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Altes Testament

Diese Vorstellung des Agnus Dei bezieht sich auf das Lamm als Opfertier im Alten
Testament, besonders auf die Pessach-Lämmer, deren Blut in der Nacht des Auszugs
der Israeliten aus Ägypten (Exodus) auf Gebot Gottes hin als Schutzzeichen vor der
Zehnten Plage an den Türpfosten gestrichen wurde (Ex 12 EU). Sie betraf den Tod
aller Erstgeborenen (‫ מֵת כָל־בְּכֹור‬mēt kōl-bəchōr) von Mensch und Vieh: „Und Mose
sprach: So spricht der Herr: Um Mitternacht will ich durch Ägyptenland gehen, und
alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom ersten Sohn des Pharao an, der auf
seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und
alle Erstgeburt unter dem Vieh“ (2 Mos 11,4 LUT). Neben dem Backen von ungesäuertem
Brot wurde das Schlachten eines Lammes zur zentralen Praxis des Pessach-Festes.

Seroa (hebräisch ‫ )זרֹוע‬ist eine angebratene Lammkeule (oder ein gebratener


Hühnerflügel), mit wenig Fleisch, die an die biblische Vorschrift der Opferung
eines Pessach-Lamms (‫ קרבן פסח‬Korban Pessach), im Jerusalemer Tempel erinnert. Der
Seroa ist eines der sechs vorgeschriebenen Speisen auf dem Sederteller, Maror,
Seroa, Charosset, Chaseret, Karpas, Beitzah. Er wird am Sederabend zu Beginn von
Pessach auf den festlich gedeckten Tisch gestellt. Da der Tempel nicht mehr steht,
wird seitdem die Lammkeule nicht mehr gegessen.

Auch das vierte Gottesknechtslied bei Jesaja (Jes 52,13ff EU) verbindet sich mit
der Symbolik des Lammes. Dort heißt es vom Gottesknecht: „Er wurde misshandelt und
niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum
Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er
seinen Mund nicht auf.“ (Jes 53,7 EU). Bei Jeremia steht das Bild des Lammes für
Ahnungslosigkeit und Vertrauen des Propheten gegenüber den Absichten seiner
Widersacher: „Ich selbst war wie ein zutrauliches Lamm, das zum Schlachten geführt
wird, und ahnte nicht, dass sie gegen mich Böses planten: Wir wollen den Baum im
Saft verderben; wir wollen ihn ausrotten aus dem Land der Lebenden, sodass man
seinen Namen nicht mehr erwähnt.“ (Jer 11,19 EU).

Neues Testament

Das Lamm und das Buch mit sieben Siegeln. Ausschnitt aus der Zweiten Figur des
Apokalypsen-Zyklus von Albrecht Dürer
Insbesondere in den johanneischen Schriften des Neuen Testaments spielt die Lamm-
Gottes-Symbolik eine besondere Rolle. An zwei Stellen des Johannes-Evangeliums
weist Johannes der Täufer auf Jesus Christus mit den Worten hin: „Seht, das Lamm
Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ (Joh 1,29 EU, Joh 1,36 EU). Die
Kreuzigung Jesu fand nach dem Johannesevangelium zu der Zeit statt, als die
Pessach-Lämmer geschlachtet wurden. Nach dem Bericht der drei synoptischen
Evangelien fand das Abendmahl Jesu Christi in der Nacht des Pessachfestes statt,
woher die enge Verbindung zwischen der Eucharistie und der Symbolik des Lammes
herrührt.

Im Kontext eines Gemeindezuchtfalles wird im 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in


Korinth Jesus Christus als das Pessach-Lamm bezeichnet, das schon geopfert ist (1
Kor 5,7 EU). Dass das Blut des Lammes zur Erlösung der Menschen dient, wird in 1
Petr 1,19 EU deutlich. Petrus versichert den Adressaten, dass sie nicht mit
vergänglichen Wertstoffen wie Silber oder Gold losgekauft (erlöst) wurden, „sondern
mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“.

In der Offenbarung des Johannes nimmt die Vorstellung des Lammes, das hier
identisch mit Jesus Christus ist, einen breiten Raum in der apokalyptischen Schau
des Sehers ein. In der großen Thronsaalvision des Johannes wird das Aussehen des
Lammes als „wie geschlachtet“ beschrieben (Offb 5,6 EU). Es ist das Zentrum der
Anbetung (Offb 5,8f EU). Allein das Lamm kann das Buch mit den sieben Siegeln
öffnen, was die einzelnen endzeitlichen Geschehnisse des Buches in Gang setzt (Offb
5,5 EU). Im selben biblischen Buch wird auf die „Hochzeit des Lammes“ verwiesen,
die am Ende der Zeiten stattfinden wird, wenn Christus die erlöste Menschheit als
seine „glückliche Braut“ zu Gott heimführt (vgl. Offb 19,9 EU). Am Ende ist es das
Lamm, das zusammen mit Gott das Zentrum des neuen Jerusalems ist (vgl. Offb 14 EU).

Das Lamm auf dem Buch mit sieben Siegeln, Johann Heinrich Rohr, um 1775.
So wie das Lamm traditionell als Zeichen des Lebens und der Unschuld verstanden
wird und sein weißes Fell die innere Reinheit und Frömmigkeit symbolisiert,
verweist das Osterlamm darauf, dass Jesus Christus christlichem Glauben gemäß
unschuldig für die Menschen gestorben ist. Jesus Christus ist als Gottes Sohn das
reine und sündlose Lamm Gottes, das für die Sünden der Menschen von Gott geopfert
worden ist. Nach christlicher Theologie ist Jesus Christus der Mittler, der durch
seinen Opfertod die Versöhnung zwischen Gott und der gefallenen Schöpfung (Gen 3
EU) hergestellt hat und so den Sieg über Sünde und Tod errungen hat. Diese
Versöhnung wird im Glauben an Jesus als Erlöser und bei der Taufe dem Menschen
übertragen und in der Feier des Abendmahles vergegenwärtigt.

Kirchengeschichte
Auf Befehl des byzantinischen Kaisers Justinians II. wurde 691 die Darstellung
Christi als Agnus Dei im Kanon 82 der Trullanischen Synode untersagt. Dieser
Konzilsbeschluss wurde jedoch im Westen nicht anerkannt. Begründet wurde dies mit
der Vorläufigkeit der Darstellung Christi als Agnus Dei und der notwendigen
Darstellung Christi in seiner menschlichen Gestalt als Abbildung des Vollkommenen.

So lautet es im entsprechenden Abschnitt des Synodenbeschlusses:

„Auf gewissen heiligen Bildern ist der Vorläufer abgebildet, wie er mit dem Finger
auf das Lamm zeigt. Diese Darstellung wurde als Symbol der Gnade gedeutet. Sie war
ein verborgenes Sinnbild des wahren Lammes, das Christus ist, unser Gott, der uns
offenbart wird gemäß dem Gesetz. Da wir nun diese Sinnbilder und Schatten als
Symbole der uns von der Kirche übermittelten Wahrheit übernommen haben, bevorzugen
wir heute die Gnade und die Wahrheit selbst als Erfüllung dieses Gesetzes. Daher,
um mit Hilfe der Bilder das Vollkommene aufzuzeigen, setzen wir fest, dass von nun
an Christus, unser Gott, in seiner menschlichen Gestalt dargestellt werde und nicht
mehr in der des Lammes.“

– Trullanische Synode, Can. 82.[1]


Die überkonfessionelle Unitas Fratrum (Brüder-Unität), im deutschsprachigen Raum
besser bekannt als Herrnhuter Brüdergemeine (engl. Moravian Church), benutzt das
Agnus Dei als Logo. Umrahmt wird das Logo international vom Schriftzug „VICIT AGNUS
NOSTER – EUM SEQUAMUR“, in Deutschland häufig vom Schriftzug „UNSER LAMM HAT
GESIEGT – LASST UNS IHM FOLGEN“.

Die Wehrkirche Herschdorf in Thüringen trug den Namen „Zum Lamme Gottes“.

Liturgie
Das Abendmahl Jesu nimmt auf das Pessachlamm Bezug, da Jesus in der Nacht vor
seiner Hinrichtung mit seinen Jüngern das Pessachmahl hielt. Danach reichte er
gemäß der Tradition den Jüngern ungesäuertes Brot und Wein. Dem Auftrag Jesu
folgend feiert die Kirche das Pascha-Mysterium, vorzugsweise in der Eucharistie.
„Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den
Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1 Kor 11,23–26 EU)

„Das springende Lamm Gottes mit den sieben Augen, umgeben von zwei Engeln“,
Ausschnitt eines Freskos von Herbert Boeckl, Nordwand der Engelkapelle, Basilika
Seckau
In der Liturgie ist das Agnus Dei ein an Jesus Christus gerichtetes litaneiartiges
Gebet, das seit dem 7. Jahrhundert in der römisch-katholischen und allen von ihr
abstammenden Liturgien während der Eucharistie beim Brechen des Brotes nach dem
Friedensgruß gesungen oder gesprochen wird. In der Abendmahlsliturgie in der
lutherischen Kirche wird das Agnus Dei nach den Einsetzungsworten von der Gemeinde
gesungen.

Außerhalb der heiligen Messe kommt das Agnus Dei auch am Ende von Litaneien wie der
Allerheiligenlitanei oder der Lauretanischen Litanei vor, gefolgt von einer
Oration.

Lateinischer Text:[2]

Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.


Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.

In der Totenmesse wurde vor der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils
folgende Abwandlung gesungen:

Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona eis requiem.


Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona eis requiem.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona eis requiem sempiternam.

Da heute das Agnus Dei nicht als Fürbitte, sondern wieder als Begleittext zur
Fractio (Brotbrechen) verstanden wird, gebraucht man auch im Requiem den
gewöhnlichen Text.

Deutscher Text in der heiligen Messe:

Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, gib uns deinen Frieden.

Früherer deutscher Text in der Totenmesse:

Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, gib ihnen die (ewige) Ruhe

Deutscher Text in der Fassung der lutherischen Messe:

Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, gib uns deinen Frieden,
Amen.[3]

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