Zoologisches Praktikum
27. Auflage
Kükenthal
Zoologisches
Praktikum
27. Auflage
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Planung und Lektorat: Dr. Ulrich G. Moltmann, Merlet Behncke-Braunbeck, Martina Mechler
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Für Sabine
Vorwort zur 27. Auflage
Der KÜKENTHAL ist seit über einem Jahrhun- Seit der 25. Auflage enthält der KÜKEN-
dert als begleitendes Werk in Praktika der Zoo- THAL in blauer Farbe gehaltene Doppelseiten
logie im Gebrauch. Die ersten acht Auflagen am Beginn einer jeden großen Tiergruppe. Sie
(1898-1920) verfasste Willy Kükenthal, ein bestehen aus einer Bildtafel mit Farbfotos und
Schüler von Ernst Haeckel, der insbesondere einer Textseite. Auf ihnen wird die Bedeutung
über Octocorallia und Wale gearbeitet hat und der jeweiligen Tiergruppe für die Entwicklung
mit Fridtjof Nansen kooperierte. Seit der 9. Auf- der Erde, die Biosphäre (einschließlich der
lage (1928) betreute Ernst Matthes den Leitfa- Menschheit), die Landwirtschaft und die Kultur
den, von der 15. Auflage an (1967) übernahm des Menschen dargestellt. Diese BLAUEN SEI-
Maximilian Renner die weitere Bearbeitung. Mit TEN sollen die Lernenden zuerst lesen, um ei-
ihm gestalteten wir die 20. Auflage, die 1991 er- nen Eindruck von der allgemeinen Bedeutung
schien, bevor wir den KÜKENTHAL in weite- der Untersuchungsobjekte zu gewinnen.
ren Auflagen zu zweit intensiv bearbeiteten, Ebenfalls in Farbe erscheinen seit der 26.
auch den Wünschen zahlreicher Kollegen Rech- Auflage mehrere komplizierte Situs-Abbildun-
nung tragend. gen und – in dieser Auflage zum ersten Mal –
Jetzt legen wir unsere 8., insgesamt die 27. auch die Abbildungen der Tierformen in der
Auflage vor. Was wurde in diesen acht Auflagen „Systematischen Gliederung des Tierreiches“.
verändert? Letztere wird in Teilbereichen Streitobjekt blei-
Generell haben wir viele neue Erkenntnisse ben, was aber die Freude an der biologischen
aufgenommen und verstärkt funktionelle As- Vielfalt nicht trüben und das Kennenlernen der
pekte berücksichtigt. Mehrere Kurse wurden ge- existierenden und vergangenen Biodiversität
strichen oder durch andere ersetzt. Neu sind nicht beeinträchtigen sollte.
diejenigen über Brachionus plicatilis, Loligo vul- Schließlich danken wir all jenen, die in einem
garis, Periplaneta americana, Lampetra fluviati- Vierteljahrhundert (!) konstruktive Ratschläge
lis/planeri, Xenopus laevis, Histologie und mik- gegeben haben, um den KÜKENTHAL zeitge-
roskopische Anatomie von Rattus norvegicus mäß umzugestalten, und denjenigen, die mit
sowie – zum ersten Mal in dieser Auflage – das viel Liebe und Geschick neue Illustrationen her-
Kapitel „Zellen und Gewebe“, das mit Farbtafeln gestellt haben. Über die Hälfte aller Abbildun-
lichtmikroskopischer Präparate ausgestattet gen wurden neu gestaltet.
wurde. Weitere Ergänzungen betreffen leicht zu
erhaltende Larven, die vielfach lebend unter- Volker Storch, Ulrich Welsch,
sucht werden können. Heidelberg und München, im Sommer 2014
Vorrede zur ersten Auflage
Das zoologische Praktikum, wie es gegenwärtig das Buch auch für das Selbststudium geeignet
an den meisten Hochschulen gehandhabt wird, machen, natürlich nur in Verbindung mit ei-
beschränkt sich nicht auf zootomische Übungen nem der modernen Lehrbücher der Zoologie.
an einigen wenigen einheimischen Typen, son- Als Hilfsmittel zur sofortigen Orientierung
dern stellt ein praktisches Repetitorium der sollen die kurzen, klein gedruckten „Systemati-
Grundtatsachen der Zoologie dar, indem das zu schen Überblicke“ der Stämme des Tierreiches
untersuchende Material allen Tierstämmen ent- dienen.
nommen und auch das Mikroskop als Hilfsmittel Besonderen Wert habe ich auf die Abbildun-
herangezogen wird. Die Anfertigung leichter gen gelegt, welche, soweit sie neu sind, sämtlich
mikroskopischer Präparate wird dem Praktikan- nach eigenen Präparaten gezeichnet worden
ten überlassen, während schwierigere, wie z.B. sind, einige von mir selbst, der größte Teil aber
Schnitte, als fertige Präparate gegeben werden. von meinem Schüler Herrn Th. Krumbach und
Was die Beschaffung des Materials betrifft, so Herrn A. Giltsch. Beiden Herren bin ich für
sind marine Formen von den zoologischen Stati- das Interesse und die Sorgfalt, welche sie auf
onen in Neapel, Rovigno, Helgoland usw. jeder- ihre Aufgabe verwandten, zu großem Dank ver-
zeit zu billigen Preisen erhältlich. pflichtet.
Wohl überall dürfte es sich als zweckmäßig Manchen wertvollen Wink gab mir die lang-
herausgestellt haben, diesen für Anfänger be- jährige praktische Erfahrung meines verehrten
stimmten praktischen Übungen in einem kur- Lehrers Prof. Haeckel, und auch meine ande-
zen Vortrage eine zusammenfassende Übersicht ren Jenenser Kollegen haben mich verschiedent-
über das zu behandelnde Thema vorauszuschi- lich unterstützt. Ganz besonderen Dank schulde
cken, denn in den meisten Fällen wird der An- ich meinem Freunde Prof. A. Lang in Zürich
fänger bei der Kürze der zu Gebote stehenden für die kritische Durchsicht der Korrekturbo-
Zeit und der mangelnden Übung nur einzelne, gen, und schließlich möchte ich auch nicht ver-
leichter präparierbare Organsysteme in oft sehr fehlen, das liebenswürdige Entgegenkommen
verschiedener Reihenfolge sich zur Anschauung des Verlegers, Herrn Dr. Fischer, dankend her-
bringen können. vorzuheben.
Von diesen Gesichtspunkten aus ist vorlie- Vielleicht darf ich mich der Hoffnung hinge-
gender „Leitfaden“ geschrieben worden. In ben, dass auch die Herren Fachgenossen mir
zwanzig Kapiteln habe ich den Stoff derart an- ihre Ausstellungen und Vorschläge zu Verbesse-
geordnet, dass jedem speziellen Kurse eine all- rungen werden zukommen lassen.
gemeine Übersicht vorausgeht. Zahlreiche ein-
gestreute Notizen technischen Inhaltes sollen Jena, den 20. Juni 1898 W. Kükenthal
Inhaltsverzeichnis
sen bisweilen erforderlich sind, schleift man sich immer: das Stativ, der Objekttisch, der Tubus
auf einem Arkansas-Schleifstein aus Nadeln zu- mit Revolver, die Triebvorrichtungen, die An-
recht. steckleuchte, der Kondensor mit Blende, die
Objektive und die Okulare (Abb. 2).
Das Objektiv entwirft vom Objekt in der Ebe-
ne der Okularblende ein reelles, vergrößertes,
Der Gebrauch des Mikroskops auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes
Bild, das durch das Okular wie mit einer Lupe
und die Anfertigung betrachtet wird. Jedes Objektiv und jedes Oku-
mikroskopischer Präparate lar besitzt eine bestimmte Eigenvergrößerung.
Sie ist in die Fassung eingraviert. Die von einer
So verschieden moderne Mikroskope auch ge- gegebenen Objektiv-Okular-Kombination gelie-
staltet sein mögen, ihre Hauptbestandteile sind ferte Gesamtvergrößerung ergibt sich durch
4 Einleitung
Multiplikation der Eigenvergrößerungen. Ein Sehr leicht lässt sich daraus die Eigenvergröße-
40fach vergrößerndes Objektiv liefert, kombi- rung des jeweiligen Grenzokulars errechnen:
niert mit einem 12fachen Okular, eine 480fache
Gesamtvergrößerung. Eigenvergrößerung des Grenzokulars
Neben der Eigenvergrößerung ist bei den
Objektiven eine weitere Zahl, die numerische Objektivapertur · 1000
Apertur (A), eingraviert. Sie entspricht der =
(Eigenvergrößerung des Objektivs)
Lichtstärke der Fotoobjektive und ist ein Maß
für die Leistungsfähigkeit des Objektivs. Die
Zahlen 40/0,65 zum Beispiel besagen, dass das Der in der Höhe verstellbare Kondensor ist op-
Objektiv eine Eigenvergrößerung von 40 und tisch ähnlich aufgebaut wie ein Objektiv. Er hat
eine Apertur von 0,65 besitzt. Von der Apertur die Aufgabe, das von der Niedervolt-Leuchte
– und von der Wellenlänge (λ) des verwendeten gelieferte Licht gerichtet dem Präparat zuzu-
Lichtes – hängt das Auflösungsvermögen eines führen. Im Gegensatz zu der (meist) unverän-
Mikroskopobjektivs ab. Das Auflösungsvermö- derlichen Apertur der Objektive ist die der
gen ist charakterisiert durch den kleinsten Ab- Kondensoren durch eine eingebaute Irisblende
stand (d) zweier Objektpunkte, die im Mikro- (Aperturblende) – manchmal außerdem durch
skop gerade noch getrennt abgebildet werden. eine ausklappbare Frontlinse – regelbar. Sie ist
Für geradlinig einfallendes Licht ist der Apertur des jeweiligen Objektivs und den
Erfordernissen des Präparats durch Verändern
d = (λ/A)
der Blendenweite (bzw. durch Ein- oder Aus-
d.h., der Abstand, den zwei Objektpunkte min- klappen der Frontlinse) in jedem Fall anzupas-
destens haben müssen, um getrennt abgebildet sen. Von der richtigen Einstellung der Aper-
zu werden, ist umso geringer, je kürzer die Wel- turblende hängt die Bildqualität in hohem Maße
lenlänge des Lichtes und je größer die Apertur ab; ist sie zu weit geöffnet, so zeigt das Bild we-
des Objektivs ist. Das Auflösungsvermögen ist gen Überstrahlung nur geringe Auflösung. Auch
umso größer, je kleiner d ist. eine zu geringe Öffnung der Aperturblende setzt
Von der Apertur hängt außerdem die nutz- die Bildqualität und die Auflösung merklich he-
bare oder förderliche Gesamtvergrößerung ab. rab. Die optimale Einstellung ist dann erreicht,
Sie liegt im Bereich des 500- bis 1000fachen der wenn sich das Bild bei langsamem Zuziehen der
numerischen Apertur. Die mit dem Objektiv zuvor maximal geöffneten Blende deutlich zu
40/0,65 erzielbare, förderliche Gesamtvergrö- verdunkeln beginnt.
ßerung umfasst demnach den Vergrößerungs- Nach der theoretischen Einführung wird das
bereich von 325- bis 650fach. Da die Eigenver- Mikroskop zuerst mit schwacher Vergrößerung
größerung des Objektivs 40 beträgt, ist es, wenn auf ein Objekt eingestellt. Man wähle bei diesem
man im Bereich der förderlichen Gesamtver- ersten Versuch ein Präparat, das geeignet ist,
größerung mikroskopieren will, zweckmäßiger- die Wirkung des Abblendens und der Höhen-
weise mit Okularen der Eigenvergrößerung verstellung des Kondensors klarzumachen (z.B.
eingedeckte Totalpräparate von Radiolarien).
325 325
≈ 8-mal bis maximal ≈ 16-mal Die spektrale Zusammensetzung des Lichtes
40 40
der Ansteckleuchte ist durch ein Blaufilter zu
zu kombinieren. Ein Okular mit mehr als verbessern, das in den ausklappbaren, am Kon-
16facher Eigenvergrößerung liefert zwar ein densor befestigten Ring eingelegt wird.
größeres Bild, jedoch nicht mehr Einzelheiten; Stets ist das Objekt zunächst mit einem
es führt lediglich zu einer „leeren“ Nachver- schwach vergrößernden Objektiv (2,5× bis 10×)
größerung. Die Auflösungsgrenze ist in die- zu betrachten, eine Regel, die der Ungeübte fast
sem Fall mit einem 16fachen Okular erreicht immer zu wenig beachtet. Erst dann, wenn man
(Grenzokular). sich orientiert und die günstigste Stelle des Prä-
Man merke sich: Maximale Auflösung ist er- parates ausgesucht hat, sind stärkere Objektive
reicht bei einer Gesamtvergrößerung, die dem zu wählen. Die Meinung, dass man bei starker
1000fachen Wert der Objektivapertur entspricht. Vergrößerung „besser“ sieht, ist ebenso verbrei-
Einleitung 5
tet wie irrig. Die Regel sei: Verwende die schwa- kleinem Maßstab. Von Teilen des Objekts, die
chen Objektive, solange sie noch ausreichen! Sie einer stärkeren Vergrößerung bedürfen, werden
haben den großen Vorteil, ein ausgedehnteres Teilabbildungen angefertigt. Man zeichne das
Bildfeld zu liefern und zudem eine größere Tie- Bild möglichst in die Mitte des Blattes, um Platz
fenschärfe. zu haben für erläuternde Hinweise. Periodisch
Um zu vermeiden, dass beim Senken des Tu- sich wiederholende Strukturen werden im All-
bus oder beim Heben des Tisches das Objektiv gemeinen nur einmal genau ausgeführt, sonst
das Präparat zerdrückt und womöglich selbst aber nur skizzenhaft angedeutet.
Schaden leidet, muss die Grobeinstellung stets Das Mikroskop sauber zu halten, ist eine
von der Seite her kontrolliert werden. Besondere Forderung, die eigentlich selbstverständlich sein
Vorsicht ist bei stärkerer Vergrößerung geboten, sollte. Ein verunreinigter Objekttisch ist in je-
da die Frontlinse des Objektivs dem Präparat dem Fall – selbst wenn es sich nur um Wasser
dann bis auf weniger als 1mm genähert werden handelt – sofort zu reinigen.
muss. Am sichersten geht, wer das Objektiv bei Niemals schraube man Objektive und Oku-
seitlicher Kontrolle bis fast zur Berührung an lare auseinander, niemals berühre man die Lin-
das Objekt herandreht, dann durch das Okular sen mit den Fingern. Staub wird mit einem
schaut und so lange den Tubus aufwärts bewegt trockenen Haarpinsel, fest haftender Schmutz
(bzw. den Tisch senkt), bis das Bild erscheint. mit einem weichen, reinen (möglichst oft ge-
Zur Scharfeinstellung dient die Mikrometer- waschenen) Leinenlappen – oder besser mit
schraube. Bei manchen modernen Mikroskopen Linsenreinigungspapier – die erforderlichenfalls
verhindert eine Sperre den Kontakt der Front- mit Wasser angefeuchtet werden, entfernt. Sehr
linsen mit dem Objekt. bewährt hat sich die Verwendung eines Stück-
Man gewöhne sich gleich von Anfang an da- chens Styropor, das man – gegebenenfalls nach
ran, beim Mikroskopieren beide Augen geöffnet Anfeuchten – leicht auf die Linse drückt und
zu haben. Das mit dem freien Auge Gesehene drehend bewegt. Um wasserunlösliche Einde-
zentralnervös „abzuschalten“, bereitet nur kurz- ckungsmittel zu beseitigen, wird der Lappen
fristig Schwierigkeiten. Der Rechtshänder wird bzw. das Papier mit wenig Xylol benetzt; sofort
mit dem linken Auge ins Mikroskop sehen. Er danach Reste des Lösungsmittels abtupfen. Un-
kann dann, ohne den Kopf heben zu müssen, ter keinen Umständen darf Alkohol verwendet
beim Zeichnen den Blick rasch zwischen Objekt werden, da der Kitt, mit dem die Linsen in der
und Zeichenblatt wechseln. Fassung befestigt sind, alkohollöslich ist.
Zumindest der Anfänger soll so viel wie mög- Zur Aufnahme der Präparate dienen Objekt-
lich zeichnen, und zwar nicht nur um das Ge- träger; zum Abdecken der Objekte, die sich in
sehene festzuhalten, sondern um zu lernen, die einem Tropfen Wasser, physiologischer Koch-
Einzelheiten eines mikroskopischen Präparates salzlösung oder Glycerin befinden oder in Ein-
auch tatsächlich zu sehen. Wer zeichnet, wird deckmittel eingeschlossen sind, werden Deck-
gezwungen, genau hinzuschauen. Mit Sorg- gläser verwendet. Nur wenige Objekte werden
falt und Übung kann es auch der zeichnerisch trocken (in Luft) untersucht.
Unbegabte dazu bringen, einfache, aber rich- Die Präparate müssen lichtdurchlässig sein. Bei
tige und klare Skizzen zu entwerfen. Man lege kleineren Objekten, wie z.B. Protozoen, ist das
den Zeichenblock rechts vom Mikroskop auf von vornherein der Fall, andere, größere, wer-
den Tisch und versuche, abwechselnd mit dem den durch geeignete Mittel durchsichtig gemacht.
linken Auge mikroskopierend und mit dem Von Geweben fertigt man Mazerationspräparate
rechten auf das Papier schauend, das Gesehene oder – häufiger – histologische Schnitte an.
wiederzugeben, indem man zunächst die Um- Bei der Herstellung histologischer Präparate
risse mit zarten Bleistiftstrichen entwirft, wo- kann man routinemäßig folgendermaßen vor-
bei besonders auf die genaue Einhaltung der gehen:
Proportionen zu achten ist. Dann werden die 1. Fixierung lebensfrischen Gewebes in phos-
Einzelheiten eingetragen. Man sollte sich daran phatgepuffertem Formalin oder mit dem
gewöhnen, große Zeichnungen zu entwerfen; Bouin’schen Gemisch,
Anfänger zeichnen fast immer alles in viel zu 2. Einbetten in Paraplast oder Metacrylat,
6 Einleitung
3. Herstellen 3–5μm dicker Schnitte, bei Met- Lebende Gewebe werden in physiologischer
acrylateinbettung 1–2μm dicker Schnitte. NaCl-Lösung untersucht. Als Aufhellungsmittel
4. Färben mit Hämatoxylin/ Eosin und Azan, für manche tote Objekte wird Glycerin, meist
bei Metacrylatschnitten lohnt auch ein Ver- mit Wasser verdünnt oder bei Alkoholpräpara-
such, mit Goldner zu färben. ten auch Nelkenöl, das sich mit 75–100%igem
Alkohol mischt, verwendet.
Beim Mikroskopieren kleiner Wassertiere (Pro-
tozoen, Hydra, Cyclops u. a.) ist durch unter-
gelegte Haare oder Glasfäden oder durch An- Das Präparieren größerer Tiere
bringen von Wachsfüßchen zu verhindern, dass
das Deckglas die Tiere durch seine Schwere, Bei den im Rahmen dieses Leitfadens durchzu-
oder weil es kapillar angezogen wird, zerdrückt. führenden Präparationen werden die toten Tiere
Wachsfüßchen werden aus Baumwachs herge- in Wachsbecken gelegt und – fast immer – mit
stellt, indem man mit den vier Ecken des sau- Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung be-
ber geputzten und vorsichtig zwischen Daumen deckt, wodurch ein Austrocknen und Verkleben
und Zeigefinger gehaltenen Deckglases aus dem der Organe verhindert wird. Bei Unterbrechung
durch Kneten weich gemachten Wachs kleine der Tätigkeit sind die Präparate abzudecken und
Portionen aussticht. Nach dem Auflegen wird durch Zugabe von Alkohol oder indem man die
durch leichten Druck auf die Ecken des Deck- Schalen in den Kühlschrank stellt, vor bakteri-
glases der Abstand vom Objektträger so weit wie eller Zersetzung zu schützen. Über im späteren
erforderlich verringert. Das überschüssige Was- Text immer wieder gebrauchte Lagebezeichnun-
ser wird seitlich mit Filtrierpapier abgesaugt. gen informiert Abb. 3.
Einleitung 7
Im Kopfbereich gelegene Strukturen werden man sich über die Einzelheiten des bis dahin
auch als rostral, anterior oder oral bezeichnet, Erreichten im Klaren ist. Vom Skalpell und der
am Körperende gelegene als anal oder posterior. Schere mache man nur da Gebrauch, wo es un-
Sagittalebene bedeutet parallel zur Medianebene. umgänglich ist, ansonsten versuche man Organe
Proximal liegen Teile, die näher am Mittelpunkt und Gewebe entlang ihrer natürlichen Grenzen
des Körpers oder zu einem wichtigen Bezugs- zu separieren. Dazu verwende man Pinzetten,
punkt liegen, distal Teile in eher randlicher Po- die stumpfen Griffe der Instrumente, einen ge-
sition. In der Histologie bezeichnet man v. a. eigneten Holzspatel oder auch die Finger. Häufig
in Epithelien Strukturen, die in der Nähe von ist es angebracht, die einzelnen Präparations-
Oberflächen liegen, als apikal (z. B. Bürstensaum schritte in klaren Zeichnungen festzuhalten. Die
in Darmepithelzellen), solche, die in der Nähe sorgfältige bildliche Darstellung auch mikrosko-
der Basalmembran liegen, als basal. pischer Präparate ist eine Lernhilfe, die nicht zu
Die Durchführung einer guten Präparation unterschätzen ist. Ihr muss eine klare Analyse
verlangt theoretische Vorbereitung, Sorgfalt und vorausgehen, und sie gibt eine Gewähr dafür,
Geduld. Man gehe in Etappen vor. Ein neuer Prä- dass die am Objekt erarbeiteten Kenntnisse nicht
parationsschritt hat erst dann zu erfolgen, wenn sogleich wieder vergessen werden.
Abb. 4
Protozoa, Einzellige Tiere
Protozoa (Einzellige Tiere) kommen in allen Lebensräumen in hohen Populationsdichten und
in großer Artenzahl vor. Ihre Bedeutung ist mannigfaltig: Sie haben das Erscheinungsbild der
Erde wesentlich mitgestaltet, leben symbiotisch mit zahlreichen Tieren, deren Existenz sie si-
chern, und stellen viele Parasiten. Letztere beeinflussen seit Jahrtausenden die Entwicklung
des Menschen.
Ein erheblicher Teil der Meeressedimente wird von Kalkschalen einzelliger Tiere (planktischen
Foraminiferen: Globigerinen) aufgebaut; großflächig treten auch die Silikatgehäuse von Radiola-
rien in Erscheinung (Abb. 4a). Foraminiferen-Sedimente sind wichtige Klima-Archive: Abhängig
von herrschenden Temperaturbedingungen haben sie das schwere Sauerstoffisotop 18O in un-
terschiedlichem Maße in ihre Schalen eingebaut. Viel 18O weist auf kälteres Klima hin, wenig
auf wärmeres. Die O2-Isotopenkurve (Abb. 4b), basierend auf der Analyse der sedimentierten
Gehäuse planktischer Foraminiferen (Globigerinen) früherer Zeiten, ermöglicht so einen Ein-
blick in das Paläoklima. Auch bei der Aufklärung der Plattentektonik spielen Foraminiferen eine
wichtige Rolle. In der industriellen Mikropaläontologie werden sie seit Jahrzehnten wegen ihrer
extremen Häufigkeit genutzt. Für diagnostische Zwecke kann man 200 000 fossile und rezente
Formen unterscheiden. In vielen Gesteinen stellen ihre Gehäuse den Hauptanteil.
Ein Viertel aller Protozoen-Arten sind Parasiten, darunter auch viele humanpathogene. Man
schätzt, dass über 500 Millionen Menschen, also etwa 10% aller Erdenbürger, die Amöbe Enta-
moeba histolytica beherbergen, welche die Amöbenruhr hervorrufen kann. 300 Millionen Men-
schen sind Träger des Malaria-Parasiten Plasmodium, bis zu 3 Millionen sterben jährlich an
dieser Tropenkrankheit, vor allem Kinder. Besonders gefährlich ist die Malaria tropica, in deren
Verlauf es in Blutgefäßen des Gehirns zur Adhäsion befallener Blutzellen an Endothelien, zur
Rosettenbildung von befallenen und nichtbefallenen Erythrocyten und schließlich zur Blockade
des Blutflusses kommt (Abb. 4c; Pfeilkopf). Das Resultat ist die cerebrale Malaria. Ebenfalls in
die Millionen gehen die Infektionen mit Leishmania in den warmen Gebieten der Erde (Abb. 4d);
die Chagas-Krankheit (in Lateinamerika) und die Schlafkrankheit (in Afrika, Abb. 4e) betreffen
ebenfalls Millionen. Der Einsatz von Forschern, diese Krankheiten zu bändigen, ist seit über ei-
nem Jahrhundert enorm, abschließender Erfolg steht jedoch noch aus. Auch Haustiere werden
von Protozoen-Parasiten befallen und rufen bisweilen Epidemien hervor (z.B. Coccidiosen).
Zahlreiche Protozoen-Arten (Flagellata: Hypermastigida) leben symbiotisch in Termiten und
sind an deren erfolgreichem Aufschluss von Holz beteiligt. Ohne ihre Symbionten sterben die
Termiten. Auch Wiederkäuer beherbergen große Mengen von Protozoen (Ciliaten) in ihrem
Magen-Darm-Trakt, insbesondere im Pansen.
Zwar sind Protozoen im Prinzip wasserlebende Organismen, aber sie besiedeln auch Böden,
sogar in Wüstenregionen, wo sie oft längere Zeit encystiert überdauern und bei kleinstem
Wasserangebot schlüpfen.
Im Mikroskop erweisen sich viele Protozoen als „Kunstformen der Natur“. Der Jenaer Zoolo-
ge Ernst Haeckel, Lehrer von Willy Kükenthal, nannte so sein zu Beginn des 20. Jahrhundert
herausgebrachtes, reich bebildertes Werk, welches derzeit eine Renaissance erlebt. Abb. 4f
zeigt einige Radiolarien-Gehäuse aus diesem Buch.
Bestimmte Protozoen werden in der Biologie als Modellorganismen verwendet, z.B. das Pan-
toffeltierchen (Paramecium, Abb. 4g), zu dem bisher über 10 000 wissenschaftliche Publikatio-
nen vorliegen. Eine besondere Bedeutung haben einzellige Tiere auch für die Evolutionsbiologie
und letztlich für uns selbst: Auf ihrem Niveau lässt sich bisher das Phänomen des horizontalen
Gen-Transfers besonders gut studieren, und in der Tat haben sich viele von ihnen als Chimären
herausgestellt. Sie sind weder Tier noch Pflanze, sondern haben oft Anteile von beiden. Insbe-
sondere darauf beruhen auch moderne, komplexe und zum Teil widersprüchliche Systeme.
10 Protozoa, Einzellige Tiere
2–3 Wochen erneuern. Mit Colpidium, Para- men. Bei guter Infektion enthält jeder oder
mecium und Stentor füttern. doch jeder zweite Mehlwurm Gregarinen. Zur
• Euglena findet man in seichten Gräben mit Herstellung der Präparate dem Mehlwurm
stehendem, fauligem Wasser und im Plank- Kopf und Hinterleibspitze abschneiden, dann
ton eutropher Teiche. Pfützen und kleinere den zwischen dem Fettkörper bräunlich her-
Teiche in Dörfern sind oft so reich an Eug- vortretenden Darm mit der Pinzette erfas-
lenen, dass das Wasser grün gefärbt ist. Die sen, herausziehen und auf dem Objektträger
Zucht gelingt bei guter Beleuchtung in der in physiologischer NaCl-Lösung (von 0,9%)
Nährlösung Substral®. zerzupfen. Man kann Gregarinen auch aus
• Ein einfach herzustellender Käseabsud hat dem Darm von Küchenschaben entnehmen,
sich als Nährmedium besonders bewährt: 2g doch sind diese meist nicht so reich infiziert
Edamer Käse in 400-ml-Bechergläsern mit wie die Mehlwürmer. Auch der Darm der
250 ml Quarzsand bedecken, mit Wasser auf- Ohrwürmer (Forficula) und der der Wander-
füllen und im Wasserbad 1/2 Stunde kochen. heuschrecke Locusta migratoria beherbergt
Nach dem Abkühlen mit Euglenen impfen. große, schon mit bloßem Auge sichtbare Gre-
Die Kulturen dicht (etwa 15cm) unter einer garinen.
Leuchtstoffröhre aufstellen und 12 Stunden • Für Zygoten und Sporen der Gregarinida sind
pro Tag beleuchten. Alle 2–3 Wochen erneut Monocystis und andere Gattungen, die in den
überimpfen. Samenblasen von Regenwürmern (Lumbricus)
• Um eine möglichst dichte Euglenen-Suspen- leben, günstiger. Einen großen mit Chloro-
sion zu erhalten, die Kulturgefäße allseitig form narkotisierten Regenwurm dorsal durch
mit schwarzem Papier, in das an einer Stelle einen Längsschnitt im Bereich der Segmente
eine kleine Öffnung geschnitten ist, umhüllen 9 bis 12 öffnen. An den herausquellenden,
und sie so aufstellen, dass die Fenster dem auffallenden, weißen oder weißgelben Sa-
Licht zugewendet sind. Im Verlauf von eini- menblasen (s. S. 191) kann man schon mit
gen Stunden sammeln sich die Euglenen po- bloßem Auge feststellen, ob sie infiziert sind:
sitiv phototaktisch hinter dem Fenster an und Sie weisen dann hellere, kugelige Einschlüsse
können mit einer Pipette abgesaugt werden. verschiedener Größe auf, die Sporocystencys-
• Zur Kultur von Paramecium caudatum dient ten, daneben freie Gamonten. Infizierte Sa-
ein Steckrüben-Aufguss. Man schneidet ei- menblasen samt Inhalt in einem Boverischäl-
nen Teil einer Steckrübe in kleine Würfel, die chen in 0,43%iger NaCl-Lösung zerzupfen.
man vollständig trocknet. Aus diesem Vor- • Haemosporidia: Von einem parasitologischen
rat gibt man drei oder vier Würfel in einen Institut Ausstriche plasmodienhaltigen Blutes
mit Leitungswasser gefüllten Standzylinder besorgen und nach Giemsa oder Pappenheim
(1 l), den man geöffnet stehen lässt. Sobald färben. Ungefärbte Präparate können – vor
sich eine durch Trübung erkennbare Bakte- Staub und Feuchtigkeit geschützt – jahrelang
rienpopulation entwickelt hat, pipettiert man aufbewahrt werden.
möglichst viele Paramecien hinzu, die man • Vorticella findet man am leichtesten auf den
aus natürlichen Proben gewonnen hat, andere oben beschriebenen, halb zersetzten Pflan-
Protozoen sterben in diesem Milieu meist zenteilen aus dem flachem Wasser von Tei-
ab. Am Ende der Wachstumsphase überimpft chufern, häufig aber auch an lebenden oder
man in eine rechtzeitig vorbereitete Bakteri- toten Wasserinsekten und Krebsen und an
ensuspension. Schneckenschalen. Als weißer, schimmelarti-
• Zur Demonstration lebender Trypanosomen ger Besatz heben sie sich gut von einer dunk-
von einem parasitologischen oder tropenme- len Unterlage ab.
dizinischen Institut mit Trypanosoma brucei,
T. congolense oder T. lewisi infizierte weiße
Mäuse besorgen. Außerdem werden gefärbte
Ausstrichpräparate benötigt.
• Gregarinen dem Darm der Mehlwürmer (Lar-
ven des Mehlkäfers Tenebrio molitor) entneh-
12 Protozoa, Einzellige Tiere
Allgemeine Übersicht nähren sich wie Tiere heterotroph. Für sie ist die
Aufnahme organischen Materials lebensnotwen-
Fast alle Protozoen sind mikroskopisch klein. dig. Manche Flagellaten ernähren sich zur glei-
Wie jede Zelle werden sie von einer Zellmemb- chen Zeit sowohl heterotroph als auch autotroph
ran (Plasmalemm) umschlossen und enthalten (mixotroph). Bei den Apicomplexa gelangen Nah-
mindestens einen Zellkern und andere Orga- rungsstoffe auch durch Mikroporen (Abb. 14a),
nellen. winzige, von nur einer Membran begrenzte Stel-
Häufig kann man im Cytoplasma der Proto- len der Pellicula, die wie Mikrocytostome (Cy-
zoen eine Außenschicht, ein Ectoplasma, von tostom = Zellmund) funktionieren, in den Zel-
einem inneren Endoplasma unterscheiden. Das leib. In wässrigem Medium gelöste Nahrung wird
Ectoplasma ist homogen und hyalin (strukturlos häufig durch Pinocytose einverleibt.
und klar), während das Endoplasma geformte Die Aufnahme geformter Nahrung erfolgt bei
Einschlüsse enthält und daher körnig struktu- den Protozoen, die nicht von einer komplizier-
riert erscheint. Die Dicke des Ectoplasmas kann ten Pellicula umschlossen sind, an beliebiger
sich (bei gewissen Rhizopoden) rasch ändern Stelle der Körperoberfläche, indem die Nah-
(Ecto-Endoplasma-Transformation). Hier wird rungspartikel vom Cytoplasma umflossen wer-
durch ein oberflächennahes, mehr oder weniger den (Phagocytose). Bei den Formen mit ver-
dickes Geflecht aus Actin- und Myosinfilamen- festigter Körperoberfläche (Cortex) dient meist
ten (s. S. 15) verhindert, dass bei der Ausbildung eine bestimmte Körperstelle als Zellmund (Cy-
eines Ectoplasmas geformte Zellbestandteile die tostom), eine andere als Zellafter (Cytopyge).
Grenzzone zwischen Endo- und Ectoplasma Oft ist der Bereich des Zellmundes mit Cilien
passieren können. versehen, die das Hineinstrudeln der Nahrung
Elektronenmikroskopische Aufnahmen las- besorgen. In anderen Fällen wird verhältnismä-
sen erkennen, dass das Cytoplasma von einem ßig große Beute verschlungen (Schlinger).
reichverzweigten, flächigen und/oder röhren- Die von den Protozoen zusammen mit einem
förmigen System von Zisternen, dem Endoplas- Tröpfchen Wasser aufgenommenen geformten
matischen Reticulum (ER), durchzogen ist; die Nahrungsbestandteile liegen im Zellplasma in
Kernhülle ist ein Teil dieses Systems. Häufig Nahrungsvakuolen. In deren Lumen entleeren
sind den Membranen des ER Ribosomen aufge- Lysosomen Verdauungsenzyme. Verdautes wird
lagert (rauhes ER). Weitere membranbegrenzte mittels Pinocytose in das Cytoplasma transpor-
Zellorganellen sind Mitochondrien, Lysosomen, tiert. Unverdauliches wird in einer Defäkations-
Golgi-Apparat (= Dictyosom) und Peroxiso- vakuole zur Zellmembran bzw. zum Zellafter
men. Nicht membranös sind Mikrofilamente, befördert und dort nach außen entleert.
Mikrotubuli und Centriolen. Ganz andere Funktionen haben die – ebenfalls
Der Fortbewegung dienen im einfachsten Fall von nur einer Membran umhüllten – pulsieren-
(bei nackten und beschalten Amöben) Ausstül- den (kontraktilen) Vakuolen, von Flüssigkeit
pungen des Cytoplasmas, die Scheinfüßchen oder erfüllte Bläschen, die rhythmisch anschwellen
Pseudopodien. Sie gestatten ein nur langsames (Diastole) und, sich nach außen entleerend, zu-
„Vorwärtsfließen“, wobei die Zelle ihre Körper- sammenfallen (Systole). Sie dienen dem Aus-
form dauernd verändert („Wechseltierchen“). Die treiben überschüssigen Wassers, das durch Dif-
Pseudopodien der Heliozoa und Radiolaria sind fusion oder zusammen mit der Nahrung ins
fadenartig dünn. Bei Ciliaten und Flagellaten wir- Körperinnere gelangte, sind also Regulatoren
ken Wimpern und Geißeln als dauernd vorhan- des osmotischen Druckes. Kontraktile Vakuolen
dene Bewegungsorganellen. Durch ihren Schlag kommen, in Ein- oder Mehrzahl, bei fast allen
werden die Einzeller schnell vorangetrieben. das Süßwasser bewohnenden Protozoen vor. Sie
Die Art und Weise der Ernährung ist man- liegen dicht unter der Zelloberfläche, oft an be-
nigfaltig. Viele Flagellaten sind in der Lage, sich stimmten Stellen. Den parasitischen Protozoen
wie Pflanzen autotroph zu ernähren: Sie bauen fehlen sie meist.
mithilfe der Energie des Sonnenlichtes aus Was- Die Protozoen leben im Wasser oder in wäss-
ser, anorganischen Salzen und CO2 organische rigen Flüssigkeiten. Ungünstige Lebensbedin-
Substanzen auf. Die meisten Einzeller jedoch er- gungen, wie Nahrungsmangel und besonders
Protozoa, Einzellige Tiere 13
Trockenheit, vermögen viele von ihnen als Cys- diploiden Synkaryon. Die so entstandene, dip-
ten zu überdauern, indem sie eine mehrschich- loide Zelle, die Zygote, ist Ausgangsindividuum
tige, widerstandsfähige Schutzhülle abscheiden. eines neuen Zyklus der betreffenden Art. Neue
Den Cysten kommt für die Verbreitung der Gameten können erst nach einer Meiose ent-
Protozoen eine große Bedeutung zu. Auch Fort- stehen. Da bei ihr allein eine Neukombination
pflanzungs- und Befruchtungsvorgänge spielen genetischen Materials möglich ist, stellt sie den
sich häufig innerhalb von Cystenhüllen ab. wesentlichen Teil der Geschlechtsvorgänge dar.
Außer diesen nur zeitweise auftretenden Die Gameten können nach Form und Größe
Schutzhüllen sind bei sehr vielen Protozoen gleich (Isogameten) oder ungleich (Anisogame-
auch dauernde Schutzgebilde vorhanden, die ten) sein. Auch in den Fällen, bei denen sie
aus gallertiger oder – häufiger – mit Fremdkör- sich weder in der Gestalt noch in der Struktur
pern inkrustierter Masse (aus Proteinen oder unterscheiden, also bei den Isogameten, liegt
Mucopolysacchariden sowie Chitin) oder aus (wohl) immer eine Geschlechtsdifferenzierung,
Calciumcarbonat oder Kieselsäure bestehen. eine physiologische Anisogamie vor.
Der Zellkern ist wie der der Metazoen aufge- Anders als bei den Metazoen sind bei den
baut. Neben Arten mit nur einem Kern gibt es Protozoen Geschlechtsvorgänge nicht immer
solche mit zwei oder – sogar häufig – mit zahlrei- mit Vermehrung verknüpft. Bei dem als Auto-
chen Kernen. Ciliaten (und einigen Foraminife- gamie und bei dem als Konjugation bezeichne-
ren) ist ein Kerndualismus eigen: Neben einem ten Sexualgeschehen erfolgt keine Vermehrung
großen Makronucleus ist ein (viel) kleinerer (s. unten).
Mikronucleus vorhanden. Sie werden, entspre- Eine einfache, klare und voll befriedigende
chend ihrer unterschiedlichen Funktion, auch als Gliederung des Sexualgeschehens bei den Pro-
somatischer und generativer Kern bezeichnet. tozoen scheitert an der großen Vielfältigkeit die-
Die Fortpflanzung und Vermehrung, also die ser Prozesse. Herkömmlicherweise unterschei-
Erzeugung neuer Zellindividuen, erfolgt durch det man Gametogamie, Gamontogamie und
Teilungen. Diese können als halbierende Zwei- Autogamie.
teilungen, als Knospung oder als multiple Tei- Von Gametogamie spricht man dann, wenn
lungen (= Vielteilung) ablaufen. Die halbierende Gameten als frei schwimmende Zellindividuen
Zweiteilung kann eine Längs- oder Querteilung kopulieren.
sein, Knospung liegt vor, wenn sich kleine Teil- Als Gamontogamie werden geschlechtliche
stücke von der Mutterzelle abschnüren. Bei der Vorgänge zusammengefasst, bei denen bereits
multiplen Teilung zerfällt die Mutterzelle nach die Gamonten zusammenfinden. Hier gibt es
einer Vervielfachung der Kerne simultan in zwei Formen.
viele, der Zahl der Kerne entsprechende Toch- Bei der einen entstehen zwar Gameten, aber
terzellen. Entstehen bei derartigen Teilungen sie werden nicht völlig frei, sondern verbleiben
keine Geschlechtszellen, so spricht man von in einem von den Gamonten bzw. deren Gehäu-
ungeschlechtlicher Fortpflanzung (Agamogo- sen umschlossenen Raum (bei manchen Fora-
nie). Die sich so fortpflanzenden Zellen werden miniferen) oder in einer von den Gamonten ge-
als Agamonten bezeichnet, wenn sie in einem bildeten Cystenhülle (bei den Gregarinen) und
Entwicklungszyklus mit Gamonten abwechseln. verschmelzen dort miteinander zu Zygoten.
Führen die Teilungen jedoch zur Bildung Bei der zweiten Form, der Konjugation, ver-
von geschlechtlich differenzierten, haploiden wachsen die Partner (Konjuganten) an einer
Zellen, also zur Bildung von Gameten, so liegt bestimmten Stelle ihres Zellleibes unter Fusion
geschlechtliche Fortpflanzung (Gamogonie) der Zellmembranen vorübergehend miteinan-
vor. Die die Gameten liefernden Zellen nennt der und tauschen dann über die Plasmabrücke
man Gamonten. Die Gameten sind nicht mehr Geschlechtskerne miteinander aus. Die Konju-
teilungsfähig; sie gehen bald zugrunde, wenn gation ist der typische Befruchtungsprozess der
sie nicht mit einem sexuell komplementär dif- Ciliaten.
ferenzierten Partner verschmelzen. Der voll- Die Autogamie (Pädogamie) ist dadurch ge-
ständigen Verschmelzung der Gameten folgt die kennzeichnet, dass durch Teilung entstandene
Vereinigung der haploiden Gametenkerne zum Gameten oder Gametenkerne eines Gamonten
14 Protozoa, Einzellige Tiere
I. Rhizopoda, Wurzelfüßer
Charakteristisch für die Rhizopoda ist ihre Fä- 1. Amoebina, Amöben
higkeit, Pseudopodien (Scheinfüßchen) auszu- Amoeba proteus, Amöbe
bilden. Es handelt sich dabei um Organellen der
Fortbewegung und Nahrungsaufnahme, die als • Einen Tropfen Amöbenkultur auf den Ob-
cytoplasmatische Fortsätze oder Ausstülpungen jektträger geben und ein Deckglas mit etwa
1
an beliebiger Stelle oder in einem bestimmten /2 mm hohen Wachsfüßchen auflegen. Die
Bereich des Zellkörpers entstehen und jeder- Tiere haben sich infolge der Störung abge-
zeit wieder eingezogen werden können. Ihre kugelt. Wenn man Erschütterungen vermei-
Mannigfaltigkeit ist groß, doch lassen sich vier det, beginnen sie jedoch schon nach wenigen
Hauptformen von Pseudopodien unterscheiden: Minuten sich wieder zu bewegen. Die Be-
Lobopodien sind zungen- oder fingerförmige leuchtung sollte möglichst schwach sein.
Zellfortsätze, die relativ rasch gebildet und wie- • Um zu verhindern, dass die Präparate zu
der rückgebildet werden können. Sie sind ty- warm werden, empfiehlt sich (hier und auch
pisch für viele nackte Amöben und Testacea. sonst immer, wenn man lebende Protozoen
Die Filopodien sind viel feiner, fadenartig dünn mikroskopiert) die Verwendung eines Wär-
und bisweilen verzweigt. Sie bestehen größten- meschutzfilters.
teils aus hyalinem Ectoplasma. Man findet sie • Mit Borax-Karmin gefärbte Präparate dienen
bei manchen Testacea. Ebenfalls fadenartig dünn zur Demonstration des Zellkerns.
sind die Axopodien bei Heliozoen und Radiola-
rien. Sie sind unverzweigt und stehen radial vom Bei etwa 80facher Gesamtvergrößerung übt man
Körper ab. Ihre Steifheit erhalten sie von einem – bei stark verengter Aperturblende – zunächst
zentralen Achsenstab, der aus Mikrotubuli be- das Auffinden der Amöben und studiert dann
steht und von dünnflüssigem Cytoplasma umge- ihren Bau und ihre Bewegungsformen.
ben ist. Die Reticulopodien sind beispielsweise Das Wechselspiel der Pseudopodienbildung
für die Foraminiferen charakteristisch. Sie sind und -rückbildung zu verfolgen und vor allem die
verzweigt und bilden miteinander Querverbin- immer wieder die Richtung wechselnden und
dungen (Anastomosen) (s. Abb. 6b). erstaunlich raschen Cytoplasmaströmungen zu
I. Rhizopoda, Wurzelfüßer 15
beobachten, die Möglichkeit in eine Zelle hinein- Grundzügen geklärt. Die Bewegungen kommen,
sehen zu können, fasziniert. Die Amöbe ist er- ebenso wie bei der Kontraktion und Erschlaf-
füllt von Endoplasma (Abb. 5) mit seinen zahlrei- fung von Muskelzellen, durch das Aneinander-
chen Granula und Kristallen. Am Rand und vor gleiten von dünnen (4nm) Actin- und dicke-
allem im Apikalbereich sich bildender Pseudo- ren (10–30nm) Myosinfilamenten zustande.
podien ist das hyaline Ectoplasma zu sehen. Man Sie sind vornehmlich in der Grenzschicht
sieht die Pseudopodien bald an dieser, bald an je- zwischen hyalinem Ecto- und granulärem En-
ner Stelle des Körpers entstehen, wodurch sich die doplasma in Form eines dichten, die gesamte
Gestalt des Tieres ständig ändert. Dabei bewegt Zelle umfassenden Netzwerkes angeordnet,
sich die Amöbe, häufig die Richtung wechselnd, durch dessen feine Maschen zwar das homo-
vorwärts. Es ist ein Kriechen, manchmal auch ein gene Grundplasma, nicht aber die im Endo-
Schreiten, bei bestimmten anderen Amöbenarten plasma suspendierten Granula passieren kön-
ein Rollen. Auch an der Unterseite des Wasserober- nen. Myosin- und Actinfilamente ziehen aber
flächenhäutchens können sie entlangkriechen. auch quer durch das Cytoplasma und stehen in
• Bei einem Tier die verschiedenen Phasen der Kontakt mit anderen Bereichen des corticalen
Bewegung durch eine Serie von Skizzen – mit Filamentnetzes. Bei bewegungsaktiven Amöben
Zeitangaben – festhalten. wird durch das Aneinandergleiten und Anein-
anderhaften der Actin- und Myosinfilamente in
Die Form der Pseudopodien ist bei den einzelnen einem bestimmten Bereich eine relative Steifheit
Amöbenarten verschieden. Häufig haben sie das und Festigkeit hergestellt, während andere Teile
Aussehen von breiteren oder schmaleren Lap- des Netzes erschlafft bleiben. Der Überdruck
pen (Abb. 5), sind finger- oder auch strahlenför- in der Kontraktionszone treibt das Cytoplasma
mig. Der Mechanismus der Pseudopodien- und in Bereiche geringeren Druckes. Entsprechend
Plasmabewegung wurde für A. proteus in seinen der differenziert regulierbaren Kontraktionszu-
stände der verschiedenen Teile des Netzwerkes und Größe und vor allem auch stofflich sehr
kommt es am jeweiligen physiologischen Hin- verschieden sind. Zum Teil konnten sie als Spei-
terende der Amöbe, am Uroid, zum Einziehen cherstoffe erkannt werden (Fette, Glykogen, Ei-
der Pseudopodien und dabei zur Faltenbildung weißkristalle).
der Zellmembran, in anderen Bereichen aber Dank der Anwesenheit der Granula und der
zur Ausbildung von Pseudopodien. Diese sind Nahrungsvakuolen kann man die Strömungen
nach Form und Bewegungsweise den Erfor- im Endoplasma gut beobachten. Der Saum hy-
dernissen angepasst: Mehr oder weniger lange, alinen Ectoplasmas ist unterschiedlich dick.
manchmal leicht gebogene Pseudopodien die- Die neu gebildeten Nahrungsvakuolen sind
nen der Kontaktaufnahme und der Fortbewe- erst kurze Zeit von Ectoplasma, dann aber von
gung, breit lappenförmige, gewölbte der Phago- Endoplasma umschlossen.
cytose (s. unten). Bei aufmerksamer Beobachtung wird man im
Bei Amoeba proteus, wie bei allen Protozoen, Cytoplasma ein helles Bläschen entdecken, das
trägt die Zellmembran außen eine kohlenhy- allmählich an Größe gewinnt, um dann plötz-
dratreiche Schicht (Glykocalyx), die bei der lich zu verschwinden. Es ist die sich periodisch
Nahrungsbeschaffung (z.B. beim Einfangen von entleerende kontraktile (pulsierende) Vakuole,
Pantoffeltierchen) und vielleicht auch bei der das Organell der Osmoregulation. In ihrer Um-
Haftung an der Unterlage eine Rolle spielt. gebung befinden sich im Cytoplasma submikro-
skopisch kleine Bläschen, die nach der Systole
• Eine besonders große und durchsichtige
ihren Inhalt in die dadurch erneut anwachsende
Amöbe bei etwa 400facher Vergrößerung be-
Vakuole entleeren. Die kontraktile Vakuole hat
trachten – wenn möglich – mit der Phasen-
bei den meisten Amöben keine feste Lage.
kontrastoptik.
Das Gleiche trifft für den Zellkern zu. Da er
Die Pseudopodien dienen auch der Nahrungs- annähernd das gleiche Lichtbrechungsvermö-
aufnahme. Manchmal kann man beobach- gen hat wie das Cytoplasma, ist er bei lebenden
ten, wie sie einen Einzeller oder einen kleinen Amöben nur schwer als ein etwas dunklerer
vielzelligen Organismus (z.B. ein Rädertier- Fleck oder auch eine etwas lichtere Aussparung
chen) von allen Seiten umfließen und in eine erkennbar. Manche Amöbenarten sind mehr-
Nahrungsvakuole einschließen, indem sich die kernig.
distalen Zonen der Pseudopodien erst überlap- Amöben reagieren auf taktile, chemische und
pen, um dann – aber das ist nicht zu erkennen optische Reize, die über die Zellmembran aufge-
– unter Fusion der Zellmembran miteinander nommen werden.
zu verschmelzen. Ältere Nahrungsvakuolen mit Die Fortpflanzung einer Amöbe durch Zwei-
mehr oder weniger verdauten Einschlüssen wer- teilung erst des Kerns, dann des Plasmaleibes,
den wir fast stets im Cytoplasma sehen. Die un- wird man nur selten beobachten können. Ge-
verdaulichen Reste werden entfernt, indem die schlechtsvorgänge sind nicht nachgewiesen.
Verdauungsvakuole zur Zelloberfläche wandert
und dort ihren Inhalt nach außen entleert.
• Zur Beobachtung der Phagocytose hungrige
und bewegungsaktive Amöben mit einem
Eine derartige Aufnahme geformter Nah-
Tropfen einer dichten Parameciensuspension,
rungspartikel nennt man Phagocytose, wäh-
an einer Seite des Deckglases aufgebracht,
rend das Einverleiben gelöster Stoffe in kleinsten
füttern.
Flüssigkeitstropfen als Pinocytose bezeichnet
wird. Bei ihr werden winzige, schlauchförmige Die Amöben werden sich zunächst abkugeln,
und mit der Flüssigkeit des Außenmediums er- gehen aber bald wieder zur Pseudopodienbil-
füllte Einstülpungen der Zellmembran als mem- dung über. Beim Einfangen der rasch beweg-
branumhüllte Bläschen nach innen abgeschnürt. lichen Ciliaten spielt die Glykocalyx der Amö-
Phagocytose und Pinocytose werden unter dem benoberfläche eine Rolle.
Begriff Endocytose zusammengefasst.
Das Endoplasma ist erfüllt von zahlreichen
kleinen – ebenfalls in Membranen eingeschlos-
senen – Granula und Kristallen, die nach Form
I. Rhizopoda, Wurzelfüßer 17
a b c
Abb. 6 Testacea. a Arcella vulgaris, b Difflugia urceolata, c Euglypha rotunda. (Nach KÜHN, NETZEL, VERWORN)
18 Protozoa, Einzellige Tiere
a b
d
c
Abb. 7 Gehäuse (Schalen) von Foraminiferen. a Lagena (Länge knapp 1 mm), b Textularia (Länge knapp 3 mm),
c Elphidium (Durchmesser etwa 0,3 mm), d Globigerinoides (Durchmesser ohne Stacheln etwa 0,3 mm)
I. Rhizopoda, Wurzelfüßer 19
spricht man auch von triserialem Bau. Die otischen einzelligen Algen (vor allem schalen-
erste, älteste Kammer eines solchen Gehäu- losen Diatomeen und Dinoflagellaten, Grün-
ses, der Proloculus, liegt an der Turmspitze und Rotalgen), oder sie verdauen sukzessive
(z.B. Eggerella). einen Teil ihrer Symbionten.
4. Miliolider Bau. Immer nur zwei (lang ge- Bei der sehr langsamen Ortsbewegung zie-
streckt röhrenförmige und bananenartig hen die in Bewegungsrichtung ausgestreckten
gekrümmte) Kammern bilden jeweils einen Pseudopodien die Zelle hinter sich her. Beim
Umgang einer Spirale (z.B. Quinqueloculina). Gehäusewachstum bauen Pseudopodien jeweils
5. Annulärer Bau. Jede Kammer ist ringförmig, die Anlage einer neuer Kammer, auf der dann
und zahlreiche, in ihrem Durchmesser stetig die Verkittung der Fremdpartikel oder die Ver-
zunehmende Ringe bilden eine flache Scheibe kalkung stattfindet.
(z.B. Marginopora). Die Fortpflanzung der Foraminiferen ist mit
einem heterophasischen Generationswechsel
Es gibt auch Bauplanwechsel während der Ent- verbunden. Eine haploide geschlechtliche Ge-
wicklung. So folgt Peneroplis zunächst dem Spi- neration, der Gamont, wechselt regelmäßig mit
raltypus und geht später zu uniserialer Anord- einer diploiden ungeschlechtlichen Generation,
nung über. Bei Marginopora ist der älteste Ge- dem Agamonten. Die beiden Generationen
häuseteil ebenfalls spiralig, der jüngere, größere, sich auch in ihrer Kernzahl zu unterscheiden,
dann annulär. Gamonten sind stets einkernig, Agamonten
Die Pseudopodien sind immer ein Netz- mehrkernig. Außerdem sind die geschlechtlich
werk feinster Fäden, in denen eine bidirek- entstandenen Agamonten meist größer, weisen
tionale „Körnchenströmung“ zu beobachten jedoch eine kleinere Anfangskammer auf (daher
ist (Abb. 8; Dunkelfeld, Phasenkontrast). Die auch mikrosphärische Generation genannt), die
Körnchen sind unter anderem Mitochondrien, ungeschlechtlich gebildeten Gamonten haben
die für Foraminiferen typischen elliptischen Ve- meist ein kleineres Gehäuse, aber eine größere
sikel und Nahrungsteilchen. Die Nahrung (vor Anfangskammer (megalosphärische Genera-
allem Bakterien und Diatomeen) wird durch tion; Gehäusedimorphismus). Der Gamont bil-
Pseudopodien zur Apertur transportiert, der det Gameten, die mit je einem Gameten des
Gehäuseöffnung an der jüngsten Kammer zum gleichen Gamonten (Autogamie) oder eines
Meerwasser. Die millimeter- und zentimeter- anderen Gamonten (Amphimixis) zur Zygote
großen Großforaminiferen tropischer Flach- verschmelzen (Gamogonie). Aus der Zygote
meere leben ausschließlich oder teilweise von wächst der Agamont heran. Dieser bildet durch
den Photosyntheseprodukten ihrer endosymbi- Vielteilung, verbunden mit Meiose, die jungen
Gamonten (auch Agameten genannt) (Agamo-
gonie). Bei der Vielteilung kann das Cytoplasma
das Agamontengehäuse verlassen und sich au-
ßerhalb in die Gamonten teilen, die jeweils ein
neues Gehäuse bilden, oder die Vielteilung ge-
schieht innerhalb des Agamontengehäuses, das
anschließend aufbricht und die Tochterzellen
entlässt.
Die Foraminiferen leben benthisch im Meer
und im Brackwasser, am und im Meeresboden
oder auf Algen; etwa 40 der 10 000 rezenten Ar-
ten leben planktisch in der Hochsee. Die Mehr-
zahl der Arten misst zwischen 200 und 500μm,
unter den rezenten Großforaminiferen wird der
Agamont von Cycloclypeus carpenteri (Nummu-
litidae) 3–13cm, der Gamont 1cm groß. Ebenso
Abb. 8 Elphidium crispa. Lebendes Tier mit Reticu- groß wurden die Nummulitiden, die im Altter-
lopodien. Bis 4 mm groß. (Nach JAHN) tiär tropische Flachmeere besiedelten und fossil
20 Protozoa, Einzellige Tiere
in den Nummulitenkalken erhalten sind. Die che feine Axopodien ab. Der Zellkörper besteht
Gehäuse abgestorbener planktischer Foramini- aus zwei Zonen, einer helleren Rindenschicht
feren, vor allem der Gattungen Globigerina und (Ectoplasma) mit – nach Nahrungsaufnahme –
Globigerinoides, bilden den Globigerinensand großen Vakuolen, und einer dunkleren, dichte-
oder Globigerinenschlamm der Tiefsee. ren Markschicht (Endoplasma) (Abb. 9). In der
Rindenschicht pulsieren die beiden Vakuolen,
in der Markschicht erkennt man als dunklere
4. Heliozoa, Sonnentierchen Gebilde die Kerne. Actinosphaerium ist vielker-
nig, die meisten Heliozoen haben jedoch nur
Actinosphaerium eichhorni, Sonnentierchen
einen Kern.
• Die Einzeller mit weitlumigen Pipetten den Die Pseudopodien der Heliozoen sind Axo-
Zuchten entnehmen und vorsichtig auf den podien. Der Achsenstab (Axonem) ist bei star-
Objektträger geben. Deckglas mit 1mm ho- ker Vergrößerung gut zu erkennen und lässt sich
hen Wachsfüßen. Erschütterungen vermei- bis zur Markschicht verfolgen. Auf dieser
den, da sonst die Axopodien rasch abgebaut Achse aus Mikrotubuli fließt ein an Mitochon-
werden. drien, Eiweißgranula, Lysosomen, Extrusomen
• Betrachten mit dem Mikroskop, erst bei (s. unten) und anderen Einschlüssen reiches
schwacher, später bei starker Vergrößerung, Cytoplasma auf und ab. Die Strömungsrichtung
oder (Einzeller in planparallelen Küvetten) lässt sich an den Grana gut beobachten. Nicht
mit dem Binokular bei ca. 50facher Vergröße- selten bewegen sich unmittelbar benachbarte
rung vor dunklem Hintergrund bei Seitenbe- Körnchen in entgegengesetzte Richtungen (bidi-
leuchtung (möglichst mit Glasfaserlampen). rektionale Strömung). Die Axopodien können
verlängert, verkürzt oder auch vorübergehend
Vom kugeligen Leib des Sonnentierchens strah- abgebaut werden. Kurz dauernde mechanische
len – es zeigt sich dies bei Dunkelfeldbeleuch- Störungen – Erschütterungen des Objektträgers
tung besonders eindrucksvoll – radiär zahlrei- z.B. – bewirken ein ziemlich rasches Umkni-
Axopodium
Kontraktile Vakuole
Rindenschicht
Zellkern
Nahrungsvakuole
Nahrungsvakuole Markschicht
Kontraktile Vakuole
cken; das Wiederaufrichten erfolgt langsam. Die Pseudopodien und Abscheiden einer Gallert-
Mikrotubuli enden basal an der Kernhülle oder hülle ein Teil der Kerne aufgelöst. Der Rest des
– bei bestimmten einkernigen Arten – an einem Zellkörpers zerteilt sich multipel in mehrere
inmitten der Zelle liegenden Zentralkorn. einkernige Individuen, die sich innerhalb der
Die Axopodien dienen als Schwebefortsätze, Gallerthülle jeweils mit einer eigenen Cysten-
zum Schreiten auf Wasserpflanzen und ande- hülle umgeben und noch einmal teilen, sodass
ren festen Unterlagen und zum Fangen und schließlich in jeder dieser Cysten zwei diplo-
Festhalten der Beute. Sie scheinen nur auf be- ide Gamonten nebeneinander liegen. Es folgen
stimmte Reize hin klebrige Stoffe abzusondern. zwei Kernteilungen; die Zellen teilen sich nicht
Festgehaltene Beute wird durch die Plasmaströ- mehr. Von den bei jeder der beiden Reifeteilun-
mung oder durch Einziehen der Axopodien zur gen entstehenden zwei Kernen geht je einer zu-
Rindenschicht gebracht und dort phagocytiert. grunde und wird resorbiert. In jeder Zelle bleibt
Die Verdauung der in Nahrungsvakuolen ein- ein haploider Kern erhalten; die Zellen sind zu
geschlossenen Nahrung erfolgt im Endoplasma. Gameten geworden. Die beiden Geschwister-
Unverdauliches wird wieder ausgeschieden. gameten verschmelzen schließlich wieder mit-
Bei manchen Heliozoen, nicht aber bei Ac- einander zur Zygote, die später auskriecht und
tinosphaerium, gibt es besondere Extrusome, Axopodien bildet. Zu Beginn der Verschmel-
die Kinetocysten und Mucocysten. Die Kineto- zung wird eine geschlechtliche Differenzierung
cysten sind winzige, membranumhüllte, licht- der beiden Gameten erkennbar: Nur einer von
brechende Organellen, die in großer Zahl im ihnen streckt pseudopodienartige Fortsätze in
corticalen Cytoplasma und auf den Axopodien Richtung des Partners aus.
liegen und wahrscheinlich dem Beutefang die-
nen. Eine ähnliche Funktion haben die Schleim
• Da die Kerne im Leben oft nur schwer zu
erkennen sind, dem Präparat schließlich ein
bildenden Mucocysten.
wenig Jodtinktur zusetzen. Die Kerne treten
Als Nahrung dienen Bakterien, Einzeller, Al-
dann deutlich hervor.
gen, Rädertiere und andere kleine Metazoen.
Größere Beutetiere werden von mehreren Indi-
viduen, die dazu vorübergehend verschmelzen, 5. Radiolaria
in einer gemeinsamen Nahrungsvakuole ver-
daut (Fressgemeinschaft). • Zum Studium der Organisation dienen mik-
Die meisten Heliozoen leben in Seen und Tei- roskopische Präparate von Radiolarienskele-
chen, wenige Arten im Meer. Selten schweben ten.
sie frei im Wasser, einige sind gestielt festsit-
zend. Meist bewegen sie sich auf ihren Axopo- Die Radiolarien haben in der Regel einen kugel-
dien rollend oder schwebend im Lückensystem oder ampelförmigen Körper, von dem, wie bei
von Detritus der bodennahen Wasserschicht. den Heliozoen, die Pseudopodien (Axopodien)
radiär abstrahlen. Charakteristisch für sie ist das
• Im Uhrschälchen Actinosphaerium mit einer
Skelet aus Kieselsäure oder, bei den Acantharia,
feinst ausgezogenen Pipette in zwei Teile zer-
aus Strontiumsulfat.
legen.
Meist sind die Skelete kompliziert gebaut. Ne-
Bereits nach etwa einer Stunde kann man er- ben den radiären Stacheln oder Nadeln treten
kennen, dass diese Teilstücke sich zu vollstän- besonders häufig eine oder mehrere, konzent-
digen, aber zunächst natürlich kleineren Tieren risch angeordnete Gitterkugeln auf, aber auch
ergänzen, indem ihr Cytoplasma sich in Rin- scheiben- oder helmförmige Gerüst- und Plat-
den- und Markschicht sondert und ringsherum tenkonstruktionen kommen vor. Sämtliche Ske-
Axopodien ausstrahlen lässt. letteile, auch die weit herausragenden Stacheln,
Geschlechtliche Vorgänge (sie sind nur bei sind von einer dünnen cytoplasmatischen Hülle
Actinosphaerium und Actinophrys sol, einer ver- umgeben.
wandten, einkernigen Art bekannt geworden) Das Cytoplasma der Radiolarien ist durch
laufen in Form einer Autogamie (s. S. 14) ab. eine Polysaccharidmembran, die Zentralkapsel,
Bei Actinosphaerium wird nach Einziehen der in einen äußeren und einen inneren Bezirk, in
22 Protozoa, Einzellige Tiere
ein extra- und ein intracapsuläres Cytoplasma aber Schutz und Nährstoffe von der Wirtszelle
geteilt. Zahlreiche feine oder auch einige größere erhalten.
Öffnungen der Kapselwand (Abb. 10) ermögli- Die Bildung des Skelets erfolgt im extracap-
chen den Stoffaustausch zwischen den beiden sulären Cytoplasma, doch wächst bei Formen
Zellbereichen. Im intracapsulären Cytoplasma mit konzentrisch angeordneten Gitterkugeln
liegt der Kern oder liegen die polyploiden Kerne. die Zentralkapsel (und auch der Kern) nicht
Das Extracapsulum ist grob vakuolisiert. Je nach selten über die inneren Skeletteile hinaus. Der
dem Grad ihrer Füllung schweben, sinken oder Kapselmembran wird dabei vermutlich durch
steigen die Tiere. Bei anderen Formen sind im Intussuszeption Material eingelagert, das in
Intracapsulum eingeschlossene Öltropfen oder Form von Stäbchen im Golgi-Apparat gebildet
Gasbläschen (CO2) von Bedeutung. wird.
An weiteren Einschlüssen kommen sowohl Die Fortpflanzung der Radiolarien erfolgt
im intra- als auch im extracapsulären Plasma durch Zweiteilung. Die Bedeutung der zwei-
Fetttröpfchen, Eiweißkristalle, Pigmente u. dgl. geißligen Schwärmsporen, die durch multiple
vor; außerdem – im Extracapsulum – natürlich Teilung entstehen, ist unbekannt. Bei der Zwei-
Nahrungsvakuolen. Es fehlen dagegen kontrak- teilung werden Zentralkapsel und Skeletele-
tile Vakuolen. Sehr häufig findet man im Ext- mente häufig auf beide Tochterindividuen ver-
racapsulum von Radiolarien Zooxanthellen. Es teilt. Festgefügte Gittergehäuse dagegen werden
handelt sich dabei um autotrophe Flagellaten, die von einem Tochtertier verlassen, das dann ein
den Radiolarien den bei der Photosynthese aus- neues Skelet ausscheidet. Geschlechtsvorgänge
geschiedenen Sauerstoff und einen Überschuss konnten bisher nicht zweifelsfrei nachgewiesen
von Assimilaten zur Verfügung stellen, selbst werden.
Zentralkapsel Axopodien
Extracapsulum
Zellkern
Intracapsulum
Abb. 10 Hexacontium asteracanthion. Links: Skelet aus drei Gitterkugeln. Die beiden äußeren Gitterscha-
len aufgebrochen. Rechts: optischer Schnitt durch ein lebendes Tier. (Nach E. HAECKEL und R. HERTWIG)
II. Flagellata 23
Die koloniebildenden Radiolarien werden am sind an den Präparaten die die Zentralkapseln
besten durch Präparate von Collozoum inerme umgebenden Zooxanthellen zu bemerken.
veranschaulicht. Die Zentralkapseln dieser skelet- Die Radiolarien sind planktische Bewohner
losen Form sind von einem gemeinsamen Extra- vor allem tropischer und subtropischer Meere.
capsulum umgeben. In jeder Zentralkapsel findet Die abgesunkenen Skelete toter Tiere bilden am
sich beim lebenden Tier eine Ölkugel. Deutlich Meeresboden den Radiolarienschlamm.
II. Flagellata
Die Flagellaten sind eine polyphyletisch entstan- auch durch Pseudopodien oder durch Verände-
dene Organisationsform, die sich sowohl unter rung der Körpergestalt fortbewegen.
Protozoen als auch bei Pflanzen findet. Sie besit- Besonders interessant ist die Ernährungs-
zen eine, mehrere oder auch viele Geißeln, mit weise der Flagellaten. Sehr viele von ihnen sind
denen sie sich fortbewegen und auch Nahrung autotroph, d. h. sie ernähren sich nach Art der
herantransportieren. Geißeln sind relativ lange grünen Pflanzen durch Photosynthese und sind
Kinocilien, die meist am Vorderende der Zelle mit Chloroplasten ausgestattet. Diese enthalten
oder in einer Vertiefung, einem Geißelsäckchen, Chlorophyll, daneben oft noch Xanthophylle
entspringen. In ihrem submikroskopischen und Carotinoide, und sind daher nicht nur nach
Feinbau stimmen sämtliche bei Protozoen, Sper- Form, sondern auch nach Farbe (grün, gelb,
mien und bei vielzelligen Tieren vorkommende braun) verschieden. Diesen Phytomastigophora
Geißeln weitgehend überein: Der Geißelschaft (Phytoflagellata) stehen zahlreiche Zoomastigo-
ist von der Zellmembran überzogen. In seinem phora (Zooflagellata) gegenüber, die sich rein
Inneren befinden sich 2 zentrale Mikrotubuli tierisch (heterotroph) durch Aufnahme organi-
und, um sie kreisförmig angeordnet, 9 Doppel- scher Stoffe in fester oder flüssiger Form ernäh-
mikrotubuli. Mikrotubuli sind röhrenförmige ren. Die Nahrungsstoffe werden durch Pseudo-
Strukturen von 25nm Außendurchmesser. Ihre podien, an einer besonders dazu differenzierten
Wände sind aus Längsreihen globulärer Tubu- Körperstelle mit dem Cytostom (Zellmund) oder
linmoleküle aufgebaut. wohl auch mit der ganzen Körperoberfläche
Die beiden zentralen Tubuli sind nur im aufgenommen. Als mixotroph werden Phytof-
Schaft der Geißel ausgebildet. Die peripheren lagellaten bezeichnet, die Chloroplasten haben,
Doppeltubuli dagegen setzen sich in den Zell- zusätzlich aber auch noch heterotroph Nahrung
leib hinein fort. Zu jedem Doppeltubulus tritt aufnehmen müssen. Schließlich gibt es Arten, die
dort ein weiterer Mikrotubulus hinzu, sodass die sich je nach Ernährungs- und Lichtbedingungen
tubuläre Basis jeder Geißel aus einem Kranz von sowohl auto- als auch rein heterotroph ernähren
neun Dreifachtubuli besteht. Zusammen mit können (amphitrophe Ernährungsweise).
anderen (in Einzelheiten variierenden) Struktu- Kontraktile Vakuolen – sie kommen bei vie-
ren der Geißel- oder Cilienbasis bilden sie den len Flagellaten vor – haben im Zellkörper eine
zylinderförmigen Basalkörper (das Kinetosom). feste Position im Bereich des Geißelsäckchens, in
An den Bewegungen der Geißeln sind u.a. das sie ihren Inhalt durch einen Porus entleeren.
Struktur- und Motorproteine sowie ATP betei- Die ungeschlechtliche Vermehrung der Fla-
ligt. Die Bewegungen sind schnell (bis zu etwa gellaten läuft meist als Längsteilung ab. Ge-
200 Schlagzyklen/sec), ihre Bewegungsform ist schlechtliche Vorgänge (Isogamie und Aniso-
oft sehr kompliziert (s. S. 25). – Manche Fla- gamie) sind bei Polymastiginen beobachtet wor-
gellaten können sich außer durch Geißelschlag den. Viele Flagellatenarten leben parasitisch. Eine
24 Protozoa, Einzellige Tiere
Reihe von ihnen sind für den Menschen sehr chert. Wenn durch andauernden Lichtmangel
bedeutungsvolle Krankheitserreger (s. S. 26). die Photosynthese über längere Zeit unmöglich
ist, ernähren sich die Euglenen heterotroph von
gelösten organischen Stoffen.
1. Euglena viridis Der spindelförmige Zellkörper erhält Form
und Stütze durch eine feste Zellhülle, die Pellicula
Zu den häufigsten Flagellaten zählen die An- (der Begriff Zell„hülle“ ist mißverständlich, da es
gehörigen der Gattung Euglena. Sie kommen sich dabei im Wesentlichen um eine spezialisierte
in Pfützen und Gräben mit nährstoffreichem, periphere Cytoplasmaschicht handelt). Sie zeigt
oft auch ammoniakhaltigem Wasser bisweilen eine feine, enge Streifung (in Abb. 11 nur ange-
in so großer Menge vor, dass das Wasser da- deutet). Sie wird hervorgerufen durch leistenför-
durch grün gefärbt wird. Die grüne Farbe, die mige Erhebungen, zwischen denen sich relativ
auch im Präparat auffällt, verdanken sie großen, tiefe Furchen befinden. Jeder Leiste sind einige
bei Euglena viridis sternförmig angeordneten im Cytoplasma nahe der Oberfläche furchenpar-
Chloroplasten (Abb. 11). Das Assimilations- allel verlaufende Mikrotubuli zugeordnet. Durch
produkt, das stärkeähnliche Paramylon, wird in feinste Poren in den Furchen wird aus Sekretva-
Form zahlreicher Körner im Cytoplasma gespei- kuolen, die im oberflächennahen Cytoplasma lie-
Lokomotorische Geißel
Stigma
Paraflagellarkörper
Geißelsäckchen
Kontraktile Vakuole
Kurze Geißel
Kinetosom
Chloroplasten
Paramylonkörner
Pellicula
Schraubenstreifen
der Pellicula
Zellkern
gen, eine schleimige Substanz nach außen abge- Dabei erkennt man, dass die Geißel beim
schieden. Sie überzieht die Zelle als feiner Film. Schwimmen meist nach hinten gerichtet ist. Ihr
Trotz der ziemlich festen Pellicula vermag Schlag bewirkt neben der in lang gestreckten
Euglena in beträchtlichem Maß seine Gestalt zu Schraubenlinien erfolgenden Vorwärtsbewe-
verändern („euglenoide Bewegung“). Auch kann gung eine Rotation des Körpers.
sie sich unter ungünstigen Lebensbedingungen
abkugeln und durch Abscheiden einer Gallert- • Man kann die Bewegung verlangsamen, wenn
hülle schützen (Palmella-Stadium). Da sich man die Tiere einer niedrigeren Temperatur,
die zwischen Objektträger und Deckglas einge- etwa 12°C, aussetzt.
schlossenen Euglenen unter recht ungünstigen • Besonders bewährt hat sich folgende Me-
Bedingungen befinden, haben wir Gelegenheit, thode: Eine etwa 1%ige Lösung von Agar in
Formveränderlichkeit und Abkugelung zu be- Wasser bereiten und bei 40°C flüssig halten.
obachten. Einen kleinen Tropfen der Kulturflüssigkeit,
Normalerweise dient als Bewegungsorganell der frei von Schmutzpartikeln sein soll, auf
die lange Geißel (Flagellum), die am Vorde- den Objektträger geben und einen ebenso
rende am Boden einer Vertiefung, dem Gei- großen Tropfen der Agarlösung auf ein Deck-
ßelsäckchen, entspringt (Abb. 12). Die Geißel glas, dieses rasch umdrehen und auf den Ob-
(Durchmesser des Schaftes etwa 0,4μm) trägt jektträger fallen lassen. Die Temperatur des
– für uns nicht erkennbar – einen Besatz faden- Gemisches sinkt augenblicklich unter 30°C;
förmiger Fortsätze (Mastigonemen). es geliert zu einem inhomogenen Medium, in
dem in einem Gelatinenetz viele Mikroaqua-
• Dem Präparat von der Seite etwas schwarze rien eingeschlossen sind, die den Protozoen
Wasserfarbe zusetzen. nur geringe Bewegungsfreiheit erlauben.
Mastigonemen
Lokomotorische Geißel
Mikro- Öffnung des
tubuli Geißelsäckchens
Pellicula
Stigma
Geißelsäckchen
Paraflagellar-
körper
Kurze Geißel
Pellicularleisten
Mikrotubuli
Abb. 12 Euglena viridis. Vorderende mit Geißelsäckchen. Etwa 3000×. (Nach verschiedenen Autoren)
26 Protozoa, Einzellige Tiere
Nicht auf das Deckglas drücken oder es seitlich der Schlafkrankheit des Menschen übertragen.
verschieben. Diese Methode eignet sich auch Die Stechfliegen werden erst 20 Tage nach der
für Lebendbeobachtung anderer kleiner Orga- Aufnahme trypanosomenhaltigen Blutes infek-
nismen. tiös, da die Parasiten im Darm und in den
Euglena viridis hat, wie alle Arten der Gat- Speicheldrüsen der Fliege einen Formwechsel
tung, neben der langen, lokomotorischen eine vollziehen, der mit einer starken Vermehrung
weitere, kurze Geißel. Sie entspringt ebenfalls im verbunden ist. Erst in den Speicheldrüsen wer-
Geißelsäckchen, ragt aber nicht daraus hervor. den sie nach weiteren Vermehrungsteilungen zu
Den Paraflagellarkörper, eine Anschwellung infektionsfähigen Trypanosomen von typischer
am Schaft der lokomotorischen Geißel, wer- trypomastigoter Gestalt.
den wir mit unseren Hilfsmitteln nicht sehen
können, wohl aber das Stigma, das als kleiner,
• Zunächst lebende Trypanosomen mikrosko-
pieren. Eine stark infizierte Maus mit Chloro-
leuchtend orangeroter Fleck am Vorderende des
form töten und Blut mit einer nicht zu feinen
Einzellers auffällt. Es besteht aus einer Ansamm-
Pipette direkt aus dem Herzen entnehmen.
lung carotinoidhaltiger Lipideinschlüsse, die
einer schüsselförmigen Eindellung der Geißel- Einen möglichst kleinen Tropfen auf einen ent-
säckchenwand, in die sich der Paraflagellarkör- fetteten Objektträger bringen, ein Deckglas auf-
per schmiegt, unmittelbar anliegen (Abb. 12). legen und vorsichtig andrücken.
Neben dem Geißelsäckchen liegt eine kon- Zwischen den dicht gedrängten roten Blut-
traktile Vakuole, konzentrisch umgeben von körperchen, die im Präparat blassgelb aussehen,
kleinen Bildungsvakuolen. Sie ergießt ihren bewegen sich zahlreiche Trypanosomen lebhaft
Inhalt in das Geißelsäckchen, das man des- hin und her. Nach Gestalt und Lage der Geißel
wegen auch als Reservoir bezeichnet. Aus den handelt es sich um so genannte trypomastigote
Bildungsvakuolen wird die kontraktile Vakuole Stadien. Bei stärkerer Vergrößerung sind auch
dann wieder aufgefüllt. hier schon einige Einzelheiten wie die undu-
Weiter hinten im Körper liegt der helle Zell- lierende Membran und der Kern zu erkennen
kern mit großem, zentralem Nucleolus. (Abb. 13). In erster Linie soll das Präparat je-
Die ungeschlechtliche Fortpflanzung beginnt doch eine Vorstellung von der großen Zahl der
mit der Mitose des Kernes, schreitet fort mit der Parasiten im Blut und von ihrer Bewegungs-
Verdoppelung der Organellen des Bewegungs- weise vermitteln.
apparates und findet ihren Abschluss in der Mehr Einzelheiten sind an nach Pappenheim
von vorn nach hinten fortschreitenden Längstei- gefärbten Ausstrichpräparaten, besonders bei
lung der Zelle bei gleichzeitiger Ergänzung der starker Vergrößerung (Ölimmersion!) zu erken-
zunächst fehlenden Pelliculaleisten. Geschlecht- nen. Die roten Blutkörperchen sind blassrosa,
liche Vorgänge wurden zwar bei anderen Fla- die viel spärlicheren weißen Blutkörperchen
gellaten, bisher aber nicht bei den Euglenida blassviolett gefärbt, ihr Kern dunkelviolett. Die
nachgewiesen. Trypanosomen sind nach Form und Färbung,
vor allem da, wo die Erythrocyten nicht zu dicht
lagern, leicht zu finden.
2. Trypanosoma brucei Das Vorderende der lanzettförmigen, mehr
oder weniger stark geschlängelten Parasiten ist
Die Trypanosomen sind eine Gruppe von Flagel- zugespitzt und an der freischwingenden Geißel
laten, die im Blut zahlreicher Wirbeltiere leben; zu erkennen, das Hinterende stumpfer.
sie können schwere Krankheiten hervorrufen Das Cytoplasma ist bläulich getönt und zeigt
(Trypanosoma brucei gambiense und T. b. rho- eine helle Fleckung. Der Kern ist im gefärbten
desiense sind die Erreger der Schlafkrankheit). Präparat lebhaft rot. Er liegt etwa in der Mitte
Trypanosoma brucei brucei kommt im Blut fast des Körpers. Die bandförmige Geißel entspringt
aller Großsäuger Afrikas vor, lässt sich aber z.B. nahe dem Hinterende an einem Basalkörper (Ki-
auch auf Mäuse überimpfen. Es ruft die Nagana- netosom) und in einem Geißelsäckchen (Flagel-
seuche hervor. Die Übertragung erfolgt durch lartasche), läuft außen nach vorn und wird erst
die Tsetsefliegen (Glossina), die auch die Erreger am Vorderende frei; im übrigen Teil ist sie mit
II. Flagellata 27
Abb. 13 Trypanosoma brucei. a–c Trypomastigote Form aus dem Säugerblut; b und c Teilungsstadien,
d nach elektronenmikroskopischen Befunden. Länge etwa 30 μm. (Nach VICKERMAN)
• Die empfehlenswerteste Methode ist die nach verdünnte Farblösung wird abgegossen und
Pappenheim. 1. Der horizontal gelegte Ob- durch verdünnte Giemsa-Lösung (0,3ml Lö-
jektträger wird mit einigen Tropfen May- sung auf 10ccm Aqua dest.) ersetzt; 12–15 Mi-
Grünwald-Lösung bedeckt und so 3 Minu- nuten so liegen lassen. 4. Die Farblösung ab-
ten stehen gelassen. 2. Man fügt die gleiche fließen lassen, mit destilliertem Wasser kräftig
Menge destillierten Wassers hinzu und be- abspülen. Trocknen durch Fächeln. Der so ge-
wegt den Objektträger zur besseren Durchmi- färbte Ausstrich wird am besten sofort, ohne
schung leicht hin und her (1 Minute). 3. Die Deckglas, aber mit Immersion untersucht.
a b d
membran begrenzten Mikroporen dienen der eine Gamontogamie: Je zwei Gamonten legen
Nahrungsaufnahme. sich aneinander und umgeben sich mit einer
Die Apicomplexa sind Endoparasiten, die im gemeinsamen Cystenwand (Gamontencyste,
Darm oder in der Leibeshöhle extrazellulär oder Abb. 16). In der Cyste macht jeder der bei-
in Zellen (intrazellulär) leben. Ihr Lebenszyklus den – ursprünglich einkernigen – Gamonten
hat sich gegenüber vielen freilebenden Protozoen eine starke Kernvermehrung durch. Die Kerne
kompliziert. Multiple Teilung, sonst relativ selten, wandern an die Peripherie, worauf sich beide
ist bei ihnen häufig. Sie dient der Vermehrung Gamonten in eine der Zahl der Kerne entspre-
des Parasiten innerhalb eines Wirtes (Schizogo- chende Anzahl von Gameten teilen. Ein großer,
nie) oder auch der Übertragung auf einen neuen mittlerer Plasmakomplex der Gamonten, der
Wirt (Sporogonie), wobei die Teilungsprodukte sog. Restkörper, bleibt von der Teilung unbe-
in feste, als Sporocysten („Sporen“) bezeichnete rührt; er geht zugrunde. Die Gameten, Iso- oder
Kapseln eingeschlossen sind. Wenn die Verbrei- Anisogameten (s. S. 13) verschmelzen paarweise
tung durch einen Überträger (= Vektor) erfolgt, miteinander. Die Verschmelzungsprodukte, die
fällt mit der Notwendigkeit eines Schutzes gegen Zygoten, umgeben sich – immer noch innerhalb
das Vertrocknen die Sporenbildung weg. Zwi- der Gamontencyste und jede für sich – mit einer
schen Schizogonie und Sporogonie kommt es festen Hülle und werden dadurch zu spindelför-
zur Gamogonie, wobei von Gamonten gebildete migen Sporen oder Sporocysten. Der Inhalt jeder
Geschlechtszellen (Isogameten oder Anisogame- Sporocyste teilt sich simultan in 8 Sporozoiten.
ten) entstehen. Je zwei Gameten verschmelzen zu Bei dieser Sporogonie findet, und zwar bei der
einer Zygote. Der Wechsel zwischen geschlecht- ersten Teilung des Zygotenkernes, die Reduktion
licher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung ist der Chromosomen statt. Diploid ist also nur
regelmäßig, die Sporozoa weisen somit einen ob- die Zygote. Gelangen die reifen Sporocysten ins
ligatorischen Generationswechsel auf (nicht bei Freie und werden dann von einem neuen Wirts-
Gregarina und Monocystis). tier mit der Nahrung aufgenommen, so kriechen
Die Art der Fortbewegung ist mannigfach. die Sporozoiten aus einer vorgebildeten Öffnung
Viele Formen zeigen ein eigenartiges Gleiten der Spore heraus oder werden durch ihr Aus-
(z.B. bei Gregarinen), andere bewegen sich mit einanderklappen frei und wachsen allmählich
Hilfe kräftiger Kontraktionswellen fort. Wie- als vegetative Formen (Trophozoiten genannt)
der andere vermögen sich wie Nematoden zu Gamonten (generativen Formen) heran, von
(s. S. 120) hin und her zu schlängeln. Die meis- denen wir ausgegangen sind.
ten Mikrogameten besitzen Geißeln.
Nahrung wird in aufbereiteter und flüssiger
• Die vegetativen Formen von Gregarinen aus
dem Darm des Mehlwurmes, Gregarina po-
Form dem Wirt entzogen und durch Permeation
lymorpha und G. cuneata sowie die seltenere
oder auch durch Mikroporen (= Mikrocyto-
G. steini mikroskopieren.
stome) aufgenommen. Da die Sporozoen in
einem isotonischen Medium leben, entfällt die Der Körper von Gregarina gliedert sich in zwei
Notwendigkeit der Ausbildung kontraktiler Va- Abschnitte, einen vorderen, Protomerit genannt,
kuolen. und einen hinteren Hauptabschnitt, den Deuto-
meriten. Bei jungen Individuen setzt sich über-
dies der vordere Abschnitt des Protomeriten
1. Gregarinida, Gregarinen noch als besonderer Epimerit ab, der bei an-
deren Gregarinen-Arten mannigfache Haftein-
Die Gregarinen sind Parasiten, die im Darm richtungen besitzt. Mit ihnen sind die jungen
und anderen Körperhöhlen wirbelloser Tiere Gregarinen in Zellen der Darmwand verankert.
leben (Abb. 14b–d, 15). Sie erreichen eine für Die Oberfläche des Zellkörpers lässt manch-
Protozoen ungewöhnliche Größe von einigen mal im Lichtmikroskop eine feine Längsstrei-
μm bis maximal 15mm. fung erkennen. Sie kommt, wie elektronenmi-
Bei der Fortpflanzung wechseln geschlecht- kroskopische Aufnahmen zeigen, durch längs-
liche und ungeschlechtliche Vorgänge mitein- parallele, faltenartige Erhebungen der aus drei
ander ab. Die geschlechtliche Fortpflanzung ist eng benachbarten Membranen aufgebauten
30 Protozoa, Einzellige Tiere
Körperwand zustande. Diese drei Grenzschich- Mikroskopieren am besten mit dem Phasen-
ten stellen mitsamt dem die Falten erfüllenden kontrastmikroskop. Anschließend Studium ge-
Ectoplasma die aufgrund lichtmikroskopischer färbter Schnittpräparate durch Samenblase und
Untersuchungen als Pellicula bezeichnete Au- Samenblasenwand.
ßenschicht dar. Im Ectoplasma unter und in den Zunächst werden im Präparat kugelige Ge-
Falten finden sich zahlreiche Mikrofilamente bilde von verschiedener und oft ansehnlicher
sowie Mikrotubuli. Das Endoplasma ist reich Größe auffallen. Es handelt sich um die von je
an Reservestoffen (Amylopektin, Fett, Eiweiße) einem Gamontenpaar abgeschiedenen Cysten,
und anderen granulären Gebilden. Die zu My- jetzt Sporocystencysten genannt. Sie sind dicht
onemen gebündelten Filamente, die sich vor mit spindelförmigen Sporocysten voll gepackt,
allem in der Außenschicht des Endoplasmas be- die in ihrem Inneren bei starker Vergrößerung
finden, macht man für die Gestaltsveränderun- 8 lanzettförmige Sporozoiten erkennen lassen.
gen, zu denen die verschiedenen Gregarinida Werden die Sporocysten nach dem Tode ihres
befähigt sind, verantwortlich. Wirtes frei (das geschieht meist, wenn ein Re-
Zwischen dem Protomerit und dem Deuto- genwurm von einer Amsel oder Elster gefressen
merit ist ein lichtmikroskopisch hell erschei- wurde, mit deren Kot die Sporocysten verbreitet
nendes Septum quer ausgespannt. Zellmund, werden) und gelangen mit der Nahrung in den
Zellafter, kontraktile Vakuolen und Nahrungs- Darm eines anderen Regenwurmes, so wird ihre
vakuolen fehlen den Gregarinen. Am Grunde Wandung von den Verdauungsenzymen aufge-
der Pelliculafalten liegen zahlreiche Mikropo- löst. Die von der Hülle befreiten Sporozoiten
ren. Der Zellkern liegt im Deutomeriten und wandern, die Gewebe durchdringend, in die
ist bei lebenden Individuen als hellere Stelle Samenblasen, die – bei geschlechtsreifen Regen-
inmitten des durch die Reservestoffe getrübten würmern – mit einer Suspension der verschie-
Endoplasmas zu erkennen. densten Entwicklungsstadien der Spermien er-
Fast stets wird man im Präparat paarweise füllt sind.
aneinander liegende Gregarinen finden, wobei Die Sporozoiten dringen oft in junge Fol-
sich die eine mit ihrem Vorderende am Hinter- likel ein und wachsen in Cytophoren (Cyto-
ende der anderen angehängt hat. Es handelt sich plasmakörpern, die mit Keimzellen in Verbin-
dann um zwei Gamonten, die sich später in eine dung stehen; Abb. 15) heran. Dabei wird der
gemeinsame Cyste zur Bildung der Gameten sie umhüllende Cytoplasmamantel, in dem die
einschließen werden. Bisweilen machen sich an Spermien mit ihren Köpfen befestigt sind, im-
den beiden vereinten Individuen morphologi- mer dünner, und die erwachsenen Gregarinen
sche oder färberische Unterschiede bemerkbar, (Gamonten) sehen zunächst wie Ciliaten aus.
die man als Zeichen einer geschlechtlichen Dif- Schließlich verlassen sie den Cytophor. Sie sind
ferenzierung auffasst. Dieses Stadium wird als nun von länglich lanzettförmiger Gestalt und
Syzygie bezeichnet. fallen außer durch ihre Größe nicht selten durch
ihre Beweglichkeit auf. Der Kern ist meist gut
• Überaus eigenartig ist die Fortbewegung der
sichtbar. Die bei Gregarina beobachtete Zweitei-
Gregarinen. Man erkennt sie als ein gleich-
lung in Protomerit und Deutomerit fehlt bei der
mäßiges Vorwärtsgleiten bei regungslos er-
Gattung Monocystis.
scheinender Zelloberfläche. Diese und alle
Je zwei erwachsene Gregarinen (Gamon-
anderen Bewegungsformen sind wohl auf die
ten) legen sich aneinander, runden sich halb-
Aktion subpelliculärer Mikrofilamente und
kugelförmig ab und scheiden die gemeinsame
Mikrotubuli zurückzuführen.
Cystenhülle (Gamontencyste) aus. Durch fort-
Gamogonie und Sporogonie werden am besten gesetzte und rasch hintereinander ablaufende
an Regenwurmgregarinen der Gattung Mono- Mitosen werden die beiden Gamonten erst viel-
cystis studiert. Sie leben in den Samenblasen kernig, um schließlich unter Hinterlassung des
der Regenwürmer. Entnahme daraus siehe S. 11. Restkörpers durch simultane Teilungen in Ga-
Einen Tropfen der milchigen Suspension samt meten zu zerfallen, die innerhalb der Gamon-
einigen Stücken Samenblasenwand auf den Ob- tencyste paarweise verschmelzen. Jede Zygote
jektträger geben. Deckglas mit Wachsfüßchen. umgibt sich mit einer Sporocystenhülle. In ihr
III. Apicomplexa (= Sporozoa) 31
Abb. 15 Entwicklungszyklus von Monocystis spec. Die reifen Sporocysten enthalten 8 Sporozoiten, auf
Schnittpräparaten sind jedoch nicht immer alle 8 Kerne zu sehen. R! Reifeteilung. Die einzelnen Entwick-
lungsstadien sind zum Teil verschieden stark vergrößert
entstehen – nach Reifeteilung und Mitose – acht (Erythrocyten) von Wirbeltieren. Die für den
haploide, infektionsfähige Sporozoiten. Menschen wichtigste Gattung Plasmodium mit
den vier Arten Plasmodium malariae, P. vivax, P.
falciparum und P. ovale ruft die Malaria hervor.
2. Coccidia Plasmodium malariae ist der Erreger der Mala-
ria quartana (Viertagefieber; Fieberanfälle alle
Die zur zweiten Ordnung der Apicomplexa, zu 72 Stunden, also jeden vierten Tag, wenn man
den Coccidia, gehörenden Haemosporidia sind, den Anfallstag als ersten Tag bezeichnet). P. vi-
wie schon ihr Name zu erkennen gibt, Blutpa- vax und P. ovale verursachen die Malaria terti-
rasiten. Sie leben in den roten Blutkörperchen ana (Dreitagefieber, Fieberanfälle alle 48 Stun-
32 Protozoa, Einzellige Tiere
den, also jeden dritten Tag) und P. falciparum durchbohren deren Zellen und sammeln sich
die Malaria tropica (Fieberanfälle unregelmä- schließlich in den Drüsenkanälen. Beim Stich
ßig). Auch Mischinfektionen kommen vor. Als werden sie mit dem gerinnungshemmenden
Überträger von Mensch zu Mensch fungieren Speichel der Mücke in die Blutbahn des Men-
Stechmücken der Gattung Anopheles, die beim schen injiziert.
Blutsaugen die Parasiten aufgenommen haben. Über das Blut gelangen die Sporozoiten in die
Die Mückenweibchen übertragen Sporozoiten, Leber, durchdringen das Endothel der Sinusoide
die in der Leber zu einer präerythrocytären bzw. die von Kupfferschen Sternzellen (S. 445)
Schizogonie mit Merozoitenbildung führt. und gelangen in die Hepatocyten (Leberzellen).
Ein bis zwei Wochen nach dem infizierenden In diesen wachsen sie heran und vermehren
Stich der Mücke findet man die Merozoiten sich durch Schizogonie. Erst die hier gebilde-
dann innerhalb von roten Blutkörperchen (vgl. ten Merozoiten begeben sich in die Blutbahn,
Abb. 16). Sie wachsen schnell heran, werden um dort die roten Blutkörperchen zu befallen,
kugelig und vielkernig und teilen sich dann in womit sich der Entwicklungskreis schließt. Bei
eine entsprechende Zahl von Tochterindividuen der Penetration der Erythrocyten legen sich die
(Merozoiten), die durch Zerfall des Blutkör- Parasiten erst mit beliebiger Stelle an der Ober-
perchens frei werden und sofort wieder neue fläche der Blutzellen an, dann nehmen sie mit
Erythrocyten befallen. Dieser als erythrocytäre ihrem Vorderende Kontakt mit der Zellmemb-
Schizogonie bezeichnete Vermehrungsvorgang ran auf. Von der nun dort entstehenden Verbin-
beansprucht 3 Tage bei P. malariae und 2 Tage dungsschicht wird der Parasit umwachsen und
bei P. vivax, P. ovale sowie P.falciparum. Er wie- schließlich in die Zelle geschleust.
derholt sich immer von neuem, bis die Zahl der Bei P. vivax und P. ovale können sich in der
Schizonten so groß ist, dass die Wirtskörper mit Leber aus Sporozoiten Hypnozoite bilden, wel-
Fieberanfällen auf die giftigen Zerfallsprodukte che bis zu Jahrzehnten überdauern, bevor sie
der Erythrocyten und Schizonten-Restkörper sich weiterentwickeln.
reagieren. Im Fortpflanzungszyklus der Haemospori-
Nach einer gewissen Zeit setzt die Bildung dia wechseln 2 verschiedene ungeschlechtliche
von Geschlechtsformen ein (Gamogonie), die Vermehrungsteilungen, die Sporogonie und die
innerhalb der roten Blutkörperchen beginnt, Schizogonie, mit geschlechtlichen Vorgängen,
aber nur im Darm der Mücke zum Abschluss einer Gamogonie, ab. Diploid ist nur die Zygote,
kommen kann. Im Blut des Menschen finden alle übrigen Stadien haben einen haploiden
sich daher nur Vorstadien der Geschlechts- Chromosomensatz: haplohomophasischer Gene-
formen, die weiblichen Makrogamonten und rationswechsel.
die männlichen Mikrogamonten. Aus ihnen
entstehen im Darm der Mücke die Gameten:
• Nach Pappenheim gefärbte Ausstriche von
Blut, das mit P. vivax infiziert ist, mikroskopie-
Der Makrogamont nimmt eine kugelige Form
ren. Immersionsobjektiv! Außerdem Demons-
an und wird dann als Makrogamet bezeich-
tration verschiedener Entwicklungsstadien.
net; der Mikrogamont bildet 4–8fadenförmige
und sich schlängelnd bewegende Mikrogame-
• Eine Stelle des Präparates suchen, an der die
blassrosa gefärbten Erythrocyten in einfacher
ten aus (Exflagellation). Männliche und weibli-
Schicht, aber möglichst dicht nebeneinander
che Geschlechtszellen verschmelzen paarweise
liegen und zum Immersionsobjektiv wechseln.
zu Zygoten, die zu beweglichen so genannten
Ookineten werden. Diese durchdringen das Die Plasmodien liegen in roten Blutkörperchen.
Darmepithel der Mücke und wachsen, von ei- Ihr Cytoplasma ist blau angefärbt; es beherbergt
ner dünnen Hülle des Wirtes umgeben, an der einen oder mehrere deutlich rot gefärbte Kerne.
Darmaußenwand zu 60μm großen Oocysten Man darf sich nicht durch Thrombocyten (Blut-
heran. In den Oocysten entstehen Tausende plättchen) täuschen lassen, die zufällig auf einen
von beweglichen, fadenförmigen Sporozoiten Erythrocyten zu liegen kamen. Sie zeigen eine
(Sporogonie). Nach etwa 14 Tagen werden sie rotviolette Färbung.
durch Platzen der Oocysten frei, gelangen in Die jüngsten Stadien des Parasiten sind recht
die Leibeshöhle, schwimmen zur Speicheldrüse, klein, mehr oder weniger rundlich und ent-
III. Apicomplexa (= Sporozoa) 33
Abb. 16 Entwicklungszyklus von Plasmodium vivax, des Erregers der Malaria tertiana, des Dreitagefiebers;
R = Reduktionsteilung. Unten Fieberkurve
34 Protozoa, Einzellige Tiere
halten jeweils einen Kern und eine Vakuole weil Schizonten bei entsprechender Größe be-
(Ringstadium, Abb. 17a). Bei P. vivax (Name!) reits vielkernig wären. Der Kern liegt bei den
sind sie innerhalb des Erythrocyten besonders Makrogamonten (Abb. 17f) randständig, bei
lebhaft gefärbt. den Mikrogamonten (Abb. 17g) mehr zentral,
oft bandförmig und wirkt dann bedeutend grö-
• Falls kein solches Stadium im Präparat zu
ßer. Um auch die ganz anders gestalteten Ga-
finden ist, die etwas weiter entwickelten Sta-
monten von P. falciparum kennen zu lernen,
dien des Parasiten betrachten, die durch ihre
wollen wir uns jetzt noch Ausstriche von Blut
eigenartige Ringform unverkennbar sind
ansehen, das damit infiziert ist. Die ausgewach-
(Abb. 17a; Siegelringstadium).
senen Gamonten (Abb. 17l) haben hier eine so
Sie kommt dadurch zustande, dass im Zentrum charakteristische Form, dass man sie unschwer
des Plasmodiums eine große Vakuole auftritt, auffinden kann. Die Gamonten haben eine
die das gesamte Cytoplasma randwärts drängt. längsovale Gestalt, können aber, da sie an Länge
Innerhalb des blauen Ringes hebt sich der rote (9–14μm) den Durchmesser der Erythrocyten
Kern gut ab. Bei weiterem Wachstum wird (8μm) übertreffen, nur eingekrümmt in ihnen
der Umriss des Parasiten sehr unregelmäßig Platz finden, was ihnen die typische Sichelform
(Abb. 17b); bisweilen erscheint er in mehrere (daher der Artname falciparum) gibt. Im In-
Stücke zerrissen. In seinem Inneren häuft sich nern finden sich neben dem relativ großen Kern
zunehmend schwarzbraunes Pigment (Hämo- zahlreiche Pigmentkörnchen. Das Pigment ist
zoin) an, das aus abgebautem Häm gebildet bei den Makrogamonten in der Mittelpartie um
wird, welches beim Abbau von Hämoglobin den Kern herum angehäuft (Abb. 17l), während
freigesetzt wird. Schließlich nimmt der Parasit es bei den (übrigens selteneren) Mikrogamon-
den größten Teil des Blutkörperchens ein. Jetzt ten gleichmäßig fast über das ganze Cytoplasma
hat auch die Kernteilung eingesetzt, sodass zwei, verteilt ist (Abb. 17m).
vier oder mehr Tochterkerne zu erkennen sind, Man wird wahrscheinlich in den gleichen
deren Zahl bei P. vivax auf 12 bis 24 ansteigt Ausstrichen auch junge Formen antreffen, die
(Abb. 17c, d). den entsprechenden Stadien des Vivax-Parasiten
Das befallene rote Blutkörperchen zeigt eine sehr ähneln, da auch sie typische Ringgestalt
auffallende Größenzunahme und ein Verblassen aufweisen (Abb. 17i). Doch sind sie anfangs er-
der Farbe; außerdem tritt in ihm in zunehmen- heblich kleiner (1/6 Erythrocytendurchmesser),
dem Maße eine feine Punktierung, die „Schüff- und der Plasmaring ist so dünn, dass der Kern
nersche Tüpfelung“ auf. Kurz darauf würde das vorspringt. Oft liegen sie ganz oberflächlich im
Blutkörperchen zerplatzen und der Parasit sich Blutkörperchen, das nicht selten von zwei oder
in eine der Zahl der Tochterkerne entsprechende mehr Parasiten befallen ist. Später nehmen die
Zahl von Merozoiten aufteilen, während das Schizonten amöboide Gestalt an (Abb. 17k).
jetzt in seiner Mitte zusammengeballte Pigment Diese Schizonten treten aber nur in der präle-
als „Restkörper“ übrig bleibt (Abb. 17e). Damit talen Phase im peripheren Blut auf. Größe und
endet der sich bei dieser Art in 48 Stunden ab- Farbe der Erythrocyten werden durch P. falcipa-
spielende Zyklus der Schizogonie. rum im Gegensatz zu P. vivax nicht verändert,
Etwa 8–10 Tage nach dem ersten Fieberanfall wohl aber tritt in ihnen gelegentlich eine groß-
treten auch Gamonten (= Gametocyten) im pe- schollige Fleckung („Maurersche Fleckung“) auf.
ripheren Blut auf. Jüngere Stadien können leicht Für das Studium der Schizogonie sind diese
mit Schizonten verwechselt werden, doch zeigen Präparate nicht geeignet. Zwar kann man bis-
sie, da eine Vakuole fehlt, nie Ringform. Die er- weilen einen Ring mit zweigeteiltem Kern be-
wachsenen Gamonten sind große, kugelige, im obachten, alles Weitere aber spielt sich in den
Präparat jedoch scheibenförmig erscheinende Capillaren innerer Organe ab. Die Neigung der
Gebilde, die den Raum des stark vergrößerten Schizogoniestadien, sich in den Capillaren anzu-
Erythrocyten bis auf einen schmalen Randsaum häufen und diese zu verstopfen, bedingt übrigens
ausfüllen. Sie sind reich an groben Pigment- den besonders gefährlichen Charakter der von
körnchen. Eine Verwechslung dieser Stadien P. falciparum hervorgerufenen bösartigen Ma-
mit Schizonten ist schon deshalb nicht möglich, laria.
III. Apicomplexa (= Sporozoa) 35
a b c d e
i
f h
k m
n o p q
Abb. 17 Die drei häufigsten Malaria-Erreger im Ausstrich des peripheren Blutes. Kerne bzw. Chromatin-
brocken der Kerne schwarz, Pigment sehr dicht punktiert, etwas heller das Plasma des Parasiten, am
hellsten die roten Blutkörperchen. Etwa 2800×. (Nach DOFLEIN-REICHENOW). a bis k: Plasmodium vivax (Ter-
tiana-Erreger). a Ringstadium; Schüffnersche Tüpfelung der Wirtszelle; b ältere, amöboide Form mit großer
Vakuole; c junger Schizont; d ausgewachsener Schizont kurz vor Zerfall in Merozoiten; mit zentraler Pig-
mentanhäufung; e Zerfall in Merozoiten; in der Mitte der Restkörper; f Makrogamont; g Mikrogamont;
h Mikrogametenbildung. i bis m: Plasmodium falciparum (Erreger der Malaria tropica), i kleine Ringform,
Doppelinfektion; k etwas älteres Stadium; Maurersche Fleckung der Wirtszelle; l Makrogamont; m Mikro-
gamont. n bis q: Plasmodium malariae (Quartana-Erreger). n halberwachsener, bereits zweikerniger Schi-
zont von typischer Bandform; o reifer Schizont; p Makrogamont; q Mikrogamont
Beim Erreger des Viertagefiebers, Plasmodium P. vivax über den ganzen Zellkörper verstreut,
malariae, nehmen die Schizonten, die zuerst sondern peripher angeordnet sind, sodass das
gleichfalls ringförmig sind, bald eine wenig typische Bild einer Rosette entsteht, in deren
gegliederte, amöboide Form an; stärker her- Mitte ein großer Pigmenthaufen zu sehen ist
angewachsen zeigen sie oft eine rechteckige (Abb. 17o).
Gestalt, indem sie bandförmig das ganze Blut- Die Gamonten von P. malariae ähneln den-
körperchen durchziehen (Abb. 17n). Die Ery- jenigen von P. vivax. Es sind große, kugelige,
throcyten selbst bleiben nach Größe und Farbe grob pigmentierte Gebilde, die das Blutkörper-
unverändert; eine Vergrößerung, wie sie für chen fast ausfüllen, es jedoch nicht ausdehnen.
P. vivax so charakteristisch ist, tritt jedenfalls Makro- und Mikrogamonten lassen sich durch
nicht ein, ebenso wie eine Tüpfelung oder Fle- Größe und Lage des Kerns in der gleichen Weise
ckung fehlt. Die reifen Schizogoniestadien zei- unterscheiden, wie es für P. vivax angegeben
gen in der Regel acht Kerne, die nicht wie bei wurde (Abb. 17p, q).
36 Protozoa, Einzellige Tiere
Die Ciliaten sind die am höchsten differenzier- gleich lang und/oder auf bestimmte Zonen der
ten Protozoen. Sie unterscheiden sich außerdem Körperoberfläche beschränkt. Ihre Bewegungs-
durch ihre Kernverhältnisse von ihnen (Abb. 18). form ist ein kräftiger, rückwärts gerichteter
Als Bewegungsorganellen dienen allgemein Schlag und ein langsameres, mit einer seitlichen
Wimpern (Cilien). Sie sind kürzer als Geißeln, Einkrümmung verbundenes Zurückkehren zur
weisen aber einen mit diesen übereinstimmen- Ausgangsstellung. Dort wo sie in (geraden oder
den Feinbau auf (s. S. 23). Im einfachsten Fall spiraligen) Reihen angeordnet sind, schlagen
sind alle Cilien von gleicher Länge und Stärke die Cilien einer Reihe metachron. Umkehr des
und in regelmäßiger Reihung über den ganzen Cilienschlages ist eine normale und häufige
Körper verteilt. In anderen Fällen sind sie un- Erscheinung. Bei bestimmten Gruppen bilden
sehr dicht nebeneinander stehende Cilien stär- ten. Sie stehen, senkrecht zur Zelloberfläche
kere Borsten (Cirren) oder dreieckige Memb- orientiert, als einige μm lange, membranum-
ranellen. hüllte spindelförmige Gebilde zu Tausenden im
Die elastisch feste Pellicula von kompliziertem Corticalplasma. Ihre bisweilen mit einer Kappe
Feinbau (s. S. 39) wird bei den Ciliaten Cortex versehene Spitze erreicht die Zelloberfläche
genannt. Bestandteile des Cortex sind außer den (Abb. 19). Trichocysten bestehen aus Proteinen;
Wimpern ein System von Mikrofilamenten, Mi- ihre Spitze ist oft calcifiziert. Bei Reizung wer-
krotubuli und Alveolen, die parasomalen Säcke den sie ausgeschleudert, indem sich der Schaft
und die Extrusome (Abb. 19). Die gattungsspe- blitzschnell auf das 8fache verlängert. Er weist
zifische Körperform ist weitgehend konstant; dann eine deutliche Querstreifung auf. Tricho-
sie kann passiv – beim Passieren von Engstellen cysten dienen der Abwehr und, bei räuberischen
– oder aktiv verändert werden. Im Ectoplasma, Ciliaten, dem Beutefang. Ob sie darüber hinaus
mehr oder weniger dicht unter der Pellicula, noch andere Funktionen erfüllen, ist ungewiss.
liegt ein meist recht kompliziertes System von Sie entstehen in Vesikeln im Verlauf von einigen
Mikrofilamenten und Mikrotubuli (Abb. 19). Stunden im Cytoplasma. Ausgestoßene Tricho-
Die Nahrung wird durch den Zellmund (Cy- cysten werden durch neue ersetzt.
tostom) aufgenommen. Er liegt bei den von Ciliaten sind durch Kerndualismus gekenn-
größerer Beute lebenden Ciliaten, den „Schlin- zeichnet. Die Zellkerne werden dem Größen-
gern“, vorn oder seitlich. Bei den von Bakterien verhältnis nach als Makronucleus und Mikro-
und anderer Kleinnahrung lebenden Formen, nucleus bezeichnet, der physiologischen Be-
den „Strudlern“, ist er meist nach hinten an deutung nach als somatischer und generativer
den Grund eines Mundtrichters (Vestibulum) Kern. Der Makronucleus ist durch Amplifika-
verlagert (Abb. 18). Vom Cytostom gelangt die tion bestimmter Gene ausgezeichnet; er steu-
Nahrung über den mit Mikrotubuli ausgestatte- ert Stoffwechsel- und Bewegungsvorgänge. Der
ten Cytopharynx – in Nahrungsvakuolen ein- diploide Mikronucleus spielt insbesondere bei
geschlossen – ins Körperinnere. Nach der Ver- Geschlechtsvorgängen eine Rolle, hat aber auch
dauung des verwertbaren Materials werden die Funktionen bei der Morphogenese. Mikronuc-
Nahrungsvakuolen zur Cytopyge (= Cytoproct), leuslose Formen leben und teilen sich, können
einer speziellen Differenzierung der Pellicula, aber nicht mehr konjugieren. Individuen ohne
transportiert, wo sie sich nach außen öffnen und Makronucleus gehen zugrunde.
die unverdaulichen Nahrungsreste entleeren. Die Vermehrung erfolgt in den meisten Fäl-
Der Wasserausscheidung und somit der Os- len durch Querteilung. Der Durchschnürung
moregulation dienende kontraktile Vakuolen der Zelle geht die Vervielfältigung der für die
(s. S. 40) sind in der Ein- oder Mehrzahl bei al- zwei Tochterzellen notwendigen Organellen und
len im Süßwasser lebenden (und einem Teil der die Teilung von Mikro- und Makronucleus vor-
marinen) Ciliaten an bestimmter Stelle vorhan- aus. Der Mikronucleus teilt sich mitotisch. Beim
den. Sie können von längs oder radiär gestellten Makronucleus erfolgt keine dem Bild der Mitose
Sammelkanälen gespeist werden, die vor ihrer vergleichbare Ordnung des chromosomalen Ma-
Mündung in die Vakuole zu erweiterungsfä- terials; er streckt sich, wird etwa sanduhrförmig
higen Ampullen werden (Abb. 18). Das Blase und teilt sich schließlich in zwei (meist) gleich
und Ampullen umgebende Cytoplasma (als große Stücke. Diesem Teilungsvorgang geht eine
Spongiom bezeichnet) ist durchsetzt von einem Verdopplung des DNA-Gehalts voraus.
dichten Flechtwerk feinster (∅ 40 nm), anasto- Die geschlechtliche Fortpflanzung der Cilia-
mosierender Röhrchen, die mit den Sammel- ten ist eine Form der Gamontogamie (s. S. 13),
kanälen dauernd in offener Verbindung stehen. eine Konjugation. Im typischen Fall verbinden
Peripher von diesem anastomosierenden Röh- sich die Konjuganten in der Mundregion mitei-
rengeflecht liegen im Cytoplasma Bündel von nander. Während der Makronucleus zerfällt und
geraden, an ihren Enden blind geschlossenen, schließlich aufgelöst wird, führt der Mikronu-
starren Tubuli (∅ 50 nm). cleus in rascher Folge die beiden meiotischen
Hochorganisierte Organellen sind auch die Teilungen durch. Drei der Kerne werden aufge-
bei vielen Ciliaten vorkommenden Trichocys- löst. Der bleibende macht eine weitere Teilung,
38 Protozoa, Einzellige Tiere
Abb. 19 Aufbau des Cortex von Paramecium caudatum, basierend auf elektronenmikroskopischen Unter-
suchungen. (Nach ALLEN)
Die Fortbewegung der Paramecien wird und Filamenten bildet ein Netzwerk im Cyto-
durch den rhythmischen Schlag der zahlreich plasma des Cortex. Neben jeder Cilie befindet
über den ganzen Körper verteilten Cilien be- sich eine Einsenkung der Plasmamembran, der
wirkt. Es handelt sich dabei, wie man bei genau- parasomale Sack. Des Weiteren liegen im Cor-
erem Beobachten erkennt, um eine recht kom- tex die Trichocysten. Im Endoplasma finden
plizierte Bewegungsart: Das Tier beschreibt eine sich die Nahrungsvakuolen und oft recht an-
lang gestreckte Wendel und rotiert gleichzeitig sehnliche Kristalle von mannigfacher Gestalt.
um seine Längsachse. Stößt es auf ein Hinder- Mundfeld (Peristom) und Mundtrichter (Ves-
nis, so schwimmt es zunächst, durch Umkehr tibulum) sind bewimpert. Letzterer trägt aus 2 ×4
des Cilienschlages, ein Stück zurück, hält an, parallelen Cilienreihen aufgebaute Wimperfel-
beschreibt mit dem Vorderende einen kleinen der (Peniculi) und ein weiteres Wimperfeld aus
Kreisbogen und schwimmt in der so gewonne- 4 Reihen langer Cilien, den Quadrulus (Vierrei-
nen neuen Richtung wieder vorwärts. Kommt henorganell). Die nebeneinander inserierenden
es trotzdem an dem Hindernis nicht vorbei, Wimpern aller dieser Organellen sind funktio-
wiederholt sich die gleiche Reaktion. Dasselbe nell, jedoch nicht strukturell, zu undulierenden
Verhalten kann man beobachten, wenn das Tier Membranen verbunden. Anschließend folgt der
bei der Vorwärtsbewegung in ein Reizfeld gerät, Zellmund, das Cytostom und der Cytopharynx.
das ihm nach Art oder Stärke nicht zusagt. Das Pantoffeltierchen gehört nach der Art
seiner Nahrungsaufnahme zu den Strudlern:
• Um die Organisation von Paramecium im
Durch den Schlag der Cilien des Peristoms wer-
Einzelnen bei starker Vergrößerung studieren
den die Nahrungspartikel zum Vestibulum ge-
zu können, ist es erforderlich, seine Bewegung
strudelt. In ihm übernehmen die Cilien der
zu verlangsamen. Das kann man durch Zuset-
Peniculi und des Quadrulus ihre Weiterbeförde-
zen einer vorher in der richtigen Konsistenz
rung, bevor sie schließlich am Cytostom in eine
angesetzten Gelatinelösung (oder durch Zuset-
Nahrungsvakuole eingeschlossen werden.
zen von etwas Agar-Agar, Traganth usw., vgl.
S. 25) erreichen, oder man bringt zerfasertes • Um die Bildung der Nahrungsvakuolen zu
Filtrierpapier unter das Deckglas: auf den Be- beobachten, einem frischen Tropfen mit Pa-
rührungsreiz hin legen sich die Paramecien oft ramecien etwas Karmin (Wasserfarbe) oder
mit den still stehenden Cilien der berührenden chinesische Tusche beimischen und nach
Körperseite an den Papierfasern fest. etwa einer halben Minute das Deckglas auf-
• Eine andere Methode besteht darin, durch legen. Sehr informativ ist die Fütterung der
Druck auf die Wachsfüßchen den Abstand Pantoffeltierchen mit Hefezellen, die mit ei-
zwischen Objektträger und Deckglas so zu nem Indikatorfarbstoff gefärbt sind.
verringern, dass sich die Tiere nur noch ganz • Zu 15g Bäckerhefe 30mg Neutralrot und 30ml
langsam von der Stelle bewegen können. Das destilliertes Wasser geben, gut durchrühren
hat äußerst behutsam und unter ständiger und etwa 15 Minuten lang kochen. Von der
Kontrolle bei schwacher Mikroskopvergröße- erkalteten Suspension eine winzige Menge –
rung zu erfolgen. Das überschüssige Wasser soviel wie an einer in die Hefeaufschwemmun-
ist abzusaugen. gen getauchten Präpariernadel hängen bleibt
– einer Objektträgerkultur zumischen. Neut-
Der ganze Körper wird von einer elastisch festen
ralrot ist im sauren Bereich bis zum pH 6,8 rot,
Pellicula, dem Cortex, begrenzt (Abb. 19). Un-
im neutralen und basischen goldgelb. Die He-
ter der Zellmembran liegen membranbegrenzte,
fesuspension wird fast immer schwach sauer
blasenförmige Räume (Alveolen). Diese prägen
und somit rot angefärbt sein, während (vor
das kennzeichnende Oberflächenrelief des Cor-
allem ältere) Paramecienkulturen meist leicht
tex, das aus einem Mosaik hochgeordneter Gru-
basisch reagieren. Die erst roten Hefezellen
ben (den Wimperfeldern) besteht. In der Mitte
werden also nach Zugabe zum Kulturtropfen
eines jeden Wimperfeldes entspringen eine oder
eine blassgelbe Färbung aufweisen.
zwei Cilien. An deren Basalkörpern inserieren
die quergestreiften kinodesmalen Fibrillen. Ein Man sieht, dass die Paramecien die Hefezellen
weiteres System von Bündeln aus Mikrotubuli nach Art von Nahrungspartikeln – als solche
40 Protozoa, Einzellige Tiere
kommen in erster Linie Bakterien in Frage – ein- herum erkennt man die Zuführungskanäle in
strudeln. Nach kurzer Zeit wird man im vorlie- radiärer Anordnung. Die allmähliche Füllung
genden Präparat zahlreiche Tiere, deren Nah- und Leerung der Kanäle lässt sich bei starker
rungsvakuolen gefärbte Hefezellen enthalten, Vergrößerung gut beobachten.
antreffen und kann die allmähliche Bildung einer
Nahrungsvakuole, ihre Ablösung und Formver-
• Dem Präparat etwas Tusche zusetzen.
änderung deutlich verfolgen. Die abgelöste Nah- Dadurch wird das Ausstoßen des Wassers besser
rungsvakuole wird in einer regelmäßigen Bahn erkennbar.
durch den ganzen Körper geführt (Cyclose der
Nahrungsvakuole). Währenddessen laufen Ver-
• Um jetzt auch die (im Leben kaum sichtba-
ren) Kerne hervortreten zu lassen, auf ei-
dauungsvorgänge in ihr ab (s. S. 12). Sie sind von
nem sauberen Objektträger einen Tropfen
einem Wechsel des pH-Wertes der Nahrungsva-
Paramecien-Kultur mit einem ebenso großen
kuole begleitet. An der Färbung der Hefezellen
Tropfen des Fixier-Farb-Gemisches Methyl-
erkennen wir, dass der pH-Wert nach Abschnü-
grünessigsäure (0,1%) vermischen. Deckglas
rung der Nahrungsvakuole für kurze Zeit dem
mit kleinen Wachsfüßchen.
des aufgenommenen Mediums entspricht. Er
wird dann immer sauer (deutliche Rotfärbung
• Natürlich können zur Demonstration des
Makro- und Mikronucleus auch mit Boraxk-
der Hefe) und erreicht ein pH von 4 bis 1,4.
armin gefärbte Präparate ausgegeben werden.
Gleichzeitig nimmt das Volumen der Nahrungs-
vakuole ab. Später wird ihr Inhalt neutral bis Die Zellkerne der getöteten und fixierten Tiere
leicht basisch und somit erneut blassgelb. Die un- nehmen im Verlauf von ein bis zwei Minuten
verdaulichen Reste der Nahrung werden schließ- eine hellgrüne Färbung an. Der Makronucleus
lich am Zellafter (Cytopyge) nach außen entleert. ist etwa bohnenförmig gestaltet, der sehr viel
kleinere Mikronucleus schmiegt sich ihm in ei-
• Statt Neutralrot kann man auch Kongorot zur
ner kleinen Vertiefung an.
Anfärbung der Hefe verwenden, Kongorot-
Durch den starken chemischen Reiz ist bei
Hefezellen sind im neutralen oder schwach al-
diesen Tieren auch die Mehrzahl der Trichocys-
kalischen Kulturmedium kräftig rot. Sie lassen
ten ausgeschleudert worden. Sie umgeben als
die Entstehung der Nahrungsvakuolen daher
lange Fäden das ganze Tier wie ein Haarkleid.
weit besser verfolgen als die anfangs blassgel-
ben Neutralrothefezellen. Da ihre Färbung je- • Besser sichtbar zu machen sind die Tricho-
doch erst bei pH 3 deutlich in Blau umschlägt, cysten, wenn man vom Deckglasrand her ei-
ist der Wechsel der H-Ionenkonzentration nen kleinen Tropfen Tinte oder etwas Press-
dann nicht nachzuweisen, wenn das Kultur- saft aus Geraniumblättern zufügt.
medium alkalisch reagierte. Erforderlichen-
falls vorher bis zu einem pH von 7 ansäuern.
2. Vorticella sp., Glockentierchen
Ganz vorzüglich in ihrer Tätigkeit zu beobach-
ten sind bei Paramecium die beiden kontrak- • Von dem weißen Überzug alter, ins Was-
tilen Vakuolen, von denen die eine im vorde- ser hängender Zweige, Wurzeln usw. der aus
ren, die andere im hinteren Drittel des Körpers Vorticellen besteht, etwas Material abschaben
dicht unter der dorsalen Oberfläche liegt. Sie und mit einem Tropfen Wasser auf den Ob-
ziehen sich in regelmäßigen Abständen zusam- jektträger bringen.
men (Systole) und geben ihren Inhalt durch
den Porus nach außen ab. Damit verschwin- Vorticella hat die Gestalt eines Glöckchens, des-
den sie für das Auge, werden aber bald wieder sen Öffnung durch eine Art Deckel, die Peris-
sichtbar, schwellen allmählich an (Diastole), tomscheibe, fast völlig geschlossen ist (Abb. 20)
um sich schließlich in einer neuen Systole zu und das mit seinem entgegengesetzten Ende
entleeren. Man zählt etwa 3–10 Entleerungen einem langen Stiel aufsitzt, mit dem sich das
pro Minute. Die Frequenz ist von der Tempe- Tier festheftet. Die Gattung gehört zu den peri-
ratur und der mit der Nahrung aufgenomme- trichen Ciliaten (Peritricha), die durch eine ado-
nen Wassermenge abhängig. Um die Vakuolen rale Wimperspirale charakterisiert sind. Die aus
IV. Ciliata, Wimpertierchen 41
drei Wimperreihen bestehende, in der Aufsicht Das Cytostom ist auch bei Vorticella durch
linksgewundene Spirale zieht zunächst am Rand Ausbildung eines Vestibulums in die Tiefe ver-
der Peristomscheibe entlang, geht dann auf den senkt worden. Die an der Vestibulumwand ent-
Rand des Bechers selbst über und endet im springenden Cilien sind zu einer undulierenden
trichterförmigen Vestibulum. Der äußere, sau- Membran zusammengeschlossen, deren lebhaf-
martig vorspringende Wimperstreifen hält die tes Schwingen deutlich erkennbar ist. Die Bil-
Nahrungspartikel zurück, die der Wasserstrom dung und Ablösung der Nahrungsvakuolen ist
heranträgt, den die zwei inneren Wimperbänder auch bei Vorticella, besonders nach Karminzu-
erzeugen (Strudler, Suspensionsfresser). satz, sehr gut zu beobachten.
Abb. 20 Vorticella
(Glockentierchen).
a Vorticella nebulifera.
900× (Nach BÜTSCHLI aus
GRELL), b Pseudovorticella,
c Vorticella in Teilung.
Rasterelektronenmikrosko-
pische Aufnahmen (b,c):
Klaus HAUSMANN, Berlin
42 Protozoa, Einzellige Tiere
Die kontraktile Vakuole ergießt ihren Inhalt den Schraube zum Cytostom führen. Das ado-
durch Vermittlung eines oft auch als Reservoir rale Membranellenband dient zum Einstrudeln
beschriebenen Ausführungsganges in das Vesti- der Nahrung und als Bewegungsorganell. Da-
bulum, in das sich auch der Zellafter öffnet. neben findet sich eine feine, in Längsreihen an-
Bei jeder Erschütterung oder auch spontan geordnete Bewimperung, und zwar am ganzen
schnellen die Vorticellen sehr rasch zurück, wo- Körper, was die Unterordnung Heterotricha, zu
bei sich der Stiel korkenzieherartig aufrollt, die der Stentor gehört, von den beiden anderen
Peristomscheibe sich deckelartig schließt und Unterordnungen Oligotricha und Hypotricha
der Peristomrand sich sphinkterartig zusam- unterscheidet.
menzieht, sodass der Körper kugelförmig wird. Für schnelle Veränderungen der Körperform
Nach kurzer Zeit streckt sich der Stiel wieder, verfügt Stentor über ein System von kontrakti-
das Glöckchen öffnet sich, und die Wimpers- len Fibrillen (Myonemen).
pirale beginnt von neuem ihre Tätigkeit. Diese Die kontraktile Vakuole ist mit zwei Zu-
schnellen Bewegungen werden durch zahlreiche führungskanälen ausgestattet, einem vorderen
kontraktile Fibrillen (Myoneme) ermöglicht, die kürzeren und einem sehr langen hinteren, der
vom Stiel her in die Wandung des Glöckchens sich bis zum Körperende erstreckt.
aufwärts strahlen und teilweise auch auf die Pe- Der Makronucleus, der bei der abgebildeten
ristomscheibe übergreifen, während andere den Art Stentor polymorphus (Abb. 21a) wie eine
Peristomrand ringförmig durchziehen. Im Stiel Perlschnur aussieht, ist oft schon beim lebenden
vereinigen sich die Myoneme zu einem Bündel Tier erkennbar. Ihm sind mehrere rundliche
(Spasmonem). Es verläuft bis zur Basis des Stie- Mikronuclei angelagert.
les. Dieser axiale Strang ist umgeben von einem Stentor polymorphus ist meist durch Zoochlo-
peripheren, flüssigkeitserfüllten Mantel, der von rellen (symbiotische Algen der Gattung Chlo-
achsenparallel angeordneten elastischen Fibril- rella) grün gefärbt, während eine andere, gleich-
len durchzogen wird. Sie sind die Gegenspieler falls häufige Art, Stentor coeruleus, ihre blaugrüne
der Stielmyoneme. Farbe Pigmentgranula verdankt, die in längs ver-
Der große, wurstförmige Makronucleus ist laufenden Streifen im Corticalplasma liegen. In
bisweilen schon im Leben gut zu erkennen. Ihm den unpigmentierten, hellen „Zwischenstreifen“
liegt ein sehr kleiner Mikronucleus an. entspringen die Cilien, im Corticalplasma dar-
unter verlaufen die kontraktilen (Längs-)Fibril-
• Jodlösung zusetzen.
len. Die unpigmentierten Stentor-Arten weisen
Dadurch treten die Kerne besser hervor. die gleichen Baueigentümlichkeiten auf, nur sind
bei ihnen die Körnchen pigmentfrei und die
Streifen daher weniger deutlich.
3. Stentor sp., Trompetentierchen, Ebenfalls zu den Spirotricha zählt Blepha-
Blepharisma sp. und Stylonychia sp. risma (Abb. 21b). Diese rosafarbene Form ist
ausgesprochen polymorph: Bei Nahrungsman-
Außer den beschriebenen wird man in den meis- gel entstehen auf ein Hundertstel verkleinerte
ten Präparaten noch eine Anzahl anderer Cilia- Zwergformen. Auch Cysten können ausgebildet
ten vorfinden. Eines der größten und schöns- werden, wenn die Nahrung erschöpft ist. In nor-
ten, Stentor (Abb. 21a), hat, wenn es sich mit malen Kulturen können andererseits „Giganten“
seinem Hinterende festheftet, die Gestalt eines entstehen, die als Kannibalen von ihresgleichen
schlanken Trichters oder einer Trompete. Das leben. Gut zu erkennen sind im Zellinneren der
Tier kann sich aber auch vom Substrat ablösen Makronucleus, Nahrungsvakuolen und die end-
und frei umherschwimmen, wobei es eine mehr ständige kontraktile Vakuole.
abgerundete, etwa ovale Körperform annimmt. Auch die zu den Spirotricha gehörenden Hy-
Die Gattung Stentor gehört zu den Spirotricha, potricha sind in den Aufgüssen durch die eine
die durch ein adorales Membranellenband ge- oder andere Gattung, besonders durch Stylony-
kennzeichnet sind. Die einzelnen Membranellen chia (Abb. 21c) und Oxytricha, vertreten. Der
sind aus zahlreichen Cilien bestehende Plätt- Körper der Hypotricha ist abgeflacht. Die Dor-
chen, die in einer im Uhrzeigersinn verlaufen- salseite ist leicht gewölbt und trägt Reihen kur-
IV. Ciliata, Wimpertierchen 43
zer Cilien, die vielleicht als Organellen des Tast- liaten zu schnellem Lauf befähigen. Daneben ist,
sinnes dienen; die Ventralseite ist mit Cirren wie bei allen Spirotricha, eine adorale Membra-
besetzt. Die Cirren sind kräftige, aus Cilien nellenzone vorhanden, während im übrigen die
bestehende Bewegungsorganellen, die diese Ci- Bewimperung stark rückgebildet ist.
Abb. 21 a Stentor polymorphus. 200×. b Blepharisma. 230×. c Stylonychia mytilus. Oben Ventralansicht,
unten von der Seite. 400×. (Nach BARDELE, MACHEMER, KUDO)
Abb. 22
Porifera, Schwämme
Porifera (Schwämme) sind aquatische, sessile Tiere, die insbesondere in Meeren verbreitet
sind. Bezüglich ihrer Biomasse zählen sie zu den „gewichtigsten“ Tieren der Meeresböden.
Sie gehören zu den ersten Riffbildnern in der Erdgeschichte. Da verschiedene Landschaften in
Mitteleuropa, zum Beispiel die Fränkische und die Schwäbische Alb mit ihren Schwammriffkup-
pen (Abb. 22a), von ehemals schwammbesetzten Meeresböden geprägt werden, kann man die
Reste der Porifera hier in großen Mengen finden. Besonders gut erhalten sind ihre aus Silicium-
dioxid bestehenden Skeletelemente (Spicula, Skleren; auf Abb. 22b im rasterelektronenmikros-
kopischen Bild) in den mesozoischen Gebirgszügen Süddeutschlands, der Schweiz und Frank-
reichs. In den Weißjurasedimenten der Schwäbischen Alb - von hier stammen die abgebildeten
Spicula - findet sich eine Fülle von Skeletelementen ganz unterschiedlicher Gestalt. Gleiches gilt
für Gebäude, Fassaden, Treppen, Fensterbänke und weitere Bauelemente, die aus Weißjurasedi-
menten hergestellt wurden und wie sie in Mitteleuropa landauf, landab zu sehen sind. Während
man bei der Sichtbarmachung der Spicula optische Hilfsmittel benötigt, reicht für das Erkennen
der makroskopischen Schwammreste (= Schwamm-Mumien, Abb. 22c) ein aufmerksamer Blick.
Das etwa 150 Millionen Jahre alte Sedimentgestein wird insbesondere in Steinbrüchen der Frän-
kischen Alb abgebaut und kommt z.B. als Treuchtlinger Marmor in den Handel.
Rezente Schwämme sind bevorzugte Untersuchungsobjekte der marinen Naturstoff-For-
schung. Aus keiner anderen Tiergruppe hat man bislang auch nur annähernd so viele bioaktive
Substanzen gewinnen können wie aus Schwämmen. Abb. 22d zeigt einige Beispiele: Manoalid
hemmt grampositive Bakterien und wirkt schmerzlindernd, Avarol wirkt in der Zellkultur auf
HIV, Ara-A hemmt Herpesviren. Es ist nicht verwunderlich, dass Schwämme solche Stoffe ent-
halten, denn sie leben in einer artspezifischen Symbiose mit Mikroorganismen und produzie-
ren eine Fülle von Substanzen, die andere Mikroorganismen abtöten. Dabei handelt es sich um
niedermolekulare Sekundärmetabolite. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Schwämme
schon in der Antike und im Mittelalter in der Heilkunde eingesetzt wurden. Bereits Homer und
Galen wiesen auf ihre Bedeutung hin.
In verschiedenen warmen Meeren, z.B. im Mittelmeer, werden Schwämme (z.B. Euspongia of-
ficinalis) gesammelt bzw. gezüchtet und kommen als Badeschwamm in den Handel. Ihr Ge-
brauchswert beruht auf ihrer sehr großen inneren Oberfläche. Ein Badeschwamm kann das 50fa-
che seines Gewichts an Wasser aufnehmen. Schwämme wurden schon in der Antike in der Kör-
perhygiene und auch zur Reinigung von Hausrat eingesetzt. In der Medizin nutzte man ihre
physikalischen Eigenschaften bei Operationen und zum Stillen von Blutungen. Schwammstücke
waren in der Tat Vorläufer von Tupfer, Watte und Verbandmull. Schwammpessare wurden zur
Empfängnisverhütung eingesetzt.
Schwämme können in vielen marinen Lebensräumen den Hauptteil der bodenbewohnenden
(benthischen) Organismen ausmachen. Insbesondere trifft das für antarktische Gewässer
(„Königreich der Schwämme“) zu, in denen sie in dichten Populationen auftreten (Abb. 22f)
und Jahrhunderte alt werden können. Für viele Tiere, insbesondere Haarsterne, Schlangen-
sterne und Seegurken bilden sie das Substrat. Nach ihrem Tod bleiben ihre Skeletelemente
erhalten und bauen bis zu 2 m dicke Spicula-Schichten auf, die an Glaswolle erinnern.
Die wenigen im Süßwasser lebenden (limnischen) Schwämme machen in der heimischen
Fauna jahresperiodisch einen dramatischen Formwandel durch: Im Sommer leben sie in der
bekannten Gestalt auf Steinen und am Schilf, den Winter überdauern sie in Form von 0,4–1 mm
großen „Knospen“ (Gemmulae, Abb. 22e), aus denen im Frühjahr je ein Schwamm schlüpft.
Der Pfeilkopf auf Abb. 22e zeigt auf den Keimporus einer Gemmula von Spongilla lacustris.
Süßwasserschwämme hat man für verschiedene Zwecke genutzt. In der Herstellung von Kera-
mik spielten sie in Afrika und Südamerika schon vor über 2000 Jahren eine Rolle.
46 Porifera, Schwämme
Das im Pinakoderm mit Dermalporen begin- bei manchen Kalkschwämmen vor. Alle übrigen
nende, von Pinakocyten ausgekleidete Wasser- Porifera sind nach dem Leucon-Typ angelegt.
leitungssystem führt zu einer bis zahlreichen Die Porifera sind fast ausschließlich Meeresbe-
Geißelkammern, dann in einen Zentralraum wohner. Einige Familien leben allerdings im Süß-
und mündet über eine Egestionsöffnung (Oscu- wasser. Groß ist die Vielfalt der Wuchsformen.
lum) wieder nach außen (Abb. 24 und Abb. 25). In der Größe schwanken sie von knapp 1mm
Den Durchtrieb des Wassers, das u.a. Atmung, dicken, mehr oder weniger großflächigen Krus-
Ernährung und Abtransport gewährleistet, be- ten bis zu fladen-, kugel-, becher-, röhren-
sorgen die Choanocyten der Geißelkammern. und baumartigen Gebilden von maximal 3 m
Die Aufnahme partikulärer Nährstoffe erfolgt Größe.
sowohl durch den Zellkörper der Choanocyten Die Porifera sind getrenntgeschlechtig oder
als auch durch das Endopinakoderm hindurch, zwittrig. Sie können sich geschlechtlich und
das die Kanäle auskleidet, die die Kragengeißel- ungeschlechtlich vermehren. Ihre Oocyten ent-
kammern versorgen. wickeln sich in der Regel aus großen Archaeo-
Die Porifera weisen unterschiedliche Bau- cyten (s.u.), die Spermien aus Choanocyten.
pläne auf (Ascon-, Sycon- und Leucon-Typ; Geschlechtsorgane im eigentlichen Sinne gibt
Abb. 25). Der Ascon-Typ kommt, ebenso wie es nicht. Die Spermien werden ins Wasser ab-
der Sycon-Typ mit den um einen zentralen gegeben und von benachbarten Schwämmen in
Sammelraum angeordneten Radialtuben, nur die Kragengeißelkammern eingestrudelt; von
a b1
b2 c
dort gelangen sie dann in die Mesogloea, wo die duzieren entweder Kalk- oder Kieselnadeln
Befruchtung der Eier stattfindet. jeweils von verschiedener Gestalt und Größe.
Bei Schwämmen kommen verschiedene frei Begleitzellen können bei Fertigstellung der Kie-
schwimmende Larven-Typen vor, z.B. Amphi- selnadeln mit den Skleroblasten in engen Kon-
blastula-, Coeloblastula- und Parenchymula- takt treten und sie zu den Bestimmungsorten
Larven. Diese stimmen in ihrer Entstehungsge- im Schwammkörper geleiten, wo die Nadeln
schichte nicht überein, und auch ihre Entwicklung in ihrer Funktionsstellung freigesetzt werden.
zum jeweiligen Adultus ist sehr unterschiedlich. Spongioblasten, sofern vorhanden, bilden die
Bei den Süßwasser- und einigen Meeres- Kittsubstanz Spongin, die den Zusammenhalt
schwämmen entstehen gegen Ende der Wachs- der Nadeln im Skelet gewährleistet. Die Col-
tumsperiode im Mesohyl beschalte Überlebens- lencyten unterscheiden sich von den anderen
formen (Gemmulae; Abb. 22e), die ungünstige Zellarten durch ihre extrem dendritische Form.
Umweltphasen überdauern und zur Verbreitung Sie können einzeln und in netzartiger Forma-
beitragen. Aus ihnen entwickeln sich bei wieder- tion innerhalb des Mesohyls als Antagonisten
gewonnenen günstigen Lebensbedingungen neue des stützenden Nadelskelets Spannfunktion
Individuen. Einige Porifera bilden äußere Knos- ausüben. Die ebenfalls dendritischen Lopho-
pen, die sich ablösen und wieder heranwachsen. cyten hinterlassen bei ihrer gerichteten Bewe-
Die meisten Porifera werden von einem gung durch das Mesohyl parallel verlaufende
einschichtigen epithelähnlichem Verband aus Kollagenfasern. Die Trophocyten stammen
sehr flachen Zellen, den Exopinakocyten, be- von Archaeocyten ab. Sie bilden Lipidein-
grenzt (Abb. 24). Endopinakocyten bilden die schlüsse und haben zur Zeit der Gemmulation
Wandung des den Schwamm durchziehenden und bei der Oogenese Ernährungsfunktion.
wasserführenden Kanalsystems mit seinen ein- Sie werden von den Archaeocyten der jungen
und ausführenden Anteilen. Den Übergang Gemmula-Anlagen und den heranwachsenden
zwischen den ein- und ausführenden Kanälen Oocyten portionsweise phagocytiert und dabei
bilden die Kragengeißelkammern. Sie dienen quantitativ vertilgt. Die daraus resultierenden
als Antriebsaggregate für den Wasserfluss durch dotterreichen Zellen in der Gemmula nennt
den Schwamm und als Nahrungsreusen. Sie man Thesocyten. Einige weitere Zelltypen des
bestehen im Wesentlichen aus Choanocyten Schwamm-Mesohyls bleiben hier unerwähnt,
(Abb. 23, 27) und besitzen in Verbindung mit weil sie zahlenmäßig zurücktreten, nicht bei al-
zwei weiteren Zellarten, nämlich wenigen Co- len Schwammarten vorkommen oder hinsicht-
nuszellen (Choanocyten-Abkömmlingen) und lich ihrer Funktion kaum erforscht sind. Die
einer Poruszelle (Pinakocyten-Abkömmling meisten Zellarten lassen sich von den Archaeo-
der Wandung des ausführenden Kanalsystems), cyten ableiten.
beim Leucon-Typ Organcharakter. Das Wasser
tritt durch Lücken (Prosopylen) zwischen Cho-
anocyten in die Kragengeißelkammer ein. Spezieller Teil
Das von Exo- und Endopinakocyten allseits
umgebene Mesohyl der Porifera enthält in einer 1. Sycon raphanus
Matrix u.a. Zellen mit speziellen cytoplasma-
tischen Differenzierungen zur Erzeugung der • Konservierte Exemplare dieses Kalkschwam-
Grundsubstanz, des Spongins und der Nadeln. mes demonstrieren und Präparate – Längs-
Viele Zellen können sich amöboid fortbewegen und Querschnitte von entkalkten und nicht-
und werden mit dem allgemeinen Begriff Amoe- entkalkten Stücken – mikroskopieren.
bocyten belegt. Von besonderer Bedeutung sind
die amöboid beweglichen, totipotenten Archaeo- Sycon raphanus ist schlank, becher- bis nahezu
cyten, und zwar für den Nahrungstransport schlauchförmig. Die meist ziemlich weite Öff-
und die Defäkation sowie für das Schwamm- nung am freien Ende ist die Ausströmöffnung,
wachstum, die Regeneration und Oogenese. Die das Osculum. Es ist von einem Kranz sehr lan-
von Archaeocyten abstammenden Skleroblas- ger, dünner, einstrahliger Kalknadeln umgeben,
ten sind ebenfalls amöboid beweglich. Sie pro- die langsam bewegt werden können. Die Ober-
Porifera, Schwämme 49
Entwicklungsstadien
Radialtuben
Zentralraum
Porus
Wand eines
zuführenden
Kanals
Zuführender
Kanal
Eier
Kragen-
Wand einer geißelzellen
Radialtube
fläche ist mit zahlreichen Papillen besetzt, die Längsschnitte durch den Schwamm lassen,
aber kaum zu erkennen sind, da sich zwischen besonders wenn sie durch die Mitte geführt
den aus jeder Papille herausragenden Büscheln sind, seine kelchförmige Gestalt deutlich erken-
von Kalknadeln zahlreiche Fremdkörper an- nen. Die Radialtuben im unteren Teil eines der-
sammeln. artigen Präparats erscheinen infolge ihrer schrä-
Auf einem Querschnitt durch einen entkalk- gen Lage und gegenseitiger Abplattung meist als
ten Schwamm (Abb. 26) sieht man bei schwa- sechseckige Felder. Tangentiale Schnitte durch
cher Vergrößerung in der Mitte den kreisrunden die Wand zeigen sehr schön die Anordnung
Zentralraum, von dem eine Anzahl kleinerer, der (quergetroffenen) Radialtuben und der zu-
lang gestreckter Hohlräume, die Radialtuben, führenden Kanäle in regelmäßig alternierenden
ausstrahlt. Sie sind mit ihren zentralen Teilen Reihen.
untereinander verwachsen, während sie peripher Stärkere Vergrößerung (Abb. 27) lässt biswei-
frei vorragen und so die Papillen der Außenflä- len erkennen, dass die Radialtuben von Kragen-
che hervorrufen. Die Mündungen der Radial- geißelzellen ausgekleidet sind, die einen deut-
tuben in den Zentralraum sind nicht immer zu lich sichtbaren, randständigen Kragen von etwa
sehen, da sie ziemlich eng sind und die Schnitte der halben Höhe der Zelle haben. Zwischen
zudem meist etwas schräg durch die Radialtu- den Radialtuben finden sich im Mesohyl amö-
ben gehen. Dadurch erklärt es sich auch, dass boid bewegliche Geschlechtszellen. Sie sind bei
in Abb. 26 nicht alle Radialtuben in ihrer vollen den vorwiegend weiblichen Tieren oft bereits
Längsausdehnung getroffen sind. Zwischen den befruchtet, sodass sie als Furchungsstadien er-
Radialtuben bleiben ziemlich breite zuführende scheinen. Später würden sie als zur Hälfte be-
Kanäle ausgespart, die das Wasser von außen wimperte Larven – als Amphiblastulae – die
aufnehmen und den Radialtuben durch feine Wanderung der Radialtuben durchbrechen und
Poren zuführen. Man wird diese Poren nur sel- durch das Osculum nach außen gelangen.
ten finden, da sich die meisten beim Fixieren
geschlossen haben.
50 Porifera, Schwämme
Zuführender
Kanal
Mesohyl
Abb. 27 Querschnitt durch vier Radialtuben von Sycon raphanus. Schematisiert. (Nach SCHULZE)
nalsystem in Erscheinung. Das Pinakoderm mit ßende Transcytose ist der Weg nach außen frei-
seinen Poren und die Egestionsöffnung (Osku- gegeben. Dem Modellversuch entsprechend ver-
larrohr) sind sehr dünnhäutige Gebilde, die man läuft bei den Schwämmen die Aufnahme und
nur im schräg einfallenden Licht sehen kann. Anreicherung von partikulärer, vorwiegend aus
Detritus bestehender Nahrung, die im Tusche-
• Tusche bzw. Karmin-Partikel oder auch klein-
Versuch simuliert wird. Die Defäkation unver-
zellige Grünalgen (Chlorella, Chlamydomonas)
daulicher Nahrungsreste verläuft wie bei den
verfüttern.
Tuschepartikeln, die als kleine Konglomerate
Damit lässt sich die Strudeltätigkeit eindrucks- aus dem Schwamm ausgestoßen werden.
voll belegen. Es kommt bei diesem Versuch
innerhalb weniger Minuten zur Schwarz- bzw.
• Zwischen der ersten und zweiten Beobach-
tungsphase die Arten der zum Einsatz ge-
Rot- oder Grünfärbung der Choanocyten in den
kommenen Spongilliden bestimmen.
Kragengeißelkammern, die nach Wasserwechsel
langsam schwächer wird und nach Stunden wie- Dies ist u.a. anhand der Skeletnadeln möglich,
der verschwindet. deren Charakterisierung nach ihrer Form und
Größe erfolgt.
• Tuscheversuch: 1 Tropfen Tusche (Skriptol) zu
Die Makroskleren bilden das eigentliche feste
10 ml Leitungswasser geben, diese Suspension
Skelet, die Mikroskleren treten anderweitig im
erneut 1:10 mit Leitungswasser verdünnen
Schwammkörper auf, insbesondere mit den
und hiervon 1 ml den 10 ml Wasser der Kul-
Schalen der Gemmulae, die zur Zeit im Labor-
turschale zusetzen, die über weißem Grund
Kühlschrank vorliegen.
unter dem Stereomikroskop unbeleuchtet in
Bereitschaft steht. Vorzeitig dem grellen Licht • Nadelpräparation: Die für die Artbestim-
ausgesetzte Schwämme nehmen wegen Ver- mung vorliegenden Gemmulae werden in
schluss ihrer Dermalporen vorerst kein Was- Zentrifugenröhrchen eingebracht, die mit
ser und somit auch keine Tusche auf! Chlorbleichlauge (Natriumhypochlorid) zwei
• Wenn 5 Minuten später die Schwärzung der Drittel gefüllt sind. Über Nacht lösen sich die
Schwämme mit bloßem Auge erkennbar ist, sponginösen Bestandteile der Probe auf, und
beginnt bei schwacher Beleuchtung die mi- die verbleibenden Gemmula-Mikroskleren
kroskopische Beobachtung der rasch fort- setzen sich am Boden der Zentrifugenröhr-
schreitenden Filtration der Tuschepartikel- chen ab. Der Überstand wird abpipettiert.
chen in den Kragengeißelkammern und die Es folgt eine Nachbehandlung mit 25%iger
fast selektive Schwärzung der Choanocyten. Salpetersäure über 30 Minuten. Anschließend
• Nach Abschluss der ersten ausgiebigen Beob- werden die Nadeln mehrmals in Aqua dest.
achtung und Anfertigung einer Detailzeich- durch Zentrifugieren gewaschen und schließ-
nung das Kulturwasser der beiseite gestellten lich in gereinigtem Zustand mittels einer
Schwämme wechseln. Deren Untersuchung dünnen Pipette auf Objektträger übertragen
wird zwei Stunden später unter den gleichen und später im trockenen Zustand durch Zu-
optischen Bedingungen fortgesetzt. gabe eines Einschlussmittels und eines Deck-
glases für die mikroskopische Untersuchung
Mit etwas Geduld kann man nun die Aussto-
zugänglich gemacht.
ßung größerer Tuschepartikel via Egestionsrohr
(Oskularrohr) erkennen.
• Im Laufe einer Stunde können unterschied-
liche Kontraktionszustände beobachtet wer-
Gleichzeitig nimmt die Schwärzung der Kra-
den. Dabei verändern sich die Erscheinungs-
gengeißelkammern kontinuierlich ab. Stattdes-
bilder des Mesohyls und die Lumenweite der
sen erscheinen relativ große schwarze Partikel im
Kanäle.
Mesohyl. Hierbei handelt es sich um Archaeo-
cyten, die von den Choanocyten abgegebene
Tusche phagocytiert haben und auf dem Weg Mikroskopische Anatomie
zur Pinakocyten-Wandung des ausführenden
Kanalsystems sind. Nach Abgabe der Tuschep- Es werden Schnitte des Spongilliden Spongilla
artikel an die Pinakocyten und deren anschlie- lacustris verwendet. Im von apikal nach basal
52 Porifera, Schwämme
Abb. 28 Zeichnung eines mit Toluidinblau gefärbten Schnittes von Spongilla lacustris. 780×. (Nach WEIS-
SENFELS)
verlaufenden Schnitt dominieren die aus Cho- Auffällig sind die Dermalporen im Pinakoderm
anocyten aufgebauten Kragengeißelkammern. der Süßwasserschwämme. Sie werden von Poro-
Diese haben einen Durchmesser von ca. 40μm cyten gebildet, die Anschluss an Exo- und Endo-
und werden von Choanocyten begrenzt. Ihr pinakocyten des Pinakoderms finden. Das durch
Kragen besteht aus ca. 40 Mikrovilli (Abb. 23). die Dermalporen eintretende, für die Ernährung
Am Apex der Choanocyten entspringt inmitten und Atmung der Schwämme notwendige Was-
des Kragens eine Geißel. Die Kragengeißelkam- ser gelangt durch den Subdermalraum über die
mern liegen innerhalb einem nicht sonderlich einführenden Kanäle zu den Prosopylen, sch-
zellreichen Mesohyl. Sie stehen in enger Bezie- malen Eingängen in die Kragengeißelkammern.
hung zu Kanälen mit einer dünnen Pinakocy- Diese leiten das Wasser durch ihre Ausgänge,
ten-Wandung, die durch eine im Tierreich sonst die Apopylen, in ausführende Kanäle zu einem
nicht übliche, schindelförmige Anordnung der Sammelraum (Atrium) und von dort durch das
Zellen gekennzeichnet ist. Im einführenden Oscularrohr nach außen. Im Mesohyl treten Zel-
Teil des Kanalsystems gewährt die Pinakocy- len verschiedener Art auf. Hier sind die Archa-
tenwandung den Einfluss des Wassers in die eocyten mit relativ großem Kern und Nucleolus
sog. Prosopylen der Kragengeißelkammern. zu nennen. Sie weisen in der Regel Verdauungs-
Letztere sind über modifizierte Choanocyten, vakuolen auf. Bemerkenswert sind auch noch
die Conuszellen, in Verbindung mit Porocyten, die Nadel-Spongin-Komplexe. Die Nadeln, im
modifizierten Pinakocyten, in das ausführende Präparationsgang herausgelöst, lassen einen or-
Kanalsystem integriert. ganischen Achsenfaden erkennen. Benachbarte
Porifera, Schwämme 53
Nadeln sind durch Spongin verkittet, das von der geschlechtlichen Fortpflanzung. Im Spät-
Spongioblasten, modifizierten Exopinakocyten, sommer bzw. Herbst weisen die Spongilliden in
zu den Nadeln hin ausgeschieden wird. der Regel Gemmula-Entwicklungsstadien auf.
In den Monaten Juni bis August aus freien Ge-
wässern gesammelte Spongilliden liefern Stadien
Abb. 29
Cnidaria, Nesseltiere
Cnidaria (Nesseltiere) haben die Oberfläche der Erde in einem besonders starken Ausmaß
geformt. Gesteinsbildend treten sie seit über 400 Millionen Jahren als „Korallen“ (ein etwas
unpräziser Begriff) in Erscheinung. In dieser langen Zeit lebten sie immer vorwiegend marin, und
als bleibende Reste dominieren die Kalkskelete der bodenlebenden Polypen einer Gruppe, der
„Blumentiere“ (Anthozoa). Bis ins 18. Jahrhundert wurden diese als Gestein interpretiert oder als
„Lithophyta“ (Steinpflanzen) dem Pflanzenreich zugeordnet. Die im freien Wasserkörper lebenden
Medusen (Quallen) treten fossil kaum in Erscheinung; ihr Körper kann bis zu 99% aus Wasser be-
stehen, so bei unserer einzigen Süßwassermeduse (Craspedacusta sowerbii).
Korallenriffe wurden im Paläozoikum von Tabulata (Abb. 29a) und Rugosa (Abb. 29b) aufge-
baut. Erstere sind mehrheitlich koloniebildend, letztere einzellebend. Im Devon kamen sie z.B. im
heutigen Rheinischen Schiefergebirge vor. Ende des Perm starben sie im Rahmen der größten
Katastrophe in der Geschichte der Tiere aus. Über 90% der marinen Fauna wurden damals aus-
gelöscht. Was uns blieb, sind die paläozoischen Riffe, z.B. der schwedischen Ostseeinsel Gotland
(Silur) und im Rheinland (Devon).
Im Mesozoikum (Erdmittelalter) entfalteten sich die Scleractinia, zu denen auch die Baumeis-
ter heutiger Riffe zählen. Auf der Schwäbischen Alb hat man aus der Zeit des Jura mehr fossile
Scleractinia-Arten gefunden als an irgendeinem anderen Ort in Europa. Abb. 29c zeigt die beson-
ders häufige Koralle Thecosmilia aus dem Jura.
Heutige Riffe stellen den artenreichsten und am stärksten strukturierten marinen Lebensraum
dar. Die Verbreitungskarte rezenter Riffe (Abb. 29d) täuscht darüber hinweg, dass die eigentliche
Fläche, die von lebenden Korallenriffen eingenommen wird, nur etwa 600 000 km2 groß ist. Auf
dieser Fläche liegen jedoch zahlreiche Nationen, deren Grund und Boden ausschließlich biogen
ist und im Wesentlichen von Korallen hergestellt wurde. Über 100 Staaten besitzen auf ihrem
Territorium Riffe.
Viele Korallen leben in Symbiose mit einzelligen Algen (Zooxanthellen: Symbiodinium). Da
deren Photosynthese rhythmisch abläuft und sich dieser diurnale und annuelle Rhythmus in der
Ausbildung des Kalkskelets niederschlägt, kann man heute z.B. auf die Anzahl der Tage in einem
devonischen Jahr schließen. Damals rotierte die Erde noch rascher als heute, und ein Jahr be-
stand aus 400 Tagen.
Riffe vergangener Jahrmillionen wurden im Rahmen von Meeresbodenhebungen und Gebirgs-
bildungen zu Land und sind heute wesentlich am Aufbau von Gebirgen beteiligt. In den Kalkalpen
kann man mancherorts noch Einzelheiten fossiler Riffe erkennen (Dachstein-Massiv, Dolomiten).
Die Entstehung moderner Riffe (Abb. 29e) hat der junge Charles Darwin in einem Geniestreich
erklärt. In einer knappen Darstellung beschrieb er die Genese von Atollen, Barriere- und Saumriffen.
Eine Tragödie unserer Tage ist die großflächige Zerstörung von Riffen, die vielfältige Gründe
hat, z.B. Überfischung, Meeresverschmutzung und Klimaerwärmung. Die dunklen Sektoren auf
Abb. 29d zeigen, in welchem Umfang Riffe beeinträchtigt sind.
Mehrere Gattungen der Cnidaria, insbesondere der Süßwasserpolyp Hydra, sind weit verbrei-
tete Modellorganismen, aus deren Analyse man sich Verallgemeinerungen für das gesamte Tier-
reich einschließlich des Menschen erhofft.
Gemischte Gefühle rufen bei vielen Menschen Medusen hervor. Die australische Cubomeduse
Chironex fleckeri wird als das giftigste Meerestier angesehen. Die verbreitete Ohrenqualle (Aure-
lia aurita) wird von vielen Badenden, z.B. an der Ostsee, als störend empfunden, kann bei Massen-
vorkommen auch Fischernetze verstopfen und als Nahrungskonkurrent von Fischen auftreten. Im
Fernen Osten werden Medusen, z.B. Rhopilema esculenta, in Tausenden von Tonnen alljährlich
gefangen und bereichern dort die Speisekarte.
56 Cnidaria, Nesseltiere
Cnidaria treten in zwei Erscheinungsformen den Epithelzellen liegen und mit einem cilienbe-
auf, als festsitzende Polypen und frei schwim- setzten Fortsatz die Epitheloberfläche erreichen,
mende Medusen. An ihrem Aufbau sind zwei und einem Netzwerk von bi- und multipola-
Epithelien beteiligt. Das äußere, das Ectoderm ren Nervenzellen in der Tiefe des Epithels. Es
(die Epidermis), bildet die Körperdecke, das durchzieht die netzförmigen Zwischenräume,
innere, das Entoderm (die Gastrodermis), die zwischen den Epithelzellen ausgespart sind.
umkleidet den Gastralraum. Beide sind stets Konzentrationen von Neuronen gibt es insbe-
einschichtig. Im einfachsten Fall befindet sich sondere bei Medusen, bei denen Nervenzellen
zwischen ihnen eine dünne, extrazelluläre Me- und ihre Fasern häufig zu strangartigen Bahnen,
sogloea (auch Stützlamelle genannt), die in die Schrittmacherneurone bei Scyphomedusen
ihrer Grundsubstanz aus Glykoproteinen (z.B. sogar ganglienartig angeordnet sind. Auch bei
Fibrillin und Laminin) und Proteoglykanen be- Polypen findet sich im „Kopf “ (so wird die
steht, in die Kollagen eingelagert ist. Aufgrund Region der Tentakel und des Hypostoms oft
ihrer Faserstruktur verleiht die Mesogloea dem bezeichnet) und im Bereich der Fußscheibe eine
Körper eine beträchtliche Zugfestigkeit bei Häufung von Nervenzellen. Ein Zentrum des
gleichzeitiger hoher Elastizität und Dehnbar- Nervensystems, das man als Gehirn bezeichnen
keit. Dieses einfache Schema vom Aufbau der könnte, gibt es bei den Cnidariern als radiär-
Cnidaria trifft für die Planula-Larven und Poly- symmetrisch organisierte Tiere jedoch nicht.
pen zu, die Medusen sind komplexer aufgebaut. Neben den zwischen den Epithelzellen ein-
Bei Medusen und Anthozoen ist die Mesogloea gestreuten sensorischen Neuronen, deren Ci-
durch Wassereinlagerung oft sehr voluminös. lium aus der Oberfläche der Epithelien hervor-
Sie kann durch Einwandern von Zellen aus dem ragt, befinden sich zu Sinnesorganen zusam-
Ectoderm den Charakter eines Bindegewebes mengefasste Gruppen sensorischer Neurone.
erlangen. Bei vielen Medusen findet sich in der Schweresinnesorgane und Augen findet man
Mesogloea epithelähnliches Gewebe, aus dem bei Medusen, auf Berührung und Vibrationen
quergestreifte Muskelzellen und Nervenzellen ansprechende Mechanoreceptoren auch bei Po-
hervorgehen, und das Mesotheca, Glockenkern lypen.
oder Entocodon genannt wurde. Die Epithel- Die Verteilung der Nährstoffe im Gastro-
zellen von Ectoderm und Entoderm sind basal vaskularsystem erfolgt durch den koordinier-
mit fingerförmigen Fortsätzen in der Mesogloea ten Schlag der Cilien der Gastroderm(muskel)
verankert und apikal durch septierte Junktionen zellen und durch die rhythmische Kontraktion
miteinander verbunden. und Expansion der Gastrodermkanäle. Die Aus-
Der Gastralraum ist nur selten ein einfacher bildung spezieller Atmungs- und Exkretionsor-
Sack, meist ist er ein durch Taschen oder Ka- gane erübrigt sich, da die beiden einschichtigen
näle kompliziertes Hohlraumsystem, das – da Epithelien direkt bzw. über die Mundöffnung
es nicht nur der Verdauung, sondern auch der mit dem umgebenden Wasser Kontakt haben,
Verteilung der Nährstoffe dient – als Gastro- wodurch die Versorgung mit Sauerstoff ebenso
vaskularsystem bezeichnet wird. Eine zweite leicht vonstatten geht wie die Ausscheidung von
Körperöffnung fehlt; der Mund dient auch zum CO2 und löslichen stickstoffhaltigen Endpro-
Ausstoßen unverdaulicher Nahrungsreste und dukten des Stoffwechsels.
partikulärer Stoffwechselprodukte. Die Cnidaria zeichnen sich durch den Besitz
Das Muskelsystem besteht aus längsparalle- von hoch differenzierten Nematocyten (syno-
len und aus ringförmig angeordneten Elemen- nym: Cnidocyten, Nesselzellen) aus. Diese for-
ten. Die für die Kontraktion verantwortlichen men in ihrem Inneren mithilfe ihres Golgi-Ap-
glatten Myofibrillen liegen oft in den spindel- parates das komplizierteste Sekretionsprodukt,
artig ausgezogenen Basen der Ectoderm- und das wir kennen: die Nematocyste (synonym:
Entodermzellen (Epithelmuskelzellen). Quer- Cnide, Nesselkapsel). Diese schleudert bei
gestreifte Myofibrillen finden sich bei Medusen Reizung explosionsartig einen langen, dünnen
in Muskelzellen der Mesogloea. Schlauch aus. Die Nematocysten dienen dem
Das Nervensystem besteht aus Sinnesnerven- Beutefang, der Abwehr von Fraßfeinden und
zellen (sensorischen Neuronen), die zwischen bisweilen dem vorübergehenden Haften auf ei-
Cnidaria, Nesseltiere 57
nem Substrat. Gemäß ihrer dominanten Funk- den Scyphozoen häufig regelmäßig miteinander
tion als Waffen zum Beutefang sind die meisten ab: An den Polypen entstehen ungeschlechtlich
abschussbereiten Nematocysten in den Fangar- Medusen, die, sich geschlechtlich fortpflanzend,
men der Polypen oder Medusen lokalisiert. wieder Polypen hervorbringen (Generations-
Nematocyten werden nicht am Ort ihres wechsel: Metagenese). Die meist kleinen Me-
Verbrauchs hergestellt, sondern in entfernten dusen der Hydrozoa (Hydromedusen) entste-
Körperregionen, und wandern, voll entwickelt, hen normalerweise durch Knospung an einer
von dort auf die Tentakel. Da sie nur einmal Polypenkolonie. Die Polypen der Scyphozoa
gebrauchsfähig sind, müssen die Cnidarier zeit- sind größer als die der Hydrozoa, die Medu-
lebens neue herstellen. Sie gehen bei den Hydro- sen (Scyphomedusen) ebenfalls und bisweilen
zoen aus kleinen, teilungsfähigen Stammzellen sehr differenziert. Die Anthozoen treten nur als
(Nematoblasten) hervor, die sich in den Zwi- Polypen auf. Oft leben bei Hydro- und Scypho-
schenräumen zwischen den Epithelzellen des zoa die Polypen nach der Medusenknospung
Ectoderms befinden und daher interstitielle weiter. Daher wird die Meduse mitunter auch
Stammzellen heißen. als das letzte Stadium einer Normalentwicklung
Die an ihrem Zielort aufgestellte Nematocyte angesehen.
weist mit ihrem sensorischen Apparat (Cnido- Ungeschlechtliche Fortpflanzung ist bei den
cil), einem Cilium, das von einem Kranz von Polypen weit verbreitet; sie führt, meist in der
Mikrovilli umstellt ist, über die Körperober- Form einer Knospung, zur Entstehung neuer,
fläche in die Außenwelt; bisweilen ist die Ne- sich ablösender Polypen. Häufig bleibt der Zu-
matocyte von weiteren sensorischen Zellen sammenhang bewahrt und führt zur Bildung
umgeben oder steht in synaptischem Kontakt von Tierstöcken oder Kolonien. In den Tier-
zu Nervenzellen. In ihrem Inneren beherbergt stöcken, insbesondere der Anthozoen, kommt
die Nematocyte die ovale, flüssigkeitserfüllte es meist zu Skeletbildung. Das Skelet kann
Nesselkapsel, in der sich – präzise aufgewun- als Exo- oder Endoskelet ausgebildet sein und
den – ein feiner Schlauch befindet. Bei Rei- mächtige Ausmaße erreichen (Riffkorallen).
zung des Cnidocils „explodiert“ die Kapsel, d.h. Die Eier entwickeln sich nach (meist) totaler
der Hohlfaden wird blitzschnell, indem er sich Furchung zu einer bewimperten Blastula, die
handschuhfingerartig umstülpt, durch den In- sogleich oder nach ihrer Weiterentwicklung zur
nendruck ausgeschleudert. Wir kennen etwa Planula-Larve freigesetzt werden kann. Oft er-
30 Nematocystentypen. Bei einigen der Kapsel- folgt die Planula-Entwicklung im freien Wasser,
typen wird ein – vermutlich im Schlauchinne- wo auch die Befruchtung stattfindet. Während
ren eingelagertes – Gift frei, das die Beutetiere sich die Blastula zur längsovalen Planula streckt,
rasch lähmt und schließlich tötet (s. S. 62). gliedert sie sich durch Sonderung der Zellen in
Neben mehr oder weniger hochmolekularen eine äußere und eine innere Schicht (Delamina-
Peptiden, die für die Toxizität verantwortlich tion, Kompaktation) oder durch Einwanderung
sind und die Hauptmasse des Giftes ausma- von Zellen aus der Außenschicht (unipolare
chen, wurden Histamin, Serotonin und Pros- oder multipolare Ingression), selten auch durch
taglandine gefunden. Die Cniden der meisten Einstülpung (Invagination, bei einigen Antho-
Nesseltiere können die menschliche Haut nicht zoen beobachtet) in Ectoderm und Entoderm.
durchdringen, doch gibt es Arten, die äußerst Außerdem entsteht während dieses Prozesses
schmerzhaft nesseln und deren Gift zu Aus- die Mesogloea. Die bewimperte Planula kann
schlägen, Geschwüren und zum Gewebezerfall im Entoderm bereits interstitielle Zellen und
führt. Der Kontakt mit den Tentakeln der See- Nematoblasten enthalten, welche später an un-
wespe (Chironex fleckeri), einer Cubomeduse, terschiedliche Orte im Ectoderm einwandern.
die an den Küsten Nordaustraliens vorkommt, Die Planula setzt sich mit ihrem Vorderpol fest
kann innerhalb von wenigen Minuten zum Tod und wandelt sich zum Polypen um. Dessen
durch Herzstillstand führen. Mund und Tentakel werden aus der hinteren
Die zwei Hauptformen der Cnidaria, der fest- Region der Larve geformt. Hydra entwickelt sich
sitzende Polyp und die meist frei bewegliche untypischerweise unter Umgehung des Larven-
Meduse (Qualle) wechseln bei Hydrozoen und stadiums direkt zum Polypen.
58 Cnidaria, Nesseltiere
Abb. 31 Längsschnitt durch Hydra viridissima, schematisch. Zellkerne im Ectoderm nicht eingezeichnet
kel schwankt bei den verschiedenen Arten, aber region, abgesetzt sein. Bei Hydra oligactis ist die
auch je nach Ernährungs- und Umweltbedin- Stielbildung besonders ausgeprägt, bei Hydra vul-
gungen zwischen 4 und 12. garis ist der Durchmesser des Körperschlauchs in
Am entgegengesetzten Pol heftet sich der Po- der Stielregion lediglich geringfügig verringert.
lyp mit einem von den Zellen der Fußscheibe Aus morphologischen und entwicklungsge-
abgeschiedenen, klebrigen Sekret an Wasser- schichtlichen Gründen unterscheidet man fünf
pflanzen fest. Das innerhalb der Tentakelkrone Regionen am Körper von Hydra: Die „Kopf “-
gelegene Mundfeld ist zu einem kleinen Hügel region mit Hypostom und Tentakeln, die Gastral-
emporgewölbt, dem Hypostom, auf dessen Spitze region (sie nimmt den größten Raum ein), die
die meist fest verschlossene und daher schwer Knospungszone, den Stiel und die Fußregion. In
erkennbare Mundöffnung liegt; sie erweist sich der Gastralregion vermehren sich die intersti-
beim Schlingakt als erstaunlich erweiterungs- tiellen Stammzellen. Sie liefern zu 10% intersti-
fähig. Das Innere des Schlauches wird von einem tielle Zellen, die sich zu Nervenzellen differen-
einzigen großen Hohlraum, dem Gastralraum, zieren, und zu 30% solche, die zu Nematoblas-
eingenommen; er sendet Ausläufer in die Ten- ten und schließlich zu Nematocyten werden.
takel. Der Abschnitt des Körpers unterhalb der Die restlichen 60% ergeben wieder interstitielle
Knospungsregion kann als ein dünner Stiel gegen Stammzellen. In der Gastralregion findet auch
den oberen Abschnitt, die Magen- oder Gastral- die Nematocytendifferenzierung statt. In der
I. Hydrozoa: Hydroidpolypen 61
Kopf- und in der Fußregion differenzieren sich Gut kann man die beiden Körperschichten
aus den interstitiellen Stammzellen ausschließ- unterscheiden: Das Ectoderm ist heller, durch-
lich Nervenzellen. Die Dichte des Nervennetzes sichtiger, das Entoderm durch Nahrungs- und
ist dort besonders hoch. Sekreteinschlüsse getrübt. Besonders deutlich
Hydra kann in hohem Maße ihre Körperge- ist der Unterschied bei Hydra viridissima, wo
stalt verändern. nur das Entoderm die namengebende, durch
symbiotische Zoochlorellen bedingte Grünfär-
• Leicht auf das Deckglas klopfen. Bei jeder Er-
bung aufweist. Abb. 32 zeigt den zellulären Auf-
schütterung zieht sie sich schnell auf einen
bau der Körperwand von Hydra.
Bruchteil ihrer Länge, bis zur Kugelform, zu-
An der Oberfläche stoßen die einzelnen Ecto-
sammen, um sich dann langsam wieder aus-
dermzellen dicht aneinander und rufen dadurch
zustrecken, eine Bewegung, an der auch die
eine aus unregelmäßigen Vielecken bestehende
Tentakel gleichsinnig teilnehmen. Außerdem
Felderung hervor (Abb. 35). Etwas unter der
sind ein gelegentliches Abbiegen des Körpers
Oberfläche sind sie pfeiler- oder wurzelartig aus-
und Einkrümmen der Tentakel zu beobachten.
gezogen, sodass zahlreiche, miteinander kommu-
• Um die zwei Formen des aktiven Ortswechsels
nizierende Hohlräume, die interstitiellen Räume,
von Hydra zu studieren, diese in Blockschäl-
ausgespart bleiben. In ihnen liegen in großer
chen unter dem Stereomikroskop beobachten.
Zahl kleine, amöboid bewegliche Zellen, die in-
(1) Sie kann durch Überschlag („Salto“) einen terstitiellen Zellen; sie entstehen während der
neuen Standort aufsuchen. Kopf und Tentakel Entwicklung früh aus embryonalen Entoderm-
biegen sich zur Seite und zum Substrat herab. Die zellen und weisen embryonalen Charakter auf.
Tentakel haften durch Ausschleudern klebriger Sie durchqueren in der späten Embryonalent-
Fäden aus den Kapseln eines besonderen Nema- wicklung (bei anderen Hydrozoen während der
tocystentyps (Isorhizen, Abb. 34) am Substrat, Metamorphose der Planula zum Primärpolypen)
während sich die Fußscheibe umgekehrt vom die Mesogloea und siedeln sich in den Intersti-
Substrat löst. Nun biegt sich der Körper zur Seite tien des Ectoderms an. Sie können sich zu Nema-
und heftet den Fuß an anderer Stelle wieder an. tocyten, Nervenzellen und auch zu Geschlechts-,
Dann werden durch Ausstoßen der Nesselkap- nicht aber zu Epithelmuskelzellen differenzieren.
seln die Tentakel wieder vom Substrat gelöst, und Der Teil der Nematocyte, in dem die Kapsel
der ganze Vorgang kann von neuem beginnen. (Nematocyste) liegt, wird von einer Epithelmus-
kelzelle umhüllt; die apikale Oberfläche der Ne-
(2) Hungernde Hydren lösen sich oft vom Un- matocyte trägt nur das Cnidocil.
tergrund und schweben zur Wasseroberfläche Die Kapsel ist ein relativ großes Bläschen von
empor. Dort biegen sie ihren Fuß hoch und eiförmiger oder zylindrischer Gestalt. Sie liegt
kleben sich mit ihren Drüsen an der Unterseite im Inneren der Nematocyte und wird von einer
der Wasseroberfläche fest. Sie lassen sich dann äußeren stärkeren und elastischen sowie einer
kopf-unter, an der Wasseroberfläche schwim- zarten, inneren Wand umschlossen. Die äu-
mend, umhertreiben und ihre Tentakel als ßere Wand bildet oben einen Deckel, die innere
Angelschnüre herabhängen. Stößt man die Po- schlägt sich hier in Gestalt eines langen, mehr
lypen unter die Wasseroberfläche, bleibt am Fuß oder weniger aufgerollten, dünnen Schlauches
eine Luftblase hängen, die als Gasballon den ins Innere um. Struktur und Länge des Schlau-
Körper sogleich wieder an die Wasseroberfläche ches sind für die verschiedenen Kapseltypen
zurückträgt. Weil sich unter der Gasblase inmit- charakteristisch. Er kann an seiner Basis mit Sti-
ten der Fußscheibe ein in den Gastralraum füh- letten und Lamellen oder entlang seiner ganzen
render Porus befindet, gibt es die Vorstellung, Länge mit feinen Fortsätzen bewehrt sein.
Hydra könne durch aktives Ausscheiden von Das im Lichtmikroskop als feine Borste er-
CO2 aus dem Gastralraum selbst eine Gasblase kennbare Cnidocil erweist sich im Elektronen-
erzeugen und so durch Senken des spezifischen mikroskop als hochdifferenziert: Eine starre Ci-
Gewichts Auftrieb erzeugen. Unterstützt wird lie mit 9 + 2-Muster der Mikrotubuli steht im
das Hochschweben durch gelegentliches langsa- Zentrum zahlreicher, regelmäßig angeordneter
mes Schlagen der Tentakel. Stereocilien. Bei letzteren handelt es sich um
62 Cnidaria, Nesseltiere
Abb. 32 Längsschnitt durch die Körperwand von Hydra. Bei den vielen subapikalen Bläschen im Ectoderm
handelt es sich um Vesikel, welche die Glykocalyx absondern. (Nach TARDENT)
Mikrovilli, die in ihrem Inneren Mikrofilamente Der zweite Typ sind die Wickelkapseln, die
enthalten. Desmonemen (Volventen; Abb. 34, 35). Sie
Man findet bei Hydra verschiedene Nemato- sind eiförmig; der kurze Faden ist nur wenig
cysten (Abb. 33–35): aufgewunden. Nach der Explosion umwinden
Die größten, die Durchschlagskapseln, die ihre ausgeschleuderten Fäden Haare und Bors-
Stenotelen (Penetranten; Abb. 33, 35) werden ten der Beutetiere und halten sie so fest, bis sie
vor allem gegenüber Beutetieren mit glatter, fester der Wirkung der Stenotelen erlegen sind. Die
Cuticula eingesetzt. Die Wand ihrer Schlauchba- Desmonemen sind die kleinsten Nematocysten.
sis ist verstärkt und im Inneren mit drei spitzen Beim dritten Typ handelt es sich um Haftkap-
Stiletten bewehrt und außerdem mit drei Reihen seln (Glutinanten oder Isorhizen), die in zwei
schraubig angeordneter Lamellen ausgestattet. Bei Formen vorkommen (als sog. holotriche und
Anwesenheit von Stoffen, die von den Beute- atriche Isorhizen, Abb. 34, 35). Sie sind schlank
tieren in das Wasser diffundieren und auf die zylindrisch; der sehr lange Faden ist in der Kap-
Chemoreceptoren ansprechen, führt mechanische sel stark geknäuelt. Nach dem Ausschleudern ist
Reizung des Cnidocils zur Explosion der Kapsel: er gestreckt. Die Isorhizen sondern ein klebriges
Der Deckel springt auf, der Schlauch stülpt sich Sekret ab und spielen weniger beim Beutefang
nach außen um, und die vorschnellenden und als bei der Ortsbewegung von Hydra eine Rolle
sich spreizenden Stilette reißen ein Loch in die (wie zuvor auf S. 61 beschrieben).
Cuticula, durch das dann der Rest des Schlauches Die einzelnen Kapselformen sind über den
eindringt und sein Gift entleert. Der gesamte Ent- Körper und die Tentakel ungleichmäßig ver-
ladungsvorgang dauert nur 3 Millisekunden. Das teilt. Die besonders stark bewehrten Tentakel
Gift der Stenotelen führt zur raschen Lähmung enthalten in jeder Ectodermzelle („Batteriemut-
und schließlich zum Tod der Beutetiere. terzelle“) eine ganze Batterie von Nematocysten
I. Hydrozoa: Hydroidpolypen 63
Cnidocil Stenotele
Desmonemen Sinneszelle
Isorhize
Mesogloea Batteriezelle
(Abb. 35), wobei die hochgewölbte Mitte von kalen Bereich der Zellmembraneinstülpungen,
1–2 Stenotelen eingenommen wird, die von ei- sodass sie wie in einer Schießscharte die Ober-
nigen Isorhizen und zu äußerst von einem gan- fläche des Epithels erreichen. Jede Nematocyste
zen Kranz von Desmonemen umgeben werden. funktioniert nur einmal. Die Nematocyte stirbt,
Bei der Art Hydra vulgaris zählt man beispiels- wenn die Kapsel ausgerissen ist, ab oder gelangt
weise 1–2 Stenotelen, 2–3 Isorhizen und 14–18 nach der Explosion ihrer Kapsel in den Gastral-
Desmonemen in jeder Batteriemutterzelle. raum und wird vom Entoderm verdaut; an ihre
Der Entstehungsort der Nematocyten ist das Stelle wandert eine neu gebildete ein.
Ectoderm der mittleren Körperregion. Hier Die Ectodermzellen sind, ebenso wie die
bilden sie sich aus interstitiellen Zellen. Diese Zellen des Entoderms, basal in der Mesogloea
teilen sich und bilden Nester von bis zu 32 verankert. An ihrer Oberfläche sezernieren sie
Nematoblasten, die zunächst noch mittels cyto- schleimige Glykoproteine, die sie schützend
plasmatischer Brücken miteinander verbunden überziehen. Die Drüsenzellen der Fußscheibe
bleiben. Nach Abschluss der Teilungen bilden sondern klebrige Glykoproteine ab, die ein Haf-
die Zellen in ihrem großen Golgi-Apparat in ten an der Unterlage oder der Oberflächenhaut
der Nachbarschaft zu zwei Centriolen und unter des Wassers ermöglichen.
dem Dach von Mikrotubuli die Nesselkapsel. Zwischen den Epithelmuskelzellen sind, was
Während die Kapsel fertig gestellt wird, trennen an unserem Präparat aber nicht erkennbar ist,
sich die – nun Nematocyten genannten – Zellen schlanke Sinneszellen in Form sensorischer Neu-
und begeben sich in die Tentakel. rone eingestreut. Sie sind mit einem Kinocilium
In den Tentakeln werden die Nematocyten bei als receptorischem Fortsatz ausgerüstet und ste-
Hydra in ganz eigenartiger Weise in Schussposi- hen an ihrer Basis mit dem Nervennetz in Verbin-
tion gebracht: Sie lassen sich von ectodermalen dung. Die kleinen bi- und multipolaren Nerven-
Epithelzellen, den Batteriezellen, in Einstülpun- zellen liegen mitsamt ihren Fortsätzen, den Axo-
gen der Zellmembran aufnehmen. Neurone nen und Dendriten, den muskulären Teilen der
können synaptische Kontakte zu Nematocyten ectodermalen Epithelmuskelzellen auf. Die Axone
bilden. Nematocyten sind unabhängige Effek- enden an den Basen der Nematocyten und an den
toren und können selbst auf Reize reagieren. kontraktilen Fortsätzen der Epithelmuskelzellen
Damit dies möglich wird und der Faden ausge- beider Keimblätter. Im Bereich der Gastrodermis
schleudert werden kann, rücken sie in den api- finden sich nur wenige Nervenzellen.
64 Cnidaria, Nesseltiere
Nesselfaden
Die Zellen der Gastrodermis sind von zweierlei
Art: Nährzellen und Drüsenzellen. Die Nähr-
zellen sind durch den Reichtum an Nahrungsva-
Cuticula
kuolen und durch ein Geißelpaar ausgezeichnet.
Operculum
An der Basis bilden auch sie Muskelfibrillen aus,
die aber zirkulär verlaufen, bei Kontraktion so-
mit den Körper schlank und lang werden lassen.
Die Drüsenzellen sind weniger zahlreich, schlan-
ker und entbehren zum Teil der Geißeln. Von
Kapselwand Stilett Lamellen ihnen gibt es zwei Typen: Die einen produzie-
ren schleimige Sekrete, die das Darmepithel vor
Verletzungen und vor den Verdauungsenzymen
schützen, die vom zweiten Drüsentyp sezerniert
werden. Die Verdauung der aufgenommenen
Nahrung findet zunächst extrazellulär, im Inne-
ren des stark erweiterungsfähigen Gastralraumes
unter der Einwirkung der protein-, fett- und
chitinspaltenden Enzyme statt, die das Gewebe
der Beutetiere zersetzen. Bereits gelöste Nah-
rungsstoffe werden von den Nährzellen resor-
biert, Partikel phagocytiert. Die Verdauung wird
also intrazellulär zum Abschluss gebracht. Die
Abb. 34 Cniden a Phasen der Entladung einer Ste- unverdaulichen Reste werden durch die Mund-
notele, deren Stilettapparat ein Loch in die Cuticula öffnung ausgestoßen. Die Nährzellen vermögen
eines Beutetieres schlägt. Das Vorschnellen der Sti- auch Reservestoffe (Glykogen, Lipide, Proteine)
lette nach Öffnen des Operculums erfolgt in weniger zu speichern. Zur Deckung des Stoffwechsels al-
als 10 Mikrosekunden. Durch die entstandene Öff-
ler übrigen Zellen geben sie Grundbausteine der
nung wird der giftführende Nesselfaden in das Beu-
tetier gestülpt. (Nach HOLSTEIN). b Rasterelektonen- Nahrungsstoffe in den Interzellularraum ab.
mikroskopisches Bild: Die abgeschossene Cnide ist
in die Epidernis eines Fisches eingeschlagen (Foto: • Hungrige Hydren unter dem Deckglas mit
Thomas HEEGER, Cebu City, Philippinen) Daphnien füttern.
Es gibt unter den Süßwasserpolypen getrennt- Schale (Embryothek), und der Keim löst sich ab
geschlechtliche und hermaphroditische Arten. und fällt zu Boden. Nach einiger Zeit platzt die
Bei den zwittrigen – sie sind meist protandrisch, Schale und gibt einen nahezu vollständig ent-
d.h. die Hoden treten (bis zu mehreren Wochen) wickelten Polypen frei.
früher auf als die Ovarien – entwickeln sich die
Hoden im oberen Abschnitt der Magenregion,
• Bei Hydren mit reifen Hoden die Spermien
durch vorsichtiges Zerzupfen freilegen.
die Ovarien im unteren. Der Stiel ist in jedem
Fall gonadenfrei. Die Gonaden bestehen aus lo- Sie bestehen aus einem stark lichtbrechenden
kalen Anhäufungen interstitieller Zellen des Ec- Köpfchen und einer sehr zarten, langen Geißel.
toderms, die sich vergrößern und zu Oogonien Häufig wird man bei Hydra auf der Kör-
bzw. Spermatogonien werden. Dies trägt zur peroberfläche Ciliaten herumkriechen sehen,
Auswölbung der Gonaden bei. Die Spermatogo- ohne dass dadurch eine Explosion der Nema-
nien der Hodenanlagen entwickeln sich zu einer tocysten ausgelöst wird. Es handelt sich um
großen Zahl von Spermien. Oocyten phagocy- Arten, die fast ausschließlich auf Hydra leben.
tieren zu Nährzellen umgestaltete interstitielle Eine von ihnen ist die „Polypenlaus“, Trichodina
Zellen und nehmen amöboide Gestalt an. Das pediculus. Eine andere häufig anzutreffende Art
reife, kugelige Ei durchbricht die Ectodermzel- ist Kerona polyporum (Abb. 36b).
len, wird aber von ihnen wie in einer kleinen Bemerkenswert ist die große Regenerations-
Schüssel festgehalten. Befruchtung und totale fähigkeit von Hydra. Man kann ein Individuum
Furchung erfolgen am Körper des Muttertie- in mehrere Stücke zerschneiden, jedes regene-
res. Nach der Gastrulation entsteht eine kräftige riert wieder zu einem vollständigen Tier.
Proboscis Mundöffnung
Oraler Tentakel
Geschlechtszellen
Ectoderm
Mesogloea
Gonophoren
Entoderm
Magenhöhle
Spadix
Aboraler Tentakel
Entodermwulst Mesogloea
• Zum Schluss dem Präparat 0,2%ige, mit Me- mit der Mundöffnung endet. Die Tentakel sind
thylgrün angefärbte Essigsäure zusetzen, wo- in zwei Kränzen angeordnet, der eine – tiefer
durch die Nematocysten zur Explosion kom- gelegene – mit etwa 20 größeren, der andere mit
men. ebenso vielen oder etwas weniger, kleineren Ten-
• Die Mazeration kann in Bela-Hallerscher takeln um die Mundöffnung herum; sie werden
Flüssigkeit vorgenommen werden, einem Ge- aborale und orale Tentakel genannt.
misch aus Eisessig (1 Teil), Glycerin (1) und Bei adulten Exemplaren entspringen etwas
Wasser (13). Man geht folgendermaßen vor: oberhalb vom aboralen Tentakelkranz als trau-
eine Hydra wird auf einen sauberen Objekt- benförmige Bildungen an kurzen Stielen sit-
träger gegeben, das Wasser entfernt und durch zende Gonophoren (s. S. 59), abweichend ge-
2 bis 3 Tropfen der Bela-Hallerschen Flüssig- staltete Individuen, die die Geschlechtszellen
keit ersetzt. Nach 30–60 Sekunden wird die bilden (Abb. 36).
Mazerationsflüssigkeit mit Zellstoff sorgfältig Die Gonophoren der vorliegenden Art blei-
abgesaugt. Nun überschichtet man das Prä- ben am Polypen sitzen, sind also sessil. Durch
parat mit einer wässerigen Methylgrün- oder Vergleich verschiedener Präparate lässt sich die
Methylviolettlösung, lässt den Farbstoff einige Ausbildung der Gonophoren verfolgen: Die
Minuten lang einwirken, saugt wiederum ab kurzen Stiele treiben zunächst kleine Seiten-
und gibt frisches Wasser zu. Schließlich wird knospen aus, die Anlagen der künftigen Gono-
sehr vorsichtig ein Deckglas aufgelegt und, phoren, deren Wandung, wie die des Polypen
wenn die Hydra nicht schon jetzt in Zellen und des Stiels, aus Ectoderm, Mesogloea und
und Zellgruppen zerfallen ist, mit der Spitze Entoderm besteht. Am freien Ende drängen aus
der Präpariernadel auf das Deckglas getupft. interstitiellen Zellen hervorgegangene Gameto-
Das Ergebnis ist überraschend: Man kann gonien nach innen und bilden eine Masse, die
meist alle Zelltypen identifizieren. sich kappenförmig um den als Spadix bezeich-
• Zum Verständnis des mikroskopisch-anatomi- neten Entodermkegel herumlegt. Aus dieser
schen Aufbaus empfiehlt es sich ferner, ge- abgeschnürten Gametogonienmasse entwickeln
färbte Querschnitte von Hydren, die mit Ruß- sich die Geschlechtszellen, und zwar in einem
gelatine gefüttert wurden, zu mikroskopieren. Polypen entweder nur männliche oder nur
weibliche. Die weiblichen Gonophoren enthal-
ten einige Eier, die in der Weise entstehen, dass
2. Tubularia larynx eine Anzahl von Keimzellen verschmelzen, aber
nur ein Kern bestehen bleibt, der zum Eikern
• Mit Boraxkarmin gefärbte Präparate von gan- wird. Das befruchtete Ei lässt noch innerhalb
zen Polypenköpfchen sowie Längsschnitte des Gonophors eine kleine, mit einigen Tenta-
durch die Köpfchen mikroskopieren. keln ausgestattete Larve entstehen, die Actinula,
die aus der von drei oder vier Höckern umstell-
Diese auch in der Nordsee vorkommende Form ten Öffnung am freien Ende des Gonophors
bildet individuenreiche, durch Knospung ent- ausschlüpft. Die Larve setzt sich bald darauf fest
standene Stöckchen von etwa 7cm Höhe. An den und wandelt sich in einen Polypen um, den Pri-
Totalpräparaten erkennt man, dass die Gliede- märpolypen einer künftigen Kolonie.
rung der Einzelpolypen in Köpfchen (Hydranth)
und Stiel (Hydrocaulus) deutlich ausgebildet ist
• Den feineren Bau von Tubularia larynx am
besten an Längsschnitten einzelner Polypen-
und dass der Stiel von einer vom Ectoderm ab-
köpfchen untersuchen (Abb. 36).
geschiedenen, röhrenförmigen Hülle (Periderm,
Perisark) aus chinongegerbten Glykoproteinen An den Präparaten fällt zunächst ein ringförmi-
und Chitinmikrofibrillen umgeben und gestützt ger Wulst auf, der in Höhe der aboralen Tenta-
wird. Sie wird von innen laufend verstärkt und kel den inneren Hohlraum zu einem schmalen
endet unterhalb des Köpfchens, das also nicht Kanal verengt. Der Wulst, eine Besonderheit der
geschützt wird (Athecata). Das rundliche Köpf- Gattung Tubularia, entsteht durch Umbildung,
chen sitzt dem Stiel breit auf und zieht sich nach vor allem Vakuolisierung von Entodermzellen.
oben in eine Art Rüssel (Proboscis) aus, der Er ist allseitig von der Mesogloea umschlos-
I. Hydrozoa: Hydroidpolypen 67
sen und sowohl gegen das axiale Entoderm der eine sehr charakteristische Ringelung aufweist.
Tentakel als auch gegen das den Gastralraum Die Hydrotheca gewährt dem zurückziehbaren
auskleidende Entoderm abgegrenzt. Polypenköpfchen Schutz. Im Präparat sind mut-
Die Tentakel werden von großen, unregel- maßlich einige der Köpfchen gänzlich in sie
mäßig in mehreren Reihen angeordneten Ento- eingezogen, während andere mit ausgestreckten
dermzellen erfüllt. Nach außen folgen die Stütz- Tentakeln aus der Hydrotheca hervorragen.
lamelle und das Ectoderm mit seinen zahlrei- Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man
chen Nesselzellen. innerhalb der Hydranthenstiele, den von ein-
Im oberen Abschnitt des Gastralraumes er- schichtigem Entoderm ausgekleideten Kanal,
hebt sich das Entoderm zu Längsfalten. Der der die ganze Kolonie durchzieht und sich in-
Kanal, der die Magenhöhle des Hydranthen mit nerhalb eines jeden Polypenköpfchens zum Ma-
dem den ganzen Stiel durchsetzenden Hohlraum genraum erweitert, in dessen Bereich die Ento-
verbindet, erweitert sich unmittelbar unterhalb dermzellen besonders hoch sind. Außen liegt,
des Entodermwulstes, was äußerlich in einer durch die Mesogloea vom Entoderm getrennt,
ringförmigen Anschwellung, dem „Knopf “, zum das Ectoderm, das sich manchmal bereits im
Ausdruck kommt. Leben, regelmäßig aber im Zuge der Fixierung,
Die von den einzelnen Hydranthen aufge- vom Periderm zurückzieht; es bleibt nur hier
nommene und zu Partikeln vorverdaute Nah- und da durch seitliche Ausläufer mit dem Peri-
rung wird – bei allen stockbildenden Hydrozoen derm in Verbindung. Im untersten Abschnitt
– durch starke Kontraktionen der Polypen in einer jeden Hydrotheca bildet das Periderm eine
den Hydrocaulus gepumpt und so den Epithe- ringförmige Querwand (Diaphragma), auf der
lien der Röhren und auch anderen Hydranthen die durch einen Ectodermwulst verbreiterte Ba-
zugänglich gemacht. sis des Polypenköpfchens aufsitzt (Abb. 37).
Der obere, die Mundöffnung tragende Ab-
schnitt des Hydranthen ist zu einem typi-
3. Laomedea flexuosa schen Rüssel verschmälert, der von drüsigen,
ein Gleitmittel absondernden Entodermzellen
Diese in der Nord- und Ostsee häufige Form ausgekleidet wird. Dem unteren, erweiterten
gehört zu den Thecata: Die Peridermhülle des Abschnitt des Hydranthen sitzt ein einfacher
Stieles erweitert sich zu Bechern (Hydrothe- Kranz fingerförmiger Tentakel auf. Im Ecto-
cae), die die Hydranthen umgeben. derm der Tentakel sieht man zahlreiche, etwas
Laomedea flexuosa bildet aufrecht stehende vorspringende Nematocyten; die solide Achse
Kolonien, die sympodial wachsen. Bei sympo- wird von in einer Reihe geldrollenartig angeord-
dialem Wachstum bildet die Spitze der Kolo- neter Entodermzellen gebildet.
nie einen Hydranthen. Dann entsteht proximal Die Gonophoren entstehen als seitliche Aus-
am Hydranthenstiel eine Knospenspitze, die ein buchtungen an einem aus Ecto- und Entoderm
Stück weit das Längenwachstum übernimmt bestehenden Stiel, dem sog. Blastostyl. Oben
und sich dann zu einem Hydranthen differen- erweitert sich das Blastostyl und schließt mit
ziert. Monopodiales Wachstum findet man z.B. einer breiten, ectodermalen Endplatte ab. Die
bei Dynamena pumila (Thecata). Dabei bleibt Gonophoren von L. flexuosa sind als stark rück-
die wachsende Spitze der Kolonie stets undif- gebildete Medusen zu betrachten, und zwar die
ferenziert, während proximal in regelmäßigen weiblichen als heteromedusoide, die männli-
Abständen Hydranthenknospen gebildet wer- chen als styloide Gonophoren (vgl. Abb. 30
den. Bei Laomedea enden alle Seitenzweige ent- und 37). Die Kolonien sind getrenntgeschlecht-
weder in Hydranthen oder in Gonangien, das lich. Die weiblichen Gonophoren enthalten je
sind von Periderm, von einer Gonotheca, um- ein großes Ei, aus dem sich eine Planula-Larve
hüllte Kapseln, die eine Anzahl von Geschlecht- entwickelt.
sindividuen (Gonophoren) einschließen. Gono- Eine andere, auf Braunalgen (Laminaria) sehr
theca und Hydrotheca stellen eine unmittelbare häufige Art einer nahe verwandten Gattung,
Fortsetzung des den Hydrocaulus umgebenden Obelia geniculata, bildet wenig verzweigte Ko-
Peridermrohres dar, das im Bereich ihrer Stiele lonien. Das Periderm zeigt bei ihr unterhalb
68 Cnidaria, Nesseltiere
Mesotheca Ectoderm
Mesogloea
Entoderm
Radialkanal
Gonade
Manubrium
Ringkanal
Nervenringe
Abb. 38 Hydromeduse, der etwas mehr als ein Quadrant ausgeschnitten ist. Schematisiert. (Nach PARKER
und HASWELL, verändert)
Magenstiel oder Manubrium bezeichnet. Der Schicht, die aus flächig abgeplatteten Epithel-
Gastralraum gliedert sich in einen Magen, der zellen besteht. Die quergestreiften Muskelzellen
sich entweder auf den Magenstiel beschränkt vollführen die rhythmischen Schwimmbewe-
oder bis in den Schirm hinaufzieht und sich hier gungen der Glocke und sind bei entsprechender
sackartig erweitert, und in die von seinem obe- optischer Ausrüstung des Mikroskops (Phasen-
ren Ende zur Peripherie des Schirmes ziehenden kontrast oder Interferenzkontrast) auch in le-
Radialkanäle (ursprünglich 4 an Zahl) samt dem benden, ungefärbten Medusen zu sehen.
sie verbindenden, in der Peripherie des Schirmes Die Kanäle des Gastrovaskularsystems sind
liegenden Ringkanal (Abb. 38, 39). von entodermalem Geißelepithel ausgekleidet.
Die Glocke der Meduse ist meistens aus 4 zel- Wie bei den Hydroidpolypen an der Grenze
lulären und 3 azellulären Schichten aufgebaut. von Körperwand und Peristom, so finden sich
Den äußeren Abschluss bildet das Ectoderm auch bei den Hydromedusen an entsprechender
der Exumbrella. Es besteht aus stark abgeplatte- Stelle, also am Schirmrand, hohle oder solide,
ten Zellen, die keine kontraktilen Fibrillen ent- mit Nematocyten ausgerüstete Tentakel. Nema-
halten, und Nematocyten. Es folgt die nichtzel- tocyten finden sich bei den Medusen nicht nur
luläre äußere Mesogloea, eine recht massige, aus an den Tentakeln, sondern auch im gesamten
Proteoglykanen, Glykoproteinen, verschiedenen Bereich der Glocke und an der Mundöffnung.
Kollagenen und viel Wasser bestehende Gallerte. In Übereinstimmung mit dem frei beweg-
Als mittlere, zelluläre Schicht folgt die Meso- lichen Leben entwickelte Strukturen sind das
theca, die mit den Radialkanälen verbunden ist. Velum und die an der Peripherie des Schirmes
Darauf folgt eine azelluläre innere Mesogloea, sitzenden Sinnesorgane. Das Velum ist ein iris-
die nicht so stark wie die äußere Mesogloea blendenartiger Vorsprung des Schirmrandes. Es
ist. In der Nähe der inneren Oberfläche und dient zusammen mit der Subumbrella als Bewe-
von ihr durch eine schmale Mesogloea-Schicht gungsorgan und hat wie diese eine gut ausge-
getrennt befindet sich bei vielen Medusen eine bildete Muskulatur. Durch eine kräftige Kon-
Schicht quergestreifter Muskelzellen. Die innere traktion der subumbrellaren, quergestreiften
Begrenzung der Glocke bildet eine zelluläre Muskulatur wird das Wasser aus der Glocken-
70 Cnidaria, Nesseltiere
höhle bei gleichzeitiger Verengung der zentralen bei denen die Keimzellen vielleicht aus Epi-
Öffnung des Velums ausgestoßen. Durch den thelmuskelzellen entstehen. Die Hydromedusen
Rückstoß schwimmt die Meduse mit der Exum- sind meist getrenntgeschlechtlich.
brella voran. Wenn die Muskulatur erschlafft,
nimmt die Glocke, dank der Elastizität der Me-
sogloea, wieder ihre frühere Form an. Spezieller Teil
Als Lichtsinnesorgane dienen an der Ba-
sis der Tentakel sitzende Augen, die einfache Obelia geniculata
Ocellen aber auch hochentwickelte Linsenau-
gen sein können. Neben ihnen oder statt ihrer Diese nur wenige Millimeter große Meduse ist
findet man nicht selten Schweresinnesorgane an den atlantischen Küsten Europas sehr verbrei-
(Statocysten), vom Ectoderm gebildete offene tet und gehört zu den von thekaphoren Hydroid-
Grübchen oder geschlossene Randbläschen, in polypen abstammenden, flachen Leptomedusen.
denen ein frei beweglicher Statolith den Cilien Diese bilden ihre Geschlechtsprodukte an der
von Sinneszellen aufliegt. Wandung der Radialkanäle aus (Abb. 39).
Auch das Nervensystem steht bei den Me-
dusen auf einer höheren Organisationsstufe als
• Die Präparate zunächst mit schwacher, dann
mit stärkerer Vergrößerung betrachten.
bei den Polypen. Die Nervenzellen mit ihren
Fasern sind zu zwei Ringen am Schirmrand Der Schirm ist kreisrund und flach scheiben-
angeordnet, von denen der eine oberhalb, der förmig. Die Mundöffnung erscheint als ein
andere unterhalb der Basis des Velums liegt (vgl. Quadrat, dessen Ecken zipfelförmig ausgezogen
Abb. 38 und 39). Der obere Ring ist den Ten- sind. Sie liegt an der Spitze eines Mundrohres
takeln und Ocellen zugeordnet, der untere den (Manubrium), das man nur bei solchen Präpa-
Statocysten sowie der Muskulatur des Velums raten sehen kann, bei denen es in die Ebene der
und der Subumbrella. Daneben ist aber auch bei Scheibe umgeklappt ist. Das Manubrium ist ein
den Leptomedusen ein diffuser Nervenplexus weites, kurzes Rohr, das von einer viereckigen
erhalten, der sich an der ganzen Subumbrella, Erweiterung im Zentrum der Scheibe kommt
dem Magenstiel und den Tentakeln ausbreitet. und sich nach unten zu ausweitet, wo es mit vier
Der Exumbrella fehlt generell so ein Plexus. Die zungenförmigen, die Mundöffnung umstellen-
Epithelzellen der Exumbrella und Subumbrella den Lappen endet. Im Inneren des Manubriums
können selbst Aktionspotentiale leiten. Sie sind liegt der Magen. Oberhalb gehen von ihm vier
mittels Gap Junctions elektrisch gekoppelt. rechtwinklig gestellte Radialkanäle ab, die in
Die Hydromedusen entstehen meist unge- den unmittelbar am Scheibenrand verlaufenden
schlechtlich als seitliche Ausknospung eines Ringkanal einmünden. Im äußeren Bereich der
Polypenstöckchens. Die von athecaten Polypen Radialkanäle sind die Gonaden als kugelige An-
abstammenden Medusen werden als Anthome- schwellungen wahrzunehmen.
dusen bezeichnet, die von thecaten als Lepto- Die ziemlich langen Tentakel stehen sehr
medusen. Hydromedusen können auch unge- zahlreich am Schirmrand; auf jeden Quadran-
schlechtlich aus Medusen hervorgehen. ten entfallen etwa 14 bis 18, doch ist ihre Zahl
Die Anthomedusen sind fast stets stark ge- nicht konstant. Sie sind solid, aus einer Achse
wölbt und besitzen in der Regel Ocellen, die von geldrollenartig aneinander gereihten Ento-
Leptomedusen sind meist scheibenförmig und dermzellen und dem mit großen Nematocyten
mit Statocysten ausgestattet. versehenen Ectoderm bestehend. An der Ba-
Die Geschlechtsprodukte entwickeln sich bei sis der meisten Tentakel sind kleine Anschwel-
Hydra, wie bei den sessilen Gonophoren, aus in- lungen zu erkennen, die halbkugelförmig über
terstitiellen, im Ectoderm lokalisierten Stamm- den Schirmrand vorspringen; einigen Tenta-
zellen, und zwar entweder am Magenstiel (An- keln, so namentlich den noch nicht zu voller
thomedusen) oder an den Radialkanälen (Lep- Länge entwickelten, fehlen diese Basalknöpfe.
tomedusen). Sie liegen zwischen Mesogloea und Im Bereich des Basalknopfes kann man bei be-
Ectodermzellen. Es gibt Hydrozoa, die keine stimmten Tentakeln bei starker Vergrößerung
Stammzellen (interstitielle Zellen) besitzen und als kleines, helles, scharf umrandetes Bläschen
II. Hydrozoa: Hydromedusen 71
Abb. 39 Meduse von Obelia geniculata. Oben von oral. 25×. Unten ein Stück Schirmrand mit Statocyste,
den Basen eines sprossenden und dreier entwickelter Tentakel. 60×
eine Statocyste erkennen (Abb. 39). Im Ganzen mol fixiert wurden. Ocellen kommen bei Obelia
sind acht Statocysten – zwei pro Quadrant – in nicht vor. Die Nematocyten sind als dunkle
ziemlich regelmäßiger, adradialer Anordnung Pünktchen an den Tentakeln gut zu erkennen;
vorhanden. Man verwechsle sie nicht mit den sie zeigen eine ringförmige Anordnung.
Basalknöpfen. Ein Velum, wie es für die große Mehrzahl der
Die Statolithen selbst sind nur dann noch Hydromedusen so charakteristisch ist (craspe-
vorhanden, wenn die Tiere mit neutralem For- dote Medusen), fehlt bei Obelia.
72 Cnidaria, Nesseltiere
erweitert sich der Hohlraum beträchtlich; er genden Gonaden. Magentasche und Subgenital-
kann durch vier interradiale Septen, die denen höhle bleiben aber durch eine zarte Gastroge-
des Scyphopolypen entsprechen, in einen Zen- nitalmembran geschieden; die Geschlechtspro-
tralmagen und vier perradiale Magentaschen dukte treten durch den Schlund aus.
(Gastraltaschen) gegliedert werden. Vom freien Die Sinnesorgane der Scyphomedusen fin-
Rand der Septen entspringen tentakelförmige, den sich meist in der Achtzahl am Rand der
als Gastralfilamente bezeichnete Fortsätze. Sie Scheibe oder Glocke. Sie werden als Rhopalien
sind sehr reich an Entodermzellen, die verdau- (Rand- oder Sinneskörper) bezeichnet und ha-
ende Enzyme produzieren. Die Septen gehen in ben die Form hohler und von Entoderm aus-
der Mehrzahl der Fälle in der weiteren Entwick- gekleideter, kleiner Tentakel oder Keulen, die
lung verloren, sodass nur die Gastralfilamente durch einen Vorsprung der Exumbrella, den
bestehen bleiben und der Magenraum sich wie- Decklappen, geschützt werden. In den Ento-
der einheitlich gestaltet. Er bringt zahlreiche dermzellen der Spitze der Keule bilden sich
Radialkanäle hervor, die einfach bleiben oder zahlreiche Statolithen aus. An den Rhopalien
sich vielfach verzweigen und an der Peripherie finden sich häufig Lichtsinnesorgane (Ocellen,
in einen Ringkanal münden können. Becheraugen) mit ciliären Lichtsinneszellen und
Neben der Mundrohrbasis liegen interra- zwei mit Sinnesepithel ausgekleidete Gruben.
dial in der Subumbrella meist vier ectodermale Das Nervensystem der Subumbrella verdich-
Einbuchtungen, die Subgenitalhöhlen, die bei tet sich an der Basis eines jeden Rhopaliums
manchen Arten zusammenfließen können. Un- zu ganglionartigen Aggregationen von Nerven-
mittelbar über ihnen entstehen im Entoderm zellen, die sich durch ihren Gehalt an Neuro-
des Zentralmagens die nach innen vorsprin- peptiden unterscheiden. Eine Konzentration des
74 Cnidaria, Nesseltiere
Abb. 41 Schematischer Schnitt durch eine Scyphomeduse, links perradial, rechts interradial geführt
Nervensystems in Form zweier dem Schirmrand pen) ausgehen. Jeder teilt sich an seinem Ende
parallel laufender Ringe, wie man das bei den in zwei Flügellappen (Okularlappen). Zwischen
Hydromedusen findet, ist bei den Scyphome- diesen erkennen wir als kleinen, kolbenförmi-
dusen nur wenig angedeutet oder fehlt voll- gen Vorsprung einen Sinneskörper. Zwischen
kommen. den Stammlappen entwickeln sich später acht
Velarlappen, die rascher wachsend schließlich
dieselbe Länge erreichen.
Spezieller Teil Am Ende des kurzen, vierkantigen Magen-
stieles liegt die kreuzförmige Mundöffnung. Der
Aurelia aurita, Ohrenqualle
Magenstiel führt in den flachen Magen, an des- Stark umgewandelt ist das Gastrovaskular-
sen unterer Wand vier Gruppen von Gastral- system. Aus den 16 peripheren Taschen der
filamenten durch ihre stärkere Färbung leicht Ephyra sind 16 schmale, lang gestreckte Radiär-
erkennbar sind. kanäle geworden, die am Rand in einen Ring-
Vom Magen gehen acht größere, taschenför- kanal einmünden. Von ihnen sind die adradi-
mige Ausstülpungen in die Stammlappen hinein alen einfach, die per- und interradialen reich
(Lappentaschen). Zwischen ihnen, also adradial, verzweigt, hier und da durch Anastomosen ver-
stülpen sich acht kleinere Taschen gegen die Basis bunden. Zwischen den einzelnen Kanälen ist das
der Velarlappen vor (adradiale Taschen). Entoderm zu einer Platte (Kathammalplatte)
Bei stärkerer Vergrößerung kann man die verwachsen. Die Zahl der Gastralfilamente ist
parallel zum Schirmrand ziehende Ringmusku- stark vermehrt.
latur der Subumbrella erkennen und außerdem Peripher von ihnen, also gleichfalls interradial,
die feineren Längsmuskelzüge, die in die Flügel- sehen wir die hufeisenförmigen, im Leben durch
lappen hineinziehen. blaue oder rote Färbung auffallenden Gonaden.
Sie bilden sich als Falten des Entoderms, die
• Um den Bau der Scyphomedusen kennen zu
sich in den Zentralmagen vorstülpen und im In-
lernen, werden jetzt entweder mikroskopi-
nern die Geschlechtszellen entstehen lassen. Im
sche Präparate kleiner Aurelien von etwa 1cm
Bereich der Gonaden ist die Gallertschicht der
Scheibendurchmesser mikroskopiert oder
Subumbrella unterdrückt (Abb. 41), sodass sich
in Formol konservierte, ausgewachsene, am
an der Unterseite der Scheibe eine Vertiefung,
besten weibliche Tiere mit voll entwickelten
die Subgenitalhöhle, bildet, die nur durch eine
Gonaden und Furchungsstadien der Eier an
zarte Gastrogenitalmembran vom Zentralma-
den Mundarmen untersucht.
gen geschieden ist.
Der Körperumriss der adulten Meduse ist Die reifen Eier werden in den Magen entlas-
gleichmäßiger und weniger gelappt als der der sen und dort befruchtet. Durch den Mund wer-
Ephyra, da die tiefen Einschnitte zwischen je den sie dann zwischen die zusammengefalteten
zwei Stamm- oder Randlappen von den breiten Mundarme geleitet, an denen sie, von einem
Velarlappen ausgefüllt werden (Abb. 44). An der schleimigen Sekret umhüllt, ihre Embryonalent-
Peripherie finden sich zahlreiche kurze Tentakel, wicklung bis zur Planulalarve durchmachen.
die den Velarlappen aufsitzen. Das Mundrohr
ist in vier einfache, fahnenartige Mundarme mit
• Findet man am untersuchten Tier überhaupt
Entwicklungsstadien, so kann man den gan-
gekräuselten Rändern ausgezogen.
zen Entwicklungsgang von der Furchung bis
zur Larve verfolgen, indem man an verschie-
denen Stellen kleine Stücke des angeschwolle-
nen Randes eines Mundarmes entnimmt und
auf dem Objektträger zerzupft.
Die Furchung ist total und äqual. Die elliptische
bis birnenförmige Planula zeigt außen ein ein-
schichtiges Ectoderm, innen wird sie zunächst
von einem kompakten Entoderm ausgefüllt. Erst
später bildet sich im Inneren des Entoderms der
Gastralraum. Die bewimperte Planula schwärmt
dann aus, setzt sich nach einiger Zeit mit dem
verbreiterten Vorderpol fest und wird zum Scy-
phopolypen.
Die acht Rhopalien (Sinneskörper, Randkör-
per; Abb. 43, 44) bezeichnen durch ihre Lage die
Spitzen der Stammlappen der Ephyra. Schneidet
Abb. 43 Ephyra von Aurelia aurita. 28 ×. (Nach man einen dieser Sinneskörper mit seiner Umge-
CLAUS und FRIEDEMANN) bung heraus und betrachtet ihn mit der Stereo-
76 Cnidaria, Nesseltiere
a Tentakel
Sinneskörper
Ringkanal
Gastralfilamente
Mund
Gonade
Mundarm
Radialkanäle
Subgenitalhöhle
Magentasche
b Magen
Mesogloea
Gastralfilamente
Gonade
Radialkanal
Ringkanal
Subgenitalhöhle
Mundarm
Sinneskörper
Abb. 44 Aurelia aurita, junges Tier. a Ansicht von unten; b Ansicht eines Tieres, das in der Mitte in zwei
Hälften geschnitten wurde
IV. Anthozoa, Korallentiere 77
lupe, so erkennt man einen kleinen Kolben, der Am Polypen unterscheidet man Fußscheibe,
vom Schirmrand horizontal nach außen absteht Körperwand (bei Aktinien Mauerblatt ge-
und von einer Deckplatte helmartig überwölbt nannt) und Mundscheibe. Besonders kenn-
wird. Die kolbenförmige Endanschwellung birgt zeichnend für die Anthopolypen ist das Schlun-
zahlreiche prismatische Kristalle, die Statolithen, drohr (Pharynx), eine zentrale Einstülpung der
die aus Entodermzellen hervorgegangen sind. Mundscheibe, die als Rohr weit in den Gastral-
An der Unterseite des Randkörperstieles stehen raum hineinhängt und die – ihrem Ursprung
im Verband mit Stützzellen zahlreiche Tastsin- gemäß – von Ectoderm ausgekleidet ist. Von
neszellen (mit unbeweglichen Cilien ausgestat- der Körperwand gehen wie bei den Scyphozoen
tete sensible Neurone). Zwei Grübchen, das eine Septen („Mesenterien“) aus, deren Innenränder
an der Basis des Rhopaliums, das andere an der am Schlundrohr ansetzen und so die Gastrovas-
Deckplatte, werden zuweilen als Riechgruben kularhöhle in einen zentralen Gastralraum und
gedeutet. Ihre Funktion ist jedoch noch nicht in Radialkammern (Gastraltaschen) gliedern,
überprüft und daher die Bezeichnung „Sinnes- deren Zahl der der Septen entspricht. Unterhalb
gruben“ besser. Zwei dunkle Flecke geben sich des Schlundrohres ragen die Septen mit freien
als Lichtsinnesorgane zu erkennen. Das eine, Rändern in den Gastralraum hinein, sodass hier
an der Außenseite, ist ein flacher Ocellus, des- die Radialkammern („Fächer“) gegen den Zen-
sen Sinneszellen zwischen Pigmentzellen liegen, tralraum hin offen sind. Die Kammern können
das andere liegt im Inneren des Randkörpers außerdem durch Öffnungen kommunizieren,
unter einer ectodermalen Deckschicht. Es ist die die Septen in Höhe des Mundes durchsetzen
als Becherauge ausgebildet: Ein Becher aus en- (Septalostien). Die Unterschiede im Bau des
todermalen Pigmentzellen umhüllt eine Gruppe Gastrovaskularraumes von Hydro-, Scypho- und
ectodermaler Sehzellen. Anthopolypen werden besonders deutlich bei
einem Vergleich ihrer Querschnitte (Abb. 45).
Die zwischen Ectoderm und Entoderm ein-
geschaltete Mesogloea enthält außer extrazellu-
IV. Anthozoa, Korallentiere lären Fasern auch zahlreiche Zellen, die aus dem
Ectoderm eingewandert sind und nun in der
gallertigen Masse liegen, die den Hauptbestand-
Technische Vorbereitungen teil dieses Gewebes ausmacht. Die Gewebever-
bindung zwischen den Polypen koloniebilden-
• Material: Gefärbte Längs- und Querschnitte der Anthozoen wird bei Octocorallia Coenen-
durch ein Stück einer Kolonie von Alcyonium chym genannt (Abb. 48).
digitatum, gefärbte oder ungefärbte Präparate Die in der Mitte der Mundscheibe gelegene
von einzelnen Polypen und Skleriten. Außer- Mundöffnung ist meist spaltförmig. Der Körper
dem in Alkohol konservierte Seeanemonen, erhält dadurch, wie auch durch die Anordnung
z.B. Anemonia sulcata aus dem Mittelmeer. der Muskelfahnen (s. unten), eine bilaterale
Um zu vermeiden, dass sich die Tiere kontra- Symmetrie. Die durch den großen Durchmes-
hieren, was das Studium der inneren Organi- ser der Mundöffnung gehende Ebene (Sagittal-
sation sehr erschweren würde, ist es unerläss- ebene) teilt den Körper in zwei spiegelbildlich
lich, die Seeanemonen vor dem Fixieren zu gleiche Hälften. Ansonsten erscheinen die An-
betäuben. Man setzt einige Exemplare in ein thozoen äußerlich meist radiär gebaut. Das
kleines Aquarium und fügt, sobald sich die Schlundrohr ist im Querschnitt oval bis spalt-
Tiere ausgestreckt haben, dem Wasser etwas förmig, seltener kreisrund. Es ist an beiden oder
Magnesiumsulfat oder Menthol zu. nur an einer Schmalseite mit einer Flimmer-
rinne (Siphonoglyphe) versehen. Die Zellen
der Siphonoglyphe haben Geißeln, die Wasser
Allgemeine Übersicht und damit Sauerstoff in die Gastrovaskularhöhle
hineintreiben. Die freien Ränder der Septen tra-
Anthozoen treten lediglich in der Polypenform gen an Resorptions- und Drüsenzellen sowie
auf (Anthopolyp). Nematocytenreiche, teilweise flimmernde Sep-
78 Cnidaria, Nesseltiere
a b c
Abb. 45 Schematische Querschnitte durch Hydropolyp (a), Scyphopolyp (b) und Anthopolyp (c). Der An-
thopolyp ist oberhalb der Linie a–b im Bereich des Schlundrohres, unterhalb dieser Linie unter dem
Schlundrohr durchschnitten
tal- oder Mesenterialfilamente, hier kommen oft ein besonders kräftiger Ringmuskel, der als
Nematocyten also auch im Entoderm vor. Un- Schließmuskel dient.
terhalb der Septalfilamente finden sich mitunter Sinneszellen befinden sich verstreut in den
(bei Aktinien) fadenförmige, mit Nesselzellen Epithelien. Das Nervensystem ist als intraepi-
bestückte Akontien, die durch den Mund oder thelialer Plexus über den ganzen Körper ver-
durch seitliche, das Mauerblatt durchsetzende breitet, sowohl dem Ectoderm als auch dem En-
Poren herausgeschleudert werden können (Abb. toderm angeschlossen; das entodermale System
46). Zwischen den Septen, die das Schlundrohr ist im Allgemeinen schwächer entwickelt. Eine
erreichen, entwickeln sich oft kürzere, die es Verdichtung des Netzes pflegt an Mundscheibe,
nicht erreichen, wodurch sich das Querschnitts- Schlundrohr und Tentakeln aufzutreten.
bild komplizieren kann. Die Mehrzahl der Anthozoen bildet durch
Vom Rand der Mundscheibe gehen die Ten- Teilung der Polypen oder seitliche Knospung
takel ab, deren Zahl acht (Octocorallia), eine ohne nachfolgende Trennung „Stöcke“. Das Ge-
Vielzahl von sechs (viele Hexacorallia), selten webe zwischen den Polypen hat bei den An-
sechs (Antipatharia) beträgt. Sie sind hohl und thozoengruppen unterschiedliche Herkunft und
stehen in offener Verbindung mit den Radial- unterschiedlichen Bau. Es ist in jedem Fall von
kammern. Bei manchen Anthozoen (Aktinien) Kanälen (Solenien) durchzogen, die die Gastral-
haben die Spitzen der Tentakel feine Öffnungen, räume der Polypen verbinden. Schmale Gewebe-
die vermutlich bei der Kontraktion der Tiere verbindungen werden als Stolonen bezeichnet.
zur schnellen Entleerung der in den Tentakeln Die meisten Anthozoen weisen Skeletbil-
befindlichen Flüssigkeit dienen. dungen auf, die entweder nach außen, vom
Die Muskulatur der Anthozoen ist hoch ent- Ectoderm, oder im Inneren, von Ectodermzel-
wickelt. In den Tentakeln, vor allem an de- len, die in die Mesogloea eingewandert sind,
ren Innenseite, und im Mauerblatt findet sich abgeschieden und danach als Außenskelet oder
Längsmuskulatur, auf der Mundscheibe radiäre, Innenskelet bezeichnet werden. Skeletbildende
beide ectodermalen Ursprungs. Die Muskulatur Substanzen sind eine im chemischen Aufbau
der Septen leitet sich vom Entoderm ab. Sie er- dem Kollagen der Wirbeltiere ähnelnde, horn-
scheint auf der einen Seite schwach ausgebildet artige Substanz, CaCO3 und Calciumsalze nach
als transversale Muskulatur, auf der anderen Art des Apatits. Das Außenskelet der Antipa-
Seite in starker Ausbildung („Muskelfahnen“) tharia (die tragende Achse des Polypenstocks)
als Längsmuskulatur. Auch die Anordnung der besteht aus einer Hornsubstanz, das der Stein-
Muskelfahnen an den Septen bewirkt eine bi- korallen aus Kalk.
laterale Symmetrie (Abb. 46). Weitere entoder- Die kompliziertesten Skelete haben die Ok-
male Muskulatur findet sich in Form von Ring- tokorallen. In der Mesogloea werden einzelne
muskeln der Mundscheibe, der Fußscheibe, der Skeletelemente aus Kalk gebildet, die Sklerite.
Tentakel und des Schlundrohres. Am oberen Sie können zu großen, fest verbundenen Massen
Ende des Mauerblattes entwickelt sich zudem zusammentreten, die den Polypenstock stützen
IV. Anthozoa, Korallentiere 79
und damit erhebliches Größenwachstum erlau- per ein; es ist stets von allen drei Schichten der
ben. Die Gorgonaria (Hornkorallen) bauen zu- Fußscheibe, dem Ectoderm, der Mesogloea und
dem als Außenskelet eine im Inneren des Poly- dem Entoderm umkleidet.
penstocks liegende Achse aus Hornsubstanz, in Die Geschlechtszellen entstehen im Ento-
die Kalk eingelagert sein kann. Die Seefedern derm der Septen zwischen den Filamenten und
haben ebenfalls eine zusätzliche, im Inneren den Muskelfahnen. Reif geworden, werden sie
liegende Hornachse. Ausnahmen sind nur die in die Gastraltaschen entleert. Aus den befruchte-
Blaue Koralle Heliopora, die nur ein Außenske- ten Eiern entwickeln sich, häufig schon vor dem
let aus Kalk bildet, ähnlich dem der Steinkoral- Ausstoßen, also noch im Polypengastralraum,
len, und die kleinen Polypen von Cornularia, bewimperte, anfangs tentakellose Larven (Pla-
die eine Umhüllung aus Horn ähnlich der vieler nulae), die frei umherschwimmen und sich dann
Hydrozoen haben. auf einem geeigneten Untergrund festsetzen.
Bei den Steinkorallen (Scleractinia) erfolgt
die Skeletbildung nur im unteren Teil des Ko-
rallenpolypen. Zunächst scheidet das Ectoderm Spezieller Teil
der Fußscheibe eine kreisrunde, ebene Kalk-
platte, die sog. Basalplatte, ab. Auf dieser wer- 1. Alcyonium digitatum,
den dann 12 radiär angeordnete Kalklamellen Tote Mannshand
(Sklerosepten) gebildet, die in die Gastralkam-
mern zwischen den weich bleibenden Sarkosep- Als Vertreter der Octocorallia, die durch den
ten hineinragen. Schließlich wächst peripher, Besitz von acht Septen und acht gefiederten
nahe der Körperwand, eine die Sklerosepten Tentakeln gekennzeichnet sind, wird Alcyonium
verbindende, ringförmige Mauerplatte (Theca) digitatum, eine in den nördlichen Meeren sehr
in die Höhe, im Zentrum der Basalplatte oft häufige Form, untersucht. Alcyonium bildet röt-
auch noch eine säulenartige Erhebung, die Co- liche, gelbe oder weißliche, klumpige, in einige
lumella. Da das Skelet vom ectodermalen Epi- stumpfe, fingerförmige Fortsätze ausstrahlende
thel gebildet wird, tritt es nirgends in den Kör- Körper, auf denen die kleinen, durchscheinen-
80 Cnidaria, Nesseltiere
den, weißen Polypen teils ausgestreckt, teils ins stralräume der Polypen, die in verschiedener
Innere eingezogen sitzen. Höhe getroffen sind.
• Es werden zunächst Präparate von gefärbten • Zu Beginn einen tief unterhalb des Schlundes
oder ungefärbten Einzelpolypen mikrosko- liegenden Querschnitt (Abb. 48, rechts oben)
piert. betrachten.
Man sieht einen schlauchförmigen, zarten Kör- In den von Entoderm ausgekleideten, kreisrun-
per, dessen freies Ende mit acht gefiederten Ten- den Hohlraum springen acht Septen (Mesen-
takeln besetzt ist (Abb. 47). Vom Mund zieht terien) vor. Man sieht die von der Mesogloea
sich das etwa 1mm lange, längsgefaltete Schlun- der Körperwand ausgehende, strukturlose La-
drohr herab, an dem die acht an diesem Präpa- melle als Achse des Septums und beiderseits
rat schwer sichtbaren Septen ansitzen. Dagegen davon Muskulatur. Die Muskulatur einer Seite
lassen sich sehr deutlich die acht Septalfilamente ist stets stark entwickelt und bildet die so ge-
wahrnehmen, von denen sechs stark gewunden nannte Muskelfahne. Sie ist im Präparat quer
und kurz sind und zwei lang gestreckt. An ein- durchschnitten, d.h. dass die Muskelzellen längs
zelnen geschlechtsreifen Polypen wird man auch verlaufen. Die der anderen Seite ist dagegen eine
die Gonaden sehen, ansehnliche, gelbrote Eier sehr schwach entwickelte transversale Musku-
bergende Ovarien oder milchweiße Hoden, die latur, die vom Mauerblatt schräg abwärts zur
seitlich an den ventralen und lateralen, entoder- Fußscheibe sowie schräg aufwärts zur Mund-
mal bekleideten Septen sitzen. scheibe zieht. Die Anordnung der Septenmus-
Bei etwas stärkerer Vergrößerung werden an kulatur ist sehr regelmäßig, indem die beiden
der Basis sowie unterhalb der Tentakel der Poly- in der Sagittalachse liegenden Fächer die glei-
pen kleine, aus Kalk bestehende Skeletteile, die che Muskelart einander zugekehrt haben. Auf
Sklerite, sichtbar. jeder Seite der Sagittalachse bleiben nunmehr
noch zwei Septen übrig, die ihre Muskulatur
• Zur Untersuchung des Coenenchyms werden
gleichsinnig mit den beiden anderen Septen
gefärbte Querschnitte verwendet. Sie müssen
derselben Körperhälfte angeordnet zeigen. Am
parallel der Oberfläche und nicht zu tief ge-
freien Ende jedes Septums sitzt eine oft krau-
führt sein.
senartig eingefaltete, stärker gefärbte Zellmasse,
Auf den Querschnitten erkennt man zunächst der Querschnitt durch ein Septalfilament. Zwei
einige größere, kreisrunde Hohlräume, die Ga- Septen sind länger als die anderen und fallen
auch im Querschnitt als abweichend auf: Sie tra- Kalkskleriten und das Entoderm. Eine breite
gen Geißeln, die das Wasser zur Mundöffnung Rinne des Schlundrohres, die von geißeltragen-
heraustreiben, während die übrigen Septen be- den Zellen ausgekleidet wird, ist die Siphono-
sonders reich an Drüsenzellen sind, die Verdau- glyphe. In dem ihr zugeordneten Fach sind die
ungsenzyme absondern. Die sechs kurzen Septen Muskelfahnen einander zugekehrt.
bilden Gonaden, welche an langen Stielen in die Bei diesem und noch höher geführten Schnit-
Gastralhöhle hineinragen. ten ist zu beachten, dass das Bild dadurch kom-
pliziert werden kann, dass sich die Polypen in das
• Einen Querschnitt durch einen Polypen su-
Innere des Coenenchyms zurückgezogen haben.
chen, der in einer höheren Lage geführt wor-
Die Tentakel sind dann auf die Mundscheibe
den ist und das Schlundrohr getroffen hat
eingeschlagen und mit ihr in die Tiefe gesun-
(Abb. 48, links).
ken. Ferner weist auch das Schlundrohr starke
Hier erreichen die Septen das Schlundrohr und Faltungen auf.
teilen so den Gastrovaskularraum in acht Radi- Sehr viel schwieriger wird die Deutung folgen-
alkammern. Das Schlundrohr zeigt im Quer- der, sehr häufig anzutreffender Bilder. Man sieht
schnitt innen das Ectoderm, dann folgen eine die Gastrovaskularhöhle in zwei konzentrischen
Mesogloeaschicht mit einzelnen eingestreuten Ringen das Schlundrohr umgeben, sodass also
Abb. 48 Querschnitt durch das Coenenchym und durch drei in verschiedener Höhe getroffene Polypen
von Alcyonium digitatum
82 Cnidaria, Nesseltiere
ein innerer und ein äußerer Kranz von Septen rückziehbar, während dies bei den meisten an-
sichtbar werden (Abb. 48, rechts unten). Die Er- deren Aktinien der Fall ist.
klärung ist die, dass der obere Teil des Polypen Die Mundscheibe ist flach ausgebreitet; in
handschuhfingerartig in den unteren eingestülpt ihrer Mitte liegt die ovale Mundöffnung. Außer-
ist. Der innere Kranz entspricht dem oberen Ab- halb des Tentakelkranzes findet sich am oberen
schnitt des Polypen, der äußere dem unteren. Rand des Mauerblattes eine vorspringende Falte
(Randfalte), auf der kleine, warzenförmige Er-
• Sklerite werden als Dauerpräparate mikros-
hebungen in dichter Anordnung sitzen, die so
kopiert oder indem man eine möglichst feine
genannten Randsäckchen (Acrorhagen), die in
Scheibe von Alcyonium mit etwas Eau de
ihrem Inneren zahlreiche Nesselkapseln bergen
Javelle übergießt. Nach einigen Minuten sind
und so als Nesselbatterien dienen.
die Weichteile gelöst und die Skleriten übrig
geblieben. • Mit einem scharfen Messer wird die Aktinie
in der Sagittalebene durchschnitten.
Man sieht, dass die Sklerite unregelmäßige, viel-
zackige Gebilde sind. Sie haben bei jeder Art Von der Mundöffnung aus führt das Schlund-
eine bestimmte Form und sind daher für die Sys- rohr ins Körperinnere hinein, das durch die
tematik der Alcyonarien von großem Wert. Sie zahlreichen Septen in Fächer gegliedert wird.
bestehen aus CaCO3 und sind daher in verdünn- Nur ein Teil der Septen erreicht das Schlun-
ten Säuren unter Kohlendioxidbildung löslich. drohr, die anderen endigen frei in der Gastro-
vaskularhöhle. Die Septen tragen an einer Flä-
che eine Längsmuskelfahne, ihr freier Rand ist
2. Anemonia sulcata, Wachsrose
zu den Septalfilamenten verdickt.
Anemonia sulcata, eine an den Küsten des Mit- Bei geschlechtsreifen Tieren wird man die
telmeeres häufige Art, gehört zu den Hexaco- Septen durch die in die Mesogloea eingebette-
rallia, und innerhalb dieser zu der unter dem ten, oft mächtig entwickelten Gonaden aufge-
deutschen Namen Seerosen oder Seeanemonen trieben finden. Sie nehmen den mittleren Ab-
allgemein bekannten Ordnung Actiniaria. schnitt des Septums zwischen Gastralfilament
und Muskelfahne ein, doch tragen nicht alle
• Es werden in Alkohol konservierte Tiere un-
Septen Geschlechtsorgane.
tersucht.
• Zunächst die äußere Form dieser Seerose mit • Um einen Überblick über die Anordnung der
dem Stereomikroskop betrachten. Septen zu erhalten, wird ein zweites Exem-
plar durch Querschnitte, deren erster dicht
Die breite, stark gefaltete Fußscheibe, mit der
über der Fußscheibe geführt wird, in einzelne
das Tier dem Untergrund aufsitzt, lässt deutlich
Scheiben zerlegt.
Ring- und Radiärmuskulatur erkennen. Die Kör-
perwand, bei Aktinien Mauerblatt genannt, zeigt Die Septen sind paarweise angeordnet. Der
starke, ringförmige Einschnürungen, die zumeist Raum zwischen den beiden Septen eines Paares
auf die Kontraktion des Tieres beim Abtöten wird als Binnenfach bezeichnet, der zwischen
zurückzuführen sind. Die die Kontraktion bedin- zwei Paaren als Zwischenfach. Die unvollstän-
gende Längsmuskulatur ist in Form von paralle- digen Septen entstehen paarweise in den Zwi-
len Streifen deutlich von außen wahrnehmbar. schenfächern. Im Allgemeinen liegen die Mus-
Die Mundscheibe wird von 4–5 Kränzen dicht kelfahnen eines Paares im Binnenfach, sind also
gestellter, ungefiederter Tentakel umgeben. einander zugewandt. Nur die beiden Paare, die
an die Schlundrinnen angrenzen, machen hier-
• Einige Tentakel dicht über der Basis abschnei-
von eine Ausnahme, indem sie die Muskelfah-
den, um ihre Anordnung anschaulich zu ma-
nen nach außen gekehrt tragen; sie werden als
chen.
Richtungsfächer bezeichnet, weil sie die bilate-
Dabei sieht man, dass die Hohlräume der Ten- rale Symmetrieachse kennzeichnen.
takel mit den Radialkammern kommunizieren.
An der Spitze der Tentakel sind feine Öffnungen
sichtbar. Die Tentakel der Wachsrose sind nicht
Ctenophora, Rippenquallen
Scheitelorgan
Aboralkanal Analkanal mit Pore
Flimmerrinnen
Zentralmagen
Senkfaden
Tentakel
Ruderplättchen
Transversalgefäß
Tentakelgefäß Tentakelscheide
Tentakelbasis
Schlund
Rippengefäße
Schlundgefäß
Mundöffnung
masse des Körpers aus. Sie ist sehr wasserreich venzellen. Im Verlauf der acht Rippen ord-
– der Körper der Ctenophoren besteht zu mehr nen sich die hier bipolaren Nervenzellen zu
als 99% aus Wasser – und von einem System von je zwei Längssträngen an, die zwischen den
Fasern (darunter Kollagen) und bandförmigen Ruderplättchen quer miteinander verbunden
Membranen (Laminae) mit elastischen Eigen- sind. Ein ähnlicher Nervenstrang umzieht
schaften durchzogen, die mit den Basalmembra- ringförmig die Mundöffnung. Bei den Arten,
nen von Epi- und Gastrodermis in Verbindung die Tentakel besitzen, verbinden zwei Stränge
stehen und so eine Art Skelet darstellen. Die aus Nervenzellen und Fasern das Scheitelorgan
Laminae umschließen Kammern, die mit gal- und die Tentakel. Eine besondere Konzentra-
lertiger Grundsubstanz gefüllt sind. Zwischen tion von Nervenzellen findet sich im Bereich
den Membranen und zwischen ihnen und den des Scheitelorgans.
Basen der Zellen der Epidermis und der Gast- Das den apikalen Pol der Rippenquallen ein-
rodermis sind glatte Muskelzellen ausgespannt. nehmende Scheitelorgan (Apikalorgan) ist von
Außerdem befinden sich in der Mesogloea noch sehr kompliziertem Bau (S. 86). Es ist ein Organ
weitere Zellen. des statischen Sinnes, das den Wimperschlag
Das Nervensystem besteht aus einem basal koordiniert und so die Lage im Raum reguliert.
zwischen den Epidermiszellen liegenden, po- Fast alle Ctenophoren sind Zwitter. Die Ge-
lygonalen Netzwerk meist multipolarer Ner- schlechtsorgane entwickeln sich in der den
Ctenophora, Rippenquallen 85
Sagittalebene
Transversalgefäß Rippe
Ectoderm
Mesogloea
Entoderm
Rippengefäß
Tentakel
Transversalebene
Tentakelscheide
Tentakelgefäße
Magen
Gonaden
Schlundgefäß
Tentakel
Transversalebene
Tentakelscheide
Schlund
Abb. 50 Pleurobrachia pileus. Oben: Querschnitt in der Höhe der Mündung der Tentakelscheiden. Unten:
Querschnitt in der Höhe der Schlundgegend
Rippen zugewandten Wand der Rippengefäße • Jeder Praktikant erhält ein Exemplar in einem
als einheitliche oder unterbrochene Bänder. Glasschälchen mit Wasser zur Betrachtung
Männliche und weibliche Gonaden sind regel- unter dem Stereomikroskop auf schwarzem
mäßig verteilt (Abb. 50). Eier und Spermien Untergrund.
gelangen durch das Gastrovaskularsystem und
den Mund ins Freie. Der zweistrahlig-symmetrische Körper hat etwa
die Form einer Stachelbeere (Abb. 49) und be-
steht größtenteils aus der mächtig entwickelten,
Spezieller Teil weichen, beim lebenden Tier glasklaren Meso-
gloea.
Pleurobrachia pileus An einem Pol des Körpers ist die Mundöff-
nung erkennbar, am entgegengesetzten liegt das
Die euryhaline Art Pleurobrachia pileus ist weit Scheitelorgan.
verbreitet, kommt in der Nordsee häufig vor Auf der Oberfläche liegen in gleichem Abstand
und dringt in der Ostsee bis Gotland und zur acht meridional verlaufende Bänder, die „Rip-
Danziger Bucht vor. pen“ (Pleurostichen), die aus zahlreichen, quer
86 Cnidaria, Nesseltiere
gestellten Wimperplättchen oder „Kämmen“ be- machen, dass sie zur Wahrnehmung von Licht
stehen. Sie lassen durch ihre streifige Struktur befähigt sind. Die fixierten Tiere lassen von den
erkennen, dass sie aus funktionell verbundenen Strukturen des Scheitelorgans nur wenig erken-
Kinocilien entstanden sind. Die Wimperplätt- nen: An vertikal aufgestellten Pleurobrachien
chen schlagen beim lebenden Tier in rhythmi- erkennt man den Rand der Kuppel als Kreis;
scher Folge, wobei sie ein irisierendes Farbenspiel vier milchig getrübte Stellen peripher in ihm
erzeugen. In der Ruhelage überdecken sich die lassen die Wimperfedern ahnen, die den Sta-
Plättchen dachziegelartig, dem Körper anliegend tolithen tragen. Sehr gut sind dagegen die lang
und den freien Rand dem Mundpol zugekehrt. gestreckten Polplatten zu sehen.
Der Anstoß zur Bewegung geht immer von dem Der schlitzförmige Mund ist sehr erweite-
dem Scheitelpol nächsten Plättchen aus. Hört es rungsfähig, sodass auch größere Beutetiere ver-
zu schlagen auf, kommen auch die anderen Plätt- schlungen werden können. Seine an Sinneszel-
chen zur Ruhe. Dadurch, dass nur die Rippen len reichen Ränder können sich lippenartig vor-
einer Körperseite schlagen (oder mit voller Kraft stülpen und wieder einziehen. Auf den Mund
schlagen), kann sich das Tier, mit dem Mund folgt als langes, abgeflachtes, gleichfalls sehr
voran, in jeder beliebigen Richtung fortbewegen. erweiterungsfähiges Rohr, der Schlund (Pha-
Umkehr des Schlages – und als Folge davon rynx), der vom Ectoderm ausgekleidet wird.
eine Bewegung mit dem Scheitelpol voran – tritt Durch seine milchweiße Färbung hebt er sich
nur auf starke Reizung hin auf. Es ist verständ- gut von der Umgebung ab, und man sieht, dass
lich, dass ein auf Cilienschlag aufgebauter Bewe- er senkrecht bis zu zwei Drittel der Körperhöhe
gungsapparat keine große Kraft entfalten kann. aufsteigt. Sein größter Durchmesser liegt in der
Die passive Ortsveränderung durch Meeresströ- Sagittalebene. Auf den Schlund folgt der ento-
mungen spielt daher eine überlegene Rolle. dermale Magen. Er ist ein zarthäutiger Sack,
Am Aufbau des Scheitelorgans (s. Abb. 49) dessen größter Durchmesser senkrecht zu dem
sind mehrere, meist bewimperte Zelltypen be- des Schlunds steht. Der Schlund ragt von un-
teiligt. Der konkave Boden des Organs besteht ten her in ihn hinein und steht mit ihm nur
aus einer dicken, bilateral symmetrischen An- durch eine enge, durch Muskeln verschließbare
sammlung von unterschiedlich differenzier- Schlundpforte in Verbindung. Der Magen setzt
ten Zellen. Von seinem Rand erhebt sich eine sich nach oben zu im Aboralkanal fort, den wir
durchsichtige Wand aus durch Glykoproteine fast bis zum Scheitelpol verfolgen können.
verklebten Cilien, die das Zentrum des Organs Während Schlund, Magen und Aboralkanal
kuppelartig überdacht. Innerhalb dieser Kup- schon bei äußerer Betrachtung gut erkennbar
pel entsenden vier randständige Zellgruppen sind, wird man, da die Tiere durch die Fixie-
lange, ebenfalls miteinander verklebte, S-förmig rung an Transparenz eingebüßt haben, die von
gebogene Cilien, die sog. Federn, nach oben diesem zentralen Abschnitt des Gastrovaskular-
zur Mitte; sie sind dort verbunden mit einer systems ausgehenden weiteren „Gefäße“ meist
kugelförmigen Ansammlung von Zellen, die nicht deutlich wahrnehmen können.
Kalkkonkremente enthalten. Die Gesamtheit
dieser Statocyten stellt den Statolithen dar; er
• Mit einer feinen Schere einen Sektor der Haut
mit darunterliegender Mesogloea heraus-
ermöglicht die Orientierung im Schwerefeld. Im
schneiden. Die Schnitte werden am besten
Bereich des Ursprungs der Federn beginnt je
entlang der Innenseite der in Abb. 50 mit 3
eine Flimmerrinne, die durch eine Öffnung an
und 6 bezeichneten Rippen geführt. Es ist
der Kuppelbasis nach außen zieht, sich gabelt
zweckmäßig, das Tier vorher festzulegen, wo-
und zu den beiden Wimperplättchenreihen ei-
für kleine Metallwinkel, wie sie zum Einbet-
nes Quadranten führt. Zwei weitere Öffnun-
ten in Paraffin benutzt werden, gut geeignet
gen führen zu zwei sich in der Sagittalebene
sind.
erstreckenden, bewimperten Feldern, die vom
Sinnesepithel der Grube abgehen. Sie werden Von dem gegen den Aboralkanal nicht deut-
als Polplatten bezeichnet. Ihre Funktion ist un- lich abgesetzten Magen gehen zunächst zwei
bekannt. Zellen im Zentrum des Bodens weisen kurze, weite, radiale Kanäle ab, die in der
Differenzierungen auf, die es wahrscheinlich Transversalebene leicht abwärts ziehen (Trans-
Ctenophora, Rippenquallen 87
Die Plathelminthes sind in der Regel dorsoven- gabeltes, bisweilen auch verzweigtes Rohr. Er
tral abgeflacht. Das Körperinnere ist von meso- funktioniert, da er die Nahrung nicht nur ver-
dermalem Bindegewebe („Parenchym“) erfüllt, daut und resorbiert, sondern auch verteilt, als
in das die übrigen Organe eingebettet sind. Eine Gastrovaskularsystem. An der Verteilung von
Leibeshöhle fehlt. Die Zellen des Bindegewebes aufgeschlossenen Nährstoffen, aber auch an der
bilden u.a. Kollagenfasern und Proteoglykane. von O2, Wasser, Salzen und am Transport von
Dieses Bindegewebe hat Stützfunktion und bil- Stoffwechselendprodukten, ist außerdem die
det wasserreiche Diffusionsräume für Metabo- Flüssigkeit beteiligt, die das System der Interzel-
lite und Nährstoffe. Ein Teil der Zellen speichert lularräume erfüllt.
Glykogen und Lipide. Als exkretorisch-osmoregulatorische Or-
Die Körperdecke ist bei den Turbellarien ein gane fungieren die Protonephridien. Sie sind
bewimpertes Epithel. Bei Trematoda und Ces- im Bindegewebe liegende, oft reich verzweigte,
toda besteht sie aus einer syncytialen, kernlosen feine Röhren, die zur Leibeshöhle blind ge-
Außenlage (Tegument) und kernhaltigen Teilen schlossen sind und in der Regel in zwei stärkere,
(Perikaryen), die unterhalb der Muskulatur im laterale Längskanäle münden, welche mit einem
Parenchym liegen und über cytoplasmatische gemeinsamen Porus oder – häufiger – mit paa-
Fortsätze mit der Außenlage verbunden sind. Die rigen Poren nach außen münden.
Perikaryen wandern während der Entwicklung Ein Protonephridium besteht zumindest aus
aus dem Bindegewebe in den Bereich der Musku- drei Zellen: Terminal-, Kanal- oder Gangzelle
latur und nehmen von dort aus Verbindung mit und Nephroporuszelle. Die Terminalzelle bildet
der vorhandenen Epidermis auf, dringen in diese allein oder im Verbund mit der anschließenden
ein und ersetzen sie schließlich (Neodermis). Kanalzelle eine Filtrationsstruktur: Durch ex-
Unter dem Tegument liegt eine Schicht aus glat- trazelluläre Bestandteile, z.B. die Basalmemb-
ten Ring-, Längs- und Dorsoventralmuskeln. Eine ran, wird Leibeshöhlenflüssigkeit beim Eintritt
derartige, bei Wirbellosen nicht seltene, funktio- in das Ganglumen filtriert (Abb. 53). Motor
nelle Einheit aus Körperdecke und Muskulatur für diesen Transport sind eine oder mehrere
wird als Hautmuskelschlauch bezeichnet. Geißeln bzw. Cilien der Terminalzelle, die Flüs-
Das Nervensystem besitzt ein im Vorderkör- sigkeit in dem Kanalsystem nach distal treiben.
per über dem Darm liegendes Gehirn (Cereb- Dadurch entsteht im proximalen Teil des Ka-
ralganglion). Von ihm aus ziehen längsparallel nalsystems ein Unterdruck. Kommt der Cilien-
verlaufende Markstränge (s. S. 92) mehr oder schlag zum Stillstand (z.B. durch Applikation
weniger nahe der Oberfläche durch den Körper. von Glutaraldehyd oder Nickelchlorid), fällt das
Sie sind von vorn bis hinten durch ringförmige Kanallumen des Protonephridialkanals zusam-
Nervenbahnen (Kommissuren) miteinander men. Der Filtrationsprozess ist eine Ultrafilt-
verbunden. Außerdem liegt ein Maschenwerk ration. Das Ultrafiltrat, der Primärharn, wird
von Nervenzellen und -fasern, ein Nervenple- durch Reabsorption der Kanalzellen modifiziert
xus, zwischen Epithel- und Muskelzellen des und schließlich zum Endharn, der über den Ne-
Hautmuskelschlauches. Ein weiterer derartiger phroporus abgegeben wird.
Plexus findet sich im Bereich des Verdauungs- Nur aus drei Zellen bestehende Protoneph-
traktes (stomatogastrisches Nervensystem). ridien sind von Plathelminthes nicht bekannt.
Beide Plexus sind zwar durch Markstränge mit Bei ihnen können Protonephridien sehr groß
dem Cerebralganglion verbunden, funktionie- und vielzellig sein, insbesondere bei großen
ren jedoch schon weitgehend unabhängig (auto- Arten.
nomes Nervensystem). Die Funktion der Protonephridien ist man-
Sinneszellen mit Cilien finden sich einge- nigfaltig: Durch sie wird die Interzellularflüs-
streut in der Epidermis; Sinnesorgane (Pigment- sigkeit in Bewegung gehalten, sie dienen der
becherocellen, Wimpergruben und Statocysten) Osmo- und der Ionenregulation, der Exkretion
kommen nur bei freilebenden, allenfalls noch von Endprodukten des Proteinstoffwechsels
bei den Larven der parasitischen Arten vor. (Ammoniak, Harnstoff) und – bei den Endopa-
Der Darm ist, soweit vorhanden, fast immer rasiten – der von Carbonsäuren und Alanin, die
blind geschlossen. Er ist ein gerades oder ge- beim anaeroben Abbau der Glucose anfallen.
I. Turbellaria, Strudelwürmer 91
a b c
Abb. 53 Terminal- und Kanalzelle eines Protonephridiums. a Außenansicht mit aufgeschnittener und ab-
gehobener Basalmembran, um die Filterregion zwischen Terminalzelle (hell) und Kanalzelle (dunkel) zu
zeigen, b Beide Zellen ohne Basalmembran und voneinander getrennt, um die Cilien (Kinocilien) zu zeigen,
c Längsschnitt
Die Geschlechtsorgane sind, ganz im Gegen- gefeuchtetem Pinsel (auf keinen Fall mit einer
satz zur im Übrigen relativ einfachen Organi- Pinzette) werden sie vorsichtig aufgenommen
sation der Plathelminthes, auch bei vielen nicht und zum Schutz vor Erwärmung in eine Ther-
parasitischen Formen außerordentlich komplex. mosflasche, die mit Wasser vom Herkunftsort
Bis auf wenige Ausnahmen, z.B. die humanpa- gefüllt ist, überführt. Gehalten werden sie in
thogene Gattung Schistosoma, sind die Plattwür- abgestandenem Leitungswasser zu 20 Tieren
mer Zwitter. in Boverischalen von etwa 6cm Durchmes-
ser. Einige Turbellarien lässt man hungern,
die anderen werden 1–2-mal wöchentlich mit
Daphnien, kleinen Schnecken oder Fisch-Tro-
I. Turbellaria, ckenfutter gefüttert. Die Haltungstemperatur
Strudelwürmer soll 20°C nach Möglichkeit nicht überschrei-
ten; direkte Beleuchtung ist zu vermeiden.
• Besonders Mesostoma ehrenbergi lässt sich
Technische Vorbereitungen (bei 16–20°C in neutralem Quellwasser) leicht
züchten. Ansetzen der Eier in Schalen von ca.
• Sehr gut zur Lebendbeobachtung eignen sich 12cm Durchmesser und 5cm Höhe. Dauer bis
Dugesia gonocephala, Dendrocoelum lacteum zum Schlüpfen 2–8 Tage. Zur ersten Fütte-
und Mesostoma ehrenbergi. Man sammelt die rung wird ein Futterbrei aus in einem Teesieb
Tiere in Bächen, Flüssen und Teichen, in de- zerquetschten Daphnien in das Wasser gege-
nen sie an der Unterseite von Steinen, Holz- ben. Nach 5–6 Stunden die Mesostoma abpi-
stücken und Blättern zu finden sind. Mit an- pettieren und in frische Wasserschalen geben.
92 Plathelminthes, Plattwürmer
Im Weiteren wird – 3-mal wöchentlich – den Körper dorsoventral. Das Körperinnere ist
mit lebenden Daphnien gefüttert. Die nach erfüllt von dreidimensional miteinander ver-
etwa 6–8 Wochen abgelegten Dauereier netzten Bindegewebszellen und Bindegewebs-
abpipettieren und bis zum Neuansatz in Was- matrix. Dazwischen eingestreut liegen die noch
ser im Kühlschrank bei 4°C aufbewahren. undifferenzierten Neoblasten und die Zellen
Die Zuchtansätze sind ca. 8 Wochen vor dem und Kanäle des Protonephridialsystems.
geplanten Einsatz zu starten. Das Nervensystem entspricht meist dem
• Außer den lebenden Tieren werden in Eu- Schema (S. 90): Gehirn und Längsbahnen sind
kitt eingedeckte, in gut ausgestrecktem Zu- in das Bindegewebe eingebettet, das paarige
stand fixierte Arten benötigt. Für Dugesia ist Cerebralganglion liegt im Vorderkörper. Von
es günstiger, Hungertiere zu verwenden, für ihm aus ziehen Nerven zum sinneszellreichen
Dendrocoelum Tiere mit gefülltem Darm. Vorderende und mehrere Paare von Marksträn-
gen parallel zur Körperlängsachse nach hin-
ten. Die Markstränge sind durch Kommissuren
Allgemeine Übersicht ringförmig miteinander verbunden.
Von Sinnesorganen sind unter der Haut
Die bisweilen prächtig bunt gefärbten Turbella- gelegene, aus Pigmentbecher und Sinneszellen
rien sind meist freilebende Plattwürmer, die im zusammengesetzte Augen (Pigmentbechero-
Meer und Süßwasser, aber auch in wassergefüll- cellen) in einem oder mehreren Paaren fast
ten Spalträumen des Bodens und in feuchten stets vorhanden. Organe des chemischen und
Landbiotopen leben. Nicht wenige sind Kom- des Strömungssinnes sind in Form von bewim-
mensalen, jedoch nur einige Arten Parasiten. perten Gruben besonders am Kopf entwickelt,
Der längsovale bis bandförmige Körper ist während mit Cilien versehene Tastsinneszel-
häufig abgeplattet, wobei die Bauchseite eine len vornehmlich an den Körperrändern anzu-
ebene Kriechsohle bildet, während die Rücken- treffen sind. Alle Turbellarien können sich im
seite etwas gewölbt ist. Ein Kopf kann mehr Schwerefeld orientieren, Statocysten findet man
oder weniger deutlich abgesetzt sein; seine Sei- bei vielen Arten als kleine, dem Gehirn auflie-
ten sind nicht selten zu Tentakeln oder Aurikeln gende Bläschen.
(„Öhrchen“) ausgezogen. Er birgt das Gehirn Der Mund kann an irgendeinem Punkt der
und Sinnesorgane, ist aber nur selten Träger der ventralen Mittellinie, vom Vorder- bis zum Hin-
Mundöffnung. terende, liegen. Er führt in einen muskulösen,
Die Epidermis besteht aus flachen, kubischen drüsenreichen und bewimperten Pharynx, der
oder prismatischen Zellen, die einer Basalmem- häufig rüsselartig aus einer Pharyngealtasche
bran aufsitzen und außen – wenigstens auf der vorgestülpt werden kann. Der Pharynx ist ecto-
Bauchseite – dicht mit Wimpern besetzt sind dermaler, der daran anschließende Mitteldarm
(Strudelwürmer). Ihre Kerne befinden sich oft entodermaler Herkunft. Der Mitteldarm endigt
in schlauchartigen Zellausstülpungen, die, den blind, ist aber sonst recht verschieden gestaltet:
Hautmuskelschlauch durchsetzend, bis in das stabförmig gerade, dreiästig oder vielästig und
Bindegewebe hineinragen. Viele Epidermiszel- jeweils mit oder ohne seitliche Divertikel. Bei
len beherbergen stark lichtbrechende Stäbchen den Acoelen besteht er meist aus einem soliden
(Rhabditen), die, ins Wasser ausgestoßen, zu Gewebsstrang, in dem Zellgrenzen ebenso wie
einem klebrigen Schleim aufquellen. Ebenso in der Epidermis nur elektronenmikroskopisch
wie das Sekret anderer Epidermiszellen dient er nachzuweisen sind. Die Nahrung wird in die-
dem Beutefang, zum Abseilen, der Abwehr von sem Fall in temporären Nahrungsvakuolen der
Fressfeinden, dem Schutz vor Bakterien- und Strangzellen verdaut. Kleine Turbellarien (bis
Pilzbefall und – bei landbewohnenden Arten – ca. 3mm) sind Mikrophage, sie ernähren sich
der Cystenbildung. von Bakterien, Kieselalgen und Protozoen, die
Der Hautmuskelschlauch setzt sich aus größeren sind Räuber, die oft erstaunlich große
Epidermis, unterlagerndem Bindegewebe und Beute überwältigen und fressen.
glatter Ring-, Diagonal- sowie Längsmuskulatur Die Protonephridien sind bei marinen For-
zusammen. Einzelne Muskelzellen durchsetzen men nur schwach entwickelt oder fehlen. In
I. Turbellaria, Strudelwürmer 93
der Regel sind zwei oder vier Paar Längskanäle Spezieller Teil
vorhanden, die durch eine oder zwei hinter dem
Mund gelegene Öffnungen oder durch sehr viele Dugesia gonocephala
und dann in zwei Reihen angeordnete Rücken-
poren ausmünden. Dugesia gonocephala ist ein häufiger Bewohner
Die Turbellarien sind Zwitter. Viele besitzen des Süßwassers; sie findet sich vor allem in sau-
neben den Keimstöcken noch Dotterstöcke, beren Fließgewässern.
Kopulationsapparate und eine Reihe weiterer
Hilfseinrichtungen. Männliche und weibliche
• Das Tier in einem flachen Schälchen mit Was-
ser bei schwacher Vergrößerung betrachten.
Geschlechtsöffnungen münden getrennt oder
liegen in einer gemeinsamen Tasche, dem At- Der Körper ist lang gestreckt (Abb. 54a). Der
rium genitale. Den Eizellen werden, falls sie Kopf setzt sich deutlich ab. Er ist vorn zugespitzt
nicht selbst dotterreich sind, eine größere Zahl und zieht sich seitlich in die Aurikel („Öhrchen“)
von Dotterzellen beigefügt (zusammengesetzte aus, sodass er im ganzen einen dreieckigen Um-
Eier). Die Entwicklung ist meist direkt; bei ma- riss hat, wodurch D. gonocephala leicht von an-
rinen Turbellarien kommen frei schwimmende, deren Arten der Familie zu unterscheiden ist.
mit bewimperten Lappen ausgerüstete Larven Doch ändert sich die Form des Kopfes beim
(Müllersche Larve) vom Trochophora-Typ kriechenden Tier dauernd, indem er bald spitzer,
vor. Manche Arten, auch solche der Gattung bald stumpfer wird; bisweilen hebt das Tier das
Dugesia, vermehren sich durch Teilung unge- Vorderende und bewegt die Aurikel.
schlechtlich. Vor allem wird zunächst die Bewegungsweise
des Turbellars auffallen. Es ist ein gleichmäßiges
Dahingleiten, so charakteristisch für die Turbel-
a b
Abb. 54 Dugesia gonocephala. a Dorsalansicht eines lebenden Tieres (aus ENGELHARDT), b Organisations-
schema, c Querschnitt durch den vorderen Bereich des Körpers
94 Plathelminthes, Plattwürmer
larien, dass es auf den ersten Blick gestattet, sie larsinnesorgane bezeichnet werden und als Or-
als solche zu erkennen. Da man keine Muskelar- gane des chemischen Sinnes funktionieren. Mit
beit wahrnimmt, möchte man zunächst anneh- ihrer Hilfe können die Planarien Beutetiere bis
men, dass diese Fortbewegung auf der Tätigkeit zu einer Entfernung von einigen Zentimetern
des dichten Wimperkleides beruht. Das ist aber lokalisieren. Auch die Öhrchen selbst sind be-
nur für sehr kleine Turbellarien (<2,5mm) zu- sonders reich an Sinneszellen.
treffend, die auf diese Weise nicht nur kriechen, Im übrigen verdeckt das reich entwickelte Pig-
sondern auch schwimmen können. Bei allen ment, das lediglich einen schmalen Außensaum
etwas größeren Arten reicht das Wimperkleid freilässt, fast völlig den Anblick der inneren
nicht aus, um den Körper von der Stelle zu be- Organe. Nur in der Mittellinie und etwa in der
wegen. Hier treten in immer stärkerem Maße Körpermitte sieht man ein Organ hell durch-
kleinste Muskelkontraktionen hinzu, die als schimmern. Es ist der muskulöse Pharynx, der
Wellen mit kurzen Abständen und so rasch, dass hinten mit der Mundöffnung beginnt und vorn
man sie mit bloßem Auge nicht erkennen kann, in den Darm übergeht (Abb. 54b). Er ist in eine
von vorn nach hinten über die Bauchfläche lau- Pharynxtasche eingesenkt und kann, mithilfe
fen. Die überaus mannigfaltige Beweglichkeit, zu spezieller Muskulatur, weit aus dem Körper aus-
der die Turbellarien darüber hinaus fähig sind, gestülpt werden. Bei geschlechtsreifen Exemp-
kann man leicht demonstrieren. laren ist hinter dem Pharynx als weitere hellere
Region bisweilen der Penis erkennbar.
• Hierfür das Tier mit einem Pinsel reizen oder
Auf der Bauchseite ist die Mundöffnung deut-
auf den Rücken drehen.
lich zu sehen und wenig dahinter als weißlicher
Am Kopf fallen die Augen als tiefschwarze Fle- Punkt auch die Öffnung des Atrium genitale,
cken auf, an die sich nach außen zu ein heller in das männlicher und weiblicher Sexualapparat
Bereich anschließt. Normalerweise ist ein Paar einmünden. Von den Geschlechtsorganen selbst
solcher Augen vorhanden, nicht selten aber fin- ist, auch wenn sich die Tiere in der Fortpflan-
den sich vor einem größeren Augenpaar noch zungsperiode (Frühjahr und Sommer) befinden,
zwei weitere, kleinere Augen. Bei anderen süß- nichts zu erkennen, es sei denn, dass das eine
wasserbewohnenden Turbellarien finden sich oder andere Tier eine der großen, braunen und
Augen in großer Zahl entlang des Vorder- und kugeligen Eikapseln im Atrium genitale birgt.
Seitenrandes (Gattung Polycelis). Jeder der In den Eikapseln (sie werden an Pflanzenteilen
schwarzen Flecken ist ein von Pigmentzellen oder Steinen mit einem kleinen Stiel befestigt)
gebildeter Becher, in den die den hellen Hof ein- ist neben mehreren Eizellen eine größere Zahl
nehmenden Sinneszellen mit ihren reizaufneh- den Embryonen als Nahrung dienende Dotter-
menden Teilen hineinragen. Augen dieser Bau- zellen eingeschlossen.
art werden als Pigmentbecherocellen bezeich- • Um den Pharynx beobachten zu können,
net. Durch die verschiedene Ausrichtung der werden Planarien beobachtet, die einige Tage
Öffnungen der Pigmentbecher wird ein Rich- gehungert haben. Als Futter dienen kleine
tungssehen ermöglicht. Das Bindegewebe vor Fleischbrocken, Regenwurmstückchen oder
den Öffnungen ist – man erkennt das unschwer – und das lässt den Darm ganz besonders
– pigmentfrei. Die reizaufnehmenden Teile der deutlich werden – mit Aktivkohle gefärbtes
Lichtsinneszellen, ihre Rhabdomere, sind vom Eigelb. (Rohes Eigelb mit Aktivkohle verset-
Licht abgewandt, die ableitenden Nerven ver- zen, bis die Mischung schwarz erscheint. Ei-
lassen den Pigmentbecher durch die Öffnung. nen Tropfen dieser halbflüssigen Masse in
Die Lichtstrahlen müssen also erst die Nerven eine Petrischale geben und mäßig antrocknen
und die Zellkörper durchdringen, ehe sie die lassen, dann ein bis drei Planarien in einem
erregbaren Teile der Lichtsinneszelle erreichen. Tropfen Wasser zusetzen. Nach etwa einer
Augen dieses Konstruktionsprinzips werden als Stunde haben die Tiere (meist) genügend
inverse Augen bezeichnet. Futter aufgenommen, sodass der Darm mit
Unmittelbar hinter den Aurikeln fallen zwei seinen Verzweigungen schwarz hervortritt.)
weitere pigmentfreie Stellen auf. Sie geben den Es ist von Vorteil, für diesen Versuch ein grö-
Sitz kleiner Wimpergruben an, die als Auricu- ßeres Schälchen zu verwenden.
II. Trematoda, Saugwürmer 95
Einige Minuten nach der Zugabe des Futters (Darm) und von voll entwickelten Tieren
beginnen die hungrigen Planarien zu kriechen. (Geschlechtsapparat) erforderlich.
Dort angelangt wird aus einer ringförmigen Ta- • Sehr informativ ist die Demonstration von
sche der innen bewimperte, schlauchförmige Tieren mit angefärbtem Exkretionssystem.
Pharynx ausgestülpt. Er kann kleine Nahrungs- Zur Färbung bringt man die Tiere einen Tag
brocken ganz in sich hineinschlingen, während in Boraxkarmin; differenziert wird mindes-
er sich in größere, unterstützt durch verdauende tens 14 Tage in HCl-Alkohol. Fügt man dem
Enzyme, allmählich hineinarbeitet. Durch die Alkohol, in dem man die Tiere nach dem
Peristaltik des Pharynx wird die Nahrung in den Fixieren (mit Bouinscher Flüssigkeit) aufbe-
Darm gepumpt und dort enzymatisch in win- wahrt, einige Tropfen Karbolsäure zu, so stellt
zige Teilchen zerlegt, die dann von den Nährzel- sich nach einigen Tagen eine haltbare Dun-
len phagozytiert werden. kelfärbung der Dotterstöcke und Dottergänge
Mesostoma ehrenbergi ist so durchsichtig, dass ein, die auch in gefärbten Präparaten diese
das Nervensystem, die Geschlechtsorgane und Organe gut hervortreten lässt.
die Wimperflammen der Protonephridien am • Wo es sich ermöglichen lässt, sollte eine
lebenden Tier mikroskopiert werden können. frisch vom Schlachthof bezogene, stark be-
fallene Rinderleber im Kurs eröffnet werden,
• Es werden ungefärbte Dauerpräparate gut
sodass die noch lebenden Parasiten in den
gestreckter Planarien mikroskopiert. Steht
Gallengängen demonstriert werden können.
anstelle von D. gonocephala das milchweiße
An so gewonnenen Großen Leberegeln kann
Dendrocoelum lacteum zur Verfügung, so er-
man den dunkel angefüllten Darm mit all sei-
übrigt es sich, Präparate zu verwenden, da bei
nen Verzweigungen gut erkennen, vor allem,
dieser pigmentarmen Art der (gefüllte) Darm
wenn man die Tiere zwischen zwei Objektträ-
schon im Leben deutlich durch die Körper-
gern vorsichtig quetscht. – Außerdem werden
wand hindurchschimmert.
mit Hämatoxylin-Eosin gefärbte Querschnitte
Der Darm geht unter plötzlicher Verschmäle- von Fasciola hepatica mikroskopiert. Um die
rung aus dem Pharynx hervor und gabelt sich Deutung des Präparates nicht zu schwierig
fast unmittelbar in drei Äste (Abb. 54b), von zu gestalten, ist es angebracht, Schnitte hin-
denen einer nach vorn zieht (Kopfdarm), wäh- ter der Körpermitte, bei denen Uterus und
rend die beiden anderen nach hinten umbie- Keimstock nicht mehr getroffen sind, zu ver-
gend parallel zu den Körperseiten bis an die wenden.
Schwanzspitze verlaufen („Schwanzdärme“). • Um Entwicklungsstadien von Trematoden
Man kann sie als Linien gut verfolgen. Alle drei zeigen zu können, sammle man schon einige
Äste entsenden Blindsäcke, die sich gabeln oder Tage vorher reichlich Wasserschnecken (be-
verzweigen. Da ein After fehlt, muss Unverdau- sonders Lymnaea-Arten, aber auch Bithynia
liches durch den Mund ausgeschieden werden. und Planorbis) und stelle sie einzeln in Was-
sergläser an ein sonniges Fenster. Aus einigen
der Schnecken wird man dann die Cercarien
in großen Mengen herauskommen sehen.
Das Ausschwärmen der Cercarien lässt sich
II. Trematoda, Saugwürmer hervorrufen, wenn man befallene Schnecken
rasch aus kaltem (5°C) in warmes (22°C)
Wasser oder umgekehrt aus warmem in kal-
Technische Vorbereitungen tes Wasser bringt.
• Präpariert man die infizierten Schnecken,
• Es werden mit Boraxkarmin gefärbte mikro- so findet man die Leibeshöhle und/oder die
skopische Präparate des Kleinen Leberegels Mitteldarmdrüse mit Sporocysten und Re-
(Dicrocoelium dendriticum) mikroskopiert. dien (oft verschiedener Trematodenarten)
Von Fasciola hepatica, dem Großen Leber- durchsetzt. Das so gewonnene Material wird
egel, sind gefärbte mikroskopische Präparate etwas zerzupft und zur Lebenduntersuchung
von jungen, höchstens 1cm langen Egeln verwendet. Befallene Schnecken sind übri-
96 Plathelminthes, Plattwürmer
gens oft an dem stark aufgetriebenen letzten einzelner Drüsenzellen. – Der Raum zwischen
Schalenumgang leicht zu erkennen. Darmkanal und Haut wird von zellreichem, me-
• Findet man keine infizierten Schnecken, so sodermalem Bindegewebe ausgefüllt.
muss man auf gefärbte Präparate von Sporo- Die Protonephridien bestehen aus zwei
cysten, Redien und Cercarien zurückgreifen. großen Längskanälen, von denen zahlreiche
Seitenkanäle abgehen, die sich im Bindegewebe
ausbreiten und mit Reusengeißelzellen (S. 90)
Allgemeine Übersicht beginnen. Die beiden Hauptkanäle können ge-
trennt rechts und links am Vorderende dorsal
Die Trematoden sind meist kleine (0,5 bis ausmünden, in anderen Fällen vereinigen sie
70mm), blatt- oder zungenförmige Plattwürmer, sich hinten in einer kontraktilen Blase.
die ausschließlich als Endoparasiten im Inneren Der Geschlechtsapparat ist, wie sehr oft bei
anderer Tiere leben. Ihre Körperwand ist eine Parasiten, mächtig entwickelt. Fast alle Saugwür-
Neodermis (s. S. 90). Die Oberfläche der Kör- mer sind Zwitter. Die männlichen Geschlechts-
perdecke ist oft mit Höckern, Dornen, Stacheln organe bestehen aus zwei ovalen oder lappigen,
oder Haken aus Proteinen besetzt. Ein Teil von gelegentlich aber auch stark verzweigten Ho-
ihnen dient, ebenso wie die Saugnäpfe, als Haft- den. Ihre Ausführgänge und ableitenden Gefäße
apparat. Fast stets ist ein vorderer Mundsaug- (Vasa efferentia) vereinigen sich zum Samen-
napf vorhanden, der die Mundöffnung umfasst; leiter (Vas deferens), dessen zur Samenblase
dazu tritt oft ein in der Mittellinie der Bauchflä- erweiterter Endabschnitt in ein vorstreckbares
che liegender Bauchsaugnapf. Begattungsorgan mündet. Der weibliche Ge-
Der Hautmuskelschlauch ist stark entwickelt schlechtsapparat ist komplizierter gebaut. Neben
und besteht aus Ring- und Längsmuskulatur. Eizellen, die der Keimstock (das Germarium)
Ferner finden sich dorsoventrale Muskeln sowie der weiblichen Gonade liefert, werden von ei-
die Saugnapfmuskulatur: einerseits meridian nem von der Ovaranlage abgespaltenen Teil,
verlaufende, die den Saugnapf abflachen, ande- vom Dotterstock (Vitellarium), Dotterzellen
rerseits äquatoriale und radiäre, die sein Lumen gebildet. Bei den meisten Trematoden gelangen
vertiefen und erweitern und dadurch das An- die Eizellen über einen kurzen Oviduct in eine
saugen des Saugnapfes bewirken. Erweiterung des Ausführganges, in den Ootyp.
Das Nervensystem besteht aus einem paari- Kurz vorher hat der Oviduct den vereinigten
gen, hinter dem Mundsaugnapf liegenden Ce- Ausführgang der seitlich gelegenen Dotterstöcke
rebralganglion (Gehirn), von dem Markstränge, aufgenommen. Im Ootyp werden jeder Eizelle
zwei relativ dicke ventrale und zwei laterale nach eine Anzahl Dotterzellen (bei Fasciola hepatica
hinten und drei Paar kürzere nach vorn ziehen. etwa 30) beigegeben. Dort finden außerdem
Ringförmige Kommissuren stellen Querverbin- die Befruchtung und danach die Bildung der
dungen her. Eischalen aus langsam sklerotisierenden Pro-
Im Zusammenhang mit der parasitischen teinen statt, die von den Dotterzellen abge-
Lebensweise sind Lichtsinnesorgane nur bei schieden werden. Der Ootyp wird von Drüsen-
frei schwimmenden Larvenstadien (Miracidien) zellen umgeben (Mehlissche Drüse). Ihr Lipo-
ausgebildet. Es sitzen dann zwei oder vier Paar proteinsekret soll die feine innere und äußere
Pigmentbecherocellen dem Gehirn auf. Membran der Eischale bilden. Zusammenge-
Der Darmkanal beginnt mit dem vorn und setzte Eier dieser Art, die neben der Eizelle eine
etwas bauchwärts gelegenen Mund, auf den ein oder mehrere, der Ernährung des Embryos die-
kurzer Vorderdarm (Oesophagus) folgt, dessen nende Dotterzellen beherbergen, werden ecto-
Anfangsstück zu einem muskulösen Pharynx lecithal genannt.
entwickelt ist. Dann gabelt sich der Darm in Aus dem Ootyp werden die Eier durch eine
zwei einfache, nach hinten ziehende, blinde als Ventil funktionierende Ringfalte in den Ute-
Schenkel. Beim Großen Leberegel (Fasciola he- rus befördert, der – oft mit Eiern gefüllt – als
patica) ist der Darm reich verzweigt. Der Mund vielfach geschlängeltes Rohr den Körper durch-
dient (fast immer) auch als After. In den Vorder- zieht und neben der männlichen Geschlechts-
darm münden Speicheldrüsen, meist in Form öffnung oder im gemeinsamen Atrium mündet.
II. Trematoda, Saugwürmer 97
Die Spermien gelangen bei den Digenea meist cke, schwimmen bis maximal 24 Stunden um-
durch den Uterus zu den Eiern. Das bei der Be- her, runden sich dann unter Verlust des Ru-
gattung aufgenommene Sperma wird in einem derschwanzes ab und schließen sich, an eine
bläschenförmigen Organ, das über einen kurzen Pflanze festgeheftet, in eine Cyste ein. Gelangen
Schlauch mit dem Oviduct verbunden ist, oder diese nun Metacercarien genannten Larven mit
in einer ootypnahen Erweiterung des Uterus ge- dem Gras von Überschwemmungswiesen in den
speichert (Receptaculum seminis). Ein bei den Darm eines Wiederkäuers, so verlassen sie die
Trematoda nicht selten vorkommender, vom Cystenhülle, durchbohren die Darmwand und
Ootyp zur Rückenfläche führender Gang, der wandern durch die Leibeshöhle in die Leber
Laurersche Kanal, dient vermutlich der Aus- und dort in die Gallengänge, wo sie innerhalb
leitung von überschüssigem Sperma und Zell- von zwei bis drei Monaten zu geschlechtsreifen
trümmern. Tieren heranwachsen und dann täglich zehn-
Die Trematoden machen einen mit einem bis zwanzigtausend Eier legen.
Wirtswechsel verknüpften Generationswechsel Auch beim Kleinen Leberegel (Dicrocoelium
durch. Dabei treten nacheinander mehrere ty- dendriticum) werden die embryonierten Eier mit
pische Larvenformen auf. Wir wollen uns ein- dem Kot des Wirtstieres im Gelände verstreut.
gehender mit zwei Arten, dem Großen und Als Zwischenwirte fungieren zunächst Landlun-
dem Kleinen Leberegel befassen. Beide leben genschnecken der Gattungen Zebrina und He-
in den Gallengängen von Pflanzen fressenden licella, die sich zersetzende Blätter aufnehmen
Säugetieren, der Große vornehmlich im Rind, und daher auch die unvollkommen verdauten
der Kleine im Schaf. Aus den mit dem Kot Pflanzenteile im Kot der Wirtstiere fressen. Da-
ausgeschiedenen Eiern des Großen Leberegels bei infizieren sie sich mit den Eiern, aus denen
(Fasciola hepatica) schlüpfen, wenn die Wei- kurz darauf im Darm der Schnecke das Mira-
den nach Regengüssen oder durch Hochwas- cidium schlüpft. Die Miracidien wandern zur
ser überschwemmt sind, bewimperte Larven, Mitteldarmdrüse, setzen sich dort fest und wach-
Miracidien, die sich in die Haut der amphi- sen zu unregelmäßig gestalteten Sporocysten I.
bisch lebenden kleinen Schlammschnecke Lym- Ordnung heran, in deren Leibeshöhle sich die
naea truncatula einbohren. Beim Eindringen 2–3mm großen Sporocysten II. Ordnung ent-
in Leibeshöhle und Mitteldarmdrüse bildet das wickeln. Die Muttersporocyste degeneriert, in
Miracidium das Wimperkleid und die Pigment- den Tochtersporocysten entstehen die mit ei-
becherocellen (S. 90) zurück und wächst zu nem langen Schwanz ausgestatteten Cercarien,
einem fast organlosen Keimschlauch, der Spo- die – ihre Mutter durch die Geburtsöffnung
rocyste, heran, die über die Körperoberfläche verlassend – über das Venensystem zur Atem-
Nahrung aufnimmt. In ihrem Inneren entwi- höhle der Schnecke wandern. Dort werden
ckelt sich aus diploiden Keimzellen eine zweite, sie etwa vier Monate nach der Infektion der
abweichend gebaute Generation, die Redien. Schnecke, in Gruppen von bis zu mehreren
Sie sind gegenüber den Sporocysten durch den tausend in Schleimballen gehüllt, ausgestoßen.
Besitz von Mund, Darm, Zentralnervensystem, Diese Schleimballen werden von Ameisen der
Speicheldrüsen und Geburtsöffnung ausgezeich- Gattung Formica gefressen. Die Cercarien (im
net und haben, wie übrigens sämtliche Larven- Durchschnitt etwa 50) gelangen dabei in den
stadien, Protonephridien. Außerdem besitzen Kropf der Tiere, durchbohren dessen Wand und
sie stummelförmige Fortbewegungsorgane, mit encystieren sich – nachdem sie im Verlauf von
deren Hilfe sie zur Mitteldarmdrüse der Schne- zwei Monaten über den Thorax bis in den Kopf
cke wandern, wo sie sich festsetzen und stark der Ameisen und wieder zurückgewandert sind
heranwachsen. In den Redien entwickeln sich – als schwanzlose Metacercarien in der Leibes-
– wiederum aus Keimzellen – die Cercarien. höhle des Abdomens. Stets dringt jedoch eine
Sie haben Darm, Saugnäpfe und Nervensystem Cercarie in das Unterschlundganglion ein und
der erwachsenen Formen, dazu einen Ruder- encystiert sich dort. So befallene Ameisen zei-
schwanz, es fehlen aber die Geschlechtsorgane. gen ein eigenartiges und auffallendes Verhalten:
Die Cercarien verlassen 6–10 Wochen nach der Sie erklettern Pflanzen und verbeißen sich mit
Infektion, die Haut durchbohrend, die Schne- ihren Mandibeln vornehmlich in den kühleren
98 Plathelminthes, Plattwürmer
Abendstunden in Blätter oder Blüten. Die Pflan- Vom Protonephridialsystem ist an den Prä-
zen fressenden Endwirte (Schaf, Rind) nehmen paraten fast nichts wahrzunehmen; alles, was
sie mit dem Futter auf und infizieren sich mit man an Organen sonst noch sieht, gehört zu
den in der Leibeshöhle der Ameise encystierten den beiden Geschlechtsapparaten. Hinter dem
Parasiten. Sie werden im Wirt nach 7 Wochen Bauchsaugnapf liegen zwei große, etwas gelappte
geschlechtsreif und beginnen etwa 4 Wochen Hoden, und vor dem Bauchsaugnapf sieht man
danach mit der Eiablage. den in einem Cirrusbeutel eingeschlossenen
Auch bei zahlreichen anderen Trematoden- Cirrus sich bis zur Gabelung des Darmes erstre-
arten gelangen die Cercarien in einen zweiten cken. Die Mündung des Cirrusbeutels, d.h. die
Zwischenwirt (Mollusk, Arthropode, Fisch oder männliche Geschlechtsöffnung, liegt unmittel-
Frosch), in dem sie sich einkapseln, um erst bar hinter der Gabelung des Darmes. Von den
dann, wenn sie samt diesem von einem drit- Hoden gehen die mit stärkerer Vergrößerung
ten Wirt gefressen werden, zu geschlechtsreifen erkennbaren Ausführgänge (Vasa efferentia) ab,
Saugwürmern heranzuwachsen. Die endopara- die sich zu einem kurzen, in den Cirrus überge-
sitischen Trematoden weisen also einen durch henden, unpaaren Samenleiter vereinigen.
Metamorphose und Wirtswechsel komplizierten Vom weiblichen Geschlechtsapparat fällt zu-
Generationswechsel auf. Ob dabei die Redien erst der meist in ganzer Länge von Eiern erfüllte
und Cercarien auf jeden Fall parthenogenetisch Uterus auf. Er beginnt in der Mitte des Körpers,
(aus geschlechtlich differenzierten, aber unbe- zieht bis zum hinteren Körperende, wendet sich
fruchteten Zellen) entstehen oder ob sie bei dann wiederum nach vorn und mündet schließ-
manchen Formen, wie behauptet wird, durch lich unmittelbar neben der männlichen Öffnung
Polyembryonie (also ungeschlechtlich) gebildet aus. Er windet sich in zahlreichen, quer laufen-
werden, muss vorerst noch offen bleiben. den Schlingen, was im Präparat oft eine reiche
seitliche Verzweigung vortäuscht. Die jüngsten,
im Anfangsteil des Uterus liegenden Eier haben
Spezieller Teil eine hellgelbe, durchsichtige Schale; diese wird
mit fortschreitender Sklerotisierung der sie auf-
1. Dicrocoelium dendriticum, bauenden Proteine braun. Die ältesten, in den
Kleiner Leberegel Endabschnitt des Uterus vorgeschobenen Eier
sind undurchsichtig und schwarzbraun.
Dicrocoelium dendriticum, der Kleine Leberegel Das Germarium liegt hinter dem zweiten
oder Lanzettegel, findet sich in den Gallengän- Hoden und erscheint als rundlicher Körper von
gen zahlreicher Säugetiere, vor allem bei Schaf geringerer Größe, in dem bei starker Vergröße-
und Rind, aber auch beim Menschen. rung die kleinen Eier sichtbar sind. Stets werden
die Eier später reif als die Spermien. Von hier
• Es werden die mikroskopischen Totalpräpa-
gelangen die Eier in den Ootyp (Abb. 56). Die-
rate zunächst mit schwacher Vergrößerung
ser ist umgeben von der nur schwach sichtbaren
betrachtet.
Mehlisschen Drüse. Ebenfalls nur schwer, wenn
Der bis zu 10mm lange Körper des Tieres ist überhaupt, erkennbar ist der Laurersche Kanal,
lanzettförmig (Abb. 55). Deutlich lassen sich der als feiner Gang vom Ootyp zur Rückenflä-
die beiden Saugnäpfe erkennen, von denen che zieht. Sehr gut zu erkennen ist dagegen, falls
der Bauchsaugnapf der größere ist. An den es mit Sperma gefüllt ist, das ihm anhängende
Mundsaugnapf schließt sich der kurze, mus- Receptaculum seminis. Es liegt als scharf kon-
kulöse Schlund (Pharynx) an, der sich zur turierte Blase mit lebhaft gefärbtem Inhalt un-
dünnen Speiseröhre (Oesophagus) verlängert. mittelbar hinter dem Germarium.
Über dem Beginn der Speiseröhre liegen dorsal Die beiden Vitellaria (Dotterstöcke) nehmen
die beiden durch eine Kommissur verbundenen, im Bereich der Körpermitte die rechte und linke
oft schwer sichtbaren Cerebralganglien. Der Seite ein und fallen wegen ihrer abweichenden
Darm gabelt sich, die beiden einfachen, unver- Färbung auf. Sie bestehen aus Gruppen von
ästelten Schenkel enden blind am Anfang des meist kurzen, keulenförmigen, oft verzweigten
letzten Körperviertels. Dottersäckchen, die jederseits in einen oft nur
II. Trematoda, Saugwürmer 99
Mund
Mundsaugnapf
Cerebralganglion Pharynx
Oesophagus
Vas efferens
Hoden
Dottergang
Vitellarium (Dotterstock)
Uterus
undeutlich sichtbaren Längskanal münden. Von selten, angetroffen. Früh auftretende Symptome
der Mitte des Längskanals führt ein quer verlau- stehen in Beziehung zur Wanderung der Lar-
fender Dottergang zum Ootyp. ven zur und innerhalb der Leber: Oberbauch-
schmerzen, Fieber, Durchfälle, Gelbsucht, Haut-
quaddeln, Juckreiz, Gelenkschmerzen und im
2. Fasciola hepatica, Großer Leberegel Blut Eosinophilie. Wenn viele adulte Würmer
lange Zeit in den Gallenwegen leben, kann es zu
Fasciola hepatica, der Große Leberegel, lebt Leberzirrhose kommen; Verstopfung der Gal-
gleichfalls in den Gallengängen von Schafen lenwege tritt öfter auf.
und anderen Säugetieren, oft vergesellschaftet
mit dem Kleinen Leberegel. Er erreicht eine • Es werden mit Boraxkarmin gefärbte mikro-
Länge von etwa 3cm und eine Breite von etwa skopische Totalpräparate sowohl junger als
1cm. Auch beim Menschen wird er, allerdings auch voll entwickelter Tiere mit dem Ste-
100 Plathelminthes, Plattwürmer
Germarium Hoden
(Keimstock)
Receptaculum
Laurerscher Kanal
seminis
Dottergang
Mehlissche Drüse
um Ootyp
Abb. 57 Großer Leberegel, Fasciola hepatica. Vorderes Körperdrittel von ventral; leicht schematisiert.
Dotterstock nur links, Darmschenkel nur rechts eingezeichnet. 8×
eingenommen. Es sind reich verzweigte Schläu- voller Länge getroffenen Hautdornen sind auch
che, die sich in je ein Vas efferens vereinigen. da, wo sie über die Körperoberfläche vorragen,
Die beiden Vasa efferentia ziehen seitlich der von Cytoplasma überzogen, liegen also intra-
Mittellinie nach vorn und vereinigen sich in epidermal. Die Perikaryen liegen einzeln oder
der Gegend des Bauchsaugnapfes zum unpaaren zu traubigen Gruppen vereint tief im Binde-
Samenleiter (Vas deferens), der sich unmittel- gewebe. Man kann sie an den großen, blau
bar danach zur Samenblase (Vesicula semina- angefärbten Kernen zwischen den Muskelzellen
lis) erweitert, die ihrerseits in den muskulösen, erkennen. Die feinen, halsartig dünnen Ver-
ausstülpbaren Cirrus übergeht. Der Cirrus, der bindungsstücke zwischen kernloser Außenlage
unmittelbar neben der weiblichen Geschlechts- und Perikaryen sind dagegen nur selten zu
öffnung mündet, und die Samenblase sind meist erkennen (Abb. 59).
gut erkennbar. In die Außenzone des Bindegewebes ist die
Muskulatur des Hautmuskelschlauches einge-
• Es werden nun mit Hämatoxylin-Eosin ge-
bettet. Oberflächennah verlaufen parallel zur
färbte Querschnitte durch die Körpermitte
Schnittebene die Zellen der Ringmuskulatur.
geschlechtsreifer Exemplare von Fasciola he-
Etwas tiefer im Bindegewebe liegen die quer
patica mikroskopiert.
getroffenen Zellen der Längsmuskelschicht.
Die Form des Querschnitts (Abb. 58) und das Sie sind in senkrecht orientierten Reihen oder
die Leibeshöhle erfüllende Bindegewebe sind schmalen Gruppen angeordnet und heben sich
für Plathelminthes typisch. Die syncytiale, kern- durch ihre rötliche Färbung gut ab. Noch tiefer
freie Außenlage der Epidermis (das Tegument) im Bindegewebe erkennt man – weniger gut –
zeigt eine vertikale Streifung. Die meist nicht in die Dorsoventralmuskulatur, die ihrem Verlauf
102 Plathelminthes, Plattwürmer
entsprechend in kurzen, schrägen Anschnitten – hinter der Mehlisschen Drüse – durch die
getroffen ist. Körpermitte geführt wurde. Vom Darm sind
Vor der Betrachtung und Diagnose der in- die gleich rechts und links der Mitte liegenden
neren Organe ist es gut, sich noch einmal den Hauptschenkel am größten. Nach den Seiten
Bauplan des Tieres ins Gedächtnis zu rufen zu wird ihr Lumen mit fortschreitender Ver-
und sich zu vergegenwärtigen, dass der Schnitt zweigung immer geringer. Bisweilen wird ein
Längsmuskulatur
Hoden Hautdorn Ringmuskulatur
Abb. 58 Fasciola hepatica. Eine Hälfte eines Querschnitts durch die Körpermitte. 20×
Stachel
Tegument
Ringmuskulatur
Längsmuskulatur
Perikaryon
Abb. 59 Feinstruktur der Körperwand von Fasciola hepatica mit im Bindegewebe liegenden Perikaryen
der syncytialen Neodermis. Längsschnitt. Etwa 1300×
II. Trematoda, Saugwürmer 103
in der Querrichtung verlaufender Ast in grö- Die Sporocysten und Redien sind wenig bewegli-
ßerer Länge getroffen oder die Stelle einer Ver- che, sack- oder schlauchartige Gebilde, angefüllt
zweigung angeschnitten sein. Die Darmschen- mit Tochterstadien, die sich in ihrem Inneren
kel können von einer homogenen, bräunlichen aus Keimzellen entwickeln. Die Entscheidung,
Masse, der aufgenommenen Nahrung (Blut und ob eine Sporocyste oder eine Redie vorliegt –
Zellen des Epithels der Gallengänge), erfüllt nicht immer ist beides vorhanden –, gelingt
sein. Das Epithel des Darmes erscheint auf den meist leicht (vgl. Abb. 60). Die Sporocysten sind
Schnitten bisweilen sternförmig gefaltet oder in sehr einfach gebaut. Es sind lediglich dünnwan-
einzelne Keile zerspalten, tatsächlich aber ist es dige, mit zarter Muskulatur versehene Säcke,
ein geschlossenes, einschichtiges Epithel, dessen die außer Protonephridien und Keimzellen keine
große Kerne im Gegensatz zu den Zellgrenzen Organe haben. Die Keimzellen im Inneren der
leicht erkennbar sind. Sporocysten entwickeln sich in der Regel zu Re-
Das Epithel des Protonephridialsystems ist dien (bei manchen Arten aber wiederum zu
sehr flach und kaum zu sehen; Blase und Ka- Sporocysten oder auch direkt, unter Übersprin-
näle erscheinen daher wie Lücken innerhalb des gen der Rediengeneration, zu Cercarien), die
Bindegewebes. Die Reusengeißelzellen und ihre Keimzellen in den Redien zu Cercarien. Die
Wimperflammen sind nur an mit Eisenhämato- Redien sind in der Regel schlanker, haben oft
xylin gefärbten Schnitten bei Verwendung eines einen durch einen Ringwulst abgesetzten „Kopf-
Immersionsobjektivs deutlich zu erkennen. teil“ und zwei stumpfe, zum Vorwärtsstämmen
Die Anschnitte der verzweigten Hoden fallen dienende Fortsätze am Hinterkörper; vor allem
wegen ihres Kernreichtums durch ihre sattblaue aber sind sie durch den Besitz eines Pharynx mit
Färbung auf. Die männlichen Keimzellen befin- anschließendem, kurzem oder längerem, nicht
den sich in den verschiedensten Entwicklungssta- gegabelten Darm und einer Geburtsöffnung im
dien. Man erkennt zahlreiche Zellteilungsstadien vorderen Körperdrittel gekennzeichnet.
und an vielen Stellen ganze Bündel ausdifferen-
zierter, fadenförmiger Spermien, deren lang ge-
• Nun werden Cercarien, wenn möglich frisch
mit der Pipette einem Schneckenglas ent-
streckte Kopfabschnitte sich nur wenig absetzen.
nommen und (vgl. S. 95) mikroskopiert.
Die von den Verzweigungen des Hodens frei-
gelassenen Seitenfelder werden von den Dotter- An den Cercarien kann man meist einen ova-
stöcken eingenommen. Die Dotterzellen sind len Körper und einen kräftigen Ruderschwanz
großkernig; ihr Cytoplasma ist erfüllt von Dot- unterscheiden. Mund- und Bauchsaugnapf,
tertröpfchen, die zur Schalenbildung verwendet Pharynx und gegabelter Darm sind vorhanden;
werden. sogar die Protonephridialorgane mit ihren End-
zellen samt schlagenden Wimperflammen sind
gut zu erkennen. Der Bau der adulten Tremato-
3. Sporocysten, Redien, Cercarien den ist im Wesentlichen schon erreicht, nur sind
die Geschlechtsorgane noch nicht entwickelt.
• Gefärbte, mikroskopische Totalpräparate von Oft finden sich zwei große, seitliche Drüsenpa-
Sporocysten und Redien verwende man nur kete, die bei der späteren Encystierung der Cer-
dann, wenn kein Lebendmaterial, an dem carie eine Hülle aus sklerotisierenden Proteinen
die Einzelheiten der Organisation dieser Lar- und Mucopolysacchariden um das Tier bilden.
venstadien viel besser zu erkennen sind, zur In der dorsalen Lippe des Mundsaugnapfes liegt
Verfügung steht. Lebende Larven entnimmt bei einigen Arten ein kleiner Bohrstachel. Der
man aus der Leibeshöhle und/oder Mittel- Ruderschwanz ist bei manchen Arten gegabelt.
darmdrüse (unter Wasser zerzupfen) einer Er wird kurz vor der Encystierung (in den Prä-
Lymnaea-Art. Die Larven von Fasciola hepatica paraten oft schon früher) abgeworfen.
leben nur in Lymnaea truncatula; in anderen
Lymnaeen wird man Entwicklungsstadien (oft • Es empfiehlt sich, den Cercarienpräparaten
verschiedener) anderer Trematodenarten fin- einen Tropfen einer sehr schwachen Neutral-
den. Sie unterscheiden sich meist nur geringfü- rotlösung zuzusetzen und das Deckgläschen
gig von den Larven des Großen Leberegels. durch Absaugen des Wassers anzupressen. In
104 Plathelminthes, Plattwürmer
Abb. 60 Entwicklungsstadien von Trematoden. a Miracidium aus dem Ei schlüpfend, b Sporocyste, c Redie,
d Cercarie von Fasciola hepatica
den Minuten vor dem Absterben der gepress- • Als Demonstrationsmaterial sind vollstän-
ten Tiere treten die einzelnen Organe, vor- dige, konservierte Exemplare der häufigeren
nehmlich das Protonephridialsystem, beson- Bandwürmer, eine Echinococcus-Cyste sowie,
ders deutlich hervor. unter dem Mikroskop, einige Bandwurm-
köpfe aufzustellen.
Hakenkranz
Rostellum Saugnapf Sauggrube
Saugnapf
Uterus
Uterus
Genital-
papille
Abb. 61 Köpfe und reife Proglottiden von Taenia solium, Schweinebandwurm (links), Taenia saginata, Rin-
derbandwurm (Mitte) und Diphyllobothrium latum, Fischbandwurm (rechts)
Die Entwicklung der Cestoden ist eine Meta- ist es das Schwein, das die Oncosphaeren mit der
morphose, die bei wenigen Arten mit einem Nahrung aufnimmt. Die Oncosphaeren werden
Generationswechsel, aber fast immer mit ei- im Dünndarm frei, dessen Enzyme die Eischale
nem Wirtswechsel verknüpft ist. Die Larve auflösen, durchbohren dann das Darmepithel
setzt sich im Bindegewebe, den Muskeln, der und gelangen mit dem Blutstrom in das Binde-
Leber und in anderen Organen des Zwischen- gewebe der Muskeln und anderer Organe, wo
wirtes fest, das geschlechtsreife Endstadium sie sich zu Finnen (s. unten) umwandeln. Durch
lebt in der großen Mehrzahl der Fälle als Parasit Verzehr „finnigen“ Fleisches kommen die Fin-
im Darm von Wirbeltieren. Beim Menschen nen in ihren Endwirt (bei Taenia solium den
können dementsprechend Bandwurminfektio- Menschen). In seinem Darm wächst der in der
nen in drei Gruppen eingeteilt werden: 1) Der Finne enthaltene Scolex hervor, an dessen Hin-
Mensch ist der Endwirt (Taenia saginata, Diphyl- terende sich die Proglottiden differenzieren, in
lobothrium latum, Hymenolepis nana). 2) Der denen Eier in sehr großer Zahl ausgebildet wer-
Mensch ist Zwischenwirt (Echinococcus). 3) Für den. Durch stück- oder gruppenweise Ablösung
Taenia solium kann der Mensch End- und Zwi- der endständigen, reifen Proglottiden gelangen
schenwirt sein. die darin eingeschlossenen befruchteten und in
Die befruchteten Eier vieler Bandwürmer ent- der Regel schon zu Embryonen entwickelten
wickeln sich zunächst zur „Sechshaken-Larve“ Eier mit dem Kot ins Freie.
(Oncosphaera), die, um zur 2. Larve zu werden, Die Finne ist ein Bläschen (Cysticercus, Bla-
von einem Zwischenwirt aufgenommen werden senwurm). In einer Einsenkung der Wandung
muss. Bei Taenia solium (Schweinebandwurm) sprosst der künftige Scolex nach innen (Abb. 62).
106 Plathelminthes, Plattwürmer
in ganzer Länge. Sie beginnen im Kopf in einem entwickelnden Embryo als Nahrung dienen,
kräftig entwickelten, paarigen Gehirn und sind beigegeben. Das nunmehr zusammengesetzte Ei
dort außerdem in jedem Glied durch Kommis- wird im Ootyp oder Uterus von einer Schale
suren miteinander verbunden. Vom Gehirn zie- umhüllt. Das Schalenmaterial stammt ebenfalls
hen Nerven zu den Haftorganen. Sinnesorgane zum Teil von den Dotterzellen oder von dem
fehlen, freie Sinnesnervenendigungen finden sich bereits im Uterus entwickelnden Embryo.
sich zahlreich in der Epidermis. So auch bei der Gattung Taenia. Das Sekret
Das Protonephridialsystem umfasst meist der Mehlisschen Drüse bildet höchstens eine
vier Längskanäle (darunter zwei sehr schwach feine Grundlamelle um Ei und Dotterzellen, an
entwickelte), von denen kleinere Seitengefäße in die das Schalenmaterial von innen angelagert
den Körper gehen, die mit Reusengeißelzellen wird. Der Ootyp nimmt vor seinem Eintritt
(s. S. 90) beginnen. Die Längskanäle münden in die Mehlissche Drüse noch einen anderen
am Hinterrand der jeweilig letzten Proglottis Kanal auf, die nach außen führende Vagina, die
aus; sie sind in jedem Glied durch einen Quer- dicht neben dem Cirrus in einer gemeinsamen
kanal, im Kopf durch ein Schleifensystem mitei- Grube, dem Genitalatrium, mündet. Nach sei-
nander verbunden. nem Austritt aus der Mehlisschen Drüse wird
Die Geschlechtsorgane, männliche und der Eileiter zum Uterus; er enthält die fertigen
weibliche in jeder Proglottis, sind sehr stark Eier und mündet entweder ebenfalls – jedoch
entwickelt. Nur die jüngsten, dem Kopf am ventral – nach außen (Diphyllobothrium) oder
nächsten stehenden Glieder haben noch keine endigt blind (Taenia), vorher zahlreiche Sei-
Geschlechtsorgane, bei den mittleren sind sie tenäste aussendend.
am vollständigsten entwickelt, während bei den
letzten und ältesten Gliedern, den „reifen“, fast
nur der mit Eiern bzw. Embryonen gefüllte Ute- Spezieller Teil
rus übrig bleibt.
Bei vielen Cestoden (z.B. beim Fischband- 1. Taenia solium, Schweinebandwurm,
wurm) existieren drei Geschlechtsöffnungen, Taenia saginata, Rinderbandwurm,
eine männliche und zwei weibliche, von denen Diphyllobothrium latum, Fischbandwurm
die eine die Mündung der Vagina, die andere
die des Uterus darstellt; bei den meisten Arten • Aus einem Stück finnigen Fleisches die einzel-
fehlt jedoch die Uterusmündung (so bei Ta- nen Finnen – ohne sie anzustechen – herauslö-
enia). Die Genitalöffnungen sind rand- oder sen und in ein mit Wasser gefülltes Schälchen
flächenständig. bringen. Schon mit bloßem Auge lässt sich der
Die männlichen Geschlechtsorgane beste- meist ins Innere der Blase eingestülpte Scolex
hen meist aus zahlreichen Hodenbläschen im als weißlicher Fleck erkennen. Um ihn besser
Parenchym, deren Vasa efferentia sich zu einem zur Anschauung zu bringen, kann man ihn
muskulösen Vas deferens vereinigen. Das Ende entweder durch vorsichtiges Quetschen der
dieses Samenleiters, der Cirrus, liegt in einem Blase zwischen zwei Fingern zur Ausstülpung
gleichfalls muskulösen Beutel, dem Cirrusbeu- bringen, oder man hebt ihn mittels einer Na-
tel. Er ist ausstülpbar und wird bei der Paarung del aus der Blase heraus, oder man schneidet
in die weibliche Geschlechtsöffnung eingeführt. ihn samt einem Stück der Umgebung aus der
Die weiblichen Geschlechtsorgane beginnen Blasenwand aus, bringt ihn dann mit reichlich
mit dem im unteren Bereich jeder Proglottis Wasser auf einen Objektträger und legt unter
liegenden Keimstock (Germarium). Der davon leichtem Druck einen zweiten Objektträger
ausgehende Eileiter vereinigt sich mit dem Aus- auf das dann fertige Präparat.
führgang des Dotterstockes, der unpaar oder • Falls finniges Fleisch nicht beschafft werden
paarig sein kann. Im Umkreis der als Ootyp kann, werden gefärbte Dauerpräparate ausge-
bezeichneten Vereinigungsstelle liegt die Meh- stülpter Scolices mikroskopiert.
lissche Drüse. Im Ootyp werden jeder Eizelle
eine (bei den Taeniidae), wenige oder viele (Di- Bei schwacher Vergrößerung wird sichtbar, dass
phyllobothrium) Dotterzellen, die u.a. dem sich der Scolex einen fast rechteckigen Umriss hat.
108 Plathelminthes, Plattwürmer
Deutlich treten an den vier Ecken die halbkuge- Die Unterschiede der Köpfe der drei Formen
ligen Saugnäpfe hervor. Charakteristisch für den ergeben sich aus Abb. 61: Taenia solium hat vier
Schweinebandwurm ist der Besitz eines Haken- Saugnäpfe und einen Hakenkranz, Taenia sa-
kranzes von meist 26 bis 28 Haken an der Vor- ginata vier besonders kräftige Saugnäpfe, aber
derfläche des Kopfes. Man erkennt zweierlei Ha- keinen Hakenkranz, Diphyllobothrium latum ei-
ken, größere und kleinere, die in zwei konzentri- nen gestreckten, abgeflachten Scolex mit zwei tief
schen Kreisen stehen. Im inneren Kreis befinden einschneidenden, länglichen Sauggruben (Bo-
sich die größeren Haken, im äußeren Kreis, mit thrien). An den gefärbten Präparaten von Ta-
ihnen wechselständig, die kleineren. Die Spitzen enia sieht man bei mikroskopischer Betrachtung,
der Haken beider Kreise liegen vom Zentrum dass der Uterus dicht von derbschaligen Eiern er-
gleich weit entfernt. Die genauere Betrachtung füllt ist; sie enthalten bereits Oncosphaeren. Ho-
der Haken zeigt deren einzelne Teile: eine etwas den und Ovarien sind in den reifen Proglottiden
nach außen gekrümmte Spitze, einen in das Inte- vollkommen zurückgebildet, vom ganzen Ge-
gument eingesenkten Stiel und eine seitliche Za- schlechtsapparat sind außer dem Uterus nur noch
cke. Der Hakenkranz sitzt auf dem beweglichen Vagina und Vas deferens übrig geblieben. Sie sind
Rostellum, einem Muskelpolster, das die Haken leicht zu unterscheiden, da das Vas deferens vor
aufrichten bzw. nach außen umschlagen kann. der Vagina liegt und bedeutend stärker ist.
Seine Wirkungsweise lässt sich durch verminder-
ten oder verstärkten Druck auf den dem Objekt
• Zum Studium der Geschlechtsorgane dienen
mikroskopische Präparate mittelreifer Pro-
aufliegenden Objektträger demonstrieren.
glottiden (evtl. auch Flächenschnitte) von Ta-
• Um die wesentlichen Unterschiede der drei enia saginata.
beim Menschen vorkommenden Bandwür-
Die männlichen und weiblichen Geschlecht-
mer zu zeigen, werden möglichst reife Glie-
söffnungen liegen, wie bereits erwähnt, am
der von Taenia solium, Taenia saginata und
Rande der Proglottis, und zwar dicht beiein-
Diphyllobothrium latum verglichen. Die Pro-
ander und in der Tiefe einer kraterförmig aus-
glottiden in Glycerin zwischen zwei Objekt-
gehöhlten Erhebung, der Genitalpapille. Die
trägern leicht pressen, das Präparat dann ge-
Hoden setzen sich aus sehr zahlreichen, im Pa-
gen das Licht halten und mit einer schwachen
renchym verstreuten Bläschen zusammen, von
Lupe betrachten. Außerdem gefärbte Dauer-
denen Sammelgänge (Vasa efferentia) ausge-
präparate mikroskopieren.
hen, die mehr und mehr zusammenfließen, um
Die Proglottiden der beiden Taenia-Arten un- schließlich in das weite und stark gewundene
terscheiden sich dadurch von denen des Di- Vas deferens einzumünden. Sein Endabschnitt,
phyllobothrium, dass ihre auf einer leichten der Cirrus, liegt in einer besonderen Hülle, dem
Erhebung ausmündenden Ausführgänge der Cirrusbeutel, kann hervorgestülpt werden und
Geschlechtsorgane randständig sind und leicht dient als Begattungsorgan (Abb. 63).
wahrgenommen werden können, während sie Die Vagina zieht als feiner Kanal in flachem
bei Diphyllobothrium flächenständig und bei Bogen von der weiblichen Geschlechtsöffnung
diesen Präparaten kaum erkennbar sind. Ein- gegen den Hinterrand der Proglottis, schwillt
zelne Proglottiden der beiden Taenia-Arten las- zu einem kleinen Receptaculum seminis an und
sen sich nicht immer mit Sicherheit bestimmen, vereinigt sich mit einem Gang, der vom zwei-
da die als Bestimmungsmerkmal herangezogene teiligen Eierstock herkommt, dem Eileiter. Kurz
Anzahl der Uterusseitenäste erheblich variieren darauf nimmt der vereinigte Gang, jetzt „Be-
kann. Sie beträgt bei Taenia solium (Schwei- fruchtungsgang“ genannt, noch den Ausführ-
nebandwurm) jederseits 7–16 und bei Taenia gang des Dotterstocks auf, biegt dann nach vorn
saginata (Rinderbandwurm) 14–32. Bei Diphyl- um und erweitert sich zu dem in der Mittellinie
lobothrium latum bildet der in der Mitte der verlaufenden, geraden, blind endenden Uterus.
Proglottis liegende Uterus eine dunkel erschei- An der Umbiegungsstelle münden zahlreiche,
nende, rosettenförmige Figur; zudem sind hier radiär gestellte, einzellige Drüsen in den Gang
die reifen Proglottiden erheblich breiter als lang, ein, in ihrer Gesamtheit als Mehlissche Drüse
bei Taenia dagegen länger als breit. bezeichnet. In dem von ihr umhüllten, etwas
III. Cestoda, Bandwürmer 109
Protonephridialkanal
Hodenbläschen
Cirrusbeutel
Genitalpapille Uterus
Genitalatrium
Receptaculum seminis
Oviduct Ootyp
Germarium (Keimstock)
Protonephridialquerkanal Vitellarium MEHLISsche Drüse
(Dotterstock)
Abb. 63 Proglottis mittleren Reifegrades vom Rinderbandwurm, Taenia saginata
erweiterten Abschnitt des Ganges, dem Ootyp, • Nun werden Präparate halbreifer Proglotti-
werden die Eier von der Grundlamelle umgeben den von Diphyllobothrium latum betrachtet.
(s. S. 107) und in den Uterus geschoben. Der
Uterus ist, je nach Reifegrad, noch unverzweigt Diphyllobothrium zeigt einen stark abweichen-
oder zeigt bereits einige aussprossende Seiten- den, mehr trematodenähnlichen Bau der Ge-
zweige. Diese Verzweigung wird später sehr viel schlechtsorgane (Abb. 64). Der männliche
reicher, entsprechend der wachsenden Zahl der Geschlechtsapparat, der sonst ähnlich wie bei
im Uterus unterzubringenden Eier. Taenia gebaut ist, mündet in der Mittellinie,
Außer dem Geschlechtsapparat sind an die- dem Vorderrand der Proglottis genähert, nach
sen Präparaten lediglich noch die beiden starken außen. Im weiblichen Geschlechtsapparat treten
seitlichen Kanäle des Protonephridialsystems zwei große Dotterstöcke auf. Der vom Ootyp
mit dem sie am Hinterrand jeder Proglottis ver- abgehende Uterus zieht in vielen Windungen,
bindenden Querkanal zu erkennen. also ähnlich wie bei Dicrocoelium dendriticum,
nach vorn, enthält in reifem Zustand sehr große,
• An aufgestelltem Demonstrationsmaterial derbschalige, zusammengesetzte Eier und mün-
ganzer Taenien ist die verschiedene Form der det ebenfalls in der Mittellinie, ein Stück hinter
Proglottiden zu beachten. der männlichen Geschlechtsöffnung nach außen
(im Gegensatz zum blind endenden Uterus von
Die reifen Endglieder sind lang gestreckt, nach Taenia). Außerdem ist eine Vagina vorhanden,
vorn zu werden die Glieder quadratisch, noch deren Mündung unmittelbar hinter derjenigen
weiter vorn quer gestreckt. Die randständigen des Vas deferens liegt.
Genitalpapillen aufeinander folgender Glieder Die reifen Proglottiden des Fischbandwurmes
alternieren, bei T. solium ziemlich regelmäßig, entleeren die Eier bereits im Darm; danach ver-
bei T. saginata unregelmäßig. kümmern sie und gehen mit dem Stuhl ab. Die
110 Plathelminthes, Plattwürmer
Vitellarium
(Dotterstock)
Abb. 64 Proglottis mittleren Reifegrades vom Fischbandwurm, Diphyllobothrium latum. Rechts nur der
Dotterstock, links nur die Hoden eingezeichnet
lich in der Leber, aber auch in der Lunge, in Es ist zu erkennen, dass sich an der Wand der
Herz, Gehirn und anderen Organen ansiedeln, Brutkapseln einige Scolices ausgebildet haben.
wachsen nämlich im Verlauf von Monaten oder Im Ganzen können durch diese ungeschlechtli-
Jahren unter schweren, letztlich oft tödlichen che Fortpflanzung im Larvenzustand aus einer
Zerstörungen des befallenen Organs zu apfel-, Oncosphaera Millionen von Scolices hervor-
beim Menschen sogar bis kopfgroßen, flüssig- gehen.
keiterfüllten Blasen (Echinococcusblase, Hyda- Ein naher Verwandter von E. granulosus ist
tide) heran. Aus ihr entstehen Hunderttausende der Fuchsbandwurm Echinococcus multilocula-
von Brutkapseln, winzige, etwa 1/3 mm große ris. Endwirt ist der Fuchs (selten auch Katze
Gebilde mit einem tegumentumkleideten Bin- und Hund), Zwischenwirte sind Wühl-, Feld-
nenraum und einer äußeren Keimschicht, die und Hausmäuse sowie der Mensch. Das Fin-
so genannte Protoscolices erzeugt. Häufig wer- nenstadium ist nicht unilokulär-blasig, sondern
den von der Hydatide nach innen Tochterblasen bildet mehrere kleine Kammern und ist somit
gebildet, die ihrerseits Brutkapseln oder auch multilokulär bzw. alveolär. Es wuchert und brei-
Enkelblasen aus sich hervorgehen lassen. Bei tet sich wie eine Krebsgeschwulst im Gewebe
Ruptur der Hydatide kommt es zur „Aussaat“ aus. Beim Menschen wird besonders häufig die
der Protoscolices, die sich dann andernorts wei- Leber befallen. Der Verlauf dieser als Alveolar-
terentwickeln. Frisst ein Hund finniges Fleisch, Echinococcose bezeichneten Wurmerkrankung
so wächst in seinem Darm jeder Protoscolex ist unbehandelt bei 70% der Betroffenen töd-
zu einem Bandwurm heran. Die Infektion der lich.
Zwischenwirte erfolgt durch die mit Echinococ- Eine wirkungsvolle Therapie der Echinococ-
cus-Eiern verunreinigte Nahrung. Die Oncos- cose durch Medikamente beim Menschen gibt
phaeren verlassen im Darm des Zwischenwirts es derzeit noch nicht. Durch regelmäßige Ent-
die Eihülle, durchbohren das Darmepithel und wurmungen von Hund und Katze (vor allem in
gelangen über die Pfortader in die Leber oder, den Verbreitungsgebieten der Hundebandwür-
wenn sie diese passieren, in andere Organe. – mer) und durch strenge Beachtung hygienischer
Echinococcus ist einer der wenigen Bandwürmer, Normen kann die Gefahr einer Infektion ver-
bei denen der Wirtswechsel mit einem Genera- ringert werden. Zur Bekämpfung von E. multi-
tionswechsel, einer Metagenese, gekoppelt ist. locularis werden in Süddeutschland Köder zur
Entwurmung der Füchse ausgelegt.
• Es werden gefärbte Präparate von Wand-
stücken einer Echinococcus-Hydatide mikro-
skopiert.
Abb. 65
Aschelminthes, Rundwürmer
Die Aschelminthes (Rundwürmer) sind mit ihren beiden größten Gruppen, den Rotatoria
(Rädertieren) und den Nematoda (Fadenwürmern), besonders weit verbreitet.
Etwa 90% aller Menschen beherbergen im Laufe ihres Lebens irgendwann einmal Nema-
toden; über eine Milliarde ist derzeit mit dem Spulwurm (Ascaris, Abb. 65a: Vorderende im
REM) infiziert (d.h. die Jugendstadien wandern gerade durch die Blutbahn und/oder die Adul-
ten leben im Darm), bei etwa einer Milliarde saugt der Hakenwurm Ancylostoma (Abb. 65b:
Vorderende im REM) Blut aus der Darmschleimhaut. Bis zu 500 Millionen Menschen sind an
Filariosen erkrankt (durch Insekten übertragene Nematoden, die Elephantiasis und Flussblind-
heit (Abb. 65c) hervorrufen können). 300 Millionen beherbergen den kleinen Madenwurm
Enterobius, den auch viele Leser/Leserinnen dieser Zeilen in ihrer Kindheit in sich hatten. 40
Millionen leiden an einer Trichinen-Infektion; sie geht im Allgemeinen auf Verzehr von ungenü-
gend zubereitetem Schweinefleisch zurück.
Nicht nur Menschen leiden an Nematoden-Infektionen, auch Haustiere und Kulturpflanzen
sind betroffen. Allein an der Sojabohne kennt man etwa 100 Nematoden-Arten (Phytonemato-
den), unter europäischen Feldfrüchten sind beispielsweise Zuckerrübe und Kartoffel betroffen.
Phytonematoden sind weltweit eine Problemgruppe ersten Ranges. Manche sind Virusüberträ-
ger, manche induzieren in Pflanzen Gallen und vielkernige Syncytien. Bei Rüben- und Kartof-
felcystenälchen (Heterodera, Globodera) kann das Volumen der Weibchen das der Männchen
um den Faktor 100 übertreffen. Die Weibchen investieren bis 90% ihres Gesamtumsatzes in
die Eiproduktion und werden selbst zu einem Eibehälter (Cyste), der mehrere Jahre im Boden
überdauern kann. Das kann zu erheblichen Belastungen von Böden führen, und Ernteerträge
können wesentlich reduziert werden.
Weitgehend unverstanden ist die Bedeutung der Nematoden im Benthos der Meere, in
Sedimenten von Süßgewässern sowie im Boden terrestrischer Lebensräume. Unter einem
Quadratmeter Ackerboden können in Mitteleuropa bis zu 40 Millionen Nematoden-Individuen
leben, Wiesen- und Waldböden enthalten weniger.
Vergleichbare Populationsdichten erreichen Rädertiere im marinen und limnischen Plank-
ton, aber auch als Bewohner von Moospolstern, selbst zwischen Steinen von Gehwegen. Sie
trotzen hohen und niedrigen Temperaturen und können lange Trockenperioden überdauern.
Sie gehen, wie auch viele Nematoden, in ein Stadium des latenten Lebens (Kryptobiose) über.
Rotatorien wurden in neuerer Zeit zu bevorzugten Fischnährtieren. Insbesondere die auch
in diesem Buch behandelte Gattung Brachionus wird weltweit in Aquakulturen gezüchtet und
stellt eine ideale Nahrung für Fischlarven dar.
Eine Besonderheit vieler Aschelminthes ist die Zellkonstanz (Eutelie), d.h. jedes Individuum
einer Art und eines Geschlechts entwickelt eine bestimmte Zahl von Zellen, die nahe 1000
liegt. Regeneration gibt es praktisch nicht. Hier setzten schon im frühen 20. Jahrhundert For-
schungsaktivitäten ein, und in den letzten Jahrzehnten wurde der Nematode Caenorhabditis
elegans (Abb. 65d) zum besonders genutzten Modellorganismus von Genetikern, Molekular-,
Neuro- und Zellbiologen. Mittlerweile kennt man die Zellgenealogie (cell lineage, Abb. 65d),
und 1998 gelang die Sequenzierung der Gesamt-DNA.
Die Aschelminthes wurden in den letzten Jahrzehnten durch Entdeckungen neuer Taxa er-
weitert: Loricifera (1983), auf Abb. 65e zu sehen, und Micrognathozoa (2000).
Die ältesten Repräsentanten der Aschelminthes, die Priapulida, sind aus dem Kambrium
bekannt und haben sich in über 500 Millionen Jahre kaum verändert. Sie stellen somit die
ältesten „lebenden Fossilien“ unter den vielzelligen Tieren dar. Abb. 65f zeigt das pentaradiär-
symmetrische Vorderende einer Larve von Priapulus.
114 Aschelminthes, Rundwürmer
Die Aschelminthes enthalten äußerlich sehr ver- tur zu nehmen ist. Es kann jedoch auch zu
schiedene Gruppen. Ihr bilateral-symmetrischer allen Jahreszeiten aus Brackwasser und Bin-
Körper ist meist wurmförmig und unsegmen- nensalzgewässern beschafft werden. Brachio-
tiert. Ihre Leibeshöhle ist einheitlich; ihr fehlt nus plicatilis wird in verschiedenen Ländern
ein auskleidendes Epithel („Pseudocoel“) (s. in der marinen Aquakultur gezüchtet und
S. 120). Bindegewebe ist im Gegensatz zu den als Larvenfutter eingesetzt, z.B. in der Zucht
Plathelminthes – mit Ausnahme der Nemato- des Steinbutts und anderer Fische und in der
morpha – höchstens schwach entwickelt, meist Zucht verschiedener Krebse (Decapoda).
fehlt es. Oft wird die Leibeshöhle von den Or-
ganen fast ganz ausgefüllt, Flüssigkeit findet sich Proben aus limnischen Gewässern enthalten ne-
dann nur spärlich zwischen den dicht gepackten ben der verbreiteten Gattung Brachionus zum
Organen. Bei anderen Arten ist in der Leibes- Beispiel Arten aus den Gattungen Keratella, Syn-
höhle der Anteil von Flüssigkeit beträchtlich. chaeta und Filinia. Alle gehören der Gruppe der
Die Epidermis kann zellig oder syncytial Monogononta an, die durch eine unpaare Go-
sein. Oft wird sie von einer proteinhaltigen nade ausgezeichnet ist. Man findet in den Pro-
Cuticula bedeckt. Bei den Gastrotrichen sind ben üblicherweise nur Weibchen, zu bestimm-
ventral Wimperstreifen, bei den Rotatorien am ten Zeiten treten jedoch auch Zwergmännchen
Kopf Räderorgane ausgebildet. Der Darm ist auf. Moosproben sind besonders günstig zum
ein durchgehendes Rohr, hat also einen After. Erhalt von Bdelloidea. Diese Gruppe umfasst
Als Exkretionsorgane finden sich in mehreren nur Weibchen, die paarige Gonaden aufweisen.
Gruppen Protonephridien; in anderen Fällen Bezugsquelle von Brachionus plicatilis: PREIS-
haben die Exkretionsorgane die Form von Drü- AQUARISTIK, Hauptstraße 7, D-67808 Bayer-
sen oder Hautkanälen oder fehlen ganz. Re- feld
spirationsorgane und Blutgefäßsystem fehlen
immer. Die Geschlechtsorgane sind einfach • Kultur: Seewasser (Salzgehalt 31–35‰) ei-
gebaut, oft sind sie schlauchförmig, bei den nige Tage bei 22–24°C und Dauerbeleuch-
Weibchen nur selten in Keim- und Dotterstock tung belüften (Ausströmer). Dann nur noch
geschieden. Die Geschlechter sind fast stets ge- ohne Ausströmer blasenweise belüften und
trennt. Ungeschlechtliche Fortpflanzung kommt Brachionus-Zuchtansatz dazugeben. Füttern
nirgends vor. Die Befruchtung ist meistens eine mit Preis-Microplan (Preis-Aquaristik, s. o.).
innere. Ein vielen Aschelminthes zukommendes Die Entwicklungsdauer ist temperaturabhän-
Merkmal ist die Neigung zur Bildung von Syn- gig und währt bei 15°C etwa 3 Tage, bei
cytien. Der Körper vieler, vor allem kleinerer 25°C 1,5 Tage vom Schlüpfen bis zum Errei-
Arten, wird aus verhältnismäßig wenigen Zellen chen der Geschlechtsreife. Die Lebensdauer
von für jede Art charakteristischer Anzahl und beträgt bei 25°C etwa 3–4 Tage, bei etwas
Anordnung aufgebaut. Diese Zellkonstanz (= geringeren Temperaturen können 10 Tage er-
Eutelie) geht mit einem extrem schwach aus- reicht werden. Ein Weibchen kann über 20
gebildeten Regenerationsvermögen einher, das Eier produzieren. Über längere Zeit lässt sich
höchstens zum Wundverschluss reicht. in der Kultur eine Dichte von 500 Individuen/
Es werden hier Rotatoria (Rädertiere) und ml (500 000 Individuen/l) aufrechterhalten,
Nematoda (Fadenwürmer) behandelt, die bei- aber auch Werte von 2000 Individuen/ml (2
den größten Gruppen der Aschelminthes. Millionen Individuen/l) sind erreichbar. Im
Freiland kann man in stehenden Gewässern
bis 1000 Tiere pro Liter Wasser erwarten, Ma-
I. Rotatoria, Rädertiere ximalwerte liegen jedoch wesentlich höher.
• Die Immobilisierung der Rotatorien lässt
sich auf verschiedene Weise erreichen:
Technische Vorbereitungen 1. Im einfachsten Fall werden Rädertiere
nach der Anreicherung in einem Wassertrop-
• Als Untersuchungsobjekt dient das Rädertier fen auf einen Objektträger gebracht. Dann
Brachionus plicatilis, das für den Kurs in Kul- gibt man einige Wattefasern hinzu. Darauf
I. Rotatoria, Rädertiere 115
setzt man vorsichtig ein mit Plastilin- oder der Lösung eintritt, dann Deckglas auflegen.
Knetfüßchen (nicht zu groß!) versehenes Bei eingeklemmten Tieren Lösung mit Filter-
Deckglas und drückt dieses unter dem Mi- papier durchziehen. Die Färbung entwickelt
kroskop vorsichtig an. Wenn die Tiere an sich langsam. Zunächst werden die großen
die Wattefasern stoßen, stoppen sie für kurze Zellen des Magens sowie Teile im Kopfbe-
Zeit und ermöglichen einige Beobachtungen. reich (Retrocerebralorgan) gefärbt, später
Der Nachteil dabei ist, dass die Tiere ver- auch Magendrüsen, eventuell Muskulatur
formt werden können und ihr natürlicher und verschiedene Ausführgänge.
Bewegungsablauf stark verändert wird. 2. Brillantkresylblau. Ausgangslösung: 4–
2. Will man den natürlichen Bewegungs- 5mg auf 100ml aqua dest. Davon 1–3 Tropfen
ablauf nur einschränken oder weitgehend auf Probe. Der Farbstoff färbt Gehirn und
hemmen, setzt man stark viskose Lösungen andere Teile im Kopfbereich sowie Magenzel-
aus Gelatine oder Methylcellulose zu. Die len. Vorsicht, überfärbt leicht. Es kann bis zu
Konzentration der Lösung sollte 1%–2% be- 15 min dauern, bis die Färbung eintritt.
tragen. Aus einer vorher angesetzten Lösung
wird ein Tropfen zusammen mit der Rotato- Es ist sinnvoll, einen Teil der Probe abzutö-
rienprobe auf den Objektträger gegeben. Da- ten. Dabei kontrahieren sich die Tiere, und der
bei ist darauf zu achten, dass die Rädertiere Panzer wird sichtbar. Die Tötung erfolgt am
mit möglichst wenig Wasser zuzugeben sind, einfachsten durch Zugabe einiger Tropfen For-
da sonst der Verdünnungseffekt zu groß ist malin.
und die Tiere wieder beweglicher werden.
Dann Deckglas mit Füßchen aufsetzen. Bei
Färbungen (s. u.) ist die Färbelösung vor der Allgemeine Übersicht
viskosen Flüssigkeit aufzubringen, da sonst
der Mischungseffekt gering ist und die Anfär- Die Rädertiere sind mikroskopisch kleine
bung sehr lange dauert. Aschelminthes und gehören zu den kleinsten Me-
3. Acrylamid: Giftklasse 2; giftig beim Ein- tazoen. Die Mehrzahl ist wesentlich kürzer als
atmen, Verschlucken und bei Berührung mit 1mm, die größten erreichen knapp 3mm Länge.
der Haut; kann Krebs erzeugen. Die bei den Monogononta vorkommenden
Aufbewahrung: Kühlschrank unter +15°C. Zwergmännchen werden nur 40–130μm lang. Rä-
Acrylamid als möglichst frisch angesetzte dertiere sind vor allem im Süßwasser verbreitet,
1-molare Lösung in destilliertem oder entmi- wo sie oft in großer Arten- und Individuenzahl
neralisiertem Wasser verwenden (7,1g Acryl- auftreten, sogar in kleinen Wasseransammlun-
amid in 10ml Wasser). Die Lösung kann im gen und Moospolstern (Bdelloidea). Sie besiedeln
Kühlschrank abgedunkelt einige Zeit aufbe- aber auch Brackgewässer und das Meer.
wahrt werden. Brachionus anreichern (kleines Rädertiere bestehen aus etwa 1000 Zellen,
Sieb mit Planktongaze), im Seewasser in klei- ihre Zell- bzw. Zellkernzahl ist innerhalb der
nes Gefäß geben und tropfenweise (Pipette) Arten weitgehend konstant (Eutelie). In ver-
Acrylamid zugeben, bis eine 0,7–1-molare schiedenen Geweben kommt es zur Ausbil-
Lösung entsteht. Nach 1–5 Minuten wird der dung von Syncytien. Trockenperioden können
Fuß ausgestreckt und heftig bewegt. Danach viele Rotatorien unbeschadet als ganze Tiere in
kann man an den ausgestreckten Tieren sehr Kryptobiose (Bdelloidea) oder als Dauereier
schön den Cilienschlag beobachten. (Monogononta) überstehen.
• Färbung: Um bestimmte Strukturen besser Der Körper der Rädertiere besteht aus einem
sichtbar zu machen, haben sich Vitalfärbun- Vorderende mit dem Räderorgan, dem Rumpf
gen bewährt. Es müssen starke Verdünnun- sowie einem Fuß (Abb. 66).
gen angewendet werden, da zu hohe Konzen- Das Räderorgan ist ein vielgestaltiges Wim-
trationen letal sind. perfeld mit Cilien, die den Mund umgeben
1. Neutralrot. Ausgangslösung: 6mg auf 50ml (Mund- oder Buccalfeld) und als Ringband
aqua dest. Davon 3–4 Tropfen auf vorbe- (Circumapicalband) das Vorderende umgürten.
reiteten Objektträger, bis leichte Rotfärbung Dabei fallen besonders ein vorderer (Trochus)
116 Aschelminthes, Rundwürmer
Sinnescilie
Sinnescilie
Circumapikalband
Trochus
Räder- Buccalfeld
organ
Cingulum
Mund
Epidermispolster
Cerebralganglion
Terminalzelle
Dorsoventralmuskel Nervenstrang
Mastax
Terminalzelle
Dorsoventralmuskel
Oesophagus
Vorderer dorsaler
Retraktormuskel Magen
Magendrüse
Germarium
Ovar Lateraltaster
Vitellarium
Oocyte Lorica
Exkretionskanal
Intestinum
Terminalzelle
Harnblase
Retraktormuskeln Nervenstrang
des Fußes
Sinneszelle
Fußdrüse
After
Subitanei
Zehe
Fuß
und ein hinterer Ring (Cingulum) mit langen Enddarm mündet meist über einen After (bei
Cilien auf. Durch verschiedene Ausgestaltung Asplanchna fehlend). Die Hartteile des Mastax
dieser Grundelemente entsteht eine große Man- gliedern sich im einfachsten Fall folgenderma-
nigfaltigkeit. Das Räderorgan dient der Fortbe- ßen: Ein ventrocaudaler Teil, Incus (= Amboss)
wegung und dem Nahrungserwerb. genannt, wird von den beiden Rami und dem
Die Epidermis ist größtenteils syncytial und Fulcrum gebildet (Abb. 67). Zu beiden Seiten des
enthält eine im Cytoplasma gelegene Verdich- Incus liegt je ein Malleus (= Hammer). Dieser
tung (Lorica) aus keratinartigen Proteinen, die setzt sich aus Manubrium und Uncus (Haken)
zu einem dornenbewehrten Panzer verstärkt zusammen. Der Uncus kann z.B. bei Brachionus
sein kann, in besonderem Maße bei Keratella, aus mehreren Zähnen zusammengesetzt sein.
aber auch bei Brachionus. In den Rumpf können Diese Teile sind in den einzelnen Gruppen sehr
oft Vorderende (Räderorgan) und Fuß eingezo- verschieden ausgebildet und variieren auch in
gen werden. Die Epidermis ist im Bereich des ihren Funktionen. Andere Teile können hinzu-
Räderorgans verdickt und wölbt sich hier in die treten, auch Reduktionen und Verschmelzungen
Leibeshöhle vor (Epidermispolster). Rädertiere kommen vor. Man kann aufgrund der Form und
häuten sich nicht, ihnen fehlt fast vollständig die Funktion dieser Hartteile verschiedene Kauerty-
Fähigkeit zur Regeneration; nach dem Schlüp- pen unterscheiden.
fen aus dem Ei werden keine Mitosen mehr Die Muskulatur besteht im Wesentlichen aus
durchgemacht. quergestreiften Strängen, welche als Rückzieher
Der sehr bewegliche Fuß trägt terminal meist von Räderorgan und Fuß fungieren, und aus
zwei Zehen, auf deren Spitzen Klebdrüsen (Fuß- Ringmuskelbändern.
drüsen) münden. Er dient dem Steuern beim Rädertiere haben ein Paar Protonephridien,
Schwimmen und dem Festhalten am Substrat, deren Terminalzellen mehrere Cilien tragen. Ihr
wobei das Drüsensekret eine Rolle spielt. Bei Schlag lässt sich am lebenden Tier gut beob-
manchen pelagischen Formen ist der Fuß zu- achten. Eine unpaare Harnblase liegt nahe dem
rückgebildet (Asplanchna, Keratella). Auch das Hinterrand des Rumpfes.
Vorderende kann Klebdrüsen tragen, insbeson- Die Gonaden sind paarig (Seisonidea, Bdel-
dere bei kriechenden Formen. Es handelt sich loidea) oder unpaar (Monogononta). Die Ge-
um das Retrocerebralorgan, das über oder hin- schlechter sind getrennt. Bei den Monogononta
ter dem Cerebralganglion liegt und sein Sekret kommt Generationswechsel (Heterogonie) vor:
in den Bereich des Wimperapparates entlässt. Aus hartschaligen Dauereiern schlüpfen Weib-
Das Nervensystem besteht aus dem dorsal chen, die in rascher Folge dünnschalige, di-
über dem Vorderdarm liegenden Cerebralgan- ploide Subitaneier hervorbringen, aus denen
glion und zahlreichen in den Körper ziehenden nach kurzer Zeit parthenogenetisch sich fort-
Nerven sowie verschiedenen Ganglien, z.B. dem pflanzende (= amiktische) Weibchen schlüpfen.
Mastax- und Caudalganglion. Diese Art der Fortpflanzung ermöglicht ra-
Sinnesorgane sind oft einfache Sensillen mit sches Populationswachstum. Nach einer Reihe
cilienbesetzten bipolaren Receptorzellen (sog. von Generationen entstehen miktische Weib-
Taster). Augen sind oft ausgebildet, auch bei chen, die sich von amiktischen nur dadurch
Brachionus. unterscheiden, dass sie haploide Eier produzie-
Der Verdauungstrakt beginnt mit dem sub- ren. Auslöser hierfür können Salzgehalts- und
terminal gelegenen Mund. Kompliziert ist der Temperaturschwankungen, hohe Populations-
Pharynx, der ventral eine kropfartige, muskulöse dichte oder unzureichendes Nahrungsangebot
Erweiterung aufweist, den Mastax, Kauer oder sein. Aus den haploiden Eiern gehen haploide
Kaumagen, der besondere Hartteile (Trophi) ent- Männchen hervor, wenn sie nicht befruchtet
wickelt hat. Der Mastax dient dem Zerkleinern werden, oder hartschalige Dauereier, wenn sie
von Nahrung und bei räuberischen Formen auch befruchtet wurden. Diese können im Falle unse-
dem Ergreifen von Beute. Es schließt sich der be- res Untersuchungsobjektes, Brachionus plicatilis,
wimperte Oesophagus an, der in den geräumigen fast 60% des Volumens des Weibchens errei-
und mit Drüsen verbundenen Magen mündet. chen. Die Dauereier überwintern oder überste-
Dann folgt das Intestinum (Mitteldarm); der hen Trockenperioden.
118 Aschelminthes, Rundwürmer
Abb. 67 Hartteile des Mastax von Brachionus plicatilis im rasterelektronenmikroskopischen Bild a Trophi,
Ventralansicht b Trophi, Dorsalansicht c Uncus und Manubrium. (Rasterelektonenmikroskopisches Foto:
Martin SÖRENSEN, Kopenhagen)
in Form von Cirren organisiert (Sinnesborsten). Fußes. Im Vorderteil des Rumpfes sieht man
Das Mund- oder Buccalfeld liegt in direkter Retraktoren für das Räderorgan.
Nähe der Mundöffnung und ist durch kurze Das Exkretionssystem besteht aus paarigen
Cilien gekennzeichnet. Protonephridien, die beiderseits des Mastax be-
ginnen und dorsal in die unpaare Blase mün-
• Nahrung hinzufügen, z.B. Blaualgen (Chroo-
den, welche über den Enddarm entleert wird.
coccus, Coelosphaerium oder Merismopedia),
Insbesondere bei immobilisierten Tieren lässt
Dinoflagellaten (Gymnodinium), Grünalgen
sich unter mittlerer Mikroskopvergrößerung
(Dunaliella) oder Hefe.
der Schlag der Wimperflamme der Terminalzel-
Dabei kann man beobachten, wie diese einge- len beobachten. Bei Brachionus treten jederseits
strudelt wird. Brachionus nimmt die Nahrung vier Terminalzellen auf.
selektiv auf, die Menge hängt von der Größe der Der weibliche Geschlechtsapparat besteht
Nahrungsobjekte ab. Bevorzugt werden Parti- aus einem achtkernigen Syncytium, dem Dotter
kelgrößen von 12–15μm Durchmesser. Partikel bereitenden Vitellarium (Dotterstock), und dem
von 30μm Durchmesser können noch aufge- darauf sitzenden, Eier produzierenden Germa-
nommen werden. rium (Keimstock), das eine konstante Anzahl
Etwas weiter hinten liegt der Mastax mit sei- von Oocyten enthält. Die Eier werden über den
nen Hartteilen. Man unterscheidet das Fulcrum, Enddarm abgegeben, der somit eine Kloake
die siebenzähnigen Unci und die kräftigen Ma- darstellt (Abgabe von Faeces, Exkreten und Ge-
nubrien sowie die mit stumpfen Innenzähnen schlechtsprodukten).
besetzten Rami. Brachionus besitzt einen so ge- Die Subitaneier werden nach der Ablage
nannten malleaten Typ (Abb. 67): Das Fulcrum durch die Kloake mithilfe eines Sekretes am
ist kurz. Die Rami laufen nach vorne spitz zu und Panzer angeheftet, wo sie bis zum Schlüpfen
sind nach hinten stark verbreitert. Die gegenüber der Jungtiere verbleiben. Sie sind in der Regel
liegenden Kanten sind mit stumpfen Zähnchen 135×105μm groß (haploide Eier: 52×50μm).
besetzt. Rami und Fulcrum bilden einen stump- Vom Nervensystem ist insbesondere das
fen bis rechten Winkel. Die Unci bestehen jeweils umfangreiche Cerebralganglion zu sehen; in
aus sieben Zähnen. Die Manubrien sind kräftig Dorsalansicht erkennt man an dessen Hinter-
gebaut. Der Mastax arbeitet mahlend-greifend. rand ein großes, rotes Auge (auf Abb. 66 ver-
Ein kurzer, mit Wimperepithel ausgekleideter deckt; Ventralansicht!). Des Weiteren kann man
Oesophagus verbindet den Mastax mit dem im ganzen Rumpfbereich Nervenbahnen und
Magen, der mit paarigen Magendrüsen ausge- kleine Ganglien sehen. Als auffällige Sinnesor-
stattet ist. Diese sind in ihrer Gestalt recht varia- gane sind noch die Lateraltaster zu nennen.
bel. Sie können zugespitzt oder abgerundet sein, Bei der Artbestimmung ist oft eine Analyse der
ein- oder zweizipfelig und variieren auch in der Hartteile des Mastax nötig.
Größe. Die Wand des Magens wird von großen
bewimperten Epithelzellen gebildet, die bei Vi- • Hierzu einen Tropfen Natronlauge (4%) oder
talfärbungen den Farbstoff stark annehmen. Natriumhypochlorid („Eau de Javelle“) an
Auf den Magen folgt das bewimperte Intes- den Deckglasrand geben und ihn mit Fil-
tinum, das in Abb. 66 teilweise von der Blase terpapier so vorsichtig unter dem Deckglas
verdeckt wird. Der After mündet dorsal über hindurchziehen, dass ein Herausschwemmen
der Fußbasis. des Rädertieres verhindert wird.
Die Cilienaktivität kann man besonders deut-
lich im Oesophagus immobilisierter Tiere be- In wenigen Minuten wird das Tier mit Aus-
obachten. nahme der Hartteile des Kauapparates aufgelöst.
Der oberflächlich geringelte Fuß endet mit
zwei Zehen, an deren röhrenförmigen Spitzen die • Leicht auf das Deckglas klopfen (Mastax da-
Fußdrüsen (Klebdrüsen) ausmünden, mit denen bei beobachten!) oder das Deckglas sehr vor-
sich die Tiere am Substrat festheften können. sichtig verschieben. Dabei lösen sich die Teile
Die in den Rumpf einstrahlende Fußmus- des Mastax etwas voneinander und werden in
kulatur vermittelt eine lebhafte Bewegung des eine überschaubare Position gebracht.
120 Aschelminthes, Rundwürmer
ständig von den Organen ausgefüllt. Im vorde- Chemoreceptoren sind außerdem die Seiten-
ren Viertel des Körpers fallen bei parasitischen organe oder Amphiden, die an den Kopfseiten
Nematoden zwischen den Bauch- und Seiten- in grubenförmigen Vertiefungen untergebracht
leisten 2 Paar große, büschelförmige Zellen auf sind. Einige in flachen Gewässern freilebende
(Abb. 68), die mit ihren amöboid beweglichen Formen haben Pigmentbecherocellen.
Fortsätzen mehr oder weniger weit in die Lei- Ein Blutgefäßsystem fehlt, die Atmung er-
beshöhle hineinragen. Sie sind selbst bei ein folgt durch die Haut. Die das Pseudocoel erfül-
und demselben Individuum unterschiedlich ge- lende Flüssigkeit und die Körperwand enthalten
färbt, ockerfarben, bräunlich oder lachsrot. Ihre bei den Ascariden Hämoglobin. Darmparasiten
Funktion ist unbekannt. bauen die Nahrungsstoffe durch Glykolyse an-
Der Darm ist in drei Abschnitte gegliedert. aerob ab, sind aber auch zu aerobem Stoffwech-
Auf den mit einer kräftigen Muskulatur ausge- sel befähigt.
rüsteten und nach Art einer Pumpe arbeiten- Das Exkretionssystem der Nematoden ist
den Pharynx folgt der geradlinig nach hinten einzigartig im Tierreich. Es besteht aus einer
verlaufende Mitteldarm (oft ohne Muscularis) oder einigen Drüsenzellen (Ventraldrüse), die
und schließlich ein kurzer, wieder mit Muskula- im Bereich des Pharynx liegen und über einen
tur versehener Enddarm. Zwischen Mittel- und kurzen Gang ventromedian ausmünden. Bei den
Enddarm befindet sich ein Klappenventil, das Secernentea, und somit auch bei den Ascariden,
bei Darmentleerungen durch Muskelzug geöff- bildet (meist nur) eine Zelle ein H- oder auch
net wird. Pharynx und Enddarm sind ectoder- stimmgabelförmiges Röhrensystem aus. Die lan-
mal und dementsprechend mit einer Cuticula gen Schenkel des H verlaufen als Röhren in den
ausgekleidet. Der oft von Lippen oder Papillen lateralen Epidermisleisten, der Querbalken stellt
umstellte Mund liegt terminal, der After ventral, die Verbindung der lateralen Kanäle dar. Dort
unweit vom hinteren Körperende. liegt das Perikaryon der Zelle. Vom Querbalken
Das Zentralnervensystem besteht aus einer zieht ein kurzer Ausführgang zum ventralen Ex-
ringförmig den Schlund umgebenden so ge- kretionsporus. Die Funktion dieser H-förmigen
nannten Commissura cephalica und ihr zuge- Organe ist noch nicht voll geklärt. Endprodukte
ordneten Ganglien, darunter den zwei neuro- des Eiweißstoffwechsels scheinen sie nicht auszu-
nenreichen Lateralganglien. Dem zentralen scheiden; dies geschieht durch den Darm. Vorerst
Nervensystem ist auch der Ventralnerv zu- ist nur ihre Funktion als Ionenregulatoren (Na+,
zuordnen, in dessen Verlauf ganglienähnliche K+) und als Ausscheider von überflüssigem Was-
Regionen eingeschaltet sind und der am Hin- ser nachgewiesen. Bei einigen zooparasitischen
terende in den Analganglien endet. Vor diesen Nematoden produzieren sie Enzyme, die für die
Ganglien bildet sich die hintere ringförmige extraintestinale Verdauung von Bedeutung sind.
sog. Rectalcommissur aus. Der Dorsalnerv ent- Nematoden sind meist getrenntgeschlech-
springt vom Dorsalganglion am Hinterrand des tig. Der Geschlechtsapparat ist sehr einfach
Schlundnervenringes. Er besteht bei vielen Ne- gebaut. Beim Weibchen besteht er meist aus
matodenarten nur aus Nervenfasern; Perikaryen zwei Schläuchen, die bei größeren Formen sehr
von Neuronen sind in seinem Verlauf bisher lang und dünn werden und in zahlreichen Win-
nur bei wenigen Arten gefunden worden. Wei- dungen auf- und abziehen. Das blinde Ende
tere, dorso- und ventrolateral in der Epidermis der Schläuche liefert die Eizellen, stellt also das
längs verlaufende sowie asymmetrisch verteilte, Ovarium dar; von hier aus gelangen die Eizellen
z. T. nur halbringförmige Kommissuren sind in einen etwas weiteren Abschnitt, den Eileiter,
schwächer als der Ventral- und der Dorsalnerv, der seinerseits in einen wiederum erweiterten
die in der ventralen bzw. dorsalen Epidermis- Uterus übergeht. Die beiden Uteri vereinigen
leiste verlaufen. Sinnesorgane – es handelt sich sich zu einem kurzen Gang (Vagina), der in der
durchweg um wenigzellige, borsten- oder pa- Ventrallinie nach außen mündet. Diese Öffnung
pillenförmige Sensillen – sind vor allem am liegt etwa in der Mitte des Körpers. Der männ-
Vorderende und im Bereich des Mundes aus- liche Geschlechtsapparat ist primär paarig, bei
gebildet. Es handelt sich um Chemo- und Me- den Secernentea jedoch unpaar. Der terminale,
chanoreceptoren, die apikal je eine Cilie tragen. vorn gelegene Hauptabschnitt entspricht dem
122 Aschelminthes, Rundwürmer
Hoden, während der hinten im Körper gele- stehende Leibeshöhle und die Cuticula sind
gene Abschnitt als Samenleiter dient. Er mündet auch Antagonisten der Längsmuskulatur.
in den Enddarm ein, der demnach als Kloake
zu bezeichnen ist. Fast ausnahmslos haben die
• Sofern nicht durch Verletzungen beim Sam-
meln der Würmer oder durch Aufplatzen bei
Männchen als Begattungsorgane zwei Spicula,
der Fixation schon ein Druckausgleich zwi-
gekrümmte, vorstreckbare Nadeln, die als Haft-
schen Leibeshöhlenflüssigkeit und Umgebung
organe und zur Erweiterung der Vagina dienen.
stattgefunden hat, sticht man die Ascariden
Die Befruchtung der zunächst noch scha-
zweckmäßigerweise vor Beginn der Präpara-
lenlosen Eizellen erfolgt im Uterus, in den die
tion im Wachsbecken unter Wasser mit einer
geißellosen, amöboid beweglichen Spermien
kräftigen Nadel im Bereich der Körperenden
aus der Vagina eingewandert sind. Danach wer-
an, dabei die Einstichstelle mit der Hand ab-
den die befruchteten Eizellen von einer mehr
deckend, um zu verhindern, dass heraussprit-
oder weniger dicken Schale umschlossen, die
zende Flüssigkeit in die Augen gelangt.
oft Chitin enthält. Die Ablage der Eier erfolgt
vor (Ascaris, Parascaris) oder während der Fur-
• Der Wurm wird nun mit der feinen Schere
etwas seitlich von der Rückenlinie bei sehr
chung oder erst, nachdem in ihnen bereits die
flacher Scherenführung aufgeschnitten, wie-
Jugendstadien ausgebildet sind. In seltenen Fäl-
der in das Wachsbecken unter Wasser ge-
len sprengen die Jungtiere die Eischale noch im
bracht, auseinander gebreitet und mit Nadeln
Uterus der Mutter (Trichinella). Parthenogenese
festgesteckt.
kommt vor, ist jedoch selten.
Die Furchung ist weitgehend determiniert.
• Da beim Zerschneiden frischer Ascariden
flüchtige Stoffe entweichen, die heftiges Haut-
Die Entwicklung ist direkt; trotzdem werden
jucken, Augenstechen und Erbrechen hervor-
die Jugendstadien herkömmlich als „Larven“
rufen können, empfiehlt es sich, nur konser-
bezeichnet. In den Entwicklungsgang sind vier
vierte Exemplare zu verwenden oder die fri-
Häutungen eingeschaltet.
schen Tiere vor der Präparation für mehrere
Stunden in 0,9%ige Kochsalzlösung zu legen.
Spezieller Teil Der Darm durchzieht den Körper geradlinig
(Abb. 68). Er bildet vorne einen muskulösen
1. Ascaris suum, Schweinespulwurm Pharynx. Der darauf folgende Mitteldarm ist we-
gen des hohen hydrostatischen Druckes der Lei-
Der 20–30cm lange, spindelförmige Körper der beshöhlenflüssigkeit nicht rund, sondern flach
weiblichen Tiere läuft nach beiden Enden spitz und bandförmig. Er ist größtenteils von den wei-
aus, doch ist das Vorderende durch die drei ßen Gonadenschläuchen umgeben. Der letzte
Lippen, die den terminal liegenden Mund um- Darmabschnitt ist der muskulöse Enddarm.
stellen, leicht zu diagnostizieren. Dicht vor dem Die Geschlechtsorgane sind am besten vom
Hinterende liegt ventral der quergestellte After. Geschlechtsporus aus zu verfolgen. Sie beginnen
Etwa am Ende des ersten Körperdrittels findet beim Weibchen mit einer kurzen, sich allmäh-
sich eine ringförmige Einschnürung und ventral lich erweiternden Vagina, die sich in zwei dicke
in ihr als feiner Porus die Geschlechtsöffnung. Röhren aufgabelt. Die beiden Röhren ziehen ne-
Bauch- und Rückenleisten schimmern an kon- beneinander weit nach hinten, biegen dann, er-
servierten Exemplaren nur undeutlich durch, heblich dünner werdend, nach vorn um, wenden
dagegen sind die beiden Seitenleisten sehr deut- sich darauf, immer feiner werdend, wieder nach
lich. Außerdem sieht man als gewundene, weiße hinten, und so fort, bis schließlich jeder dieser
Schläuche einen Teil der Geschlechtsorgane. langen Schläuche als zarter Faden endet. Hier
Der Körper ist relativ fest und prall mit Flüs- liegt jeweils eine große Terminalzelle, die einen
sigkeit gefüllt. Der Druck der Leibeshöhlenflüs- zellteilungsstimulierenden Faktor abgibt. Die
sigkeit beträgt 70mmHg, die Cuticula ist nur langen, dünnen Endabschnitte sind die Ovarien,
wenig dehnbar. Festigkeit und Form des Kör- in denen sich die außerordentlich zahlreichen
pers beruhen auf einem hydrostatischen Druck; Eier bilden und heranwachsen. Die darauf fol-
es liegt ein Hydroskelet vor. Die unter Druck genden, stärkeren Abschnitte dienen als Eileiter;
II. Nematoda, Fadenwürmer 123
genden Kolben und die schmalen Myofibrillen • Mit einem Scherenschnitt die drei den Mund
enthaltenden Anteile zu unterscheiden. Manch- umgebenden Lippen abschneiden und unter
mal sind auch die Anfangsstücke der zu den Glycerin auf den Objektträger bringen. Das
Nerven ziehenden Fortsätze gut zu erkennen. Präparat mit einem Deckglas bedecken und
Im kolbenartigen Teil der Zellen ist viel Glyko- bei schwacher Vergrößerung unter dem Mik-
gen eingelagert (bis zu 24% des Trockengewichts roskop betrachten.
der Würmer).
Die Exkretionskanäle sind innerhalb der Sei- Die Gestalt der Lippen ist artcharakteristisch.
tenleisten zu verfolgen und vereinigen sich etwa Erkennbar sind eine dorsale und zwei vent-
2–3mm hinter der Mundöffnung durch eine rale, deutlich voneinander abgesetzte Lippen,
Brücke. Von hier aus zieht der kurze, unpaare von denen jede ein Kreissegment von etwa
Ausführgang zum ventral gelegenen Exkretions- 120° einnimmt. An ihren lateralen und zentra-
porus. len Rändern sind sie mit zahlreichen, winzigen
Cuticula
Epidermis
Muskelzellen
Darm
Oviduct
Pseudocoel unbefruchtete
Eizelle
laterale Epi-
dermisleiste
Exkretions-
Spermium kanal
Ovar,
befruchtete
Keimzone
Eizelle
Rhachis
Uterus
Ovar,
Epidermiszellen Wachstumszone
Abb. 69 Ascaris suum. Histologischer Querschnitt durch ein erwachsenes weibliches Tier. Uterus und
Oviduct besitzen unter dem Epithel glatte Muskelzellen; die Wand des Ovars besitzt außen kleine, lang
gestreckte Epithelzellen; die Rhachis ist ein zentraler Cytoplasmastrang, der mit den Eizellen kontinuier-
lich verbunden sein kann. 40×
II. Nematoda, Fadenwürmer 125
Zähnchen besetzt. Die dorsale Lippe hat, dem bau außer einer Schichtung nichts erkennbar.
Außenrand nahe, seitlich je eine Doppelpapille, Die Cuticula wurde von der Epidermis gebil-
während die beiden ventralen Lippen, ebenfalls det. Diese ist deutlich dünner als die Cuticula.
seitlich und ihrem oberen Rand genähert, mit je Die Kerne sind unregelmäßig verteilt, auch zu
einer einfachen Papille und einem Seitenorgan Reihen angeordnet und von unterschiedlicher
(Amphide) ausgestattet sind. Größe. Die Epidermisleisten sind als nach in-
nen vorspringende Verdickungen zu erkennen.
• Es werden jetzt mit Hämatoxylin-Eosin ge-
Die Seitenleisten sind bedeutend breiter als die
färbte Querschnittspräparate durch die Mitte
beiden anderen; in ihnen sind die Querschnitte
eines weiblichen Wurmes mikroskopiert; ver-
durch die Kanäle des H-förmigen Organs zu
gleiche dazu die Abbildungen 69 und 70.
sehen. In der Mitte der Seitenleisten ist, mit
Zu äußerst liegt die transparente Cuticula. ihrer Basis der Cuticula aufsitzend, auch bei
Sie ist hoch differenziert und besteht aus vier erwachsenen Tieren eine sich nach oben ver-
Hauptschichten: Epicuticula, Cortexschicht, breiternde Zelle zu erkennen. Es handelt sich
Medianschicht und Basalschicht. Die Fasern um eine der Zellen der sog. medialen Zellreihe.
der einzelnen Lagen sind parallel zueinander Zu beiden Seiten ihres oberen Endes finden sich
angeordnet, überkreuzen sich aber von Lage häufig zwei Nester unterschiedlich großer und
zu Lage in einem Winkel von 150°, sodass eine meist stark angefärbter Kerne (Abb. 70a). Die
Art Korbgeflecht von sich überkreuzenden Fa- die beiden Seitenleisten durchziehenden Ner-
sern entsteht. Im Schnitt ist von diesem Fein- venfasern sind nur schwer zu erkennen. Die
a b
Abb. 70 a Ascaris suum. Querschnitt durch eine laterale Epidermisleiste. Etwa 170×. (Nach C. SCHNEIDER)
b Ascaris lumbricoides. Querschnitt durch Muskelzellen und ihre myoneuralen Fortsätze. (Nach ROSENBLUTH)
126 Aschelminthes, Rundwürmer
Rücken- und die Bauchleiste sind, vor allem Auch die Eileiter besitzen Muskelzellen in der
basal, viel schlanker als die Seitenleisten, ragen kräftigen Grenzlamelle. Ihr Epithel ist unter-
aber weiter nach innen vor. In der Rückenleiste schiedlich hoch, es fallen schlanke apikale Vor-
verläuft ein kräftiger motorischer Nerv, in der wölbungen der Epithelzellen auf; die Kerne sind
Bauchleiste ein noch dickerer, motorischer und kleiner als die des Uterusepithels. Im Lumen
sensorischer Markstrang. befinden sich schlank-ovale Eizellen, die noch
Unter der Epidermis liegt die Längsmuskula- nicht beschalt sind. Alle anderen Anschnitte
tur. Sie besteht aus den mächtigen, keulenförmig der Gonaden gehören zum Ovar, in dem zwei
in die Leibeshöhle vorspringenden Zellen, die in Zonen zu unterscheiden sind; recht kleine An-
ihrem peripheren Teil quer getroffene, also längs schnitte gehören zur Keimzone, die größeren
laufende, kontraktile, schräg gestreifte Myofib- Anschnitte zur Wachstumszone. In der Keim-
rillen aufweisen (Abb. 70b). Die langen, zum zone liegen die Eizellen gleichmäßig im Inneren
dorsalen und ventralen Nervenstrang ziehenden verteilt, außen liegen mehr oder weniger flache
Fortsätze der Zellen werden nur sehr selten in Wandzellen. In der Wachstumszone befinden
voller Ausdehnung getroffen sein. An den Ner- sich die schlanken mit vielen Dottertröpfchen
venbahnen nehmen immer mehrere Muskelzel- versehenen Eizellen radiär angeordnet und sit-
len Verbindung mit einem einzelnen Axon auf. zen mit ihrem spitzen Ende an einem cytoplas-
Inmitten der geräumigen Leibeshöhle liegt, matischen zentralen Strang, der Rhachis. Diese
quer angeschnitten, der Darm, dessen Lumen enthält auch Dottertröpfchen, ihre Funktion ist
oft kollabiert ist und dessen Epithel von sehr nicht sicher bekannt. Ultrastrukturell ist zu er-
langen, schmalen Zylinderzellen gebildet wird. kennen, dass zwischen Rhachis und Eizellen
Ihre Kerne liegen in sehr regelmäßiger Anord- cytoplasmatische Kontinuität – zumindest zeit-
nung nahe der Zellbasis; die dem Darmlumen weise – besteht. Die schlanken längs verlaufen-
zugekehrte Oberfläche der Zellen ist mit ei- den Wandzellen sind reich an Mitochondrien;
nem im Lichtmikroskop fein gestreift erschei- ihre Kerne sind gelegentlich bei höherer Ver-
nenden Mikrovillisaum besetzt. Den Abschluss größerung erkennbar. Erst im Eileiter werden
der Darmzellen zur Leibeshöhle hin bildet eine die Eizellen frei und runden sich langsam ab. Im
Basalmembran. Eine Muskulatur fehlt dem Mit- Uterus findet die Befruchtung statt, worauf sich
teldarm. Beim Weitertransport des Darminhal- die Eier mit einer Schale umgeben.
tes spielt der bei der schlängelnden Bewegung
auftretende wechselnde Binnendruck eine Rolle.
• Um die Struktur des Pharynx kennen zu ler-
nen, einen zweiten, durch die vorderste Kör-
Zur Darmentleerung wird ein Klappenventil
perregion gelegten Querschnitt betrachten.
zwischen Mittel- und Enddarm geöffnet; gleich-
zeitige Kontraktion aller Muskeln des Hautmus-
• Mit einem scharfen Skalpell kann man sich
von einem fixierten Tier auch selbst Quer-
kelschlauches führt wegen der damit verbun-
schnitte der Pharynxregion herstellen.
denen Druckerhöhung in der Leibeshöhle zum
Ausspritzen des Kotes. Man sieht, dass das Pharynxlumen durch kräf-
Neben dem Darm sieht man in der Leibes- tige, intraepitheliale Myofibrillenbündel einge-
höhle noch zahlreiche, meist quer, zuweilen engt wird, die radiär verlaufen. Durch Kontrak-
aber auch längs getroffene Röhren von verschie- tion dieser Muskulatur kann sich das Lumen
denem Durchmesser: Sie alle stellen Abschnitte stark erweitern und so eine Saugwirkung aus-
des Geschlechtsapparates dar. Bei zwei von ih- üben. Als Gegenspieler der Muskulatur wirkt
nen, die besonders weit und mit Eiern gefüllt die starke, gelbliche Cuticula. Sie verringert bei
sind, handelt es sich um die beiden Uterus- Erschlaffung der Radiärmuskeln dank ihrer ho-
schenkel. Die Uteruswand ist ein einschichtiges hen Elastizität das Pharynxlumen und pumpt so
Epithel aus großen, kolbenförmigen Zellen. Sie den angesaugten Nahrungsbrei in den langen
wird außen von einer aus extrazellulärer Subs- Mitteldarm.
tanz bestehenden Grenzlamelle, in die Muskel- Die männlichen Würmer sind bedeutend
zellen eingelagert sind, umgeben. In den Lücken kleiner als die Weibchen und an der ventralen
zwischen den apikalen Vorwölbungen der Epi- Einkrümmung oder gar spiraligen Einrollung
thelzellen liegen oft stark angefärbte Spermien. des Hinterendes zu erkennen. Sie haben keine
II. Nematoda, Fadenwürmer 127
gesonderte Geschlechtsöffnung, sondern eine sene Embryonen oder Jugendstadien. Die Em-
Kloake, die dicht vor dem Körperende liegt. Das bryonalentwicklung dauert bei 25°C 12 Stunden;
unpaare Genitalrohr, das aus einem fadendün- der Embryo nimmt in dieser Zeit nicht an Masse
nen Hoden, einem sich daran anschließenden zu; vielmehr werden die Zellen durch Teilung im-
Samenleiter und einem als Ductus ejaculatorius mer kleiner. Die Jungtiere durchlaufen vier, durch
funktionierenden Endstück besteht, mündet in Häutung getrennte Juvenilstadien („Larven“,
den Enddarm. In der Wand des Enddarmes lie- L1–L4), bevor sie adult werden. Geschlechtsreife
gen in muskulösen Säcken zwei gekrümmte, cu- wird nach drei bis vier Tagen erreicht; die Lebens-
ticulare Nadeln, die Spicula. Sie werden bei der dauer beträgt etwa drei Wochen.
Paarung zur Erweiterung und zum Festhalten in Zwittrige Individuen von Caenorhabditis ele-
die weibliche Geschlechtsöffnung eingeführt. gans haben zwei X-Chromosomen. Gelangt ein
Spulwürmer leben im Dünndarm ihrer Wirte Spermium ohne X-Chromosom zur Befruch-
und ernähren sich vom Darminhalt. Die ab- tung, entsteht ein Männchen (XO); das gilt für
gelegten, ungefurchten Eier gelangen mit dem ein Individuum unter Hunderten von Nach-
Kot ins Freie. Erst dort, in sauerstoffhaltiger kommen. Männchen paaren sich mit Hermaph-
Umgebung, entwickeln sie sich weiter. Im Ei roditen, die dann als Weibchen fungieren.
entsteht nach zwei Häutungen ein sehr kleines, Wie viele andere Nematoden ist auch Caeno-
etwa 200μm langes Jugendstadium (oft Larve ge- rhabditis elegans durch Zellkonstanz ausgezeich-
nannt), das frei wird, wenn das Ei in den Darm net. Nur etwa 10% der 558 Zellen eines Jungtie-
des Wirtes gelangt. Es durchbohrt das Darmepi- res teilen sich postembryonal. Geschlechtsreife
thel und wandert in das Blutgefäßsystem ein, wo zwittrige Tiere bestehen aus 959 somatischen
es in der Leber in etwa 10 Tagen auf 2mm Länge Zellen und etwa 2000 Keimzellen, geschlechts-
heranwächst und dann vom Blutstrom weiter reife Männchen aus 1031 somatischen und etwa
befördert wird. In der Lunge verlässt es schließ- 1000 Keimzellen.
lich, aus Capillaren in Alveolen durchbrechend, Die gesamte zelluläre Genealogie einschließ-
die Blutbahn, häutet sich abermals und wird lich programmiertem Zelltod, Ultrastruktur und
vom Flimmerepithel der Trachea in den Ra- Basensequenz des Genoms sind bekannt.
chen befördert. Wird es jetzt mit dem Speichel
verschluckt, so wächst es, zum zweitenmal im
Dünndarm angekommen, nach einer weiteren 3. Trichinella spiralis, Trichine
Häutung zum geschlechtsreifen Tier heran.
Trichinella spiralis, die Trichine, ist ein gefährli-
cher Parasit. Man unterscheidet nach dem Ort
2. Caenorhabditis elegans ihres Vorkommens Muskeltrichine (Jugendsta-
dium) und Darmtrichine (Adultstadium). Die
Dieser etwa 1mm lange Nematode wurde in Darmtrichinen leben, in die Darmwand ein-
den letzten Jahrzehnten zu einem Modellorga- gebohrt, im Dünndarm von Mensch, Schwein,
nismus der modernen Biologie (S. 113). Er ist Hund, Fuchs, Braunbär, Schwarzbär, Katze, Ka-
in feuchten Böden mit reicher Bakterienflora ninchen, Ratte, Robben u. v. a. Säugern. Nach
verbreitet und lässt sich in großer Menge in Pe- der Begattung, die im Darmlumen stattfindet,
trischalen auf Agar züchten. Er frisst Bakterien, sterben die Männchen innerhalb einer Woche
z.B. Escherichia coli. ab. Die Weibchen leben 4–6 Wochen, bohren
Caenorhabditis elegans ist durchsichtig und sich in die Darmschleimhaut ein und gebären
eignet sich zur Lebendbeobachtung: Mund, schubweise bis zu 1500 100μm lange Jugendsta-
Pharynx, Oesophagus, Darm und After sowie dien („Larven“), die mit Hilfe ihres Mundstachels
Gonaden sind leicht zu identifizieren, ebenso in Gefäße der Darmwand eindringen. Mit dem
Bewegung, Nahrungsaufnahme und Reaktion Lymph- und Blutstrom gelangen sie über das
auf mechanische Reize. Herz in die Muskulatur, dringen in eine Muskel-
Die meisten Individuen sind Hermaphroditen zelle ein, wachsen heran, rollen sich schraubig
(Zwitter, Abb. 65d) mit Selbstbefruchtung. Die auf und werden von einer von der Wirtszelle
abgelegten „Eier“ sind in die Eihülle eingeschlos- erzeugten Kapsel umschlossen, die schließlich
128 Aschelminthes, Rundwürmer
Abb. 72 Muskeltrichinen. Histologischer Schnitt durch Zungenmuskulatur vom Schwein mit vier ange-
schnittenen Muskeltrichinen. Die Trichinen dringen in Skeletmuskelzellen ein, die dann die Kapsel ausbil-
den. In der Umgebung der eingeschlossenen Trichinen sind vermehrt Leukocyten (Eosinophile und Lym-
phocyten) zu finden
Der schlauchförmige Geschlechtsapparat des gekapselt (Abb. 72). Die Kapselwand ist – in Ab-
Männchens mündet kurz vor dem Hinterende hängigkeit von der Zeit, die seit dem Eindringen
in den Enddarm (Kloake). Er zieht von hier in die Muskelzelle vergangen ist – unterschiedlich
bis etwa zur Mitte des Körpers, biegt um und dick. Die befallene Muskelzelle ist stark erweitert
zieht wieder bis fast zum Hinterende zurück, und enthält zahlreiche vergrößerte Kerne, ihre
wo er blind endet. Dieser rückläufige Schenkel Myofibrillen haben sich aufgelöst. Die Kapseln
ist dicker, er stellt den Hoden dar, der andere haben Zitronenform und enthalten den aufge-
Abschnitt den Samenleiter. rollten Parasiten. Gelegentlich kann man zwei
von einer gemeinsamen Kapsel eingeschlossene
• Es werden histologische Präparate von trichi-
Trichinen finden. In der Umgebung der Kapsel
nösem Fleisch mikroskopiert.
sind i. A. zahlreiche Zellen eines entzündlichen
In ihnen sind schon bei schwacher Vergrößerung Infiltrats, v. a. Lymphocyten und Eosinophile,
unschwer die Trichinen innerhalb der Muskula- zu erkennen. Die Verkalkung der Kapsel beginnt
tur zu finden, und zwar in der Regel bereits ein- nach 6–18 Monaten von den Polen her.
Abb. 73
Mollusca, Weichtiere
Die Mollusca (Weichtiere) haben eine besondere Bedeutung für menschliche Kulturen erlangt.
Diese beruht vor allem auf den Schalen, die von den meisten Mollusken gebildet werden (Abb. 73a,
b: elektronenmikroskopische Aufnahmen von Perlmutt- (a) und Prismenschicht (b)). Schneckenge-
häuse haben länger als jede andere Währung als Zahlungsmittel gedient, andere Schalen wurden
und werden als Schmuck verwendet, sind am Aufbau von Bausteinen beteiligt und können Spei-
chergestein für Erdöl darstellen.
Schon seit 1500 v. Chr. fand die marine Porzellanschnecke (Kauri), insbesondere Cypraea mo-
neta (Abb. 73c), in China und später auch anderswo als Zahlungsmittel Verwendung. Bis zur Mitte
des 19. Jahrhunderts konnte man in manchen Gebieten der Südsee und in Afrika mit Kauris ein-
kaufen. Dann setzte eine Inflation ein. Allein im 19. Jahrhundert hat man schätzungsweise 75 Milli-
arden Kauris aus dem Indopazifik nach Westafrika transportiert. Noch heute zeigt die chinesische
Schrift den engen Zusammenhang von Schnecke und Reichtum, kaufen und wertvoll (Abb. 73c).
Als Schmuck und für Einlegearbeiten werden seit langem Perlen geschätzt (Abb. 73d), die aus
der inneren Schicht der Schalen bestimmter Schnecken, Muscheln und Kopffüßer (dem Hypostra-
cum, der Perlmuttschicht; Abb. 73a) gebildet werden. Bis ins frühe 20. Jahrhundert wurden Perlen
insbesondere im Persisch-Arabischen Golf ertaucht. Dann produzierte Japan Zuchtperlen, derzeit
übernimmt China die Führung. Der Großteil der Perlen stammt aus marinen Muscheln (Pinctada),
aber auch im Süßwasser gibt es Perlmuscheln (bei uns die inzwischen vom Aussterben bedrohte
Margaritifera); in China werden in besonderem Umfang Süßwasserperlen hergestellt (Hyriopsis).
Verschiedene Landschaften werden von Gesteinen dominiert, die in großem Umfang aus Mol-
lusken-Schalen bestehen. In Deutschland ist der triassische Muschelkalk sogar danach benannt;
in vielen Landstrichen wurden ganze Ortschaften und bekannte Gebäude aus Muschelkalk herge-
stellt, z.B. das Berliner Olympiastadion und der Stuttgarter Hauptbahnhof (Abb. 73e). Im Ostsee-
raum sind oft silurische Cephalopoden in Bausteinen zu sehen (Abb. 73f zeigt den Greifswalder
Dom und ein Cephalopoden-Gehäuse aus dem Bodenbelag).
In anderen Gebieten, den ehemaligen küstennahen Regionen des Tethys-Meeres, welches einmal die
Erde umspannte, sind Rudisten-Kalke (Abb. 73g) verbreitet. Rudisten sind im Mesozoikum vorkom-
mende, bis 1 m hohe Muscheln, die riffartige Strukturen bildeten. Heute sind sie wichtige Erdölspei-
chergesteine. Der letzte Meeresvorstoß in Mitteleuropa vor etwa 21–16 Millionen Jahren hat in manchen
Gebieten, z.B. in der Oberrheinebene südlich von Mainz, umfangreiche Mollusken-Ansammlungen
zurückgelassen, die als Baustein oder als Zementrohstoff abgebaut werden (z.B. Hydrobienkalk).
Auch die Weichteile der Mollusken haben Kulturen beeinflusst und werden bis heute sehr ge-
schätzt. Lange galt Purpur als Symbol der Macht. Purpur wird aus dem Sekret der Hypobranchi-
aldrüse insbesondere der Meeresschnecke Murex (Purpurschnecke) hergestellt. Für die Färbung
eines Gewandes brauchte man bis 12 000 Schnecken. Purpurgewänder waren über lange Zeit
weltlichen Führern und kirchlichen Würdenträgern vorbehalten, heute uniformieren sich Millionen
Menschen mit einer ähnlichen, synthetisch hergestellten Farbe (Blau von Genua, Bleu de Gêne,
verballhornt zu Blue Jeans).
Schließlich sind Mollusken eine verbreitete Nahrungsgrundlage. Weinbergschnecken (Helix,
Abb. 73h) werden (insbesondere in Frankreich) wie auch andere Schnecken gezüchtet und geges-
sen, ebenso viele Muscheln (insbesondere Miesmuscheln (Mytilus) und Austern (Ostrea, Abb. 73i)
sowie zahlreiche Kopffüßer (Tintenfische, „Calamares“).
Wissenschaftliche Bedeutung erlangten insbesondere die Cephalopoden. Sie besitzen in ihrem
Nervensystem Riesenaxone, an denen wesentliche Grundlagen der Neurophysiologie erarbeitet
wurden.
132 Mollusca, Weichtiere
Die Mollusken sind nach den Arthropoden der Dickenwachstum, ist das gesamte übrige Man-
zweitgrößte Tierstamm und besiedeln im Meer, telepithel beteiligt. Zwischen Mantel und Schale
im Süßwasser und auf dem Land die verschie- befindet sich, außer an Muskelinsertionen, ein
densten Biotope. Die Kopffüßer haben eine be- feiner, flüssigkeitserfüllter, extrapallialer Raum.
sondere Organisationshöhe erreicht. Verlagerung der Schale ins Innere des Körpers
Am Körper der Mollusken lassen sich häufig und Rückbildung sind nicht selten.
Kopf, Fuß und Eingeweidesack unterscheiden. Das Coelom der Mollusken ist im Allgemeinen
Der Kopf enthält das Cerebralganglion, trägt auf einen Raum beschränkt, der die Gonaden
Sinnesorgane (Fühler, Augen) und umfasst die und das Herz einschließt (Gonoperikardhöhle).
Mundöffnung. Der Fuß ist der mit einer beson- Bei Adulten sind Gonaden und Herzbeutel meist
ders kräftigen Muskulatur ausgestattete ventrale getrennt; letzterer umfasst oft den Darm.
Teil des Hautmuskelschlauches, der Eingewei- Sehr charakteristisch für die Mollusken ist die
desack eine von einer dünnen Haut umschlos- Organisation des Zentralnervensystems. Es zeigt
sene Vorwölbung der Rückenseite. Als Mantel zwar bei den verschiedenen Klassen, zum Teil auch
(Pallium) bezeichnet man meist jene Region bei den verschiedenen Ordnungen, unterschiedli-
der Körperdecke, die die Schale abscheidet. Das che Differenzierungen, doch ist die Ableitung von
Mantelepithel bildet, von der Basis des Einge- der ursprünglichen Organisation immer möglich.
weidesackes ausgehend, eine Hautduplikatur, die Von dem über dem Schlund gelegenen, paarigen
Mantelfalte (oft allein als Mantel bezeichnet). Cerebralganglion ziehen zwei Paar Nervenbah-
In den überdachten Räumen, der Mantelrinne nen nach hinten: ventral die Pedalstränge, seitlich
oder Mantelhöhle, liegen die Atmungsorgane, die Lateral- oder Pleuralstränge. Bei den Poly-
die Osphradien (Sinnesorgane) und die Hypob- placophora haben sie den Charakter von Mark-
ranchialdrüsen, in die Mantelhöhle münden der strängen, d.h., es sind Perikaryen von Neuronen
After und die Ausführungsgänge der Exkreti- über ihre gesamte Länge verteilt. Bei anderen
ons- und Genitalorgane. Molluskenklassen sind letztere meist zu Gang-
Die Haut ist vielfach reich an großen Drü- lien zusammengefasst. Die Pedalstränge bilden die
senzellen, daher schlüpfrig und weich (Weich- Pedalganglien aus, die Pleuralstränge bei Gastro-
tiere). Sie besitzt am Fuß oft Cilien und scheidet poden, Pleural-, Parietal- und Visceralganglien.
am Mantel entweder Cuticula und Kalksklerite Die Pedalganglien sind untereinander durch die
(Schuppen, Stacheln) oder zumeist großflächigen Pedalkommissur und mit den Cerebralganglien
Kalk ab (Platten, Schale). Die Schale besteht aus durch die Cerebropedalkonnektive verbunden.
mindestens drei Lagen, aus dem äußeren, organi- Auch die Visceralganglien haben eine Kommis-
schen Periostracum und zwei (bis 4) Kalkschich- sur ausgebildet. Von den Ganglien der Cerebro-
ten. Das Periostracum – es wird in einer Einfal- visceralkonnektive der Gastropoden können die
tung des Mantelrandes abgeschieden, wächst vom Pleuralganglien mit dem Gehirn, die Parietalgan-
Rand her und besteht aus Conchin, einem durch glien mit den Visceralganglien verschmolzen sein.
Chinone gegerbten und sklerotisierten Protein- Schließlich können sich alle Ganglien zu einem
gemisch. Auch am Aufbau der Kalkschichten ist umfangreichen Zentralorgan um den Schlund he-
Conchin beteiligt. Es bildet feinste Umhüllungen rum vereinigen (Gastropoda, Cephalopoda).
für die Kalkprismen (aus Aragonit oder Calcit), An Sinnesorganen sind Augen, Statocysten
die in der äußeren Kalklage senkrecht, in der oder und die in der Mantelhöhle liegenden Osphra-
den inneren Lagen dagegen mehr oder weni- dien, die der Chemoreception dienen, weit ver-
ger parallel zur Oberfläche abgeschieden werden. breitet. Häufig sind Tast- und Chemoreceptoren
Das innerste, also an das Mantelepithel angren- und auch die Augen auf Tentakeln untergebracht.
zende Schalenmaterial kann als Perlmutt ausge- Die Entwicklungshöhe der Lichtsinnesorgane ist
bildet sein. In ihm sind feinste Aragonitplättchen überaus unterschiedlich. Von flachen Gruben-
oberflächenparallel angeordnet. Das herrliche über Becher- und Blasenaugen bis zu komplizier-
Farbenspiel kommt durch Interferenz zustande. ten Linsenaugen kommen alle Augentypen vor.
Das Flächenwachstum der Schale erfolgt also am Das Herz liegt dorsal, ist meist kurz und emp-
Mantelrand; dort werden in einer schmalen Zone fängt das von den Atmungsorganen kommende,
die Prismen der äußeren Kalkschicht gebildet. An sauerstoffreiche Blut. Es besteht aus einer Kammer
der Bildung der übrigen Schalenschichten, am (Ventrikel) und aus einer meist der Zahl der Kie-
Mollusca, Weichtiere 133
Schalenstücke. Die von der Schale unbedeckte • Es werden jetzt Querschnitte durch die mitt-
Randpartie des Körpers, das Perinotum, ist lere Körperregion einer kleineren, vorher
durch eine starke Cuticula geschützt, in der kurze entkalkten Form mikroskopiert.
Kalkstacheln, -schuppen oder -borsten sitzen.
Die Bauchseite (Abb. 75) zeigt in der Mitte Die Rückenseite ist gewölbt, die Bauchseite durch
den breiten, äußerst muskulösen Fuß und vorn den breiten, muskulösen Fuß leicht kenntlich
den deutlich davon abgesetzten, etwas tiefer lie- (Abb. 76). Zu beiden Seiten des Fußes verläuft
genden Kopf mit der quer stehenden Mund- das Perinotum, mit einer nach innen vorsprin-
spalte in der Mitte. genden Lateralleiste und von einem inneren und
Von dem oft als Mantelfalte (oder Gürtel) einem äußeren Mantelmuskel durchzogen. Zwi-
bezeichneten Perinotum, das ziemlich breit und schen Mantelfalte und Fuß liegt jederseits die
muskulös ist und ebenso wie der breite, als Saug- Mantelhöhle, eine tiefe Rinne, in die von oben
scheibe wirkende Fuß zum Festheften des Tieres die Kiemen hineinragen, deren einzelne, trans-
dient, werden Fuß und Kopf durch eine tiefe versal gelagerte Blättchen deutlich sichtbar sind.
Rinne getrennt, die sich ringsherum zieht und Im Integument des Perinotums erkennt man
der Mantelhöhle anderer Molluscen entspricht. tief eingesenkte Becher; in ihnen saßen Kalk-
In dieser Rinne liegen zu beiden Seiten die dicht stacheln, die aber bei der der histologischen
aneinander gelagerten, doppelfiedrigen Kiemen; Aufarbeitung vorausgehenden Entkalkung her-
bei manchen Arten sind sie auf den hinteren ausgelöst worden sind.
Teil des Körpers beschränkt. Der mittlere Teil des Rückens wird von der
achtteiligen Schale bedeckt. Sie ist aus zwei
• Mit der feinen Schere eine einzelne Kieme
mächtigen Schichten aufgebaut. Proximal liegt
ausschneiden, auf einen Objektträger legen
eine kalkreiche, von der Rückenepidermis se-
und unter Wasser bei schwacher Vergröße-
zernierte Lage, das Articulamentum. Auch hier
rung betrachten.
wurde der Kalk herausgelöst; die Zone des Ar-
Es zeigt sich, dass die breite, oben spitz zulau- ticulamentums, die sich von der Epidermis bis
fende Kieme aus einer Achse besteht mit zahl- zur äußeren Schalenschicht erstreckt, erscheint
reichen zarten Fiederchen auf jeder Breitseite, daher im Präparat leer. Die äußere Schicht, das
die lamellenartig dicht nebeneinander liegen. zu etwa 60% aus organischem Material und zu
Im hinteren Abschnitt der Mantelrinne lie- 40% aus Kalk bestehende, pigmentierte Teg-
gen rechts und links die Geschlechtsöffnungen, mentum, ist im Präparat erhalten. Sie wird von
dicht dahinter die Nierenöffnungen und ganz Poren durchsetzt, in denen Nerven zur Ober-
hinten median der After. fläche, zu den Ästheten, ziehen. Jeder Ästhet
besteht aus einem mehrzelligen Hauptstamm,
von dem kleine, einzellige Fortsätze abzwei-
gen. Hauptstamm und Fortsätze enden an der
Schalenoberfläche mit je einer Kappe. Das Teg-
mentum wird von der medialen Wand einer
schienenförmigen Epidermisaufwölbung gebil-
det, die die Schale seitlich begrenzt. Über das
Tegmentum legt sich eine dünne, organische
Membran, das Periostracum, das von der late-
ralen Wand der Epidermisschienen produziert
wird. Eine weitere Kalkschicht, das Hypostra-
cum, findet sich – innen vom Tegmentum – nur
an den Ansatzstellen der Retraktormuskeln.
Von den inneren Organen fällt der wegen
seines geschlängelten Verlaufs mehrfach ange-
schnittene Darm auf. Das stark entwickelte, lap-
pig gebaute Organ in der Mitte ist die paarige
Abb. 75 Chiton, Ventralansicht. (Nach BOAS) Mitteldarmdrüse.
136 Mollusca, Weichtiere
Poren
Articulamentum Aorta Gonade
Tegmentum Darm
Kiemenarterie Darm
Niere Ästheten
Kiemenvene
Niere
Becher, in
denen die Kiemenarterie
Kalkstacheln Kiemenvene
saßen Perinotum
Innerer
Mantelmuskel Äußerer
Lateralleiste Mantelmuskel
Pleurovisceralstrang Kieme Mantelrinne
Darm Sinus lateralis
Mitteldarmdrüse Pedalstrang
Der Fuß ist sehr muskulös, reich an Bindege- im Extremfall – bei einer Torsion um 180° – so-
webe und Blutlakunen und schwellbar. Seine gar nach vorn verlagert. Die Kiemen und mit ih-
Unterseite ist sohlenartig abgeflacht. Muskel- nen die Herzvorkammern liegen dann vor dem
kontraktionen, die in kurzen Abständen wellen- Herzen (Vorderkiemer, Prosobranchia). Sehr oft
artig von hinten nach vorn über die Sohle lau- geht die Torsion jedoch nicht so weit. Die dann
fen, bedingen ein langsames Vorwärtskriechen, allein erhaltene Kieme und die dazugehörige
das durch das Sekret einer großen, vorn am Vorkammer bleiben hinter dem Herzen (Hin-
Fuß mündenden Schleimdrüse erleichtert wird. terkiemer, Opisthobranchia).
Bei frei schwimmenden Schnecken bildet der Etwa gleichzeitig mit der Torsion entsteht als
Fuß lappenartige Flossen aus. Das einschichtige ventraler Auswuchs in der Nähe des Kopfes der
Epithel der Körperdecke ist wenigstens an der Fuß. Er wächst nach hinten, schiebt sich unter
Sohlenfläche des Fußes bewimpert; es ist überall den Eingeweidesack und drückt ihn aus der
reich an Drüsenzellen. Bei sehr kleinen Formen Längsachse des Tieres heraus nach oben. Der
erfolgt die Fortbewegung wie bei kleinen Tur- stark in die Länge gewachsene Eingeweidesack
bellarien durch das Wimperepithel. aber hat sich inzwischen zu einer seitlich (meist
Der Eingeweidesack ist eine umfangreiche nach rechts) herausgezogenen, also asymme-
dorsale Vorwölbung. Von ihm aus erstreckt sich trischen Schraube eingerollt. Die asymmetri-
die Mantelfalte (s. S. 132) nach unten, seine Ba- sche Architektur des Schneckenkörpers wird
sis mehr oder weniger geräumig umhüllend. In dadurch vervollständigt, dass ursprünglich links
dem von der Mantelfalte überdachten Hohl- angelegte Teile paariger Organe (Nieren, Kie-
raum, der Mantelhöhle, liegt der palliale Or- men und Herzvorkammern) in der Entwicklung
gankomplex, das sind die Kiemen, die Osphra- zurückbleiben oder vollständig fehlen. Nur ei-
dien, der After und die Ausmündungen der nige primitive Prosobranchier sind davon aus-
Nieren- und Geschlechtsorgane. genommen.
Der schalenbedeckte Eingeweidesack wird Die Schale, die vom Mantel abgeschieden
schon während der Embryonal- bzw. Larven- wird, gibt die Form des Eingeweidesackes genau
entwicklung angelegt. Dann wächst aber die wieder, ist also gleichfalls meist schraubig auf-
Rückenseite der Larve viel schneller als die gerollt. Ein Periostracum ist immer vorhanden,
Bauchseite (also positiv allometrisch), sodass eine Perlmutterschicht selten. In der Regel ver-
er mehr und mehr nach hinten, in Richtung schmelzen die inneren Wandungen der Schraube
der Längsachse, verlagert wird. Das führt dazu, zu einer Kalkspindel, der Columella. Von der
dass der Eingeweidesack schließlich ganz in die engsten Windung der Columella entspringt der
Verlängerung der ursprünglichen Längsachse Spindelmuskel, der in Fuß und Kopf einstrahlt
der Larve zu liegen kommt und der After der und diese Teile in die Schale zurückzuziehen
Mundöffnung stark genähert ist. Die Dorsoven- vermag. Die Muskeln sind nicht unmittelbar
tralachse des Tieres ist also nach hinten gekippt an der Schale befestigt, sondern enden an der
und stellt nun die Fortsetzung der Längsachse verdickten Basalmembran der hier zu einem
dar. Schon vorher begann als kragenartige Ring- Anheftungsepithel spezialisierten Epidermis.
falte am Eingeweidesack die Mantelbildung. Die Zellen dieses Epithels sind mit füßchenarti-
Sie schreitet vor allem ventral rasch voran und gen Fortsätzen in der Basalmembran verankert,
führt zur Bildung der Mantelhöhle, die unten ihre der Schale zugewandten Oberflächen sind
weit nach vorn reicht, sodass sogar die mund- mit kurzen, am Ende verbreiterten Mikrovilli
wärts gewanderte Afteröffnung von ihr umhüllt besetzt, die eine Haftsubstanz aus Proteinen
wird. und Mucopolysacchariden absondern. Im üb-
Außerdem – und das führt nun zu charakte- rigen liegt die Schale dem Weichkörper frei auf;
ristischen anatomischen Eigenheiten – erfährt sie ist von ihm durch den sehr feinen, flüssig-
der Eingeweidesack eine Drehung (Torsion) um keitserfüllten extrapallialen Raum getrennt. Die
seine Längsachse. Dabei wird die ursprünglich Mehrzahl der Schnecken, die meisten Prosob-
hinten angelegte Mantelhöhle samt den Kiemen ranchia (aber auch einige ursprüngliche Opist-
und den übrigen Teilen des pallialen Organ- hobranchia und wenige Pulmonata), scheidet
komplexes mehr oder weniger weit nach rechts, auf der Oberseite des hinteren Fußteiles eine
138 Mollusca, Weichtiere
aus Conchin und Kalk bestehende Platte ab, herstellen. Die ehemaligen Pedalstränge sind so
das Operculum, das die Schalenöffnung hinter zu den Cerebropedalkonnektiven zwischen Ce-
dem zurückgezogenen Tier zu verschließen ver- rebral- und Pedalganglion geworden. An den la-
mag. Viele Landschnecken verschließen zu Be- teralen Pleurovisceralkonnektiven befinden sich
ginn der Überwinterung oder bei anhaltender zwischen Cerebralganglion (vorn) und Visceral-
Trockenheit die Schalenmündung durch einen ganglion (hinten) noch zwei weitere Ganglien,
Kalkdeckel, das Epiphragma, das später wieder die Pleural- und Parietalganglien (Abb. 77,1).
abfällt. Pleural- und Pedalganglion sind durch ein
Der Darm ist nahezu in seinem gesamten Konnektiv verbunden. Der kräftig entwickelte
Verlauf von der Torsion betroffen. Der ur- Schlund wird von den zwei ventral von ihm
sprünglich endständig gelegene After ist nach liegenden Buccalganglien versorgt. Während die
rechts vorn hinter den Kopf gerückt. Der vor- Cerebralganglien ihre Lage über dem Vorder-
derste Abschnitt des Darmes ist als muskel- darm stets beibehalten, können die Pleural- und
kräftiger Schlundkopf (Pharynx) entwickelt. Parietalganglien sich dem Visceralganglion eng
Von seinem Boden erhebt sich die Radula, eine anschließen. Nicht selten sind diese drei hin-
mit Zähnchen dicht besetzte Reibezunge. Die teren Ganglienpaare weit nach vorn verlagert,
Anordnung der Zähnchen ist artspezifisch und sodass das ganze Zentralnervensystem um den
daher für die Taxonomie wichtig. Die Radula Vorderdarm herum konzentriert ist. – Auch das
wird in ihrer Tätigkeit oft von chitinigen Kie- Nervensystem ist unter den Einfluss der Torsion
fern unterstützt, die zu einer unpaaren dorsalen geraten (Abb. 77, 4), und zwar in der Weise,
Platte verschmelzen können. In den Schlund- dass das Parietalganglion der rechten Seite über
kopf mündet ein Paar Speicheldrüsen. Der stark den Darm hinweg nach links, das der linken
gewundene Darm wird von einer mächtigen Seite unter dem Darm hindurch nach rechts
Mitteldarmdrüse umhüllt. Ihre Aufgabe besteht rückt, woraus sich eine als Chiasto- oder Strep-
in der Absonderung verdauender Sekrete, in der toneurie bezeichnete Überkreuzung der Pleu-
Resorption und Phagocytose enzymatisch gelös- rovisceralkonnektive ergibt. Sie kann wieder
ter bzw. in kleine Partikel zerlegter Nahrungs- rückgängig gemacht werden oder durch Vorver-
stoffe, in der Speicherung von Reservestoffen lagerung der hinteren Ganglien von vornherein
(Glykogen und Lipide) und in der Exkretion. unterbleiben (Euthyneurie).
Das Nervensystem erinnert mit dem paarigen Receptoren des mechanischen und chemi-
Cerebralganglion und den zwei von ihm ausge- schen Sinnes sind über die gesamte Körperober-
henden Längssträngen jederseits an dasjenige fläche verstreut, auf den Tentakeln und den
der Polyplacophora. Nur sind die Perikaryen Fußrändern sind sie besonders zahlreich. Die
der Nervenzellen meist zur Bildung von Gang- Augen liegen an der Basis oder der Spitze von
lien zusammengetreten, während ihre Fortsätze, Tentakeln und sind bei den verschiedenen Gat-
die Nervenfasern, die als Konnektive bezeichne- tungen unterschiedlich hoch differenziert. Die
ten Längsverbindungen zwischen den Ganglien Osphradien kommen, wie die Kiemen, meist
Mund Cerebralganglion
Cerebralganglion Pleuralganglion
Pleuralganglion Ursprünglich linke
Pedalganglion Kieme
Pleurovisceral-
konnektiv After
Mantelbasis Ursprünglich linkes
Parietalganglion Parietalganglion
Herz Mantelbasis
Visceralganglion
After
Linke Kieme
nur unpaar vor, sind flächige oder fadenför- schnecken dagegen Zwitter. Die Gonade kann
mige, in der Mantelhöhle gelegene Chemore- in die Niere münden, besitzt meist aber einen
ceptororgane. Die paarigen Statocysten sind den eigenen Ausführgang. Durch Ausbildung zahl-
Pedalganglien an- oder aufgelagert. Sie werden reicher Anhangsdrüsen und anderer Hilfsor-
vom Cerebralganglion innerviert. gane kann der Geschlechtsapparat, insbeson-
Der Atmung dienen neben der Haut Kie- ders bei Zwittern, einen recht komplizierten Bau
men oder Lungen. Kammkiemen (Ctenidien) aufweisen.
mit Schaft und zwei Reihen von Fiederblätt- Bei den im Meer lebenden Schnecken, vor al-
chen haben nur noch primitive Prosobranchia. lem bei Vorder- und Hinterkiemern, entwickelt
Bei den übrigen Schnecken trägt der Schaft der sich aus dem Ei eine Veligerlarve. Die beson-
einen erhalten gebliebenen Kieme nur noch auf deren Gastropoden- bzw. Molluskenmerkmale,
einer Seite Blättchen, mit der anderen ist er an wie Schale, Mantel und Einrollung, treten schon
der Decke der Mantelhöhle verwachsen. Liegt während der Larvenzeit auf, also bevor die junge
die Kieme vorn (Prosobranchia), so fließt das Schnecke zum Leben am Boden übergeht. Die
Blut von der Kieme nach hinten zum Herzen Süßwasser- und Landschnecken entwickeln sich
ab und die Vorkammer liegt dementsprechend im Ei bis zur Jungschnecke.
vor der Herzkammer; liegt die Kieme hinten Die meisten Schnecken leben im Meer (Hin-
(Opisthobranchia), so liegt auch die Vorkam- terkiemer, die meisten Vorderkiemer), manche
mer hinter der Herzkammer. Oft wird die ty- auf dem Land (die meisten Lungenschnecken
pische Kammkieme durch sekundäre Kiemen und einige Vorderkiemer), andere im Süßwasser
ersetzt. Bei den Lungenschnecken fehlen Kie- (einige Lungenschnecken und einige Vorder-
men vollständig. Als Atemorgan dient das zur kiemer).
Lunge gewordene, reich durchblutete Dach der
Mantelhöhle. Viele kleine marine Schnecken
sind Hautatmer; sie haben die Kiemen vollstän- Spezieller Teil
dig zurückgebildet. Das in den Atemorganen
oxygenierte Blut gelangt meist über Venen in Helix pomatia, Weinbergschnecke
das Herz. Von hier aus wird es über eine ge-
gabelte Aorta durch Arterien, die sich stark • Bei der Weinbergschnecke wird zunächst die
aufteilen, in Lücken zwischen den Geweben Körperform betrachtet.
und Organen gepumpt. Ein besonders geräu-
miger Blutraum umgibt die Eingeweide, ein Der große Fuß ist auf der Unterseite sohlenartig
anderer befindet sich im Fuß. In ihn wird beim abgeplattet, vorn geht er allmählich in den rund-
Ausstrecken des Fußes Blut gepresst. Da gleich- lichen Kopf über, der die beiden Fühlerpaare
zeitig der Abfluss gesperrt wird, erlangt der Fuß trägt. Das hintere, etwas größere trägt distal die
durch dieses hydrostatische Skelet die zu seiner Augen. Meist sind die Fühler bei den getöteten
Funktion erforderliche Rigidität. – Als respira- Tieren mehr oder weniger eingezogen. Der Ein-
torischer Farbstoff kommen Hämocyanin und geweidesack ist in der Schale verborgen, und
Hämoglobin vor. das Gleiche gilt für die Mantelfalte, von der nur
Die Niere beginnt im Perikard mit einem der wulstige Rand entlang der Schalenöffnung
kurzen Renoperikardialgang. Der übrige, grö- hervortritt (Abb. 78). Die Schale ist vom Perio-
ßere Teil des Exkretionsorganes gliedert sich in stracum bedeckt, das am Rand der Mantelfalte
einen sackartigen Abschnitt, dessen Wand von in eine Rinne abgeschieden wird. Am Man-
Blutlakunen erfüllte Falten bildet, die – ebenso telrand erfolgt auch das Flächenwachstum des
wie auch die Herzwand (Druckfiltration) – an kalkigen Teils der Schale. Am Dickenwachstum
der Exkretion beteiligt sind, und in den Aus- ist das gesamte Mantelepithel beteiligt (s. auch
führgang (Ureter), der sich in die Mantelhöhle S. 132).
öffnet. Von Körperöffnungen sieht man an der Ven-
Die Gonade ist stets nur in Einzahl vor- tralseite des Kopfes den Mund, der zwischen
handen. Die Vorderkiemer sind meist getrennt- zwei bisweilen als Lippententakel bezeichneten
geschlechtlich, die Hinterkiemer und Lungen- Mundlappen liegt, dann das Atemloch, das auf
140 Mollusca, Weichtiere
Abb. 78 Weinberg-
schnecke in Ventral- (a) a b
und Dorsalansicht (b)
der rechten Seite unter dem Mantelrand zutage darmdrüse eingenommen. Am oberen Rand der
tritt und auch den After und die Exkretionsöff- zweitgrößten Windung schimmert gelblich die
nung umschließt. Die feine Geschlechtsöffnung Eiweißdrüse durch.
ist schwer zu erkennen; sie liegt rechts unterhalb
des hinteren Fühlers. Unter dem Mundspalt
• Zu Beginn der Präparation die kleine Schere
in die Atemöffnung einführen und den der-
schließlich mündet die große Fußdrüse aus,
ben Mantelwulst nach oben durchschneiden.
deren Schleim in einer vertikalen Furche zur
Vorderspitze der Kriechsohle gelangt.
• Den Schnitt hinter dem Mantelwulst und in
einem Abstand von etwa 4mm parallel zu
• Mit einer starken Pinzette, besser noch mit ihm in der Decke der Atemhöhle entlang
einer kleinen Flachzange die Schale von der führen, bis fast zu der Stelle, an der das Herz
Mündung her vorsichtig Stück für Stück ab- durchschimmert (Abb. 79b).
tragen. Den Schleim mit schwachem Alkohol • Die Decke der Atemhöhle noch nicht auf-
(ca. 10%) entfernen. klappen, sondern mit der Pinzette die dünne
Körperhaut am hinteren (rechten) Ende der
Das Mantelepithel, das den schraubig aufge-
Niere anheben und vorsichtig einen weiteren
rollten Eingeweidesack und die Mantelhöhle
Schnitt am hinteren Nierenrand entlang bis
bedeckt, ist dünn und durchscheinend. Darun-
fast zum Ende des 1. Schnittes führen (Abb.
ter sind verschiedene Organe zu erkennen. Ein
79b).
von reich verzweigten Blutbahnen durchzoge-
ner Bezirk (Abb. 79a), er lag unter der letzten,
• Nachdem man sich davon überzeugt hat, dass
an der geschonten Stelle ein Gefäß, die Aorta,
großen Schalenwindung, ist die Lunge. Ihr re-
aus dem Herzen austritt, Schnitt 1 und 2 ver-
spiratorisches Epithel ist die Decke der geräu-
binden und die Lungenhöhle aufklappen.
migen Atemhöhle, die man vom Atemloch aus
sondieren kann. Am hinteren Rand der Lunge
• Der Schnitt 3 der Abb. 79b unterbleibt vor-
läufig!
schimmert links von der Medianlinie das Herz
blass hindurch, in das von vorn her die Lun- Man sieht, dass die Blutgefäße an der Decke der
genvene mündet. Rechts vom Herzen erkennt Lunge in eine in der Mittellinie von vorn nach
man die gelblich gefärbte Niere. Die immer hinten ziehende, große Lungenvene (Abb. 80)
kleiner werdenden oberen Windungen werden münden. Sie sind besonders im vorderen Ab-
in der Hauptsache von der bräunlichen Mittel- schnitt reich entwickelt und verlaufen zum Teil
II. Gastropoda, Schnecken 141
Mantelrand
Eiweißdrüse
Lungenvene 1. Schnitt
Herz
Mitteldarmdrüse
2. Schnitt
Niere
a Fuß b
Abb. 79 Helix pomatia nach Entfernung der Schale. b Die drei Schnitte zur Präparation von Helix pomatia.
H: Herz, N: Niere
in leistenartigen Erhebungen der Wand, den Es wird das Herz mit seiner Kammer und der
Lungentrabekeln. nach vorn gelegenen, kleineren und muskel-
Der Boden der Lungenhöhle ist zugleich die schwächeren Vorkammer, in die die Lungen-
Decke eines Teils des Eingeweidesackes, d.h. vene einmündet, sichtbar. Nach hinten gibt die
die eigentliche Rückenwand des Körpers. Dieser Herzkammer die große Aorta ab, die wir durch-
Boden ist glatt, wölbt sich gegen die Atemhöhle schneiden mussten.
vor und besitzt eine kräftige, in zwei gekreuzten Seitlich führt aus dem Herzbeutel ein in die
Lagen angeordnete Muskulatur. Durch Kontrak- Niere mündender, kurzer Gang, die Nieren-
tion der Muskulatur flacht sich der Boden ab spritze (Renoperikardialgang). Die Niere selbst
und bewirkt so, nach Art des menschlichen beginnt mit einem sackartigen, drüsigen Teil,
Zwerchfells, das Einströmen frischer Luft. Da- dessen Wandung mit zahlreichen Falten nach
nach wird das Atemloch geschlossen und durch innen vorspringt. In den Falten, die das ex-
Aufwölben des Mantelhöhlenbodens der Druck kretorische Epithel tragen, verlaufen zahlreiche
gesteigert, was die O2-Aufnahme fördert. Für arterielle Blutlakunen. Dieser Nierensack biegt
das Erweitern und Schließen des Atemloches ist vorn in einen weiten, röhrenförmigen, glatt-
eine besondere Muskulatur entwickelt. wandigen Teil der Niere um, der sich in den mit
Auf der Grenze zwischen der respiratorischen dem Enddarm parallel verlaufenden Harnleiter
Decke und dem glatten Boden der Atemhöhle (Ureter) fortsetzt. Die Mündung liegt unmittel-
verläuft der in die Atemöffnung ausmündende bar neben dem Atemloch. Landschnecken sind
Enddarm. Wassersparer; Exkretionsprodukt ist die schwer
Der Niere dicht angelagert liegt am hinte- wasserlösliche Harnsäure.
ren Rand der respiratorischen Lungendecke der Mit den ersten zwei Schnitten wurde nur die
Herzbeutel. Lungenhöhle eröffnet.
• Diesen mit einem Längsschnitt aufschnei- • Um die Eingeweide freizulegen, mit der Schere
den. vom Kopf aus einen dicht über der Mundöff-
142 Mollusca, Weichtiere
nung ansetzenden Medianschnitt durch die gehen kopfwärts einige Nerven ab, von denen
Körperdecke bis zum Mantelwulst führen und ein Paar als Tentakelnerven zur Basis der hin-
diesen durchschneiden. teren Fühler ziehen. Eine zweite Ganglienmasse
• Immer in der Medianlinie weiterschneiden findet sich ventral vom Oesophagus. In ihr sind
und dabei die Decke des Eingeweidesackes – dicht aneinander gerückt die Pleural-, Parie-
den Boden der Atemhöhle – spalten. tal- und Visceralganglien enthalten sowie am
• Weitergehend kommt man auf die zweite weitesten vorn und unten sitzend die Pedalgan-
Windung. Mit dem Schnitt der Höhe der glien. Obere und untere Ganglienmasse werden
Windungen soweit wie möglich folgen (Abb. rechts und links vom Oesophagus durch Ner-
79). Die Schere beim Schnitt unbedingt flach venfaserzüge, die kurzen Cerebropleural- und
ansetzen, da sonst das Gewebe der Mittel- Cerebropedalkonnektive, miteinander verbun-
darmdrüse verletzt und der Zwittergang den. Streptoneurie liegt in diesem Fall nicht vor.
durchschnitten wird. Von den seitlich und unterhalb vom Oeso-
• Die aufgeschnittenen Hälften der Eingewei- phagus verlaufenden Muskeln fallen besonders
dehülle vorsichtig und möglichst nahe am die lateralen auf, die zu den hinteren Tenta-
Fuß abschneiden und das Tier im Wachsbe- keln ziehen und als deren Rückziehmuskeln
cken unter Wasser feststecken. Hierfür eine dienen. Oft sind im Präparat die Tentakel
starke Nadel durch die hintere Spitze des eingestülpt und liegen im Inneren, fallen aber
Fußes führen, zwei schwächere Nadeln durch durch ihre schwärzliche Färbung sofort auf; das
seine vorderen Seitenlappen. Auge schimmert durch die Wandung hindurch.
• Die zarten Bindegewebsbrücken, die die Auch die zu den vorderen Tentakeln führenden,
einzelnen Organe miteinander verbinden, schwächeren Muskelbündel sind zu erkennen,
durchschneiden und die Organe, wie Abb. 80 sowie weitere, die als Retraktoren des Kopfes
zeigt, auseinander legen. und der Schlundmasse dienen. Alle diese Mus-
kelzüge gehören zu dem der unteren Hälfte
Dicht hinter der Mundöffnung liegt als ansehn- der Spindel entspringenden Musculus columel-
licher, weißlicher Körper der Schlundkopf, von laris, der sowohl in den Fuß einstrahlt als auch
dem aus der Oesophagus nach hinten zieht, um den Körper in zwei längs gerichteten, sich vorn
ohne deutliche Grenze in den geräumigen, lang aufspaltenden Hauptmuskelbündeln durchzieht.
gestreckten Magen überzugehen. Auf dem er- Er gewährleistet also ein Zurückziehen des
weiterten Abschnitt des Magens liegen flach aus- Weichkörpers in die Schale. Das Ausstrecken
gebreitet die zwei lang gestreckten, weißlichen erfolgt durch hydrostatischen Druck, indem
Speicheldrüsen, die auf der uns zugekehrten, Blut in die primären Leibeshöhlenräume des
also dorsalen Seite ein Stück weit verschmolzen Fußes eingepresst wird. Der erforderliche Blut-
sind. Jede dieser beiden Drüsen geht in einen druck wird durch Kontraktion der Muskulatur
bandartig gewundenen Kanal über, der zu bei- des Mantelhöhlenbodens erzeugt.
den Seiten der Speiseröhre nach vorn zieht und Mächtig entwickelt ist der zwittrige Genital-
in den Schlundkopf einmündet. Der hintere Ab- apparat. Die unpaare Gonade ist ein aus zahlrei-
schnitt des Magens verschmälert sich allmäh- chen Follikeln zusammengesetzter, rundlicher
lich und geht in den eine Schlinge bildenden Körper, der aus seinen Wandzellen sowohl Eier
Dünndarm über. An der Grenze von Magen als auch Spermien entstehen lässt und daher als
und Dünndarm liegt ein Blindsack, in den die Zwitterdrüse bezeichnet wird. Die Zwitterdrüse
beiden umfangreichen, braunen Mitteldarm- ist in das Mitteldarmdrüsengewebe eingebettet,
drüsen einmünden, die die oberen Windungen hebt sich von ihm aber durch ihre weißliche
des Eingeweidesackes fast völlig erfüllen. An Färbung gut ab.
den Dünndarm schließt sich der Enddarm an,
der am Rand der Atemhöhle zum After zieht. • Durch vorsichtiges Zerzupfen der Mittel-
Vom Nervensystem sind die beiden großen, darmdrüse die Zwitterdrüse freilegen. Die
dicht aneinander liegenden Cerebralganglien Präparation gelingt am sichersten, wenn man
zu sehen, die den Oesophagus in Form eines zunächst ihren Ausführgang, den Zwitter-
breiten Bandes dorsal überbrücken. Von ihnen gang, aufsucht und diesen dann in die Mit-
II. Gastropoda, Schnecken 143
teldarmdrüse hinein verfolgt, bis man auf die nach als Befruchtungstasche bezeichnet wird.
puderquastenförmige Gonade trifft. Er liegt an der abgeflachten Seite der Drüse.
Von der Befruchtungstasche aus zieht als
Der Zwittergang führt als ein zunächst sehr kräftiger, mit wulstigen Auftreibungen versehe-
feiner und daher bei der Präparation leicht ab- ner Schlauch der Eisamenleiter kopfwärts. Der
reißender, dann dickerer, gewundener Kanal dickere Teil fungiert als Eileiter, der dünnere als
von der Gonade quer hinüber zur Basis der Samenleiter. Beide haben eine drüsige Wand; die
umfangreichen, wurstförmigen Eiweißdrüse. Lumina sind von Wimperepithel ausgekleidet.
Im Inneren der Eiweißdrüse ist an der Stelle, an Im Vorderkörper trennen sich die Gonodukte.
der der Zwittergang eintritt, ein kleiner, längli- Der Samenleiter führt nun als Vas deferens
cher Hohlraum ausgespart, der seiner Funktion unter dem Rückziehmuskel des rechten Augen-
Abb. 80 Anatomie von Helix pomatia. Die beiden Fühlerpaare sind nach innen zurückgezogen
144 Mollusca, Weichtiere
Schloss
Ligament Herzkammer
Enddarm Perikardhöhle
Nierentrichter Vorkammer
Nierengang Kiemensinus
Nierensack Kiemenarterie
Exkretionsporus
Cerebrovisceralkonnektiv Äußerer Kiemengang
Innerer Kiemengang
Interlamellarräume
Geschlechtsöffnung
Aufsteigende Lamellen
Absteigende Lamellen
Gonade
Darm
nesorgane und Tentakel. Die inneren Falten der gament aus Proteinen miteinander verbunden.
beiden Mantellappen sind muskulös und kön- In diesem Bereich befindet sich auch meist das
nen die Mantelhöhle hermetisch abschließen. Schloss, eine scharnierartige Struktur des Scha-
Manchmal sind sie sogar miteinander verwach- lenrandes mit Erhebungen (Zähnen) und Ver-
sen. Ausgespart bleiben dann nur drei Öffnun- tiefungen. Der Zug des bei geschlossenen Scha-
gen, eine ventrale zum Durchtritt des Fußes und lenklappen gespannten Ligaments bewirkt deren
zwei am Hinterende übereinander angeordnete. Öffnung, sobald die beiden quer von Schale zu
Durch die untere, die Einströmöffnung (= In- Schale ziehenden Schließmuskeln erschlaffen.
gestionsöffnung) gelangt frisches Wasser in die Darum klaffen tote Muscheln. Nicht selten, und
Mantelhöhle, die obere dient als Ausströmöff- besonders bei Bivalvia, die durch rasches Öff-
nung (Egestions- oder Kloakenöffnung) zum nen und Schließen der Schale zu schwimmen
Ausstoßen von verbrauchtem Atemwasser, Kot vermögen, ist auch noch ein inneres Ligament
und Exkreten. Nicht selten sind die Mantel- (Resilium) vorhanden, das aus einem hoche-
lappen am Hinterende zu mehr oder weniger lastischen, Abductin genannten Protein besteht.
langen, beweglichen und oft einziehbaren Si- Es ähnelt chemisch und funktionell dem Re-
phonen differenziert, an deren Enden sich dann silin der Insekten. Das Resilium liegt ventral
die beiden Öffnungen befinden. der Drehachse, wird darum beim Schließen
Der Fuß ist zungenförmig, stark schwellbar der Schale zusammengepresst und wirkt durch
und kann durch Einpressen von Haemolymphe Druck gegen die Kraft der Schließmuskeln.
vorgestreckt werden. Er dient der Fortbewegung An der Innenseite trockener Schalen fallen
und dem Graben und kann durch Muskeln, die die Insertionsstellen der Schließmuskeln durch
in ihn einstrahlen, meist völlig zwischen die ihre abweichende Färbung oder als leichte Ein-
Schalen zurückgezogen werden. dellungen auf. Eine dem Schalenrand paral-
Die beiden Hälften der zweiklappigen Schale lel ziehende Linie, die Mantellinie, rührt von
sind dorsal durch ein straffes, elastisches Li- den an der Schale befestigten Muskelzügen des
III. Bivalvia, Muscheln 147
Mantelrandes her (Abb. 81). Bei den mit Sipho- durch die Spalten in den Kiemenraum, von dort
nen versehenen Muscheln buchtet sich die Man- nach oben und wird in den Kiemengängen zur
tellinie hinten ein (Insertionsstellen der Sipho- terminalen Ausströmöffnung abgeleitet. Die aus
Rückzieher). Die Schale besteht bei den Süß- kleinsten Organismen und organischen Abfall-
wasser- und manchen Meeresmuscheln aus drei stoffen (Detritus) bestehende Nahrung wird da-
Schichten: innen liegt die Perlmutterschicht, bei von einem die Kiemenfläche überziehenden
die aus sehr dünnen, schalenoberflächenpar- Schleimmantel abgefangen, durch den Flimmer-
allelen Kristall-Lamellen besteht, nach außen schlag in die Futterrinnen am ventralen Rand
zu folgt die Prismenschicht mit senkrecht zur der Kiemen und dann nach vorn zum Mund
Oberfläche gestellten Prismen und ganz außen befördert. Gröbere Partikel werden hier von den
das verschieden gefärbte Periostracum. Bei vie- Mundlappen (s. unten) zurückgewiesen.
len marinen Muscheln ist die innere Schicht Die Kiemen überragen hinten – ebenso wie
nicht perlmuttern, sondern porzellanartig. der Mantel – den Eingeweidesack. Die medi-
Die Kiemen sind bei einigen ursprünglichen alen, also aufsteigenden Lamellen der beiden
Muscheln noch typische Ctenidien (s. S. 133). inneren Kiemenblätter sind hier miteinander
Die meisten Arten haben jedoch entweder Fa- verbunden. Von der Mantelhöhle wird so ein
denkiemen (= Filibranchien) oder Blattkie- Raum abgetrennt, dessen Boden von den oberen
men (= Eulamellibranchien). Der Schaft beider Randpartien aller Kiemenblätter gebildet wird.
trägt eine äußere und eine innere Reihe langer In diesen Raum münden also auch die lateralen
Kiemenfäden (= Kiemenfilamente). Die Fä- Suprabranchialräume und außerdem der After;
den einer Reihe sind meist durch Halterungen daher die Bezeichnungen: Kloakenraum, Egesti-
miteinander verbunden: Bei den Filibranchien onsraum oder dorsomedianer Suprabranchial-
stellen sehr häufig klettenartig miteinander ver- raum.
hakte Cilienbürsten die Verbindung her, wäh- Der quer gestellte Mund ist seitlich jederseits
rend die Fäden der Eulamellibranchien durch in zwei große, nach hinten gerichtete Lappen,
Gewebsbrücken miteinander verwachsen sind. die Mundsegel oder Mundlappen, ausgezo-
Die Kiemen sind also engmaschige Netze. Sie gen. Bewimperte Furchen und Leisten an ihrer
bestehen fast immer aus einem Doppelnetz, das Innenseite treiben die Nahrungspartikel dem
dadurch entsteht, dass die Kiemenfäden ventral Mund zu. Speicheldrüsen, Radula und Kiefer
haarnadelförmig umbiegen – die lateralen nach fehlen. Eine sehr kurze Speiseröhre führt in den
außen, die medianen nach innen – und wie- weiten, kompliziert gebauten Magen. In ihm
der zum Schaft aufsteigen. Der dadurch entste- oder im Anfangsteil des Darmes findet sich
hende Kiemenbinnenraum (Interlamellarraum) der Kristallstiel, eine gallertartige Sekretmasse,
wird bei den Eulamellibranchien immer, bei den die verdauende Enzyme, vor allem Amylase,
Filibranchien häufig durch meist regelmäßig enthält. Er wird in einem Blindsack des Ma-
angeordnete, quer verlaufende Gewebsstränge gens gebildet, durch die Darmbewimperung in
überbrückt. Die Enden der Filamente sind auf langsame Rotation versetzt und in dem Maße,
der Höhe des Kiemenschaftes mit dem Rumpf in dem er sich verbraucht, in den Magen nach-
verwachsen (Eulamellibranchien), durch Cilien geschoben. In den Magen mündet die große,
mit ihm verbunden oder liegen ihm nur an paarige Mitteldarmdrüse. Der Darm zieht in
(Filibranchien). Bei beiden Kiementypen erwei- einer bis einigen Windungen, die häufig in den
tern sich die Interlamellarräume oben zu nach Fuß eintreten, nach hinten und mündet in den
hinten ziehenden Kanälen, den Kiemengängen Kloakenraum. Um den Enddarm ist in der Re-
oder Suprabranchialräumen. gel die Herzkammer herumgewachsen, sodass
Die Kiemen dienen der Atmung und dem der Darm das Herz zu durchbohren scheint.
Nahrungserwerb. Ihre Oberfläche ist mit Flim- Das Nervensystem der Muscheln ist dadurch
merepithel bekleidet, im Inneren sind sie von ausgezeichnet, dass sich die Lateral- oder Pleu-
zahlreichen Blutbahnen durchzogen. Das Atem- ralganglien den Cerebralganglien meist ange-
wasser wird durch die Tätigkeit des Flimmerepi- gliedert haben. Die beiden Pedalganglien liegen
thels der Kiemen und der Mantellappen durch dicht aneinander; die Visceralganglien bleiben
die Einströmöffnung angesaugt und gelangt meist deutlich getrennt. Alle drei Ganglienkom-
148 Mollusca, Weichtiere
plexe sind weit voneinander gerückt. Auf den scheln tritt eine Larve mit vergrößertem Wim-
Pedalganglien liegen die beiden von den Cereb- perkranz auf.
ralganglien innervierten Statocysten. Sind Seh- Alle Muscheln sind Bodenbewohner. Die
organe vorhanden, so sitzen sie in großer Zahl meisten leben halb oder ganz eingegraben. Man-
am Mantelrand oder an den Siphonen. Als Or- che (z.B. Austern) sind mit einer Schalenhälfte
gane des chemischen Sinnes finden sich zwei in festgewachsen und werden dadurch asymmet-
der Mantelhöhle hinter der Fußbasis gelegene, risch; andere vermögen sich mit seidenartigen
mit Wimperepithel versehene Osphradien. Fasern, den Byssusfäden, festzuheften. Diese
Das Herz liegt in der Perikardhöhle, in die werden von der im hinteren Teil des Fußes gele-
eine Drüse exkretorischer Funktion (Perikardi- genen Byssusdrüse ausgeschieden und mithilfe
aldrüse) mündet. Es besteht aus der Herzkam- des vorn zu einem Spinnfinger ausgezogenen
mer (Ventrikel) und einer flügelförmigen Vor- Fußes dem Untergrund angeheftet. Einige Arten
kammer (Atrium) jederseits. Die Vorkammern vermögen durch rasches Auf- und Zuklappen
nehmen das sauerstoffreiche Blut von den Kie- der Schale kürzere Strecken zu schwimmen.
men auf und leiten es in die Herzkammer. Diese
pumpt es in die Arterien, die bei den meisten
Muscheln mit einer vorderen und einer hinteren Spezieller Teil
Aorta beginnen. Aus den Arterien gelangt das
Blut in ein Lakunensystem und sammelt sich in Mytilus edulis, Miesmuschel
einem unter dem Herzbeutel liegenden venösen
Längssinus wieder an. Von ihm aus strömt es • Miesmuscheln verwenden, die wenigstens ei-
größtenteils zu den Nieren, um dann in je ei- nige Tage in 4%igem Formol gelegen haben.
nem Kiemengefäß in die Kiemen einzutreten. Man kann dann den Weichkörper ohne Zu-
Nachdem es in den Kiemen oxygeniert worden hilfenahme von Instrumenten und ohne Ver-
ist, fließt es in den beiden ableitenden Kie- letzung des den Schalenrand umfassenden
mengefäßen zu den Atrien des Herzens zurück. Periostracums entfernen: Muscheln in Lei-
Nur bei wenigen Muschelarten enthält das Blut tungswasser abspülen, Schalenklappen ausei-
Hämoglobin oder Hämocyanin; bei den übrigen nanderdrücken und Weichkörper behutsam
fehlt ein respiratorischer Farbstoff. so entfernen, dass der Mantel möglichst un-
Die Nieren sind paarig. Sie differenzieren verletzt bleibt. Weichkörper für spätere Ver-
sich in der Wand des Ganges, der Perikard- und wendung wieder in die Formollösung legen.
Mantelhöhle verbindet, als Nierensack. Dieser
bildet gut durchblutete Gewebefalten aus und ist Das Zentrum des Wachstums der Schalen ist
exkretorisch tätig. Der Teil des Ganges, welcher durch einen mehr oder weniger deutlichen Hö-
Perikardhöhle und Nierensack verbindet, heißt cker, den Wirbel (Umbo) ausgezeichnet. Um
Renoperikardialgang und beginnt mit dem ihn herum verlaufen konzentrisch und etwa
Nierentrichter (= Nephrostom). Der Anteil des randparallel die Zuwachsstreifen. Der Wirbel
Ganges, der vom Nierensack zur Mantelhöhle der Miesmuschelschale liegt am Vorderende der
führt, wird Nierengang oder Ureter genannt. etwa dreieckigen Schale (Abb. 83).
Nicht selten münden die Gonaden in die Nier- Die „Hypotenuse“ ist die Ventralseite. Der
engänge, die dann auch als Gonodukte dienen. dorsale Schalenrand wird in der vorderen Hälfte
Meist aber münden die Ausführgänge der im von den Ligamenten eingenommen. Man unter-
Fuß oder in gewissen Bereichen des Eingewei- scheidet ein äußeres, vom Periostracum gebilde-
desackes oder auch im Mantel untergebrachten, tes Ligament, und ein inneres, das in den beiden
stark verästelten Geschlechtsorgane mit beson- Schalen jeweils in einer Rinne liegt. Unter jeder
deren Öffnungen neben den Exkretionsporen in Rinne sieht man eine Reihe länglicher Poren.
den inneren Suprabranchialraum. Beim Schließen der Schale wird das äußere Li-
Die Muscheln sind fast immer getrenntge- gament gespannt, das innere zusammengepresst.
schlechtig. Eier und Spermien werden durch Beim Erschlaffen der Schließmuskeln bewirkt
die Kiemengänge und die Egestionsöffnung ins die Elastizität der Ligamente ein Klaffen der
freie Wasser entleert. Bei den marinen Mu- Schalen.
III. Bivalvia, Muscheln 149
Abb. 83 Mytilus edulis. Linke Schale von innen mit Mantellinie und Muskelinsertionen
Am übrigen Bereich des Schalenrandes ist, oliv- geschlossener Schale bleibt ventral eine schmale
bräunlich, glänzend und durchscheinend, der Öffnung zum Durchtritt des Byssus frei.
nach innen umgeschlagene Periostracum-Saum
zu erkennen, der in der äußeren Mantelrinne, • Zur Information über den Bau des Körpers
seinem Bildungsort, befestigt war. Nicht sel- der Miesmuschel möglichst kurz vor der Prä-
ten bleiben beim Herausnehmen der Muschel paration in Chloralhydrat getötete Tiere ver-
Teile des Mantelrandes dort hängen. Der Perio- wenden. Die Schalen klaffen.
stracum-Saum überzieht auch die 2 bis 5 kleinen
Zähne des vorn liegenden Schlosses. Die Perl- Vom Weichkörper zu sehen sind nur der Man-
mutterschicht, die den größten Teil der Schale telrand und seine Differenzierungen. Die inne-
innen auskleidet, ist weißlich und irisiert höchs- ren Mantelrandfalten sind streckenweise mit-
tens schwach. Die Prismenschicht schimmert einander verwachsen. Am Vorderende reicht
bläulich. Sie bleibt am Rand und an den Ansatz- die Verwachsung vom Ligament um die Spitze
stellen der Muskeln der inneren Mantelrand- herum bis wenig hinter den vorderen Schließ-
falte, der Mantellinie, und an den Insertionen muskel. Am Hinterende lassen die Mantel-
der übrigen Muskeln von der Perlmutterschicht randverwachsungen eine deutlich erkennbare,
unbedeckt. Über die Insertionsstellen der Mus- glattwandige Ausströmöffnung (= Egestions-
kulatur an der Schale informiert Abb. 83, über öffnung) frei (Abb. 84). Eine weitere Verwach-
die Muskulatur Abb. 87. Besonders auffallend sung der inneren Mantelrandfalten, die Bran-
sind im dorsalen, hinteren Schalenbereich die chialmembran, begrenzt die Ausströmöffnung
ineinander übergehenden Insertionsstellen des ventral. Die Einströmöffnung (= Ingestionsöff-
hinteren Schließmuskels, der hinteren Byssus- nung) ist bei der Miesmuschel morphologisch
retraktoren und des Fußrückziehmuskels. Sehr vom umfangreichen, ventralen Mantelspalt nicht
nahe beim Umbo befindet sich, weniger deut- abgetrennt, tatsächlich aber funktioniert nur der
lich, die Ansatzstelle des relativ kleinen vorde- hintere, unmittelbar unter der Ausströmöffnung
ren Schließmuskels und dorsal davon, ebenfalls liegende Teil des Mantelspalts als Einströmöff-
nur schlecht zu erkennen, die längliche Inser- nung. Ihr Durchmesser wird bestimmt durch
tionsstelle des vorderen Byssusretraktors. Bei den Kontraktionszustand der Branchialmem-
150 Mollusca, Weichtiere
Mantelverwachsung
Dorsales Velum
After
Egestionsöffnung Hinterer Schließmuskel
Kiemen
Ventrales Velum
Mantelverwachsung
Branchialmembran
Einströmzone
Papillen
bran, die, wenn sie weit nach unten ausgestreckt • Besondere Sorgfalt erfordert danach das Ab-
ist, die Einströmöffnung verschließen kann. Die trennen des hinteren Schließmuskels. Man
Mantelränder in diesem Bereich sind mit Papil- führt die Klinge von hinten dorsal ein, sucht
len besetzt, die Sinnesfunktionen erfüllen. Auch den Kontakt mit der Muskelinsertion und
die Ausströmöffnung ist verschließbar. Sie wird durchtrennt sie schneidend und schabend.
innen quer überspannt von zwei muskulösen Sobald das geschehen ist, klaffen die Schalen
Bändern, dem dorsalen und ventralen Velum, etwas weiter als bisher.
die einen Spalt zwischen sich frei lassen. Im • Das Ablösen der übrigen Muskeln ist weniger
geschlossenen Zustand ist der Spalt im Präparat schwierig. Es werden nacheinander durch-
kaum zu sehen. Er befindet sich nahe dem unte- trennt: die Insertion der hinteren Byssusre-
ren Rand der Ausströmöffnung (Abb. 84). traktoren und die des Fußrückziehmuskels,
dann die des vorderen Schließmuskels und
• Die rechte Schale entfernen. Dazu wird zu- schließlich die des vorderen Byssusretraktors.
nächst das Periostracum entlang dem Scha- • Nun rechte Schale weiter aufklappen und
lenrand mit der Schere aufgeschnitten. Gegen entfernen. Muschel in der wassergefüllten
den Schalenrand schneiden. Präparierwanne mit Haftplast festlegen. Man
• Dann werden mit einem kleinen, schmalen sieht auf die Außenfläche des rechten Mantels
Skalpell, besser mit einem Iridektomiemesser, (Abb. 85).
die Insertionen der Mantelrandmuskeln (ent- • Bei Formolmaterial gelingt das Ablösen der
lang der Mantellinie) vorsichtig gelöst, indem Muskeln ohne Schwierigkeiten; für die zu-
man die Klinge zwischen Mantel und Schale nächst beschriebenen Präparationsschritte
etwa 1cm tief einführt und mit gegen die sind konservierte Muscheln wegen ihrer Brü-
Schalenfläche angestellter Schneide um den chigkeit und auch wegen ihres veränderten
gesamten freien Rand herumführt. Aussehens jedoch weniger gut geeignet.
III. Bivalvia, Muscheln 151
Abb. 85 Mytilus edulis, F. Rechte Schale entfernt. Blick auf den Mantel
Ein Großteil der Gonaden liegt bei Mytilus in Perikardhöhle und in ihr die rechte Herzvor-
den Mantelfalten. Deren Aussehen ist daher je kammer. Sie empfängt Blut von der vorderen auf-
nach Reifezustand sehr verschieden. Bei jungen steigenden Vene, die – zuletzt sehr oberflächlich
Tieren sind sie dünnhäutig und opak-weißlich, verlaufend – bogig von ventral-caudal kommend
bei reifen deutlich voluminös und undurchsich- (unmittelbar vor dem Fußrückziehmuskel) vorn
tig, bei den MM weiß oder hellgelb, bei den FF in die Perikardhöhle eintritt. Unmittelbar davor
gelborange bis rötlich. Sie werden von den Go- – und ebenfalls oberflächennah – verlässt der
nodukten und den Mantelarterien durchzogen, Renoperikardialgang die Perikardhöhle. Er be-
die beide von dorsal nach ventral divergieren. gleitet die Vene ein kurzes Stück und verschwin-
Die Arterien sind als scharf begrenzte Linien det dann im Mantelgewebe. Die von oben in das
am besten an reifen Tieren zu sehen, während Perikardialfenster einstrahlenden weißen Streifen
die Genitalkanäle an Muscheln, deren Mantel- sind Muskeln des oberen Mantelrandes. Die zwi-
lappen nur mäßig mit Geschlechtsprodukten ge- schen Perikard, Ligament und vorderem Bereich
füllt sind, deutlich sichtbar sind (siehe S. 153). der Mantellappenbasis (häufig) auffallende Fle-
Am Mantelrand fallen weiß und glänzend ckung rührt von der olivgrünen Mitteldarm-
radiär ausgerichtete Muskeln auf. Deutlich zu drüse her. Schließlich ist noch ein Teil des hinte-
erkennen sind hinten dorsal der hintere Schließ- ren Pallialnerven zu erkennen. Er wird unten am
muskel und davor die Reihe der hinteren Byssus- rückwärtigen Rand des großen Schließmuskels
retraktoren und des Fußrückziehmuskels. Weni- sichtbar, zieht von da bogig in einiger Entfernung
ger gut zu sehen sind der vordere Schließmuskel vom Hinterende der Muschel nach ventral und
und der vordere Byssusretraktor. Ein länglicher, verläuft dann im Mantelrand nach vorn.
sich dunkel vom übrigen Mantel abhebender Be-
reich dorsal von den Muskeln ist frei von Go- • Man durchtrenne die vordere, ventrale Man-
naden und durchsichtig. Hier erkennt man die telverwachsung bis zur Spitze und außerdem
152 Mollusca, Weichtiere
den vorderen Schließmuskel median, durch- und der median eingefalteten Branchialmemb-
schneide dann ventral vom hinteren Schließ- ran gehalten.
muskel den Mantelrand und führe den Schnitt
der Basis der Mantelrandmuskeln entlang
• Den stehengebliebenen Mantel mit der Pin-
zette nach caudal ziehen und die freien Kie-
bogig nach oben bis zum Hinterrand des
menenden mit einem Pinsel nach unten weg-
Schließmuskels (Abb. 85). Der caudal davon
drücken.
befindliche Mantelrand samt Branchialmem-
bran und Egestionsöffnung bleibt unverändert. Nur dann kann man die Einfaltung sehen. Zwei,
• Die Muschel wird wieder festgelegt, der Man- an ihrer Basis miteinander verwachsene, zipfel-
tel (zunächst nicht die Kiemen) nach oben artige Fortsätze des unteren Velums ragen genau
umgeschlagen und festgesteckt. Bei Trübung in Höhe des Kiemenschaftes nach vorn bis zum
durch Schleim und durch abgelöstes Pigment- Schließmuskel (s. unten u. Abb. 84 und 86). Sie
epithel ist das Wasser zu erneuern. trennen zusammen mit dem Kiemenschaft und
den Enden der aufsteigenden Äste der Kiemen-
Zunächst fallen die paarigen Kiemen auf. Es fäden den Egestionsraum von der Mantelhöhle.
handelt sich um Filibranchien (S. 147). Ihr In diesen Egestionsraum mündet der Enddarm.
Schaft ist median der Mantelfalten und lateral
vom Fuß mit dem Eingeweidesack verwachsen.
• Den Mantelrand der Egestionsöffnung nach
hinten ziehen.
Am Schaft entspringen zwei Reihen blutdurch-
strömter Kiemenfäden (= Kiemenfilamente), Die unpigmentierte und sich daher weiß von
die parallel zueinander in die Mantelhöhle hän- der dunkelbraunen Umgebung abhebende Af-
gen. Sie sind V-förmig gestaltet: Die am Schaft teröffnung ist dann leicht zu finden. Sie befindet
entspringenden absteigenden Äste biegen vent- sich in Höhe der Schließmuskelmitte auf dessen
ral in spitzem Winkel nach dorsal um, die inne- Rückseite und fällt durch die Aufwölbung ih-
ren nach median, die äußeren nach lateral, und res freien Randes auf. Der Enddarm liegt dem
erreichen als aufsteigende Äste fast die Höhe des Schließmuskel dorsal auf und lässt sich vom Af-
Schaftes. Ihre Enden sind verdickt, miteinander ter aus sondieren. Eine größere Öffnung dorsal
verwachsen und von den efferenten Kiemenve- vom After führt in die Mantelhöhle.
nen durchzogen, die das oxygenierte Blut, das Die Vorderenden der Kiemen werden von je
ihnen aus den Branchialgefäßen der Kiemenfä- zwei beweglichen und in ihrer Größe sehr vari-
den zuströmt, zu den Herzvorkammern leiten. ablen Mundlappen (Mundsegeln) umfasst. Die
Die Enden der aufsteigenden Äste liegen der beiden medianen sind zwischen Kiemenbasis
Mantelfalte bzw. dem Eingeweidesack an. Die und vorderem Byssusmuskel befestigt, während
ab- und aufsteigenden Äste der Kiemenfäden die lateralen am Mantel festgewachsen sind. Die
sind an mehreren Stellen durch Gewebsbrücken Basen der Mundlappen setzen sich in den die
miteinander verbunden. Die Kiemenfäden jeder Mundöffnung begrenzenden Lippen fort, und
Reihe sind dagegen in regelmäßigen Abständen zwar bildet die Gewebsbrücke zwischen den
durch Cilienbüschel – wie mit winzigen, schei- lateralen Mundsegeln die obere und die zwi-
benförmigen Klettverschlüssen – miteinander schen den Basen der medianen Segel die untere
verbunden. Die Cilien schlagen, solange der Lippe. Die bewimperten Mundsegel überneh-
Kontakt mit dem Nachbarbüschel unterbrochen men die von den Kiemen eingefangenen und
ist, und verharren in Ruhe, sobald der Kon- eingeschleimten Nahrungspartikel, sortieren sie
takt wieder gefunden ist. Durch die regelmäßige und führen sie dem Mund zu.
Anordnung der Kontaktstellen ergibt sich eine Im Winkel zwischen Mantellappen- und Kie-
senkrecht zur Fadenrichtung verlaufende Strei- menschaft fällt in dem Bereich, der sich vom
fung. Bei zu lange gekühlt aufbewahrten Mu- hinteren Schließmuskel etwa eine halbe Mu-
scheln ist die ciliäre Verknüpfung gelöst. schellänge nach vorn erstreckt, eine Reihe von
merkwürdigen Säulchen auf. Es handelt sich
• Den Mantelrand mit der Pinzette anheben.
um einen Teil der so genannten „gekräuselten
Hinter dem hinteren Schließmuskel wird das Organe“, in Abständen stark gefalteten, von
Hinterende der Kiemen zwischen Mantelrand Blutgefäßen durchzogenen Gebilden unklarer
III. Bivalvia, Muscheln 153
Funktion. Bisweilen werden sie als akzessori- len Muskelinsertionen vorn abschließt. Die sehr
sche Kiemen gedeutet. Weitere gekräuselte Or- zugfesten Byssusfäden und der Byssusstamm,
gane sind zwischen der Basis der inneren Kieme an dem sie befestigt sind, werden von vier Drü-
und der Körperwand (über dem vorderen Bys- sen, die im Fuß liegen, gebildet. Es können über
susmuskel) ausgespannt. hundert Fäden erzeugt werden. Jeder Faden
wird einzeln vom Fuß mit einem scheibenför-
• Um sie sichtbar zu machen, die Kiemen nach
mig erstarrenden Haftsekret auf der Unterlage
oben umschlagen (Abb. 86).
festgeklebt. Mytilus kann sie mit dem Fuß, einen
Die olivgrüne Färbung des Eingeweidesacks in nach dem anderen, wieder abreißen.
diesem Bereich rührt von der Mitteldarmdrüse Der Klebstoff besteht aus Proteinen, die in
her. Die Nieren liegen dorsal von den Kiemen- weniger als drei Minuten erhärten.
basen und zwar median sowohl als auch lateral Hinter dem Fuß ragt von dorsal ein Anhang
und erstrecken sich etwa von der Höhe des Fuß- der Visceralmasse, das Mesosoma, in die Man-
vorderrandes bis zum hinteren Schließmuskel. telhöhle. Es wird von Verästelungen der Gona-
Sie sind nur an frisch getöteten Tieren an ihrer den durchsetzt und ist daher in Abhängigkeit
dunkel rotbraunen Färbung zu erkennen. Der vom Reifezustand der Muscheln unterschiedlich
Farbstoff bleicht rasch aus; eine Abgrenzung voluminös. Unmittelbar vor dem Vorderrand
der Nieren vom übrigen Gewebe ist dann nicht des Schließmuskels befindet sich in dem Winkel
mehr möglich. Immer zu erkennen ist in die- zwischen Mesosomabasis und Kiemenschaft ein
sem Bereich, etwa in der Mitte zwischen Fuß länglicher Spalt, der ein Drittel der Mesosoma-
und hinterem Schließmuskel, ein kleiner, vorra- länge nach rostral reicht und vorn und seitlich
gender Zapfen, die (rechte) Genitalpapille. Auf vom hinteren Byssusretraktor begrenzt wird.
ihr mündet terminal mit breiter Öffnung der Der Spalt führt in einen ausgedehnten, längli-
(rechte) Gonodukt. Nicht selten treten aus ihrer chen Hohlraum, der, oben überdacht von dem
Mündung Eier oder Sperma oder ein orange- Gewebe, das den Herzbeutel ventral begrenzt,
farbener Schleim aus. Der Gonodukt lässt sich weit nach vorn reicht. Seitlich wird er von den
ein Stück weit verfolgen: Er zieht, dem Nieren- Byssusretraktoren und vom Rückziehmuskel des
gewebe aufliegend, parallel zur Kiemenbasis Fußes, ventral von den Nieren begrenzt. Median
nach vorn und verschwindet dann im Gewebe zieht die Fortsetzung des Mesosomas nach dor-
des Eingeweidesacks. Die Ausmündung der sal und trennt so die rechte dieser paarigen
Niere, der Exkretionsporus, ist selbst mit gu- Flankenhöhlen von seinem linken Pendant.
ten optischen Hilfsmitteln nur sehr schwer zu
finden; er befindet sich auf einem winzigen
• Kiemen und rechten Mantel in die Ausgangs-
lage zurückbringen und die Perikardhöhle
Zapfen, der der Basis der Genitalpapille caudal
öffnen und gleichzeitig wohl auch immer den
aufsitzt. Die Niere ist durch den Renoperikardi-
flachen, dorsalen Mantelraum (den Hohl-
algang und den nephridialen Trichter mit dem
raum über dem Eingeweidesack, s. S. 161),
Herzbeutel verbunden.
da das Epithel, das ihn ventral gegen das Pe-
Zwischen den Kiemen liegt der muskulöse
rikard abgrenzt, so dünn ist, dass ein anderes
zungenförmige Fuß. Er wird von einem sich
Vorgehen nur dem Geübten gelingt.
sehr leicht ablösenden, dunkelbraunen Wim-
perepithel bedeckt. Von seiner Basis ziehen die In der Perikardhöhle fällt zunächst die bräun-
paarigen Byssusrückziehmuskeln nach vorn. Die lich gefärbte (rechte) Herzvorkammer (Atrium)
Rückseite des Fußes ist fast auf seiner gesam- auf. An ihren Enden scheint sie am Perikard
ten Länge von einer tiefen Furche durchzogen. befestigt zu sein, tatsächlich aber münden dort
Sie beginnt proximal mit der Öffnung für den Venen in das Atrium, eine besonders kräftige
Byssus und endet unweit der Spitze mit einer am Vorderende. Rostral davon zieht der rechte
rundlichen Vertiefung, die als Saugnapf zum Renoperikardialgang nach unten. Vene und
Anheften an fester Unterlage und zum Befesti- Renoperikardialgang bilden in diesem Bereich
gen der Byssusfäden dient. Der Fuß wird von die seitliche Begrenzung der rechten Flanken-
paarigen Rückziehmuskeln durchzogen, deren höhle, die sich noch ein Stück weiter nach vorn
Befestigung an der Schale die Reihe der dorsa- fortsetzt. Die Braunfärbung des Atriums rührt
154
Abb. 86 Die Mantelhöhle der Miesmuschel. Rechte Schale entfernt, rechter Mantellappen und rechte Kiemen hochgeschlagen
Mollusca, Weichtiere
III. Bivalvia, Muscheln 155
von der exkretorisch tätigen Perikardialdrüse mittelbar über der Reihe der Muskelstümpfe
her, die ihm als feines Epithel aufliegt. Etwas durchtrennt (s. Abb. 87, 88).
vor seiner Mitte mündet das Atrium in den
Ventrikel. Die Mündung ist weit. Ein zweiklap- Der Verlauf des Enddarms lässt sich nun un-
piges Faltenventil verhindert, dass Blut bei der schwer verfolgen. Er zieht nach dem Verlas-
Kontraktion der Ventrikelmuskulatur in die sen des Herzbereiches gerade und oberflächlich
Vorkammer zurückgepumpt wird (s. Abb. 86). nach caudal, verläuft dann im Bogen über dem
Der schlauchförmige Ventrikel durchzieht die Schließmuskel und mündet schließlich in den
Perikardhöhle in gerader Linie. Hinten ist er Egestionsraum.
blind geschlossen, vorn mündet er in den Aor-
tenbulbus, von dem mehrere Arterien und, mit • Die übrigen Teile des Darmsystems sind un-
gemeinsamer Wurzel, die vordere und die hin- gleich schwieriger darzustellen. Die Präpara-
tere Aorta ihren Ursprung nehmen. tion gelingt befriedigend nur an formolfixier-
ten Tieren.
• Die präparative Darstellung der Blutgefäße ist
• Relativ leicht ist es, die beiden unter der
schwierig. Sie gelingt nur nach Injektion ei-
Perikardhöhle verlaufenden Darmabschnitte
ner Farblösung in das Herz der narkotisierten
(s. unten) freizulegen, die in die Mitteldarm-
Muschel.
drüse eingebetteten Darmteile dagegen lassen
Herz und Perikardhöhle umhüllen bei Mytilus, sich nur schwierig von deren Gewebe tren-
wie bei den meisten Muscheln, den Enddarm. nen. Die Injektion einer Farbstofflösung (z.B.
Wenn die Muskelzellen der Herzwand beim Fi- Methylenblau) durch den Mund erleichtert
xieren der Muscheln in kontrahiertem Zustand das Finden und Verfolgen des Darmkanals.
sterben, und das wird meist der Fall sein, liegt • Man trenne zunächst an der Verwachsungs-
das Herz dem Enddarm sehr eng an. stelle mit dem Rumpf den Mantellappen und
die Kiemen der rechten Seite ab und präpa-
• Die dorsale Mantelhöhle wird vom Herzbeu- riere dann im Bereich der Mitteldarmdrüse
tel bis zum Schließmuskelhinterrand eröff- in die Tiefe, indem man ihr Gewebe mit der
net, indem man die Mantelrandmuskeln un- Pinzette und mit einem Pinsel entfernt.
Oesophagus
Vorderer
Byssusretraktor
Cerebral-
ganglion
Hinterer
Pallialnerv Mund
Muskeln der Schloss
Mantelrandfalten
Vorderer
Fuß Schließmuskel
Byssus
Cerebrovisceralkonnektiv Pedalganglion Cerebropedalkonnektiv
Abb. 87 Mytilus edulis. Muskulatur und Nervensystem. Von den paarigen Muskeln und den paarigen Bahnen
des Nervensystems sind nur die der rechten Seite eingezeichnet
156
• Dort, wo man schließlich ein Stück Darm- cola intestinalis finden. Die M M werden bis 3,5,
wand freigelegt hat, lässt sich mit der spit- die F F bis 8mm lang. Die ersten drei Larven-
zen Pinzette ihre bindegewebige Umhüllung stadien leben frei, die folgenden 7, bei denen
aufreißen und mitsamt dem ihr anhaftenden die Schwimmbeine schließlich bis zu Stummeln
Drüsengewebe abziehen. Wasser wechseln! rückgebildet werden, und die Adulti sind biswei-
Die Präparation verlangt Ausdauer, Geduld len außerordentlich schädliche Endoparasiten.
und Geschick. Abb. 85, 86.
• Die Muskulatur an fixierten Tieren freiprä-
parieren (Abb. 87).
Der Darm beginnt mit der Mundöffnung. Der
wie der gesamte Darmtrakt bewimperte Oeso- Sämtliche Byssusretraktoren und der Fußretrak-
phagus ist kurz. Er mündet in den erweiterten tor sind paarig; sie divergieren vom median ge-
Magen, der inmitten der Mitteldarmdrüse liegt legenen Fuß aus nach oben bzw. nach vorn.
und mehrere Blindsäcke aufweist. Vom Magen
verläuft der Darm in leichtem Bogen nach dor-
• Zur Präparation des Nervensystems ver-
wende man wiederum fixierte Muscheln.
sal und zieht dann unter der Perikardhöhle ge-
Tiere aus der Schale befreien (s. S. 150), Man-
rade nach hinten bis über den Schließmuskel,
telverwachsung am Vorderende und vorderen
wendet in spitzer Kehre um 180° und verläuft
Schließmuskel median durchschneiden.
dann nach vorn. Diese beiden Abschnitte des
Darmes bilden zusammen mit dem sie umge-
• Muschel mit der Rückseite nach unten in das
Becken legen, Vorderende vom Beschauer ab-
benden Gewebe die Bodenlage der Perikard-
gewandt.
höhle und gleichzeitig das Dach der beiden
Flankenhöhlen. Der rückläufige Darmschenkel
• Feststecken: Eine Nadel durch die hintere
Hälfte des großen Schließmuskels, jeweils
kreuzt ventral und wenig vor dem Aortenbulbus
zwei weitere zu beiden Seiten durch den
von der rechten zur linken Körperseite, zieht,
Mantelrand.
eingebettet in das Gewebe der Mitteldarmdrüse,
links vom Magen nach vorn, fast bis zum vorde-
• Fuß (vom Beschauer aus) wenig nach links
drücken und feststecken. Das fixierte Gewebe
ren Byssusretraktor; hier wendet er wiederum
ist spröde; man gehe bei der Präparation sehr
zur Gegenrichtung, nimmt dann, immer noch
behutsam vor.
links vom Magen, seinen Weg nach dorsal und
wird schließlich, nachdem er knapp unter dem
• Am sichersten gelingt die Darstellung der
Ganglien und der Konnektive, wenn man am
die Seite wechselnden Stück seines rückläufigen
caudalen Ende des Cerebrovisceralkonnek-
Schenkels die Mediane erreicht hat, von der
tivs, kurz vor seinem Eintritt in das (im Tier)
Perikardhöhle umschlossen. An der Umkehrs-
linke Visceralganglion beginnt. Der dicke
telle über dem Schließmuskel befindet sich als
Nerv verläuft dort sehr oberflächlich unmit-
Anhang des rechtläufigen Schenkels ein kurzer
telbar am Rand des Eingangs zum Flanken-
Blindsack. Von ihm aus nimmt der Kristallstiel
hohlraum.
seinen Ursprung. Der rechtläufige Schenkel ist
durch zwei laterale Einfaltungen in einen klei-
• Man präpariere den Nerv erst nach rückwärts
bis zum Visceralganglion und dann nach vorn
nen ventralen und einen größeren dorsalen Be-
bis zu den Cerebralganglien frei (Abb. 85).
zirk unterteilt. Im größeren liegt der Kristallstiel
(s. S. 147). Er reicht bis in den Magen hinein, ist Die kleinen Cerebralganglien liegen den vor-
aber nur an Tieren, die vor der Präparation nicht deren Byssusretraktoren vor der Mundöffnung
zu lange ungünstigen Bedingungen ausgesetzt ventral auf. Die Cerebralkommissur ist dünn.
waren, vollständig erhalten. Die reich verzweig- Sie verläuft dorsal vom Oesophagus zum Gan-
ten, blind endigenden Kanäle der Mitteldarm- glion der Gegenseite. Rostral nimmt von je-
drüse sind in reichlich Bindegewebe eingebettet. dem Ganglion der vordere Pallialnerv seinen
Sie kommunizieren über mehrere, weitlumige Ursprung, während das Cerebropedal- und das
Gänge mit dem Magen, dessen Wand dadurch Cerebrovisceralkonnektiv jeder Seite als kräf-
wie durchlöchert wirkt. tiger, einheitlicher Nervenstrang das Ganglion
Nicht selten wird man im Darm der Mies- caudal verlässt. Der Nerv zieht, ihm aufliegend,
muscheln den parasitischen Copepoden Mytili- um den Byssusretraktor herum schräg nach hin-
158 Mollusca, Weichtiere
ten. An der dorsolateralen Fläche des Muskels • Sehr informativ ist das Studium von Median-
trennen sich die beiden Konnektive. Das Cereb- (Abb. 88) und von Transversalschnitten. Dazu
rovisceralkonnektiv tritt in das Mitteldarmdrü- in Formol fixierte Muscheln verwenden.
sengewebe ein, verläuft dort ziemlich oberflä- • Zur Anfertigung der Medianschnitte wird die
chennah leicht schräg nach lateral, zieht seitlich in der Schale belassene Muschel mit der Ven-
der Retraktormuskeln und neben den hinteren tralseite nach unten hochkant gestellt und
gekräuselten Organen parallel und median der dann median mit einem nicht zu kurzen,
Kiemenbasis (ebenfalls sehr oberflächennah) im scharf schneidenden Messer halbiert.
Nierengewebe nach rückwärts, an der Genital- • Für die Transversalschnitte ist die Schale ent-
papille vorbei zum linken Visceralganglion, das weder vorher zu entkalken – was zeitraubend
dem Schließmuskel ventral vorn aufliegt. ist – oder in der beschriebenen Weise (S. 150)
Die Visceralganglien sind die größten Gang- zu entfernen.
lien der Miesmuschel; sie sind, wie die übrigen
Ganglien, an frisch toten Tieren rötlich gefärbt. Bedeutend anschaulicher als an toten Tieren ist
Die Kommissur ist kräftig. Von den Ganglien es, die Ein- und Ausströmöffnung an einer le-
entspringen mehrere Nerven. benden Muschel zu betrachten (Abb. 84).
• Den gut erkennbaren Pallialnerv und den • Man stelle das Tier mit dem Hinterende nach
weniger dicken Branchialnerv freilegen. oben in eine mit Seewasser gefüllte Küvette.
Die Befestigung gelingt leicht mit Haftplast,
Der hintere Pallialnerv tritt in den Mantel ein,
das man vorher dem Boden des Gefäßes an-
zieht zum Mantelrand und verläuft dort nach
gedrückt hat. Das Wasser soll die Muschel
vorn; er endet schließlich als vorderer Pallial-
nur knapp bedecken.
nerv im Cerebralganglion.
• Sehr gute Beleuchtung – am besten mit Glas-
• Nun den vorderen Byssusretraktor an der faserleuchten – von oben und von der Seite
Nervengabelung und dann den Fußrückzieh- her in Richtung auf den ventralen Schalen-
muskel etwa 5mm proximal der Stelle, an der spalt! Stereolupe.
er in den Fuß eintritt, durchschneiden. Fuß • Wenn das Präparat ruhig steht, wird die Mu-
samt Muskelstümpfen nach links biegen. schel schließlich die Schale öffnen. Das kann
sehr bald aber auch erst nach einigen Stun-
Das unpaar erscheinende Pedalganglion liegt
den erfolgen. Ausgestrudelten Kot mit Pipette
den beiden Byssusretraktoren dort dorsomedian
absaugen.
auf, wo sie lateral von den Fußretraktoren ge-
kreuzt werden. Die Konnektive treten vorn in Nun kann man die Ausströmöffnung besser er-
das Ganglion ein; ventral entspringen die beiden kennen. Sie führt nur wenig in die Tiefe und ist
Pedalnerven und an der Rückseite 2 Paar von dort von den beiden Vela begrenzt, die den Spalt
Nerven, die die Byssusretraktoren versorgen. völlig verschließen oder weit öffnen können. Man
kann sie zu raschem Reagieren veranlassen.
• Nach sorgfältiger Präparation an diesem Prä-
parat von der Genitalpapille und dem Exkreti- • Hierfür die dorsale Membran mit der Nadel
onsporus aus nach rostral die Niere eröffnen. berühren, ohne vorher am Mantelrand anzu-
• Außerdem die große Vene bis zu ihrer Ein- stoßen.
mündung in das Atrium verfolgen. Auch die
Ist die Öffnung zwischen den beiden Vela weit,
gekräuselten Organe können nun genauer be-
so erkennt man in der Tiefe dorsal als weiteren
trachtet werden.
dunkelbraunen Bezirk die Rückseite des hin-
Die Miesmuscheln sind – wie die meisten Bival- teren Schließmuskels und genau median den
via – getrenntgeschlechtig. Bei reifen Individuen weißen Bereich der Afteröffnung, und ventral
findet man die mit Eiern oder Spermien gefüll- davon, durch die seitliche Beleuchtung wie hell-
ten Verzweigungen der Gonaden in verschie- glühend, die inneren Kiemen.
denen Bereichen des Körpers, vor allem in den An herumwirbelnden Schmutz- und Kotp-
dann verdickten Mantellappen im Mesosoma artikeln wird der durch die Wimpern der Kie-
und dorsal der Nieren. men und des Mantels erzeugte Wasserstrom
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 159
eindrucksvoll demonstriert. Die Papillen des • Man verwende darum, wenn es sich irgend-
Mantelrandes, die Branchialmembran, die Be- wie ermöglichen lässt, unmittelbar vor der
grenzung der Egestionsöffnung und die beiden Präparation getötete Tiere.
Vela sind bei lebenden Muscheln dunkelbraun
pigmentiert. Bei den frischen (auf Eis liegenden) oder tiefge-
frorenen Tintenfischen, die in Fischhandlungen
• Die Schärfenebene der Stereolupe senken.
angeboten werden, sind fast immer die Ein-
Dadurch kann man in der Tiefe, wie Saiten auf- geweide durch die auch einige Zeit nach dem
gespannt, Teile der Gewebsbrücken erkennen, Tod des Tieres noch aktiven Verdauungsenzyme
die die zwei Fadenbereiche der Kieme strecken- angegriffen und mazeriert und somit für eine
weise miteinander verbinden (s. S. 152). Die Präparation unbrauchbar.
Papillen um die Einströmöffnung sind nun aus-
gestreckt und viel größer als an konservierten
Exemplaren. Sie strecken sich ungestört recht Allgemeine Übersicht
weit aus. Zwischen den Papillen der rechten und
der linken Seite ragt die Branchialmembran von Die Kopffüßer (Cephalopoda) sind eine Tier-
der Verwachsungsstelle mehr oder weniger weit gruppe, deren Blütezeit der Vergangenheit an-
nach ventral innen. Sie reguliert zusammen mit gehört: mehr als 10 000 ausgestorbenen Arten
dem Mantelrand die Größe des Einströmbe- stehen nur etwa 800 rezente gegenüber. Sie sind
reiches. Die Mantelränder sind außerordentlich rein marine Tiere. In Körpergröße und Schnel-
sensibel; schon nach feinem Berührungsreiz nä- ligkeit ihrer Reaktionen überragen sie alle ande-
hern sie sich rasch einander und schließen die ren Molluscen. Sie werden in ihrer Organisati-
Ingestionsöffnung ab. Wer geduldig beobachtet, onshöhe nur von den Wirbeltieren übertroffen.
kann sehen, wie die Branchialmembran vorher Die Cephalopoden haben einen bilateral-
nahezu ruckartig ihre Ausdehnung maximal er- symmetrischen Körper, an dem sich zwei durch
weiterte. Bei stärkerer Reizung werden die Scha- eine Einschnürung getrennte Hauptabschnitte
len geschlossen. Der Verschluss ist so gut, dass unterscheiden lassen, der Kopf und der Rumpf
die Muscheln tagelang trockenfallen können, (Abb. 89).
ohne Schaden zu leiden. Der Rumpf entspricht im Wesentlichen
dem Eingeweidesack; er wird, wie bei anderen
• Man kann reife Muscheln zum Ablaichen
Mollusken, von einem – hier allerdings sehr
bringen, wenn man dem Aquariumwasser, in
muskulösen und daher relativ dicken – Mantel
dem man sie hält, etwas H2O2 zufügt. Es ge-
umfasst, der ventral eine geräumige Mantel-
lingt nicht immer sofort; man habe Geduld.
höhle umschließt. Sie öffnet sich vorn unmit-
Spermien und Eier mikroskopieren!
telbar hinter der Kopfbasis mit einem schmalen,
verschließbaren Spalt. In der Mantelhöhle liegen
die Kammkiemen, vier bei den Nautilidae mit
den zwei Gattungen Nautilus und Allonautilus,
IV. Cephalopoda, Kopffüßer zwei bei den anderen rezenten Cephalopoden,
und die übrigen Organe des pallialen Komple-
xes: der After und die Ausmündungen der Nie-
Technische Vorbereitungen ren und der Gonaden. Osphradien fehlen den
Cephalopoden mit Ausnahme der Nautilidae.
• In Alkohol oder Formol fixierte und aufbe- Eine tiefgreifende Umbildung hat der ur-
wahrte Sepia officinalis können von der Zoo- sprüngliche Molluskenfuß erfahren. Er ist zu ei-
logischen Station Neapel, Alloteuthis subulata nem Paar ventralwärts gekrümmter Seitenlappen
und Loligo vulgaris von der Biologischen An- ausgezogen, die durch Übereinanderlagerung
stalt Helgoland bezogen werden. Sie eignen (Nautiloida) oder Verwachsung (alle übrigen Ce-
sich allerdings, wenn sie länger als einige phalopoda: Coleoida) zum Trichter werden, ei-
Wochen konserviert waren, nur sehr bedingt nem konischen Rohr, durch das das Atemwasser
zur Präparation. aus der Mantelhöhle ausgestoßen wird. Wegen
160 Mollusca, Weichtiere
a b
Abb. 89 Sepia bei verschiedenen Aktivitäten. a Eiablage, b Eingraben im Substrat, c Paarung, d Beutefang
dieser Umbildung wird für die Kopffüßer auch kann. Während der frühen Keimesentwicklung
die Bezeichnung Siphonopoda vorgeschlagen. wird der die Schale absondernde Bezirk des
Wie jedoch der Name Cephalopoda (Kopffüßer) Mantelepithels, die so genannte Schalendrüse,
ausdrückt, bestand lange Zeit die Auffassung, durch Faltenbildung ins Innere des Körpers ver-
dass die zehn oder acht um den Mund ange- legt und zum Schalensack.
ordneten und mit Saugnäpfen versetzten Arme, Die Haut vieler Cephalopoden hat in hohem
bzw. bei den Nautilidae die zahlreichen Tentakel, Grade die Fähigkeit des Farbwechsels. Unter
dem Vorderabschnitt des Fußes entsprechen. In- der einschichtigen prismatischen Epidermis
nervierung und Entwicklung zeigen aber, dass liegt eine mesodermale, an Muskelzellen reiche,
alle Nautilus-Tentakel bzw. bei Loligo zumindest bindegewebige Cutis, in der sich große Pig-
die acht oberen Arme Kopfbildungen darstellen, mentzellen (Chromatophoren) finden. Diese
höchstens bei der Bildung der beiden ventralen sind mit radiär angeordneten Muskelzellen ver-
Arme könnte Material aus dem vorderen Fußbe- knüpft. Die Größe der Pigmentzellen und damit
reich einbezogen worden sein. das Farbmuster der Haut hängen vom Kontrak-
Eine äußere Schale findet sich unter den tionszustand der Muskelzellen ab, die unter dem
heute lebenden Cephalopoden nur bei den Nau- Einfluss des Nervensystems stehen. Tiefer in der
tilidae. Sie ist hier in der Medianebene spiralig Cutis liegen lichtreflektierende und irisierende
eingerollt und im Innern durch quer angeord- Zellen (Iridocyten).
nete Septen gekammert. Alle anderen Gattun- Zahlreiche Cephalopoden haben mehr oder
gen (mit der Ausnahme von Spirula) haben eine weniger hochentwickelte Leuchtorgane. Das
innere, mehr oder weniger rückgebildete Schale, Licht wird von symbiotischen Bakterien oder
die meist unverkalkt bleibt und bis auf ein oder von den Tieren selbst durch die Luciferin-Luci-
zwei chitinige Stützelemente ganz schwinden ferase-Reaktion erzeugt.
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 161
Vielfach finden sich am seitlichen Körperrand dem an der Exkretion beteiligt. Sie geben in das
Flossen, die durch wellenförmiges Schlagen ein Lumen der Tubuli laufend membranumhüllte
langsames Schwimmen ermöglichen. Viel effek- sog. braune Körperchen ab, die Reste der intra-
tiver ist jedoch eine Fortbewegung nach dem zellulären Verdauung und Kristalle, vermutlich
Rückstoßprinzip. Es wird dabei nach Verschluss Harnsäure, enthalten, und die schließlich mit
des Mantelspaltes das Wasser der Atemhöhle dem Kot nach außen gelangen. Der kurze End-
durch Kontraktion der kräftigen Muskulatur des darm öffnet sich in die Mantelhöhle.
Mantels und der beiden Musculi depressores Als eine Analdrüse ist der meist stark entwi-
infundibuli durch den Trichter ausgetrieben, so- ckelte Tintenbeutel zu betrachten. Sein Sekret,
dass das Tier mit der Spitze des Eingeweidesa- der Sepiafarbstoff, gelangt über Enddarm und
ckes voran oder – wenn es die Trichtermündung After in die Mantelhöhle und wird von da durch
nach hinten umbiegt – vorwärts durch das Was- den Trichter ausgespritzt.
ser schießt. Das Nervensystem zeichnet sich durch starke
Der Darm ist U-förmig gebogen. Die von Konzentration der Ganglien aus, die ringförmig
den Armbasen und einer ringförmigen Lippe den Schlund umfassen. Es entsteht ein hoch-
umgebene Mundöffnung führt in den Pharynx, differenziertes Gehirn, das grob in eine Ober-
in dem zwei kräftige, hornartige Kiefer von der schlund- und eine Unterschlundmasse gegliedert
Gestalt eines Papageienschnabels liegen (Abb. werden kann und das aus ursprünglich getrenn-
91b). Ventral im Pharynx befindet sich die mit ten Ganglien besteht. Die Oberschlundmasse
kräftigen Zähnen bewehrte Radula. In diesem besteht vor allem aus den Cerebralganglien. Im
Bereich münden ein bis drei Paar Speicheldrü- Verlauf der beiden Sehnerven sind mächtige
sen; ein Paar der Drüsen produziert bei den ein- Ganglia optica entwickelt. Oft sind umfangrei-
zelnen Arten jeweils unterschiedliche Giftstoffe, che Brachialganglien vorhanden, von denen die
die z.T. Beutetiere lähmen und töten können. Armnerven ausgehen. Auch dem Mantel sind
Die Wand des Pharynx ist durch die kräftigen besondere Ganglien zugeordnet, die nach ihrer
Muskeln, die den Kiefern ein sehr wirksames Gestalt Sternganglien (Ganglia stellata) genannt
Zubeißen ermöglichen, sehr dick. Der gesamte werden. Ein auf dem Magen liegendes Ganglion
Pharynxbulbus (Schlundkopf) ist sehr beweglich gastricum innerviert den Darmtrakt.
und in der Längsachse um nahezu 90° drehbar. Der Ganglienkomplex um den Schlund wird
Der lange Oesophagus ist manchmal kropfar- von einer Kopfkapsel umfasst (Abb. 90) und
tig erweitert und führt zum Magen, der aus drei geschützt, deren histologische Struktur stark an
Abschnitten besteht: Auf einen Muskelmagen den Knorpel der Wirbeltiere erinnert.
(Cardia) mit cuticularer Intima und muskel- Die hohe Organisation des Cephalopodenkör-
reicher Wand folgt ein kleines Vestibulum, das pers kommt auch in der Ausbildung der Sinnes-
einerseits die Verbindung zum Darm, anderer- organe, besonders der Augen, zum Ausdruck.
seits die zum dritten Abschnitt, dem Magen- Am einfachsten gebaut sind sie bei Nautilus,
blindsack (Caecum) herstellt. In das Caecum wo sie mit dem umgebenden Wasser durch eine
münden die paarigen Ausführgänge der tubu- Öffnung in Verbindung bleiben (Lochkamera-
lären Mitteldarmdrüse; diese sezerniert Ver- Augen). Sie entwickeln sich als Einsenkung
dauungsenzyme, speichert Fett, Glykogen und des Ectoderms. Die Augen der Coleoida sind
Exkrete. In sie eingebettet oder als Anhänge an geschlossen; ihre durchsichtige Vorderwand bil-
ihre Ausführgänge entwickelt findet sich eine det zusammen mit dem äußeren Epithel die
weitere Verdauungsdrüse, die sog. pankreati- primäre Hornhaut (Cornea). Die Augen werden
schen Anhänge, häufig als Bauchspeicheldrüse von einer Ringfalte, der Iris, umgeben, die in
bezeichnet. Wie Mitteldarm- und Bauchspei- der Mitte eine Öffnung, die Pupille, freilässt.
cheldrüsen produziert auch das Caecum Ver- Weiterhin existiert eine äußere, zweite Ringfalte
dauungsenzyme. Die Resorption der Nährstoffe der Haut, die bei vielen Formen offen bleibt, bei
erfolgt in der Mitteldarmdrüse, im Caecum und anderen sich aber bis auf ein enges Loch schließt
im Anfangsteil des Mitteldarms, bei manchen und eine sekundäre Cornea darstellt. Als diopt-
Arten auch in den pankreatischen Anhängen. rischer Apparat erscheint vorn in der primären
Die Zellen der Mitteldarmdrüsen sind außer- Cornea eine Linse, deren äußere Hälfte von
162 Mollusca, Weichtiere
Abb. 90 Schema der Organisation eines zehnarmigen Tintenfisches (Sepia) im Längsschnitt. Die Nidamen-
taldrüsen sind weggelassen
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 163
der Epidermis und deren innere von dem Epithel den Perikardialdrüsen. Die Einengung der von
der Augenblase geliefert wird. Ihrer Entwick- Hämolymphe ausgefüllten primären Leibes-
lung aus Epidermiseinstülpungen gemäß sind höhle zugunsten eines Coeloms steht in Zusam-
beim Cephalopodenauge die apikalen Zellpole menhang mit der Ausbildung des bei Cephalo-
mit den Rhabdomeren dem Licht zugewandt, poden nahezu geschlossenen Blutgefäßsystems.
während die Nervenfasern die Retinazellen an Die Nautiloida haben zwei, die Coleoida ein
der Zellbasis, also an der Augenaußenseite, ver- Paar sackförmige Nieren (Nierensäcke). Sie
lassen (everse Augen). stehen bei den Decabrachia über eine vordere
Andere Sinnesorgane sind die so genannten Aussackung miteinander in Verbindung und
„Riechgruben“ der Coleoida, zwei an der mund- kommunizieren jeweils über einen Renoperikar-
fernen Peripherie der Augen gelegene Vertiefun- dialgang mit der Perikardhöhle und umhüllen
gen, die über eigene Ganglien verfügen, sowie die beiden Schenkel der Vena cephalica von der
zwei komplizierte Statocysten, die in ventralen Gabelung bis zu ihrem Eintritt in die Kiemen-
Kammern der Kopfkapsel liegen. Am Kopf und herzen. Die Wand der innerhalb der Nierensäcke
an den Armen hat man erst in neuerer Zeit ein verlaufenden Venenschenkel ist nicht glatt, son-
Receptorsystem entdeckt, das wie das Seiten- dern hat durch viele alveoläre Ausbuchtungen
liniensystem der Fische zur Wahrnehmung von (Venenanhänge), die in das Nierenlumen hinein-
Wasserbewegungen dient. ragen und es ausfüllen, eine starke Oberflächen-
Das Blutgefäßsystem ist größtenteils ge- vergrößerung erfahren. Sämtliche Venenanhänge
schlossen, bei einigen Arten sogar vollständig. sind von einer Fortsetzung des (mesoderma-
Es erinnert (z.B. mit seinem Capillarsystem) an len) Nierensackwandepithels überzogen. Dieses
die Verhältnisse bei den Wirbeltieren. In das hochspezialisierte Epithel ist zweifellos der Ort
arterielle, etwa in der Körpermitte gelegene Herz der nephridialen Sekretion und Rückresorp-
(seine Muskelzellen sind quer und schräg ge- tion. Aus dem Nierenlumen gelangt der Harn
streift) münden zwei (bei Nautilus vier) Kie- in Ausführgänge, die mit einem Schlitz oder
menvenen, die das Blut aus den zwei (bzw. vier) auf einer Papille in die Mantelhöhle münden.
Kiemen heranführen; basale, spindelförmige Als Exkretionsorgane tätig sind auch die beiden
Anschwellungen dieser Venen werden meist Perikardialdrüsen (Kiemenherzanhänge); in ih-
als „Vorkammern“ (Atrien) bezeichnet. Aus der nen erfolgt die Ultrafiltration zu Primärharn.
Herzkammer treiben nach vorn und hinten ab- Sie werden vom jeweiligen Kiemenherz her mit
gehende Arterienstämme (Aorta cephalica und einem kräftigen, sich in der Drüse aufzweigen-
Aorta abdominalis) das Blut in den Körper. Es den und das Blut in Lakunen leitenden Gefäß
wird, nachdem es ein wohl ausgebildetes Capil- versorgt. Das mit spezialisiertem Coelomepithel
larsystem durchflossen hat, wieder durch das Ve- (Mikrovillisaum) ausgekleidete Drüsenlumen
nensystem gesammelt und gelangt größtenteils hat durch starke Faltenbildung seiner Wand eine
durch die sich in zwei (bei Nautilus vier) Schen- Oberflächenvergrößerung erfahren; es öffnet
kel gabelnde Hohlvene, die Vena cephalica, zu sich in die Perikardhöhle, die ihrerseits über die
den beiden an der Basis der Kiemen liegenden, Renoperikardialporen mit dem Nierenlumen in
kontraktilen Kiemenherzen (die bei Nautilus feh- Verbindung steht. Die Rückresorption wichtiger
len). Diese pressen das Blut in die zuführenden Stoffe wie Glucose und Aminosäuren erfolgt in
Kiemengefäße, die – weil sie von den Kiemen- den Renoperikardialgängen. Als Exkret wird in
herzen wegführen – Kiemenarterien heißen. An erster Linie Ammonium ausgeschieden, neben
jedem Kiemenherz hängt eine Perikardialdrüse sehr wenig Harnsäure.
(s. u.). Blutfarbstoff ist Hämocyanin. Die Cephalopoden sind stets getrenntge-
Das Coelom ist vor allem bei den Decabra- schlechtig. Die Gonade liegt im Genitalcoelom
chia (Sepioidea und Teuthoidea) – auf die sich (Gonadenhöhle) und ist immer unpaar, die
die folgende Schilderung bezieht – umfangreich Leitungswege sind dagegen bei den Weibchen
und in verschiedene Abteilungen gegliedert. Der vieler, bei den Männchen ganz weniger Arten
das Herz umgebende Coelomraum, die Peri- paarig; meist ist der rechte geschwunden, bei
kardhöhle, steht in Verbindung mit weiteren Nautilus der linke. Ihre Ausmündung liegt in
Coelomabschnitten, der Gonadenhöhle und der Mantelhöhle auf einer Papille seitlich des
164 Mollusca, Weichtiere
Afters. Der Samenleiter gliedert sich in meh- Der ovale, abgeplattete Rumpf wird von einer
rere Abschnitte. Er beginnt mit einem aufge- hinten unterbrochenen Hautfalte, der Flosse,
wundenen Gang, an den sich ein erweiterter umgeben. Aus dem Rumpf ragt, durch eine
Teil, die Spermatophorendrüse, anschließt. In tiefe, ringsherum gehende Spalte getrennt, der
ihr werden die Spermien in längliche, kompli- Kopf heraus. Auf der dunkler gefärbten Seite des
ziert gebaute Spermatophoren eingeschlossen. Rumpfes lässt sich der Schulp, die rudimentäre
Das Endstück des Gonoducts weitet sich erneut Schale, durchfühlen.
sackartig zur Needhamschen Tasche aus, in der Am Kopf sieht man rechts und links zwei
die Spermatophoren aufbewahrt werden. Vor große Augen, ein Paar lange Fangarme oder
der Paarung gelangen sie in die Mantelhöhle. Tentakel sowie vier Paar ziemlich kurze, aber
Als Begattungsorgan dient ein für diesen kräftige Arme, die den Mund umgeben (Ventral-,
Zweck besonders und für jede Art charakteris- Lateroventral-, Laterodorsal- und Dorsalarme).
tisch umgestalteter Arm, der Hectocotylus. Er Die stärksten sind die beiden durch einen brei-
entsteht erst beim geschlechtsreifen Männchen ten Zwischenraum voneinander getrennten
und überträgt die Spermatophoren, die am oder Ventralarme. Jeder Arm trägt an der Innenseite
im Ovidukt, in der Mantelhöhle oder einfach Saugnäpfe, die nach der Spitze zu an Größe
außen am Weibchen befestigt werden. abnehmen. Die Saugnäpfe sitzen an kurzen Stie-
Der weibliche Geschlechtsapparat besteht aus len, sind zu viert in Querreihen angeordnet und
dem Ovarium, dem paarigen oder unpaarigen werden von gezähnten, durch Chitin verstärkten
Ovidukt, den ihn umfassenden Eileiterdrüsen Ringen gestützt. Die Tentakel werden in zwei
und zwei Paar großen, auf den Nierensäcken tiefen Taschen zwischen den Ventral- und La-
liegenden und unabhängig in die Mantelhöhle teroventralarmen verborgen getragen und beim
mündenden Nidamentaldrüsen, deren Sekret Beutefang gleichzeitig mit großer Schnelligkeit
die äußeren Eihüllen liefert. Die so genannten vorgestoßen. Sie sind dünner als die anderen
vorderen oder akzessorischen Nidamentaldrü- Arme und nur an ihrem keulenartig verdickten
sen sind dagegen Symbiontenorgane; wahr- Ende mit Saugnäpfen besetzt, die hier in schie-
scheinlich haben sich aus ihnen die bei manchen fen Achterreihen stehen. An der Basis des lin-
Arten vorkommenden Bakterien-Leuchtorgane ken Ventralarmes finden sich beim Männchen
entwickelt. von Sepia an Stelle der Saugnäpfe Hautfalten:
Die Eier sind meist groß und dotterreich und Dieser Arm ist ein Hectocotylus.
werden entweder einzeln in lederartigen Kapseln In der Mitte des Armkranzes liegt auf einem
oder in größerer Zahl in Gallertschläuchen abge- kurzen Kegel der Mund.
legt. Bei den Hochseeformen sind die Gelege pe-
lagisch und die Eier dann klein und dotterarm. • Mit dem Finger die verborgenen Kiefer fühlen.
Bursa copulatrix
Dorsalarm
Mund
Laterodorsalarm
Lateroventralarm
Ventralarm Schnabel
Trichter Auge
b
Mantelrand
und -spalte Schulp
Tentakel
Tentakelkeule
Flosse
a c Rostrum
tende Ei wird bei seinem Vorübergleiten an der Nadeln festgesteckt; gibt der Mantel (bei fi-
Bursa copulatrix befruchtet und mithilfe der xierten Exemplaren) nicht nach, so mache
Arme an einer geeigneten Stelle befestigt. man einige tiefe Einschnitte in den Mantel-
rand.
• Die Präparation erfolgt im Wachsbecken un- • Ist Tinte ausgelaufen, wasche man das Präpa-
ter Wasser. Durch einen etwa 1cm seitlich der rat gründlich im fließenden Wasser.
Mittellinie mit dem Präpariermesser geführ-
ten Längsschnitt wird die hellere Rumpfseite Mit diesem Schnitt hat man den Mantel durch-
(Bauchseite) aufgetrennt. trennt und damit die Mantel- oder Atemhöhle
• Der Schnitt beginnt an dem den Trichter über- eröffnet (Abb. 92). Der Mantel ist links, rechts
deckenden Mantelrand und muss weiter hin- und hinten dem Körper angeheftet, sein Vorder-
ten, um ein Anschneiden des Tintenbeutels rand zieht um den sich hier verjüngenden Kopf
zu vermeiden, sehr flach geführt werden. Man frei herum. An den Trichterflügeln ist rechts und
halte mit den Fingern die beiden Schnittflächen links der Mantelschließapparat zu sehen, als
oberhalb der Messerführung auseinander. eine längsovale, von Knorpel gestützte Grube, in
• Nun werden die beiden Mantelflächen vor- die ein jederseits von der Innenfläche des Man-
sichtig zur Seite gebogen und mit kräftigen tels vorspringender Knopf passt. Eine flachere
166 Mollusca, Weichtiere
Bursa copulatrix
Mund
Schlund
Auge
Kopfvene
After
Kieme
Grube und Kopf Kiemenvene
des ventralen
Schließapparates Eileitermündung
Depressor akzessorische
infundibuli Nidamentaldrüsen
Eingeweidesack
Nidamentaldrüse
Mantelhöhle Nierensack
Tintenbeutel
Schnittfläche
des Mantels
Ovar
Haftvorrichtung findet sich an der Oberseite Tieres sehen wir zwischen Kieme und Exkret-
zwischen Hals und Mantel. Vom Trichter ziehen porus den Ausführgang der Gonade. Durch ein
zwei mächtige Muskeln nach hinten, die am häutiges Septum wird die Mantelhöhle hinten in
Schulprand entspringen (Depressores infundi- eine rechte und linke Hälfte unterteilt.
buli).
In der Mantelhöhle fallen vor allem die bei-
• Mit der stumpfen Pinzette wird die den Ein-
geweidesack bedeckende, zarte Hülle vorsich-
den gefiederten Kiemen auf, die zu beiden Sei-
tig entfernt. Man achte darauf, den Tinten-
ten des Eingeweidesackes entspringen und sich
beutel nicht zu verletzen!
nach der Mantelspalte erstrecken. Auf der in die
Mantelhöhle ragenden Kante zieht die starke Man kann an weiblichen Exemplaren folgen-
Kiemenvene entlang; auf der anderen Seite ist des erkennen (Abb. 93): Hinten fällt der große
die Kieme durch ein schmales Band, in das die – Tintenbeutel auf, der einen Teil der übrigen
Hämocyanin produzierende – Branchialdrüse Organe verdeckt. Ganz hinten liegt unter ihm,
eingebettet ist, am Mantel festgeheftet. Im hin- seitlich meist etwas hervortretend, der unpaare
teren Abschnitt des Eingeweidesackes erkennt Eierstock, an den sich nach vorn der Eileiter an-
man den metallisch-schwarzen Tintenbeutel. schließt, oft leicht kenntlich an den großen, ge-
Er verjüngt sich nach vorn zum Tintengang, geneinander abgeplatteten Eiern. Bei hochträch-
der unmittelbar vor dem After in den End- tigen Weibchen sind Ovar und Eileiter so dicht
darm mündet. Der After wird von einem Paar mit Eiern vollgepackt, dass die Grenze zwischen
Anhänge flankiert (Abb. 93). Seitlich und et- beiden Organen nicht auszumachen ist. Der Ei-
was caudal vom After liegen auf zwei Papillen leiter verläuft an der linken Körperseite nach
die Nierenmündungen. Auf der linken Seite des vorn und wird vor seiner Ausmündung in die
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 167
After
Tintengang Kopfvene
Kieme
Depressor
infundibuli Nierenmündung
akzessorische
Nidamentaldrüsen Eileiter
Nierensack Eileiterdrüse
Kiemenherz
Nidamentaldrüse
Perikardialdrüse
Nierensack
Eier im Eileiter
Tintenbeutel
Eierstock (Ovar)
Mantelhöhle von der Eileiterdrüse umgeben, die ten des Afters in die Mantelhöhle münden. Sie
Gallerthüllen für das Ei liefert. erstrecken sich weit auf die Oberseite und bil-
Vor dem Tintenbeutel liegen rechts und links den dort einen unpaaren, geräumigen dorsalen
die großen, eine blättrige Struktur aufweisen- Nierensack, der vorläufig aber von den paarigen
den Nidamentaldrüsen. Sie sondern die Haupt- Nierensäcken und dem Magen verdeckt wird.
masse der Sekrete ab, die zur Herstellung der
äußeren Eihülle dienen. Vor ihnen erkennt man
• Die außerordentlich dünne Haut der Nieren-
säcke an der dem Betrachter zugewandten
die akzessorischen Nidamentaldrüsen, die Sym-
Seite aufschneiden.
biontenorgane darstellen (vgl. S. 164).
Man findet in ihnen die traubigen Venenan-
• Die beiden großen Nidamentaldrüsen werden
hänge, die man schon vorher durchschimmern
entfernt, indem man sie hinten erst mit dem
sah. Diese alveolären Ausbuchtungen der Ve-
Griff des Skalpells vom darunter liegenden
nenwand ragen weit in das Nierenlumen hinein.
Nierensack abhebt und dann mit den Fingern
Im Präparat (Abb. 94 und 95) links liegt der
von hinten nach vorn ablöst.
Magen (Muskelmagen) und rechts davon ein
• Um ein Ausfließen von Tinte zu verhindern,
Magenblindsack (Caecum) von je nach der Fül-
wird der Tintengang kurz vor seiner Mün-
lung verschiedener Form.
dung in den Enddarm abgebunden und dann
vor der Schnürung durchtrennt. • Den Blindsack aufschneiden.
• Nun kann man den Tintenbeutel samt Aus-
Seine Wandung ist mit zahlreichen vorspringen-
führgang auf gleiche Weise wie die Nida-
den Lamellen besetzt und im oberen Teil spira-
mentaldrüsen herausnehmen; bindegewebige
lig eingedreht, was zur Bezeichnung Spiralcae-
Membranen werden mit der Pinzette entfernt.
cum führte. Geformte Speisereste wird man in
Der Eierstock erweist sich als großes, etwa drei- diesem Blindsack nie finden; er dient dazu, den
eckiges Organ, das den hintersten Teil des Ein- Nahrungsbrei und die Sekrete der Mitteldarm-
geweidesackes einnimmt (Abb. 93). Weiter vorn, drüsen aufzunehmen, die ihm über das Vesti-
in Höhe der Kiemenbasen, liegen die beiden bulum durch die beiden sich im Endabschnitt
ansehnlichen Nierensäcke, die zu beiden Sei- vereinigenden Ausführgänge zugeführt werden.
168 Mollusca, Weichtiere
Depressor
Enddarm indundibuli
Hohlvene Eileiter
Hohlvene
Venenanhänge
Kiemenvene
Kiemenarterie
Nierensack Kiemenherz
Nierensack
Enddarm
Magen Abdominalvene
Ei im Eileiter
Abb. 94 Eingeweidesack einer
weiblichen Sepia, nach Entfer-
nung der Nidamentaldrüsen
Magenblindsack Eierstock (Ovar)
und des Tintenbeutels
• Mit Nadel und Pinzette die Venenanhänge Kiemenvenen dem Herzen zugeführt zu werden.
entfernen. An der Hinterseite der Kiemenherzen sind die
Perikardialdrüsen zu erkennen.
Dadurch lässt sich vom Magen aus der Darm Bei den männlichen Tieren fehlen die Nida-
verfolgen, der mit einem etwas erweiterten Ab- mentaldrüsen, sodass man nach Wegnahme der
schnitt beginnt, eine Schlinge durchläuft und, Eingeweidehülle gleich die Nierensäcke sieht.
geradlinig nach vorn ziehend, mit dem After Die übrige Anordnung ist etwa die gleiche: An-
endet (Abb. 95). stelle des Eierstockes findet sich der Hoden
Unter und links der Enddarmschlinge befin- und anstelle des Eileiters der Samenleiter, an
det sich das arterielle Herz, ein quer gestellter dem man mehrere Abschnitte unterscheiden
Schlauch, der (im Präparat) von rechts hinten kann. Er beginnt als stark aufgeknäuelter Ka-
nach links vorn aufsteigt; das von ihm nach vorn nal und erweitert sich dann plötzlich zu der
abgehende Blutgefäß ist die Kopfaorta, das nach mit zwei Anhangdrüsen versehenen, sackför-
hinten ziehende die Bauchaorta. Die Kiemen- migen Samenblase. Die in ihr gebildeten Sper-
venen münden rechts und links ins Herz und matophoren gelangen durch den anschließen-
sind vor der Mündung erweitert (Vorkammer). den, wieder kanalartigen Abschnitt in das zur
Sie führen arterielles Blut zum Herzen, von dem Needhamschen- oder Spermatophorentasche
es dann durch die Aorten zu den Organen fließt. angeschwollene Endstück, das ebenso wie der
Vom Venensystem sieht man Folgendes: Eine Eileiter auf einer rechts gelegenen Papille in die
starke Kopfvene, die zum Teil unter dem End- Mantelhöhle mündet.
darm und Trichtergang verborgen liegt, führt das
venöse Blut den Kiemen zu. Sie gabelt sich in die
• Durch einen medianen Längsschnitt wird
jetzt der Trichter aufgetrennt, sodass man in
beiden Hohlvenen, die wir zusammen mit den
seine Höhlung hineinsieht.
Venenanhängen der Nierensäcke größtenteils
entfernt haben. Jede Hohlvene mündet in das an Man bemerkt innen an seiner dorsalen Wand
der Basis der Kiemen liegende Kiemenherz, das nahe der Mündung die als Ventil wirkende
auch das Blut einiger anderer Venen aufnimmt. Trichterklappe sowie das meist W-förmige,
Die Kiemenherzen sind kontraktil und treiben große Trichterorgan, ein Schleimdrüsenpolster.
das Blut durch die Kiemenarterien in die Kie- Der Trichter öffnet sich breit in die Mantelhöhle
men, wo es oxygeniert wird, um dann durch die und verjüngt sich nach vorn. Das in der Man-
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 169
Mund
Trichtersinus
Auge
ventrale Kopfwand nach
Fortnahme des Trichters
Kopfvene
Depressor Mantelganglion
infundibuli
Mitteldarmdrüse
After
Hohlvene
Kopfaorta Kiemenvene
Kiemenvene Kiemenarterie
(„Vorkammer“)
Kiemenherz
Herz
Stumpf der Venae cavae
Oesophagus palliales et abdominales
Bauchaorta Perikardialdrüse
Magen Eileiter
Magenblindsack
Ovar
Abb. 95 Situs (Anatomie der Eingeweide) von Sepia, nach Entfernung der Nieren, der Venenanhänge und
des Trichters
telhöhle die Kiemen umspülende Wasser wird sammelt sich zunächst in einem anderen, den
durch rhythmische und koordinierte Kontraktio- Schlundkopf umgebenden Sinus an und fließt
nen von Muskeln des Mantels und des Kopffußes dann in die Kopfvene, die sich nach hinten
bewegt. Es tritt bei Erweiterung der Mantelhöhle in die beiden die Nierensäcke durchziehenden
und geschlossenem Ventil durch die Mantel- Hohlvenen gabelt (s. Abb. 95).
spalte in die Mantelhöhle ein. Zur Ausatmung
wird der Mantelspalt geschlossen, während sich
• Die Kopfvene samt Trichtersinus ablösen und
die Decke der über dem Trichter freigelegten
die Trichterklappe öffnet, sodass das Wasser bei
Fläche entfernen.
Verengung des Mantelhöhlenraumes durch die
Trichteröffnung ausströmt. Es kann – die Tiere Es erscheint die von einer zarten Hülle umge-
machen bei der Flucht davon Gebrauch – so kräf- bene, hellbraune bis olivfarbene Mitteldarm-
tig ausgestoßen werden, dass die Sepien mit dem drüse. Sie besteht aus zwei langen, dreieckigen,
Hinterende voran durch das Wasser schießen. in der Medianebene zusammenstoßenden Tei-
len (Abb. 96).
• Den Trichter entfernen: Zunächst die beiden
• Diese mit dem Griff des Präpariermessers
großen Muskeln hinter dem Trichter durch-
auseinander drücken.
schneiden, dann durch einen Flächenschnitt
die dorsale Trichterwand abtragen, sodass sich In der Tiefe erscheinen dann der geradlinig
der gesamte Trichterapparat abheben lässt. verlaufende, dünne Oesophagus und neben ihm
die Kopfaorta.
In der Medianlinie der freigelegten Fläche er-
kennt man den vorderen Abschnitt der Kopf- • Mit einem Messerschnitt in der Medianlinie
vene, die sich vorn zum Trichtersinus erwei- die Muskulatur zwischen den Ventralarmen
tert. Das venöse Blut des Kopfes und der Arme durchtrennen und den Schnitt vorsichtig wei-
170 Mollusca, Weichtiere
Bursa copulatrix
Ringlippe Mund
Buccaltrichter
Ventralarm
durchschnitten Fangarm
Schlundkopf
Auge
Unterschlundmasse Knorpelige Kopfkapsel
Statocyste
Oberschlundmasse
Kopfaorta
Giftgang
Oesophagus
Giftdrüse
(Speicheldrüse) After
Enddarm
Mitteldarmdrüse zur Seite gelegt
Ausführungsgänge der
Magen Mitteldarmdrüsen und der
pankreatischen Anhänge
Magenblindsack
Flügel des Schulps
Schulp
Rostrum des Schulps
ter nach vorn führen, bis man auf den großen, reasanhängen besetzt, der Speiseröhre parallel
annähernd kugeligen Schlundkopf stößt. zum Magen zieht. Die beiden Ausführgänge
vereinigen sich kurz vor ihrer Einmündung in
Der muskulöse Schlundkopf ist vorn durch den Magen.
Muskeln mit den Buccalpfeilern verbunden, die
zipfelartig nach vorn streben und ihrerseits au-
• Schließlich noch den Schlundkopf aufschnei-
den; das Messer wird bei einem Median-
ßen an die Armbasen geheftet sind.
schnitt bald auf Widerstand stoßen, verur-
Hat man den Schnitt tief genug geführt, so
sacht durch einen der beiden hornigen Kiefer.
sind auch der Kopfknorpel und die Ventral-
Seitlich vorbei präparieren und die beiden
masse (Unterschlundmasse) des Gehirns durch-
Kiefer herausziehen.
trennt worden. Damit ist der Oesophagus in gan-
zer Länge sichtbar, dem seitlich, unmittelbar vor Dadurch wird die Radula frei, eine zahnbesetzte
den Mitteldarmdrüsen, ein Paar kleiner Drüsen Platte, die einer vorspringenden, zungenartigen
anliegt. Sie werden als hintere Speicheldrüsen Leiste aufliegt. Unter dem Stereomikroskop lässt
oder Giftdrüsen bezeichnet. Sie sezernieren ein sich erkennen, dass die spitzen, nach hinten
Gift, das beim Biß durch die sich in der Median- gerichteten Zähnchen in sieben Längsreihen an-
linie zu einem unpaaren Kanal vereinigenden geordnet sind.
Ausführgänge in die Schlundhöhle gelangt.
Am Innenwinkel jeder Mitteldarmdrüse ent- • Will man Kiefer und Radula unverletzt ge-
springt ein Ausführgang, der, mit den Pank- winnen, so empfiehlt sich eine Mazeration
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 171
des Schlundkopfes in Kalilauge (Kochen in Mantels, seitlich von den Gruben des Schließ-
5%iger Kalilauge [Vorsicht!] oder Einlegen apparates. Mit den Visceralganglien sind sie
in ca. 30%ige Kalilauge im Thermostat bei jederseits durch einen starken Nerven (Man-
37°C). telkonnektiv) verbunden und senden strahlen-
• Nun führt man in der Medianlinie der dunkel förmig eine größere Anzahl Nerven aus, die in
gefärbten Oberseite einen Schnitt durch das die Mantelmuskulatur eindringen und ihnen ein
dünne Integument und kann dann leicht den sternförmiges Aussehen geben, weshalb sie auch
in einer Tasche, dem Schalensack, liegenden als Sternganglien (Ganglia stellata) bezeichnet
Schulp freipräparieren und herausnehmen. werden.
Auf diese Weise lässt sich die von zwei Lippen sen wird, während sich die Trichteröffnung
umgebene Mundöffnung erkennen, aus welcher erweitert. Durch Verengung der Mantelhöhle
die braune Spitze des Unterkiefers herausragt. strömt es über die Trichteröffnung nach außen.
Die innere Lippe (peristomale Membran) ist Mithilfe des ausgepressten Wasserstrahls ist ein
tentakellos, auf der äußeren Lippe (Buccalmem- Schwimmen nach dem Rückstoßprinzip mög-
bran) sitzen 7 kurze, reduzierte Ärmchen. Vent- lich. Mittels der Trichtermuskulatur kann die
ral bildet die Buccalmembran eine kranzförmige Trichterstellung und damit die Schwimmrich-
Tasche, die Bursa copulatrix. tung variiert werden. Die Arme werden wäh-
rend des Schwimmens aneinander gepresst.
• Die Präparation erfolgt in einer wassergefüll-
ten Schale. • Durch einen medianen Längsschnitt wird der
• Durch einen etwa 1cm seitlich der Mittelli- Trichter ventral aufgetrennt, sodass man in
nie verlaufenden Schnitt wird der Mantel mit seine Höhlung hineinsieht.
dem Präpariermesser ventral aufgetrennt. Der
Man sieht an seiner dorsalen Wand, nahe der
flache Schnitt beginnt an dem den Trichter
Mündung, die als Ventil wirkende Trichter-
überdeckenden Mantelrand und wird bis zum
klappe. Ventral und dorsal befinden sich paarige,
Hinterende des Eingeweidesacks geführt.
mehr oder weniger W-förmige Schleimdrüsen
• Werden die beiden Mantelflächen nun vor-
(Trichterorgan), deren Sekrete wahrscheinlich
sichtig auseinander gebogen, erkennt man
beim Tintenausstoß mitwirken.
ein medianes Septum, in dem die Mantelar-
Median zwischen den Trichtermuskeln liegt
terie verläuft.
der weißliche Enddarm (Abb. 98). Er hängt an
• Dieses Septum muss durchtrennt werden, um
einem dorsalen Septum. In direkter Nachbar-
den Mantel ausgebreitet feststecken zu kön-
schaft liegt die Kopfvene. Am Enddarm sitzt der
nen.
Tintenbeutel an. Er besteht aus einem schwar-
• Ist Tinte ausgelaufen, wasche man das Präpa-
zen Anfangsteil, der die melaninhaltige Tinte
rat unter fließendem Wasser.
produziert, und dem silbrig glänzenden Tinten-
Mit diesem Schnitt wurde die Mantel- oder reservoir, das unmittelbar vor dem After in den
Atemhöhle eröffnet. Der Trichter kann nun Enddarm mündet.
in seiner vollen Länge betrachtet werden. An
ihm sind rechts und links zwei Knorpelrinnen
• Die Trichtermuskeln zur Seite wenden.
zu sehen, die je in eine von der Innenseite des Jederseits werden die sternförmigen Mantelgan-
Mantels vorspringende Knopfleiste passen. Eine glien sichtbar.
ähnliche Haftvorrichtung findet sich dorsal zwi- In der Mantelhöhle fallen vor allem die bei-
schen Hals und Mantel. Sie bilden den Mantel- den ansehnlichen, gefiederten Kiemen auf. Sie
schließapparat (Abb. 98). Vom Trichterrand zie- entspringen zu beiden Seiten des Eingewei-
hen zwei Trichtermuskeln (Trichterretraktoren) desacks und verjüngen sich in Richtung Man-
nach hinten; sie enden etwa in der Mitte des telöffnung. Deutlich sieht man die dunkle Kie-
Mantels. Dorsal davon verlaufen zwei weitere menvene, deren Dunkelfärbung auf dem Gehalt
Muskeln, die Kopfrückziehmuskeln. an Hämocyanin beruht.
Der Trichter öffnet sich breit in die Man- Der Eingeweidesack wird von einer zarten
telhöhle und verjüngt sich nach vorn. Das in Haut bedeckt. Da bei Entfernung leicht Teile
der Mantelhöhle befindliche Wasser wird beim des Blutgefäßsystems zerstört werden, betrach-
lebenden Tier durch rhythmische Kontraktio- tet man vor einer weiteren Präparation zuerst
nen des Mantels und leichte Retraktionen des das Kreislaufsystem und die Exkretionsorgane.
Körpers bewegt. Es tritt bei Erweiterung der Dies ist bei männlichen Tieren sofort möglich.
Mantelhöhle und geschlossener Trichterklappe Bei weiblichen Exemplaren fallen in der Auf-
über einen dorsalen Wasserstrom in die Man- sicht dagegen relativ große, paarige, langovale
telhöhle ein und wird so in je einem Strom den Organe auf, die Teile des Darms und des Tin-
Kiemen zugeleitet. Bei der Ausatmung führt tenbeutels überdecken, die Nidamentaldrüsen.
das ausströmende Wasser zur Erweiterung des Sie münden in die Mantelhöhle und sondern
Trichters, wodurch der Mantelspalt geschlos- Sekrete ab, die zur Herstellung von Eihüllen
174 Mollusca, Weichtiere
dienen. Unter ihrem vorderen Abschnitt liegen • Dazu die beiden Drüsen vorn mit einer Pin-
bei geschlechtsreifen Tieren rote, ovale Gebilde, zette leicht anheben und mit einem Skalpell
die paarigen akzessorischen Nidamentaldrüsen, von den darunter liegenden Nierensäcken ab-
die Symbiontenorgane darstellen und in einem lösen.
Kanalsystem mit mehreren Mündungen enden. • Es ist darauf zu achten, dass dabei die medi-
ane Mantelarterie, die in der hinteren Hälfte
• Um auch bei weiblichen Tieren das Blutge- zwischen den Drüsen ventral Richtung Man-
fäßsystem betrachten zu können, müssen die tel zieht, nicht abgetrennt wird.
Nidamentaldrüsen entfernt werden.
Nach der Entfernung der Nidamentaldrüsen menherz und Niere sowie zwischen Kiemen-
lässt sich nun, wie im eröffneten männlichen vene und Herz durchtrennen.
Tier direkt, das Herz mit den Nierensäcken er- • Das Kiemenherz in Richtung Mantel weg-
kennen. Das Herz ist als weißlich-gelbes, rhom- klappen und aus der Richtung des Eingewei-
bisches, einkammeriges Gebilde fast in der Mitte desacks betrachten.
des Eingeweidesacks zu erkennen. Es wird teil- • Mit einer Schere an der Basis der Kiemen
weise von den Nieren überdeckt. Aus der Herz- vorsichtig einige Kiemenblätter entfernen,
kammer wird das sauerstoffreiche Blut in die wodurch Kiemengefäße freigelegt werden.
laterale linke und rechte Mantelarterie sowie die
mediane Mantelarterie gepumpt. Richtung Kopf Hinter dem Kiemenherz inseriert im Mantel
ziehen die in diesem Präparationsstadium noch und in Teilen des Eingeweidesacks ein weißes,
nicht zu erkennende, dorsal gelegene Kopfarterie breites Muskelband, das Kiemenband. Es zieht
und die nur unter der Stereolupe sichtbare, cau- in die Kiemen hinein und dient deren Aufhän-
dal ziehende, kleinere Genitalaorta. Das aus dem gung. Unter dem Kiemenband liegt die laterale
Mantelbereich und aus dem Kopf kommende Mantelvene. Im Bereich der Kiemen ist es von
Blut wird über die Mantelvenen bzw. über die zwei Blutgefäßen umgeben. Ventral liegt ihm
Kopfvene (= vordere Hohlvene) den an der Ba- die vom Kiemenherz kommende Kiemenarterie
sis der Kiemen liegenden weißlich-ovalen Kie- an, dazwischen findet sich das Branchialgan-
menherzen zugeführt. Eigene Herzen vor den glion mit parallel verlaufendem Kiemennerv.
Kiemen sind eine Besonderheit des Kreislaufes Dorsal führt ein Ast der vorderen Aorta in
der Coleoida. Von den Kiemenherzen gelangt die Branchialdrüse. Das sauerstoffarme Blut
es in die Kiemenarterie, wird mit Sauerstoff be- der Kiemenarterie steigt in die Kiemenblätter,
laden und über die Kiemenvenen, welche unter wird mit Sauerstoff angereichert und der ventral
der Niere in das mediane Hauptherz münden, gelegenen Kiemenvene zugeführt, die es zum
diesem zugeführt. Bevor das sauerstoffarme Blut medianen Hauptherzen transportiert. Es enthält
aus der Kopfvene in die Kiemenherzen fließt, neben Leukocyten Hämocyanin. Dieses wird in
durchströmt es die Nieren. Dazu gabelt sich die der Branchialdrüse synthetisiert.
teilweise vom Enddarm bedeckte Kopfvene auf
dem Weg zu den entsprechenden Kiemenherzen
• Jetzt die den Eingeweidesack bedeckende,
zarte Hülle mit einer stumpfen Pinzette ent-
in eine linke und rechte laterale Hohlvene.
fernen. Darauf achten, den Tintenbeutel nicht
Das Herz liegt in einer Perikardhöhle. Ein
abzuschneiden. Blutgefäße, Kiemen und Nie-
Renoperikardialgang verbindet die Perikard-
ren können ebenfalls abpräpariert werden.
höhle mit den Nierensäcken (Nieren), speziel-
len Coelomräumen. Die paarigen Nierensäcke
• Um später die nach dorsal ziehende Arterie
des medianen Hauptherzens in ihrem Verlauf
werden von den beiden lateralen Hohlvenen
betrachten zu können, wird das jetzt freilie-
durchzogen, die durch alveoläre Ausbuchtungen
gende Herz noch nicht entfernt.
das Lumen der Nierensäcke einengen. Dadurch
vergrößern Nierensackepithel und Hohlvene Am weiblichen Tier haben wir die Nidamen-
ihre gemeinsame Oberfläche. Hier finden Ab- taldrüsen und die akzessorischen Nidamental-
gabe der Exkrete (z.B. Harnstoff) aus dem Blut drüsen schon betrachtet. Das Ovar nimmt bei
in das Lumen der Nierensäcke und Rückresorp- geschlechtsreifen Tieren fast den gesamten Teil
tion statt. Die Nierensäcke münden mit feinen, des hinteren Eingeweidesacks ein (Abb. 99a).
schwer sichtbaren, auf einer Papille stehenden Es wird von einem Coelomepithel umkleidet,
Öffnungen in die Mantelhöhle. das sich ventral in die Gonadenhöhle fortsetzt.
Als Nierenorgane fungieren auch die beiden In diese werden die reifen Eier abgegeben und
Perikardialdrüsen. Sie bilden einen in Rich- über eine Öffnung in den unpaaren linken Ei-
tung Eingeweidesack gelegenen Coelomfortsatz leiter (Ovidukt) aufgenommen. Das rechte
an den Kiemenherzen (Ultrafilter) und stehen Ovar und der rechte Eileiter sind reduziert. Der
mit der Perikardhöhle in offener Verbindung. Eileiter entspringt auf der ventralen Ovarseite
• Mit einem Schnitt oberhalb der Kiemenher- und zieht auf der linken Seite des Eingewei-
zen die Gefäßverbindungen zwischen Kie- desacks kopfwärts. Bei geschlechtsreifen Tieren
176 Mollusca, Weichtiere
Abb. 99 Loligo vulgaris. a Situs eines Weibchens, b Männlicher Genitaltrakt, c Weiblicher Genitaltrakt
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 177
mit prall gefülltem Ovar ist die Abgrenzung Abschnitt besitzt eine komplizierte durchsich-
des Eileiters häufig nicht mehr auszumachen. tige Innenstruktur. Deutlich ist der zum Teil
Der mittlere Bereich des Eileiters bildet eine schraubig aufgerollte Ejakulationsapparat zu er-
drüsige Erweiterung, die weiße Eileiterdrüse. kennen. Er öffnet sich auf einer Anschwellung
Sie liefert Material für die Eihüllen. Der musku- nach außen, daran sitzt ein Endfaden. Gelangen
läre Endteil des Eileiters mündet auf der linken reife Spermatophoren ins Wasser, schleudert der
Seite in die Mantelhöhle. Sein Endstück ist zu Ejakulationsapparat infolge einer Quellung die
trompetenartigen Lappen umgebildet, dem Ge- Spermien aus.
schlechtsfortsatz (Abb. 99c).
Bei den männlichen Tieren fehlen die Nida-
• Für die Betrachtung des Verdauungstraktes
den Trichter entfernen. Dazu werden die
mentaldrüsen, sodass man nach der Manteler-
beiden großen Trichterretraktoren durch-
öffnung gleich die Nierensäcke sieht. Die übrige
schnitten.
Anordnung ist in etwa gleich. Anstelle des Ovars
findet sich der Hoden und anstelle des Eileiters
• Anschließend mit einem Flächenschnitt die
dorsale Trichterwand abtrennen, wodurch
der Samenleiter. Dem unpaaren, tütenförmigen
sich der gesamte Trichterapparat abheben
linken Hoden schließt sich der unpaare linke Sa-
lässt.
menleiter an. Er gliedert sich in ein Vas deferens,
eine Spermatophorendrüse und das Vas efferens Der Verdauungstrakt beginnt mit einem
mit ausmündender Papille. Die Spermien gelan- Schlundkopf (Pharynxbulbus). Dieser wird erst
gen durch einen länglichen, ventralen Schlitz in in einem späteren Stadium aufpräpariert, sodass
der Gonadenhöhle in den Anfangsteil des Sa- man die in ihm gelegenen Kiefer und die Radula
menleiters, das Vas deferens. Nach der Ausmün- erkennen kann. Hier münden über einen un-
dung aus der Gonadenhöhle zieht es als dicht paaren, parallel zum Oesophagus verlaufenden,
geschlängeltes Band kopfwärts. In seinem mitt- median auf dem Schlundkopf ziehenden Kanal
leren Teil besitzt es verdickte Wände (Sperma- auch die paarigen, hinteren Speicheldrüsen, die
tophorendrüse). Dem cranialen Abschnitt der ein starkes Gift (Alkaloid) sezernieren und da-
Spermatophorendrüse sitzen eine akzessorische her auch als Giftdrüsen bezeichnet werden. In
Geschlechtsdrüse oder Rangierdrüse, die den die Muskulatur des Pharynx eingebettet liegen
Ejakulationsapparat an die Spermatophore an- die vorderen Buccalspeicheldrüsen. Nach Zer-
fügt, sowie ein Appendix auf. Das Endstück des kleinern und Einspeicheln der teilweise schon
männlichen Ausführganges, das Vas efferens, angedauten Nahrung gelangt letztere aus dem
zieht parallel an der Innenseite des geknäuelten Schlundkopf in den cuticularisierten Oesopha-
Anfangstücks des Samenleiters Richtung Ho- gus. Über ihm verlaufen parallel die sehr gro-
den und kann Spermatophoren enthalten. Das ßen, zwischen den Trichterretraktoren gelege-
Vas efferens mündet über eine Needhamsche nen, gelblichen, paarigen Mitteldarmdrüsen.
Tasche, ein dünner, teilweise spiraliger Sperma-
tophorensack, auf der linken Seite mit einer Pa-
• Diese median auseinander drücken.
pille in die Mantelhöhle (Abb. 99b). Dorsal lassen sich der Oesophagus und die Kopf-
arterie erkennen. Zwischen den cranialen Spit-
• Lohnenswert ist die Betrachtung der Sperma-
zen der Mitteldarmdrüsen findet man auch die
tophoren. Zu ihrer Untersuchung bei einem
kleinen, ovalen, hinteren Speicheldrüsen. Der
erwachsenen männlichen Tier die Sperma-
Oesophagus mündet in den unter dem Magen-
tophorentasche aufschneiden und einige der
blindsack gelegenen Muskelmagen. An diesen
zahlreichen, in Bündeln liegenden, etwa 1cm
schließen sich ein Zwischenstück oder Vestibu-
langen Fäden entnehmen.
lum und der je nach Füllung verschieden ausge-
• Diese ausgebreitet auf einem Objektträger bei
bildete Magenblindsack (Caecum) an, der läng-
schwacher Vergrößerung unter dem Mikros-
lich ausgezogen ist und einen Spiralteil nur vorn
kop betrachten.
erkennen lässt. Er stellt ein dünnes, mit Lamel-
Die Fäden entpuppen sich als doppelwandige len besetztes Häutchen dar, das u.a. zur Speiche-
Röhren, deren hinterer Teil (Spermienbehäl- rung von Sekreten der Mitteldarmdrüse dient.
ter) mit Spermien angefüllt ist. Der vordere Den paarigen Ausführgängen der Mitteldarm-
178 Mollusca, Weichtiere
drüsen in den Magenblindsack sitzt das Pank- Räuber und können mit diesen Kiefern Fleisch-
reas (= pankreatische Anhänge) in Form einer stücke aus ihrer Beute heraustrennen. Kleine
weißlichen, schlauchförmigen Drüse an. Auf Beutestücke werden direkt heruntergeschluckt.
Höhe der Ausführgänge der Mitteldarmdrüse Die bis zu 1cm lange Radula, die ausschließlich
lässt sich auch der Durchtritt der vom Herzen Greiferfunktion hat, liegt auf einer zungenarti-
kommenden Kopfarterie und des Oesophagus gen Leiste im Schlundkopf.
durch die Mitteldarmdrüsen erkennen.
Magen und Magenblindsack sind an der Ver-
• Die Radula mit einer Pinzette anheben und
aus dem Schlundkopf heraustrennen.
dauung beteiligt, unterscheiden sich aber dabei
funktionell. Die mit dem Mundraum in Verbin-
• Die Betrachtung erfolgt bei geringer Vergrö-
ßerung unter dem Mikroskop.
dung stehenden Speicheldrüsen besitzen keine
wichtige Verdauungsfunktion. Der Verdauungs-
• Will man Kiefer und Radula unverletzt er-
halten, empfiehlt sich eine Mazeration des
prozess beginnt mit der Aufnahme der Nahrung
Schlundkopfes in Kalilauge.
in den Magen (Kropffunktion). Ein enzymati-
scher Aufschluss ist über die aus Mitteldarm- Ohne entsprechende Präparation ist die Radula
drüsen, Pankreas oder Caecum eingeschleusten nicht in ihrer ganzen Länge sichtbar. Die spitzen,
Sekrete möglich. Die eigentliche Verdauung fin- nach hinten gerichteten Zähne sind in sieben
det im Magenblindsack statt, Mitteldarmdrüse Längsreihen angeordnet. Eine unpaare Reihe
und Pankreas steuern die Enzyme bei. Hier dreispitziger Mittelzähne begleiten drei paarige
findet auch Resorption von Nährstoffen statt. Seitenreihen. Die Zähne nehmen nach außen
Unverdaubare Reste wie Knochen, Chitin u.a. an Länge zu und sind nach innen gerichtet.
werden nur im Magen, nicht im Magenblind- Die Radula ist auf ihrer ganzen Länge mit dem
sack gefunden. darunter gelegenen Stützpolster verwachsen und
Direkt neben der Einmündung des Oesopha- kann eingezogen und vorgestreckt werden.
gus in den Magen liegt die Ausmündung des Das große Gehirn der Cephalopoden gehört
Darms, der ventral mit dem Enddarm und dem zu den höchstentwickelten Gehirnen der Wir-
bereits erwähnten Tintenbeutel in der Mantel- bellosen. Seine makroskopische und mikros-
höhle endet. kopische Gliederung und Differenzierung sind
außerordentlich komplex. Es entsteht durch die
• Mit einem Messerschnitt in der Medianlinie
Verschmelzung der verschiedenen Ganglien.
die Muskulatur zwischen den Ventralarmen
Vom Gehirn wurde die Unterschlundganglien-
durchtrennen und den Schnitt vorsichtig
masse durch den zuvor ausgeführten Median-
weiter nach vorn führen, bis man auf den
schnitt abgetrennt. Diese Masse ist aus der Ver-
großen, annähernd kugeligen muskulösen
schmelzung der Brachial-, Pedal-, Pleural- und
Schlundkopf stößt.
Visceralganglien hervorgegangen. Das gesamte
• Hat man den Schnitt tief genug geführt, so
Gehirn und die ventral gelegenen Statocysten
werden auch der Kopfknorpel mit den beiden
sind von Kopfknorpel umgeben. In ventraler
Statocysten und die ventrale Gehirnmasse
Aufsicht lassen sich die in der ventralen Knor-
durchtrennt.
pelmasse liegenden Statocysten erkennen.
Damit ist der Oesophagus in ganzer Länge sicht-
bar. Parallel dazu verläuft ein dünner Speichel-
• Aus ihnen blättchenartige Statolithen iso-
lieren.
gang, der median auf dem Schlundkopf entlang
zieht und in ihn einmündet. Unter den Statocysten befinden sich die Visce-
ralganglien. Nach vorn schließen sich die Pedal-
• Schließlich den Schlundkopf median auf-
ganglien an, seitlich die Pleuralganglien sowie
schneiden. Dabei stößt man auf den Wider-
die dorsal gegenüber den Pedalganglien gele-
stand der hornigen Kiefer. Seitlich vorbei prä-
genen Cerebralganglien, die durch zwei paarige
parieren und die beiden Kiefer herausziehen.
Konnektive mit der ventralen Gehirnmasse ver-
Die kräftigen Kiefer werden entsprechend ihrer bunden sind. Sie bilden zusammen mit den
Form auch als Schnabel bezeichnet. Der Ober- anderen Ganglien einen Schlundring um den
kiefer beißt in den Unterkiefer. Tintenfische sind Oesophagus. Sehnerven ziehen vom Cerebral-
IV. Cephalopoda, Kopffüßer 179
ganglion zum Ganglion opticum am Augapfel. einem Schalensack liegt. Der Gladius ist ein
Eine Verdickung des Sehnerven wird als Lobus Produkt einer ectodermalen, dorsalen Invagina-
opticus bezeichnet. In der Nähe des Auges fin- tion, wodurch ein innerer Schalensack entsteht.
den sich noch die blattartigen weißen Körper- Deswegen spricht man auch von einer inneren
chen, ihre Funktion soll die Blutzellbildung sein. Schale.
An den Brachialganglien entspringen jederseits Von den Chromatophoren lassen sich gut
die fünf Paar starken Armnerven, an den Pedal- mikroskopische Präparate anfertigen.
ganglien die Trichternerven.
Vom peripheren Nervensystem sind die bei-
• Ein rechteckiges Hautstück von etwa 5mm
Breite und ein bis zwei Zentimeter Länge an
den Mantelganglien ohne weiteres sichtbar. Sie
einer Schmal- und den beiden Längsseiten
liegen an der Innenseite des Mantels nahe dem
mit dem Skalpell umschneiden.
Trichtereingang. Strahlenförmige, in den Mantel
ziehende Nerven geben ihnen ein sternförmiges
• Nach dem Entfernen der zarten, einschichtigen
Epidermis versucht man, beginnend an einer
Aussehen, weswegen sie auch als Sterngang-
angeschnittenen Schmalseite, einen möglichst
lien (Ganglia stellata) bezeichnet werden. Ihre
dünnen Streifen der Cutis abzuziehen.
Verbindung mit den Visceralganglien über die
starken Mantelkonnektive kann man leicht ver-
• Dieser wird mit Eisenhämatoxylin gefärbt
und in Eukitt eingedeckt.
folgen. Sie steuern die Kontraktion des Mantels
und damit auch indirekt die Atemfrequenz. Die Chromatophoren und die sie radiär umge-
benden Muskelzellen sind an dünnen Stellen
• Das Auge herausnehmen und aufschneiden.
gut zu erkennen. Je nach Kontraktionszustand
Man sieht dann die zarte Retina, die dunkle Pig- der Muskelzelle ist die pigmentführende Zelle
mentschicht und die vom Ciliarkörper umgür- größer oder kleiner. Bei maximaler Pigment-
tete, kugelrunde Linse, die aus einem kleineren konzentration (Chromatophoren klein, ku-
äußeren und einem größeren inneren Abschnitt gelförmig) wirkt das Tier heller, bei flächiger
besteht. Pigmentausbreitung dunkler. Wegen der engen
Nun noch die Schale (Gladius) betrachten. Assoziation von Farbzellen und Muskelzellen
spricht man auch von Chromatophoren-Or-
• Dazu die Eingeweide entfernen.
ganen. Am lebenden Tier ist ein sehr schneller
Man sieht ein elastisches Stützelement, das den Farbwechsel zu beobachten, der in Sekunden-
gesamten Eingeweidesack durchzieht und in bruchteilen abläuft.
Abb. 100
Annelida, Ringelwürmer
Die Annelida (Ringelwürmer) beeinflussen terrestrische Böden und limnische sowie marine
Sedimente in besonderem Maße. In Mitteleuropa hat sämtlicher oberflächlicher Boden schon
den Darm von Anneliden, nämlich Regenwürmern, passiert und wird das alle paar Jahre wieder
tun. Charles Darwin, der 1881 nach langjährigen Experimenten ein Buch über Regenwürmer
herausbrachte, erkannte die große Bedeutung dieser Tiere „für Erd- und Kulturgeschichte“.
Der heimische Lumbricus terrestris baut bis 3 m tiefe Gänge im Boden, die sich zur Oberflä-
che hin verzweigen. Als Nahrung bevorzugt er abgestorbene Pflanzenteile, die er in seine Gänge
zieht. Kot wird an der Oberfläche abgegeben (Abb. 100a) und kann auf Weideland in Mittel-
europa bis 40 Tonnen je Hektar jährlich ausmachen; das entspricht einer 5 mm dicken Lage.
Durch ihr umfangreiches Gangsystem ermöglichen Regenwürmer zudem eine bessere Belüf-
tung des Bodens, Vergrößerung des Lebensraumes für aerobe Bakterien und eine Erhöhung
der Wasserkapazität des Bodens. Die aktive Wühlarbeit der Tiere führt zu Bodenumschichtung
und -vermischung (Bioturbation). In ihrem Darmtrakt werden anorganische und organische
Komponenten zu Ton-Humus-Komplexen verbunden, wodurch die Stabilität des Bodens erhöht
wird. Schließlich ist im Regenwurmkot die Mikroflora angereichert, die eine beschleunigte Zer-
setzung organischer Bestandteile bewirkt. Regenwürmer werden auch im Handel zur Bodenver-
besserung angeboten. Sie deponieren ihre Eier in kleinen Kokons, aus denen alsbald Jungtiere
schlüpfen. Abb. 100c zeigt das Vorderende eines gerade geschlüpften Tieres.
Regenwürmer gehören zu den Oligochaeta (den Wenigborstern), die insbesondere terres-
trisch und limnisch vorkommen. Die Gruppe der Polychaeten (Vielborster) dagegen lebt vor-
wiegend im Meer. Besonders auffällig sind die Aktivitäten des Wattwurmes Arenicola marina,
dessen Kothäufchen das Watt bei Ebbe geradezu übersäen (Abb. 100b). Auch dieser Annelide
prägt seinen Lebensraum ganz erheblich: Er festigt ihn, lagert ihn um und transportiert mit
seinem Atemwasserstrom Sauerstoff in das ansonsten anoxische Substrat.
Ein Großteil der Polychaeten lebt in marinen Sedimenten und erfüllt wichtige Aufgaben bei
deren Festigung und Bioturbation; andere bewohnen selbstgebaute Röhren und können regio-
nal Riffe aufbauen (mit bis zu 60 000 Individuen/m2). In der Nordsee wurden diese Riffbildner
(„Sandkorallen“) durch die moderne Fischerei zerstört.
Sowohl die artenreichen Oligochaeten als auch die noch größere Gruppe der Polychaeten
stellen wichtige Nährtiere für andere Tiere, z.B. für Fische, dar. Von Menschen wird in der Süd-
see der Palolowurm (Eunice viridis) verzehrt. Versuche, Regenwürmer als Delikatesse in Ost-
asien einzuführen (Abb. 100d), sind gescheitert, auch in der Verarbeitung zu „Wormburgern“.
Limnisch und terrestrisch kommen die Egel (Hirudinea) vor, von denen der Medizinische
Blutegel (Hirudo medicinalis, Abb. 100e) zeitweise eine erhebliche Bedeutung erlangt hat. Im
19. Jahrhundert neigte man in Europa, insbesondere in Frankreich, zu einem übermäßigen Ein-
satz dieser blutsaugenden Anneliden, die Blut bis zum Fünffachen ihrer Körpermasse aufneh-
men können. Bis zu 100 Tiere setzte man einem Menschen an, was bisweilen tödlich ausging.
Man verwendete ihn u.a. zum Aderlass und gegen Fettsucht, allerdings wohl mit zweifelhaftem
Erfolg. Der heutige Einsatz von Hirudo hat eine naturwissenschaftliche Basis: Das sezernierte
Hirudin wirkt gerinnungshemmend und kann so die Gefahr einer Thrombose mindern. Calin
ruft eine Nachblutung hervor und verlangsamt den Wundverschluss, Hyaluronidase wirkt
schleimauflösend (und damit auch antibakteriell), Egline hemmen Entzündungen. Medizinische
Anwendungsgebiete sind u.a. Verhinderung von Thrombenbildung und Schmerzlinderung. Ver-
schiedentlich werden Blutegel auch in der Transplantationsmedizin eingesetzt.
Abb. 100f zeigt das aufpräparierte Vorderende eines Medizinischen Blutegels, Abb. 100g
die Schneidekante eines Kiefers.
182 Annelida, Ringelwürmer
Die Anneliden sind Bewohner des Meeres, der schlauch, an dem zumindest eine äußere Ring-
Süßgewässer und des Bodens. Sie haben eine se- und eine innere Längsmuskelschicht aus schräg
kundäre Leibeshöhle (Coelom) in Form von oft gestreiften Muskelzellen zu unterscheiden sind.
zahlreichen, hintereinander angeordneten und Er funktioniert zusammen mit der Leibeshöh-
durch Querwände (Dissepimente) voneinander lenflüssigkeit als hydrostatisches Skelet, dessen
getrennten Abschnitten. Diese Segmentierung Wirksamkeit besonders grabende Arten, wie die
oder Metamerie betrifft die Mehrzahl der Or- Regenwürmer, demonstrieren.
gane, sodass der Körper sich aus aufeinander Das Nervensystem der Anneliden ist ein
folgenden Abschnitten (Segmenten, Metame- Strickleiternervensystem. Es besteht aus dem
ren) von mehr oder weniger gleichförmigem Bau im Prostomium über dem Schlund gelegenen
zusammensetzt. Diese Form der Metamerie prägt Gehirn (Oberschlundganglion, Cerebralgang-
sich auch äußerlich durch die an den Segment- lion) und dem paarigen Bauchmark. Die bei-
grenzen verlaufenden Furchen aus, die auch für den Längsbahnen des Bauchmarks entspringen
den Namen Ringelwürmer verantwortlich sind: beiderseits am Gehirn, wenden sich links und
Annelida (von lat. anellus, kleiner Ring). rechts den Schlund umgreifend (als Schlund-
Im typischen Fall sind die Coelomräume konnektive) ventralwärts, um dann zwischen
paarig und werden von einem einschichtigen Darm und ventraler Körperwand eng neben-
Coelomepithel ausgekleidet. Die medianen Sep- einander den Körper von vorn bis hinten zu
ten (Mesenterien) wie auch die Dissepimente durchziehen. Die Perikaryen ihrer Nervenzellen
sind daher aus zwei fest miteinander verwach- sind in jedem Segment in einem Paar von Gan-
senen Epithelien aufgebaut, die nur dort ausein- glien untergebracht, die durch quer verlaufende
ander treten, wo sie Organe wie z.B. den Darm Nerven, die Kommissuren, miteinander ver-
überziehen. Wie der Darm werden auch alle bunden sind. Die Nerven zwischen hintereinan-
anderen in der Leibeshöhle liegenden oder an der liegenden Ganglien werden als Konnektive
sie angrenzenden Organe vom Coelomepithel bezeichnet. Die beiden Ganglien der Segmente
bedeckt. Das periphere, die Körperwand innen entsenden lateral jeweils drei oder vier Seiten-
auskleidende (parietale) Coelomepithel wird nerven zur Körperperipherie. Das Prostomium
als Somatopleura bezeichnet, während man das und, soweit vorhanden, die Antennen werden
zentrale, den Darm umhüllende (splanchnische) von Nerven des Oberschlundganglions versorgt,
Coelomepithel (Coelothel) Visceropleura die Palpen von Nerven der Schlundkonnektive.
nennt. Die Leibeshöhlenflüssigkeit, in der Zel- Die Ausstattung mit Sinnesorganen hängt von
len flottieren, kann durch Öffnungen von einer der Lebensweise ab. Vor allem die freibewegli-
Kammer zur anderen bewegt werden. chen (erranten) Polychaeten haben gut entwi-
Der vorderste Körperabschnitt, das Prosto- ckelte Tast- und Chemoreceptoren. Charakteris-
mium, und der letzte, das Pygidium, sind keine tische Sinnesorgane sind die Nuchalorgane, die
Segmente. Ihnen fehlt zum Beispiel das Coelom. am Hinterrand des Prostomiums als bewimperte
Der Körper wird von einer kollagenhaltigen Areale zu erkennen sind. Bei den Lichtsinnesor-
Cuticula bedeckt; die Epidermis enthält verschie- ganen finden sich von einfachen, im Epithelver-
dene Drüsenzellen. Für die meisten Anneliden band stehenden, einzelligen Ocellen bis hin zu
charakteristische Bildungen der Epidermis sind Linsen- und Komplexaugen alle Augentypen.
die haar- oder hakenförmigen Borsten. Sie beste- Die Ringelwürmer haben ein geschlossenes
hen aus Proteinen und Chitin und werden in der Blutgefäßsystem, dessen Lumen einen schlauch-
Tiefe von epidermalen Einstülpungen (Borsten- förmigen Restraum der primären Leibeshöhle
säckchen, Borstenfollikel) jeweils von einer ein- darstellt und das überwiegend von der Basal-
zigen Borstenbildungszelle erzeugt. Die Borsten membran anschließender Coelomepithelzellen
sind nach Form und Größe sehr unterschiedlich; begrenzt wird. Es setzt sich aus zwei Hauptlängs-
sie dienen der Fortbewegung und dem Schutz. stämmen zusammen, von denen der über dem
Bisweilen sind sie reduziert. Bei den Hirudineen Darm gelegene meist kontraktil ist und das Blut
(Ausnahme: Acanthobdella) fehlen sie ganz. nach vorn treibt (Rückengefäß). Er steht mit dem
Die Körpermuskulatur bildet zusammen mit unter dem Darm liegenden Bauchgefäß über
dem Integument einen kräftigen Hautmuskel- Gefäße in der Darmwand und durch Ringgefäße,
Annelida, Ringelwürmer 183
die in den Dissepimenten verlaufen, in Verbin- entweder durch besondere trichterförmige Aus-
dung. Segmentale, den Längsgefäßen entsprin- führgänge (Gonodukte) oder aber durch die Ex-
gende bzw. in sie mündende Seitengefäße versor- kretionskanäle nach außen befördert. Bei man-
gen mit reichen Capillarnetzen den Hautmus- chen Polychaeten gelangen die Geschlechtspro-
kelschlauch, die Nephridien und Gonaden und dukte durch Aufreißen der Körperwand nach
– bei den Polychaeten – Parapodien und Kie- außen. Bei den Clitellata sind die Gonaden auf
men. Nicht selten sind einige der Seitengefäße bestimmte, maximal vier Segmente beschränkt.
kontraktil (Lateralherzen; s. S. 190). Bei den Die Polychaeten sind meist getrenntge-
Hirudineen ist das Blutgefäßsystem fast immer, schlechtlich, die Clitellaten dagegen ausnahms-
aber in unterschiedlichem Ausmaß rückgebil- los proterandrische Zwitter.
det. Seine Aufgabe wird dann vom röhrenförmig Die Eier furchen sich nach dem Spiraltyp. Die
eingeengten Coelom übernommen. Als Blut- Entwicklung erfolgt direkt oder über eine Meta-
farbstoff fungieren Hämoglobin oder das grüne morphose, bei der eine typische Larvenform, die
Chlorocruorin oder vereinzelt das violette Häme- Trochophora (Abb. 101a), durchlaufen wird.
rythrin. Alle enthalten Eisen. Sie ist von kugeliger, birnen- oder auch walzen-
Vor allem bei Polychaeten sind Kiemen als förmiger Gestalt und mit durchgehendem Ver-
Atmungsorgane entwickelt, während sonst der dauungstrakt ausgestattet. Der Mund liegt vent-
reich durchblutete Hautmuskelschlauch als At- ral, der After terminal. Der Fortbewegung, und
mungsorgan dient. zum Teil auch der Nahrungsaufnahme, dienen
Der Darm durchzieht den Körper meist als Wimperringe. Der auffallendste, der Prototroch,
gerades Rohr. Die Mundöffnung liegt hinter umzieht den Körper äquatorial vor dem Mund,
dem Prostomium, der After im Pygidium. Dif- der schwächere Metatroch verläuft hinter dem
ferenzierungen von Darmabschnitten (Kropf, Mund. Weniger häufig findet sich im Bereich
Kaumagen, Blindsäcke u.a.) kommen in Abhän- des Afters als weiteres Wimperorgan der Te-
gigkeit von der Ernährungsweise vor. lotroch. Der Prototroch gliedert den Körper
Die Exkretionsorgane sind stark gewundene, in eine obere Episphäre und eine untere Hy-
reich mit Blutgefäßen versorgte Kanäle, von posphäre. Die Episphäre trägt am Scheitel ein
denen jedem Segment ursprünglich ein Paar Wimperbüschel und eine Ansammlung von Sin-
zukommt (Metanephridien). Sie beginnen mit nes- und Ganglienzellen (Scheitelplatte), die mit
einem Wimpertrichter (Nephrostom), der, dem einem Nervennetz in Verbindung stehen. In der
hinteren Dissepiment der Coelomräume vorne primären Leibeshöhle liegen paarige Protone-
aufsitzend, sich in die Leibeshöhle öffnet. Das phridien. Aus dieser frei schwimmenden Larve
anschließende Nephridialkanälchen durchsetzt geht der Ringelwurm durch einen Sprossungs-
das Dissepiment, nimmt – von Coelothel über- vorgang hervor. Die beiden links und rechts
zogen – im folgenden Segment seinen windungs- neben dem Anus liegenden Urmesodermzellen
reichen Lauf und mündet dort durch einen seit- teilen sich und liefern zwei ventrale Zellstränge
lichen Porus nach außen. Die Coelomflüssigkeit (Urmesodermstreifen), die sich nach vorn bis
kann als Primärharn betrachtet werden, auch zum Mund schieben und sich dann oft synchron
weil im Coelomepithel Podocyten auftreten. in drei bis sechs Coelomsackpaare gliedern. Die
Diesen Zellen legen sich außen Blutgefäße an. Bildung weiterer Coelomsackpaare erfolgt in ei-
Durch Basallamina und Schlitzmembranen der ner Sprossungszone, die vor dem After liegt. Ein
Podocyten erfolgt eine Ultrafiltration. In den Teil der Episphäre wird als Prostomium und ein
Nephridialkanälchen erfolgt Abscheidung von Teil der Hyposphäre als den After umgebender
Endprodukten des Proteinstoffwechsels (meist Endabschnitt (Pygidium) bei der weiteren Ent-
NH3), aber auch Osmoregulation und Rückre- wicklung zum adulten Tier übernommen. Viel-
sorption von verwertbaren organischen Verbin- fach findet man im Plankton Larven, die schon
dungen und von Wasser. mehrere Segmente ausgebildet haben (Necto-
Die Gonaden werden metamer als flächen- chaeta, Abb. 101b, c).
hafte Bildungen des Coelomepithels angelegt. Daneben kommt, insbesondere bei Clitellata,
Die Geschlechtszellen gelangen nach Platzen eine direkte Entwicklung vor. Aus den Eiern
des Coelothels in die Leibeshöhle und werden schlüpfen Jungtiere; eine planktische Phase fehlt.
184 Annelida, Ringelwürmer
nen. Die Chloragogzellen speichern Fette und Dissepimente, von Samensäcken und Eisäcken,
synthetisieren Glykogen. Sie spielen außerdem auch Samenblasen und Eihälter genannt, auf-
eine Rolle beim Proteinabbau und bilden Harn- genommen und später durch besondere Gänge
stoff und Harnsäure. Sie sind am Eisenstoff- abgeleitet. Diese Ausführgänge beginnen mit
wechsel beteiligt und enthalten das eisenreiche Wimpertrichtern in den die Gonaden beher-
Ferritin und Hämoglobin. Viele Chloragogzellen bergenden Coelomkammern. Zum weiblichen
lösen sich, auch im intakten Tier, ab, flottieren Apparat gehören die Receptacula seminis (Sper-
im Coelom, um später durch die Rückenporen mathecae), kugelige Einstülpungen der Epider-
ausgeschieden zu werden. Zwischen Darmepi- mis, die bei der wechselseitigen Begattung das
thel und Darmmuskulatur verlaufen Blutgefäße. Sperma des Partners aufnehmen und bis zur
Der Enddarm ist meist kurz und einfach gebaut, Eiablage aufbewahren.
der After endständig. Die Entwicklung der Oligochaeten erfolgt di-
Das nahezu völlig geschlossene Blutgefäß- rekt, ohne freies Larvenstadium. Ungeschlechtli-
system entspricht dem des Annelidengrundpla- che Fortpflanzung kommt bei einigen Familien
nes. Das median über dem Darm verlaufende vor.
Rückengefäß ist kontraktil und treibt das Blut Die Oligochaeten leben teils im Süßwasser,
von hinten nach vorn. Es steht über den Darm- teils im Schlamm oder in feuchter Erde; auch im
blutsinus, aus dem es Blut empfängt, mit dem Meer sind sie vertreten.
Ventralgefäß in Verbindung. Im Vorderkörper
können paarige, den Darm umfassende Gefäß-
schlingen eine besonders kräftige Muskulatur Spezieller Teil
ausbilden und so zu Lateralherzen werden,
die das Blut vom Dorsal- zum Ventralgefäß Lumbricus terrestris, Regenwurm
treiben. Weitere bogig verlaufende Adern, die
vom Ventralgefäß entspringen, versorgen Me- Äußere Anatomie
tanephridien und Hautmuskelschlauch, andere
führen – von dem unter dem Bauchmark den Das Vorderende des Körpers ist zugespitzt, das
Körper axial durchziehenden Subneuralge- Hinterende abgerundet und dorsoventral etwas
fäß kommend – dem Rückengefäß Blut zu. In abgeplattet. Die wegen der Cuticula schwach
diese Dorsoparietalgefäße münden Venen aus irisierende Haut ist auf der Dorsalseite dunk-
den Nephridien und Gefäße, die, aus der Haut ler gefärbt als auf der Ventralseite. Die vordere
kommend, sauerstoffreiches Blut führen. Durch Hälfte des Körpers ist zylindrisch, die hintere
Ausbildung weiterer, sowohl längs als auch quer flacht sich zunehmend ab.
verlaufender Gefäße kann das System erheblich Der bis 30cm lange Körper ist in ganzer
komplizierter werden. Meist ist das Blut durch Länge segmentiert. Die Zahl der – maximal
gelöstes Hämoglobin rot gefärbt; es enthält nur 180 – Segmente nimmt mit dem Alter zu; die
wenige Blutzellen. Wachstumszone (Segmentbildungszone) liegt
Atmungsorgane in Form von Kiemen kom- nahe dem Hinterende. Man spricht daher von
men bei Oligochaeten nur vereinzelt vor; Haut- teloblastischer Erzeugung neuer Segmente. Die
atmung ist die Regel. vorderen Ringel sind länger als die übrigen.
Die Exkretionsorgane sind meist typische Dorsal sieht man das meist etwas geschlängelte
Metanephridien. Sie können in einigen der vor- Rückengefäß durchschimmern, ventral – weni-
dersten und hintersten Segmente fehlen; im Üb- ger deutlich – das Subneuralgefäß.
rigen kommt jedem Segment ein Paar zu. Das Vorderende des Körpers wird vom Pros-
Der Geschlechtsapparat der Oligochaeten tomium (Kopflappen) eingenommen. Es durch-
ist zwittrig. Die Gonaden, ursprünglich zwei setzt dorsal das erste Segment, ventral befindet
Paar Ovarien und zwei Paar Hoden, liegen in sich, nahe seinem Hinterrand, die je nach Kon-
bestimmten Segmenten des Vorderkörpers, die traktionszustand unterschiedlich gut erkennbare
Hoden stets vor den Ovarien. Ei- und Samen- Mundöffnung (Sondieren!). Am Hinterende
zellen, die sich unreif aus den Gonaden lösen, liegt im Pygidium die senkrecht verlaufende
werden vorübergehend von Aussackungen der Afterspalte.
I. Oligochaeta, Wenigborster 187
cae) finden. Die nicht immer wahrnehmbaren Dazu, soweit erforderlich, die die einzelnen
Exkretionsporen liegen ganz vorn im Segment, Segmente trennenden Dissepimente durch-
oft unmittelbar in seiner vorderen Grenzfurche, schneiden. Den Hautmuskelschlauch keines-
teils im Zuge der ventralen Borstenpaare, teils falls so weit auseinanderziehen, dass er platt
in dem der lateralen oder noch höher; sie fehlen wie ein Brett dem Boden des Präparierbeckens
den ersten drei Segmenten. aufliegt, da manche Organe dadurch eine un-
Auf der Rückseite sieht man bei gut gestreck- natürliche Lage erhalten oder auch zerrissen
ten Würmern feine Poren in der Medianlinie, werden. Man verwende das Stereomikroskop.
die durch ringförmige Muskulatur verschließ-
baren Rückenporen. Sie liegen in der Tiefe der Die nach unten gerichtete Mundöffnung führt
die Segmente trennenden Furchen, fehlen nur in die Mundhöhle, die nach hinten in den bau-
den vordersten Segmenten und stellen Verbin- chigen, muskulösen Pharynx übergeht. Seinem
dungen der Leibeshöhle mit der Außenwelt dar, Vorderrand liegt dorsal das wegen seiner weißen
durch die Coelomflüssigkeit und in ihr enthal- Farbe auffallende, paarige Cerebralganglion
tene Zellen ausgestoßen werden können, was auf. Zahlreiche Muskelfaserzüge ziehen vom
besonders als Folge einer Reizung (Zwicken mit Pharynx zur Körperwand. Die vorderen sind
der Pinzette, Erwärmung auf 35°C) eintritt. kurz und seitlich gerichtet, die folgenden wer-
den zunehmend länger und ziehen schräg
Präparation nach hinten, wobei sie mehrere Dissepimente
durchsetzen. Durch ihre Kontraktion wird der
• Den Wurm im Becken unter Wasser (bes- Pharynx erweitert und nach hinten gezogen.
ser in 0,43%iger NaCl-Lösung) so aufstecken, Die Wand des Pharynx ist außerdem dicht mit
dass die dunklere Rückenseite nach oben zu kurzen Büscheln von Drüsenzellen besetzt. Ihr
liegen kommt. Sekret ist reich an Schleim (Erleichterung des
• Eine starke Stecknadel an der Grenze vom 1. Schlingaktes), enthält aber auch Amylase und
zum 2. Segment, eine zweite etwas vor dem Proteasen zur Verdauung.
Hinterende einführen. An den Pharynx schließt sich der schlankere
• Den Wurm allmählich so weit ausspannen, Oesophagus an, der etwa vom 7. bis zum 13.
wie es ohne Zerreißen möglich ist. Segment reicht. Sein hinterer Abschnitt (10. bis
• Den Hautmuskelschlauch mit einer feinen 12. Segment) ist beiderseits zu drei Paar weißen,
hochwertigen Schere von vorn her in der reich durchbluteten Kalksäckchen ausgebuchtet,
durch das Rückengefäß angegebenen Mittel- von denen die beiden hinteren die eigentlichen,
linie eröffnen. Dabei den Hautmuskelschlauch Calciumcarbonat ausscheidenden Drüsen, die
mit einer Pinzette anheben, um nicht das Ge- vorderen, die sich in den Darm öffnen, lediglich
fäß oder den unmittelbar darunter liegenden Reservoire sind. Das Innere der Kalkdrüsen ist
Darm anzuschneiden. Besonders vorsichtig durch Gewebelamellen stark untergliedert. Die
beim 3. Segment (Cerebralganglion!) und Lamellen werden von Ionen transportierendem
vom 20. Segment nach hinten sein, da hier der Epithel bedeckt. Der Kalk gelangt in den Darm
Darm dem Hautmuskelschlauch dicht anliegt. und wird mit dem Kot ausgeschieden. Die phy-
Es ist von Vorteil, den Schnitt in der hinteren siologische Bedeutung der Kalkdrüsen ist noch
Körperhälfte etwas seitlich zu führen. nicht völlig geklärt, auf alle Fälle aber sind sie an
• Alternativ folgendermaßen vorgehen: im Be- der Einregulierung eines bestimmten pH-Wertes
reich des 40. Segmentes dorsal einen klei- im Blut und in der Coelomflüssigkeit beteiligt (s.
nen Schnitt quer durchführen und von dort S. 185). Auf den Oesophagus folgen der rundli-
aus den Wurm dorsomedial nach vorn und che Kropf und, unmittelbar daran anschließend,
hinten eröffnen. Diese Vorgehensweise er- der mit einer sehr kräftigen Muskulatur und
möglicht fast immer eine schöne Ansicht des einer starken Cuticula ausgestattete Muskelma-
Cerebralganglions. gen, in dem die aus alten Blättern und anderen
• Die zwei Körperseiten vorsichtig auseinander Pflanzenteilen bestehende Nahrung mithilfe der
biegen und sie seitlich durch schräg einge- gleichzeitig aufgenommenen Sandkörnchen zer-
führte feinere Nadeln feststecken (Abb. 103). rieben wird. Der Mitteldarm, dessen Anfangsteil
I. Oligochaeta, Wenigborster 189
Cerebralganglion
Pharynx
Receptacula seminis
Samenblasen
Borstensäckchen
Kalksäckchen
Kropf
Muskelmagen
Mitteldarm
Dorsointestinalgefäß
Dissepimente
Bauchgefäß Metanephridien
Bauchmark
Subneuralgefäß Längsmuskulatur
Ringmuskulatur
Dorsointestinalgefäß Rückengefäß
Lateralherz
Rückengefäß Dorsoparietalgefäß Oesophagusgefäß
Lateroneuralgefäß Bauchmark
Bauchgefäß Subneuralgefäß Subintestinalgefäß Subneuralgefäß
Ventroparietalgefäß Ventrointestinalgefäße
Abb. 105 Lumbricus. Schema des Gefäßsystems, links im Bereich des Darmes, rechts im Bereich des
Oesophagus
(Ventrointestinalgefäße) aus dem subintestinalen zogen und durch eine Peritonealfalte an der vor-
Gefäß, teilt sich zum Capillarnetz der Darmwand deren Dissepimentwand befestigt; sie fehlen nur
auf und mündet durch die Dorsointestinalge- den ersten drei und den letzten Segmenten. Jedes
fäße ins Rückengefäß. Der zweite Gefäßbogen, Nephridium beginnt mit einem Wimpertrichter
als somatischer bezeichnet, breitet sich mit sei- (Nephrostom), der jedoch nicht in demselben
nen capillaren Verzweigungen vor allem in der Segment wie das zugehörige Exkretionskanäl-
Körperwand aus, steht also unter anderem im chen, sondern in dem davor liegt. Die sehr klei-
Dienst der Hautatmung. Sein zuführendes Ge- nen und flachen Nephrostome sitzen mit kurzem,
fäß ist das ventroparietale, das vom Bauchgefäß verdicktem Hals den rückwärtigen Dissepiment-
entspringt, seine abführenden Gefäße sind die wänden der Coelomkammern im Bereich zwi-
vom subneuralen zum Rückengefäß ziehenden schen Darm und ventraler Leibeshöhlenbegren-
Dorsoparietalgefäße und die aus der Haut zu den zung vorn auf; ihre zum Nephridium führenden
Lateroneuralgefäßen ziehenden Adern. Die vor- Kanälchen durchbrechen das Dissepiment.
dere Körperregion weicht von diesem Schema ab, Die Wimpertrichter muss man bei 20- bis
einmal durch Ausbildung der beiden seitlichen 30facher Vergrößerung des Stereomikroskops
Oesophagusgefäße, besonders aber durch die und guter Beleuchtung (Mikroskopierlampe) im
Einschaltung der Lateralherzen als direkte Ver- Gebiet des Mitteldarms in den Segmenten su-
bindungen zwischen Rücken- und Bauchgefäß. chen, deren Dissepimente wenigstens im basa-
Die Dissepimente sind zarte, gefensterte und len Teil nicht zerstört sind. Man findet die sehr
daher die Körpersegmente nur unvollkommen kleinen Nephrostome (∅ 0,1mm) im Winkel
trennende Wände, die sich am Darm und an der zwischen Darm- und ventraler Körperwand den
Leibeswand anheften und nur den vordersten Dissepimenten vorn aufsitzend.
Segmenten fehlen. Sie entwickeln sich als Du-
plikaturen des Peritoneums, das die ganze Lei-
• Hierfür den Darm vorsichtig zur Seite schie-
ben und mit zwei Nadeln fixieren.
beshöhle auskleidet. In einigen Segmenten der
Oesophagusregion werden sie zu dicken, nach
• Abgelöste Chloragogzellen mit feinem Pipet-
tenstrahl wegspülen.
hinten geneigten, muskulösen Scheidewänden.
In jeder Coelomkammer findet man rechts Der muskulöse Endabschnitt der Nephridial-
und links vom Darm als opake, in Querschlingen kanälchen ist erweitert und wird als Harnblase
liegende Kanälchen die Metanephridien (Seg- bezeichnet. Sie mündet mit dem Exkretionspo-
mentalorgane). Sie sind vom Peritoneum über- rus nach außen.
192 Annelida, Ringelwürmer
Vom Geschlechtsapparat fallen gleich bei der • In die Decke der Samenkapseln ein Fenster
Eröffnung der Leibeswand die drei Paar großen, schneiden und die trübe Spermiensuspension
gelblich-weißen Samenblasen auf; es sind sack- mit der Pipette ausspülen.
förmige Ausstülpungen der Dissepimente in
den Segmenten 9 bis 13; sie umgreifen, wenn sie Man findet mit dem Stereomikroskop die wie
stark entwickelt sind, dorsal den Oesophagus. kurzfingerige Handschuhe aussehenden Hoden.
Sie sitzen der Basis der die Kapsel vorne begren-
• Oesophagus hinter dem Pharynx durch- zenden Dissepimentwand an. Es sind insgesamt
schneiden, mit der Pinzette anheben und zwei Paar Hoden vorhanden, je eines im 10. und
sehr vorsichtig bis zum 12. Segment von sei- 11. Segment. Hinter jedem Hoden liegt einer der
ner Unterlage trennen und abschneiden. großen, flimmernden Samentrichter. Sie sehen
wie Faltenfilter aus und setzen sich nach hinten
Die Samenblasen gehen von taschenförmigen in den Samenleiter fort. Die Samentrichter fallen
Räumen aus, von denen der eine im 10., der durch ihr grelles Weiß auf. Es kommt durch den
andere im 11. Segment unter dem Oesopha- dichten Besatz ihrer Oberfläche mit stark lichtbre-
gus liegt. Es sind dies die sog. Samenkapseln, chenden, reifen Spermien zustande. Der Samen-
Coelomräume, die völlig von den segmentalen leiter durchbricht die gleichfalls von einem Dis-
Coelomkammern „abgekapselt“ sind. In ihnen sepiment gebildete Hinterwand der Samenkapsel
liegen die Hoden und die grellweiß durch die und zieht zunächst schräg, dann geradlinig nach
Kapselwand schimmernden Samentrichter. Das hinten. Die beiden Samenleiter einer Seite verei-
erste und zweite Samenblasenpaar gehen von nigen sich zu einem Kanal, der im 15. Segment
der vorderen Samenkapsel aus (Abb. 106 und den Hautmuskelschlauch durchsetzt und mit der
107), wobei das erste Paar eine nach vorn ge- männlichen Geschlechtsöffnung ausmündet.
richtete Aussackung des Dissepiments 9/10 ist, Die männlichen Geschlechtszellen lösen
das zweite eine nach hinten gerichtete des Dis- sich unreif, in Form mehrkerniger, kugeliger
sepiments 10/11. Von der hinteren Samenkap- Follikel von den Hoden ab, geraten in die Sa-
sel stülpt sich das dritte Paar von Samenblasen menkapsel, dann in die Samenblasen, wo sie
nach hinten zu als Aussackung des Dissepi- Teilungen und ihre Enddifferenzierung durch-
ments 11/12 aus; es kann so groß werden, dass machen. Im Zuge der Teilungen entsteht eine
es noch das ganze Segment 13 durchsetzt. zentrale Cytoplasmamasse (Cytophor), an der
Als Teil des Nervensystems besteht das Bauch- Erdoberfläche abgesetzt. Aufgrund seiner Be-
mark aus zwei Längssträngen, die aber so innig schaffenheit vermag er weit mehr Wasser zu
miteinander verbunden sind, dass sie wie ein speichern als der Boden, in dem die Würmer
einziger Strang erscheinen. Die in der Mitte leben. Die Bedeutung, die Lumbricus terrestris
eines jeden Segments liegenden Ganglien sind und seine Verwandten für die Humusbildung
nicht scharf abgesetzt. Von jedem Ganglion ge- und die Bodenumlagerung haben, kann nicht
hen dicht beieinander zwei Paar Nerven ab, überschätzt werden.
die in den Hautmuskelschlauch übertreten. Ein
drittes, feineres Nervenpaar entspringt weiter
• Es ist eine nicht ganz leichte, aber lohnende
Aufgabe, eines der Metanephridien in gan-
vorn vom Bauchmark, dicht am Dissepiment.
zer Länge herauszupräparieren, das dann in
• Das Bauchmark eine Strecke weit von seiner einem Tropfen 0,43%iger NaCl-Lösung mik-
Unterlage abtrennen. roskopiert wird.
Man sieht das mäßig starke Subneuralgefäß,
• Dazu die Verbindung mit dem Exkretions-
porus durchtrennen. Außerdem den media-
während die ihm rechts und links anliegenden
len, vom Metanephridium durchbohrten Ab-
feinen lateroneuralen Gefäße in Abhängigkeit
schnitt der vorderen Dissepimentwand mit
von der Blutfüllung meist nur streckenweise zu
herausschneiden, um nicht den präseptalen
erkennen sind. In jedem Segment geht vom sub-
Abschnitt mit dem Wimpertrichter zu ver-
neuralen Gefäß rechts und links eines der oben
lieren.
erwähnten dorsoparietalen Gefäße ab, und in
jedem Segment führen ihm zwei von den latero- Man sieht, dass der Wimpertrichter die Form
neuralen Blutbahnen kommende Adern Blut zu. eines abgeflachten Trichters hat, dass das Exkre-
Die Lateroneuralgefäße empfangen ihrerseits tionskanälchen reich von Blutgefäßen umspon-
Blut aus der Haut. nen wird und dass seine einzelnen Abschnitte
Die ersten vier Ganglienpaare sind zum Un- verschiedene Durchmesser haben. Bei frisch
terschlundganglion zusammengerückt. Da- getöteten Tieren ist im Innern des Kanälchens
vor spaltet sich das Bauchmark in die beiden eine lebhafte Flimmerbewegung zu beobachten,
Schlundkonnektive auf, die beiderseits des Pha- die dem Transport der Exkretionsstoffe dient.
rynx zu dem im dritten Segment liegenden Ce- Nicht selten finden sich in dem Kanälchen sehr
rebralganglion (Gehirn) aufsteigen. Das Gehirn kleine, sich lebhaft schlängelnde Nematoden,
ist paarig und weist damit auf seine Entstehung Jugendstadien von Rhabditis pellio, die, wenn
aus zwei getrennten Ganglien hin. Nach vorn sie durch den Tod des Wirtes frei werden, sich
entsendet es zwei relativ starke Nervenpaare, binnen kurzem zu geschlechtsreifen Tieren ent-
die die Sinnesorgane des Prostomiums versor- wickeln.
gen. Von dem unmittelbar unter der Epidermis
liegenden und das ganze Tier durchziehenden
• Ovarien in Wasser oder Glycerin unter dem
Deckglas bei schwacher Vergrößerung be-
Nervenplexus können wir – ebenso wie von den
trachten.
in der Epidermis und im Verlauf von Nerven
liegenden Lichtsinneszellen – nichts erkennen. Die einzelnen Eier sind gut zu erkennen. Ihre
Bildungszone liegt in der am Dissepiment ange-
hefteten Basis des Organs, während fertig ent-
Mikroskopische Betrachtung wickelte Eier seine Spitze einnehmen.
Rückengefäß
Chloragog
Epidermis
Ringmuskulatur
Coelomepithel
Längsmuskulatur
Darmlumen
Coelom
Blutgefäße
des Darmes
Metanephridium
Harnblase
Typhlosolis
Borsten
Abb. 108 Querschnitt durch die Körpermitte vom Regenwurm, Lumbricus terrestris
196 Annelida, Ringelwürmer
sin-Färbung blauen Farbton zu erkennen geben. ten bewegen. Eine weitere Unterbrechung des
Seltener sind die durch das Eosin rötlich gefärb- Hautmuskelschlauches findet sich dorsal, genau
ten, eiweißreichen Sekrete liefernde Drüsenzel- median zwischen den Segmenten.
len. Der Schleim gereizter Regenwürmer enthält In der Darmwand (Abb. 109) lassen sich
einen Schreckstoff. verschiedene Schichten unterscheiden. Innen
Unmittelbar unterhalb der Epidermis liegt, liegt das Darmepithel aus zylindrischen Zellen,
von einer äußerst feinen Basalmembran abgese- die Mikrovilli und Cilien tragen. Zwischen den
hen, die deutlich in zwei Schichten gesonderte resorbierenden Darmzellen finden sich zahl-
Muskulatur. Die äußere Schicht umfasst die reiche bauchige, stärker gefärbte Drüsenzellen.
Ringmuskelzellen, die einzeln in ein lockeres Das Epithel der vorderen Darmregion scheidet
Bindegewebe eingelassen und deren Kerne gut peritrophische Membranen ab. Außen ist das
erkennbar sind. Die Längsmuskelzellen der sehr Darmepithel bedeckt von einer Ring- und ei-
viel dickeren inneren Schicht sind in größerer ner Längsmuskelschicht, die beide sehr dünn
Zahl innerhalb schmaler, durch zarte Bindege- sind. Zwischen ihnen und dem Darmepithel
webssepten getrennte Fächer zweireihig ange- breitet sich das zwischen Rücken- und Bauch-
ordnet. gefäß eingeschaltete Capillarnetz aus. Das den
Die Innenfläche des Hautmuskelschlauches Darm außen umziehende Coelomepithel ist un-
wird vom Coelothel bedeckt. Letzteres umhüllt gewöhnlich hoch; es ist zu Chloragoggewebe
auch die in der Leibeshöhle liegenden Organe. umgebildet.
Obwohl es nur ein flaches Epithel ist, lässt es Zwischen Darm und Bauchgefäß spannt
sich doch sehr gut erkennen. sich ein Mesenterium aus, in dem wir meist
An vier Stellen ist der Hautmuskelschlauch Anschnitte jener Gefäße erkennen, die vom
durch die paarweise angeordneten, leicht S-för- Bauchgefäß zum Capillarnetz der Darmwand
mig gekrümmten Borsten unterbrochen. Sie sit- aufsteigen. Die von diesem Capillarnetz zum
zen in Hauteinstülpungen, den Borstentaschen, Rückengefäß führenden Dorsointestinalgefäße
an denen Muskelbündel ansetzen, die die Bors- und die vom Bauchgefäß und vom Subneuralge-
II. Hirudinea, Egel 197
Epineurale Riesenfasern
Muskulatur II. Hirudinea, Egel
Nerv
Technische Vorbereitungen
Lateroneural-
gefäß
• Zur Untersuchung gelangt Hirudo medicina-
lis, der Medizinische Blutegel. Die Tiere las-
Perikaryen von sen sich in kühl aufgestellten, zugedeckten
Subneuralgefäß Nervenzellen Aquarien sehr lange ohne Fütterung halten.
• Abgetötet werden sie in einem verschließbaren
Abb. 110 Lumbricus. Querschnitt des Bauchmarks. Glasgefäß mit Chloroform, oder, was für die
(Nach K. C. SCHNEIDER)
Untersuchung des Nervensystems vorteilhafter
ist, durch Einlegen in 10%igen Alkohol.
fäß abgehenden Schlingen (Ventroparietal- und • An mikroskopischen Präparaten sind mit Hä-
Dorsoparietalgefäße) werden natürlich nur bei matoxylin-Eosin oder Azan gefärbte Quer-
vereinzelten Präparaten getroffen sein. schnitte der mittleren Körperregion erforder-
Ventral vom Bauchgefäß und ohne mesente- lich.
riale Verbindungen mit ihm liegt das Bauch-
mark (Abb. 110). Seine paarige Natur ist, beson- Lebende Blutegel sind erhältlich bei ZAUG –
ders an Schnitten durch die Segmentgrenzen, Biebertaler Blutegelzucht, Talweg 31, 35444 Bie-
deutlich erkennbar. Im Bereich der Ganglien bertal, können aber auch in vielen Apotheken
sind die beiden Längsstränge dagegen durch bestellt werden.
zahlreiche Querfasern eng aneinander geschlos-
sen. Ventral und lateral sind große, birnenför-
mige Perikaryen von Ganglienzellen zu einer Allgemeine Übersicht
Schicht angeordnet. Dorsal fallen drei sehr di-
cke Nervenfasern auf, die so genannten Rie- Egel sind meist 2–5cm lange, selten bis gut
sen- oder Kolossalfasern, die das Bauchmark 10cm und im Ausnahmefall bis 30cm lange
in ganzer Länge durchziehen. Sie bestehen aus Anneliden. Sie kommen insbesondere in fla-
segmentlangen Einzelstücken, die an schräg chen, ruhigen oder langsam fließenden Süßge-
verlaufenden Synapsen aneinander grenzen. In wässern vor, treten aber auch im Meer auf. In
den Riesenfasern wird die für den Zuckreflex den südostasiatischen und australischen Tropen
verantwortliche Erregung geleitet. Die Leitungs- gibt es sogar terrestrische Formen, die Haema-
geschwindigkeit ist viel höher als in den übrigen dipsidae. Egel sind Räuber oder Ectoparasiten;
Axonen. – Umhüllt wird das Bauchmark vom manche Arten zeigen Übergänge zwischen die-
Coelomepithel und Muskelzellen. sen Ernährungsweisen. Die räuberischen For-
In der Epidermis sind Sinneszellen nur mit men leben von Wirbellosen, die Parasiten be-
besonderen histologischen Methoden darstell- fallen Wirbellose (z.B. Schnecken, Krebse und
bar. Sie treten am Vorderende (vor allem auf Insekten) und Wirbeltiere. Die an Wirbeltieren
dem Prostomium) und am Hinterende gehäuft parasitierenden Formen sind i.a. nicht wirts-
auf. Das gilt im besonderen Maße für die Licht- spezifisch, beschränken sich aber meist auf eine
sinneszellen, die außerdem an den Gehirnner- Wirbeltierklasse, so befallen z.B. die Piscicolidae
ven und im Gehirn selbst zu finden sind. Sie Süßwasser- und Meeresfische.
sind pigmentlos und auch von keiner Pigment- Die Hirudinea sind dadurch gekennzeichnet,
zelle umhüllt. Der Lichtreception dienen Mik- dass ihr embryonal noch annelidentypisch an-
rovilli, die von der Wand eines kugelförmigen gelegtes Coelom nach Rückbildung der Disse-
Binnenraumes der Lichtsinneszellen entsprin- pimente zu einem den ganzen Körper durch-
gen, der auch Binnenkörper oder Phaosom ge- ziehenden System von Längs- und Querkanälen
nannt wird. Er ensteht durch Einfaltung der mit Gefäßfunktion eingeengt wird. Diese Um-
apikalen Zellmembran. wandlung des Coeloms steht in Beziehung zur
198 Annelida, Ringelwürmer
mächtigen Entwicklung des Muskelgewebes, zur hinten verschmelzen Ganglien zu größeren Ge-
Ausdehnung des Bindegewebes und zur speziel- bilden, vorn entsteht ein Gehirn, hinten eine
len Differenzierung der Coelomepithelzellen im Ganglienmasse, das große Caudalganglion, das
Innern des Körpers zu großen Botryoidzellen (S. den hinteren Saugnapf versorgt. Das Gehirn
202). Durch den Besitz zellreicher Gewebe wird besteht aus Ober- und Unterschlundganglion
eine oberflächliche Ähnlichkeit mit den Plathel- (Cerebralganglion). Das Oberschlundganglion
minthes erzeugt, die durch die dorso-ventrale besteht aus einer relativ großen dorsalen An-
Abplattung des Körpers noch verstärkt wird. sammlung von Nervengewebe im Prostomium,
Ferner sind Hirudineen durch das Fehlen von das Unterschlundganglion aus einer ventralen
Borsten (Ausnahme: Acanthobdellida) und den Masse von Nervengewebe, die aus vier ver-
Besitz zweier Saugnäpfe gekennzeichnet. Acant- schmolzenen Ganglien des Bauchmarks hervor-
hobdella besitzt nur einen, den hinteren, Saug- geht. Ober- und Unterschlundganglion sind la-
napf. Der hintere, größere, liegt ventral vom After teral durch die Schlundkonnektive miteinander
und dient nur zum Festheften, der vordere wird verbunden. Das eigentliche Bauchmark besitzt
von der Mundöffnung durchbohrt und dient 21 Ganglien, denen sich das Caudalganglion
daher auch noch der Nahrungsaufnahme. Egel anschließt, das aus sieben verschmolzenen Gan-
bewegen sich, indem sie sich abwechselnd mit glien besteht. Jedes Ganglion des Bauchmarks
einem der beiden Saugnäpfe festheften. besitzt ca. 200 (bei Hirudo ca. 400) Paare recht
Die Zahl der Segmente beträgt außer bei großer Neurone, deren Perikaryen peripher lie-
Acanthobdella stets 32, das Clitellum erstreckt gen. Im Zentrum der Ganglien befindet sich ein
sich über das 10.–12. Segment, ist aber nur zur Neuropil mit Synapsen. Die Perikaryen vieler
Zeit der Eiablage gut erkennbar. Die Epidermis Neurone sind so groß, dass sie ein bevorzugtes
ist sekundär geringelt. Auf ein Segment entfal- Objekt experimentell arbeitender Neurowis-
len 2 bis 14 äußere Ringel. senschaftler geworden sind. In den Ganglien
Die hochprismatische, von einer relativ dün- befinden sich verschiedene sensible Neurone,
nen Cuticula bedeckte Epidermis besteht aus erregende und hemmende Motorneurone und
keratinfilamentreichen Epithelzellen, die die kleine Interneurone. Im Oberschlundganglion
Cuticula bilden und deren kernhaltiger Be- kommen auch neurosekretorische Neurone vor.
reich etwas in die Tiefe abgesenkt ist. In diesen In der Längsrichtung sind die Ganglien durch
Epithelverband sind primäre Sinneszellen und eng beieinander liegende Konnektive verbun-
verschiedenartige, z.T. sehr große Drüsenzellen den. Diese bestehen aus zwei Hauptfaserbün-
eingebaut. Der schlauch- oder birnenförmige deln (bei Hirudo mit je ca. 2800 Nervenfasern)
Zellleib der Drüsenzellen ist oft tief in die Der- und einem kleinen Bündel (Faivres Bündel),
mis bis in den Hautmuskelschlauch verlagert. das ein relativ großes Axon (Rohde-Axon) und
Unter der drüsenreichen Epidermis liegen ca. 100 kleinere Fasern enthält (Abb. 113). Das
die Dermis und in Bindegewebe eingebettete Rohde-Axon dient der schnellen Leitung. Von
Muskulatur, und zwar zu äußerst eine Ringmus- jedem Ganglion gehen auf jeder Seite zwei Sei-
kelschicht, dann eine Schicht mit diagonal sich tenwurzeln mit zahlreichen Nervenfasern aus.
kreuzenden Fasern und nach innen eine starke An Neurotransmittern wurden Acetylcho-
Längsmuskulatur. Diese Muskelschichten bilden lin, biogene Amine (z.B. Serotonin), Glycin,
den kräftigen Hautmuskelschlauch, dem funk- Glutamat und Gaba nachgewiesen. Die Perika-
tionell noch die dorso-ventrale Muskulatur, die ryen der Neurone eines Ganglions bilden sechs
in einzelnen Bündeln vom Rücken zur Bauch- strukturell abgegrenzte Pakete, je ein unpaares
fläche zieht und den Körper abflacht, angehört. vorderes und hinteres Paket, zwei anterolaterale
Diese Muskulatur erlaubt den Egeln vielfältige Pakete und zwei posterolaterale Pakete (Abb.
Körperbewegungen. Die meisten Egel kriechen 113). In jedem Paket befinden sich eine oder
im Allgemeinen spannerartig am Boden von mehrere große Gliazellen.
Gewässern oder auf Steinen und Pflanzen im Egel besitzen verschiedenartige Sinneszellen.
Wasser und können auch schwimmen. Die Lichtsinneszellen gehören zum Rhabdo-
Das Nervensystem der Egel ähnelt grund- mer-Typ und können in Gruppen vorkommen,
sätzlich dem der anderen Anneliden. Vorn und die von becherförmig angeordneten Pigment-
II. Hirudinea, Egel 199
tems werden Capillaren genannt. Sie versorgen Die Harnbereitung erfolgt über mehrere
alle Organsysteme. Weitere morphologische und Schritte: Aus dem ampullären Coelomabschnitt,
funktionelle Details zum hämatocoelomatischen in dem das Ciliarorgan liegt, erfolgt mittels Ul-
System finden sich im Speziellen Teil auf S. 202. trafiltration (Podocyten in der Coelomwand)
Als Atmungsorgan fungiert die Haut. Sie ist die Bildung eines Primärharns in das umge-
unter den Basen der Epidermiszellen von einem bende Bindegewebe. Von hier aus übernehmen
dichten Netz von Blutcapillaren durchzogen. die großen Lappenzellen mit ihren Canaliculi
Die Exkretionsorgane sind abgewandelte die weiteren Schritte der Harnbildung. Sie se-
Metanephridien, die in 10 bis 17 Körperseg- zernieren Salze in den Canaliculus, der, wie
menten zu je einem Paar vorhanden sind. Jedes erwähnt, ein feiner intrazellulärer tubulärer
Nephridium besteht aus dem Wimperorgan (Ci- Raum ist. Wasser aus der Umgebung folgt mit-
liarorgan), dem in matrixreiches Bindegewebe tels Osmose. Der stark hypertone Harn fließt
eingebetteten Nephridialkanal (-tubulus) und in den Zentralkanal. Das Epithel des Zentral-
der Harnblase, die über einen Gang mit der kanals resorbiert einen großen Teil der Salze
Außenwelt verbunden ist. Die Ausmündungs- und ist für Wasser weitgehend undurchlässig
stelle (der Nephridioporus) liegt ventrolateral. (wie die gestreckten Anteile der distalen Tubuli
Das Ciliarorgan liegt in einem erweiterten Ab- der Säugetierniere). Die rückresorbierten Salze
schnitt eines Kanals des hämatocoelomatischen werden über die reich entwickelten Blutcapil-
Systems, der auch Ampulle genannt wird. Es laren wieder abtransportiert. Ein wasserreicher,
entspricht einem zum ampullären Lumen offe- hypoosmotischer Harn erreicht die Harnblase
nen Nephrostom (Wimpertrichter) und kann und kann über den Nephridioporus nach außen
bei einigen Arten in Zwei- oder Mehrzahl vor- ausgeschieden werden. Die Nephridien dienen
liegen. Die Wimpern treiben den Flüssigkeits- also insbesondere der Osmoregulation.
strom im Bereich des Nephridiums an. Im Ge- Die Hirudineen sind Zwitter. Der männliche
gensatz zu den Oligochaeten besteht bei den Geschlechtsapparat besteht aus einer Anzahl
Hirudineen jedoch keine offene Verbindung Hoden (bei Hirudo 9 Paare), die in den mittleren
zwischen dem Ciliarorgan und dem Nephridi- Körpersegmenten paarig und meist metamer
alkanal. Bei manchen Arten besteht zwischen angeordnet sind, und deren kurze Ausführgänge
Ciliarorgan und Nephridialtubulus überhaupt (Vasa efferentia) jederseits in ein nach vorn zie-
keine strukturelle Kontinuität mehr. In der Tiefe hendes Vas deferens münden. Beide Samenlei-
geht der Wimpertrichter in eine eigentümliche, ter wenden sich vorn zur ventralen Mittellinie,
auch in der Ampulle gelegene, unbewimperte um mit einem gemeinsamen Endstück, das bei
Kapsel (= Reservoir) über, in der sich Amöbozy- Gnathobdellida als ein vorstülpbarer Penis aus-
ten befinden. Diese Amöbocyten phagocytieren gebildet ist, auszumünden. Den beiden anderen
in den Körper eingedrungenes Fremdmaterial Gruppen fehlt ein Penis.
und gealterte Coelomocyten. Wahrscheinlich Der weibliche Geschlechtsapparat besteht aus
entstehen hier auch neue Coelomocyten. zwei stets vor den Hoden gelegenen Ovarien,
Der gewundene Nephridialkanal ist von die entweder gemeinsam nach außen münden
einem relativ flachen Epithel begrenzt. In ihn oder kurze Ausführgänge, Eileiter, besitzen, die
münden zahlreiche verzweigte feine Kanälchen sich zu einem muskulösen, sackartig erweiterten
(Canaliculi) ein, die intrazelluläre Gebilde gro- Kanal, der Vagina, vereinigen. Den ausleitenden
ßer Zellen sind, die auch Lappenzellen genannt Gängen der Geschlechtsorgane ist Drüsenge-
werden. Sie umgeben in Gruppen oder kurzen webe angelagert.
Ketten den gewundenen Nephridialkanal, der oft Die Begattung ist wechselseitig. Dabei dringt
auch Zentralkanal genannt wird, weil in ihn die der Penis in die weibliche Geschlechtsöffnung
vielen feinen Canaliculi einmünden. Insgesamt des Partners ein, oder es wird eine Spermato-
besitzt der gewundene Nephridialkanal mit den phore außen an beliebiger oder an bestimmter
ihn umgebenden Lappenzellen ein läppchen- Körperstelle angeheftet (bei Rhynchobdellida
förmiges, an eine Drüse erinnerndes Aussehen. und Pharyngobdellida). Die Spermien gelangen
Eingebettet in diese Gebilde sind viele Capillaren durch die Haut und dann entlang von Gewebs-
des hämatocoelomatischen Systems. lücken zu den Ovarien.
II. Hirudinea, Egel 201
Die Eier werden im Frühjahr in Wasser oder • Mit dem Stereomikroskop in den Grund des
feuchter Erde einzeln oder zu mehreren in Ko- Kopfsaugnapfes schauen.
kons verpackt abgelegt. Der Kokon und sein • Den dreizipfeligen Mund mit der Pinzette et-
eiweißreicher, der Ernährung der Embryonen was auseinander breiten und mit einem Stück-
dienender Inhalt, wird von Hautdrüsen ab- chen Filterpapier den ausgetretenen Schleim
geschieden. Die Jungtiere ähneln den Adulti. abtrocknen.
Manche Hirudineen betreiben Brutpflege, z.B.
Glossiphonia und Helobdella. Man sieht die dreistrahlig angeordneten Kiefer
und die ihrem Rand in einer Reihe aufsitzenden,
kalkhaltigen Zähnchen. An der Bauchseite fallen
Spezieller Teil in der Medianlinie zwei auf kleinen Papillen ste-
hende Öffnungen auf. Es sind die Geschlecht-
Hirudo medicinalis, söffnungen, vorn die männliche, dahinter die
Medizinischer Blutegel weibliche. Hin und wieder werden auch zu
beiden Seiten der Mittellinie die feinen Poren
• Vor dem Töten des Blutegels dessen Fortbe- sichtbar, mit denen sich in gewissen, der inne-
wegung genauer ansehen. ren Metamerie entsprechenden Abständen die
Nephridien nach außen öffnen. Die Öffnungen
Der mit dem hinteren Saugnapf festsitzende werden Exkretionsporen genannt, von ihnen
Egel streckt mit Hilfe einer Kontraktionswelle gibt es 17 Paare. Sie liegen in den Segmenten 6
der zirkulären Muskulatur zunächst den Körper bis 22. Auf dem mittleren Ringel jedes Segments
lang aus, heftet sich mit dem vorderen Saugnapf erheben sich ringsherum feine Sinnespapillen.
fest, hebt dann den hinteren ab und setzt ihn Im 1., 2., 3., 5. und 8. Ringel liegen je ein Paar
unmittelbar hinter dem vorderen an, wobei sich als kleine schwarze Punkte erkennbare Augen
der Körper mit Hilfe einer Kontraktionswelle (Pigmentbecherocellen; Abb. 111).
der Längsmuskulatur verkürzt und krümmt.
Dann löst sich der vordere Saugnapf wieder ab, • Das Tier unter Wasser im Wachsbecken auf
der Vorderkörper streckt sich aus und so fort. den Bauch legen, den hinteren Saugnapf mit
Im Wasser vermögen die Tiere mit schlängeln- einer starken Nadel feststecken, den vorderen
den Bewegungen zu schwimmen. Das Schlän- mit einer zweiten Nadel durchbohren und
geln erfolgt in der Vertikalebene. den Blutegel ganz langsam, soweit es geht, in
die Länge ziehen und diese Nadel dann eben-
• Vor der Präparation die getöteten Tiere mit
falls feststecken.
dem Stereomikroskop betrachten.
• Diese Streckung so lange wiederholen, bis die
Der Körper ist dicht geringelt. Der Vorderkör- äußerste Grenze der Dehnung des Egels er-
per ist schmaler als der hintere Teil des Kör- reicht ist.
pers. Jeweils fünf dieser Ringel (am Vorder- und • Nun den Rücken neben der dorsalen Mittel-
Hinterkörper sind es weniger) entsprechen ei- linie aufschneiden. Dieser Schnitt muss sehr
nem Segment. Rücken- und Bauchseite lassen vorsichtig geführt werden, damit der der dor-
sich leicht unterscheiden. Der Rücken ist mehr salen Körperwand anhaftende Darm nicht an-
gewölbt, von grünschwarzer Farbe und durch geschnitten wird. Entweder ein sehr scharfes,
gelb- oder rotbraune Längsstreifen geschmückt, vorn abgerundetes Präpariermesser benutzen
von denen sich zwei an der Seite, zwei etwas oder eine feine Schere. Stets ganz oberfläch-
dunklere auf dem Rücken finden. Die Zeich- lich schneiden, um ein Verletzen des Darmes,
nung des Blutegels ist sehr variabel. Die fla- was sich meist sofort durch starken Bluterguss
chere Bauchseite ist heller gefärbt, grünlich bemerkbar macht, zu vermeiden.
oder bräunlich. Egel können unter dem Einfluss • Ist der Längsschnitt ausgeführt, zunächst
neuroendokriner Faktoren ihre Farbe wechseln. sehr vorsichtig mit der Schere, unter Zuhil-
An den beiden Körperenden findet sich je ein fenahme der Pinzette, die Körperhaut der
Saugnapf, der größere am Hinterende, der klei- einen, dann die der anderen Seite freipräpa-
nere, eher löffelförmige, am Kopf. rieren und feststecken.
202 Annelida, Ringelwürmer
Ist die Präparation gut gelungen, so sieht man Wiegemesser bewegt werden, gegen die Haut.
den unversehrten Darmtrakt in voller Ausdeh- Die rasch eingesägte Wunde ist dreistrahlig.
nung (Abb. 112). Am Grund des Mundsaug- Zwischen den Zähnchen der Kiefer münden
napfes befinden sich die drei Kiefer. Sie wer- die großen, schlauchförmigen in die Pharynx-
den von Muskeln bewegt, die nach hinten zur muskulatur eingebetteten Speicheldrüsenzellen.
Körperwand ausstrahlen. Unmittelbar hinter Sie sondern Sekrete ab, die die Blutgerinnung
dem oberen Kiefer liegt das Oberschlundgan- hemmen, die Wundränder betäuben und den
glion (Cerebralganglion), das dem Anfangsteil Blutzustrom zur Einschnittstelle vermehren.
des muskelstarken Pharynx aufliegt. Der Pha-
rynx ist ein kurzes, zylindrisches, vom vierten • Bevor man den Darm entfernt, das seiner
bis zum siebten Segment reichendes Rohr, von dorsalen Mittellinie aufliegende Dorsalgefäß
dessen Wandung zahlreiche Muskeln zur Lei- beachten, das rotes Blut enthält.
beswand ziehen. Sie bewirken eine Erweiterung • Den Darm sehr vorsichtig von seiner Un-
des Pharynx und damit ein Ansaugen, während terlage ablösen und herausnehmen. Die Prä-
die in der Wand des Pharynx liegende Ringmus- paration sehr sorgfältig durchführen, da der
kulatur als Antagonist wirkt. Darm an der Bauchseite stark festhaftet. Am
Der auf den Pharynx folgende Darm gliedert besten zum Abtrennen eine Schere verwen-
sich in zwei Abschnitte. Der erste, der dünn- den und vom Enddarm aus beginnen.
wandige Magen, bildet zehn Paar Blindsäcke,
von denen das letzte Paar sehr lang ist und Das hämatocoelomatische Kanalsystem, das
den Hinterdarm zu beiden Seiten flankiert. Der funktionell ein Blutgefäßsystem ist und in des-
zweite Abschnitt, der Hinterdarm, schwillt an sen Lumen gerichtet Blutflüssigkeit fließt, ist
seinem Ende zu einem Enddarm an und mündet erstaunlich komplex aufgebaut, was am besten
dorsal vom hinteren Saugnapf mit dem After durch latexinjizierte Korrosionspräparate an-
aus. Der Magen hat längs gestellte, der Hinter- schaulich gemacht wird. Im Blut gelöst kommt
darm quer gestellte Schleimhautfalten; der End- Hämoglobin vor, das etwa zur Hälfte am Sau-
darm ist glatt. Bei einem Saugakt können bis zu erstofftransport beteiligt ist. Das Hämoglobin
15 ml Blut aufgenommen werden, das ist das verleiht dem Blut eine rötlich-braune Farbe, die
Sieben- bis Neunfache des Körpergewichts. Eine das Erkennen der hämatocoelomatischen Ka-
Nahrungsaufnahme pro Jahr genügt. Das Blut näle erleichtert.
wird im Magen eingedickt und dort monatelang Zunächst sieht man drei weite Kanäle, die von
gespeichert. Es gerinnt nicht, geht auch nicht in vorn nach hinten ziehen, zwei seitliche Lateral-
Fäulnis über und wird nur sehr langsam verdaut kanäle und einen ventralen Kanal, welcher das
und resorbiert. Verantwortlich dafür sind das Bauchmark umschließt. Diese Kanäle und die
von den großen Speicheldrüsenzellen sezernierte von ihnen abzweigenden Äste mit ihren Capil-
blutgerinnungshemmende Hirudin und bakte- laren (siehe unten) sind die schlauchförmigen
riostatische und eiweißspaltende Stoffe, die vom Reste der Coelomhöhlen, die bei den meisten
symbiotischen Bakterium Pseudomonas hirudi- Hirudineen infolge der mächtigen Ausbildung
nicola geliefert werden, das den Darm des Blut- von Binde- und Muskelgewebe sowie des Bo-
egels besiedelt. Parasitische Egel können lange tryoidgewebes zurückgebildet sind. Die Botryo-
Zeit fasten, Hirudo medicinalis kann eineinhalb idzellen sind i.a. braunpigmentierte große Zellen,
Jahre ohne Nahrungsaufnahme leben. die oft zusammen mit flachen Endothelzellen das
Lumen von kleinen Zweigen und Capillaren des
• Einen Kiefer abschneiden. hämatocoelomatischen Systems begrenzen. Die
Botryoidzellen sind also hochspezialisierte v.a.
Bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung nährstoffspeichernde Coelomepithelzellen.
lassen sich die etwa 80–100 Calcitzähnchen er- Die Lateralkanäle haben eine muskulöse
kennen, die dem bogigen Kieferrand senkrecht Wand, besitzen Herzfunktion und werden daher
aufsitzen. Bei der Nahrungsaufnahme saugt sich auch Röhrenherzen genannt. Sie treiben das
Hirudo mit dem Mundsaugnapf fest und presst Blut von hinten nach vorn. Jedes Lateralgefäß
dann die Kiefer, die durch Muskulatur wie ein hat pro Körpersegment ein neurogenes Erre-
II. Hirudinea, Egel 203
Abb. 112 Situs von Hirudo medicinalis. a Magen in seinem hinteren Teil sowie Hinter- und Enddarm teil-
weise aufgeschnitten. b nach Entfernen des Darmes
204 Annelida, Ringelwürmer
gungszentrum im zugehörigen Ganglion des ein kurzer Kanal (Vas efferens) zu den seitlich
Bauchmarks, von dem aus jedes Segment bei liegenden Ausführgängen, den beiden Vasa de-
21°C 6–15 Impulse pro Minute erhält. ferentia (Samenleiter), die den Samen nach vorn
Vom Lateralkanal gehen in einem Segment führen, dort durch Verknäuelung die beiden
in regelmäßigen Abständen drei hämatocoelo- Samenblasen bilden und von den beiden Seiten
matische Kanäle ab (Abb. 113 e): a) Ein latero- her als Ductus ejaculatorii in den unpaaren Pe-
ventraler Kanal, der sich in einen vorderen nis münden, der in einer Penistasche verborgen
und hinteren Ast verzweigt. Die terminalen Ab- liegt. An der Basis des Penis liegt eine drüsige
schnitte dieser zwei Äste aus der linken und Anschwellung, die so genannte Prostata.
rechten Körperhälfte treffen sich im Bereich der Im Segment hinter dem Penis liegen die bei-
ventralen Mittellinie und bilden die sogenannte den Ovarien, deren Ausführgänge, die Ovidukte,
ventrale rhomboide Kommissur. Diese kleinen sich zur sackförmigen Vagina vereinigen, die,
Kanäle versorgen u.a. die Samenleiter, die Ne- wie wir schon bei der äußeren Betrachtung des
phridien, die Harnblase und die ventrale Haut. Tieres gesehen haben, hinter der männlichen
b) Ein kontraktiler latero-dorsaler Kanal, der Geschlechtsöffnung ausmündet.
nach dorsal zieht und mit dem entsprechenden Die 17 Paar Segmentalorgane oder Nephri-
kontralateralen Kanal die latero-dorsale Kom- dien liegen streng metamer. Sie fehlen nur den
missur bildet. Es versorgt u.a. die dorsale Haut vordersten und hintersten Segmenten. Jedes Ne-
und den Darmtrakt. c) Ein latero-lateraler Ka- phridium besteht aus einem stark geknäuelten,
nal, der u.a. die Muskulatur und die Haut der dünnen Schlauch, der blind beginnt und sich
Körperseiten versorgt. am anderen Ende zu einer ansehnlichen Blase,
Im Verlauf der Seitenkanäle sind segmental der Harnblase, erweitert, von der ein kurzer
kräftige muskuläre Sphinkter ausgebildet, die Gang nach außen führt. In den Hoden tragen-
mithilfe lupenoptischer Präparation gut erkannt den Segmenten liegt das in der Ampulle be-
werden können. An den Abzweigungen der Sei- findliche Ziliarorgan dem Hodenbläschen un-
tenkanäle sind Sphinkter und Klappen ausge- mittelbar auf.
bildet, die den unidirektionalen Blutfluss ga- Vom Nervensystem war bereits das dorsal
rantieren. Das Blut der latero-lateralen und der vom vorderen Teil des Pharynx liegende Ober-
latero-dorsalen Kanäle fließt in den Seitenkanal. schlundganglion oder Cerebralganglion zu se-
Andersherum fließt Blut aus dem Seitenkanal in hen. Nunmehr kann man auch das im ventralen
den latero-ventralen Kanal. Im Kopfbereich und Blutkanal eingebettete Bauchmark verfolgen.
im Bereich des kaudalen Saugnapfes sind die Deutlich sind in jedem Segment die Bauchgan-
großen Längsgefäße miteinander verbunden. glien zu sehen. Das erste von ihnen entspricht
Der ventrale Kanal versorgt über zwei ab- mehreren verschmolzenen Ganglien und wird
zweigende Äste und deren Capillaren v.a. dor- als Unterschlundganglion bezeichnet. Hier spal-
sale und ventrale Haut, Nervensystem und auch tet sich das Bauchmark zu zwei Schlundkonnek-
die Nephridien. tiven auf, die, den Vorderdarm umgreifend, dor-
Der Dorsalkanal verläuft leicht geschlängelt salwärts zum Oberschlundganglion ziehen.
entlang der Mittellinie des Verdauungstraktes.
Ihm fehlt Muskulatur in der Wand. Von im
• Mikroskopische Präparate, Querschnitte durch
die mittlere Körperregion eines Blutegels
zweigen Seitenäste ab, die z.B. zur Darmwand
betrachten (Abb. 113). Empfohlen werden
und zur Haut ziehen.
H.E.-, Azan-, PAS- und mit Alcianblau ge-
Jetzt sind auch die Geschlechtsorgane zu
färbte Schnitte.
erkennen, von denen zunächst die neun Paar
Hoden als helle, rundliche, segmental angeord- Außen liegt eine sehr dünne Cuticula, die von
nete Bläschen auffallen. Von jedem Hoden geht der darunter liegenden Epidermis abgeschieden
Abb. 113 a Querschnitt durch die Körpermitte von Hirudo medicinalis; b histologischer Aufbau der Kör-
perwand; c Querschnitt durch ein Ganglion des Bauchmarks; d Querschnitt durch die Längsstränge des
Bauchmarks zwischen zwei Ganglien; e Haemocoelomatisches System
II. Hirudinea, Egel 205
206 Annelida, Ringelwürmer
worden ist. Die Epidermis ist ein einschich- im Zentrum befindet sich ein komplexes Neuro-
tiges Epithel ziemlich hoher, kolbenförmiger pil mit Synapsen.
Zellen, die nur mit ihren apikalen Abschnitten Rechts und links vom Bauchmark findet man
aneinander schließen. Zwischen ihnen münden bei einzelnen Präparaten Querschnitte der Ho-
große, in die Tiefe verlagerte Drüsenzellen, den, an der Gestalt und Färbung der Samen-
teils lange schlauchförmige Schleimdrüsen, teils zellen leicht kenntlich, die in verschiedenen
sackförmige seröse, was sich durch ihre unter- Entwicklungsstadien und zu Haufen vereint in
schiedliche Färbung zu erkennen gibt. Unter der ihnen liegen. Weitgehend ausgereifte Spermien
Epidermis liegt kollagenreiches Bindegewebe, in lagern sich in größerer Zahl mit ihren noch
dem Pigmentzellen mit verzweigten Fortsätzen rundlichen Köpfen einer kernlosen Cytoplas-
vorkommen. Sie sind dorsal häufiger als ventral. mamasse, die Cytophor genannt wird, eng an.
Es folgt die mächtig entwickelte Muskulatur, Solche Assoziationen sehen aus wie blumenför-
die in zwei Hauptschichten gegliedert ist. Außen mige kleine Haufen dicht zusammengelagerter,
liegt die in drei durch Bindegewebe geschiedene kräftig gefärbter kleiner Kugeln. Kernteilungs-
Lagen angeordnete Ringmuskulatur, innen die figuren sind in nicht gezielt gesammeltem Ma-
mächtige Längsmuskelschicht, die durch dor- terial nur selten zu finden. Vom Hodenbläschen
soventrale Muskelzüge geteilt wird. Zwischen geht mit bewimpertem Anfangsstück ein Vas
Ring- und Längsmuskelschicht finden sich au- efferens ab. Auch die geknäuelten Ausführgänge
ßerdem noch schräg verlaufende Muskelzellen, der Hoden sowie die Querschnitte der zumeist
sodass der Körper nach verschiedenen Richtun- dickwandigen, seitlich von ihnen liegenden Sa-
gen gestreckt, zusammengezogen und abgeplat- menleiter sind deutlich sichtbar. Die vielgestalti-
tet werden kann. Die Muskelfilamente liegen gen, teilweise von Blutcapillaren umsponnenen
in der Peripherie der Muskelzellen, die daher Gebilde, die wir seitlich von den Hoden sehen,
kräftig angefärbt ist. Zwischen den Muskelzellen sind Anschnitte der Nephridien, deren Aufbau
befindet sich kollagen- und proteoglykanreiches nur durch eingehenderes Studium einer Schnitt-
Bindegewebe, das auch die im Inneren der Tiere serie erkannt werden kann. Das Gleiche gilt
liegenden Organe umgibt. für die eventuell angeschnittenen Ampullen, die
In der Mitte des Präparates erkennt man den den Hoden dorsal anliegen und die Ciliaror-
geräumigen Magen, zu dessen beiden Seiten gane (Wimpertrichter) bergen (Abb. 113). Die
die Querschnitte der Magenblindsäcke liegen. Metanephridien bilden vor ihrer Ausmündung
Das Magenepithel ist stark gefaltet. Bei Tieren, relativ große Harnblasen, die oft leer sind und
die lange gehungert haben, ist das Magenlumen wegen der kollabierten Wände einen bizarren
kollabiert. Umriss aufweisen können.
Außerdem sind die Querschnitte der stark-
wandigen Lateralkanäle sichtbar (Abb. 113 e),
ferner der Rückenkanal und der ventrale, der
das Bauchmark umgibt. Innerhalb vom Haut- III. Polychaeta, Vielborster
muskelschlauch liegt ein Netzwerk von Capilla-
ren des hämatocoelomatischen Systems, deren
Wandungen vielfach aus großen Botryoidzellen Technische Vorbereitungen
mit gelben, braunen oder grünbraunen Körn-
chen besteht. Sie sind Nährstoffspeicher und • Es werden gut fixierte Exemplare von Nereis
wohl auch an der Exkretion beteiligt. pelagica und mit Boraxkarmin gefärbte (oder
Das Bauchmark zeigt, falls der Schnitt nicht auch ungefärbte) Präparate von Einzelseg-
ein Ganglion getroffen hat, seine Zusammen- menten verwendet.
setzung aus zwei Längsstämmen, zu denen in
etwas tieferer Lage noch eine dritte, feinere, als
Mediannerv bezeichnete Bahn kommt. Allgemeine Übersicht
In den kennzeichnend aufgebauten Ganglien
(s. vorn und Abb. 113) liegen die Perikaryen der Die Polychaeta sind in vieler Hinsicht ursprüng-
Neurone in insgesamt sechs Paketen peripher, licher als die Clitellata. Das gilt besonders für
III. Polychaeta, Vielborster 207
Errantia, zu denen auch Nereis pelagica ge- senterium) in seiner Lage gehalten. Der After
hört, während die Sedentaria aufgrund ihrer liegt terminal im Pygidium.
ortsgebundenen oder festsitzenden Lebensweise Das Nervensystem ist ein Strickleiternerven-
viele sekundäre Abweichungen erfuhren. Die system. Die Mannigfaltigkeit der Lichtsinnes-
Polychaeten sind fast ausnahmslos Meeresbe- organe ist sehr groß (s. S. 182), relativ hoch ent-
wohner. wickelte Linsenaugen sind weit verbreitet. Auch
Die Errantia sind lang gestreckte, im Quer- die Organe des mechanischen und chemischen
schnitt mehr oder weniger runde Anneliden mit Sinnes sind vielgestaltig und immer vorhanden.
wohl ausgeprägter innerer und äußerer Segmen- Selten finden sich Statocysten. Vor allem die
tierung mit zahlreichen, in Bündeln angeordne- Cirren und die Anhänge des Kopfes sind reich
ten Borsten, die in lateralen, oft stummelfußar- an Sinneszellen und Sinnesorganen.
tigen Anhängen, den Parapodien, inserieren. Das Blutgefäßsystem ist geschlossen und
Die Segmentierung ist in vielen Fällen fast meist gut entwickelt. Es besteht im Wesentli-
rein homonom, d.h., fast alle Segmente sind chen aus zwei Hauptstämmen, dem Rückenge-
gleichartig ausgebildet (Errantia). Bei anderen fäß und dem Bauchgefäß, die durch segmental
Gruppen kommt es zur Ausbildung von Tag- angeordnete, in der Körperwand verlaufende
mata (heteronome Segmentierung; Sedentaria). Schlingen sowie durch Gefäßnetze in der Darm-
Die Parapodien mit den Borstenbündeln hel- wand miteinander in Verbindung stehen. Das
fen durch Stemmbewegungen bei der Fortbe- Rückengefäß ist konktraktil und treibt das Blut
wegung, die im Wesentlichen eine schlängelnde von hinten nach vorn, während es im Bauchge-
ist. In der Regel trägt jedes Segment ein Para- fäß nach hinten fließt.
podienpaar, wodurch die äußere Segmentierung Die Atmung erfolgt durch die Haut, oft auch
noch deutlicher betont wird. Die Form der Pa- durch Kiemen, zarthäutige Ausstülpungen, die
rapodien ist recht verschieden. Als Norm kann an der Basis der Notopodien sitzen.
gelten, dass von einem gemeinsamen Stamm ein Die Exkretionsorgane sind in der Regel Meta-
dorsaler und ein ventraler Borsten tragender Ast nephridien (Segmentalorgane), die paarweise in
(Notopodium und Neuropodium) entspringen. jedem Segment auftreten können. Ihre Wimper-
Reduktionen und Umbildungen sind nicht selten, trichter öffnen sich wie bei den Oligochaeten
besonders am Notopodium. Häufig entspringen unter Durchbohrung des Dissepiments in der
von den Parapodien fühlerartige Anhänge (Para- nächstvorderen Coelomkammer. Doch sind auch
podialcirren), die Rücken- und Bauchcirren. Protonephridien nicht selten. Ihre Terminalor-
Die Körperwand besteht aus einer einschich- gane (Solenocyten) tragen einen langen, röhren-
tigen Epidermis, die eine dünne, aus Protei- förmigen Fortsatz, in dem eine Geißel schwingt.
nen und Polysacchariden aufgebaute Cuticula Sie münden in die Nephridialkanälchen.
ausscheidet, und Ring- und Diagonalmuskula- Die Geschlechtsorgane entstehen im Coelom-
tur sowie einer in 4 Längsbändern gegliederten epithel und können in fast allen Segmenten
Längsmuskulatur. ausgebildet sein. Nahezu ausnahmslos sind die
Das geräumige Coelom wird durch meist Polychaeten getrenntgeschlechtlich. Die Ge-
wohl ausgebildete Dissepimente (Septen), deren schlechtsprodukte gelangen durch Bruch der
Lage den äußeren Segmentgrenzen entspricht, Körperwand, durch Abschnürung eines hinteren
in Kammern unterteilt. sie enthaltenden Körperstückes oder – das ist am
Der Darmkanal beginnt mit der etwas vent- häufigsten der Fall – durch spezielle Ausführ-
ral verschobenen, vom Prostomium überdach- gänge ins Freie. Die Ausführgänge beginnen mit
ten Mundöffnung. Der darauf folgende Pharynx einem großen (Genital-)Trichter, der entweder
ist oft vorstülpbar und mit Zähnen und Kiefern direkt nach außen mündet oder – was die Regel
(vorwiegend aus gegerbten Proteinen) bewehrt. ist – mit einem Segmentalorgan verschmilzt, so-
Der Darm verläuft meist geradlinig nach hinten, dass die Geschlechtsprodukte durch den Exkre-
selten ist er gewunden oder mit segmentalen tionskanal ausgeleitet werden (Nephromixien).
Blindsäcken ausgestattet. Er wird ursprünglich Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung gibt
durch ein dorsales und ein ventrales, aus dem es bisweilen eine ungeschlechtliche. Als Larven-
Coelomepithel entstandenes Aufhängeband (Me- form tritt die Trochophora (Abb. 101a) auf.
208 Annelida, Ringelwürmer
Rückencirrus Durchschnittene
Körperwand
Notopodium
Borsten
Neuropodium
Bauchcirrus
Abb. 115 a Parapodium von Nereis pelagica b Querschnitt durch die Borste eines Anneliden (Transmissi-
onselektronenmikroskopisches Bild)
Notopodium
Acicula Coelom
Neuropodium
Abb. 116 Nereis. Schematischer Querschnitt. Rechts die Hauptstämme des Butgefäßsystems einge-
zeichnet (schwarz), links Borsten und Muskeln des Parapodiums sowie ein Metanephridium
Im Übrigen zeigt der Querschnitt die rela- Vom Blutgefäßsystem sind mindestens die
tiv dünne Ringmuskulatur und die mächtige beiden Hauptgefäße, das Rücken- und das
Längsmuskulatur des Hautmuskelschlauches. Bauchgefäß sichtbar. Schwerer zu erkennen sind
Die Ringmuskulatur findet seitlich durch die das Gefäßnetz der Darmwand und die vom
Parapodien eine Unterbrechung, die Längsmus- Bauchgefäß abgehenden segmentalen Schlingen,
kulatur ist in vier Bänder aufgeteilt (Abb. 116). die Zweige in die Parapodien entsenden.
In der Mitte der geräumigen Leibeshöhle Schließlich stellt man noch fest, dass das ven-
(Coelom) liegt der Darm. Die Leibeshöhle wird tral in der Mittellinie gelegene Bauchmark sich
durch schräg verlaufende Muskelzüge (Trans- aus zwei dicht nebeneinander liegenden Längs-
versalmuskeln), die dicht neben der ventralen stämmen zusammensetzt.
Mittellinie beginnen und schräg nach außen Bisweilen wird die Leibeshöhle von Eiern
und oben ziehen, in eine zentrale „Darmkam- oder Spermien ausgefüllt, die sich von den Go-
mer“ und die beiden seitlich unten liegenden naden abgelöst haben und frei in der Leibes-
„Nephridienkammern“ aufgeteilt, in denen die höhle flottieren, bevor sie nach außen gelangen.
Nephridien – auf diesen dicken Querschnitten
allerdings nur undeutlich – zu erkennen sind.
Arthropoda, Gliederfüßer
Die Arthropoden sind der artenreichste Tier- genden Epidermis abgeschieden wird. Bei den
stamm – etwa drei Viertel der bekannten Arten Crustacea enthält sie oft Einlagerungen aus Cal-
gehören ihm an. Es gibt nur wenige Lebens- ciumcarbonat. Die Cuticula ist dort, wo beweg-
räume, die nicht von Arthropoden erobert und liche Teile aneinander grenzen, also zwischen
– zum Teil in ungeheurer Anzahl – besiedelt freien Segmenten (als Intersegmentalhaut) und
wurden. an den Gelenkstellen der Extremitäten und Flü-
Arthropoden und Anneliden haben so viele gel (als Gelenkhaut), zum Teil auch an den Kör-
Baueigentümlichkeiten gemeinsam, dass sie perflanken weichhäutig und biegsam, sonst aber
auch als Articulata zusammengefasst werden. elastisch-hart und sklerotisiert. Sie schützt den
Die gemeinsamen Baueigentümlichkeiten sind: Körper vor Verletzungen durch mechanische
1. Metamerie, das heißt Aufbau des Körpers und chemische Eingriffe, gibt ihm als Exoskelet
aus hintereinander liegenden Segmenten, 2. Form und Halt und dient einer überaus vielfälti-
dorsales, kontraktiles Längsgefäß, 3. ventral ge- gen quergestreiften Muskulatur zum Ansatz.
legenes Strickleiternervensystem. Allerdings ist Selbst die unsklerotisierten Teile der Cuti-
die Metamerie der Arthropoden im Vergleich cula sind nur beschränkt dehnungsfähig. Eine
zu den Anneliden innerlich stark verwischt, Größenzunahme, ein Wachstum also, und auch
da die während der Entwicklung auftretenden eine Veränderung der Körpergestalt, können
Coelomräume frühzeitig untereinander und mit daher nur im Zusammenhang mit hormonre-
den Resten der primären Leibeshöhle zu einem gulierten Häutungen erfolgen. Die alte Cuticula
einheitlichen Hohlraum, dem Mixocoel, ver- platzt entlang von Häutungsnähten und wird
schmelzen. abgestreift. Schon vorher war darunter von der
Die äußere Segmentierung ist dagegen fast Epidermis eine neue, erst noch unsklerotisierte,
immer deutlich. Sie ist heteronom, das heißt, größere und daher an vielen Stellen in Falten
die Segmente (= Metameren) sind gruppen- liegende farblose Cuticula abgeschieden wor-
weise voneinander verschieden, innerhalb der den. Durch Luft- oder Wasserschlucken wird sie
Gruppe jedoch gleichartig. Die Segmente der nach dem Abstreifen der alten Cuticula geglättet
auf diese Weise entstehenden Körperabschnitte und ausgefüllt. Danach setzt der einige Stun-
(Tagmata) können miteinander verschmolzen den dauernde Sklerotisierungs- und Pigmentie-
sein. Immer ist das Vorderende des Körpers rungsprozess ein.
durch ein Tagma aus fest miteinander verbun- Die Wand der Rumpfsegmente setzt sich zu-
denen Segmenten gekennzeichnet. Es wird je sammen aus einer Rückenplatte, dem Tergum,
nach seiner Ausgestaltung als Kopf, Prosoma und einer Bauchplatte, dem Sternum. Tergum
oder Cephalothorax bezeichnet. Der daran an- und Sternum sind an den Seiten durch eine
schließende Rumpf kann einheitlich sein, meist weichhäutige Membran, die Pleura, miteinan-
aber ist er in zwei Körperteile unterteilt, am häu- der verbunden. Ventrolateral in der Pleuralre-
figsten in Thorax und Abdomen. Dem Prosto- gion sind (soweit vorhanden) die Extremitäten
mium der Anneliden entspricht das Acron, dem eingelenkt. Im Bereich des Thorax sind fast
Pygidium das Telson. immer auch die Seitenwände sklerotisiert. Man
Das namengebende Merkmal der Arthropo- bezeichnet sie dann (im Singular) als Pleurum.
den sind die gegliederten Extremitäten. Sie die- Durch Furchen abgegrenzte Bezirke oder auch
nen als Beine der Fortbewegung, als Mundwerk- Teilstücke der Rücken-, Bauch- und Seitenplat-
zeuge der Nahrungsaufnahme und als Antennen ten tragen die Bezeichnung Tergit, Sternit und
und Cerci verschiedenen Sinnesleistungen. Pleurit.
Der Körper der Arthropoden ist umhüllt von Das Zentralnervensystem besteht aus einem
einer Cuticula, die aus einem Chitin-Protein- über dem Schlund gelegenen Gehirn und einem
Komplex besteht und von einer darunter lie- Bauchmark aus hintereinander liegenden, paari-
Arthropoda, Gliederfüßer 211
gen Ganglien, die durch Konnektive miteinander der Leibeshöhle ein. Echte Venen treten über-
verbunden sind. Häufig zeigt sich eine Tendenz haupt nicht auf. Bei sehr kleinen Arthropoden
zur Verschmelzung der Ganglienpaare aufein- können alle Gefäße, bisweilen sogar das Herz,
ander folgender Segmente. Sie tritt namentlich völlig rückgebildet sein.
dann ein, wenn sich die Segmente selbst zu ei- Die meisten Arthropoden haben lokalisierte
nem einheitlichen Tagma vereinten. Das Gehirn Atemorgane. Sie sind bei den primär das Was-
der Arthropoden ist komplizierter als das der ser bewohnenden Arten als Kiemen, bei Land-
Anneliden. Es handelt sich um ein Komplexge- formen als Tracheen oder als Fächerlungen aus-
hirn, an dessen Aufbau die Ganglien dreier Seg- gebildet. Sekundäre Wassertiere besitzen meist
mente beteiligt sind. Der erste Gehirnabschnitt, Tracheen.
das Protocerebrum, besteht aus dem Ganglion Der Darm ist gestreckt oder gewunden, trägt
des Acrons (Archicerebrum) und des ersten Seg- oft blindsackförmige Anhänge und besteht
ments (Prosocerebrum). Er ist das Assoziations- aus einem ectodermalen Vorder- und Hinter-
zentrum des Gehirns und enthält die Sehzent- abschnitt und dem entodermalen, oft nur ein
ren, von denen aus die Augen innerviert werden. Drittel oder weniger der gesamten Darmlänge
Es folgen Deuto- und Tritocerebrum. Von ih- ausmachenden Mitteldarm, in den häufig eine
nen werden die ersten und zweiten Antennen umfangreiche Mitteldarmdrüse mündet.
innerviert. Als Exkretionsorgane fungieren bei einem
Die höhere Organisation der Arthropoden Teil der Arthropoden Metanephridien. Sie sind
zeigt sich sehr deutlich auch in der Vielheit und meist nur in einem oder höchstens zwei Paa-
Vollkommenheit ihrer Sinnesorgane. Die hoch ren vorhanden und beginnen mit einem Säck-
entwickelten Augen haben meist den Bau von chen, das einen Coelomrest darstellt (Saccu-
Komplexaugen, doch kommen auch einfacher lus). Trichter und ausleitendes Kanälchen sind
gebaute Ocellen vor. Die Arthropoden sind die wimperlos. Häufig sind die Nephridien durch
einzigen wirbellosen Tiere, bei denen sich echte völlig andersartige, schlauchförmige und in den
Gehörorgane finden. Darm mündende Exkretionsorgane, die Mal-
Das Blutgefäßsystem besteht aus einem dor- pighischen Gefäße, ersetzt.
sal gelegenen, schlauchförmigen, bisweilen aber Die Arthropoden haben paarige Gonaden.
stark verkürzten Herzen, das in einem dorsalen Eine Verbindung zwischen Exkretions- und
Teil der Leibeshöhle, dem Perikardialsinus, un- Reproduktionsapparat besteht nicht. Es sind
tergebracht ist. Durch segmentale, seitliche, mit stets eigene Ausführgänge und dazu mancherlei
Ventilklappen versehene Öffnungen, die Ostien, Drüsen- und Kopulationsanhänge vorhanden.
empfängt es das Blut (richtiger: die Hämolym- Hermaphroditismus ist sehr selten, Getrennt-
phe) aus dem Perikardialsinus und drückt es in geschlechtlichkeit die Regel. Parthenogenese
das mehr oder weniger geschlossene Arterien- findet man in verschiedenen Gruppen. Unge-
system. Die Muskulatur des Herzens ist quer- schlechtliche Fortpflanzung (in Form von Po-
gestreift. Das Gefäßsystem der Arthropoden ist, lyembryonie) ist auf Einzelfälle beschränkt. Die
im Gegensatz zu dem der Anneliden, stets offen, Entwicklung ist meist indirekt. Es kommen viele
das heißt, es mündet früher oder später in Teile verschiedene Larvenformen vor.
Abb. 117
Crustacea, Krebse
Crustacea (Krebse) sind vorwiegend marine Tiere, haben aber auch im Süßwasser und in
terrestrischen Lebensräumen eine erhebliche ökologische Bedeutung. Für den Menschen sind
sie von großem wirtschaftlichen Interesse.
8 Millionen Tonnen Krebse werden alljährlich angelandet, entweder über Fischereifahrzeuge
oder aus der Aquakultur. Seit langem sind asiatische Länder (China, Thailand, Philippinen,
Indien u.a.) wichtige Exporteure für Garnelen (shrimps, prawns). An erster Stelle ist Penaeus
(Abb. 117a) zu nennen, der in Hunderttausenden von Tonnen jährlich in der Teichwirtschaft
produziert wird. Die Larven (Nauplien) anderer Krebse (Salinenkrebs, Artemia) dienen der Er-
nährung in Kultur gehaltener Fische. Mit Artemia-Cysten (das sind von der Eihülle umgebene
Embryonen) gibt es mittlerweile einen weltweiten Handel. Hummer (Homarus), Langusten
(Palinurus u.a.), Königskrabben (Paralithodes), Nordseegarnelen (Crangon) und Taschenkrebse
(Cancer, Abb. 117b) sind weitere wirtschaftlich bedeutsame Krebse.
Lange Zeit sah man im Antarktischen Krill (Euphausia superba) eine mögliche Proteinquelle,
um die wachsende Menschheit zu ernähren. Man hat den Umfang der Bestände jedoch über-
schätzt; dennoch gilt diese Species als die Tierart mit der größten Biomasse aller Tiere der
Meere. Ein einzelner Krillschwarm kann mehrere Millionen Tonnen erreichen. Krill lebt von
Phytoplankton und wird selbst von Walen und verschiedenen Fischen gefressen.
In allen Meeren und in vielen limnischen Gewässern spielen die planktischen Copepoden
eine besonders wichtige Rolle im Nahrungsnetz. Im Tagesverlauf vollziehen sie umfangreiche
Vertikalwanderungen (Abb. 117c). Ihre Nauplius-Larven stellen in vielen Gebieten die zahlen-
mäßig vorherrschenden mehrzelligen Zooplankter dar. Sie leben von besonders kleinen Plank-
tern (Nano- und Mikroplankton) und sind ihrerseits wichtige Nahrung, z.B. für Fische. Eine ähn-
lich dominierende Rolle nehmen im Süßwasser die Phyllopoden (Wasserflöhe) ein. Von ihnen
existieren die meiste Zeit des Jahres nur Weibchen, die sich parthenogenetisch fortpflanzen.
Adulte Weibchen können im Abstand von drei Tagen bei jeder Häutung Junge entlassen.
Viele Küstenlinien werden in hohen Populationsdichten von festsitzenden Krebsen, den See-
pocken (Balanus, Cirripedia) besiedelt. Als weißes Band erstrecken sich die Balaniden-Gürtel
entlang der Wasserlinie, insbesondere an Felsküsten (Abb. 117d). Mit ihnen sind die ebenfalls
sessilen „Entenmuscheln“ (Lepas, Pollicipes) verwandt, die man früher als Baumfrüchte inter-
pretierte. Man vermutete, dass sich aus ihnen Enten und Gänse entwickelten (Abb. 117e).
Entsprechend dieser angenommenen vegetabilischen Herkunft wurde Enten- und Gänsefleisch
von der Kirche lange als Fastenspeise anerkannt.
Auch im Grundwasser spielen Krebse eine wichtige Rolle, weil sie hier mit verschiedenen
Organismen-Gruppen in komplexer Wechselwirkung stehen. Ihre Stoffumsetzungen sind für die
Qualität des Grundwassers, einem lebenswichtigen Rohstoff des Menschen, entscheidend. Hier
spielen Copepoden, Bathynellen, Isopoden und Amphipoden eine wichtige Rolle (Abb. 117f).
In terrestrischen Lebensräumen kommt den Isopoden (Asseln; Abb. 117g zeigt eine Porcel-
lio-Art) eine besondere Funktion beim Abbau von Pflanzensubstanz zu. Mit den Filtern ihres
Magens (Abb. 117h) können sie flüssige von festen Nahrungsbestandteilen trennen. Nur ers-
tere werden resorbiert, letztere über das vollständig von einer Cuticula ausgekleidete Darmrohr
transportiert und ausgeschieden. Landasseln machen etwa die Hälfte aller Assel-Arten aus. Die
Entwicklung ihrer Brut erfolgt unter dem Bauch der Mutter in einer Bruttasche (Marsupium).
Krebse gelten seit dem Altertum als lunares Symbol, und im Kanon der Tierkreisbilder kommt
der Krebs oder Cancer seit mehr als 3000 Jahren vor. Er entspricht dem ersten Sommermonat.
214 Crustacea, Krebse
daher besonders an den Mundwerkzeugen aus- oft durch bindegewebige Septen begrenzten Blut-
gebildet. Durch Rückbildung des Exopoditen räumen und tritt dann in die Kiemen ein, von
kann die Extremität zum Stabbein werden. Am denen es, wieder mit Sauerstoff angereichert,
meisten weichen die Blattbeine der Anostraca, durch Gefäße dem Perikardialsinus zugeleitet
Phyllopoda und Phyllocarida vom Typus ab. Sie wird. Aus ihm tritt das Blut (Hämolymphe)
sind von einer sehr dünnen Cuticula überzogen, dann durch Spalten der Herzwand (Ostien) in
von etwa rechteckigem Querschnitt und erhal- das Herz ein.
ten ihre Festigkeit durch einen gegenüber dem Das Nervensystem ist ein Strickleiternerven-
Außenmedium erhöhten Binnendruck der Kör- system mit Gehirn (= Oberschlundganglion),
perflüssigkeit (Turgorextremitäten, vgl. S. 214). Schlundkonnektiven und Bauchganglienkette.
Den Abschluss des Körpers stellt das Telson dar; Es kann zu einer Verschmelzung einiger bis
es bildet häufig ein Paar bisweilen recht langer sämtlicher Bauchganglien kommen.
Anhänge aus, die als Furca bezeichnet wer- An Sinnesorganen finden sich Tasthaare,
den. Bei den Malacostracen ist das Telson meist Geruchs- und Geschmackssensillen sowie oft
mehr oder weniger breit und bildet mit den Ex- hochentwickelte Augen in allgemeiner Verbrei-
tremitäten des letzten Pleonsegments, mit den tung. Die Augen kommen in zweierlei Form vor.
Uropoden, den Schwanzfächer. Das einfacher gebaute ist das so genannte Stirn-
Der Darmkanal beginnt mit einem auf der oder Naupliusauge. Es besteht meist aus 3 in-
Unterseite des Kopfes liegenden Mund, der vorn versen Pigmentbecherocellen, die – häufig eng
und hinten von je einer unpaaren Hautfalte, der zusammenstehend – in der Mittellinie des Kör-
Oberlippe und der Unterlippe, begrenzt ist. Bei pers über dem Gehirn angeordnet sind. Die weit
den Malacostracen ist der Vorderdarm zu einem komplizierteren Komplexaugen stehen seitlich
Kaumagen umgebildet. Der Mitteldarm steht in am Kopf, unbeweglich oder auf beweglichen
Verbindung mit einer Mitteldarmdrüse, die bei Stielen. Sie setzen sich aus einer großen Zahl
Decapoden – weil sie in etwa die Funktion von Einzelaugen (Ommatidien) zusammen. Stati-
Leber und Bauchspeicheldrüse der Wirbeltiere sche Organe kommen nur bei den Malacostraca
erfüllt – auch Hepatopankreas genannt wird. vor; sie liegen meist in Grübchen an der Basis
Atemorgane fehlen bei manchen, vor al- der ersten Antennen. Sie sind von der Cuticula
lem kleinen Formen, bei denen die ganze Kör- der Körperdecke ausgekleidet und bergen im
peroberfläche im Dienst der Respiration steht; Inneren eine mit Sinneshaaren besetzte Leiste
meist aber sind Kiemen entwickelt: äußere An- (Crista statica) und einen Statolithenhaufen.
hänge der Extremitäten oder Körperseiten, die Als Organe der Exkretion und der Osmore-
eine große Oberfläche, sehr zarte Cuticula und gulation fungieren entweder die Maxillar- oder
reiche Durchblutung aufweisen. Nicht selten die Antennennephridien, selten beide. Sie sind
funktioniert daneben, oder auch allein, die Cara- den Nephridien der Anneliden homolog und
paxinnenfläche als Atemorgan. Manche Krebse bestehen aus einem gewundenen, mehr oder
haben sich dem Leben auf dem Land angepasst weniger langen Kanal, der über einen wim-
und nehmen den Sauerstoff aus der Luft auf. perlosen Trichter mit einem säckchenförmigen
Das Blutgefäßsystem ist von sehr unter- Restraum der sekundären Leibeshöhle, mit dem
schiedlicher Ausbildungshöhe; es ist immer of- sog. Sacculus in Verbindung steht. Das Epithel
fen. Das Herz liegt dorsal über dem Darm in ei- der Sacculi wird von Podocyten gebildet; hier
nem Perikardialsinus. Das ist ein dorsaler Teil- wird durch Ultrafiltration der Primärharn ge-
raum des Mixocoels, der durch eine waagrecht bildet. Im Kanälchenteil findet Rückresorption
ausgespannte, bindegewebige Membran, in die statt; sein Endteil kann als Harnblase ausgebil-
Muskulatur eingelagert sein kann, unvollkom- det sein. Die Antennennephridien münden im
men von der übrigen Leibeshöhle getrennt ist. Basalglied der zweiten Antennen, die Maxillar-
Das Blut wird vom Herzen durch Arterien (die nephridien an der Basis der zweiten Maxillen.
bei kleinen Formen, wie die Gefäße überhaupt, Die meisten Krebse sind getrenntgeschlecht-
fehlen können) in die Lücken zwischen die Or- lich. Die Geschlechtsorgane münden auf der
gane, also in das Mixocoel getrieben. Sauerstoff- Bauchseite. Manchmal findet sich Parthenoge-
arm geworden sammelt es sich schließlich in nese, bisweilen Heterogonie.
216 Crustacea, Krebse
Nicht wenige Krebse weisen, wenn sie die Eihülle Ruderantennen frei lässt. Beide Schalenhälften
verlassen, Segmentzahl und Gestalt der Adulti gehen dorsal ineinander über und bilden hier
auf, sodass ihre postembryonale Entwicklung auf einen Kiel, der am Hinterende in einen Stachel
Größenwachstum und Reifung der Gonaden be- ausläuft (Abb. 118). Die Schale ist eine von der
schränkt ist (direkte Entwicklung). Meistens aber Kopfgegend ausgehende Hautduplikatur, deren
ist die Entwicklung eine indirekte. Aus dem Ei Oberfläche facettiert ist.
schlüpft eine Larve, die wesentlich anders gebaut Von den Extremitäten fallen vor allem die zu
ist als das erwachsene Tier und aus einer gerin- kräftigen Ruderorganen umgebildeten zweiten
geren Anzahl von Metameren besteht. Die volle Antennen auf. Sie bestehen aus einem star-
Segmentzahl und die endgültige Gestalt wer- ken Stammglied und zwei distalen Ästen, deren
den erst im Verlauf von mehreren Häutungen lange Borsten beim Ruderschlag auffächern. Der
erreicht (Metamorphose). Die Mannigfaltigkeit Spaltfußcharakter dieser Extremitäten ist deut-
der Larvenformen ist groß. Die einfachste Form lich. In das Stammglied treten einige kräftige
ist der aus 3 Metameren bestehende Nauplius Muskeln ein. Sehr viel kleiner sind die oberhalb
(Abb. 121). Er ist von gedrungenem Bau und der Mundöffnung sitzenden ersten Antennen;
hat drei Paar zum Schwimmen dienende Ex- sie sind unbeweglich und tragen an der Spitze
tremitäten, von denen das erste, einästige, zu neun Sinneshaare (Ästhetasken), die der Che-
den ersten Antennen wird, das zweiästige zweite moreception dienen. Bei den Männchen kommt
und dritte zu den zweiten Antennen und zu den noch eine weitere, anders gebaute, vermutlich
Mandibeln. Das Auge (Naupliusauge) ist ein un- mechanoreceptorische Borste hinzu.
paarer, mehrteiliger Pigmentbecherocellus. Eine An Mundgliedmaßen sind ein Paar kräftige
andere, ebenfalls weit verbreitete Larvenform ist Mandibeln und viel schwächere erste Maxil-
die Zoëa (Abb. 131a). Sie kommt nur bei Deca- len entwickelt, während die zweiten Maxillen
poda vor, ist komplizierter gebaut und bereits fast spurlos verloren gingen. Die Mandibeln
in Cephalothorax – der 2 oder 3 Paar Spaltfüße können wir als ungegliederte, keilförmige Stü-
trägt – und in ein langes, gegliedertes Pleon un- cke parallel zum Vorderrand der Rumpfschale
terteilt. Sie hat Komplexaugen. liegen sehen. Ihr freier Rand ist gezähnelt und
Die Krebse leben zum großen Teil im Meer, einwärts gekrümmt. Die ersten Maxillen sind
teils schwimmend, teils auf dem Boden laufend. zarte, schwer erkennbare, beborstete Platten.
Andere besiedeln das Süßwasser; eine Anzahl Es folgen fünf Paar Beine, die sich überde-
ist zum Landleben übergegangen (z.B. Landas- cken und von der Schale umhüllt werden. Auch
seln). Manche sind Parasiten. sie zeigen Spaltfußcharakter. Es sind weichhäu-
tige Gebilde, die Form und Festigkeit durch den
Hämolymphdruck erlangen (Turgorextremi-
Spezieller Teil täten). Am Rand sind sie mit Borstenreihen
besetzt, von ihrer Basis erhebt sich ein bla-
1. Daphnia pulex, Wasserfloh senförmiger Epipodit, der als Kieme funktio-
niert. Daneben sind vermutlich die Oberfläche
• Die Daphnien werden mit einer Pipette mit aller Turgorextremitäten und die gesamte Kör-
etwas Wasser auf den Objektträger gebracht. peroberfläche am Gasaustausch beteiligt.
Das Deckglas wird mit Wachsfüßchen ver- Die Beine dienen nicht, wie ursprünglich, der
sehen, die bei der Beobachtung so weit zu- Fortbewegung – diese Arbeit haben die zweiten
sammengedrückt werden, dass das Tier fest- Antennen übernommen –, sondern (neben der
liegt. Die Untersuchung des lebenden Tieres Atmung) in erster Linie dem Nahrungserwerb.
erfolgt zunächst bei schwacher Vergrößerung. Die Daphnien ernähren sich von kleinsten tie-
rischen und pflanzlichen Organismen und im
Die Daphnien gehören zu den Phyllopoda Wasser schwebendem Detritus. Durch den stän-
(Blattfußkrebse), und innerhalb dieser zu den digen, raschen und rhythmischen Schlag der
Cladocera. Der Körper ist in eine zweilappige Beine wird ein in den Schalenraum von vorn
Schale (Carapax) eingeschlossen, die nur den her eintretender und hinten verlassender Was-
nach ventral abgeknickten Kopf mit den starken serstrom erzeugt. Die Borstenkämme an den
Crustacea, Krebse 217
Komplexauge
2. Antenne Ganglion opticum
Augenmuskeln
Cerebralganglion
Mitteldarmdivertikel
Nauplius-
auge Antennen-
muskeln
1. Antenne mit Ästhetasken
Oberlippe
Mandibel
1. Turgorextremität
Darm
Maxillarnephridium
Herz
Ovarium
Filterborsten
Beinrändern wirken als Filter, die aus diesem (Ostium) jederseits, durch die das Blut in das
Wasserstrom Nahrungspartikel herausfangen. Herz eintritt. Die Kontraktionen des Herzens
Der Nahrungsbrei wird dann in die auf der Ven- erfolgen sehr schnell (vier pro Sekunde); sie
tralseite zwischen den Beinen entlang ziehende werden durch Ringmuskulatur bewirkt. Um-
Bauchrinne geleitet und in ihr nach vorn bis zum geben wird das Herz von einem schwerer sicht-
Mund befördert, wo durch Schluckbewegungen baren, zarten Perikardialseptum. Bei jeder Kon-
die Aufnahme in den Oesophagus erfolgt. traktion (Systole) des Herzens schließen sich
Der Hinterleib, das Pleon, ist stark ventral- die Ostien, während seine arterielle Öffnung
wärts gekrümmt, sehr beweglich und endet mit klafft; bei der darauf folgenden Erschlaffung
zwei nach hinten gerichteten Krallen. der ringförmigen Muskulatur ist es umgekehrt,
Von den inneren Organen fällt zunächst das und das Herz dehnt sich gleichzeitig dank der
lebhaft pulsierende Herz auf, ein dorsal lie- Elastizität seiner Wandung wieder aus (Dias-
gendes, rundliches Säckchen mit einer Öffnung tole).
218 Crustacea, Krebse
Vom Herzen ausgehende Blutgefäße fehlen Der Darmkanal steigt, vom Mund beginnend,
völlig. Das meist farblose oder ganz schwach als Schlund bogenförmig in die Höhe. Vom
gefärbte Blut umspült die Organe, wird aber Mitteldarm gehen nach vorn zwei Blindsäcke,
durch im Körper ausgespannte, feine Memb- die Mitteldarmdivertikel („Leberhörnchen“), ab.
ranen in bestimmte Bahnen gezwungen. Das Der Enddarm ist kurz, an seinem Ende setzen
Blut ist bisweilen durch Hämoglobin rot. Mit strahlenförmig Muskeln an.
stärkerer Vergrößerung sieht man auch farblose Dorsal vom Darm liegt ein mesodermaler
Zellen (Amöbocyten) im Blut flottieren und Fettkörper, der je nach dem physiologischen
kann deren Weg verfolgen. Am Vorderrand des Zustand des Tieres verschieden entwickelt ist.
Herzens strömt aus der dort liegenden arteriel- Nicht selten enthält er Vorratsstoffe in Form
len Öffnung das Blut in den Kopf sowie dessen von gelben, roten oder auch blauen Tropfen.
Gliedmaßen; vom Kopf kehrt es in den Rumpf Von den Geschlechtsorganen sieht man die
zurück und strömt von da in die Beinpaare und beiden Ovarien als lang gestreckte Säcke zu bei-
Kiemen. Ein anderer Strom zweigt sich ab, um den Seiten des Darmes liegen und hinten über
in den Raum einzutreten, der von der Dupli- kurze Ovidukte in den Brutraum münden. Die
katur der Schale gebildet wird. Dieser Raum Keimzone liegt bei Daphnia am hinteren Ende
ist von zahlreichen Lamellen durchzogen, und des Ovars; die in der vorn gelegenen Wachstums-
der Blutstrom verästelt sich daher netzförmig. zone heranreifenden Eier müssen also bei der
Das aus dem Leib und dem Schalenraum zu- Ablage am Keimlager vorbeigleiten. Die Eizellen
rückkehrende Blut gelangt dann in den Peri- sind in Vierergruppen geordnet. Es werden zwei
kardialsinus, aus dem es vom Herzen wieder verschiedene Eisorten gebildet, entweder nähr-
aufgenommen wird. stoffarme Subitaneier (Jungferneier) oder große,
Vom Nervensystem ist das Gehirn zu sehen, nährstoffreiche Latenzeier (Dauereier).
unmittelbar über dem Schlund gelegen und aus Subitaneier entstehen, wenn nur eine der
rechtem und linkem Ganglion verschmolzen. vier Zellen der Vierergruppen sich zum Ei ent-
Rückwärts gehen die beiden den Schlund um- wickelt, während die restlichen drei zu Nähr-
fassenden Konnektive ab. Nach vorn zu schließt zellen werden. Diese Eier gelangen, ohne eine
sich an das Gehirn das Ganglion opticum an, Reduktionsteilung durchlaufen zu haben (also
von dem aus das große, unpaare Komplexauge diploid), in den Brutraum und entwickeln sich
innerviert wird; es ist in einer geschlossenen dort parthenogenetisch direkt zu jungen, weibli-
Cuticulakammer untergebracht. Bei Embryonen chen oder männlichen Wasserflöhen.
ist es paarig angelegt, verschmilzt aber beim er- Unter den günstigen Umweltbedingungen
wachsenen Tier. In der Peripherie ist eine zarte der sommerlichen Vegetationsperiode entste-
Hülle zu sehen, darunter eine Anzahl heller, hen ausschließlich Weibchen, sog. amiktische
stark lichtbrechender Körper, die Kristallkegel, Weibchen, die parthenogenetisch gleichartige
denen sich nach innen zu radiär gestellte, zu Weibchen erzeugen; so u. U. viele Generationen.
Ommatidien vereinte Sinneszellen anschließen; Nach Eintritt ungünstiger Umweltbedingungen
doch wird das Innere durch das dichte, dunkle (Temperaturabfall, Nahrungsmangel z.B.) pro-
Pigment verdeckt. duzieren diese amiktischen Weibchen aus diplo-
Die zitternde Bewegung des Auges wird iden Eiern weibliche und männliche Nachkom-
durch das Spiel von meist sechs Augenmuskeln men (phänotypische Geschlechtsbestimmung).
hervorgerufen, die neben der Basis der zweiten Die Weibchen dieser Generation verpaaren sich
Antenne entspringen. (miktische Weibchen) und produzieren Latenz-
Ein Pigmentfleck, der dem Cerebralganglion eier (= Dauereier), bei deren Bildung mehrere
anliegt, ist das so genannte Nebenauge (Nau- Vierergruppen zur Ernährung eines einzigen Eies
pliusauge). verwendet werden; die Latenzeier sind haploid,
Das Maxillarnephridium ist sehr groß und bedürfen, um sich zu entwickeln, der Besamung
liegt in transversaler Ausdehnung unter der und werden, von einem Teil des bei der Eiablage
Mandibel; es ist in die Schalenduplikatur einge- gehäuteten Carapax (vom Ephippium) umhüllt,
bettet und wird daher auch als Schalennephri- frei abgelegt. Aus ihnen schlüpfen, oft erst nach
dium bezeichnet. der Überwinterung, Weibchen, die sich aus-
Crustacea, Krebse 219
schließlich parthenogenetisch fortpflanzen. Einen ist durch vorsichtiges Verschieben des Deck-
Generationswechsel dieser Art bezeichnet man glases die Bauchlage leicht zu erzielen.
als Heterogonie. Die männlichen Daphnien
(1–1,5mm) sind kleiner als die weiblichen Der lang gestreckte Körper von Cyclops zeigt eine
(3–4mm), ihre ersten Antennen sind bedeutend deutliche Segmentierung. Er lässt einen ovalen,
größer, ragen am Kopfvorderrand deutlich vor vorderen und einen schmaleren, deutlich abge-
und tragen am Ende die gegliederte, (vermut- setzten hinteren Abschnitt erkennen (Abb. 119).
lich) mechanoreceptorische Borste. Der vordere Abschnitt umfasst Cephalothorax
Bei vielen Tieren wird man in dem dorsalen und Peraeon, der hintere das Pleon. Der Cepha-
Raum, der zwischen Schale und Körper liegt, lothorax nimmt reichlich die Hälfte des ganzen
einige große Eier bzw. Embryonen oder auch Vorderkörpers für sich in Anspruch; an seiner
schon junge Daphnien erkennen. Er wird von Bildung sind zwei Thoraxsegmente beteiligt.
einem dorsalen Fortsatz des Abdomens, dem Ihm folgen vier kürzere, an Breite abnehmende
Rückenfortsatz, abgeriegelt und dient als Brut- Peraeomeren (s. S. 212). Das letzte ist schmal
raum, in dem sich die Subitaneier entwickeln. und erscheint eher den Pleomeren zugehörig.
Häufig ist die Schale mit Ciliaten der Gattung Die Zahl der Pleomeren beträgt bei den Männ-
Vorticella besetzt, die sich oft in großer Zahl chen fünf, bei den Weibchen nur vier, weil die
hier angesiedelt haben. beiden ersten miteinander verschmolzen sind.
So erklärt es sich, dass man beim untersuchten
• Die meisten Organe, und ganz besonders die Tier hinter dem letzten Peraeonsegment nur vier
Schalennephridien, die sonst nur schwer zu Metameren zählt und dass das erste von ihnen,
finden sind, sind besser zu mikroskopieren, an dem seitlich die Eiersäckchen angeheftet sind,
wenn man die Kulturflüssigkeiten mit Vital- so viel größer ist als die folgenden. Das letzte
farbstoffen schwach anfärbt. Besonders ge- Segment des Abdomens trägt das Telson, zwei
eignet sind Methylenblau und Toluidinblau. eingliedrige, reich beborstete Anhänge, die zu-
Da man im Allgemeinen nicht vorhersagen sammen als Schwanzgabel oder Furca bezeich-
kann, wie lange es dauert, bis bestimmte Or- net werden.
gane angefärbt werden, ist es ratsam, im Ab- Von den Extremitäten des Kopfes sind bei
stand von etwa 10 Minuten Daphnien zum dorsaler Ansicht nur die ersten und zweiten
Mikroskopieren zu entnehmen. Antennen sichtbar. Die langen ersten Antennen
des Weibchens sind nicht nur Träger zahlreicher
Sinnesorgane (Tastsinn und chemischer Sinn),
2. Macrocyclops albidus, Hüpferling sondern dienen auch als Balance- und Schwebe-
organe. Sie setzen sich bei der Gattung Cyclops,
Als Vertreter der Copepoda kann irgendeine der je nach Art, aus 8 bis 77 Gliedern zusammen.
im Süßwasser so häufigen Cyclops-Arten dienen. Auch die zweiten Antennen sind einästig, doch
erheblich kürzer.
• Es werden lebende Exemplare einer Cyclops- Da die Copepoden nur eine sehr zarte, un-
Art verteilt, und zwar, wenn möglich, zu- verkalkte Cuticula besitzen, ist im Präparat auch
nächst Weibchen mit Eiersäckchen. Deckglas manches von der inneren Organisation zu sehen.
mit hohen Wachsfüßchen. Dabei fällt wegen seiner kräftigen Peristaltik der
• Man legt durch vorsichtigen Druck auf zwei Darm auf. Er ist ein unverzweigtes, gerades
gegenüberliegende Ecken des Deckglases das Rohr, das ventral mit der Mundöffnung beginnt
Tier so fest, dass es sich nicht mehr vom Ort und am Hinterrand des letzten Abdominalseg-
bewegen kann, was natürlich bei Lupen- oder ments, zwischen den Gabelästen der Furca, mit
schwacher Mikroskopvergrößerung zu kont- dem After endet. Der Darm wird von dem im
rollieren ist, um ein Zerquetschen des Tieres Mixocoel liegenden, mesodermalen Fettkörper
zu vermeiden. umgeben, von dem wir die mehr oder weni-
• Am besten werden die Tiere zunächst mit ger zahlreichen und oft gefärbten Öltropfen gut
dem Rücken nach oben festgelegt. Liegen sie erkennen können. Der vordere Abschnitt des
zufällig auf der Seite oder auf dem Rücken, so Darmes ist zu einem Magen erweitert.
220 Crustacea, Krebse
Rechts und links vom Darm fallen zwei kräf- mentbecherocellen zusammen, von denen zwei
tige Muskelbänder auf, die an der Grenze von dorsal liegen, während der dritte nach unten ge-
Vorder- und Hinterkörper dicht nebeneinander richtet ist. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man
beginnen und, nach vorn auseinander weichend aus dem gemeinsamen Pigmentbecher zwei ku-
und breiter werdend, fast bis zur Antennenbasis gelige, stark lichtbrechende Gebilde vorragen,
ziehen. Nach hinten zu finden sie eine Fort- die eigene Linsen vortäuschen, tatsächlich aber
setzung in schmaleren Muskelbändern, die das von den transparenten Lichtsinneszellen der
Abdomen der Länge nach durchziehen. Außer dorsalen Becheraugen selbst gebildet werden.
dieser Stammuskulatur ist auch eine gleichfalls Herz und Gefäße fehlen bei allen Arten der
kräftig entwickelte Extremitätenmuskulatur Gattung Cyclops vollkommen. Das Blut zirku-
vorhanden, die in den Thoraxsegmenten von liert frei in Gewebslücken. Für sein Hin- und
der Rückendecke abwärts zur Basis der Extremi- Herfluten sorgen die ausgiebigen Bewegungen
täten zieht, daher bei dorsaler Ansicht nur stark des Darmes, für die besondere Muskeln ent-
verkürzt zu sehen ist. Dagegen ist die kräftige wickelt sind.
Antennenmuskulatur gut zu erkennen. Atemorgane fehlen den Copepoden. Bei der
Noch vor dem Darm und damit dicht hinter geringen Körpergröße und der durchlässigen
dem Vorderrand des Körpers fällt in der Mittel- Cuticula sind sie entbehrlich, es genügt die
linie als schwarzer oder roter Pigmentfleck das Hautatmung.
für die Copepoden typische unpaare Nauplius- Exkretionsorgane sind als ein Paar Maxillar-
auge auf, das dieser Gattung den Namen „Cyc- nephridien vorhanden, am lebenden Tier aber
lops“ eingetragen hat. Es setzt sich aus drei Pig- kaum sichtbar.
Crustacea, Krebse 221
Von den Geschlechtsorganen ist das unpaare, der Ruhelage schräg nach vorn gerichtet und eng
über dem Darm liegende Ovarium nicht leicht aneinander gelegt. Bei der Bewegung schlagen sie
zu erkennen; sehr gut dagegen seine paarigen einzeln, mit dem letzten beginnend, nach hinten,
Ausführgänge, die in ihrem als Uterus zu be- wobei sie gleichzeitig seitwärts gespreizt werden.
zeichnenden Anfangs- und Hauptabschnitt Dann werden sie geschlossen wieder nach vorn
mehr oder weniger vollständig mit relativ gro- geführt. Alle diese Bewegungen verlaufen so
ßen Eiern angefüllt sind. Der Uterus beginnt schnell, dass nur Zeitlupenaufnahmen sie zu ana-
am Ovar und besteht aus zwei Schläuchen, die lysieren vermochten. Die Peraeopoden stellen die
ventral vom Ovar und dorsal vom Magen einan- wichtigsten Organe der Fortbewegung dar, die
der dicht genähert nach vorn und hinten ziehen. bei Cyclops und seinen Verwandten in eigenartig
Von ihnen zweigt ein Paar mehr seitlich, rechts ruckweisen Stößen erfolgt, was ihnen den Namen
und links vom Darm gelegener Schläuche ab, die „Hüpferlinge“ eingetragen hat. Das letzte, dem
durch laterale Ausstülpungen ein kompliziertes Pleon angeschlossene Thorakalsegment trägt bei
Aussehen erhalten können. Nach hinten zu set- Cyclops Extremitäten, die aus ein bis zwei Glie-
zen sie sich unmittelbar in die feinen Ovidukte dern bestehen. Sie sind besonders bei Seitenlage
fort, die im ersten Abdominalsegment seitlich gut zu erkennen und für die Artbestimmung von
ausmünden. Der Endabschnitt der Ovidukte er- Wichtigkeit. Ihre Funktion ist unbekannt.
zeugt eine Substanz, die, gleichzeitig mit den
Eiern austretend, zum Eiersäckchen wird.
• Das Deckgläschen entfernen und das Tier
durch Zugabe einiger Tropfen Alkohol töten.
Im ersten Abdominalsegment liegt außerdem
das Receptaculum seminis, eine breite, oft ge-
• Mithilfe zweier Nadeln – am besten mit fei-
nen Insektennadeln – vorsichtig einen Pera-
lappte und artspezifisch geformte Tasche, die
eopoden ablösen.
in der Mittellinie ventral mündet. Hier kleben
die Männchen Spermatophoren an, bohnen- Jeder Peraeopod (Abb. 120) besteht aus einem
förmige Gebilde, die neben einer großen Zahl zweigliedrigen Protopoditen und zwei ungefähr
Spermien eine Quellsubstanz enthalten, die das gleich ausgebildeten, dreigliedrigen Ästen, Exo-
Sperma durch die Begattungsöffnung in das Re- podit und Endopodit, die beide reich bebors-
ceptaculum seminis treibt. Nicht selten trifft tet sind. Charakteristisch für die Copepoden ist,
man Weibchen an, die zwei derartige Sperma- dass rechte und linke Extremität eines Thorax-
tophoren angeheftet tragen. Vom Receptaculum segmentes an ihrer Basis durch eine mediane
seminis führt nach rechts und links ein kurzer,
schwer sichtbarer Kanal zu den Oviduktmün-
Intercoxalplatte
dungen, sodass die Eier bei ihrem Austritt aus
dem Eileiter befruchtet werden können.
• Deckgläschen leicht verschieben, sodass das Coxa
Tier auf den Rücken zu liegen kommt. Proto-
podit
Basis
Bei ventraler oder seitlicher Ansicht stellt man
fest, dass Extremitäten nur am Cephalothorax
und Peraeon entwickelt sind, am Pleon dagegen
völlig fehlen. Hinter den schon erwähnten ersten
und zweiten Antennen folgen ein Paar Mandi-
beln, zwei Paar Maxillen und ein Paar Maxilli-
peden, die das Extremitätenpaar des ersten, mit
dem Kopf verschmolzenen Thoraxsegmentes
darstellen. Die erwähnten Extremitätenpaare
können in ihrem oft recht komplizierten Bau
nur nach Isolierung deutlich erkannt werden. Endopodit Exopodit
Auf die Maxillipeden folgen vier Schwimmextre-
mitäten, die bei den Copepoden einen sehr cha- Abb. 120 Macrocyclops albidus. Erstes Schwimm-
rakteristischen Bau haben (s. unten). Sie sind in fußpaar eines weiblichen Tieres. 80×
222 Crustacea, Krebse
dem Ansatz der Muskulatur. An manchen Stel- Fingern hin und her bewegt und in den Ge-
len ragen Skeletelemente als Versteifungsleisten lenken beugt, bis ihr Bau und ihre Gliederung
oder Muskelansatzstellen mehr oder weniger klar geworden sind (Abb. 123).
weit nach innen vor. In der Jugend mehrmals,
später nur ein- bis zweimal jährlich wird der Die erste Antenne (Antennula) besteht aus drei
Panzer durch Häutung gewechselt. aufeinander folgenden Stammgliedern, denen
Der Körper besteht aus zwei Hauptabschnit- zwei zarte, gegliederte Geißeln aufsitzen, die
ten, dem durch Verschmelzen der Segmente von äußere etwas dicker und länger als die innere.
Kopf und Brust entstandenen Kopfbruststück An der Außengeißel finden sich vom sieben-
(Cephalothorax) und dem Hinterleib (Abdo- ten bis zum vorletzten Ring Sinnesborsten, die
men = Pleon, dem „Krebsschwanz“). Der Ce- der Chemoreception dienen. Im ersten Stamm-
phalothorax wird durch den gewölbten Rücken- glied liegt das Gleichgewichtsorgan, die Stato-
schild (Carapax) oben und seitlich umfasst. cyste (S. 229).
Eine seichte Querfurche, die Nackenfurche (Su- Sehr viel größer als die erste ist die zweite
tura cervicalis), gibt möglicherweise die hintere Antenne, das wichtigste Tastorgan des Krebses.
Begrenzung des Kopfes an. Zu beiden Seiten der Auf ihrem kurzen und breiten ersten Stamm-
Mittellinie des Bruststückes verlaufen zwei wei- glied befindet sich ventral auf einem gelblichen
tere, sehr seichte Furchen nach hinten; sie mar- Höcker als feine Pore die Mündung des Exkre-
kieren die Grenzen zwischen dem eigentlichen tionsorgans, des Antennennephridiums. Außer
Peraeon und den zu beiden Seiten des Körpers der langen Geißel (Endopodit) findet sich noch
liegenden, von gewölbten Ausladungen des Rü- ein äußerer Ast (Exopodit), der die Form einer
ckenschildes überdachten und fast völlig abge- breiten, dreieckigen Schuppe hat, und Scapho-
schlossenen Kiemenhöhlen. Vorn spitzt sich der cerit genannt wird.
Carapax zu einem Fortsatz, dem Rostrum, zu, Als nächste Extremitäten folgen die ersten
an dessen Seiten die gestielten Augen sitzen. Mundgliedmaßen, die Mandibeln. Sie haben
Das Pleon besteht aus sechs vollentwickel- eine massive, innen gezähnte Kaulade, die dem
ten Abdomensegmenten (Pleomeren). Das Tel- Coxa-Enditen entspricht, und einen dreigliedri-
son bildet als letztes Glied den Mittelteil des gen Taster oder Palpus, der vergleichend anato-
Schwanzfächers. Die sechs Pleomere, von denen misch aus distalen Teilen des Protopoditen und
das erste noch zum Teil vom Carapax bedeckt dem reduzierten Endopoditen aufgebaut ist.
wird, sind beweglich miteinander verbunden. Die Mandibeln stehen rechts und links von der
An der Bauchseite fallen vor allem die seg- Mundöffnung, die vorne von einer unpaaren,
mental angeordneten Gliedmaßen auf, mit Ein- quer ovalen und seitlich beborsteten Platte, dem
schluss der Antennen insgesamt 19 Paare. Labrum (Oberlippe) begrenzt wird. Als hin-
terer Abschluss der Mundöffnung funktioniert
• Zunächst am intakten Tier die Gliedmaßen eine häutige Falte, das Labium (Unterlippe), das
studieren, indem man sie mit Pinzette oder seitlich zwei löffelartige, den Mandibelhinterflä-
224 Crustacea, Krebse
Erste Antenne
Zweite Antenne
Mandibel
Erste Maxille
Scaphognathit
Zweite Maxille
Exopodit
Kaulade
Erster Kieferfuß
Exopodit
Endopodit
Zweiter Kieferfuß Cephalothorax
Exopodit
Dritter Kieferfuß
Endopodit
Erster
Zweiter Schreitfuß
(Peraeopod)
Dritter
Vierter
Fünfter
Erster
Zweiter
Dritter Pleopod
Abdomen
(Pleon)
Vierter
Fünfter
Uropod
(Sechster
Pleopod)
chen angeschmiegte Fortsätze („Paragnathen“) Schließen bewirken; der Schließmuskel ist bei
trägt. Das Labium (nicht zu verwechseln mit weitem der kräftigere.
dem extremitätenhomologen Labium der Insek- Es folgen die Beine des Hinterleibes, fünf Paar
ten!) ist nicht extremitätenhomolog. (beim Weibchen 4 Paar) Pleopoden. Bei ihnen
Es folgen die beiden Maxillenpaare, die sehr tritt, mit Ausnahme des ersten, der ursprüng-
viel zarter als die Mandibeln sind und nach liche Spaltfuß wieder zutage. Sie helfen beim
innen zu blattförmige Kauladen tragen. An der Schwimmen und dienen beim Weibchen auch
zweiten Maxille fällt der Exopodit als lang ge- zum Tragen der befruchteten Eier und Embry-
streckte, etwas gebogene Platte auf; sie wird onen (Brutpflege). Beim Männchen sind die
als Scaphognathit bezeichnet. Beim lebenden beiden vordersten Paare zu Begattungsorganen
Tier ist sie in ununterbrochener Bewegung und umgewandelt. Das aus der Geschlechtsöffnung
erzeugt den die Kiemenhöhle von hinten nach an der Basis des letzten Brustfußes austretende
vorn durchziehenden Atemwasserstrom. und schnell erhärtende Sperma wird in ihnen zu
Unmittelbar an die zweiten Maxillen schließen länglichen Spermatophoren geformt, die sie an
sich nach hinten zu drei Paar Kieferfüße (Ma- der an der Basis des dritten Brustfußes gelegenen
xillipeden) an, bei denen der Spaltfußcharakter weiblichen Geschlechtsöffnung festkleben. Das
vom ersten zum dritten fortschreitend immer erste Paar dieser Kopulationsfüße ist einheitlich,
klarer zum Ausdruck kommt. Die Kauladen ver- rinnenförmig, das zweite lässt einen fein geglie-
schwinden, die Exopoditen und besonders die derten Exopoditen und einen sehr viel kräftige-
Endopoditen werden größer. Die Exopoditen ren Endopoditen unterscheiden, dessen freies
der Kieferfüße sind als gefiederte, flexible Gei- Ende tütenförmig eingerollt ist. Beim Weibchen
ßeln ausgebildet, deren Haare abgespreizt werden ist das erste Paar Pleopoden rückgebildet.
können. Sie fallen beim lebenden Tier durch ihre Die Extremitäten des letzten Segments, die
Schlagaktivität auf und erzeugen eine Wasser- Uropoden, sind breite Platten, welche die Sei-
strömung. Diese kann dem Einstrudeln kleiner ten des Schwanzfächers bilden. Ihr Außenast ist
Nahrungspartikel oder dem Heranfächeln von zweigliedrig. Die mittlere Platte des Schwanz-
Duftstoffen dienen (Chemo-Orientierung). fächers ist das Telson, das auf der Unterseite
Auf die Kieferfüße folgen fünf Paare als den After als deutlichen Längsschlitz trägt.
Schreitfüße (Peraeopoden) dienende Brust-
gliedmaßen, die der Ordnung den Namen • Zum Studium der inneren Organisation die
Decapoda verschafft haben. Sie bestehen aus dorsale Körperdecke entfernen. Es wird zu-
sieben Gliedern – durch Verwachsung sind es nächst, indem man den Krebs in die linke
bisweilen nur sechs – von denen zwei dem Pro- Hand nimmt und das Abdomen möglichst
topoditen, fünf dem Endopoditen angehören. weit nach unten abbiegt, die Intersegmen-
Der erste Fuß ist mit einer großen und kräf- talhaut zwischen Cephalothorax und erstem
tigen, der zweite und dritte mit einer kleinen Hinterleibsring durchtrennt.
Schere (Chela) ausgerüstet. Diese entsteht in • Dann werden mit der sehr flach angesetzten
der Weise, dass das vorletzte Glied der Extremi- Schere zwei parallele Schnitte etwa in der
tät sich fingerförmig über die Ansatzstelle des Gegend der oben erwähnten zarten Längs-
letzten Gliedes hinaus verlängert. Man beachte, furchen vom Cephalothoraxhinterrand nach
dass die Drehachsen der Gelenke zwischen den vorn bis in die Höhe der Augen geführt, wo
einzelnen Gliedern des Scherenfußes in ver- sie durch einen kurzen Querschnitt miteinan-
schiedenen Ebenen liegen, wodurch der Akti- der verbunden werden.
onsradius der Schere erheblich vergrößert wird. • Das Mittelstück des Carapax darauf am hin-
Auch achte man auf die Sperrvorrichtungen am teren Ende mit der Pinzette erfassen und mit
Gelenkrand, die ein Überdrehen verhindern. einem schlanken Skalpell vorsichtig von seiner
Unterlage ablösen. Wenn man sorgfältig arbei-
• Die Schere an den Seitenrändern abschneiden. tet, wird die Epidermis erhalten bleiben und als
zarte, pigmentierte Haut die Organe bedecken.
Dadurch kann man sich die beiden Muskeln • Schließlich werden noch die beiden Seiten-
zur Anschauung bringen, die ihr Öffnen und stücke des Kopfbruststückes entfernt. Die wei-
226 Crustacea, Krebse
tere Präparation wird im Wachsbecken unter liegt der umfangreiche Magen. Er wird flankiert
Wasser oder besser in 0,43%iger NaCl-Lösung von den beiden kräftigen Mandibelmuskeln,
durchgerührt. Alle Teile des Flusskrebses sol- die beim Entfernen der dorsalen Körperdecke
len von der Flüssigkeit bedeckt sein. von ihren Ursprungsflächen abgetrennt wurden.
Seitlich vom Magen und den Mandibelmus-
Der größte Teil der inneren Organe ist nun- keln liegen die rostralen Teile der mächtigen,
mehr sichtbar (Abb. 124). Vorn, vom Trans- schwach bräunlichen Mitteldarmdrüsen (Hepa-
versalschnitt aus sich nach hinten erstreckend, topankreas), die sich nach rückwärts bis zum
1. Antenne
2. Antenne
Rostrum
Schuppe
Auge
Magen
Aorta anterior
Mandibelmuskel
Mitteldarmdrüse
Hoden
Kiemen
Herz
Vas deferens
Enddarm
Schwanzfächer
Herzen erstrecken. Die Seiten des Präparates sich in einem großen, ventral gelegenen Blutsi-
bilden die zarten, streng geordneten Kiemen. nus an, von dem aus es in die Kiemen strömt.
Dicht vor dem hinteren Rand des Cephalotho- Durch das Entfernen der Seitenteile des Rü-
rax liegt median das (im lebenden Tier weißli- ckenschildes wurden die Kiemen freigelegt.
che) Herz. Es ist von rhombischer Gestalt und Der Panzer ist am Rücken in einem medianen
hat drei Paar Ostien, von denen allerdings nur Streifen, der der Breite der eigentlichen Brust
das dorsal gelegene Paar zu sehen ist. Nach vorn entspricht, festgewachsen, wölbt sich aber jeder-
gehen vom Herzen drei Gefäße ab. Das mittlere seits frei über die Kiemen hinweg, zwei Kiemen-
versorgt die Augen und das Cerebralganglion höhlen bildend, die sich vorn mit Spalten nach
(Aorta anterior), während die beiden seitlichen außen öffnen. Diese Spalten dienen dem Aus-
(Arteriae laterales) nach Abgabe eines Astes an strom des Atemwassers. Der Einstrom erfolgt
den Magen zu den Antennen ziehen und außer- durch sieben ventrale Öffnungen, von denen die
dem den Exkretionsorganen Blut zuführen. erste vor dem zweiten Kieferfuß, die letzte vor
dem fünften Brustfuß liegt.
• Die Tubuli der Mitteldarmdrüse mit feinem
In jeder der beiden Atemhöhlen befinden sich
Pipettenstrahl auflockern und mit der stump-
18 glasklare, büschelige Kiemen. Sie bestehen
fen Pinzette zur Seite drängen.
aus einem dorsal gerichteten Schaft, dem viele
Erst dann werden zwei weitere, lateral von den kleine, zylindrische Anhänge entsprießen, und
Arteriae laterales, an der Ventralseite des Her- lassen sich am besten betrachten, wenn wir den
zens entspringende Gefäße (Arteriae hepaticae) Krebs auf die Seite legen. Die hinterste Kieme
sichtbar. entspringt an der Rumpfwand über dem letzten
Nach hinten geht nur ein Gefäß ab, die Hinter- Schreitbeinpaar, also an der Pleuralregion. Sie
leibsarterie (Abdominalaorta, Aorta posterior). ist daher als Pleurobranchie zu bezeichnen.
Sie liegt dorsal auf dem Darm und gibt links Der letzte Thoracopod selbst trägt keine Kie-
und rechts segmentale Äste ab. Ein weiteres Ge- men, wohl aber die übrigen Schreitbeine (je 3
fäß (A. descendens), das man allerdings erst bei Kiemen) und der zweite und der dritte Kiefer-
fortgeschrittener Präparation in seinem ganzen fuß (2 bzw. 3 Kiemen). Jeweils eine dieser Kie-
Verlauf verfolgen kann, entspringt gemeinsam men sitzt an der Coxa der entsprechenden Ext-
mit der Abdominalaorta am Hinterende des remität (Podobranchien), während die übrigen
Herzens, geht aber senkrecht nach unten, seit- aus der Gelenkhaut zwischen Coxa und Rumpf
lich am Darm vorbei, zieht zwischen den Gan- hervorwachsen (Arthrobranchien).
glien der Thoraxsegmente 6 und 7 durch das
Bauchmark und gabelt sich schließlich in einen
• Um Insertion, Anordnung und Bau der Kie-
men zu studieren, diese vorsichtig mit einem
kopfwärts und einen schwanzwärts ziehenden
Pinsel hin und her bewegen.
Ast (vordere und hintere Subneuralarterie).
Der Schaft der Podobranchien trägt außer den
• Bei den Männchen den weißlichen Samen-
zylindrischen Röhrchen zwei wie Wellblech gefal-
leiter, der den Ursprung dieses Gefäßes ver-
tete Lamellen, die, nach rückwärts divergierend,
deckt, hinter dem Herzen vorsichtig nach un-
Schaft und Lamellenbasis der folgenden Podob-
ten drücken und schräg von der Seite her auf
ranchie und die unteren Arthrobranchien umfas-
das Präparat blicken.
sen. Sie haben auch Kiemenfunktion und leiten
Der das Herz umgebende Perikardialsinus das durch die Bewegung der Scaphognathiten an-
empfängt das in den Kiemen sauerstoffreich ge- gesaugte Wasser an den Kiemen entlang in den
wordene Blut (es enthält Hämocyanin als re- Firstraum der Atemhöhle, wo der Wasserstrom
spiratorischen Farbstoff) durch die Branchio- nach vorn umbiegt und dem Ausgang zustrebt.
perikardialkanäle, die oft als Kiemenvenen
bezeichnet werden. Aus dem Perikardialsinus
• Das Präparat mit dem Stereomikroskop be-
trachten.
gelangt das Blut durch die Ostien ins Herz und
von da über die offen endenden Arterien in die In der Pleuralregion über den Schreitbeinen 2,
Lücken zwischen den Organen, also ins Mixo- 3 und 4 befindet sich je ein zarter Schlauch von
coel. Das sauerstoffarm gewordene Blut sammelt etwa 4mm Länge. Es handelt sich um rudimen-
228 Crustacea, Krebse
täre Pleurobranchien. – Schließlich fallen fünf Bei weiblichen Tieren (Abb. 125) sind die
Büschel langer, dünner Haare auf, die an hö- ähnlich angeordneten Ovarien ebenfalls im hin-
ckerigen Erhebungen der Schreitbeincoxen sit- teren Teil verschmolzen. Vom Ovarium geht
zen. Man vermutet, dass sie das Eindringen von jederseits ein kurzer Ovidukt (Eileiter) zur Coxa
Fremdkörpern in den Kiemenraum verhindern. des dritten Peraeopoden.
• Den Krebs wenden und die in ihrer Anord- • Den Krebs auf die rechte Seite legen und beim
nung noch ungestörten Kiemen der anderen Männchen den linken Samenleiter sowie (bei
Seite betrachten. beiden Geschlechtern) die wie bindegewebige
• Danach die gesamte linke Thoraxwand ab- Stränge anmutenden, durchsichtigen Bran-
tragen, indem man erst ihre häutige Ver- chioperikardialkanäle entfernen.
bindung bis zum Abdomen durchtrennt und • Mit Fingerspitzen und stumpfer Pinzette die
dann knapp über den Beineingelenkungen Lappen der Mitteldarmdrüsen so beiseite
mit flach angesetzter Schere bis zum Vorder- drängen, dass sie die Sicht nicht behindern.
rand des Segments der ersten Thoracopoden
Es ist nun leicht, die Gefäße in ihrem Verlauf
entlang schneidet.
zu verfolgen. Die Arteria descendens zieht am
• Dort bogig von oben nach unten schneiden,
Enddarm vorbei nach unten und verschwindet
um die Verbindung zu den Kopfflanken zu
zwischen Längsmuskeln in einem Loch eines
durchtrennen.
inneren Skeletelementes.
• Es sind nun nur noch die an der Pleuralwand
innen ansetzenden Muskeln mit dem Skalpell • Die Längsmuskeln, die die Sicht behindern,
zu lösen. Die anatomischen Verhältnisse im mit der Pinzette auseinander drücken.
Cephalothorax sind jetzt, vor allem, wenn
Vorn führt, vom Mund her kommend, der kurze
wir das Präparat bald von oben, bald von der
Oesophagus senkrecht nach oben zum Kauma-
Seite betrachten, leichter zu überblicken.
gen, an dessen Außenwand eine komplizierte
• Das Gewebe der Mitteldarmdrüsen mit oft
Muskulatur zu erkennen ist.
wiederholtem Wasserstrahl aus der Pipette
und mit einem Pinsel vorsichtig auflockern. • Die dorsale Decke des Magens wird nun –
ohne das hinten abgehende Darmrohr zu ver-
Die Mitteldarmdrüsen sind aus einer großen
letzen – vorn, links und hinten umschnitten
Anzahl dünner Schläuche aufgebaut, die – zu
und nach rechts geklappt und der bräunliche,
Lappen geordnet – jederseits in drei Ausführ-
schleimige Mageninhalt mit Pipette und Pin-
gänge münden. Die drei Gänge jeder Seite ver-
zette entfernt.
einigen sich zu einem Hauptgang. Die beiden
Hauptgänge münden sowohl in den Filtermagen Der Magen – er gehört noch zum ectodermalen
als auch in den Mitteldarm, der sehr kurz und Vorderdarm – ist zweiteilig. In der vorderen, ge-
auf das Mündungsgebiet der Mitteldarmdrüsen räumigen Cardia (Kaumagen) sieht man von bei-
beschränkt ist. Die Aufgabe der Mitteldarm- den Seiten zwei starke, gezähnte Cuticulaleisten
drüsen besteht in der Bildung von Enzymen für ins Innere vorspringen und an der Magendecke
die im Magen stattfindende Verdauung, in der median eine weitere, unpaare. Zusammen mit
Resorption der aufgespaltenen Nahrung sowie der hochentwickelten Spezialmuskulatur dienen
in der Speicherung von Fett und Glykogen. diese drei „Magenzähne“ zum Zerkleinern und
Bei einem männlichen Tier fallen schon zu Durchkneten der Nahrung, die außerdem von
Beginn der Untersuchung der inneren Organe den hierher geleiteten Verdauungsenzymen der
stark geknäuelte, weiße Schläuche auf, die etwas Mitteldarmdrüse aufgeschlossen wird. Manchmal
hinter dem Herzen liegen und sich in der Tiefe liegen in zwei seitlichen, nach außen vorragen-
verlieren (Abb. 124). Es sind die Ausführgänge den Ausbuchtungen der Cardia die Magensteine,
der beiden Hoden, die Vasa deferentia, die je- halbrunde, weiße Ablagerungen aus Calciumcar-
derseits auf der Coxa des fünften Peraeopoden bonat, die nach der Häutung bei der Neubildung
ausmünden. Die Hoden selbst liegen dicht vor des Panzers verbraucht werden.
und unter dem Herzen und sind in ihrem hinte- Im zweiten Teil des Magens, im Pylorus (Fil-
ren Abschnitt miteinander verschmolzen. termagen), sind komplizierte Falten und Filter
Crustacea, Krebse 229
1. Antenne
Schuppe
Antennendrüse
Komplexauge
Oberschlundganglion
Schlundkonnektiv
Harnblase
Oesophagus
Unterschlundganglion
Mandibelmuskel
Paariger Teil
des Ovariums
Eileiter
Unpaarer Teil
des Ovariums
Abb. 125 Anatomie eines
weiblichen Flusskrebses.
Dorsalansicht. Magen,
Mitteldarmdrüse und Herz
sind entfernt
zu sehen (Abb. 126). Sie dienen dazu, Grobes rativ nicht leicht darstellbar. Es sitzt dem vorde-
und Feines zu trennen. Nur feinste Partikel ge- ren, dorsalen Ende eines wegen seiner smaragd-
langen zur Endverdauung in die Mitteldarmdrü- grünen Färbung auffallenden Organs („Grüne
sen, die gröberen werden über ein Trichterventil Drüse“), dem so genannten Labyrinth, auf. Der
in den Enddarm befördert. aus dem Sacculus führende Trichtergang steht in
Der eigentliche, eine cuticulare Auskleidung offener Verbindung mit dem stark zergliederten
entbehrende, entodermale Mitteldarm ist, wie Hohlraumsystem des Labyrinths. Der von hier
gesagt, auf das Gebiet der Mitteldarmdrüsen- zur meist kollabierten, sackförmigen Harnblase
öffungen beschränkt. Unmittelbar dahinter be- führende weißliche Strang (Nephridialkanal)
ginnt der nun wieder ectodermale und mit einer wird von einem sehr stark geschlängelten Kanal
Cuticula versehene Enddarm. Er zieht unter dem durchzogen. Der Exkretionsporus liegt auf ei-
unpaaren Teil der Gonade und unter dem Her- ner kleinen Erhebung im Basalglied der zweiten
zen als gerades Rohr ins Abdomen, wo er, in die Antenne. Die Antennennephridien dienen der
kräftige Schwanzmuskulatur eingebettet, unter Exkretion und Osmoregulation. An der Exkre-
der Hinterleibsaorta dem Körperende zustrebt. tion beteiligt sind außerdem die Kiemen, über
Beiderseits der vorderen, seitlichen Ma- deren große Oberfläche der überwiegende Teil
genwände, hinten begrenzt von den großen des anfallenden NH3 ausgeschieden wird.
Mandibelmuskeln, liegen in der Tiefe die Exkre-
tionsorgane, die Antennennephridien (Anten- • Vor der Präparation des Nervensystems ist es
nendrüsen). Das coelomatische Endsäckchen, erforderlich, einen Teil der Organe zu entfer-
der Sacculus, ist klein und gefaltet und präpa- nen. Den Flusskrebs mit ein paar Nadeln im
230 Crustacea, Krebse
Wachsbecken befestigen und die das Herz cher Ganglienpaare vorhanden sind, von denen
vorn und hinten verlassenden Gefäße durch- jederseits drei Nerven entspringen.
schneiden. Dabei jedoch die A. descendens Verfolgt man das Bauchmark nach vorn, so
schonen. sieht man es etwa 1cm caudal von der Stelle,
• Den Magen vom Oesophagus trennen und an der die A. descendens sich unseren Blicken
samt Mitteldarmdrüsen und Enddarm heraus- entzieht, unter einer aus mehreren Stücken be-
nehmen. stehenden, endoskeletalen Platte verschwinden.
• Die Ausführgänge der Gonaden so weit wie Der zwischen dieser Skeletplatte und der ventra-
möglich verfolgen und die Gonaden anschlie- len äußeren Körperwand liegende Raum beher-
ßend entfernen. bergt seitlich die Muskeln von Coxa und Basis
der Thoraxextremitäten, während sein mittlerer,
Die Präparation des Nervensystems erfolgt von von senkrechten Streben seitlich begrenzter Ab-
hinten nach vorn. schnitt einen Kanal bildet (Sternalkanal), in dem
das Bauchmark und die Subneuralarterie liegen.
• Hierzu die Muskeln des Abdomens einen
nach dem anderen vorsichtig herausnehmen. • Diese innere Skeletplatte vorsichtig und Stück
für Stück abpräparieren.
Man stößt dann in der Tiefe auf das weiße
Bauchmark. Es bildet in jedem Segment ein Man kann das Bauchmark durch den Cepha-
Ganglienpaar, sodass im Hinterleib sechs sol- lothorax bis zum Unterschlundganglion hin ver-
folgen. Von ihm gehen die beiden Schlundkon- Statolith entfernt. Bei der Häutung wirbelt der
nektive, den Oesophagus umfassend, nach oben Krebs Sand und Schlick auf und streicht dann
zum Oberschlundganglion (= Cerebralganglion, mit einer der kleinen Scheren über die Öffnung
Gehirn), das vorn im Kopf zwischen den Basen der Statocyste und drückt so – die den Eingang
der beiden Augenstiele zu finden ist. Außer dem umstellenden Haare sind zu diesem Zeitpunkt
Unterschlundganglion sind fünf Ganglienpaare noch weich – feinste Sandkörner in die Blase.
im Thorax vorhanden, die den fünf mit Schreit-
beinen ausgestatteten Segmenten zugehören.
• Der Statolith wird mit einer feinen Pinzette
oder durch den Strahl aus einer fein ausgezo-
Zwischen dem dritten und vierten Paar weichen
genen Pipette vom Sinnespolster abgehoben.
die Konnektive etwas weiter auseinander; hier
tritt die Aorta descendens hindurch. Viertes und Die Sinneshaare liegen dann frei. Man erkennt
fünftes Ganglienpaar des Cephalothorax liegen zwei Gruppen, eine kleinere, dem medianen
dicht hintereinander. Das große Unterschlund- Rand genäherte, und eine größere, laterale mit
ganglion ist aus einer Verschmelzung der sechs sichelförmiger Anordnung der Sensillen.
Ganglienpaare entstanden, die den sechs der
Nahrungsaufnahme dienenden Extremitäten
• Eines der nahezu kugeligen Komplexaugen
abschneiden und bei Auflicht mikroskopieren.
entsprechen. Von diesen sechs Ganglienpaaren
liegt das hinterste, das also dem dritten Kiefer- Die Corneae der Ommatidien sind viereckig
fußpaar zugehört, etwas getrennt (Abb. 126). und nicht wie bei den Insekten sechseckig.
• Die Präparation des Nervensystems gelingt • Einen Samenleiter zerzupfen.
besser, wenn man die Krebse mit 70%igem
Bei starker Vergrößerung kann man dann die
Alkohol übergossen über Nacht (abgedeckt!)
Spermien erkennen, die unbeweglich sind. Sie
stehen lässt.
bestehen aus einem zentralen, scheibenförmi-
• Schließlich werden noch sämtliche Gliedma-
gen Teil und einigen langen und starren, davon
ßen einer Körperseite mit Skalpell und klei-
abgehenden Strahlen.
ner Schere an ihrer basalen Eingelenkung von
hinten nach vorn fortschreitend abgetrennt • Ein Stück vom Bauchmark abschneiden, auf
und, wie in Abb. 123 dargestellt, der Reihe dem Objektträger ausbreiten und in Glycerin
nach auf einen Bogen Papier gelegt. untersuchen.
• Zum Abschluss einzelne Organe mikrosko-
Die Doppelnatur der einzelnen Ganglien sowie
pisch untersuchen.
der sie verbindenden Konnektive ist gut zu er-
So kann man die ersten Antennen mit dem Ste- kennen.
reomikroskop betrachten, um den von Borsten An den Kiemen, aber auch auf der Körperober-
umstellten Eingang zur Statocyste zu sehen. fläche der Krebse wird man nicht selten einen nur
wenige Millimeter langen, weißen Oligochaeten
• Zur Präparation der Statocyste wird das Ros-
finden. Es handelt sich um Branchiobdella. Die
trum an der Basis abgeschnitten. Dadurch
Durchsichtigkeit der Tiere erlaubt, im mikrosko-
wird im Schaftglied der ersten Antenne der
pischen Präparat ihren Bau zu studieren.
dreieckige, von mehreren Schichten von Haa-
ren überdeckte Eingang zum Statocysten- • Einen Wurm unter Wasser auf den Objektträ-
bläschen zugänglich. ger bringen und ein Deckglas mit Wachsfüß-
• Es wird nun vom medianen und lateralen Rand chen auflegen.
der Öffnung aus die Cuticula abgetragen.
Obwohl Branchiobdella oft zu den Oligochae-
• Nach Erweiterung der Öffnung erhält man
ten gerechnet wird, erinnert ihr Bau in mancher
Einblick in das Statocystenbläschen.
Hinsicht an Hirudineen, so durch den Besitz
Zunächst fällt der Statolith auf. Er besteht aus eines hinteren Saugnapfes und das Fehlen von
miteinander verbackenen, winzigen Sandteil- Borsten. Die vier sehr deutlichen Nephridien be-
chen. Als ectodermale Bildung wird bei jeder sitzen große Flimmertrichter, die in der geräumi-
Häutung auch die Cuticula des Statocysten- gen Leibeshöhle liegen. Ein dorsales und ein ven-
bläschens abgestoßen. Dabei wird auch der trales Blutgefäß sind durch transversale Bogen
232 Crustacea, Krebse
verbunden. Der muskulöse, gelbbraune Darm ganbezirke auch äußerlich abgegrenzt werden
zeigt Kontraktionsbewegungen; vorn liegen zwei (Abb. 127a). Helle Flecke, wie sie besonders im
kräftige Kiefer. Die beiden Ovarien liegen im 7., Verlauf der Furche zwischen Mitteldarmdrüsen-
die Hoden im 5. Segment. Die mit einem Trichter und Kiemenregion hervortreten, entsprechen
beginnenden Samenleiter führen in einen aus- Muskelansatzstellen. Weiße, spiralige Röhrchen,
stülpbaren Penis. Die ovalen Eikokons werden an die dem Panzer bisweilen angeheftet sind, sind
Stielchen an den Kiemen befestigt. die Kalkgehäuse Röhren bauender Polychaeten
Einen weiteren, 1–2mm langen Parasiten, den der Gattung Spirorbis, die sich neben Seepocken
Trematoden Astacotrema cirrigerum, findet man als Epoeken oft hier ansiedeln.
häufig in der Nähe des Darmes in der Schwanz- An der Ventralseite des Tieres müsste man
muskulatur. nach dem für das Außenskelet der Arthropoden
gültigen Schema seitlich die Pleurite, median die
Sternite der einzelnen Cephalothoraxsegmente
4. Carcinus maenas, Strandkrabbe antreffen. Nun zieht sich aber der durch die Ver-
schmelzung der Rückenstücke (Tergite) entstan-
• Einige lebende Strandkrabben werden zur dene Teil des Carapax mit scharfer Kante umbie-
Beobachtung der Atembewegungen, des Seit- gend auf die Ventralseite hinunter und schränkt
wärtsganges, des Aufbäumreflexes und der Au- so den Raum der Pleurite, die zudem nahtlos un-
totomie bereitgehalten; die Autotomie lässt sich tereinander verschmolzen sind, beträchtlich ein.
allerdings nur an völlig gesunden und kräftigen, Die Tergite und Pleurite der Cephalotho-
am besten frisch gefangenen Tieren zeigen. raxsegmente sind zu einem einzigen Stück
verschmolzen. Auch die Sternite sind fest mitei-
Die Strandkrabbe gehört wie der Flusskrebs zu nander verbunden; doch sind hier die Segment-
den Decapoda und in dieser Gruppe zu den grenzen als Querfurchen noch deutlich erkenn-
Reptantia, also zu den zehnfüßigen, im Wesent- bar. Die vorderen Sternalsegmente werden durch
lichen sich laufend fortbewegenden Krebsen. In- die Mundgliedmaßen, insbesondere die beiden
nerhalb der Reptantia gehört die Strandkrabbe deckelförmigen dritten Maxillipeden verdeckt,
zu den kurzschwänzigen Krebsen (Brachyura). sodass vorläufig nur die postoralen Sternite zu
Diese sind durch den stark verbreiterten Cepha- erkennen sind. Sie bilden die vorn spitz zulau-
lothorax ausgezeichnet, während das Abdomen fende Sternalplatte, deren Mittelteil zur Auf-
kurz und schmal ist und ventral nach vorn um- nahme des hochgeschlagenen Abdomens grubig
geschlagen getragen wird, sodass es bei dorsaler vertieft ist. Von den einzeln unterscheidbaren
Betrachtung nicht zu sehen ist. Segmenten der Sternalplatte ist das zum ersten
Der Cephalothorax wird von dem stark ver- Peraeopoden, dem Scherenbein, gehörende am
kalkten Carapax bedeckt. Man kann an ihm einen breitesten. Der vor ihm liegende Teil der Ster-
dem Rostrum des Flusskrebses entsprechenden nalplatte entspricht den beiden Maxillen- und
Stirnrand unterscheiden, der seitlich durch die den drei Maxillipedensegmenten. Hinter dem
beiden Augenbuchten abgegrenzt wird und in drei Scherenbeinsegment folgen noch vier weitere
Zähne ausgezogen ist (Abb. 127a). Zwischen Stirn- Thoraxsternite, das letzte allerdings erst nach
rand und Augenbuchten ragt jederseits eine der Anheben des Abdomens sichtbar werdend.
einästigen zweiten Antennen hervor. Die ersten Den Querfurchen der Sternalplatte entspre-
Antennen sind beim getöteten Tier von oben her chen im Inneren Skeletquerwände, die Endos-
in der Regel nicht zu sehen, da sie bei Beunruhi- ternite, die jedoch erst am Ende der Präparation
gung zusammengeklappt und in besonderen Gru- sichtbar werden. Fortsätze, die von den hinteren
ben unter dem Stirnfortsatz verborgen werden. In seitlichen Ecken der Sternite nach caudal zie-
den Augenbuchten, die von unten her durch eine hen, die Episternite, gestalten die Gelenkgru-
besondere Zacke des Außenskelets geschützt wer- ben für die Hüftglieder der seitlich eingelenkten
den, liegen die beweglichen Augenstiele mit den Extremitäten vollständiger.
stark gewölbten Augen an der Spitze. Von den fünf Paar Peraeopoden trägt nur
Die Oberfläche des Carapax zeigt ein Sys- das erste eine Schere (Chela): Sie ist kräftig ent-
tem von Furchen, durch die bestimmte Or- wickelt und die wichtigste Waffe des Tieres für
Crustacea, Krebse 233
Abb. 127 a Regionen auf der Dorsalseite des Carapax der Strandkrabbe, b Ventralansicht einer männli-
chen Strandkrabbe; c Ventralansicht eines Weibchens. P1–P5: Peraeopoden
Angriff und Verteidigung. Die Mundwerkzeuge kleine Öffnungen erhalten bleiben, durch die
(Mandibeln, erste und zweite Maxillen) sowie das Atemwasser in die Kiemenkammer einströ-
die beiden ersten Maxillipeden werden durch men kann. Sie liegen über bzw. zwischen den
das dritte Maxillipedenpaar verdeckt. Studium Hüftgliedern der Extremitäten, sind aber im All-
und Präparation der Mundextremitäten erfol- gemeinen so klein, dass sie nur mit einer fei-
gen später (s. S. 238), da man sie jetzt nur un- nen Borste sondiert werden können. Lediglich
vollständig ablösen könnte. die vorderste dieser Öffnungen, die unmittelbar
über dem Scherenbein liegt, ist groß und daher
• Die letzten Maxillipeden nur auseinander bie-
leicht erkennbar. Sie dient als Hauptinspirations-
gen.
öffnung. Längere Borsten an ihrem Rand verhin-
Man erkennt in der Tiefe die kräftigen Kauladen dern das Einströmen größerer Schmutzpartikel.
der Mandibeln, die die Lage der Mundöffnung Die weite Exspirationsöffnung finden wir un-
angeben. mittelbar lateral von den Mundextremitäten.
Außen schließen die Pleurite dicht an die Das Abdomen (Abb. 127b, c) bietet die Mög-
Hüftglieder der Schreitbeine an, doch so, dass lichkeit, die Geschlechter zu unterscheiden. Es
234 Crustacea, Krebse
ist beim Weibchen etwas länger und viel breiter grubig eingesenkte Öffnungen der Sternalplatte
als beim Männchen, sodass es die Sternalplatte leicht erkennbar.
fast völlig verdeckt. Dementsprechend ist auch Beim Männchen tragen nur das 1. und das 2.
die grubige Vertiefung in der Sternalplatte beim Abdominalsegment Extremitäten, die der Sper-
Weibchen erheblich breiter (aber flacher) als matophorenübertragung dienen. Die beiden
beim Männchen. Das Pleon setzt sich wie beim männlichen Geschlechtsöffnungen liegen an der
Flusskrebs aus sechs Segmenten und dem Tel- Ventralseite der Basalglieder der letzten Lauf-
son zusammen. Das Telson, das ventral den beine. Sie sind zu schlauchförmigen Papillen
After erkennen lässt, ist bei den Brachyuren ausgezogen (Penes).
eine kleine, dreieckige Platte; ein Schwanzfächer Der männliche Kopulationsapparat (Abb. 128)
fehlt. Zwei Längsfurchen auf der Dorsalseite ist ein paariges Gebilde und besteht aus den 1.
grenzen die schmalen Tergite gegen die Pleurite und 2. Pleopoden (den Gonopoden) sowie den
ab, die auch einen großen Teil der Ventralseite beiden Penes, die an der Coxa der 5. Peraeopo-
abdecken. Die Sternite sind so dünnhäutig, dass den entspringen. Das Endglied des 1. Pleopoden
der Enddarm in der Mitte hindurchschimmert ist eine Röhre, in die der stabförmige 2. Pleopode
(Abb. 128). Beim Weibchen sind alle sechs Ab- sowie der Penis derselben Körperseite eingelassen
dominalsegmente getrennt und gegeneinander sind. Beide werden in je eine proximale Öffnung
beweglich, beim Männchen dagegen sind die der Röhre des 1. Pleopoden eingeführt, der 2.
3., 4. und 5. Abdominalsegmente zu einer gro- Pleopode von ventral, der Penis von dorsal.
ßen, trapezförmigen Platte verschmolzen. Das 1.
Abdominalsegment, das nur als schmale Quer-
• Das Pleon abklappen.
spange gleich hinter dem Carapax zu erkennen Die Grundglieder des 2. Pleopoden werden an
ist, setzt sich unter dieser Platte nach vorn in ein der Basis der Röhre sichtbar.
dreieckiges Endstück fort.
Beim Weibchen tragen das 2. bis 5. Abdomi-
• Den 2. Pleopoden vorsichtig mit einer Pin-
zette aus dem 1. Pleopoden herausziehen.
nalsegment je ein Paar zweiästiger, reich bebors-
teter Pleopoden, die dem Anheften der Eiballen
• Das Kopulationsorgan einer Seite vorsichtig
abklappen.
und damit der Brutpflege dienen. Die weibli-
chen Geschlechtsöffnungen liegen an der Ven- Der Penis wird als weißer Strang zwischen der
tralseite des 6. Thoracalsegments. Sie sind als Coxa des 5. Peraeopoden und der Dorsalseite
des 1. Pleopoden sichtbar (Abb. 128). Bei der schen Cephalothorax und Abdomen durch-
Spermatophorenübertragung werden die 1. Ple- trennen.
opoden in den sternal gelegenen Geschlechts- • Dann den Carapax von hinten beginnend
öffnungen des Weibchens verankert. Im 1. Pleo- vorsichtig anheben und die ihm anhaftende
poden wird der 2. Pleopode vergleichbar einem Epidermis nach unten abdrängen. Hiermit
Kolben in einem Zylinder bewegt. Dadurch fortfahrend den Carapax immer weiter auf-
gelangen die Spermienpakete aus dem Penis klappen.
heraus in die Röhre des 1. Pleopoden. Durch die • Dabei sind verschiedene Muskelbündel zu er-
Pumpbewegungen des 2. Pleopoden werden sie kennen, die von ihm entspringen und die Epi-
dann durch die Röhre des 1. Pleopoden in die dermis durchsetzen. Indem sie durchschnit-
weibliche Geschlechtsöffnung transportiert. ten werden, kann man weiter präparierend
Nicht selten wird ventral am Pleon ein helles schließlich die ganze Carapaxdecke abheben.
Säckchen vorragen. Die Strandkrabbe ist dann
von einem Parasiten, von Sacculina carcini, be- An der Innenfläche des Carapax befindet sich
fallen, dem extrem umgestalteten Weibchen ei- ein den äußeren Furchen genau entsprechendes
nes Rankenfüßers (Cirripedia; S. 483). Außen Leistensystem, das dem Muskelansatz dient. Der
an der Krabbe sichtbar ist nur der Brutsack Blick auf die inneren Organe wird noch durch
des Parasiten, die sog. Sacculina externa. Er die graubraun oder auch gelblich marmorierte
birgt außer einem Ganglienknoten und einem zarte Epidermis verwehrt.
Hohlraum, der Mantelhöhle, nur die Ovarien
und – bei reifen Tieren in paarigen Receptacula
• Mit der feinen Schere stückweise die Epider-
mis entfernen. Vorsicht über dem Herzen
seminis – Spermien. Der Brutsack ist über einen
und der Mitteldarmdrüse!
Stiel mit wurzelartig den Körper des Wirtstie-
res durchziehenden feinen Fortsätzen verbun- Die Färbung der Epidermis rührt von dicht lie-
den (Sacculina interna), die mit Ausnahme von genden Pigmentzellen her.
Herz und Kiemen alle inneren Organe ober-
flächlich so stark umspinnen, dass eine Präpa-
• Ein kleines Stückchen Epidermis gut ausge-
breitet auf einen Objektträger legen, einen
ration befallener Krabben unmöglich ist. Die
Tropfen Wasser hinzufügen, ein Deckglas auf-
Krebsnatur von Sacculina ist nur durch ihre
legen und unter dem Mikroskop betrachten.
Larven offenkundig. Sie verlassen als Nauplien
den Brutsack und verwandeln sich im Verlauf Man sieht die von schwarzbraunem Pigment
von einigen Häutungen zu sog. Cyprislarven. erfüllten, in der Form je nach der mehr oder
Weibliche Larven setzen sich an jungen Krab- weniger vollständigen Ballung bzw. Ausbreitung
ben fest, durchlaufen dort eine Umgestaltung der Pigmentkörnchen sehr verschiedenen Pig-
zu einem Epidermissack, der ausschließlich mentzellen.
undifferenzierte Zellen enthält. Der Wirt wird
durch den Parasiten nicht getötet, aber so stark
• Das Vorderstück des ersten Abdominaltergiten,
eine durchscheinende, vorn tief ausgebuch-
geschädigt, dass die Häutungen und damit das
tete Platte, die durch Abtragen des Rücken-
Wachstum unterbleiben.
panzers freigelegt wurde, wegschneiden.
• Eine nicht zu schwache Schere in die Gelenk- Dadurch gewinnt man einen guten Überblick
haut über dem letzten Schreitbein einführen über die wichtigsten inneren Organe (Abb. 129).
und von hier entlang der Hinterseitenkante In der Mittelregion sind vorn der geräumige, sich
bis zum hintersten Zahn schneiden. nach hinten zu keilförmig verschmälernde Ma-
• Der Schnitt wird dann so weitergeführt, dass gen und dahinter das bei guter Präparation noch
er die Zähne gerade noch stehen lässt und sich in den Perikardialsinus eingeschlossene Herz zu
vom Stirnrand etwa 1/2 cm entfernt hält, wobei sehen. Seitwärts vom Magen liegt jederseits die
die starken hinteren Begrenzungswülste der Mitteldarmdrüse, ein umfangreiches, weißlich-
Augenbuchtungen umschnitten werden. gelbes, sich aus zahlreichen kleinen Schläuchen
• Nachdem so der Carapax beiderseits und zusammensetzendes Organ. Ihm liegen bei weib-
vorn aufgeschnitten ist, die Gelenkhaut zwi- lichen Tieren die paarigen, vorderen Schenkel der
236 Crustacea, Krebse
Arteria
lateralis
cephalica
Ovar
Mittel-
darm-
drüse Mittel-
darm-
coecum
Kiemen-
Hintere Magen- bürste
muskeln
Adductor
mandibulae
Rectal-
End-
coecum Kiemen
Ovar darm
Herz mit Ostien Mitteldarmdrüse
Aorta abdominalis
dorsalis
Abb. 129 Carcinus maenas. Weibchen, dorsal geöffnet. Haut, Herzbeutel und vorderes Stück des ersten
Abdominaltergiten abgetragen
Ovarien auf, die zwischen Magen und Herz durch geht in der Tiefe in eine lange, feste Sehne über,
ein Querstück verbunden sind. Beim Männchen durch die er an der Mandibel inseriert.
befinden sich an gleicher Stelle die Hoden.
Seitwärts vom Anfangsstück der Ovarien fal-
• Den Muskel bis auf die Sehne abtragen oder
abzupfen.
len als feine, gewundene Schläuche von weißli-
cher Färbung die paarigen Blindsäcke (Coeca) Hinter dem Herzen werden ein Stück des End-
des Mitteldarms auf. darmes und seitlich davon weitere Abschnitte der
Mitteldarmdrüse und Ovarien (bzw. Samenleiter)
• Mitteldarmdrüse und Ovarium vorsichtig von
sichtbar. Dem Enddarm liegt hinten als langer, in
der Magenwand wegdrücken.
sich aufgerollter Schlauch das Rectalcoecum auf,
So wird das gerade Anfangsstück der Blindsä- der seitliche Raum hinter der Mitteldarmdrüse
cke, mit dem sie aus dem Mitteldarm entsprin- wird von den Kiemen eingenommen. Meist zieht
gen, sichtbar. ein schlankes, federförmiges Gebilde über sie
Etwas nach hinten und innen von dem Knäuel hinweg, ein als Kiemenbürste oder Flabellum
der Mitteldarmcoeca liegt jederseits eine Mus- bezeichneter Anhang des ersten Maxillipeden,
kelmasse von ovalem Umriss, die aus einzelnen der als Reinigungsapparat für die Oberseite der
Bündeln besteht. Es handelt sich um einen der Kiemen dient.
kräftigen, die Mandibel bewegenden Muskel, Das Herz befindet sich in einem geräumigen
den inneren Schließmuskel (Adductor mandi- Perikardialsinus, dessen Wände bei der Präpara-
bulae internus). Er entspringt vom Carapax und tion meist verletzt werden. In diesem Raum ist
Crustacea, Krebse 237
das Herz durch Bänder, die Herzligamente oder der Magen ein Teil des ectodermalen Vorderdar-
Alae cordis, aufgehängt, von denen die von den mes ist, wird er von einer Cuticula ausgekleidet,
vorderen und hinteren Seitenecken ausgehen- die sich örtlich zu härteren Platten, verkalkten
den besonders gut zu erkennen sind. Dank ihrer Skeletspangen und starken Zähnen verdickt.
Elastizität bewirken sie die Wiederausdehnung Der hintere Magenabschnitt (Pylorus) hat ova-
des Herzens nach beendeter Kontraktion. Das len Umriss und setzt sich gegen den anschließen-
Herz ist etwa fünfeckig, etwas breiter als lang den entodermalen Mitteldarm deutlich ab.
und lässt nach vollständiger Entfernung des Der Mitteldarm ist sehr kurz und geht ohne
Perikardialsinus deutlich zwei Paar Öffnungen äußerlich erkennbare Grenze in den lang ge-
(Ostien) in der Dorsalwand erkennen, durch streckten, ectodermalen Enddarm über. In den
die das Blut aus dem Perikardialsinus einströmt. Pylorus und unmittelbar hinter dem Magen in
Ventile an den Ostien sorgen dafür, dass bei der den Mitteldarm münden die beiden Blinddärme
Kontraktion des Herzens das Blut nicht in den (Mitteldarmcoeca) ein, kurz dahinter rechte
Perikardialsinus zurücktreten kann. Zwei wei- und linke Mitteldarmdrüse.
tere Ostien bleiben vorläufig verborgen, da sie Der Enddarm weist etwas vor der hinteren
in den Seitenwänden des Herzens liegen. Grenze des Cephalothorax eine Verbreiterung
Von Arterien sind bei sorgfältiger Präpara- auf, von deren linkem oder rechtem Ende der
tion die vorn in der Mittellinie abgehende Aorta bereits erwähnte stark aufgerollte Blinddarm
zu erkennen, die über den Magen weg zu Cere- (Rectalcoecum) nach hinten abgeht.
bralganglion und Stirnregion zieht. Ferner zwei
Arteriae laterales cephalicae, rechts und links
• Den Darmtrakt, mit dem Magen beginnend,
herauslösen. Der cardiacale Abschnitt wird
neben der Aorta entspringend, die den Magen,
vorn und hinten seitlich angehoben und bis
die beiden Antennenpaare und andere Organe
auf den vom Magen senkrecht nach unten
versorgen, aber oft schwer erkennbar sind.
ziehenden Oesophagus freipräpariert.
• Die Arterien sind noch besser zu sehen, wenn • Diesen möglichst dicht am Magen abschnei-
man die Blutbahnen mit Kongorotlösung in- den und nach hinten bis zur Einmündung der
jiziert. beiden Mitteldarmcoeca weiterpräparieren.
Schließlich gibt es eine median hinten abge-
• Letztere in einiger Entfernung vom Darm
durchschneiden, da es kaum gelingt, sie
hende Arteria abdominalis dorsalis, auch als
im Ganzen aus der sie unterlagernden und
Aorta posterior bezeichnet, die oberhalb des
durchsetzenden Mitteldarmdrüse freizuprä-
Darmes weit in das Abdomen hineinzieht.
parieren. Auch die Mitteldarmdrüse vom
• Das Herz abtragen. Darm trennen.
Man stellt fest, dass auch aus seiner Ventralseite
• Den Enddarm hinter dem Abgang des Rectal-
coecums durchschneiden und herauslösen.
ein größeres Gefäß entspringt, die senkrecht ab-
steigende Arteria descendens (A. sternalis). Jetzt
• Den Darm zu genauerer Untersuchung un-
ter dem Stereomikroskop in ein Schälchen
tritt das zwischen Magen und Herz gelegene
mit Glycerinwasser 1 : 1 legen und dieses auf
quer verlaufende Verbindungstück der beiden
schwarzen Untergrund stellen.
Ovarien noch deutlicher hervor.
Betrachtet man zunächst den Magen von der
• Auch dieses Querstück entfernen.