die Melier im Ernstfall noch auf die Hilfe und ein Bündnis mit Sparta
(Λακεδαιμονίων τιμωρία );
[Die Athener halten die Melier für verblendet und zerstreuen auch diese Hoffnungen der Melier, da
auch Sparta als eine Großmacht den Nützlichkeitsstandpunkt einnehmen werde.]

⇒ Der Schwache hat nichts Besseres zu tun als sich dem Stärkeren unterzuordnen.

Anschauungen Athens:
• Gerechtigkeit gilt nur unter gleich starken Gegnern.
• Machtpolitik entspricht der menschlichen Natur, ist ein Naturgesetz und Wille der Götter.
• Unterwerfung des Schwächeren unter den Stärkeren ist keine Schande,
es ist natürlich (und „vernünftig“).

3. Individuum und politische Ordnung

3.1 Solon, Staatselegie (Fr. 3D)

Leben (siehe 1.2.1/5.1)

Werke (siehe 1.2.1/5.2)

Staatselegie / Eunomie (Fr. 3D) (siehe 3.1)


Eunomie, die gute Ordnung ... die natürliche Ordnung?

Zumindest eine Vorstellung zu haben, wie denn eine gute Ordnung aussehen könnte, ist äusserst
wichtig, da diese als Vision, also Weltanschauung, unsere Orientierung und damit unser Verhalten
mitbestimmt. Das dritte Millennium beginnt mit dem Problem, dass Mittel zu Zwecken wurden, wie
insbesondere Geld und Wettbewerb, dass aber Visionen und Utopien, wie ein gutes Leben eigentlich
aussehen könnte, abhanden gekommen sind.

1) Der Ursprung der Eunomie bei Solon


Eunomie wurde als Begriff von Solon (640-561 bC) geschaffen.
Solon war einer der sieben Weisen Athens. Er führte einschneidende soziale und wirtschaftliche
Reformen durch. Insbesondere hob er die Schuldknechtschaft auf, milderte das Schuldrecht und
setzte Höchstgrenzen für Landbesitz [aha ... das geht also, wäre zu überlegen, was die Begrenzung
3
der Herrschaft globaler Wirtschaftsgiganten betrifft (s. Wirtschaftsmacht)].

Solon war Friedensstifter und Gesetzgeber, er ermöglichte die Befreiung von Schulden und
verhinderte Wucher. Solon änderte auch die Verfassung, indem er dem Ältestenrat zwei
Kontrollorgane zur Seite stellte und die vierte Klasse mit geringem Einkommen zur
Volksversammlung zuliess.

Solon schuf zwar mit seinen Gesetzen die notwendigen Voraussetzungen für den Aufstieg Athens
zur Handelsmacht, doch konnte er die sozialen Spannungen nicht lösen.

Er brachte jedoch das Volk zu lebendiger, selbständiger Teilnahme am öffentlichen Leben,


hob die geistige Bildung und erzeugte bewusste Sittlichkeit und edle Humanität in ihm. Also
eigentlich recht präzise das, was in einer Phase übermässiger Anomie nötig ist.

So viel Teil an der Macht, als genug ist, gab ich dem Volke,

Nahm an Berechtigung ihm nichts, noch gewährt' ich zu viel.

Für die Gewaltigen auch und die reicher Begüterten sorgt' ich,

Dass man ihr Ansehen nicht schädige wider Gebühr.

Also stand ich mit mächtigem Schild und schützte sie beide,

Doch vor beiden zugleich schützt' ich das heilige Recht

Die solonische Verfassung von 594 b. C. war die erste Verfassung Athens. Das Stimmrecht war
nach Steuerabgaben gestuft. Es herrschte also keine Demokratie (Volksherrschaft), sondern eine
Timokratie, in der politischer Einfluss gestaffelt war nach Vermögen - und insbesondere in
Abhängigkeit der Abgaben an den Staat, der Steuern (worin sich Timokratie von Plutokratie, der
reinen Herrschaft des Geldes, positiv unterscheidet!). http://www.zum.de/psm/antike/athen_verf.php

Das bedeutendste Dokument, das von Solon überliefert ist, ist seine Elegie auf die Eunomie. Hier
wirft er den Bürgern nicht bloss mangelhafte moralische Einstellung vor, sondern auch Unverstand,
Geldgier und Ungerechtigkeit bei den Führern. Er geisselte die ungerechte Gesinnung, Frevel,
zügellose Gier, Übermass und Übermut der Adligen, insbesondere weil diese, im Gegensatz zum
Volk, dass sich (dem Markt wie den Herren) zu fügen hat, bewusst und zielgerichtet planen können
(sic!).

3
Somit zerstören die Adligen mit ihrem unbeherrschten Streben nach Reichtum das Zusammenleben
in der Gemeinde, indem sie andere Mitbürger existentiell bedrohen oder sich an Gütern der Götter
bzw. der Polis vergreifen. Die Metapher, dass die Freveltaten dabei nicht einmal vor dem Fundament
der Dike, der Göttin des Rechts und des Ausgleichs, haltmachen (V. 14), ist derart zu verstehen, dass
Dikes Dasein ohne die traditionellen Regeln der menschlichen Gemeinschaft nicht denkbar ist, die
Untaten der Adligen dabei aber die herkömmliche Ordnung der Gemeinde vernichten und somit die
Göttin Dike selbst schänden.

Ein äusserst aktueller Aspekt dabei ist, dass Solon nicht auf Eigenverantwortung plädiert, sondern
deutlich macht, dass Schaden, der von einzelnen Mächtigen verursacht wird, die ganze Gesellschaft
betrifft und in der Existenz bedroht.

Der Bürger, der nur an seiner privaten Ökonomie (Hausordnung/Betriebswirtschaft) interessiert ist,
gefährdet durch die daraus resultierende Politik, seine eigene Existenz.

Als Lösung sieht er die Eunomie, die einen wohlgeordneten Zustand des Gemeinwesens schafft -
und zwar durch aktives, moralisch begründetes Wirken der Menschen, nicht der Götter.

Solon erkennt, dass es einen von göttlicher Einwirkung freien irdischen


Kausalzusammenhang gibt zwischen menschlichem Fehlverhalten und
zerstörerischen Entwicklungen in der Gemeinde, dass es aber ebenso einen Weg aus
dieser Krise heraus gibt. Dieser Weg muss von den Mitgliedern der Gemeinde selbst
bestimmt und gestaltet werden, wollen sie nicht länger gegen den Willen der Götter
ihre Stadt zugrunde richten.

Solon sieht in der Polis, der Stadt, einen Raum, in dem die ökonomischen Regeln für das Handeln
einzelner, z.B. das Streben nach Reichtum, nicht ausschließlich angewandt werden können. Zu
Deutsch und verständlicher: Politik ist etwas anderes als Wirtschaft. Die Polis, womit die Stadt, die
Gemeinschaft gemeint ist, steht über dem Haus und der Hausordnung (Ökonomie):

Dabei sind die Hauptfehler die ausschließliche Konzentration auf den eigenen Oikos
und maßlose Gier nach Reichtum aufgrund mangelnder Selbstbeherrschung. Die neue
Bürgermoral muss daher den Trieb zu zügeln versuchen und das Ideal der Vernunft
und Mäßigung suchen, verbunden mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein für
das eigene Gemeinwesen.

3
Politische Entwicklung Athens

682 v.Chr. Ablösung des Königtums durch das Archontat; Beginn einer aristokratischen
Demokratie.
um 600 Immer ungerechtere Verteilung der Güter:
Bauern und Handwerker werden immer ärmer (Schuldknechtschaft),
Adel und Großgrundbesitzer werden immer reicher und mächtiger.
Herrschaft des Adels gerät ins Wanken; Schuldknechtschaft, soziale Unruhen.
594/593 Archontat Solons:
Solonische Reformen
• Religionsgemeinschaft (Apollo-Kult als Staatsreligion)
• Schuldenerlass (σεισαχθεία ) und Bauernbefreiung; Festlegen einer Höchstgrenze
für Großgrundbesitz
• Teilnahme an der Volksversammlung und Zutritt zu den Geschworenengerichten
für alle freien Bürger.
• Berufungsrecht vom Beamtenurteilsspruch vor dem Volksgericht, jeder Dritte
kann Klage erheben.
• Timokratie: Rechte des Einzelnen nach Vermögensklassen eingeteilt (4 Klassen).
nach Solon nur wenig Auswirkungen der solonischen Reformen auf das Staatssystem;
bald wieder Veränderungen ins Negative (Einfluss und Macht des Adels steigen
wieder)

Solon, Staatselegie / Eunomie (Fr. 3D)7

Gliederung:
1-4 Die Stadt (Ἡμετέρα δὲ πόλις ) steht unter dem Schutz der Götter.
κατὰ αῖσαν οὔποτ´ ὀλεῖται.
5-13 Die Bürger sind jedoch selbst verantwortlich und schuld am Nieder- und Untergang der
Stadt wegen ihrer Freveltaten (ὕβρις ) und ihrer Verblendung (ἄτη ).
Insbesondere der ungerechte Sinn der Führer des Volkes:
• χρήμασιν πειθόμενοι
• ἄδικος νόος ἡγεμόννων
⇒ οὐδὲ φυλάσσονται Δίκης θεμέλθα.
14-22 Die Δίκη sorgt als göttlich Vollzugsinstanz (mythische und rationale Seite) für die

gerechte Bestrafung → ἀποτεισόμενη.


ἕελκος → δουλοσύνη → στάσις → πόλεμος

ἄστυ τρύχεται.
23-25 Sonderthema Versklavung.
26- 31 Interpendenz des Schicksals des Individuums und des des Staates
(δημόσιον κακὸν ἔρχεται οἴκαδ´ ἑκάστῳ ).
32-39 Loblied auf die Eunomie:
Sie bezwingt die schlechten Triebe der Bürger und bringt alles in die rechte Ordnung.

7
Text und Übersetzung im Anhang
3
εὐνομία (< εῦ : gut, recht, tüchtig und νόμος : Satzung, Verfassung, Gesetz)
Rechtlichkeit, gute gesetzliche Ordnung, Verfassung; jeder Einzelne hält sich an
die Verfassung; Die Götter werden nicht mehr in ihrer ungerechten Egozentrik
(z. B. wie in der Ilias), sondern in ihrer Schutzfunktion gesehen.
δυσνομία schlechte Gesetzgebung, Gesetzlosigkeit; der Staat befindet sich in einer
schlechten Verfassung; der Einzelne hält sich nicht an die Gesetze;

3.2 Thukydides, Logos Epitaphios

Leben (siehe 2.3/1)

Werk (siehe 2.3/2)

Logos Epitaphios (Thukydides, Buch II,35-46)

Leichenrede des Perikles

Aufbau und Inhalt

35 Proömium
36 Vorfahren, Väter, Gegenwart;
Thema: nicht Kriegsleistungen, sondern Wesensart (ἐπιτηδεύσις ),
Verfassung (πολιτεία ),
Lebensweise (τρόποι ).
37 Gesellschaftsform und Lebensart.
38 Lebensführung, Lebensqualität.
39 Militärischer Exkurs.
40 Verhältnis zu Geistigem, Geld (materielle Güter), Wort und Tat.
41 Fazit: Macht Athens;
Athen ist geistig-kulturelles Zentrum/Bildungsstätte Griechenlands.
42ff. Lob der Toten; Ermahnungen an die Lebenden.
46 Epilog.

4
Grundlage der Größe Athens (36)

Die Vorfahren haben die Freiheit ihres Heimatgebiets durch ihre Tüchtigkeit erhalten und an ihre
Nachkommen weitergegeben, die Väter haben das attische Reich geschaffen, die jetzige Generation
hat die Stadt in allem so ausgerüstet, dass sie jetzt gänzlich selbstständig ist (αὐταρκεστάτη ).
also: - Autochtonie
- Autonomie
- Autarkie

Die Elemente der Demokratie (37)

Mehrheitsprinzip διὰ τὸ εἰς πλείονας οἰκεῖν


Gleichheitsprinzip μέτεστιν πᾶσιν τὸ ἴσον.
Leistungsprinzip κατὰ τὴν ἀξίωσιν
ἀπ´ ἀρετῆς προτίμαται.
Chancengleichheit οὐδ´ κατὰ μενίαν … ἀφανεία κεκώλυται.
Toleranz(prinzip) ἐλευθέρως πολιτεύομεν;
οὐδ´ ὀργῆς τὸν πέλας ἔχοντες.
freiwillige Unterordnung unter die οὐ παρανομοῦμεν;
jeweils Herrschenden (Archonten)
τοῖς ἀεὶ ἀρχοῦσιν πείθομεν.
Schutz der Schwachen ἐπ´ ὠφελίᾳ τῶν ἀδικουμένων.
starker Grundkonsens über Grundwerte ἄγραφοι νόμοι.

Erholungsmöglichkeiten und Lebensqualität - „Anti-Streß-Programm“ (38)

Erholung für den Geist durch vom Staat ἀγῶνες, θυσίαι.


veranstaltete Spiele und Feste.
Private Einrichtungen, öffentliche Anlagen. Κατασκευαί, θέρψις.
Lebensstandard wird durch den Genuss ἀπόλαυσις, καρποῦσθαι
einheimischer Güter und Import fremder Güter
erhöht.

Gegensatz zu Sparta (39)

- militärische Tüchtigkeit
- keine Abkapselung
- kein ständiger Drill

Menschliche Fertigkeiten (40)

Φιλοκαλοῦμεν τε γὰρ μετ´ εὐτελείας καὶ φιλοσοφοῦμεν ἄνευ μαλακίας·


„Denn wir lieben das Schöne mit Schlichtheit und lieben die Philosophie ohne Verweichlichung.“

4
Die Vereinigung (gezwungen) von Gegensätzen bei de Athenern

φιλοκαλοῦμεν (Kunst) εὐτέλεια (Schlichtheit)


φιλοσοφοῦμεν (Theorie) ἄνευ μαλακίας (Verweichlichung)
οἰκείων ἐπιμελεία πολιτικῶν ἐπιμελεία
λόγοι ἔργα
ἐκλογίζεσθαι τολμᾶν
ἡδέα δεινά

ionisch > vita contemplativa dorisch > vita activa


βίος θεωρετίκος βίος πρακτίκος
 
 

Bürger Athens

Fazit (41)

Die πόλις von Athen ist die Institution zur Erziehung von Hellas (παίδευσις τῆς Ἑλλάδος).
Der Einzelne erweist sich durch vielseitige Betätigung und mit gewinnender Anmut höchstgewandt
als selbstständige Person (σῶμα αὔταρκες).

Würdigung des Perikles

Perikles war eine unumstrittene Führungsperson, der die Masse „in Freiheit niederhalten“ konnte. Er
konnte, gestützt auf sein Ansehen, auch unpopuläre Maßnahmen durchsetzen.

Würdigung /Kritik des Logos Epitaphios

Negative Züge werden ausgeklammert, die positiven Elemente zu einem Modell vereinigt, das die
allgemeine Grundstruktur eines Idealstaates am Beispiel Athens sichtbar gemacht wird.
Negative Züge, die bewußt ausgelassen sind:
- Mangel an Toleranz
- Asebieprozesse
- berufsmäßige Denuntiantentum (Synkophanten)
- Ostrakismos
- Parteienhader
- rücksichtsloses, brutales Eintreiben von Steuergeldern
- Stellung der Frau, der Sklaven, der Bundesgenossen
Die modellhaft aufgezeigte εὐνομία von Staat und Bürgern gründet auf die Einsicht der Bürger, auf
ihre Bildung und ihr soziales Verantwortungsbewußtsein.

4
3.3 Der Mensch in der Entscheidung zwischen Selbstverleugnung und
Missachtung des Anspruchs der Gemeinschaft

Die attische Tragödie

Ursprung

Theorien, die sich auf enthnologisches Material stützen

Diese Theorien gehen von den Tänzen und mimischen Vegetationsriten primitiver Völker aus. Aber
in all diesen Theorien kann die Fülle des ethnologischen Materials fehlende Zwischenglieder in den
angenommenen Zusammenhängen nicht ersetzen. Trotzdem ist es nicht wertlos.

Aristoteles

Er leitet die Tragödie gänzlich aus Improvisation ab. Die ἐχξά


χξάρχοντες (Vorsänger, Anstimmer) des
Dithyrambos bezeichnet er als Ausgangspunkt der Entwicklung. Der Dithyrambos war der Gesang,
der zu den Feierlichkeiten des Dionysos gesungen wurde.
Im Gegenüber von Anstimmer und Chor sah Aristoteles den Ansatz zur späteren Entwicklung des
σατυρικό
Dialogisch-Dramatischen. Zweite Vorstufe ist das σατυρικ όν. An den Angaben des Aristoteles
scheiden sich die Meinungen.
Hellenistische Gelehrte dagegen:
Pratinas sei der Schöpfer des Satyrspiels.

Antike Auffassungen und Theorien

Peripathetische Theorie:
Da das Satyrspiel fest in die Frühgeschichte der Tragödie gehört, wird das Wort τραγῳδία als
„Gesand der Böcke“ aufgefaßt (τράγων; ᾠδή).
Hellenistische Gelehrte dagegen:
Sie leiten die Tragödie vom attischen Dorfbrauch ab, womit sie sich zugleich im Streit zwischen
Peloponnes und Attika um den Ursprung der Tragödie auf Attika festlegten. Sie verstanden unter
dem Ausdruck τραγῳδία „Lied beim Bockopfer“ oder „Lied um den Bockpreis“.

Der Dionysoskult

Dithyrambos und Satyrikon stehen in enger Verbindung mit dem Dionysoskult (Spiel der
Verwandlung!). In ihren äußeren Zügen hat die Tragödie nie ihren dionysischen Ursprung
verleugnet: Spielzeit in Athen war das Fest der Großen oder Städtischen Dionysien.
Das Fest galt dem Dionysos Eleuthereus.

4
Entstehung des Sprechverses

Vereinzelte Vermutung:
Sprechvers aus dem Chorlied, wobei ein gesungener Dialog eine Vorstufe war.

Dagegen:
Verschiedenheit von Chorlied und Sprechvers in Sprache und Stil.

Wahrscheinlich:
Sprechvers von außen an das Chorlied herangetreten.
Nach Aristoteles sang der Chor anfangs allein, Thespis erfand Prolog und Rede.
Chorgesänge hatten immer Sagenstoffe als Voraussetzung. Es lag daher nahe, die Zuhörer durch
einen Prolog auf das Kommende vorzubereiten. Die Sprecher bildeten zwischen den Chorliedern,
die verschiedene Stufen einer mythischen Geschichte behandelten, die entsprechenden
Verbindungen. Der folgende Schritt war, dass der Sprecher mit dem Chorführer ins Gespräch kam
(vgl.1.2).

Thespis

Zwei Thespisbilder sind aus der Überlieferung bekannt:

1. der große Neuerer: oft als „Schöpfer der Tragödie“ bezeichnet (Peripathos)

2. der ländliche Thespis: mit dem schlichten Dorfbrauchtum verbunden; sein Platz ist in der
hellenistischen Theorie vom Gesang beim Bockopfer. Herkunft aus dem attischen Demos Ikaria.
Gesichert: 1. Aufführung einer Tragödie an den Städtischen Dionysien im Jahr 534 v. Chr.
Er stellt dem Chor einen Antworter (ὑποκράτης ) gegenüber
(Unter Peisistratos: Tragödie wesentlicher Teil des staatlichen Dionysoskults; Peisistratos stellte
Thespis 534 v. Chr. von staatlicher Seite einen Chor und einen Schauspieler zur Verfügung).
Von Thespis sind 4 Titel und 4 Fragmente ohne Nennung der Stücke bekannt.

Die Tragödie

- Ein wichtiges (dionysisches) Element war die Schauspielertracht:


Masken, Ärmelchiton, Kothurn.

- Stoff und Thema:


Heroenmythos (Heldensage); er war im Herzen der Bevölkerung als ein Stück seiner Geschichte
unmittelbar lebendig, was jedoch auch eine gewisse Distanz zu dem Thema Heroenmythos
sicherte, was für die Größe eines Kunstwerkes Voraussetzung ist.

-Teile des antiken Theatergebäudes:


theatron, orchestra, skene.

- Teile der Tagödie:


Prolog, Parodos, Epeisodion (5), Stasimon (5), Kommos (1-2), Exodos.

- Zahl der Schauspieler: 3.


Stärke des Chores: 12, später 15.

- Tragischer Agon:
3 Tragödien, 1 Satyrspiel (Komödie).
3 Tragödiendichter wurden zugelassen, der Sieger wurde nach der Aufführung preisgekrönt.

4
Aristoteles und der Sinn der Tragödie

Aristoteles, Περὶ Ποιητικῆς

Katharsis: Sie soll eine moralische Besserung bewirken, sie gibt dem Menschen die
Gelegenheit, sich selbst abzureagieren und damit sein eigenes psychisches
Gleichgewicht wiederherzustellen. Der Zuschauer soll das Theater gelöst und
beruhigt verlassen, nicht aber moralisch verbessert.

Deutung nach G. E. Lessing

1. Eleos ≅ Mitleid hohe Tugend, aus der Aufklärung übernommen und zum Gebot der
allgemeinen Menschenliebe erweitert.
2. Phobos ≅ Furcht abgeschwächte Bedeutung von Phobos, die erreichen soll, dass
Mitleid (Eleos) hervorgerufen wird und Furcht hinter dem Mitleid
verschwindet.
So kann Lessing fordern, dass „die Tragödie, mit einem Wort, ein
Gedicht ist, welches Mitleid errregt.“
3. Katharsis ≅ Reinigung a) von Affekten und deren schädlichen Folgen und deren Übermaß.
b) Befreiung von den schädlichen Folgen der Affekte mit
Auswirkung auf die Tugenden ⇒ Besserung des Menschen.

Deutung nach W. Schadewaldt

Eleos ≅ Jammer/Rührung Verdruß über ein großes Übel, das jemand treffe, der es nicht verdient
hat; wer Eleos empfinde, nehme an, dass das Übel auch ihn selbst
oder eine ihm nahestehende Person treffen kann. (Aristoteles,
Rhetorik 2,8)
Phobos ≅ Schrecken aufrührender Elementareffekt, hervorgerufen von unmittelbarer
Gewalt durch die Vorstellung der unmittelbaren Bedrohung durch ein
schweres Übel oder die Vernichtung.
Katharsis ≅ Reinigung Entspannung, notwendige Erholung von der beruflichen Tätigkeit:
Vergleichbar einer medizinischen Körperreinigung (Purgierung).
Erleichterung und Befreiung des von Eleos und Phobos
hervorgerufenen Erregungszustandes, durch die der Zuschauer in
Freude oder Lust versetzt wird.

„Es ist also die Tragödie Nachahmung einer Handlung würdigen Inhalts und vollständig
abgeschlossenen Verlaufs, die einen bestimmten Umfang hat, in künstlerisch gewürzter Sprache,
vorgeführt von gegenwärtig handelnden Personen und nicht durch erzählenden Bericht, durch
Mitleid und Furcht (Jammer und Schrecken) die Läuterung (Katharsis) der Empfindungseindrücke
dieser Art abschließend zustandebringend.“

„Nicht irgendeine läuternde, bessernde, moralisch-erzieherische, näherer oder entferntere, zeitweilige


oder dauernde Wirkung denkt Aristoteles bei der Deutung der Tragödie ... und auch keine
Auswirkung der Katharsis auf die Aretai, das Ethos oder den Habitus der Seele zieht er irgendwie in
Beracht.
Worauf er hinaus will, das ist einzig und allein die nähere Charakterisierung der für die Tragödie
spezifischen Lust und Freude.“ (W. Schadewaldt)

4
Hauptvertreter der klassischen Tragödie

Aischylos (525-456 v. Chr.)

tiefer Glaube an die göttliche Gerechtigkeit, Bindung an die Polis.


7 von 70 Tragödien erhalten:

- Die Perser
- Orestie: Agamemnons Tod,
Choephoren,
Eumeniden
- Sieben gegen Theben
- Der gefesselte Prometheus

Euripides (480-406 v. Chr.)

Einfluß der Sophistik; Zweifel an den Göttern, verfeinerte Psychologie; Weiberhasser.


18 von 84 Tragödien erhalten:

- Alkestis
- Medea
- Die Troerinnen
- Elektra
- Iphigenie in Tauris
- Iphigenie in Aulis
- Hippolytos

Sophokles (496-406 v. Chr.)

7 von 123 Tragödien erhalten.

- Aias
- Die Trachinierinnen
- Philoktet
- Elektra
- Antigone
- König Ödipus
- Ödipus auf Kolonos

4
Sophokles, ANTIGONE
Die Tragödie "Antigone", die von vielen Dichtern und Autoren vor allem in der Zeit der Aufklärung
umgedichtet wurde, stammt ursprünglich vom antiken griechischen Dichter Sophokles.
Dieser lebte in der Zeit von 497 bis 406 v. Chr. und war der größte griechische Tragödiendichter. Er
führte erstmals den dritten Schauspieler in Theaterstücken ein, beschränkte die Bedeutung des Chors
und stützte die Handlung auf die Charaktere der Haupthelden.
Seine Werke waren 123 Dramen von denen heute noch folgende erhalten sind:
"Ajax", "Elektra", "König Ödipus", "Philoktet", "Trachinierinnen", "Ödipus auf Kolonos", das
Satyrspiel "Spürhunde" und die wohl bekannteste seiner Tragödien "Antigone".

Vorwort/ Hintergrund

Wie auch viele andere antike, griechische Dichter behandelt Sophokles in seiner Tragödie
"Antigone" das Thema von "Ödipus", einer der bekanntesten griechischen Sagen.
Danach hatte thebanische Königspaar Ödipus und Iokaste vier Kinder: Eteokles und Polyneikes,
Antigone und Ismene.
Als Ödipus entdeckte, dass er der Mörder seines Vaters Laios und der Gatte seiner Mutter Iokaste
war, beging jene Selbstmord und Ödipus verließ seine Heimat.
Die Herrschaft erbten Eteokles und Polyneikes gemeinsam. Doch der Fluch, der Ödipus seine Mutter
heiraten ließ, wirkte auch noch auf sie weiter. Im Streit um den Thron wurde Polyneikes von
Eteokles aus der Stadt vertrieben und bildete ein Heer, um die Stadt wieder einzunehmen. Bald kam
es zum Krieg in dem beide Brüder ums Leben kamen. Nun wurde Kreon, Ödipus΄ Schwager, König
von Theben.

Personendarstellung

Die Hauptdarstellerin Antigone wird in diesem antiken Drama von Sophokles als junge Frau
dargestellt, die ihren Bruder so geliebt hat, dass sie ihn unbedingt noch bestatten will. Sie ist so
vernarrt in diese Idee, dass sie für nichts anderes mehr Augen hat und ganz übersieht, dass sie sich
mit ihrem Onkel, König Kreon, verfeindet. Als sie das bemerkt, schützt sie auch ihr großer
Lebenswille nicht mehr vor der Hinrichtung. Ihr sind die ungeschriebenen Gesetze der Götter, die
Toten zu bestatten, wichtiger als der Gehorsam gegenüber einem weltlichen Herrscher. Sie glaubt
auch am Ende noch, dass sie dieses Gesetz vertreten muss.

König Kreon ist sehr stur und streng und hat Ähnlichkeiten mit einem Tyrann. Er muss sich immer
unbedingt an seine eigenen Gesetze halten und will sie auf keinen Fall aufheben, weil sein Ansehen
dadurch verschlechtert werden könnte. Deshalb kann er nicht einmal seine Nichte Antigone
begnadigen und hört auch nicht auf die Warnungen des Sehers Teiresias, der für die Götter spricht.
Aus lauter Sorge um sein Gesetz und sein Ansehen bemerkt er nicht einmal, dass er bereits alle -
Volk und Familie - gegen sich hat.

Ismene, Antigones Schwester, ist zuerst gegen die Untat und hat Angst vor der Strafe. Deshalb
versucht sie auch ihre Schwester davon abzuhalten. Dann würde sie aber am liebsten doch mit ihr
sterben.
Haimon, der Sohn des Königs und Geliebter Antigones, lehnt sich ihretwegen gegen seinen Vater
auf und bringt sich am Schluß aus Liebeskummer auch um. Mit Antigone selbst kommt er im Stück
jedoch nicht ins Gespräch.
Der blinde Seher Teiresias hat im Stück auch eine wichtige Rolle: Er vertritt die Götter, versucht,
wie auch der Chor, Kreon auf den rechten Weg zu bringen, und sagt das große Unheil, das Kreon
erfahren soll, voraus.
Der Wächter ist bei seinem ersten Auftritt, als er Kreon berichtet, was geschah, sehr verängstigt und
schwört, nie mehr wieder zu ihm zu kommen. Dennoch tritt er kurz darauf wieder auf und verkündet,

4
fast erfreut, wobei Antigone gefaßt wurde.

Am Schluß des Stücks spielt die Hauptrolle ein Bote. Dieser erzählt Eurydike und dadurch auch dem
Publikum von der Hinrichtung Antigones und dem Selbstmord Kreons Sohnes Haimon. Wenig
später verkündet er Kreon auch noch den Selbstmord seiner Frau und bestätigt dadurch die
Voraussagungen des Sehers.

Kreons Frau Eurydike, sorgt durch ihren Selbstmord dafür, dass die Rache der Götter wahr gemacht
wird. Sie ist also für die endgültige Lage Kreons sehr wichtig.

Der Chor trägt dazu bei, dass der Zuschauer über das zuvor Geschehene informiert wird und die
Gedanken der Darsteller zu einem Dialog und damit für das Publikum auch bemerkbar werden.
Außerdem stellt der Chor auch die Stimme des Volkes dar und ruft die Götter an, da in der Antike
für das Volk eine Verbindung zu den Göttern sehr wichtig war.

Moral

Was Sophokles mit dieser Erzählung den alten Griechen und den Herrschern in dieser Zeit sagen
will, ist, dass man auch mal von den Gesetzen absehen kann und sich als Herrscher auch nach der
Meinung des Volkes richten sollte. Er bekräftigt dadurch die damalige Entwicklung der ersten
demokratischen Staatsführung und hofft auf einen geordneten Staat.

Verschiedene Neu- und Nachdichtungen

• Berühmt ist die Neudichtung von Friedrich Hölderlin (gedruckt 1804), die oft gespielt wird. Eine
musikalische Bearbeitung dieses Textes stammt von Carl Orff.
• Bertolt Brecht hat die Hölderlin-Fassung unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs erneut
bearbeitet. Sein Antigone-Modell 1948, unter seiner Regie am Stadttheater Chur 1948
uraufgeführt, deutet den Antigone-Stoff in ein revolutionäres Lehrstück um.
• Auch Jean-Paul Sartre, Jean Giraudoux und vor allem Jean Anouilh haben den Versuch
unternommen, an dem antiken Stoff Probleme der Gegenwart aufzuzeigen. Antigone ist bei
diesen Autoren eine Figur des Widerstands gegen die herrschende Gewalt.
• Walter Hasenclevers pazifistische Nachdichtung der Antigone ist ein expressionistisches
Manifest gegen Krieg, Unterdrückung und politische Diktatur.
• In den 60er Jahren versuchte das Living Theatre sich der Antigone mit Darstellungen von
Gewalt und Brutalität zu nähern.
• In Kassel wurde 1969 der Versuch unternommen, der traditionellen Spielweise der
Hölderlinschen Übertragung eine neue, der Gegenwartssprache angepasste Version
gegenüberzustellen: Gegen den großen dramatischen Dialog wurde ernüchternder Alltagsjargon
gesetzt.

4
Der Prolog (V 1-99): Antigone –Ismene

Inhalt: A. erinnert an das Leid der Familie (Vorgeschichte), weiß von einem
κύρυγμα des στατηγός ( nicht βασιλεύς) Kreon (1-10).
Ismene weiß vom Tod der beiden Brüder, aber nichts mehr von der neuesten
Entwicklung. (11-17).
A. berichtet von dem Bestattungsverbot des Polyneikes und von der Strafe für seine
Übertretung (13-38).
Antigones Plan , den Bruder zu bestatten, Einwände Ismenes (39-48).
Ismenes Gründe, Mithilfe abzulehnen (49-68)
Antigones Begründung ihres Planes (69-77)
Auseinandersetzung Antigone-Ismene (78-99)

ISMENE ANTIGONE
Ποῖ
Ποῖον ...κινδύ
...κινδύνευμα;
νευμα; Ποῖ
Ποῖ γνώ
γνώμης ποτ`
ποτ` εἷ
.....π9ρρητονπ9λει(44)
 Τ(νγονµ(νκα+τ(νσ(ν.....δελφ9ν(45)
 Ο;προδοςRλ*σοµαι(46)
......Κρ2οντος.ντειρηκ9τος(47) ......τ%νµ%ν(48)
 
......ννοενχρ......(61) 
τ(...περ,σσαπρ"ττεινο;κ7χεινονο;δ2να 
(67) καλ9νµοιτοτοποιο σSθανεν(72)φ,λη
 µετ`a α;τοκε,σοµαι,φ,λουµ2τα(72)
 Uσιαπανουργησασ`(74)

 δετ%νθε%ν7ντιµαehrt sie (77)
......7φυν.µχανος(79) .δελφVφιλτ"τW(81)
......Jπερδ2δοικ"σου(82) 
 ο<δ`a .ρ2σκουσ`o οXςµ"λισθ`a Rδενµεχρ
 (89)
.......µηχ"νωνρMς(90) 
.ρχ8νδ4θηρ?νο;πρ2πειτ.µχανα(92) 
 ....καλ%ςθανεν(97)
@νους7ρχει(99) τοςφ,λοιςYρθ%ςφ,λη(99)
Furcht vor Risiko und Verbot, Furcht ums 
Gefühl der Bindung an die Ihren. Achtung
Leben; Gefühl der Unfähigkeit»
vor den Forderungen der Götter des Jenseits
Entschuldigung. Appell an die „Vernunft“;
wichtiger als das Diesseits. „Schön sterben“
Resignation schon vor der Tat.
wichtiger als ehrlos leben. Unbedingtheit
ohne Rücksicht auf sich selbst und andere.
„Heldin“, tragisch
Durchschnittsmensch, untragisch

Funktion der Ismene:


a) Folie für Antigone
b) Widerstand, an dem sich Antigones
Charakter entfaltet
c) Zeigt die Überlegung, die Antigone
schon überwunden hat.
Verhältnis der beiden Schwestern zueinander,
Entwicklung der Szene:
Antigone: Werbende»»»Abweisende
Ismene: Abweisende»»»Werbende
»insgesamt Harmonie» Entzweiung

4
Antigone: Kreon:
vgl. 1. Stasimon Ζε ς,∆,κη vgl. 1. Stasimon 
@γραπτα @πολις,UτWτ(µ8καλ9ν 
ν9µοςγερα,ων ν9µιµα
χθ9νοςθειο ...ε+ζ` ξ νεστιτολµ?ςχ"ριν θεο,
Zορκονδ,καν θεο, 
Jψ,πολις 
Mensch 
ν9µοιν.νθρ*ποισιν=
θνητ9ν\ντα τ$σ$κηρ γµατα
θανουµ2νηξ]δη .νδρ(ςφρ9νηµα


Forderungen des Göttlichen - Forderung der Seine Forderungen ohne Rücksicht auf die
Natur in ihr selbst( d.h. kein „du sollst“ von Forderungen des Göttlichen.
aussen). Auch kein Enthusiasmus im Sinne
der Kasssandar.

Einssein mit dem umgreifenden Göttlichen; Trennung vom umgreifenden Göttlichen.


Antigone ist sich als Mensch ihrer Grenzen Kreon übertritt als Mensch seine Grenzen.
bewusst(Sterblichkeit).

Sicherheit durch Rückhalt im Göttlichen; Sicherheit durch Rückgriff auf seine Macht -
dadurch Überlegenheit über Kreon (469f). brüchig. Selbstbehauptung nur durch Sieg
über Antigone erzwungen (485)

Drohende Sprache, Bilder aus dem Bereich


Überlegte, bewusste, furchtlose Sprache. der Gewalt.

Alles, was Antigone sagt, meint genau das Alles, was Kreon sagt und droht ist schief und
Gesagte, da es vom göttlichen Sinn gelenkt schlägt auf ihn selbst zurück.
ist.

„Hier steht nicht Recht gegen Recht, Idee gegen Idee, sondern das Göttliche als Allumfangendes, mit
dem das junge Mädchen sich im Einklang weiß, gegen das Menschliche als das Beschränkte, Blinde,
von sich selbst Gejagte, in sich selbst Verstellte und Verfälschte“
( K. Reinhardt)

Die Rolle des Politischen: Warum eignet sich ein Politiker besonders gut, um diese „Entgleisung“
des Menschen darzustellen?

1. Er hat Macht und kann deshalb die Entgleisung besonders gut darstellen. Sein Handeln
erfasst in jedem Fall auch andere, schafft Konflikte.
2. Zum Wesen des Staates gehören unbedingt Strukturen, die ihn als solchen konstituieren
(Gesetze). Die Gefahr der Verabsolutierung ist immer gegeben.
3. Die politische Gemeinschaft ist eine der höchsten Künste, die sich der Mensch geschaffen
hat. Missbraucht er sie, ist deshalb die Fallhöhe – Katastrophe- besonders hoch.

5
Die Thronrede des Kreon (162-222)

Aussagen über seine eigene Forderungen Kreons an den Perikles Epitaphios


Stellung und seine Pläne einzelnen Bürger
1. Chrismatisches Fromme Scheu gegenüber der Internalisierte Rechtsidee:
Sendungsbewusstsein, Staatsautorität δι$δ2οςο;παρανοµοµεν
Rückführung politischer
Vorgänge auf
metaphysische Instanzen

2. a) absolutistischer absolute Unterordnung Prinzip der Volkssouveränität


Herrscherbegriff µ8εςYλ,γους,αλλaεςπλε,ονας
οκεν

b) Legitimation: Leistungsprinzip .πa.ρετς

3. Verabsolutierung der Abwehrhaltung gegenüber Weitherzigkeit im Umgang:


Staatsräson dem Staatsfeind λευθ2ρωςπολιτε οµεν

4. Verabsolutierung der Unbedingte Loyalität Hinweis auf ein bestehendes


eigenen Rechtsposition Naturrecht:
@γραφοιν9µοι

4. Griechische Staatstheorie
4.1. Platon, Staat

Sokrates, Leben (siehe 2.2 I);


Platon, Leben und Werk (siehe 2.2 II)]
5
Das Modell eines an den materiellen Bedürfnissen orientierten Primärstaates (367c-374d)

Die Entstehung des Staates führt Sokrates zurück auf die Tatsache, dass der Mensch ein
Mangelwesen ist, das auf Hilfe vom Nächsten angewiesen ist (πολλν νδε≈ϕ).
Die Gemeinschaft (ξυνοικα) und dann die Stadt/Staat (πλιϕ) gründet sich auf diesen Tatbestand
(ποι≈σει α∧την ≠ ≠µετρα χρεα).
Im Grundmodell werden nun verschiedene Berufe angesiedelt: der Baumeister (οκδοµοϕ), der
Weber (¬φ≤τηϕ),der Schuster (σκυττοµοϕ) und eben solche, die für die natürlichen Bedürfnisse
des Menschen arbeiten.
Es taucht nun die Frage auf, ob es besser sei, wenn der einzelne Handwerker nur seiner Tätigkeit
nachgehen soll oder sich auch um andere Berufe kümmern soll. Sokrates stimmt für die erste
Möglichkeit, da ja jeder Mensch eine bestimmte Anlage hat (διαφρων την φ∨σιν).
Der jeweils Tätige muss sich voll auf seine jeweilige Arbeit konzentrieren und diese nicht nebenbei
machen (ν παρργου µρει).
Im Laufe der Diskussion erweitert sich nun der Staat, so dass eine neue Frage auftaucht: Wer
gewährleistet den Schutz der Bürger?
Sokrates fordert Berufssoldaten (φ∨λακεϕ), deren Erziehung genau geregelt ist. Denn die Sache mit
dem Krieg ist eben auch etwas für Spezialisten (≠ περι τον πλεµον ′γωνα τεχνικ≈).
Anmerkung:
An dieser Stelle des Dialogs versteht Platon unter den Wächtern nicht nur die Soldaten, sondern teilweise
schon die philosophischen Staatslenker.

Platonische Anthropologie: Metallmythos (414b-415d)

Sokrates geht von der Behauptung aus, da die ∞ρχοντεϕ bzw. die στρατιται,wenn sie
vollkommen sind, der Erde, der sie entsprungen sind, dankbar sein müssen, sie verteidigen müssen
und für Ihre Mitbrüder sorgen müssen.
Der Mythos erzählt nun die Erschaffung der Menschen durch Gott (∠ θεϕ) .
Den Herrschern ist Gold beigemischt, weshalb sie die ehrbarsten sind (τιµιωτ≤τοι).
Deren Helfer (πικου/ριοι) sind aus Silber , die Bauern(γεωργο) und die anderen Handwerker
(δηµιουργο) sind eisern.
Es ist nach Sokrates möglich, dass im Wechsel der Generationen sozusagen Mobilität in der
"Standeszugehörigkeit" möglich ist. Wichtig ist dabei, dass etwa Herrscher(Gold) erkennen, wenn
ein Nachkommen etwa mehr Eisen "in sich hat" und diesem dann zu der entsprechenden Aufgabe
lenkt. Jeder soll eben das machen, zu dem er geboren ist.

Gerechtigkeit in Staat und Individuum (427d-434c; 441d-442d)

DIE VIER TUGENDEN IM STAAT

Im Gespräch zwischen Sokrates und Glaukon soll der vollkommene Staat in der Vorstellung
gegründet werden (τελωϕ ′γαθην 427e7) Jedem Stand kommt die Aufgabe zu, eine bestimmte
Tugend in vorzüglicher Weise zu vertreten.

D i e W e i s h e i t - σοφα

Weisheit ist gefordert bei den Herrschern (∞ρχοντεϕ),


die auch als vollkommene Wächter (τελουϕ, ′ληθνουϕ) bezeichnet werden.
5
Es sind die Philosophen (φιλοσοφοι)

D i e T a p f e r k e i t - ′νδρεα

Sie ist die Eigenschaft der Wächter, die den Staat bewahren sollen (σωτηρα)

D i e B e s o n n e n h e i t - σωφροσ∨νη

S i e ist das ausgleichende Element im Staat und sollte eigentlich von allen Ständen in gleicher
Weise vertreten werden.
In der Realität ist es jedoch die Einsicht der Beherrschten, sich dem Besseren zu unterwerfen
(κρεττω α¬το◊).
Dabei sollen Emotionen und triebhafte Reaktionen ausgeschaltet werden (γκρ≤τεια 430e5)

D i e G e r e c h t i g k e i t - δικαιοσ∨νη

Höchstes Ziel (′ρετ≈)und Voraussetzung zugleich (δ∨ναµιϕ)


Definition: τα α¬το◊ πρ≤ττειν
Jeder Stand muss die im zufallende Pflicht erfüllen. Ein Fehler wäre die πολυπραµοσ∨νη, die
Beschäftigung mit mehreren Dingen.

Gerechtigkeit in Staat und Individuum (2)

Staat Individuum

Δικαιοσύ
Δικαιοσ ύνη (gerechter Ausgleich)

Staaatsmodell Seelenmodell

→ Το λογιστικ9ν
σοφα ∞ρχοντεϕ φιλσοφοι

→ Το θυµοειδ2ϕ
φρνησιϕ φ∨λακεϕ

→ Το πιθυµητικ
′νδρεα ο ′ρχµενοι (πολλο)  ν

σωφροσ∨νη ⇒ ∠µοδοξα τν ′ρξντων και ′ρξοµνων

Realisierbarkeit des platonischen Idealstaates - Philosophenstaat (471c-477e, 592a-10-b6)

5
Zur Realisierung des Idealstaates sucht man zuerst den τελωϕ δκαιον, den letzlich wirklich gerechten.
Ebenso wie der Maler (ζωγρ≤φοϕ) eine Vorstellung von dem schönsten Menschen, den er malen will, haben muss, muss dabei eine
Vorstellung von der gerechtesten Form vorhanden sein. Man kommt zu dem Ergebnis , dass der Philosoph die besten Voraussetzungen
für einen Herrscher mitbringt.("Wenn nicht die Philosophen zu Königen werden und......").
⇒ Übergang zur Ideenlehre (παρ≤δειγµα).

Die Ideenlehre

Das Sonnengleichnis

Die Sonne ist ein "Abkömmling" (κγονοϕ) des Guten

…λιοϕ)
…λιοϕ
Die Sonne (…λιοϕ Das Gute
Ursache (ατα) ≠ το◊ ′γαθο◊ δα)
(≠

φϕ γνεσιϕ ′λ≈θεια ο∧σα


ψιϕ τα ∠ρµενα γιγνσκειν τα γιγνωσκµενα
Synonyme für die Idee: ′λ≈θεια, το ν

Die höchste Idee ist die des Guten, sie verleiht als Seinsgrund allen anderen Dingen ihr Sein und ihre
Erkennbarkeit. Sie selbst ist noch erhabener als das Sein, sie ist göttlich.

Negatives wird dadurch negativ, dass es an den Ideen keinen Anteil hat.
[vgl. Parmenides:

δόξα ↔ τὸ ὄν
(Welt des Scheins) (Welt des Seins)]

Das Liniengleichnis

∠ρατοϕ γνοϕ (τόπος) νοητοϕ γνοϕ ( τόπος)

εκνεϕ ζα etc. µαθηµατικ≤ δαι

εκασα πστιϕ δι≤νοια νησιϕ

d.h. sichtbarer Bereich; Werden denkbarer Bereich; Sein

Schatten, Spiegelbilder Mathematische Gegenstände [Ideen


(Formen)]
(sie machen aus Voraussetzungen Prinzipien,
sind noch an Abbilder als
Anschauungsmaterial gebunden)

A---------------------B---------------------C---------------------D---------------------E
εκνεϕ:σκια, scheinbar wirklichen Mathematik,Geometrie Ideen
φαντ≤σµατα Dinge

5
A-C= ∠ρατοϕ γνοϕ C-E= νοητϕ γνοϕ

Die Stufen der Erkenntnis:

εκασα πστιϕ δι≤νοια νησιϕ


(Vermutung) (Glaube) (Überlegung) (Verstand, Einsicht)

Das Höhlengleichnis

a) Situation des Menschen

gebundener Zustand- nur eine Blickrichtung (Höhlenwand)


→ nur Schatten können erkannt werden;
bequemer, da als selbstverständlich hingenommener Zustand.
Lösung und Aufstieg - Heilung (durch Aufschwung der Seele)
→ Abwendung von der Welt der Erscheinungen; schmerzhafter Weg (Angst vor Wahrheit)
→ fremde Hilfe wird benötigt.
Rückkehr in die Höhle - der "geheilte" Mensch ("Wissender") als Fremdling in der Welt der
Erscheinungen
→ Bedrohung durch seine ehemaligen Kameraden (Schicksal des Philosophen)

b) Stufen der Erkenntnis

I. Bildhälfte in der Höhle (∠ρατοϕ τποϕ)


1. Der Gebundene: Schattenbilder werden gesehen und darüber wird geredet (εκασα)
2. Der Befreite : Sehen der künstlichen Dinge selbst (πστιϕ)
II. Bildhälfte: vor der Höhle (νοητοϕ τποϕ)
3. Sehen von Schatten und Spiegelbildern der wirklichen Dinge( δι≤νοια)
4. Sehen der wirklichen Dinge (νησιϕ)
5. Sehen der Sonne selbst (Voraussetzung für 1-4)
Abilder der Abbilder-Abbilder-Abbilder der Urbilder-Urbilder

Wege zur Erkenntnis

• Maioitik
5
• Dialektik
• Wiedererinnerung der Seele an eine Präexistenz im Reich der Ideen
• Erleuchtung
Kritik an Platon

- Der Gerechtigkeitsbegriff ist nicht mehr in unsrer Zeit zu übertragen, da er hinter der Vorstel-
lung unserer freiheitlichen Tradition zurückbleibt.
- Es gibt keine Freiheit für den Einzelnen, das Glück und das Wohl des ganzen Staates ist wichti-
ger als das des Individuums.
- Die Vorstellung eines königlichen Philosophen erscheint reaktionär.

4.2 Aristoteles

Leben

Aristoteles wurde 384 v. Chr. in Stagira geboren. Seine Akmé ist um 335/334 v. Chr. zu datieren. Er war bis
347 v. Chr. Schüler des Platon, wurde um 442 v. Chr. zum Lehrer Alexanders des Großen berufen und
gründete später eine eigene Schule, den Peripatos (Λύκειον). Aristoteles starb 322 v. Chr.

Werke

Aus dem Corpus Aristotelicum ist folgende Einteilung zu erkennen:


- Bücher zur Logik, später Ὄργανον genannt,
- naturwissenschaftliche Werke,
- Metaphysik,
- ethische Schriften,
- Bücher zur Ästhetik.

(wissenswerte) Werktitel:
- Politeia
- Nikomachische Ethik (nach seinem Vater Nikomachos)
- Der Staat/die Verfassung der Athener
- Poetik

Staatstheorie

Der Staat ist die höchste Form der naturbegründeten menschlichen Gemeinschaften.
Entstehung:
- Familie: Sinn:Existenzsicherung.
- Dorfgemeinschaft (aus mehreren Familien); Sinn:Arbeitsteilung.
- Staat (aus mehreren Dorfgemeinden):
Aufgaben: Daseinsbewahrung (τὸ ζῆν ) und Daseinserhebung (τὸ εὔ ζῆν ).
Er entsteht von Natur aus und nicht durch Gesetze (φύσις ↔νόμος!).

Der Mensch ist von Natur aus sprachbegabt - die Sprache dient dazu, Nützliches und Schädliches
und damit Gerechtes und Ungerechtes auszudrücken - und ein Gemeinschaftswesen (ζοόν
πολιτικόν ).
Der Mensch kann als soziales Wesen nur im Gemeinschaftsleben seine Natur verwirklichen.
Ziel aller menschlicher Gemeinschaften ist der Staat.
5
Der Staat ist eine Lebensgemeinschaft und Rechtsordnung zur Verwirklichung des Gemeinwohls mit
dem Ziel der Autarkie.

Jede staatliche Ordnung bringt eine Herrschaftsform mit sich.

Richtige Verfassungen
ausgerichtet auf:
Monarchie: Herrschaft eines (guten) Mannes das gemeinsame Gut
Aristokratie: Herrschaft der Besten das Beste des Staates und seine
Angehörigen
Politie: wahre Gesamtherrschaft das Allgemeinwohl
(mit politischer Betätigung aller
Bürger)
Verfallsformen:

- Tyrannis (Herrschaft des Monarchen zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil)


- Oligarchie (Regierung zu Gunsten der Reichen)
- Demokratie (Herrschaft zu Gunsten der Unbemittelten; „Kommunismus“)
Jede Verfassungsform kann in eine andere umschlagen;
es gibt jedoch keinen festen Verfassungskreislauf.

bestmögliche Verfassungsform: Politie


Sie ist eine Mischung aus Demokratie und Oligarchie.
Neben dem Grundsatz der Freiheit wird auch der des Privatbesitzes berücksichtigt.
Die Nachteile dieser Verfassungen sollen dadurch beseitigt werden, dass die Armen und Reichen
durch gemäßigte politische Betätigung zu einem friedvollen Zusammenwirken vereinigt werden.

Das Prinzip der Mitte

Wesentlichste Gesichtspunkte:

1. Die Tugend stellt einen mittleren Zustand dar:

τὸ τὸν εὐδαίμονα βίον εῖναι τὸν κὰτ´ ἀρετὴν ἀνεμπόδεστον μεσότητα δὲ τὴν ἀρετήν.

2. Ein Leben der Mitte ist das beste:

τὸν μέσον ἀναγκαῖον εῖναι βίον βέλτιστον, τὸ τῆς ἑκάστοις ἐνδεχομένης τυχεῖν μεσότητος.

3. Der Mittelweg ist auch im Besitz der Glücksgüter das allerbeste:

τῶν εὐτυχημάτων ἡ κτῆσις ἡ μέση βελτίστη πάντων.

4. Eine Stadt will möglichst aus Gleichgestellten bestehen:

βούλεται ἡ πόλις ἐξ ἴσῶν εῖναι καὶ ὁμοίον ..., τοῦτο δ´ ὐπάρχει μάλιστα τοῖς μέσοις.

5. Die Städte, in denen der Mittelstand stark ist, haben eine gute Verfassung:

5
ἡ κοινωνία ἡ πολιτικὴ ἀρίστη ἡ διὰ τῶν μέσων καὶ τὰς τοιαύτας ἐνδέχεται εῦ πολιτεύεσθαι πόλεις,
ἐν αἷς δὴ πολὺ τὸ μέσον καὶ κρεῖττον ...

6. Ein mittleres und ausreichendes Vermögen ist ein großes Glück:

εὐτυχία μεγίστη τοὺς πολιτευομένους οὐσίαν ἔχειν μέσην καὶ ἱκανήν.

7. Eine starke Mitte garantiert innere Ruhe:

ὅτι δ´ ἡ μέση βελτίστη φανερόν. μόνη γὰρ ἀστασίαστος. ὅσῳ δ´ ἄν ἅμεινον ἡ πολιτεία μειχθῇ,
τοσούτῳ μονιμωτέρα.

4.3 Die beste Verfassungsform (Vergleich)


Herodot: Monarchie: Herrschaft des besten Mannes, der für das Gemeinwohl sorgt.
Solon: Timokratie: Ehre [im (Wett-)Kampf erworben] als Kriterium für Herrschaft.
Thukydides: Demokratie: als vorbildliches Beispiel die „Demokratie“ in Athen
(vgl. Logos Epitaphios).
Platon: Monarchie: Philosophenkönige, weise Männer, gestützt auf einen
Wächterstand; sie haben die richtigen Leitbilder der
Gerechtigkeit und sind selbst gerecht.
Aristoteles: Politie: Richtige Verfassung hängt nicht von der Zahl der Regierenden
ab, sondern davon, dass das Gemeinwohl als Ziel verfolgt wird.
Idealform wäre also die Politie, die sich auf eine starke
Mittelschicht stützt.

5. Griechisches Allgemeinwissen

Philosophie
Teilbereiche:
- Ontologie
- Erkenntnistheorie (später: cogito, ergo sum. (Rene Descartes (1596 - 1650 n. Chr.)))
- Metaphysik
- Ethik
(- Physik)

Philosophie ist zweckfrei, uneigennützig! (L’ art pour l’ art!)

griechische Redner
Gorgias (um 485 - 375 v. Chr.), Sophist;
Demosthenes (445 - 380 v. Chr.).
Lysias (436 - 338 v. Chr.).
Isokrates (384 - 322 v. Chr.).

griechische Komödiendichter römische Komödiendichter


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Aristophanes Terrenz
Menander Plautus

„Elegisches Distichon“
__ __ __ __ _
−∪∪  −∪∪  −∪∪  −∪∪  −∪∪  −∪ Hexameter
__ __ __ __ sylaba anceps
−∪∪  −∪∪  −  −∪∪  −∪∪ − Pentameter

„Jambischer Trimeter“
_ _ _
∪−∪−∪−∪−∪−∪− Möglichkeiten
− −∪−− −∪−− −∪−
∪∪ ∪∪ ∪ ∪∪  ∪∪ ∪∪ ∪ ∪∪  ∪∪ ∪∪ ∪ ∪
Daktylus −∪∪
Spondeus −−
Jambus ∪−
Trochäus ∪∪−

Philosophenschulen der Antike


Akademie (Platon)
Peripatos (Aristoteles)
Stoa (Zenon, Chrysipp)
Epikureische Schule (Epikur)
Kyniker (Diogenes)

Die 9 Musen
Klio (Literatur, Gesang)
Melpomene
Terpsichore
Thalia (Theater)
Euterpe (Schöngeistiges)
Erato
Urania (Himmlisches)
Polyhymnia (Lobgesänge)
Kalliope (Musik)

Die 4 Kardinaltugenden (′ρετ≈,, virtus)

δικαιοσ∨νη iustitia Gerechtigkeit


′νδρεα fortitudo Tapferkeit
σοφα prudentia Klugheit, Weisheit
σωφροσ∨νη temperantia Selbstbeherrschung, Mäßigung

Die 7 christlichen Kardinaltugenden

Tapferkeit
Besonnenheit
Weisheit
Gerechtigkeit
Glaube
Hoffnung
Liebe
5
ANHANG I: BILDER

ZU HOMER:

ENTSCHEIDUNGSSZENE DES ACHILL


http://www.kzu.ch/fach/as/gallerie/myth/ilias
_ramberg/00.htm#02

HEKTORS ABSCHIED (HOMILIE)


http://www.kzu.ch/fach/as/gallerie/myth/ilias
_ramberg/15.htm

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ANHANG II: TEXTE

Text 2 DIDOS REDE VOR AENEAS (Aeneis, Buch IV, V. 305-330)

6
dissimulare etiam sperasti, perfide, tantum "Hast du es möglich geglaubt, Treuloser, ein solches
posse nefas tacitusque mea decedere terra? Verbrechen
nec te noster amor nec te data dextera quondam Auch zu verheimlichen und dich still aus dem Lande zu
nec moritura tenet crudeli funere Dido? schleichen?
quin etiam hiberno moliri sidere classem Hält dich die Liebe nicht fest und die einst mir gebotene
et mediis properas Aquilonibus ire per altum, Rechte?
crudelis? quid, si non arva aliena domosque Hält dich Dido nicht fest, die dem grausamsten Tode zum
ignotas peteres, et Troia antiqua maneret, Raub wird?
Troia per undosum peteretur classibus aequor? Ja, du beginnest die Fahrt zur See bei den Wintergestirnen,
mene fugis? per ego has lacrimas dextramque tuam te, Mitten in Boreas' Wehn willst über die Tiefen du eilen.
quando aliud mihi iam miserae nihil ipsa reliqui, Grausamer! Wie, wenn die Flut dir nicht fremd, wenn
per conubia nostra, per inceptos hymenaeos, bekannt dir die Sitze
si bene quid de te merui, fuit aut tibi quicquam Wären, zu welchen du ziehst, wenn das frühere Troia noch
dulce meum, miserere domus labentis et istam, stände,
oro, si quis adhuc precibus locus, exue mentem Würdest nach Troia du wohl hinziehn durch die stürmende
te propter Libycae gentes Nomadumque tyranni Meerflut?
odere, infensi Tyrii; te propter eundem Fliehest du mich? Bei den Tränen, die hier mir entrollen, bei
exstinctus pudor et, qua sola sidera adibam, deiner Eigenen Rechten - da sonst nichts übriggeblieben
fama prior. cui me moribundam deseris hospes, mir Armen -
hoc solum nomen quoniam de coniuge restat? Ja, bei dem ehlichen Bund und der halbvollzogenen
quid moror? an mea Pygmalion dum moenia frater Hochzeit,
destruat aut captam ducat Gaetulus Iarbas? Hab ich das kleinste Verdienst nur um dich und war ich in
saltem si qua mihi de te suscepta fuisset irgend
ante fugam suboles, si quis mihi parvulus aula Etwas dir lieb, so erbarme dich jetzt des versinkenden
luderet Aeneas, qui te tamen ore referret, Hauses,
non equidem omnino capta ac deserta viderer." Und - ich bitte, wenn Bitten noch hilft - entsage der Absicht.

Um dich hasst mich das libysche Volk und die Herrn der
Nomaden,
Um dich sind mir die Tyrier gram; um dich, ja um dich nur
Habe der Scham ich entsagt und dem Ruf, der allein zu den
Sternen
Früher mich hob. Wem lässt du zum Raub mich Sterbende,
Gastfreund
- Da der Name ja nur allein noch bleibt von dem Gatten -?
Wozu weil' ich? Bis erst mein Bruder Pygmalion meine
Mauern zerstört? Mich als Sklavin entführt der Gätuler
Iarbas?
Hättest du wenigstens noch ein lebendes Pfand mir
gelassen,
Ehe du flohst, und möchte' im Hof mir ein kleiner Aineias
Spielen, in dessen Gestalt ich die deinige wieder erblickte,

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Text 3 LYRIK

1W

εἰμὶ δ' ἐγὼ θεράπων μὲν Ἐνυαλίοιο ἄνακτος


καὶ Μουσ<έω>ν ἐρατὸν δῶρον ἐπιστάμενος.
1 W [1 D] Nach Snell (Die Entdeckung des Geistes, S.
77f.) belegt das Gedicht, dass es in der frühen Lyrik "wohl persönliche Schicksale, aber nicht persönliche
Leistung gibt". 1 Ἐνυάλιος - ("kriegerisch") die mörderische Fratze des Krieges (Ares) | 2 ἐρατός - lieblich
(ἐράω)
2W
ἐν δορὶ μέν μοι μᾶζα μεμαγμένη, ἐν δορὶ δ' οἶνος
Ἰσμαρικός· πίνω δ' ἐν δορὶ κεκλιμένος.
2 W [2 D] ἐν δορί - auf meinem Speer beruht | τὸ δόρυ,
δόρατος - Lanze, Lanzenschaft; meton.: Krieg, Schlacht | ἡ μᾶζα - Gerstenbrot (Nahrung der Sklaven und
Soldaten) | μάσσω - kneten, zubereiten. Die "Kriegervase von Mykene" stellt Soldaten dar mit einem Sack
Proviant und einem Schlauch Wein an ihrem Speer | 2 Ἰσμαρικός - die thrakische Hafenstadt Ismaros ist schon
bei Homer für ihren Wein berühmt. Odysseus erhält dort vom Apollonpriester Maron seinen Wein
(Hom.Od.9,40ff., 9,196ff.)
3W
οὔτοι πόλλ' ἐπὶ τόξα τανύσσεται, οὐδὲ θαμειαὶ
σφενδόναι, εὖτ' ν δὴ μῶλον Ἄρης συνάγηι
ἐν πεδίωι· ξιφέων δὲ πολύστονον ἔσσεται ἔργον·
ταύτης γὰρ κεῖνοι δάμονές εἰσι μάχης
δεσπόται Εὐβοίης δουρικλυτοί.

4W
ἀλλ' ἄγε σὺν κώ[θωνι θοῆς διὰ σέλματα νηὸς
φοίτα καὶ κοίλ[ων πώματ' ἄφελκε κάδων,
ἄγρει δ' οἶνον [ἐρυθρὸν ἀπὸ τρυγός· οὐδὲ γὰρ ἡμεῖς

νηφέμεν [ἐν φυλακῆι τῆιδε δυνησόμεθα.


4 W [5a D] Ein Matrose (oder Sklave) soll dem
Wachhabenden aus dem Proviantraum des Schiffes Wein besorgen. |1 ὁ κώθων - Krug, Becher | τὸ σέλμα -
Ruderbank; Pl.: Verdeck | 2 τὸ πῶμα - Deckel | τὸ κάδος - Krug | 3 ἀγρέω = αἱρέω | ἡ τρύξ, τρυγός Trester,
Hefe | νήφειν - nüchtern sein | ἡ φυλακή - Wachdienst
114W
οὐ φιλ<έω> μέγαν στρατηγὸν οὐδὲ διαπεπλιγμένον
οὐδὲ βοστρύχοισι γαῦρον οὐδ' ὑπεξυρημένον,
ἀλλά μοι σμικρός τις εἴη καὶ περὶ κνήμας ἰδεῖν
ῥοικός, ἀσφαλ<έω>ς βεβηκὼς ποσσί, καρδίης πλέως.
114 W Das Gedicht kontrastiert äußeres Aussehen
(Schönheit) mit innerem Wert (Tapferkeit) | 1 διαπλίσσεσθαι - mit gespreizten Beinen einhergehen,
einherstolzieren | 2 ὁ βόστρυχος - Haarlocke | γαῦρος - sich brüstend, stolz | ὑπο-ξυρεῖν ein wenig scheren,

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modisch frisieren | 3 ἡ κνήμη - Unterschenkel, Schienbein, Wade | 4 ῥοικός - gebogen, krummbeinig | πλέως =
πλήρης
5W
ἀσπίδι μὲν Σαίων τις ἀγάλλεται, ἣν παρὰ θάμνωι,
ἔντος ἀμώμητον, κάλλιπον οὐκ ἐθέλων·
αὐτὸν δ' ἐξεσάωσα. τί μοι μέλει ἀσπὶς ἐκείνη;
ἐρρέτω· ἐξαῦτις κτήσομαι οὐ κακίω.
5 W [6 D] Der Verlust des Schildes wird hier nicht
traditionell an seinem Symbolwert bemessen (Feigheit), sondern an seinem Gebrauchswert
(Wiederbeschaffungswert in der Relation zur Lebensrettung). Plutarch berichtet, die Spartaner hätten
Archilochos wegen dieses Gedichtes aus ihrer Stadt verbannt. Wiederaufnahme bei Alkaios 49 D, Anakr. 51 D
und Hor.c.2,7 | 1Σαΐων - die Saier (Σάϊοι) lebten gegenüber von Thasos in Thrakien | ἀγάλλεσθαι - sich
rühmen, prunken | ὁ θάμνος - Gebüsch, Strauch | 2 τὸ ἔντος - Gerät, Waffe (sonst Pl.: τἀ ἔντεα) | ἀμώμητος -
untadelig | κάλλιπον = κατ-έλιπον (homer. Begriffe, die in diesem Zusammenhang ironisch wirken) | 3 θανάτου
Gen. epexeg. zu τέλος | andere Überlieferung: ψυχὴν ἐξεσάσωσα, τί μοι μέλει ἀσπὶς ἐκείνη | 4 ἐρρέτω - er fahre
hin! (Impt. zu ἔρρειν - fortgehen, sich verziehen | ἐξαῦτις - von neuem, bald wieder.
14W
Αἰσιμίδη, δήμου μὲν ἐπίρρησιν μελεδαίνων
οὐδεὶς ἂν μάλα πόλλ' ἱμερόεντα πάθοι.

14 W [9 D] Vgl. Mimn. 7 D | ἡ ἐπίρρησις - Nachrede (= ὁ


ψόγος) | μελεδαίνειν - sich sorgen, sich kümmern | ἱμερόεις - lieblich (ὁ ἵμερος - Sehnsucht)
19W
"οὔ μοι τὰ Γύγ<εω> τοῦ πολυχρύσου μέλει,
οὐδ' εἷλέ πώ με ζῆλος, οὐδ' ἀγαίομαι
θ<εῶ>ν ἔργα, μεγάλης δ' οὐκ ἐρ<έω> τυραννίδος·
ἀπόπροθεν γάρ ἐστιν ὀφθαλμῶν ἐμῶν."
19 W [22 D] nach Aristoteles ist dies der Anfang eines
Spottgedichtes, in dem Archilochos mit den Worten des Charon jemand heftiger schmäht, als wenn er es mit
eigenen Worten hätte tun wollen. Das Gedicht muss also weiter gegangen sein: "Wenn ich nun aber den
Soundso sehe, der so reich und mächtig ist, dann packt mich Wut und Neid". | Γύγης - Lydischer König (680 -
650 v. Chr. Zeitgenosse des Archilochos, berühmt für seinen Reichtum (vgl. Herod.1,8-13) | τὰ Γύγ<εω> - die
Schätze des Gyges | μέλει μοί τινος - hier persönlich konstruiert | 2 ὁ ζῆλος Neid (= φθόνος) | ἀγαίομαι =
ἄγαμαι - eifere nach | 3 θεῶν ἔργα - hohe Dinge | ἐρέω = ἐράω - trachte nach | ἡ τυραννίς - Tyrannenmacht
(als Ausdruck höchsten Glücks) | ἀπόπροθεν... ὀφθαλμῶν - Sbj.: θεῶν ἔργα καὶ τυραννίς - denn solche Güter
liegen mir fern
131W
1 τοῖος ἀνθρώποισι θυμός, Γλαῦκε Λεπτίν<εω> πάι,
γίνεται θνητοῖς, ὁποίην Ζεὺς ἐφ' ἡμέρην ἄγηι.
2
13/132 W [68 D] Anklang an Hom.Od.18,136f. |
Γλαῦκος - auf Thasos wurde 1955 das Epigramm für diesen Glaukos, den Sohn des Leptines gefunden |
ἐγκυρέω τινί - gerate in etwas hinein, stoße auf etwa | τὸ ἔργμα = τὀ ἔργον - Werk, Tat (auch: Hindernis, von:
εἴργω)

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