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Potentiographie 11.11.

2020

Potentiographie: Theorie

1) Grundlagen der Elektrochemie


Strom (current): Fluss von Ladungen, entweder sich schnell bewegende Elektronen im Metall
(Leiter 1. Klasse) oder langsame Ionen in Lösungen und Schmelzen (Leiter 2. Klasse).
Ohmsche Gesetz: Die Stromstärke [A] steigt mit steigender Spannung [V] (direkt proportional
=> Zähler) und abnehmenden Widerstand [A] (indirekt proportional => Nenner): I=U/R
Halbelement, Halbzelle: besteht aus einem Redoxpaar (oft Metall = Elektrode + Lösung des
Metalls), z.B: Cu2+ +2e = Cu0 mit E = ca. 0,4 V
2 Halbelemente (-zellen) ergeben ein ganzes Element galvanisches Element (Zelle) = Batterie
Erst jetzt kann Strom fließen, sofern der Kreislauf geschlossen ist.
Potential: gibt das Bestreben eines Metalls (oder eines Redoxpaares) an, im reduzierten
Zustand vorzuliegen.
Taucht man einen Metallstab (Elektrode) in Wasser, löst sich auch bei edlen Metallen ein
geringer Teil auf. Es gilt: Je edler das Metall, desto weniger geht in Lösung  elektrochemische
Spannungsreihe.
Metallionen gehen in Lösung (Hydratisierung), die Elektronen verbleiben am Metallstab. An
der Elektrodenoberfläche bildet sich dadurch eine Doppelschicht: Lösung positiv - Elektrode
negativ. Mit Hilfe dieses Ladungsunterschieds kann man Strom erzeugen, wenn man mit einem
zweiten Halbelement mit unterschiedlichem Potential eine leitfähige Verbindung herstellt.
Das Potential ist abhängig vom Halbelement, der Konzentration des gelösten Redox-Partners,
der Übergangszahl z und Temperatur - siehe Nernst‘sche Gleichung.
Die Reihung nach dem Potential bei Konzentration 1 mol/L und 25°C führt zur
elektrochemischen Spannungsreihe.
Potentialdifferenz = Spannung: ist die Fähigkeit, Strom zu erzeugen. Dafür ist der
Zusammenschluss mit einem 2. Halbelement mit unterschiedlichem Potential notwendig.

Elektrochemische Spannungsreihe: Auflistung der Halbelemente nach deren Normalpotential


= Standardpotential (also bei c = 1 mol/L und 25°C) gegenüber der Normalwasserstoff-
Elektrode. Per Definition ist dem Wasserstoff/H+ - Halbelement daher (unter
Standardbedingungen) das Normalpotential 0 V zugeordnet.

Positive Halbelemente (Ag/Ag+, Cu/Cu2+, etc.): sind edel = Oxidationsmittel, sie wollen in
reduzierter Form vorliegen. z.B. liegt Gold lieber als Au0 und nicht als Kation vor, weil
E0 = +1,6V ist  Edelmetall.

Negative Halbelemente (Na/Na+, Mg/Mg2+): sind unedel = Reduktionsmittel, sie wollen in


oxidierter Form vorliegen. z.B. liegt Lithium lieber als Li+ -Ion und nicht als Metall vor, weil
E0 = -3V ist. Man spricht auch von unedlen Metallen.

Elektrochemisches Element oder elektrochemische Zelle: besteht aus 2 Halbelementen.


Die Spannung ergibt sich aus deren Potentialunterschied. U = EKathode - EAnode .
Da Werte von bis zu +3V (edel) und bis zu -3V(unedel) möglich sind, ergibt sich eine max.
Spannung von 6V pro Zelle (wichtig für Batterie!). Durch serielle Schaltung der Zellen können
ganzzahlige Vielfache dieser Spannungen erzielt werden.

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Messung des Potentials: nicht direkt möglich, sondern es wird über Vergleich mit einer
Bezugselektrode in Form einer Potentialdifferenz bestimmt. Um das Potential direkt zu
bestimmen, müsste man den Ladungsunterschied in der Doppelschicht ermitteln können – das
ist technisch nicht möglich.

Messung des Potentialunterschieds: Spannung zwischen Bezugs- und Indikatorelektrode (mV).

Bezugselektrode = Vergleichsel. = Referenzel.: hat ein konstantes Potential. Das erreicht man,
indem man die Konzentrationen der potentialbildenden Teilchen (oxidierte und reduzierte
Form) mittels schwerlöslicher Stoffe konstant hält. Der Logarithmus dieser Konstante ergibt
wieder eine Konstante, wodurch der sonst variable Teil in der Nernst´schen Gleichung auch
konstant ist.
z.B. Ag/AgCl- Elektrode: siehe Nernst´sche Gleichung

Indikatorelektrode = Mess-el.: ihr Potential ändert sich mit der Konzentration (Nerst).

0,058 . c(oxidierte Form)


Nernst´sche Gleichung: E = E0 + log
z c(reduzierte Form)

Ag/AgCl- Elektrode: AgCl + e- ⇔ Ag0 + Cl-


oxidierte Form: = Ag+ in AgCl, schwerlöslich, dadurch bei geeigneter hoher
Chloridkonzentration ist c(AgCl) über das Löslichkeitsprodukt in der Lösung konstant
gegenüber eventuell auftretender Volumensänderung.
reduzierte Form:
a) = Ag0 Feststoff, dadurch c(Ag) in der Lösung konstant, wird definitionsgemäß mit 1
eingesetzt
b) = Cl- : die Chloridkonzentration wird so hoch angesetzt, dass sie sich während der
Messung praktisch nicht ändert
Dadurch dass das Verhältnis coxidierte Form / creduzierte Form konstant ist, ist auch dessen Logarithmus
konstant und damit das gesamte Potential => Bezugselektrode

Direktpotentiometrie:
Die Spannung wird direkt zur Konzentrationsbestimmung verwendet: z.B. pH Messung

Potentiometrische Titration
Die Messelektrode wird ähnlich einem Indikator zur Endpunktsanzeige verwendet.
Vorteile: manchmal gibt es gar keinen Indikator, viel empfindlicher, dadurch bei geringen
Konzentrationen anwendbar
Die absolute Größe in mV ist unerheblich, man ermittelt nur den Verbrauch bis zum
Äquivalenzpunkt. (siehe Laborbeispiele)

Während früher mit herkömmlichen Glasbüretten titriert wurde, benutzt man heute
Motorkolbenbüretten (Dosimat verschiedenen Lösungsaufsätzen=Wechseleinheiten), die mit
dem Potentiographen kombiniert sind und dadurch das punktweise Aufzeichnen einer
Titrationskurve entbehrlich machen. Die so erhaltenen Kurven müssen nur mehr ausgewertet
werden und selbst das übernimmt heute der Computer.

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Titrationskurve
Diagramm: x-Achse: Volumen zugesetzter Maßlösung
y-Achse: Potentialdifferenz (mV), welche zwischen Vergleichs- und Messelektrode gemessen
wird.

Dynamische Titration
Der Volumenstrom ist am Anfang der Titration sehr groß, in der Nähe des Äquivalenzpunktes
aber extrem klein, so dass dieser wesentlich exakter erfasst werden kann.

Diaphragma
ist eine kleine Öffnung bei Vergleichselektroden, die aus einer
porösen Keramik oder Glasfritte besteht. Sie stellt eine leitende
Verbindung zwischen den getrennten Lösungen her, ohne dass
diese sich merklich durchmischen. Eine geringe Ionenwanderung
muss aber vorhanden sein, um einen Stromkreislauf und damit
eine Messung zu ermöglichen.
Sollen bestimmte Ionen überhaupt nicht wandern, verwendet
man oft ein Brückenelektrolyt („Stromschlüssel“, „Salzbrücke“")
mit nicht reagierenden Ionen in einem Gefäß, das mit 2 Diaphragmen abgeschlossen ist.

2) Vergleichselektroden:
a) Ag/AgCl-Elektrode (-Halbzelle):
Ein Ag-Stab, der auch als Ableitung dient, ist von AgCl umgeben
und tauscht in eine KCl-Lösung
Potentialbildender Vorgang: Ag↓ + Cl- = AgCl ↓ + e-
Die schwerlöslichen Niederschläge ergeben konstante
Konzentrationen und damit ein konstantes Potential.
Siehe Nernst’sche Gleichung weiter oben.

b) Kalomel-Elektrode (-Halbzelle)
Ähnlich aufgebaut, nur taucht hier ein Pt-Draht (Ableitung) in
flüssiges Hg, welches in Kontakt zum schwerlöslichen Kalomel
(Hg2Cl2) steht
Potentialbildender Vorgang: 2 Hg↓ + 2 Cl- = Hg2Cl2↓+ 2 e-

c) Normalwasserstoffelektrode
Komplizierter in der Handhabung, wird im Labor nicht verwendet.
Potentialbildender Vorgang: 2 H+ + 2 e- = H2↑
E0 = 0V => dient als Bezug für alle Redoxpaare => elektrochemischen Spannungsreihe.

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3) Indikatorelektroden (Messelektroden)
Ihr Potential ist konzentrationsabhängig!
a) Metallelektroden
Metall taucht in eine Lösung des Metalls. Z.B. Ag-Stab taucht in eine Ag-Löung.
Redoxpaar: Ag/Ag+.
Durch das (wenige) Lösen von Ag als Ag+ bzw. das Abscheiden von Ag aus der Ag+-Lösung
bildet sich ein Ladungsunterschied zwischen Stab (-) und Lösung (+) aus, der einem
Potential entspricht. Dieses Lösen bzw. Abscheiden ist konzentrationsabhängig.
b) Membranelektroden (Ionensensitive Elektroden)
Kernstück ist eine Membran, die möglichst nur eine einzelne Ionensorten aufnehmen und
abgeben kann. Dabei entsteht zwischen Innen- und Außenseite der Membran (infolge des
Konzentrationsunterschiedes) eine Potentialdifferenz, diese kann mit einer geeigneten
Elektrode als Halbzellenpotential abgeleitet werden.
Wenn außen und innen dieselbe Ionensorte vorliegt, dann gilt nach Nernst:
0,058 0,058
ΔE = log(c i ) − log(c a )
z z

Glaselektrode (pH-Elektrode)

Quellschicht = Membran: Bestimmte Glassorten quellen bei


längerem Kontakt mit Wasser an der Oberfläche, wobei ein
Austausch der Ionen des Glases (meist Na+) gegen H+ - Ionen
des Wassers erfolgt.

Membranpotential: Befinden sich an der Innen- und Außenseite der dünnen Glasmembran
Lösungen mit verschiedenen pH-Werten, so lagern sich unterschiedlich viele H+ innen und
außen an. Das führt zu einem Ladungsunterschied = Potentialunterschied ΔE =
Membranpotential.
Ist nun der pH-Wert einer Lösung (Innenlösung) bekannt, so kann man anhand der
resultierenden Potentialdifferenz auf die Konzentration an H+ (obere Gleichung) und damit
auf dem pH-Wert in der unbekannten Außenlösung schließen.
Die Messung der Membranpotentialdifferenz ist nicht direkt möglich, man misst daher mit
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zwei identischen Ableiterlektrode (Ag/AgCl-Elektroden) und kombiniert zu einer


Einstabmesskette. Die Potentiale der beiden identischen Bezugselektroden sind gleich, ihre
Differenz = 0 V. Die angezeigte Spannung resultiert nur vom Membranpotential und ist
direkt mit dem pH-Wert verknüpft.
Siehe Gleichung oben: z=1 (H+). ci = 10-7 mol/L (KCl Lösung).
ΔE = pHaußen- pHinnen = pHaußen- pH7
Taucht die Glaselektrode in eine neutrale Lösung (pH 7), gibt es somit keine
Potentialdifferenz zwischen Innen- und Außenseite vorliegt => ΔE =0 V.
Jeder pH Schritt entspricht 58 mV.
von pH6 zu pH8 ergeben sich somit: 116mV.

Fluoridelektrode (Feststoffmembran)
Auch hier kann direkt auf die Flouridkonzentration angezeigt werden.
Bei der Fluoridelektrode besteht der Kristall (keine Quellschicht) aus LaF3, die Dotierung
erfolgt mit Europium. Fluorid ist in der Membrane dadurch besonders beweglich.

4) Neutralisationsanalysen mit der pH-Elektrode


Die pH-Einstabmesskette dient nicht nur zur pH Messung, sondern zur Aufzeichnung von
Titrationskurven und deren Auswertung. Dabei werden die Verbräuche und der pH bzw.
Spannung graphisch gegenübergestellt und ausgewertet. Letzendes wird mit Hilfe der
Äquivalenzpunkte die Stoffmenge des Analyten geschlossen.
Ermittlung des Äquivalenzpunktes
Früher wurde mittels Tangentenmethode (2 parallele Tangenten, die Mittelparallele schneidet
die Kurve im Äquivalenzpunkt) bzw. Kreisbogenverfahren (Verbindungsgerade der
Mittelpunkte schneidet die Kurve).

Heute erledigt der Computer diese Aufgabe, indem er sich die 1. Ableitung (Steigung in jedem
Punkt) berechnet, aufzeichnet und das Maximum (bzw. Minimum) ermittelt.

Mathemaisch handelt es sich beim Äquivalenzpunkt um den Wendepunkt.

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Hier wird Phosphorsäure mit NaOH titriert.


Bis zum 1. Äquivalenzpunkt reagiert diese zu Dihydrogenphospaht nach:
H3PO4 + NaOH → H20 + Na++ H2PO4- (praktisch keine Rückreaktion)
Dihydrogenphospaht reagiert erst weiter, wenn es keine (undissoziierte) Phosphorsäure mehr
gibt.
H2PO4- + NaOH → H20 + Na++ HPO42- (praktisch keine Rückreaktion)
Hydrogenphospaht reagiert erst weiter, wenn es kein Dihydrogenphospaht mehr gibt.
HPO42- + NaOH → H20 + Na++ PO43- (praktisch keine Rückreaktion)
Dieser letzte Schritt findet sich nicht in der Titrationskurve.
Beachte, dass die Abstände zwischen den Äquivalentpunkten naturgemäß gleich sein
müssen.

5) Fällungstitrationen
Die Maßlösung bildet mit der Probe einen schwerlöslichen Niederschlag.

Halogenidbestimmung (Cl-, I-) durch Titration mit AgNO3-Lösung.


Bezugselektrode: Ag/AgCl (Potential ändert sich nicht)
Indikatorelektrode: Silberstab
Beide tauchen in die Probe ein, deren Ionenstärke (Gesamtheit an Ionen) durch einen Puffer
(TISAB) durch die Maßlösung praktisch konstant bleibt.
Potential ändert sich nur, wenn sich die Ag+-Konzentration ändert
Die potentialbestimmende Reaktion lautet: Ag = Ag++ e

Es kommt kein Halogenid (Cl-, I-) darin vor, also sind diese nicht potentialbestimmend oder
besser gesagt, nur indirekt potentialbestimmend. Halogenide reagieren nämlich mit Ag+ zu

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schwerlöslichen Niederschlägen: Ag++ I- = AgI (bzw. Cl-). Dadurch halten sie die Ag+-
Konzentration solange konstant bis kein I- (bzw. Cl-) vorhanden ist.
Voraussetzung für eine gleichzeitige Bestimmung der Siberhalogenide:
Die Löslichkeitsprodukte der Siberhalogenide sind ausreichend unterschiedlich sind, das heißt
sie fallen schön nacheinander aus. Das Jodid mit dem kleinsten Löslichkeitsprodukte, gefolgt
vom Bromid und am Schluss AgCl.

Titrationsverlauf:

1) Am Anfang der Titration (rote Kurve) ändert sich die Ag+-Konzentration kaum, da die
zugegebenen Ag+ - Ionen zum Überschreiten des Löslichkeitsprodukts von AgI führt und
ständig AgI gebildet wird. Das Potential ändert sich kaum.
2) Erst wenn sämtliches Iodid verbraucht ist kommt es zur Ag+ Konzentrationssteigerung, was
mit einer starken Potentialänderung einhergeht. Bei der stärksten Änderung liegt der 1.
Äquivalenzpunkt.
3) Vergleiche den oberen mit den unteren Kurvenverlauf.
4) Kurz danach wird das Löslichkeitsprodukt von AgCl überschritten. Die Ag+ Konzentration
wird wieder konstant, auch das Potential.
5) Erst wenn sämtliches Chlorid verbraucht ist kommt es wieder zur
Ag+-Konzentrationssteigerung, was mit einer starken Potentialänderung einhergeht.
Bei der stärksten Änderung liegt der 2. Äquivalenzpunkt.
6) Danach kommt es zu einem leichten kontinuierlichen Anstieg nach der Nernst’schen
Gleichung

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