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P. Wölfle
Universität Karlsruhe
Homepage: http://www.tkm.uni-karlsruhe.de/lehre/
Textverarbeitung: D. Scherer
2
Kapitel 0
Physik ist die grundlegende Naturwissenschaft. Ziel der Physik ist die Aufdeckung und mathematische
Beschreibung der Gesetze, denen die unbelebte Natur folgt. Die dafür in den letzten drei Jahrhunderten
entwickelte Strategie beruht auf zwei Komponenten:
1) dem gezielten Experimentieren (im Unterschied zur reinen Naturbeobachtung)
2) der Interpretation der Messergebnisse durch Aufstellen möglichst allgemeiner mathematischer Zusam-
menhänge zwischen den Messgrößen.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist die Spezialisierung in der Physik so weit fortgeschritten, dass eine
Arbeitsteilung in Experimentalphysik und theoretische Physik sinnvoll erschien. In der theoretischen
Physik hat sich dabei ein erstaunliches Maß an Universalität herausgebildet, so dass ganz verschiedene
Gebiete der Physik durch ähnliche Prinzipien und Begriffsbildungen zu charakterisieren sind. Als Beispiel
sei die Theorie der Turbulenz von Strömungen klassischer Flüssigkeiten und Gase genannt, in der ähnliche
mathematische Methoden Anwendung finden, wie z.B. in der Elementarteilchenphysik.
Seit den 1960er Jahren spielen Symmetriebetrachtungen eine führende Rolle in der T.P. So hat man
festgestellt, dass die bei höchsten Energien erzeugten Elementarteilchen einschneidenden Symmetrieprin-
zipien genügen, die eine stark vereinheitlichte theoretische Beschreibung ermöglichen. Ähnliche Prinzi-
pien wurden, z.T. schon früher, in der Festkörperphysik entdeckt und werden, insbesondere nach der
Entdeckung neuartiger Materialien, immer weiter entwickelt.
Die theoretische Physik ist heute auf vielen Gebieten mit völlig neuen Fragestellungen und Entwick-
lungen konfrontiert, die einen Strom neuer Ideen und Denkweisen hervorrufen. Dies ist erstaunlich, denn
die Physik ist eine alte Wissenschaft“, findet eine Erklärung aber darin, dass die Physik weit gefasst
”
und neuen Problemstellungen gegenüber offen und flexibel ist.
In dieser ersten Vorlesung über Theoretische Physik wird anhand der Newton’schen Mechanik der Mas-
senpunkte eine Einführung in die Denkweise der T.P. gegeben. Parallel dazu wird das mathematische
1
Rüstzeug für die ersten Semester vermittelt. Dabei soll sowohl die Begriffsbildung und Strukturbildung
in der T.P. verdeutlicht werden, als auch die Fertigkeit vermittelt werden, physikalische Vorgänge der
Mechanik zu berechnen.
Gegenstand der Mechanik ist die Untersuchung von Anordnungen von Materie (Masse!), die entweder
statisch sind oder sich in Bewegung befinden. Dabei werden wir uns zunächst auf die Betrachtung so-
genannter Massenpunkte beschränken, die als Idealisierung von Körpern anzusehen sind, deren innere
Freiheitsgrade wie Rotation und Schwingung vernachlässigt werden sollen, so dass man sich deren Masse
als im Schwerpunkt vereinigt vorstellen kann. Später werden wir starre Körper betrachten und einen
kurzen Überblick über die Mechanik der Kontinua, also der Flüssigkeiten und elastischen Medien geben.
2
Kapitel 1
Newton’sche Mechanik
Gegeben sei ein kartesisches Koordinatensystem K = {~e1 , ~e2 , ~e3 } im 3-dimensionalen euklidischen Raum
mit den Einheitsvektoren ~ei
(
1 für i = j
~ei · ~ej = δij = i, j = 1, 2, 3
0 für i 6= j
δi,j = Kronecker-Delta“
”
Vektoren ~a, ~b, . . . lassen sich darstellen bezüglich K als
X X
~a = ai~ei , ~b = bi~ei
i i
Die Position eines Teilchens (Massenpunktes) mit den Koordinaten x1 , x2 , x3 lässt sich als Ortsvektor ~r,
d.h. den Vektor vom Ursprung zum Punkt P darstellen:
X
~r = xi~ei
i
q
Länge: r = |~r| = x21 + x22 + x23
3
Falls die Position des Teilchens sich als Funktion der Zeit t ändert, durchfährt der Ortsvektor die Bahn-
kurve des Teilchens:
X
~r = ~r(t) = xi (t) · ~ei
i
Hierbei wurde der Begriff Zeit eingeführt. Allgemein ist die Zeit ein Parameter, der einen Bewegungs-
ablauf charakterisiert. Zur Messung der Zeit ist deshalb eine periodische Bewegung, also eine sich exakt
wiederholende Bewegung, am besten geeignet. Beispiele sind die Erdbewegung um die Sonne, die Erddre-
hung, Pendelschwingungen, Schwingungen eines Quartzkörpers, Schwingungen der elektromagnetischen
Strahlung eines Atoms (Atomuhr).
Die Geschwindigkeit ~v eines Teilchens ist die pro Zeit zurückgelegte Länge:
Die Richtung von ~v (t) zeigt entlang der Tangente an die Bahnkurve im Punkt ~r(t).
Der Betrag der Geschwindigkeit ist durch die zeitliche Änderung der Bogenlänge der Bahnkurve, s(t),
gegeben:
r
dx21 + dx22 + dx23
sX
2 ds
|~v | = v = ẋi (t) = 2
=
i
dt dt
rP
wobei das Differential der Bogenlänge ds = dx2i benutzt wurde.
i
Die Beschleunigung ~a des Teilchens ist die Änderung der Geschwindigkeit pro Zeit:
d d2
~v (t) = 2 ~r(t) = ~r¨ =
X
~a(t) = ẍi (t) · ~ei
dt dt i
Zt
~v (t) = dt′~a(t′ ) = ~at + ~v (0)
0
Zt
1
~r(t) = dt′~v (t′ ) = ~at2 + ~v (0)t + ~r(0)
2
0
4
1 a 2 v3
⇒ x3 = x + x1 Parabel
2 v12 1 v1
2. Beispiel: Kreisbahn in der Ebene {~e1 , ~e2 } mit konstanter Geschwindigkeit
Polarkoordinaten:
x =p
r cos ϕ y = r sin ϕ
r = x2 + y 2 ϕ = arctan xy
Für Situationen mit Zylindersymmetrie ist es nützlich, ein lokales Koordinatensystem einzuführen: ~er , ~eϕ
Damit lässt sich das Vektordifferential d~r so ausdrücken (in der Ebene):
∂x ∂x ∂y ∂y ∂x ∂x
d~r = dx ·~e1 + dy ·~e2 = dr + dϕ ·~e1 + dr + dϕ · dr + dϕ ·~e2 = dr ·~er + rdϕ ·~eϕ
∂r ∂ϕ ∂r ∂ϕ ∂r ∂ϕ
∂x ∂y
mit ~er = ~e1 + ~e2 = cos ϕ · ~e1 + sin ϕ · ~e2
∂r ∂r
∂x ∂y 1
und ~eϕ = ~e1 + ~e2 = − sin ϕ · ~e1 + cos ϕ · ~e2
∂ϕ ∂ϕ r
~r(t) = R~er
~v (t) = ωR~eϕ
~a(t) = −ω 2 R~er
5
woraus der Nutzen der symmetrieangepassten Darstellung unmittelbar ersichtlich ist.
Dabei bedeutet geradlinig“ die Bewegung auf einer Geraden, gleichförmig“ eine Bewegung mit kon-
” ”
stanter Geschwindigkeit.
Interpretation:
a) Kräftefreie“ Körper sind solche, die sich selbst überlassen“ sind. Das bedeutet, dass andere Körper,
” ”
mit denen eine Wechselwirkung möglich ist, hinreichend weit entfernt sind, bzw. Kraftfelder (Gravitation,
elektromagnetisches Feld) nicht vorhanden oder kompensiert sind.
b) Geradlinig“ und gleichförmig“ war für Newton bezogen auf einen absoluten“ Raum (euklidisch)
” ” ”
und eine absolute“ Zeit. Heute interpretiert man das 1. Axiom so:
”
Es gibt Raum-Zeit-Systeme (euklidische Koordinatensysteme und Zeitskalen), in welchen kräftefreie
”
Körper sich geradlinig und gleichförmig bewegen (~v = const.). Diese heißen Inertialsysteme.“
c) Körper“ bedeutet bei Newton Massenpunkt, also ein mechanisches System ohne innere“ Freiheits-
” ”
grade.
Kraft“ ist hier ein Sammelbegriff für Ursachen, die eine Beschleunigung von Massenpunkten hervorrufen
”
können. Wie diese Kräfte zustandekommen, ist Gegenstand anderer Theorien wie z.B. über Gravitation,
Elektromagnetismus, Elastomechanik, etc.
Kräfte sind Vektoren (F~ ). Die Wirkung einer Kraftquelle (z.B. gespannte Feder oder Automotor) auf
einen anderen Körper hängt von einer Eigenschaft des Körpers ab, die man träge Masse m“ nennt, und
”
die als Proportionalitätskonstante zwischen Beschleunigung ~a und Kraft F~ wirkt:
m · ~a = F~
Massenbestimmung:
Dieselbe Kraft F~ wirke auf zwei Körper mit Massen m1 , m2 .
F = m1 a1 F = m2 a2
6
m2 a1
⇒ =
m1 a2
Messung der Beschleunigung gibt ein Maß für die Masse.
Dynamische Kraftmessung:
Verschiedene gleichgerichtete Kräfte wirken auf die gleiche Masse m.
F1 = ma1 F2 = ma2
F2 a2
⇒ =
F1 a1
Es gibt Situationen, in denen sich die Masse eines Körpers zeitlich ändert (Rakete!). Es ist dann günstig,
als neue Bewegungsgröße den Impuls p~ zu definieren:
p~ = m~v
Sei F~12 die Kraft, mit der m2 auf m1 , und F~21 die Kraft, mit der m1 auf m2 wirkt. Dann gilt
F~12 + F~21 = 0
d
Folgt m1~a1 + m2~a2 = (~
p1 + p~2 ) = 0
dt
oder Gesamtimpuls p~ = p~1 + p~2 = m1~v1 + m2~v2 = const.
Zusatz 2: Kräfte, die zwei Massenpunkte aufeinander ausüben, wirken in der Richtung der Verbindungs-
linie.
7
1.3 Gravitation
Die Gravitation ist eine spezielle Kraftwirkung zwischen Körpern aller Art, die eine Anziehung bewirkt.
Körper auf der Erdoberfläche werden von der Erdmasse angezogen. Diese Kraft heißt Gewicht. Messung,
z.B. mit der Federwaage, ergibt:
m
~ = ms~g
G , g = |~g | ∼
= 9, 81 2
s
Freier Fall
Ein Körper fällt unter dem Einfluss der Gravitation entsprechend der Newton’schen Bewegungsgleichung
w w
Daraus folgen die Scheitellage x = 2 und -höhe z 2 = h und damit
v0z v0x v2
Wurfweite w = 2 = 0 sin(2α)
g g
2
1 v0z 1 v02
Wurfhöhe h = = sin2 α
2 g 2 g
8
Die Maximalwerte bei festem v0 werden erreicht für w bei α = 450 und für h bei α = 900 .
Die Wurfdauer ist
w v0
t0 = = 2 sin α
v0x g
Die Newton’sche Bewegungsgleichung für ein Teilchen der Masse m im (konstanten) Schwerefeld der
Erde,
m~r¨ − G
~ =0
lässt sich nach Multiplikation mit ~r˙ einmal integrieren, denn
d m ˙ 2 d m 2
m~r˙ · ~r¨ = ~r = v
dt 2 dt 2
~ · ~r˙ = d (G
und G ~ · ~r)
dt
Die Größe E ist die Gesamtenergie des Massenpunktes m im Kraftfeld G. ~ Sie setzt sich additiv zusammen
aus der kinetischen Energie T = m v 2
und der potentiellen Energie V (~
r) = −G~ · ~r = −Gz.
2
Energieerhaltungssatz T + V = E
Aus obiger Ableitung folgt, dass eine potentielle Energie V (~r) eine Kraft bedingt:
d
Fz = − V (~r); F~ = (0, 0, Fz )
dz
d d
Beweis: V (~r(t)) = ż · V (~r) = −~r˙ · F~
dt dz
Gravitationsgesetz allgemein
Der Ausdruck G ~ = m~g ist eine Näherung für die Erdanziehung von Körpern direkt an der Erdober-
~ 12 , die eine Masse m2 auf eine Masse m1 im Abstand
fläche. Allgemein gilt für die Gravitationskraft G
r12 ausübt:
~ 12 = −γ m1 m2 · ~r1 − ~r2
G 2
r12 r12
9
dabei sind ~r1 , ~r2 die Ortsvektoren der Massen m1 und m2 und r12 = |~r1 − ~r2 |. Der Vektor r̂12 = ~r1r−~
r2
12
ist ein Einheitsvektor in Richtung von m2 auf m1 . Man kann zeigen, dass die Gravitationskraft nicht von
dem Radius einer kugelförmigen Massenverteilung abhängt (→ Massenpunkt).
3
γ ist die Gravitationskonstante: γ = 6, 67 · 108 cm
gs2
~ = −γ mM R̂ ≡ m~g
G
R2
M
also |~g | = g = γ R 2 , wobei M die Erdmasse ist. Genauere Messungen ergeben kleine Abweichungen
10
Kapitel 2
Harmonischer Oszillator
Harmonische Schwingungsbewegungen treten in der Natur in vielen Formen auf, jedenfalls als idealisierte
Bewegungsform. Der harmonische Oszillator ist das wichtigste Modell eines dynamischen Systems, das
sich exakt lösen lässt.
Das ist die Bewegungsgleichung eines eindimensionalen, freien, ungedämpften harmonischen Oszillators.
Ergänzung: Falls die äußere Kraft nicht streng linear in x ist, sondern andere Komponenten, z.B. ∝ x2
oder ∝ x3 enthält, spricht man vom anharmonischen Oszillator. Eine Lösung ist in diesem Fall i.A. nicht
analytisch zu erhalten.
b) Fadenpendel
Faden“ konstanter Länge l (masselos) mit Masse m am Endpunkt, unter Einfluss der Schwerkraft.
”
Für die Bewegung ist nur die Tangentialkomponente F des Gewichts wichtig (Bewegung in der Zei-
chenebene)
F = −mg sin ϕ
wobei F > 0, da F der Auslenkung ϕ entgegenwirkt. Die Normalkomponente von G in Fadenrichtung
wird von der Fadenspannung kompensiert. Für kleine Auslenkungen ϕ ≪ 1 gilt mit sin ϕ ≈ ϕ:
F ≈ −mg ϕ
11
Die Bewegung der Masse m verläuft auf einem Kreisbogen mit Radius l. Die zurückgelegte Wegstrecke s
ist die Bogenlänge s = lϕ. Die Newton’sche Bewegungsgleichung ist damit
Als klassisches Modell eines Moleküls betrachten wir zwei Massenpunkte m1 und m2 (die Atome 1 und
2), die eine Ruhelage im Abstand a besitzen. Für die Bewegung der Atome in der x-Richtung existiert
ein Potential V (x2 − x1 ), aufgrund dessen m2 auf m1 die Kraft F12 und m1 auf m2 die Kraft F21 ausübt,
wobei
dV d
F12 (x2 − x1 ) = − = V (x2 − x1 ) = −F21
dx1 dx2
d2
F (a + u) − F (a) dF
F12 (x2 − x1 ) = F12 (a + u) = F12 (a) + · u ≃ F12 (a) + u · = 0 + u · 2 V (x) |x=a
u dx x=a dx
(Taylorentwicklung)
Wenn die Gleichgewichtslage stabil sein soll, muss sie einem Minimum des Potentials V (x) entsprechen
und damit ist V ′′ (a) > 0.
12
heißt gewöhnliche Differentialgleichung (DG) n-ter Ordnung.
DG 2. und höherer Ordnung sind i.A. nicht analytisch lösbar, d.h. die Lösung lässt sich nicht durch
elementare oder höhere transzendente Funktionen oder durch einen Integralausdruck darstellen.
Spezialfälle:
n
gi (x)y (i) (x) + y(x) + g0 (x) = 0
P
a) Lineare DG:
i=1
dy
= f (y)g(x)
dx
Z Z
dy
= g(x)dx
f (y)
Z
dy
Spezialfall: g(x) = 1 ⇒ x= + const.
f (y)
13
2.2 Freier, ungedämpfter harmonischer Oszillator
Energiesatz:
Beispiel der elastischen Feder:
mẍ + kx = 0 | · ẋ
d m 2 k 2 d
⇒ ẋ + x = (T + V ) = 0
dt 2 2 dt
m 2 k
Kinet. Energie: T = ẋ Pot. Energie V = x2
2 2
T + V = E = const.
Die lineare DG 2. Ordnung besitzt zwei linear unabhängige Lösungen x1 (t) und x2 (t), d.h.
Falls (I) gilt mit a1 , a2 6= 0, sind x1 (t) und x2 (t) linear abhängig. Dann gilt auch:
(I) und (II) bilden ein lineares Gleichungssystem für a1 und a2 . Es existiert eine nichttriviale Lösung nur
dann, wenn die Determinante der Koeffizienten verschwindet:
x1 (t) x2 (t)
∆(t) = Wronski-Determinante“
ẋ1 (t) ẋ2 (t) ”
Wenn dagegen ∆(t) 6= 0, sind x1 (t) und x2 (t) linear unabhängig (tatsächlich genügt es, wenn∆(t0 ) 6= 0
für ein bestimmtes t0 , da ∆(t) von t unabhängig ist).
Die Konstanten c1 , c2 sind aus den Anfangsbedingungen zu bestimmen, z.B. x(t0 ) = x0 , ẋ(t0 ) = v0 :
c1 x1 (t0 ) + c2 x2 (t0 ) = x0
c1 ẋ1 (t0 ) + c2 ẋ2 (t0 ) = v0
Dieses lineare Gleichungssystem für c1 , c2 hat genau dann eine eindeutige Lösung, wenn ∆(t0 ) 6= 0.
14
Ende des Einschubs
Lösungsweg A:
Funktionen f (t), deren zweite Ableitung f ′′ (t) proportional zur Funktion selbst sind, und die einen
oszillierenden Verlauf haben, sind die Winkelfunktionen:
Lösungen sind. Sie beschreiben harmonische Schwingungen“ mit der Frequenz ω0 , bzw. der Schwin-
2π ”
gungsdauer T = ω 0
.
Durch Einsetzen in ∆(t) findet man ∆(t) = ω0 6= 0, d.h. die Lösungen sind linear unabhängig.
Lösungsweg B:
Jede lineare, homogene DG mit konstanten Koeffizienten lässt sich mit dem Ansatz lösen
x(t) = eλt
Die Lösung dieser Gleichung erfordert eine Erweiterung des reellen Zahlenraums zum Raum der komple-
xen Zahlen (siehe mathem. Ergänzung).
λ1,2 = ±iω0
15
Die beiden linear unabhängigen Lösungen sind
Komplexe Zahlen lassen sich in der komplexen Zahlenebene darstellen als Vektoren vom Ursprung zum
Punkt z. Man definiert Länge r und den Winkel ϕ zur x-Achse.
Division:
a1 + ib1 (a1 + ib1 )(a2 − ib2 ) a1 a2 + b1 b2 + i(a2 b1 − a1 b2 )
= =
a2 + ib2 (a2 + ib2 )(a2 − ib2 ) a22 + b22
16
Der Nenner wurde durch Erweiterung mit der konjugiert komplexen Zahl in eine reelle Zahl umgeformt.
Rechenbeispiele:
1 + 2i + 3 − i = 4 + i
(1 + 2i)(3 − i) = 3 + 2 + i(6 − 1) = 5 + 5i
1 + 2i (1 + 2i)(3 + i) 3 − 2 + i(6 − 1) 1 7
= = = + i
3−i (3 − i)(3 + i) 9+1 10 10
i3 = i2 · i = −i , i4 = i2 i2 = (−1)(−1) = 1
damit i5 = i etc.
w = f (z) , z = x + iy , x, y reell
Jede komplexe Zahl lässt sich demnach schreiben als z = reiϕ mit r, ϕ wie früher definiert.
Eine allgemeine Potenz von z ist damit darstellbar als z α = (reiϕ )α = rα eiϕα
Für α = n, ganz, folgt der Satz von Moivre: (cos ϕ + i sin ϕ)n = einϕ = cos nϕ + i sin nϕ.
w = ez → z = ln w
Wie für die reelle Logarithmusfunktion gilt: ln(z1 z2 ) = ln z1 +ln z2 . Damit lässt sich Real- und Imaginärteil
von ln z explizit angeben:
ln z = ln(reiϕ ) = ln r + ln eiϕ = ln r + iϕ
Da die Phase ϕ von z nur bis auf Vielfache von 2π bestimmt ist, ist die ln z-Funktion eine (unendlich)
mehrdeutige Funktion.
17
Ende des Einschubs
FR = −Rẋ , R>0
Die Bewegungsgleichung für den gedämpften harmonischen Oszillator hat dann die Form
mẍ + kx + Rẋ = 0
R
oder allgemein: ẍ + ρẋ + ω02 x = 0 , ρ= >0
m
Mit dem Ansatz x(t) = eλt ergibt sich das charakteristische Polynom λ2 + ρλ + ω02 mit den Nullstellen
r
ρ ρ2
λ1,2 = − ± − ω02
2 4
18
ist.
Das Anfangswertproblem x(0) = x0 , ẋ(0) = v0 legt die Konstanten der allgemeinen Lösung so fest:
r
−ρ 1 ρ 1 ρ 2 ρ
x(t) = e 2t x0 cos Ωt + (v0 + x0 ) sin Ωt = x20 + 2 v0 + x0 · e− 2 t cos(Ωt − α)
Ω 2 Ω 2
v0 + ρ2 x0
mit α = arctan
x0 Ω
ρ
(ii) Starke Reibung: ω02 < 2
r
−γ1,2 t ρ ρ2
x1,2 (t) = e , γ1,2 = −λ1,2 = ∓ − ω02 > 0
2 4
Diese Lösungen haben keinen Schwingungscharakter mehr, sondern nehmen exponentiell mit der Zeit ab.
Das Anfangswertproblem führt auf
1
(γ2 x0 + v0 )e−γ1 t − (γ1 x0 + v0 )e−γ2 t
x(t) =
γ2 − γ1
ρ
(iii) Aperiodischer Grenzfall: ω0 = 2
Beweis: Aus den beiden Lösungen eλ1,2 t lassen sich Linearkombinationen bilden, z.B.
1
x± (t) = (eλ1 t ± eλ2 t )
λ1 ± λ2
die in Limes λ2 → λ1 = λ übergehen in
1 λt 1 − e(λ2 −λ1 )t
x+ = e und x− = eλt lim = eλt t
λ λ2 →λ1 λ1 − λ 2
19
2.4 Erzwungene Schwingungen
Wenn ein schwingungsfähiges System, z.B. ein harmonischer Oszillator, durch eine zeitabhängige Kraft
zu Schwingungen angeregt wird, spricht man von erzwungenen Schwingungen“. Für die Feder ergibt sich
”
dann die Bewegungsgleichung
Dies ist eine inhomogene lineare DG 2.Ordnung. Die Gesamtheit ihrer Lösungen ist darstellbar als Summe
aus einer speziellen (der sog. partikulären“) Lösung und aus der allgemeinen Lösung der zugehörigen
”
homogenen DG, d.h. der DG für f (t) = 0.
Dabei ist x̃(t) die partikuläre Lösung, x1 (t) und x2 (t) sind die (früher behandelten) linear unabhängigen
Lösungen der homogenen DG. In Folgenden nehmen wir den schwach gedämpften Fall an (ω0 > ρ2 ). Bei
gegebenem x̃(t) werden die Konstanten c1 , c2 durch die Anfangsbedingungen festgelegt
x(0) = x0 = x̃(0) + c1 x1 (0) + c2 x2 (0)
˙
ẋ(0) = v0 = x̃(0) + c1 ẋ1 (0) + c2 ẋ2 (0)
Dieses lineare Gleichungssystem für c1 , c2 hat eine eindeutige Lösung, da nach Voraussetzung die Koeffi-
zientendeterminante ∆(0) 6= 0. Wir stellen fest, dass Anteile x1 (t), x2 (t) in x(t) exponentiell abklingen,
so dass bei längerem Wirken von f (t) nur die partikuläre Lösung bleibt ( Einschwingvorgang“).
”
Superpositionsprinzip:
Da die DG linear in x ist, gilt:
Sind x̃1 (t) und x̃2 (t) Lösungen zu den Inhomogenitäten f1 (t) bzw. f2 (t), also
¨i + ρx̃˙ i + ω02 x̃i = fi (t)
x̃ i = 1, 2
dann folgt durch Multiplikation der beiden Gleichungen mit a1 bzw. a2 und anschließender Addition,
dass
Wir wenden uns jetzt der Auffindung einer partikulären Lösung x̃(t) zu. In Abschnitt 2.5 betrachten
wir den einfachsten Fall einer harmonischen äußeren Kraft.
20
genügt es, als äußere Kraft den Ausdruck f (t) = f0 eiωt zu betrachten, wobei f0 sogar komplex sein
kann. Die gewünschte Lösung ergibt sich dann durch Superposition mit der konjugiert komplexen Lösung
(e−iωt = eiωt ) oder der Lösung mit ω → −ω, bzw. durch Bildung des Realteils, denn Re(eiωt ) = cos ωt.
A(ω) ist die Antwortfunktion oder Responsefunktion des Systems auf eine Kraft f (t) = eiωt . Mit der
früheren Definition von Ω kann man schreiben (schwach gedämpfter Fall)
i i
ω02 − ω 2 + iρω = −(ω − Ω − ρ)(ω + Ω − ρ) = −(ω − ω1 )(ω − ω2 )
2 2
wobei ω1,2 = ±Ω + 2i ρ
1 1 1 1
A(ω) = − = −
(ω − ω1 )(ω − ω2 ) 2Ω ω − ω2 ω − ω1
Die Antwortfunktion besitzt also Pole in der komplexen Frequenzebene für ω an den Stellen der (komple-
xen) Eigenfrequenzen ω1 und ω2 des ungestörten Oszillators. Diese Pole liegen in der oberen Halbebene,
Im(ω) > 0. Wir werden später sehen, dass dies eine allgemeine Eigenschaft von Antwortfunktionen ist.
Die gefundene partikuläre Lösung beschreibt eine ungedämpfte harmonische Schwingung mit der Fre-
quenz ω der äußeren Kraft. Um eine bestimmte Anfangsbedingung zu erfüllen, muss eine entsprechende
Kombination von Lösungen der homogenen DG zur partikulären Lösung hinzugefügt werden. Dieser An-
teil der Lösung schwingt mit der Frequenz Ω und fällt exponentiell ab (Einschwingvorgang).
21
Der Betrag der Amplitude |A| hat bei ωmax ein Maximum, das umso höher und schärfer ist, je kleiner
die Dämpfung ist.
Die erzwungene Schwingung hat die Frequenz ω der äußeren Kraft und ist gegen diese phasenverschoben
um α(ω). Für ω → 0 geht auch α → 0, d.h. das System folgt der äußeren Kraft ohne Verzögerung. Für
ω → ∞ ist α = π, d.h. das System schwingt entgegengesetzt zur äußeren Kraft, da es aufgrund seiner
langsamen Eigendynamik (Frequenz Ω) der äußeren Kraft nicht auf der kurzen Zeitskala ω1 zu folgen
vermag. Am Resonanzpunkt des ungedämpften Systems, d.h. bei ω = ω0 , ist die Phase π2 .
2.6 Kraftstoß
Als Kraftstoß bezeichnen wir eine Krafteinwirkung, die über einen infinitesimalen Zeitraum mit unend-
licher Stärke wirkt. Einen derartigen Verlauf bezeichnet man als Delta-Funktion δ(t).
Im Grenzwert ǫ → 0 strebt die Folge der Funktionen δǫ (t) gegen eine verallgemeinerte Funktion (Distri-
bution), die Delta-Funktion heißt.
Die Lösung dieser Gleichung mit der Anfangsbedingung x(t′− ) = 0 , ẋ(t′− ) = 0, wobei t′− = lim (t′ − y)
y→0
bezeichnet man als Green’sche Funktion
G(t; t′ ) := x(t)
22
Za
und damit dt δ(t) = 1 , a > 0 beliebig
−a
Zb (
′ f (t′ ) für a < t′ < b
dt f (t) δ(t − t ) =
0 sonst
a
g(ti +ǫ)
1 1
Z X Z X
dt δ(g(t)) = lim dg δ(g) =
ǫ→0
i
dg
i
| dg
dt |t=ti
g(ti −ǫ) dt
d
δ(t) = Θ(t)
dt
G(t; t′ ) = 0 , t < t′
Translationsinvarianz:
G hängt nur von der Zeitdifferenz t − t′ ab, nicht von t und t′ separat. Dies ergibt sich aus der Tatsache,
dass die DG invariant gegen Zeittranslationen ist:
Eine Verschiebung des Zeitnullpunkts t → t + ∆t = t̃ fällt sowohl in der äußeren Kraft als auch in den
Bewegungstermen heraus, denn
d d d
= =
dt̃ d(t + ∆t) dt
23
Die transformierte Bewegungsgleichung lautet also
2
d d 2 ′ ′
+ ρ + ω 0 G(t; t ) = δ(t̃ − t̃ )
dt̃2 dt̃
Integration der DG über ein infinitesimales Intervall um den Punkt t = t′ herum ergibt
tZ′ +ǫ tZ′ +ǫ
d2
d 2 ′
lim dt + ρ + ω0 G(t − t ) = lim dt δ(t − t′ )
ǫ→0 dt2 dt ǫ→0
t′ −ǫ t′ −ǫ
t=t′ +ǫ
d ′
lim G(t − t ) =1 ⇒ lim Ġ(ǫ) = 1
ǫ→0 dt t=t′ −ǫ
ǫ→0
Dabei wurde benutzt, dass lim Ġ(−ǫ) = 0 und dass aus der Stetigkeit und Beschränktheit von G(t) für
ǫ→0
d
t → 0 folgt, dass die Terme ρ dt und ω02 keinen Beitrag liefern.
Zusammen mit der Anfangsbedingung (Stetigkeit!) lim G(ǫ) = 0 ergibt sich für die Koeffizienten:
ǫ→0
1
c1 = 0 , c2 =
Ω
Damit ist
(
1 −ρ ′
2 (t−t )
′ Ωe sin(Ω(t − t′ )) für t > t′
G(t − t ) = ′
0 t<t
Die Tatsache, dass G(t − t′ ) = 0 für t < t′ ist eine Folge der Kausalität der physikalischen Vorgänge, die
besagt, dass die Wirkung stets nach der Ursache eintritt.
Andererseits erfolgt die Wirkung nicht instantan, sondern retardiert, d.h. ausgedehnt oder verzögert über
eine Zeit, die durch die charakteristischen Zeitskalen des Systems, in diesem Fall die Abklingzeit τ = ρ2
gegeben ist.
24
2.7 Nicht-periodische äußere Kraft
Mit Hilfe der Green’schen Funktion und des Superpositionsprinzips lässt sich die Lösung für eine beliebige
Kraft f (t) als Integral darstellen.
Die Bewegungsgleichung
2
d d 2 2
+ ρ + ω 0 · x(t) = ẍ + ρẋ + ω0 x = f (t)
dt2 dt
lässt sich aus der DG für die Green’sche Funktion gewinnen, indem man mit f (t′ ) multipliziert und
integriert:
2 Z∞
d d 2 ′ ′
+ ρ + ω0 · G(t − t ) = δ(t − t ) |· dt′ f (t′ )
dt2 dt
−∞
Z∞
d2
d
⇔ + ρ + ω02 · dt′ G(t − t′ ) f (t′ ) = f (t)
dt2 dt
−∞
R∞
x(t) = dt′ G(t − t′ ) f (t′ )
−∞
Zt
1
Z
ρ ′
′ ′ ′
dt G(t − t ) f (t ) = dt′ e− 2 (t−t ) sin Ω(t − t′ ) eiωt
Ω
−∞
Zt
1 h ′ ′
i
= dt′ eλ1 t e(iω−λ1 )t − eλ2 t e(iω−λ2 )t = A(ω) · eiωt
2iΩ
−∞
25
führt zum Energieerhaltungssatz
m 2
ẋ + V (x) = E
2
Dieser kann als DG 1. Ordnung aufgefasst werden, die sich mit der Methode der Trennung der Variablen
lösen lässt: r
dx 2
= (E − V (x)) , E ≥ V (x)
dt m
Zx Zt
dx
q = dt = t − t0
2
x0 m (E − V (x)) t0
q
2
Die Anfangsbedingungen x(t0 ) = x0 und ẋ(t0 ) = m (E − V (x0 )) legen x0 und E fest.
Die erhaltene Lösung t = t(x) (in Form eines Integrals) ist die Umkehrfunktion der Bahnkurve x(t).
Der qualitative Verlauf der Bewegung lässt sich aus dem Potentialverlauf ablesen. Wir nehmen an, dass
lim V (x) = 0 und lim V (x) = ∞
x→∞ x→−∞
Für gegebene Energie E liefern die Schnittpunkte der horizontalen Geraden V (x) = E die sogenannten
Umkehrpunkte, an denen ẋ = 0 ist und die Bewegungsrichtung sich umkehrt. Dann ist für
(i) E > Vmax die Bewegung unbeschränkt (infinit), d.h. für t → ∞ geht x(t) → ∞
(ii) E < Vmax und x0 < xmax , d.h. x− < x0 < x+ die Bewegung beschränkt (finit)
Im Falle der beschränkten Bewegung oszilliert das Teilchen zwischen x− und x+ und führt eine im
Allgemeinen anharmonische, periodische Bewegung aus.
Die Schwingungsdauer oder Periodendauer T ist definiert als die Zeit, die das Teilchen für die Bewe-
gung von x− nach x+ und zurück benötigt:
Zx+
dx
T =2 q , wobei V (x± ) = E
2
x− m (E − V (x))
T hängt im Allgemeinen von der Energie E und damit von der Amplitude der Schwingungen ab.
26
√ m 2 m 2 2
Nur für V (x) ∝ x2 kürzt sich E und V (ξ E) = 2
2 ω0 Eξ , wobei V (x) = 2 ω0 x :
Z1 r
2 2π
Z
dξ du m
T =2· q = · √ = , u = ω0 ξ
2 m 2 2
ω0 1−u 2 ω0 2
m 1 − 2 ω0 ξ −1
Für Potentiale V (x) = a|x|α , α > 0, lässt sich die Energieabhängigkeit von T herausskalieren:
1 1
T = A · E α−2
√ Z1
1
−α du
wobei A = 2m · a · p
1 − |u|α
−1
Für Potentiale steiler (flacher) als das harmonische Potential, α > 2 (α < 2), nimmt T mit wachsender
Energie ab (zu).
Bewegungsgleichungen:
(1) mẍ = ml −ϕ̇2 sin ϕ + ϕ̈ cos ϕ = 0
cos ϕ
Aus (1): ϕ̇2 = ϕ̈
sin ϕ
1
in (2) eingesetzt: ml ϕ̈ + maν 2 cos νt = −mg
sin ϕ
1 Dieser Abschnitt ist als Ergänzung zur Vorlesung gedacht.
27
⇒ ϕ̈ + ω 2 (t) sin ϕ = 0
wobei ω 2 (t) = ω02 (1 + h cos νt)
g a ν2
und ω02 = , h=
l l ω02
Wir beschränken uns auf kleine Schwingungsamplituden, so dass sin ϕ ≈ ϕ und ϕ̈ + ω 2 (t)ϕ = 0
Q
Wegen [t] = [t + nT ] ist ([t]) periodisch.
28
folgt ϕ̇1 ϕ2 − ϕ̇2 ϕ1 = const.
Damit ist µ1 µ2 = 1
Aus der Forderung, dass mit ϕ(t) auch ϕ(t) Lösung ist, folgt, dass
1
entweder ϕ1 (t) = ϕ2 (t), d.h. µ1 = µ2 und damit wegen µ1 = µ2
µ2 µ2 = 1 , ebenso µ1 µ1 = 1
t t
Wegen µ T = e T ln µ steigt damit ϕ1 (t) exponentiell an. Eine beliebig kleine Auslenkung des Systems
aus der Ruhelage (ϕ = 0) schaukelt sich aufgrund der Oszillation von ω(t) schnell auf: parametrische
Resonanz.
ȧ ≪ ω0 a , ḃ ≪ ω0 b
29
1
cos νt sin ωt = [− sin(ν − ω)t + sin(ν + ω)t]
2
Wir vernachlässigen die mit der Frequenz (ν + ω) und damit schnell oszillierenden Terme (die sich zeitlich
wegmitteln während einer Periode der langsamen Schwingung).
Damit ergibt sich
Diese Gleichung hat eine Lösung für ω = ν2 und wenn die Koeffizienten der cos ν2 t und sin ν2 t-Terme
beide Null sind:
1
−ω 2 a + 2ω ḃ + ω02 a + ω02 ha = 0
2
1
−ω 2 b − 2ω ȧ + ω02 b − ω02 hb = 0
2
1
(ω02 − ω 2 + ω02 h)a0 + 2ωsb0 = 0
2
1
−2ωsa0 + (ω02 − ω 2 − ω02 h)b0 = 0
2
Lösungsbedingung: Koeffizientendeterminante= 0
1 1
s2 = 2
[−(ω02 − ω 2 )2 + ω04 h2 ]
4ω 4
Damit s reell ist, und die Schwingungsamplituden a(t) und b(t) exponentiell anwachsen, muss gelten
(ω = ν2 ):
ν2 1
|ω02 − | < ω02 h
4 2
d.h. je näher die Frequenz ν an der doppelten Oszillatorfrequenz 2ω0 liegt, umso kleiner muss die Am-
plitude h der Frequenzmodulation ω(t) sein, um Resonanz hervorzurufen.
ω0
In Resonanz, also für ν = 2ω0 ist s = 2 h und damit
30
ergibt sich als:
2π π πh
T = = , µ=e 2
ν ω0
π(t) = a0 cos ω0 t + b0 sin ω0 t
31
Kapitel 3
Wir erweitern jetzt die betrachtete Mechanik eines Massenpunktes auf Systeme von Massenpunkten mit
Massen mi , i = 1, 2, . . . , N . Es sei ~ri der Ortsvektor des Massenpunktes mi . Die Bewegungsgleichung
dafür lautet:
wobei die auf den i-ten Massenpunkt einwirkende Kraft F~i zerlegt wurde in den Anteil der äußeren
”
Kraft“ F~ia , die ihre Ursache nicht innerhalb des Systems hat, und F~ij , die vom j-ten Massenpunkt auf
den i-ten Massenpunkt ausgeübte Wechselwirkungskraft. Dafür gilt nach dem 3. Newton’schen Axiom:
F~ij = −F~ji
Die Bewegungsgleichungen zusammen mit der Anfangsbedingung {~ri (t0 ), ~˙r(ti 0 )} legen den Zustand des
Systems zu jedem späteren Zeitpunkt, d.h. die Koordinaten und Geschwindigkeiten, eindeutig fest. Die
N gekoppelten Differentialgleichungen für die ~ri lassen sich nicht allgemein lösen. Für den Fall des
Zweikörperproblems werden wir die Lösung später behandeln.
In dieser Situation sind allgemeingültige Aussagen sehr wertvoll, wie sie von Erhaltungssätzen für be-
stimmte Größen gemacht werden. Wir werden deshalb zumindest die Erhaltung des Impulses, des Dre-
himpulses und der Energie betrachten.
32
d ~ X
folgt P = F~ a ; F~ a = F~ia
dt i
Der Gesamtimpuls ändert sich also nur unter der Wirkung der gesamten äußeren Kraft F~ a . Wenn keine
äußeren Kräfte vorhanden sind (isoliertes System), oder wenn die Summe der äußeren Kräfte sich zu Null
addiert, gilt der
d ~
Impulserhaltungssatz P = 0 ⇒ P~ = P~0 = const.
dt
~ durch
Wir definieren den Schwerpunkt mit dem Ortsvektor R
~ = 1
X X
R mi~ri ; M= mi Gesamtmasse
M i i
~˙ = P ~˙ri = P~
Es ist M R
i
~˙ = ~v0 = const.
R → ~
R(t) ~0
= ~v0 t + R
d.h. der Schwerpunkt bewegt sich dann mit konstanter Geschwindigkeit, also geradlinig und gleichförmig.
Im allgemeinen Fall gilt für die Schwerpunktsbewegung die Newton’sche Bewegungsgleichung
~¨ = F~ a
MR
Ergänzung: Eine genauere Betrachtung der Natur der Wechselwirkungen zeigt, dass sie durch Felder
übertragen werden (z.B. elektromagn. Feld). Diese Felder können Impuls aufnehmen und müssen im
Prinzip in die Impulsbilanz einbezogen werden.
33
und das innere Drehmoment als
X
~ iw = ~ri ×
D F~ij
i,j(i6=j)
definiert wurde.
Der Drehimpuls kann in Analogie zum Impuls, das Drehmoment in Analogie zur Kraft gesehen werden.
Der Gesamtdrehimpuls L ~ = PL ~ i erfüllt die Bewegungsgleichung
i
d~ ~a +D
~w
L=D
dt
wobei die Gesamt-Drehmomente definiert werden als
~a =
X
~ ia ~w =
X 1X
D D ; D ~ri × F~ij = (~ri − ~rj ) × F~ij
i ij
2 ij
Im 2. Zusatz zu den Newton’schen Axiomen wurde gefordert, dass Kräfte zwischen zwei Teilchen
entlang der Verbindungsgeraden gerichtet sein sollen: F~ij ∝ (~ri − ~rj ) Damit ist
~ w = 0 und d L
D ~ =D
~a
dt
Wenn D ~ a = 0, d.h. wenn das System isoliert ist oder die Summe der Drehmomente sich zu Null
addiert, gilt der
d ~ ~ =L
~ 0 = const.
Drehimpulserhaltungssatz L=0 ⇒ L
dt
~a × ~b = ~c
wobei der total antisymmetrische Einheitstensor dritter Stufe ( ǫ-Tensor “) definiert ist durch
”
1
wenn {i, j, k} = {1, 2, 3} oder zyklisch vertauscht
ǫijk = −1 wenn {i, j, k} = {2, 1, 3} oder zyklisch vertauscht
0 sonst
34
Zyklische Vertauschung eines n-Tupels ist definiert als
c1 = a2 b3 − a3 b2
c2 = a3 b1 − a1 b3
c3 = a1 b2 − a2 b1
~a · ~c = 0 und ~b · ~c = 0
Beweis: X X X X
~a · ~c = ai ci = ai ǫijk aj bk = aj ǫjik ai bk = − ai ǫijk aj bk = −~a · ~c
i ijk ijk ijk
wobei Θ der zwischen ~a und ~b eingeschlossene Winkel ist. Zum Beweis verwenden wir eine Identität der
ǫ-Tensoren:
3
X
ǫijk ǫipq = δjp δkq − δjq δkp
i=1
Damit ist
X XXX
~c2 = c2i = ǫijk aj bk ǫipq ap bq
i i jk pq
XX
= (δjp δkq − δjq δkp )aj bk ap bq
jk pq
X
a2j b2k − (aj bj )(ak bk )
=
jk
2
= ~a2~b2 − ~a · ~b = |~a|2 |~b|2 (1 − cos2 Θ)
35
|~c| ist der Flächeninhalt eines Parallelogramms, das von ~a und ~b aufgespannt wird:
Fläche: F = a · b · sin θ
Eigenschaften:
- zyklische Invarianz
(f~, ~g , ~h) = (~h, f~, ~g ) = (~g , ~h, f~)
aber (f~, ~g , ~h) = −(~g , f~, ~h)
- das Spatprodukt gibt das Volumen an, das von einem Parallelepiped (Spat) mit Kanten f~, ~g , ~h ein-
geschlossen wird
- Vektoridentitäten:
p~ × (~q × ~s) = ~q(~ p · ~s) − ~s(~ p · ~q)
(~p × ~q) · (~r × ~s) = (~ p · ~r)(~q · ~s) − (~p · ~s)(~q · ~r)
(~p × ~q) × (~r × ~s) = ~q · (~ p, ~r, ~s) − p~ · (~q, ~r, ~s)
dT
− F~ · ~r˙ = 0
dt
m ˙ 2
wobei T = 2 (~
r) die kinetische Energie des Massenpunkts ist.
Die Größe
L = F~ · ~r˙
36
heißt die Leistung, die bei der Beschleunigung des Massenpunkts aufgebracht werden muss.
Integration über die Zeit t zwischen t1 und t2 ergibt
Zt2
T2 − T1 − dt F~ (~r(t), ~r˙ (t), t) · ~r˙ (t) = 0
t1
Die kinetischen Energien T1,2 = m v1,2 )2 hängen nicht explizit von der Zeit ab, sondern nur vom Wert
2 (~
der Geschwindigkeiten, d.h. dem mechanischen Zustand des Systems bei t1 und t2 . Der mechanische
Zustand zu jedem Zeitpunkt ist durch die Angabe des Orts und der Geschwindigkeit des Massenpunkts
{~r, ~r˙ } eindeutig gegeben. Die kinetische Energie ist damit eine Zustandsfunktion T = T ~r˙ (t) .
Dagegen hängt die Größe
Zt2
A21 = dt F~ ~r(t), ~r˙ (t), t · ~r˙ (t)
t1
als die Arbeit, die zwischen t1 und t2 an dem Massenpunkt geleistet wurde, vom gesamten Bahnverlauf
~r(t) und möglicherweise auch noch explizit von den Zeiten t1 und t2 ab. Die Arbeit ist im allgemeinen
keine Zustandsfunktion.
Falls jedoch die Kraft F~ nicht explizit von der Zeit abhängt, und ebenfalls nicht von der Geschwindigkeit
abhängt, also F~ = F~ (~r(t)), gilt
Zt2 rZ(t2 )
~
A21 ist dann eine Zustandsfunktion, wenn gilt, dass für festen Anfangspunkt ~r0 das Linienintegral nur
vom Endpunkt ~r abhängt, also eine Funktion V (~r) eindeutig definiert werden kann durch
Z Z~r1
V (~r) = − dr~′ F~ (r~′ ) = − dr~′ F~ (r~′ )
C01
~
r0
wobei C01 einen beliebigen Weg von ~r0 nach ~r1 beschreibt. V (~r) heißt Potential oder potentielle Energie.
Mit F~ = (Fx , Fy , Fz ) gilt dann für einen Weg entlang der Koordinatenachsen, (x0 , y0 , z0 ) → (x, y0 , z0 ) →
(x, y, z0 ) → (x, y, z):
Zy
x
Zz
Z
V (~r) = − dx′ Fx (x′ , y0 , z0 ) + dy ′ Fy (x, y ′ , z0 ) + dz ′ Fz (x, y, z ′ )
x0 y0 z0
37
Gradient einer skalaren Funktion V (x, y, z):
~ = ∂ V = grad V =
∇V
∂V ∂V ∂V
, ,
∂~r ∂x ∂y ∂z
Dabei ist C eine geschlossene Kurve (Linienintegral ) und A eine von C eingeschlossene (offene) Fläche.
Beispiel: C sei ein Quadrat in der x-y-Ebene
I Za Za
d~r · F~ (~r) = dx (F1 (x, 0) − F1 (x, a)) + dx (F2 (a, y) − F2 (0, y))
C 0 0
Za Za
~ × F~ = dx dy ∂F2 (x, y) − ∂F1 (x, y)
Z Z Z
df~ · ∇
~ × F~ (~r) = dx dy ∇
z ∂x ∂y
A 0 0
Za Za
= dy (F2 (a, y) − F2 (0, y)) − dx (F1 (x, a) − F1 (x, 0))
0 0
Za
∂
wobei dx F2 (x, y) = F2 (a, y) − F2 (0, y) , etc., benutzt wurde.
∂x
0
I Z
Damit ist d~r · F~ (~r) = df~ · ∇~ × F~ (~r) bewiesen.
C A
38
Allgemeiner Fall:
Zerlegung von C und A in infinitesimale Quadrate. Die Beiträge von inneren Linien heben sich auf:
I XI XZ Z
d~r · F~ = d~r · F~ = df · ∇ × F = df~ · ∇
~ ~ ~ ~ × F~
C i C i A
i
Bedingung für die Existenz der Funktion V (~r) ist, dass das Linienintegral über F~ für jeden geschlossenen
Weg Null ist. I
d~r · F~ (~r) = 0 , für alle Wege C.
C
wobei A eine offene Fläche ist, die von der Kurve C berandet wird und df~ ein Vektor senkrecht zum
Flächenelement df = |df~| ist, dessen Orientierung mit dem Umlaufsinn von C eine rechtshändige Schrau-
be bildet.
Die Größe
~ × F~ = rot F~ = ∂ × F~
∇
∂~r
heißt Rotation von F“.
”
Für die Existenz einer Potentialfunktion ist notwendig, dass
~ × F~ = 0
∇
d.h. F~ rotationsfrei ist.
Derartige Kraftfelder heißen konservativ.
39
und damit ist
d m ˙ 2 ~ ˙ d d
~r − F · ~r = T − V = 0
dt 2 dt dt
⇒ T + V = E = const.
Die Gesamtenergie E des Systems, die die Summe der kinetischen Energie T (~r˙ ) und der potentiellen
Energie V (~r) ist, ist dann eine Erhaltungsgröße.
I I Zt2
d~r · F~R = −R d~r · ~r˙ = −R dt v 2 (t) < 0
C t1
also negativ definit, d.h. das System gibt immer Energie an die Umgebung ab (hier is t1 die Anfangszeit,
t2 die Endzeit einer geschlossenen Bahnkurve).
Für die Energie des Systems (in diesem Fall nur kinetische Energie) gilt
d
T = −R v 2 = −v02 R e−2βt < 0
dt
T nimmt also monoton ab.
Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung für das Teilchen i skalar mit ~r˙i und summieren über i:
i i ij(i6=j)
40
Die linke Seite lässt sich als totale Zeitableitung schreiben:
d X1 ˙ 2 dT
mi~r˙i · ~r¨i =
X
mi~ri ≡
i
dt i 2 dt
Die rechte Seite lässt sich unter Zusatzannahmen ebenfalls als totale Zeitableitung schreiben. Für die
äußeren Kräfte machen wir die Annahme, dass sie nicht explizit von der Zeit und nicht von den Ge-
schwindigkeiten der Teilchen abhängen sollen:
Außerdem sollen diese Kräfte konservativ sein, d.h. aus einem Potential abgeleitet werden können:
∂ a
F~ia = − V (~r1 , ~r2 , . . . , ~rN )
∂~ri
Dann ist
∂V a dV a
~r˙i · F~ia = − ~r˙i ·
X X
=−
i i
∂~ri dt
Der Beitrag der inneren Kräfte lässt sich unter der weiteren Annahme, dass sie Kräfte F~ij nur vom
Abstand rij = |~ri − ~rj | abhängen,
~ri − ~rj
F~ij = fij (rij ) · r̂ij r̂ij =
rij
ebenfalls als totale Zeitableitung schreiben. Dazu folgern wir zunächst aus dem 3. Newton’schen Axiom
Dann gilt
∂ d ∂rij
Vij (rij ) = Vij (rij ) = −fij (rij ) · r̂ij = −F~ij
∂~rij drij ∂~rij
und weiter
1 X˙ ~ 1 X
~r˙i · F~ij = ~ri Fij + ~r˙j F~ji = ~r˙i − ~r˙j · F~ij
X
i,j
2 i,j 2 i,j
1X˙ ∂ dV
=− ~rij · Vij (rij ) = −
2 i,j ∂~rij dt
41
wobei die potentielle Energie V der inneren Wechselwirkungen definiert wurde als
1 X
V = Vij (rij )
2
ij(i6=j)
T + V a + V = const.
Wir demonstrieren noch, dass aus dem Potential V die inneren Kräfte (wie früher für ein Teilchen gezeigt)
durch Bildung des Gradienten abgeleitet werden können:
∂ 1X ∂
− V =− Vjk (rjk )
∂~ri 2 ∂~ri
j,k
1X dVik (rik ) ∂rik dVji (rji ) ∂rji
=− δij + δik
2 drik ∂~rik drji ∂~rji
j,k
1X 1X
= fik (rik )r̂ik − fji (rji )r̂ji
2 2 j
k
X
= F~ij
j
42
Kapitel 4
Das Zweikörperproblem
Als einfachstes System von Massenpunkten betrachten wir in diesem Kapitel zwei Massenpunkte, die
miteinander in Wechselwirkung stehen. Beispiele sind die Gravitation zwischen Himmelskörpern, die
elektrische Anziehung oder Abstoßung zwischen zwei geladenen Teilchen, ein klassisches Modell zweier
Atome im Molekül, oder auch elastomechanische Kräfte zwischen zwei zusammenstoßenden Körpern.
Die Positionen und die Massen der beiden Teilchen seien ~r1 , ~r2 und m1 , m2 . Die Kraft F~12 , die Teil-
chen 2 auf Teilchen 1 ausübt, sei durch ein Potential V = V (~r1 , ~r2 ) gegeben.
∂ ∂
F~12 = − V und F~21 = − V
∂~r1 ∂~r2
Damit kann V nicht von ~r1 und ~r2 separat abhängen, sondern nur von der Differenz ~r1 − ~r2 .
V = V (~r1 − ~r2 )
~˙ = M~vs = const.
P~ = m1~r˙1 + m2~r˙2 = M · R
~ der Schwerpunktsort, M die Gesamtmasse und P~ der Gesamtimpuls ist.
wobei R
~ = 1 (m1~r1 + m2~r2 )
R M = m1 + m2
M
43
Der Schwerpunkt bewegt sich also mit konstanter Geschwindigkeit ~vs .
Es ist vorteilhaft, diesen trivialen“ Teil der Bewegung abzuspalten. Dazu führen wir die Relativkoordi-
”
naten
~r = ~r1 − ~r2
~ ein.
zusammen mit R
~ und ~r ausdrücken:
Die Teilchenorte lassen sich damit durch R
~ + m2 ~r
~r1 = R ~˙ + m2 ~r˙
~r˙1 = R
M M
~ + m1 ~r
~r2 = R ~˙ + m1 ~r˙
~r˙2 = R
M M
m~r¨ = −∇V
~ (~r)
einer DGL nur für die Variable ~r annimmt. Dabei ist m die reduzierte Masse“:
”
1 1 1 m1 m2
= + ⇔m=
m m1 m2 m1 + m2
44
Drehimpuls. Diese Forderung bedeutet, dass es keine ausgezeichneten (oder vorgegebenen) Richtungen
geben darf. Das Potential V (~r1 −~r2 ) kann demzufolge nur vom Abstand zwischen den Teilchen abhängen:
V = V (|~r1 − ~r2 |)
Es folgt, dass die Kräfte entlang der Verbindungsgeraden zwischen den beiden Massenpunkten gerichtet
sind:
~ =L
L ~ 2 = m1 (~r1 × ~r˙1 ) + m2 (~r2 × ~r˙2 )
~1 + L
erhalten.
~ · ~r˙ = 0
~ · ~r = 0 und L
L
~
d.h. Ortsvektor und Geschwindigkeitsvektor sind zu allen Zeiten senkrecht auf dem konstanten Vektor L.
~ beschränkt.
Damit ist die Bahnkurve ~r(t) auf eine Ebene senkrecht zu L
Der konstante Betrag des Drehimpulses |L|~ = ℓ hat Konsequenzen für den zeitlichen Ablauf der Be-
wegung. Um diese herauszuarbeiten, ist es günstig, Polarkoordinaten einzuführen:
y
✻ x = r cos ϕ y = r sin ϕ r = |~r|
✒
~r
ϕ ✲x
45
~ angenommen wurde, ergibt sich für die Drehimpulskom-
wobei eine Orientierung der z-Achse entlang L
ponente Lz
Lz = m ~r × ~r˙ = m(xẏ − y ẋ) = mr2 ϕ̇ = ℓ = const.
z
Die Bewegung erfolgt also so, dass r2 ϕ̇ zeitlich konstant bleibt. Diese Bedingung hat eine einfache geo-
metrische Interpretation: Wir betrachten den Fahrstrahl“, d.h. den Vektor ~r zu zwei mit Zeitintervall dt
”
aufeinanderfolgenden Zeiten.
dt) ✘ ✿
✘
✘ ✘ ❊ ds = r dϕ
~r(t + ✘
✘ ✘
✘✘ dϕ ✲❊
~r(t)
Diese Aussage ist Inhalt des Flächensatzes, der auch als 2. Kepler’sches Gesetz für die Planetenbe-
wegung bekannt ist:
Die Winkelgeschwindigkeit ϕ̇ kann mit Hilfe des Erhaltungssatzes für den Drehimpuls zugunsten von r
eliminiert werden:
ℓ
rϕ̇ =
mr
46
Damit nimmt der Energiesatz die Form einer gewöhnlichen DG 1. Ordnung für r(t) an.
1 2 ℓ2
mṙ + + V (r) = E
2 2mr2
Dies ist der Energiesatz für ein Teilchen der Masse m in einer räumlichen Dimension, das sich in einem
effektiven Potential
ℓ2
Veff (r) = V (r) + bewegt
2mr2
Der Potentialanteil
ℓ2
VZf (r) =
2mr2
heißt Zentrifugalpotential und beschreibt die Wirkung der Zentrifugalkraft, die bei Vorhandensein eines
Drehimpulses l > 0 das Teilchen vom Zentrum (r = 0) abhält. Die Abstoßung (VZf > 0!) divergiert für
r → 0 wie r12 und dominiert die Wirkung des Potentials V (r) für kleine r.
Die Lösung lässt sich wie früher behandelt als Integral über r darstellen. Dazu lösen wir den Energiesatz
nach ṙ(t) auf
r
2
ṙ(t) = (E − Veff (r))
m
Zt
ℓ
ϕ − ϕ0 = dt′
mr2 (t′ )
t0
Die Bahnkurve r(ϕ) erhält man aus der Integralbeziehung für ϕ − ϕ0 , wenn man die Integration über t
in eine über r transformiert, mittels dt = dr
ṙ :
Zr
ℓ 1 1
ϕ(r) − ϕ0 = √ dr′ ′2
[E − Veff (r)] 2
2m r
r0
47
Im Falle eines anziehenden Potentials, das für r → ∞ verschwindet, hat Veff (r) den Verlauf
Finite Bewegung: Für E > 0 ist die Bewegung auf den Bereich rmin < r < rmax beschränkt, wo-
bei Veff (rmin,max ) = E
Dann dominiert die Anziehung durch das Potential V (r) bei größeren Abständen, während bei klei-
neren Abständen die Zentrifugalbarriere“ für endlichen Drehimpuls ℓ verhindert, dass das Teilchen zu
”
nahe an das Zentrum kommt.
Der Verlauf von r(t) ist periodisch, wobei eine Periode gegeben ist durch einen Umlauf“, z.B. vom Um-
”
kehrpunkt rmin nach rmax und zurück nach rmin : r(t + T0 ) = r(t).
Die räumliche Bewegung in der r − ϕ−Ebene ist aber nur in Ausnahmefällen periodisch, denn dafür ist
notwendig, dass der Winkel ∆ϕ, der während einer Periode der r(t)−Bewegung zurückgelegt wird,
rZmax
1 ℓ 1
∆ϕ = 2 dr′ ·√ ·p
r′2 2m E − Veff (r′ )
rmin
und damit die Bahn (mit der korrekten Tangente) zum Ausgangspunkt zurück kommt.
Im Allgemeinen ist ∆ϕ = p · 2π, p irrational. Die typische Form der Bahnkurve ist dann rosettenförmig.
Bemerkung: In diesem Fall überdeckt die Bahnkurve im Laufe der Zeit die gesamte Fläche zwischen
rmin und rmax . Man spricht von chaotischer Bewegung.
Infinite Bewegung: Für E > 0 läuft das Teilchen z.B. aus großem Abstand auf das Potentialzen-
trum zu, bis es am Umkehrpunkt r = rmin eine Umkehr der Radialgeschwindigkeit von ṙ < 0 nach ṙ > 0
erfährt und sich daraufhin vom Zentrum wegbewegt.
In großer Entfernung vom Zentrum, wenn Veff ≃ 0, ist die Bahn des Teilchens geradlinig.
Das Teilchen erfährt also durch die Wechselwirkung mit dem Zentrum eine Änderung seiner Bewegungs-
richtung:
48
+Θ für anziehendes, −Θ für abstoßendes Potential.
Dabei wurde benutzt, dass die Bahnkurve symmetrisch ist bezüglich Spiegelung an der Geraden g, die
das Zentrum Z mit dem Punkt kleinsten Abstands rmin verbindet. Diese Gerade bildet den Winkel
∆ϕ(rmin ; r = ∞) = 21 (π ± Θ) mit der negativen x-Achse (Einfallsrichtung des Teilchens).
Die Symmetrie der Bahnkurve ergibt sich auch aus der fundamentalen Symmetrie der Bewegungsgleichun-
gen (falls Dämpfungsterme vernachlässigt sind) unter Zeitumkehr t → −t. Danach verläuft die Bewegung
symmetrisch bzgl. Zeitspiegelung.
Wir können also bei hinreichend kleiner Energie mit beschränkten Bahnkurven rechnen, d.h. ein Planet
wird an die Sonne gebunden.
Im Beispiel Sonne-Erde (m1 =Erdmasse, m2 =Sonnenmasse) folgt aus m1 ≪ m2 , dass ~r2 ≃ 0 und ~r1 ≃ ~r.
Das effektive Potential besitzt für ℓ > 0 ein Minimum bei rm :
k ℓ2
Veff (r) = − + k = γm1 m2
r 2mr2
dVeff k ℓ2
= 2− =0
dr r mr3
ℓ2 mk 2
⇒ rm = Veff (rm ) = − 2
mk 2ℓ
Damit die Bewegung überhaupt möglich ist, d.h. die kinetische Energie T > 0 ist, muss E > Veff (rm )
sein.
Für Energien in dem Bereich Veff (rm ) < E < 0 verläuft die radiale Bewegung in dem Bereich rmin ≤ r ≤
rmax , wobei rmin,max die Nullstellen von [E − Veff (r)] sind.
Für positive Energien E > 0 ist die Bewegung infinit; falls der Körper sich auf das Zentrum zube-
wegt, erreicht er einen Mindestabstand und entfernt sich anschließend nach unendlich (z.B. Meteoriten).
Um die Bahnkurve r(ϕ) zu bestimmen, ist Veff (r) in den allgemeinen Ausdruck einzusetzen:
49
Zr 1
1 2mE 2mk 1 2
ϕ − ϕ0 = dr′ + −
r′2 ℓ2 ℓ2 r′ r′2
r0
1
Hier bietet sich die Substitution r = ′
ξ mit dr′ = − ξ12 dξ an:
1
Zr 12
2mE 2mk
ϕ(r) − ϕ(r0 ) = − dξ 2
+ 2 ξ − ξ2
ℓ ℓ
1
r0
1
Zr " 2 # 21 Θ(r)
1 ξ − ξ0 − sin Θ
Z
ϕ(r) − ϕ(r0 ) = − dξ √ 1− √ =− dΘ √ = Θ(r) − Θ(r0 )
D D 1 − cos2 Θ
1 Θ(r0 )
r0
1
−ξ0
Die Integrationsgrenzen sind Θ(r) = arccos r√
D
Damit ist
1
− ξ0
ϕ(r) = arccos r √
D
und durch Umkehrung erhält man
1 √ mk
= ξ0 + D cos ϕ = 2 (1 + ǫ cos ϕ)
r ℓ
wobei r
2Eℓ2
ǫ= 1+
mk 2
1 m|k|
Für später halten wir fest, dass für k < 0 gilt: r = ℓ2 (−1 + ǫ cos ϕ).
Dies ist die Gleichung eines Kegelschnitts in Polarkoordinaten, wobei der Ursprung in einem der Brenn-
punkte liegt und die x-Achse (ϕ = 0) durch den Punkt kleinsten Abstands geht.
50
Die Ellipse Die Hyperbel
ist der geometrische Ort aller Punkte mit
d1 + d2 = 2a |d1 − d2 | = 2a
√ √
Brennweite f = a2 − b2 f= a2 + b2
f f
Exzentrizität ǫ = a <1 ǫ= a >1
x 2 y 2 x 2 y 2
Bahnkurve a + b =1 a − b =1
b2 b2
Parameter p = a p= a
x = x′ + f = r cos ϕ + f
y = rq
sin ϕ q
d1 = (2f + r cos ϕ)2 + r2 sin2 ϕ , d2 = r d1 = (2f − r cos ϕ)2 + r2 sin2 ϕ , d2 = r
p
d1 + d2 = 2a ⇒ r = 1 + ǫ cos ϕ
Die Gleichung
ℓ2 1
(∗) r = ·
mk 1 + ǫ cos ϕ
beschreibt für ǫ > 1, d.h. E > 0, eine Hyperbel,
Die Normalform z.B. der Ellipse (ǫ < 1) erhält man aus (*) durch Multiplikation mit (1 + ǫ cos ϕ),
woraus r = c − ǫr cos ϕ folgt und dem Quadrat davon:
ℓ2
r2 = x2 + y 2 = c2 + ǫ2 x2 − 2ǫcx, mit c = mk .
Quadratische Ergänzung:
1 y2 c c2
2
(x − x0 )2 + 2 = 1 ; a= ; b2 =
a b 1 − ǫ2 1 − ǫ2
√ f
und Brennweite f = a2 − b2 = ǫa = x0 ; a = ǫ Exzentrizität.
51
ℓ2
ϕ=0: r = rmin = =a−f
mk(1 + ǫ)
ℓ2
ϕ=π: r = rmax = =a+f
mk(1 − ǫ)
1 ℓ2
Große Halbachse: a = (rmin + rmax ) =
2 mk(1 − ǫ2 )
Aus der Definition von ǫ folgt:
2Eℓ2 2|E|ℓ2
1 − ǫ2 = − =
mk 2 mk 2
und damit
k γm1 m2
a= = unabhängig von ℓ!
2|E| 2|E|
1 ǫℓ2
Brennweite f: f= (rmax − rmin ) = = ǫa
2 mk(1 − ǫ2 )
p p ℓ
Kleine Halbachse b: b = a2 − f 2 = a 1 − ǫ2 = p unabhängig von γ!
2m|E|
Grenzfälle:
ℓ = 0: Ohne Drehimpuls ist b=0 und der Körper stürzt ins Zentrum
E → 0− : a → ∞, b → ∞, ab → ∞ Parabel
E → V (rm ) : ǫ = 0 Kreisbahn
52
und damit
T2 4π 2
3
= unabhängig von E und ℓ!
a γ(m1 + m2 )
Die gefundenen Ergebnisse für die Bahnkurve und den zeitlichen Verlauf der Bewegung wurden von
Johannes Kepler empirisch gefunden (veröffentlicht 1618 in dem Hauptwerk Harmonice Mundi“) und
”
in drei Gesetzen für die Planetenbewegung zusammengefasst:
1. Die Planetenbahnen sind Ellipsenbahnen mit der Sonne in einem Brennpunkt (m2 ≫ m1 verwen-
det!)
2. Der Fahrstrahl“ von der Sonne zu dem Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen
”
3. Die Quadrate der Umlaufzeiten sind proportional zu den Kuben der großen Halbachsen.
Die Planetenbahnen werden durch die Keplergesetze sehr genau beschrieben. Kleine Abweichungen, z.B.
die Periheldrehung, ergeben sich durch
1. Gravitationskräfte der Planeten untereinander
2. Endliche Ausdehnung der Planeten und Sonne (Quadrupolmoment der Sonne)
3. Relativistische Effekte (allgemeine Relativitätstheorie)
1
Weiterer Erhaltungssatz für r −Potential: Lenz-Vektor
Im Gegensatz zu der in der qualitativen Diskussion der Bewegung für beliebiges Potential V (r) ge-
machten Feststellung , dass die Bahnkurven i.A. nicht geschlossen, d.h. nicht periodisch sind, fanden wir
für das 1r −Potential geschlossene Bahnkurven. Dies ist die Konsequenz eines weiteren Erhaltungssatzes,
der besagt, dass es nur einen Punkt minimalen Abstandes vom Potentialzentrum gibt, der in Richtung
des sogenannten Lenz-Vektors ~ǫ liegt:
1 ˙ ~ ~r
~ǫ = ~r × L −
k r
d~ǫ 1 ~ − 1 (L ~ × ~r) = 0
⇒ = − 3 (~r × L) q.e.d.
dt mr mr3
~ × ~r = m(~r × ~r˙ ) × ~r = m[~r˙ · r2 − ~r(~r˙ · ~r)] benutzt wurde.
wobei L
53
Da ~ǫ zeitunabhängig ist, kann ~ǫ für einen beliebigen Punkt der Bahnkurve, z.B. das Perihel, berech-
net werden:
ℓ2
Mit ~r = x̂ mk(1+ǫ)
und ~r˙ = ŷrϕ̇ = ŷr mr
ℓ
2
ist
1 ℓ2
~ǫ = x̂ · − 1 = x̂ǫ
k mr2
Der Vektor ~ǫ zeigt vom Zentrum (Ursprung) in Richtung Perihel. Das Perihel liegt somit fest. Der Betrag
von ~ǫ ist durch die Exzentrizität gegeben.
4.6 Coulomb-Potential
Die Ergebnisse des letzten Abschnitts lassen sich sofort übertragen auf ein System von zwei elektrisch
geladenen Massenpunkten m1 , m2 , die über die Coulombkraft wechselwirken. Seien Z1 e und Z2 e die
Ladungen der beiden Teilchen (e=Elementarladung, Z1 , Z2 ganze Zahlen ungleich Null), dann ist das
Potential V (r) gegeben durch
Z1 Z2 e2
V (r) = Coulombpotential
r
Für Z1 , Z2 < 0 ist das Zweikörperproblem identisch zum Keplerproblem, mit k = −Z1 Z2 e2 . Es gibt also
je nach Energie und Drehimpuls des Systems den Fall geschlossener Ellipsenbahnen und den Fall offener
Hyperbelbahnen (oder Parabelbahnen).
Für den Fall gleichartiger Ladungen, Z1 Z2 > 0, stoßen sich die beiden Teilchen ab. Der im letzten
Abschnitt definierte Parameter k ist dann negativ. Das effektive Potential ist rein repulsiv (Veff (r) ≥ 0)
und damit existieren nur Lösungen mit Energie E > 0, die infiniten Charakter haben und durch Hyper-
belbahnen gegeben sind.
ℓ2
Die oben abgeleitete Gleichung für die Bahnkurven im Fall ǫ > 1 ist dann explizit gegeben durch p = m|k| .
(x + aǫ)2 y2 p p
− = 1 mit a= ,b= √
a2 b2 ǫ2 − 1 2
ǫ −1
q
|k| 2
oder a = 2E
ℓ
b = √2mE ǫ = 1 + 2Eℓ
mk2
p
Linker Zweig : r=
−1 + ǫ cos ϕ
1
Asymptoten: r→∞ , ϕ± = ± arccos
ǫ
54
Kapitel 5
Zwei Teilchen mit positiver Energie im Schwerpunktssystem durchlaufen eine unbeschränkte Bewegung.
Falls das Wechselwirkungspotential V (r) zwischen den beiden Teilchen für r → ∞ hinreichend schnell
verschwindet, erfahren die Teilchen, wenn sie zunächst aufeinander zulaufen, aufgrund der Wechselwir-
kung eine Ablenkung, d.h. sie erleiden eine Streuung. Stärke und Art der Streuung hängen vom Wech-
selwirkungspotential ab. Eine Messung der Ablenkung der Teilchen kann deshalb Aufschluss über das
Wechselwirkungspotential V (r) geben.
Dieser Zusammenhang kann benutzt werden, um aus dem Ergebnis vieler Streuprozesse zwischen Streu-
teilchen und streuendem Objekt ( target“) die Form und Anordnung von Teilchen im Objekt abzuleiten.
”
5.1 Wirkungsquerschnitt
Wir betrachten folgende Versuchsanordnung: Ein Strahl von einfallenden Teilchen gleicher Art und Ge-
schwindigkeit treffe auf ein Streuobjekt und werde dadurch abgelenkt. Je nach Nähe zum Streuzentrum
ist die Ablenkung verschieden.
Die gestreuten Teilchen werden mittels eines Detektors nachgewiesen, der die Zahl der Teilchen Ṅ (Ω)
pro Raumwinkelelement dΩ und pro Zeit misst.
Bezogen auf die Zahl der einfallenden Teilchen pro Zeit und Fläche, die Stromdichte j, ergibt sich der
dσ
differentielle Wirkungsquerschnitt dΩ als
dσ Ṅ (Ω)
=
dΩ j
Mit der Zahl der in der Zeit ∆t in Richtung des Raumwinkels Ω in den Detektor gestreuten Teilchen
∆N (Ω), bei gegebener Öffnungsfläche dF und Abstand R des Detektors ist
∆N (Ω)
Ṅ (Ω) =
dΩ · ∆t
wobei das Raumwinkelelement dΩ definiert wurde als
dF
dΩ = = (d cos Θ) · dφ = sin Θ · dΘ · dφ
R2
55
Θ und φ sind Polarwinkel und Azimutwinkel eines Kugelkoordinatensystems mit Ursprung im Streuzen-
trum und z-Achse entlang der Einfallsrichtung.
Der totale Wirkungsquerschnitt ist definiert als das Integral des differentiellen Wirkungsquerschnitts über
alle Raumwinkel:
Z Z2π Zπ
dσ dσ
σ= dΩ = dφ dΘ · sin Θ · (Θ, φ)
dΩ dΩ
0 0
dσ
Die Dimension von σ und von dΩ ist die einer Fläche ( Querschnitt“), nämlich der Fläche, in der der
”
Teilchenstrom effektiv gestreut wird. Größenordnung des Streuquerschnitts für die Streuung
Bemerkung: Bei Streuexperimenten mit atomaren oder subatomaren Teilchen wird in der Regel an ei-
nem Objekt wie etwa einem Kristall, einer dünnen Folie oder einer Flüssigkeit gestreut, das sehr viele
identische Streuzentren enthält. Wenn möglich sollen die einfallenden Teilchen nur höchstens einmal ge-
streut werden, bevor sie das Objekt wieder verlassen. Die durch die nicht genau bekannte Position des
jeweiligen Streuzentrums (z.B. Atoms) sowie durch die endliche Abmessung des Detektors verursachte
Winkelunschärfe kann durch einen hinreichend großen Abstand R klein gehalten werden.
Für kugelsymmetrisches Streuzentrum hängt der Wirkungsquerschnitt nur vom Winkel Θ ab:
dσ dσ
= (Θ)
dΩ dΩ
dσ
Zur Berechnung von dΩ betrachten wir ein herausgegriffenes Projektilteilchen und ein Streuzentrum
(Targetteilchen) und summieren am Ende über alle Teilchen. Dabei werden die Projektilteilchen als un-
tereinander nicht wechselwirkend angenommen.
Wir beschränken uns auf den Fall eines kugelsymmetrischen Potentials (Zentralpotential); der Drehim-
~ bezüglich des Streuzentrums ist dann erhalten und die Bewegung des Teilchens verläuft in einer
puls L
~ die die Achse des Streuproblems enthält und ist unabhängig von φ.
Ebene (⊥ L),
⇒ V = V (r) , Θ = |π − 2∆ϕ|
Für ein Teilchen der Energie E hängt dann der Streuwinkel Θ nur vom anfänglichen Abstand des Teilchens
von der Strahlachse, dem Stoßparameter s ab: Θ = Θ(s). Dieser hängt mit dem Drehimpuls ℓ bezüglich
des Streuzentrums zusammen:
√
ℓ = |~r × p~ | = s · m · v∞ = s 2mE
56
wobei benutzt wurde, dass die Geschwindigkeit des Teilchens in großer Entfernung vom Streuzentrum
v∞ , wenn das Streupotential vernachlässigt werden kann, durch E = 21 mv∞
2
gegeben ist.
Wegen des eindeutigen Zusammenhangs von Stoßparameter s und Streuwinkel Θ tragen nur Teilchen
mit s = s(Θ) zum Wirkungsquerschnitt beim Streuwinkel Θ bei. Quantitativ ergibt sich der Zusammen-
hang über die Erhaltung des Teilchenstroms.
Der Streuwinkel Θ wurde weiter oben als Funktion von E und ℓ berechnet.
Z∞
s 1
∆ϕ(s) = dr
r2
q
s2 V (r)
rmin 1 − r2 − E
Der totale Wirkungsquerschnitt σ lässt sich als Integral über den Stoßparameter ausdrücken:
Zπ Z
dσ s(Θ) ds(Θ)
σ = 2π dΘ sin Θ = 2π dΘ sin Θ
dΩ sin Θ dΘ
0
s(0)
Z
= 2π ds s
s(π)
Für s → 0 geht Θ → π
für s → R geht Θ → 0
ZR
σ = 2π ds s = πR2
0
57
5.2 Rutherford-Streuung
In den Jahren 1912-13 führte Rutherford eine Reihe von Streuexperimenten durch, in denen er α-Teilchen,
also Atomkerne des Heliums (genauer 4 He) auf dünne Metallfolien (z.B. Gold) schoss. Die gestreuten
Teilchen wurden z.T. sehr stark gestreut (Rückwärtsstreuung). Dieses Ergebnis benutzte Bohr, um sein
Atommodell eines fast punktförmigen Kerns im Zentrum einer ausgedehnten Elektronenwolke zu recht-
fertigen. Die Streuung der α-Teilchen erfolgte dabei in erster Linie über die Coulomb-Wechselwirkung
mit den Atomkernen des targets, die ein Potential
k z1 z2 e2
V (r) = − = mit k < 0
r r
für die α-Teilchen bilden. Dabei ist z1 = 2 die Kernladungszahl von Helium und z2 die der Metallatome
in der Folie (z.B. z2 = 79 für Au).
Wie früher bereits abgeleitet, sind die Bahnkurven im abstoßenden 1r -Potential Hyperbeln:
p
= −1 + ǫ cos ϕ
r
q q
ℓ2 2Eℓ2 2Es 2
wobei p = m|k| und ǫ = 1+ mk2 = 1+ k >1
58
An diesem Ergebnis sind mehrere Eigenschaften bemerkenswert:
dσ
1. dΩ ist eine monoton abnehmende Funktion von Θ, die für Θ → 0 stark divergiert (∝ Θ−4 ). Der
Grenzfall Θ → 0 entspricht Stoßparameter s → ∞, d.h. Trajektorien, die in unendlicher Entfernung vom
Zentrum verlaufen. Die Tatsache, dass Teilchen sogar in großer Entfernung vom Zentrum noch abgelenkt
werden, ist auf die Langreichweitigkeit des Coulomb-Potentials zurückzuführen. In realen physikalischen
Systemen wird die Coulombwechselwirkung des Kerns durch die negativen Ladungen der umgebenden
Elektronen abgeschirmt, so dass gilt:
z1 z2 e2 − rr
V (r) = VS (r) = e 0
r
dσ
wobei r0 die sog. Abschirmlänge von der Größenordnung eines Atomdurchmessers ist. Dann ist dΩ im
Limes Θ → 0 endlich.
dσ
2. Für Θ = π, d.h. Rückwärtsstreuung (s → 0), ist dΩ immer noch relativ groß. Rutherfords Beobachtung
von Rückwärtsstreuung im Einklang mit obigem Ergebnis führte zu dem Schluss, dass die Kernladung
auf einen kleinen Raumbereich konzentriert sein musste.
3. Die Rutherford-Formel, die oben klassisch abgeleitet wurde, stimmt mit dem Ergebnis einer voll quan-
tenmechanischen Behandlung, wie sie für Atomkerne erforderlich ist, überein.
dσ
4. Die endliche Ausdehnung R0 des Atomkerns führt zu einer Verkleinerung von dΩ nahe bei Θ = π.
~˙ ′ (t) · t
~ ′ (t) = R
mit R
59
wobei benutzt wurde, dass im SS ~r2 (t) = − m M ~
1
r(t).
Für die Streuwinkel Θ’ und Θ ergibt sich aus ~r˙1′ (∞) = R ~˙ ′ + ~r˙1 (∞)
m2
und mit ~r1 = M ~r die Beziehung
~˙ ′ | = m2 cos Θ + m1 ṙ(∞)
v1′ (∞) · cos Θ′ = v1 (∞) · cos Θ + |R
M M
m 2
v1′ (∞) · sin Θ′ = v1 (∞) · sin Θ = sin Θ · ṙ(∞)
M
Daraus folgt:
sin Θ′ sin Θ
tan Θ′ = =
cos Θ ′ cos Θ + m 1
m2
Im Grenzfall m1 ≪ m2 gilt also Θ′ ≃ Θ, weil das Streuobjekt nach erfolgter Streuung näherungsweise in
Ruhe bleibt.
′
dσ dσ
Der Zusammenhang zwischen den differentiellen Wirkungsquerschnitten dΩ im SS und dΩ ′ im LS er-
gibt sich durch Gleichsetzen der Anzahl der gestreuten Teilchen in die Raumwinkelbereiche [Θ, Θ + dΘ]
bzw. [Θ′ , Θ′ + dΘ′ ]:
dσ dσ ′
j· · 2π sin Θ dΘ = j ′ · · 2π sin Θ′ dΘ′
dΩ dΩ′
Für den Rutherford’schen Wirkungsquerschnitt für die Streuung zweier Teilchen gleicher Masse erhält
man damit im Laborsystem:
2
dσ ′ z1 z2 e2 cos Θ′
= , m1 = m2
dΩ′ E1 sin4 Θ′
m1 ′2 m
v1 (−∞) = 2E = 2
E1 = ṙ2 (−∞)
2 2
m1
ist dabei die Energie eines einlaufenden Teilchens im Laborsystem, wobei m = 2 für die reduzierte
Masse zu setzen ist.
60
Inhaltsverzeichnis
1 Newton’sche Mechanik 3
1.1 Grundbegriffe und Mathematische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Die Newton’schen Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2 Harmonischer Oszillator 11
2.1 Beispiele für den harmonischen Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2 Freier, ungedämpfter harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.3 Gedämpfter harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.4 Erzwungene Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.5 Harmonische äußere Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.6 Kraftstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.7 Nicht-periodische äußere Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.8 Anharmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4 Das Zweikörperproblem 46
4.1 Impulserhaltung. Schwerpunkts- und Relativbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
4.2 Drehimpulserhaltung. Ebene Bahnkurven und Flächensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.3 Energiesatz und Bahnkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
4.4 Qualitative Diskussion der Bahnkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
4.5 Gravitation. Keplerproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.6 Coulomb-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
61
Theoretische Physik B
MECHANIK
Vorlesung SS 2003
P. Wölfle
Universität Karlsruhe
Homepage: http://www.tkm.uni-karlsruhe.de/lehre/
Textverarbeitung: D. Scherer
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
4. Bewegte Bezugssysteme
4.1 Inertialsysteme, Galileitransformation
4.2 Beschleunigte Bezugssysteme
5. Starrer Körper
5.1 Kinematik
5.2 Trägheitstensor
5.3 Euler’sche Gleichungen
5.4 Lagrangefunktion
6. Hamiltonformalismus
6.1 Kanonische Gleichungen
6.2 Poisson’sche Klammern
6.3 Kanonische Transformationen
6.4 Phasenraum und Lionville’scher Satz
6.5 Hamilton-Jacobi’sche Differentialgleichung
1
Literatur:
J. Honerkamp und H. Römer - Grundlagen der klassischen Theoretischen Physik (Springer, Berlin)
R.P. Feynman, R.B. Leighton, M. Sands - The Feynman Lectures on Physics Vol. 1 (Add. Wesby)
Mathematische Ergänzung:
Bronstein, Semendjajew, Musial, Mühlig - Taschenbuch der Mathematik (Harri Deutsch)
R. Shankar - Basic Training in Mathematics (A Fitness Program for Science Students) (Plenum Press,
New York)
2
Kapitel 1
Einleitung
In dieser Vorlesung sollen die Grundbegriffe der analytischen Mechanik vermittelt werden. Die Mechanik
wurde als erste physikalische Theorie schon ab dem 17. Jahrhundert (Newton) formuliert und im 18.
und 19. Jahrhundert insbesondere durch Lagrange und Hamilton zu dem Prototyp einer physikalischen
Theorie entwickelt. Die Begriffsbildungen und Methoden der Mechanik dienten als Vorbild für die meisten
anderen Gebiete der theoretischen Physik, wie die Elektrodynamik und die Quantenmechanik. So ist z.B.
das Konzept der Feldtheorie, d.h. der Kontinuumsbeschreibung von Phänomenen durch Amplituden, die
von Raum und Zeit abhängen und lokal verknüpft sind (z.B. durch Ableitungen), aus der Kontinuums-
mechanik der Flüssigkeiten und elastischen Körper entlehnt.
Die große Bedeutung von Symmetrien und Symmetrietransformationen für physikalische Systeme wurde
zum ersten Mal in der Mechanik erkannt. Dieser Teil der Mechanik ist von überragender Bedeutung und
wird deshalb hier ausführlich behandelt.
Die analytische Mechanik ist auch heute noch Gegenstand intensiver Forschung. Dabei steht insbesondere
das sogenannte chaotische Verhalten im Mittelpunkt des Interesses.
3
Kapitel 2
Der Lagrangeformalismus gibt einen allgemeinen Rahmen für die Beschreibung der Dynamik (also der
Bewegungsvorgänge) in einem physikalischen System. Wir wollen diesen Formalismus für die Mechanik
vorstellen und zunächst eine Motivation dafür geben. Wir wir in der vorangegangenen Vorlesung Theorie
A sehen konnten, geben die Newton’schen Bewegungsgleichungen eine vollständige Beschreibung eines
Systems von Massenpunkten in d Dimensionen. In vielen Fällen ist die Bewegung der Körper einge-
schränkt, z.B. durch feste Verbindungsstangen zwischen den Körpern. In diesem Fall ist die Ableitung
der entsprechenden Newton’schen Bewegungsgleichungen u.U. nicht ohne weiteres möglich. Man spricht
dann von Zwangsbedingungen, denen das System ausgesetzt ist. Wir wollen zunächst betrachten, was man
darunter versteht.
Wenn die NZ Gleichungen Aµ = 0 unabhängig sind, beträgt die Anzahl f der Freiheitsgrade des Sy-
stems
f = 3N − NZ
4
Beispiele:
a) alle mi können sich nur in einer Ebene bewegen:
b) alle mi sind an eine Ebene gebunden, die sich mit Geschwindigkeit ~v0 bewegt:
~a · (~ri − ~v0 t) − c = 0
NZ = N , f = 2N
die verbleibenden Freiheitsgrade im Fall N ≥ 3 sind durch die Bewegungsmöglichkeit der Translation des
Schwerpunkts und der Rotation des Systems als starrer Körper um drei orthogonale Achsen gegeben und
damit ist f = 6. (Für N = 2 ist f = 5)
Zwangsbedingungen, die von den Geschwindigkeiten abhängen, nennt man nicht holonom.
Der Einfluss der Zwangsbedingungen auf die Bewegung der Massenpunkte lässt sich durch sog. Zwangs-
~ i beschreiben, die zusätzlich zu den eigentlichen Kräften F~i auf die mi wirken, so dass die
kräfte Z
Newton’schen Bewegungsgleichungen lauten:
mi~r¨i = F~i + Z
~i , i = 1, 2, . . . , N
Die Z~ i werden im Allgemeinen von der Bewegung selbst abhängen und sind damit als Funktion von ~ri
und ~r˙i zu verstehen.
A(~r, t) = 0
unterliegt, findet die Bewegung offenbar auf der durch A = 0 definierten, u.U. zeitabhängigen Fläche
statt. Auf dieser Fläche soll die Bewegung ohne Einschränkung verlaufen, d.h. die Zwangskraft muss
senkrecht zur Fläche gerichtet sein:
~ r, t) = λ(t) · ∇A(~
Z(~ ~ r, t)
Hierbei haben wir benutzt, dass ∇A ~ in Richtung der Normalen auf diese Fläche zeigt. Der Proportiona-
litätsfaktor λ(t) ist dabei noch zu bestimmen.
Ergänzung: Die Aussage, dass ∇A~ stets senkrecht auf der durch A definierten Fläche steht, lässt sich
so zeigen: Wir betrachten zwei infinitesimal benachbarte Punkte ~r und ~r + d~r auf dieser Fläche, so dass
gilt:
A(~r, t) = 0 , A(~r + d~r, t) = 0
Die zweite Gleichung entwickeln wir nach d~r:
~ · d~r + O((d~r)2 ) = 0
A(~r + d~r, t) = A(~r, t) + ∇A
5
~ · d~r = 0, und da d~r ein beliebiger (infinitesimaler) Vektor parallel zur Tangentenfläche
Daraus folgt ∇A
~ senkrecht auf der Fläche stehen.
im Punkt ~r ist, muss damit ∇A
r
ÑA
r + dr
r r
dr
r
r
r
Die Bewegung des Massenpunkts wird also durch folgendes System von Gleichungen beschrieben:
m~r¨ = F~ + λ · ∇A(~
~ r, t)
A(~r, t) = 0
m
x
r
F = -mg × ê z
A(~r, t) = x2 + z 2 − l2 = 0
~ = 2(x, 0, z)
∇A
Bewegungsgleichungen:
mẍ = 2λx
mz̈ = −mg + 2λz
x2 + z 2 − l2 = 0
Dieses Vorgehen lässt sich unmittelbar auf mehrere Teilchen und mehrere Zwangsbedingungen verall-
gemeinern. Die 3N Bewegungsgleichungen und NZ Zwangsbedingungen ergeben Lagrangegleichungen 1.
Art:
NZ
X ∂
mi~r¨i = F~i + λµ (t) Aµ (~r1 , ~r2 , . . . , ~rN , t) ; i = 1, . . . , N
µ=1
∂~ri
Aµ (~r1 , . . . , ~rN , t) = 0 ; µ = 1, . . . , NZ
6
Die Zahl der Zwangsbedingungen ist durch NZ ≤ 3N − 1 begrenzt, damit mindestens ein Freiheitsgrad
vorhanden ist.
Um die Energiebilanz zu untersuchen, multiplizieren wir die Bewegungsgleichung für das i-te Teilchen
mit ~r˙i und verwenden wie früher die Identitäten
1 d ˙ 2
~r¨i · ~r˙i = ~ri
2 dt
∂ dU
und − ~r˙i · F~i = ~r˙i · U=
∂~ri dt
Verallgemeinerte Koordinaten
Die Zahl der Freiheitsgrade eines Systems von N Teilchen im 3-dimensionalen Raum, das N Z Zwangsbe-
dingungen unterliegt, ist f = 3N − NZ .
Von den ursprünglichen 3N Koordinaten sind damit nur f Koordinaten voneinander unabhängig. Wir
bezeichnen jede Wahl dieser Koordinaten als verallgemeinerte oder generalisierte Koordinaten
q = {q1 , q2 , . . . , qf }
Die Wahl der qi ist nicht eindeutig, und wird von Symmetriegesichtspunkten und möglichst großer Ein-
fachheit bestimmt.
7
Die Orte aller Teilchen sind durch die Wahl der qi festgelegt:
Lagrangefunktion
∂~
ri
Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung für mi mit ∂qα und summieren über i:
Z X ∂~r
X ∂Aµ
mi~r¨i − F~i −
i
λµ (t) =0 · (α = 1, . . . , f )
µ1
∂~ri
i
∂qα
Ergänzung: Aµ hängt von qα über die kartesischen Koordinaten ~ri ({qα }, t) ab. Damit ist
N
∂Aµ X ∂Aµ ∂~ri
= · (Kettenregel)
∂qα i=1
∂~ri ∂qα
8
Diese f Gleichungen lassen sich wie folgt umformen. Wir benützen zunächst, dass aus ~ri = ~ri (q, t) durch
totale Ableitung nach t folgt:
∂~ri X ∂~ri
~r˙i = + q̇α = ~r˙i ({qα , q̇α }, t)
∂t α
∂qα
und damit
∂~r˙i ∂~ri
=
∂ q̇α ∂qα
Für den 1. Term der Bewegungsgleichungen ergibt sich somit unter Benutzung dieser Beziehung
( )
X
¨ ∂~ri X
¨ ∂~r˙i d ∂ X 1 ˙2 ∂ X 1 ˙2 d ∂ ∂
mi~ri · = mi~ri · = mi~ri − mi~ri = T − T
i
∂qα i
∂ q̇α dt ∂ q̇α i 2 ∂qα i 2 dt ∂ q̇α ∂qα
P
wobei T = 1
2 i mi~r˙i2 die kinetische Energie bezeichnet.
Beweis: ( ) ( )
d ∂ X 1 ˙2 d X ∂~r˙i X ∂~r˙i X ∂~r˙i
mi~ri = mi~r˙i · = mi~r¨i · + mi~r˙i ·
dt ∂ q̇α i 2 dt i
∂ q̇α i
∂qα i
∂qα
wobei U (q, t) = U (~r1 (q, t), ~r2 (q, t), . . . , ~rN (q, t)) die potentielle Energie des Systems, ausgedrückt durch
die verallgemeinerten Koordinaten, ist.
Die Bewegungsgleichungen lassen sich mit Hilfe obiger Umformungen kompakt schreiben als
d ∂L ∂L
=
dt ∂ q̇α ∂qα
Diese als Lagrangegleichungen 2. Art bekannten Bewegungsgleichungen eines Systems von Massenpunk-
ten stellen den wichtigsten Ausgangspunkt zur Lösung von Problemen in der Mechanik dar. Dabei ist ein
System eindeutig charakterisiert durch seine Lagrangefunktion L, i.A. gegeben als Differenz von kineti-
scher Energie T und potentieller Energie U . Diese ist eine Funktion der verallgemeinerten Koordinaten
q und Geschwindigkeiten q̇, sowie der Zeit t.
9
Die Aufstellung von Bewegungsgleichungen für Systeme mit Zwangsbedingungen erfolgt also in drei
Schritten:
1) Wahl einer geeigneten Parametrisierung des f -dimensionalen Unterraums des 3N -dimensionalen Kon-
figurationsraums → q = {q1 , q2 , . . . , qf }
2) Bestimmung von T und U → L
3) Aufstellung der Lagrangegleichungen
2.3 Erhaltungsgrößen
Wie bereits in Theorie A diskutiert, spielen Erhaltungssätze eine wichtige Rolle für das qualitative Ver-
halten eines Systems. Auch für die Lösung der Bewegungsgleichungen sind sie von großem Nutzen. Im
Lagrangeformalismus sind Erhaltungsgrößen dadurch charakterisiert, dass die Lagrangefunktion L(q, q̇, t)
von einem oder mehreren ihrer Argumente nicht abhängt.
a) Energieerhaltung
Wir betrachten zuerst den Fall, dass L nicht explizit von der Zeit abhängt.
∂L
=0
∂t
Die totale zeitliche Ableitung von L ergibt dann
f X ( )
d X ∂L ∂L d ∂L ∂L d X ∂L
L= q̇α + q̈α = q̇α + q̈α = q̇α (Produktregel)
dt α=1
∂qα ∂ q̇ α α
dt ∂ q̇ α ∂ q̇ α dt α
∂ q̇α
wobei im 2. Schritt die Lagrangegleichung benutzt wurde. Wenn wir den Term auf der rechten Seite der
Gleichung auf die linke Seite schreiben, ergibt sich ein Erhaltungssatz:
d
H=0
dt
wobei die Erhaltungsgröße H definiert wurde:
!
X ∂L
H= q̇α −L
α
∂ q̇α
H heißt Hamiltonfunktion.
Falls die Zwangsbedingungen nicht explizit von der Zeit abhängen, ist die kinetische Energie quadra-
tisch in den q̇α X
T = aαβ q̇α q̇β
α,β
mit Koeffizienten aαβ (verallgemeinerter Massentensor). Wenn zusätzlich U nicht von den Geschwindig-
keiten q̇α abhängt, ist
X ∂L X
q̇α = 2aαβ q̇α q̇β = 2T
α
∂ q̇α
α,β
10
und damit ist
H = 2T − L = T + U = E
Die Hamiltonfunktion ist dann gleich der Energie des Systems.
b) Zyklische Koordinaten
Im Falle, dass L von einer der verallgemeinerten Koordinaten qβ nicht explizit abhängt, d.h.
∂L
=0
∂qβ
∂L
pβ =
∂ q̇β
m ˙2
1. Beispiel: Freies Teilchen, L = 2~
r
∂L
⇒ p~ = = m~r˙ = const. Impulserhaltung
∂~r˙
m 2 2
2. Beispiel: Massenpunkt auf einem Kreis in der x-y-Ebene, L= 2 l ϕ̇ , q = lϕ
m
l
j
1 ∂L
JZ = = mlϕ̇ = const. Drehimpulserhaltung
l ∂ ϕ̇
Nichtkonservative Kräfte
Im Falle von Kräften, die sich nicht als Gradient eines Potentials schreiben lassen, sind die Lagran-
gegleichungen 2. Art zu erweitern. Wir gehen aus von den jeweiligen Krafttermen und leiten geeignete
Zusatzterme ab.
11
a) Elektromagnetische Kräfte
Der magnetische Anteil dieser Kraft ist von der Geschwindigkeit ~r˙ abhängig und damit nicht konservativ.
Wir versuchen eine Verallgemeinerung der Formulierung für konservative Systeme, indem wir im Potential
U auch von ~r˙ abhängige Terme zulassen. Bei unveränderter Anwendung der Lagrange-Gleichung (mit
(q1 , q2 , q3 ) = (x1 , x2 , x3 ), den kartesischen Koordinaten)
d ∂L d ∂T ∂U ∂L
= − =
dt ∂ q̇α dt ∂ q̇α ∂ q̇α ∂qα
ergibt sich also ein Zusatzterm zur Kraft
~ nk = d ∂U
K
dt ∂ q̇α
Frage: Gibt es eine Funktion Unk , aus der nach Differentiation bezüglich ~r˙ und Zeitableitung die Lorentz-
kraft folgt?
Antwort: Ja, aber diese Funktion lässt sich nur durch das Vektorpotential A ~ des Magnetfeldes ausdrücken
(zunächst ohne Zwangsbedingungen)
Unk = −Q~r˙ · A(~
~ r, t)
Wir setzen in die Lagrangegleichung ein und erhalten folgenden Ausdruck für die Kraft
~ + d ∂U
~ = −∇U
K
dt ∂~r˙
3
~ j (~r, t) − Q d A(~
X
~
= −Q∇Φ + Q ẋj ∇A ~ r, t)
j=1
dt
3
!
~
∂A ~
∂A ~
~ j (~r, t) − ∂ A ẋj
X
~
= QE + Q −Q +Q ẋj ∇A
∂t ∂t j=1
∂xj
12
~ die Lorentzkraft ist.
womit gezeigt ist, dass K
Die Lagrangefunktion hat also die Form
m
L(~r, ~r˙, t) = ~r˙ 2 − QΦ(~r, t) + Q~r˙ · A(~
~ r, t)
2
Falls Zwangsbedingungen vorliegen, ist ~r = ~r({qα }) zu setzen.
b) Reibungskräfte
Eine realistische Beschreibung mechanischer Systeme aus makroskopischen Körpern erfordert die Berück-
sichtigung von Reibungs- oder Dämpfungseffekten. Die entsprechenden Kräfte treten nur für bewegte
Teilchen auf, d.h. bei endlicher Geschwindigkeit. Für kleine Geschwindigkeiten ist oft ein linearer Zusam-
menhang gegeben.
~ diss,i = −γi~r˙i
K ; i-tes Teilchen
Derartige Kräfte führen in der Lagrangegleichung für die α-te Koordinate zu Zusatztermen
N
~ diss,i ∂~ri
X
K
i=1
∂qα
Diese Zusatzterme lassen sich nicht durch einen ~r˙ -abhängigen Zusatz zu L erfassen. Es ist aber möglich
und sinnvoll, eine weitere skalare Funktion F (neben L) zu definieren als
N N
X 1 X 1
F (~r˙ ) = γi~r˙i 2 → F (q, q̇, t) = γi~r˙i 2 (q, q̇, t)
i=1
2 i=1
2
F ist die Rayleigh’sche Dissipationsfunktion. Sie ist gleich der halben vom System gegen Reibung abge-
gebenen Leistung.
13
Kapitel 3
3.1 Variationsrechnung
Die Variationsrechnung behandelt die Lösung von Problemen, bei denen der extremale (minimale oder
maximale) Wert einer Größe zu finden ist, die als Integral über einen Funktionalausdruck darzustellen
ist. Wir betrachten ein erstes Beispiel:
Gesucht ist die Funktion y(x), mit Randwerten y(x 1 ) = y 1 , die das Funktional
2 2
Z x2
J = J[y] = dx F (y, y ′ , x)
x1
Lösungsstrategie:
y0 (x) sei die gesuchte Funktion. Dann muss für jede infinitesimal davon abweichende Funktion y(x) =
y0 (x) + δy(x) = y0 (x) + ǫη(x) mit ǫ infinitesimal und η(x1 ) = η(x2 ) = 0 gelten.
J[y0 + ǫη(x)] > J[y0 ] , ∀ η(x)
Hieraus folgt
d
J[y0 + ǫη(x)] |ǫ=0 = 0
dǫ
in Analogie zur Bedingung für ein Extremum einer Funktion f (x): f ′ (x) = 0 bei x = x0 .
dJ
Aus der Bedingung dǫ = 0 lässt sich eine Differentialgleichung für η(x) ableiten:
Z x2
d ∂F ∂F ′ !
J[y0 (x) + ǫη(x)]
= dx η(x) + ′ η (x) = 0
dǫ ǫ=0 x1 ∂y ∂y
folgt Z x2
d ∂F d ∂F !
J [y0 (x) + ǫη(x)] = dx − ′
η(x) = 0
dǫ ǫ=0 x1 ∂y dx ∂y
14
Das Integral soll für beliebiges η(x) verschwinden, was nur möglich ist, wenn der Ausdruck in den Klam-
mern Null ist.
d ∂F (y, y ′ , x) ∂F (y, y ′ , x)
⇒ Eulergleichung =
dx ∂y ′ ∂y
Die Lösungen y(x) dieser DGL 2. Ordnung ergeben stationäre Punkte von J[y]. Falls mehrere Lösungen
existieren, ist die zum Minimum gehörige zu finden.
δJ ∂F d ∂F
Funktionalableitung“ = − =0
” δy ∂y dx ∂y ′
Wenn die aus einem Extremalprinzip zu bestimmende Funktion y(x) weiteren Bedingungen genügen
muss, spricht man von einem Variationsproblem mit Nebenbedingungen.
Beispiel: Eine Kette mit konstanter Massendichte ρ und Länge L werde im Schwerefeld der Erde auf-
gehängt.
y
y 1
P 1
y 2
P 2
Der Gleichgewichtszustand wird durch den minimalen Wert der potentiellen Energie bestimmt:
Z 2 Z x2 p
J = Upot = gρy ds = gρ dx y 1 + y ′2 = min.
1 x1
p
Element der Bogenlänge: ds = 1 + y ′2 dx
Die Nebenbedingung besteht darin, dass die Länge der Kette gegeben ist:
Z x2 p
K[y] = dx 1 + y ′2 = L
x1
15
Nebenbedingungen der Form K[y] = C heißen isoperimetrisch.
Nebenbedingungen lassen sich mit Hilfe der Methode der Lagrangemultiplikatoren in ein verallgemeinertes
Extremalprinzip aufnehmen: Statt J[y] = min. und K[y] = C kann man setzen
δJ ∗ d ∂F ∂G ∂F ∂G
=− −λ ′ + −λ =0
δy dx ∂y ′ ∂y ∂y ∂y
Beweis:
Wir nehmen an y = y0 (x) sei die Lösung und betrachten kleine Abweichungen
wobei η1 (x) und η2 (x) linear unabhängig sind. Dann wird durch
K[y] = K(ǫ1 , ǫ2 ) = C
eine Kurve in der ǫ1 -ǫ2 -Ebene festgelegt, die durch den Nullpunkt geht. Für Werte von (ǫ1 , ǫ2 ) auf dieser
Kurve ist
J[y] = J(ǫ1 , ǫ2 ) = min.
am Punkt ǫ1 = ǫ2 = 0.
∂K
∂J ∂J dǫ2 ∂J ∂J ∂ǫ1
+ =0= −
∂ǫ1 ∂ǫ2 dǫ1 ∂ǫ1 ∂ǫ2 ∂K
∂ǫ2
16
Diese Gleichung ergibt sich aber aus der Bedingung J − λK = min.
∂J ∂K
∂ǫ1 − λ ∂ǫ1 = 0 ∂J
∂K
∂J ∂ǫ1
− · ∂K = 0
∂J ∂K ∂ǫ1 ∂ǫ2 ∂ǫ
∂ǫ2 − λ ∂ǫ2 = 0
2
q.e.d.
aufzufassen. S ist die Wirkung, bzw. das Wirkungsfunktional. Dabei sind die Randbedingungen
Meist wird S minimal. Man spricht deshalb vom Prinzip der kleinsten Wirkung.
Die Bestimmung des Bewegungsablaufs eines mechanischen Systems lässt sich also so formulieren:
1. Man finde die Lagrangefunktion L, meist gegeben durch L = T − U , und damit die Wirkung S.
2. Man betrachte alle Wege q(t) = {qα (t)}, die von den Anfangspunkten q1α zur Zeit t1 zu den Endpunk-
ten q2α zur Zeit t2 führen und finde die Wege qα (t), die das Minimum (oder Extremum) von S ergeben.
Falls q̄(t) der gesuchte Weg ist, gilt
S[q(t)] ≥ S[q̄(t)]
für alle q(t).
y
y 1
P 1
y 2
P 2
x 1 x 2 x
δS
3. Aus der Stationaritätsbedingung δq = 0 folgen die Lagrangegleichungen.
17
Die Lagrangegleichungen 1. Art lassen sich ebenso aus der Stationaritätsbedingung für die Wirkung,
aber nun mit den Nebenbedingungen
Aµ (x, t) = 0 , µ = 1, 2, . . . , z
ableiten. Man kann die Nebenbedingungen mit Hilfe von Lagrangeparametern λ µ (t) berücksichtigen, was
zu dem Variationsproblem
δS ∗ [x, λ, t] = 0 führt,
Z t2 " z
#
X
∗
mit S [x, λ, t] = dt L(x, ẋ, t) + λµ (t)Aµ (x, t) .
t1 µ=1
Hier ist die Variation sowohl nach x(t) = {xi (t)}, als auch nach λµ (t) vorzunehmen.
Das Prinzip der kleinsten Wirkung stellt die allgemeinste und kompakteste Formulierung der Mecha-
nik dar. Sie ist vollkommen unabhängig von der Darstellung“, d.h. von der Wahl der Koordinaten
”
(Kartesisch, Winkel, etc.). Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Form der Lagrangefunktion durch Sym-
metriebedingungen stark einschränken lässt.
Damit kann L nur eine Funktion von ~r˙ 2 sein. Die einfachste Möglichkeit ist
L = const. ~r˙ 2
m
Mit const. = 2 ist das die bekannte Form.
Beispiele:
(i) Galileitransformation:
Mit ~r˙ → ~r˙ + m~v folgt:
m 2 d m
L → L + m~r˙~v + ~v = L + (m~r · ~v + ~v 2 t)
2 dt 2
18
(ii) Eichtransformation in der Elektrodynamik:
~ durch
Die Definition der elektromagnetischen Potentiale Φ, A
~
~ = − 1 ∂ A − ∇Φ
E ~ , ~ =∇
B ~ ×A
~
c ∂t
~ und Φ nur bis auf Eichtransformationen fest. Offenbar sind E
legt A ~ und B
~ unter einer Transformation
~→A
~ + ∇Λ
~ 1 ∂Λ
A , Φ→Φ−
c ∂t
mit beliebigem Λ(~r, t) invariant.
h i
L ändert sich dabei wie L = m 2~r˙ 2 − qΦ + qc ~r˙ · A
~ :
q dΛ(~r, t)
L→L+ .
c dt
Damit folgt die Invarianz der Bewegungsgleichungen ohne weitere Rechnung.
Wir betrachten das Verhalten der Wirkung S, bzw. der Lagrangefunktion L(x, ẋ, t) unter einer belie-
bigen infinitesimalen Transformation
t → t∗ = t + ǫ · ϕ(x, ẋ, t)
mit ǫ infinitesimal, wobei ψi (x, ẋ, t) und ϕ(x, ẋ, t) beliebige Funktionen sind.
Beispiele:
(i) Zeittranslation t∗ = t + ǫ , x∗i (t∗ ) = xi (t)
(ii) Räumliche Translation x∗i = xi + ǫ , t∗ = t
(iii) Drehung ~r∗ = ~r + ǫ ω̂ × ~r , t∗ = t
(iv) Galileitransformation ~r∗ = ~r + ǫ v̂t , t∗ = t
19
mit der ursprünglichen Wirkung S.
Falls S ∗ = S, ist die Wirkung invariant unter der betrachteten Transformation und es gilt
∂S
=0
∂ǫ
Hieraus lässt sich ein Erhaltungssatz für eine Größe Q(x, ẋ, t) ableiten:
d
Q(x, ẋ, t) = 0 , wobei
dt
!
X ∂L X ∂L
Q= ψi + L − ẋi ϕ.
i
∂ ẋi i
∂ ẋi
Beweis:
Z t∗ Z t2 Z t2
2 dx∗ dx∗ dt∗ dx d ∗ dx
∗
∗ dt
∗
∗
S = ∗ ∗
dt L(x , ∗ , t∗ ) = ∗
dt L(x , ∗ , t∗ ) = dt L(x, , t)+ǫ L(x , ∗ , t ) + O(ǫ2 )
t∗
1
dt t1 dt dt t1 dt dǫ dt dt ǫ=0
Dann ist
d dψi dϕ dϕ
L xi + ǫψi , ẋi + ǫ − ǫẋi , t + ǫϕ 1+ǫ
dǫ dt dt dt ǫ=0
X ∂L X ∂L dψi dϕ
∂L dϕ
= ψi + − ẋi + ϕ+L
i
∂xi i
∂ ẋi dt dt ∂t dt
! !
d X ∂L X ∂L dϕ ∂L
= ψi + L − ẋi +ϕ =0
dt i
∂ ẋi i
∂ ẋi dt ∂t
∂L d ∂L
wobei = benutzt wurde.
∂xi dt ∂ ẋi
Unter Verwendung von
d ∂L X ∂L X ∂L
L= + ẋi + ẍi
dt ∂t i
∂xi i
∂ ẋi
∂L X d ∂L X ∂L
= + ẋi + ẍi
∂t i
dt ∂ ẋi i
∂ ẋi
!
∂L d X ∂L
= + ẋi
∂t dt i
∂ ẋi
20
ergibt sich
d
Q(x, ẋ, t) = 0
dt
mit der Erhaltungsgröße
!
X ∂L X ∂L
Q= ψi + L− ẋi ϕ = const.
i
∂ ẋi i
∂ ẋi
Es gilt also folgender allgemeiner Zusammenhang, der als Noethertheorem bezeichnet wird:
Eine Symmetrie des Systems, die in der Invarianz der Wirkung gegenüber einer einparametrigen
Raum-Zeit-Transformation besteht (festgelegt durch die Funktionen ψi und ϕ) ist verknüpft mit
der Existenz einer Erhaltungsgröße Q.
Symmetrie S → Erhaltungsgröße
S∗ = S Q = Q(x, ẋ, t) = const.
Dieser tiefliegende Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Systems unter Symmetrietransforma-
tionen und der beobachtbaren Konsequenz der Existenz von Erhaltungsgrößen ist von grundlegender
Bedeutung für die gesamte Physik.
Beispiele:
1. Homogenität der Zeit: L hängt nicht explizit von der Zeit ab:
x∗i = xi → ψi = 0
t∗ = t + ǫ → ϕ = 1
X ∂L
⇒Q=L− ẋi
i
∂ ẋi
X mi
Falls L = T − U = ẋ2i − U (x)
i
2
ist Q = T − U − 2T = −(U + T ) = −E
→ Energieerhaltung
2. Homogenität des Raums: L ist invariant gegen zeitunabhängige räumliche Verschiebungen, z.B. in
x-Richtung
~rn∗ = ~rn + ǫx̂ → ψnx = 1 , ψny = ψnz = 0
t∗ = t
→ ϕ=0
X ∂L X
Q= = pnx = Px = const.
n
∂ ẋn n
∂L
wobei p~n = der Impuls des n-ten Teilchens ist und P~ der Gesamtimpuls des Systems ist.
∂~r˙n
21
3. Isotropie des Raums: Invarianz von L gegen Rotationen um eine beliebig gerichtete Achse durch einen
Bezugspunkt (der als Ursprung gewählt wird), z.B. Drehungen um Achse ω̂ für einen Massenpunkt
~r∗ = ~r + ǫ(ω̂ × ~r)
X X
x∗i = xi + ǫ ǫikl ωk xl → ψi = ǫikl ω̂k xl , ψ = ω̂ × ~r
kl kl
X ∂L X
Q= ψi = ~
pi ǫikl ω̂k xl = p~ · (ω̂ × ~r) = ω̂ · L
i
∂ ẋ i
Drehimpuls L~ = ~r × p~.
Q ist die Drehimpulskomponente in Richtung der Drehachse.
Erweitertes Noethertheorem
Die Invarianzbedingung S ∗ = S ist stärker als die eigentlich einzig wesentliche Bedingung, dass die
Bewegungsgleichungen invariant unter der betrachteten Transformation sind. Dies ist äquivalent zu
δS ∗ = δS
Da δS nur bis auf totale Zeitableitungsterme bestimmt ist, können auch solche Transformationen als
Invarianzprobleme zugelassen werden, die die Lagrangefunktion um eine totale Zeitableitung ändern,
d.h. die Invarianzbedingung lautet:
∗ ∗
d ∗ dx ∗ dt d
L(x , ∗ , t ) = f (x, t)
dǫ dt dt ǫ=0 dt
und damit ergibt sich als Erhaltungsgröße
!
X ∂L X ∂L
Q= ψi + L− ẋi ϕ − f (x, t) = const.
i
∂ ẋi i
∂ ẋi
Beispiel: Galileiinvarianz
~rn ∗ = ~rn + ǫtû , ~n = tû
ψ , t∗ = t
N N
1X X
L= mn~r˙ 2n − Unm (|~rn − ~rm |)
2 n=1 n,m
n<m
∗
d ∗ dt
X d ~ · û) = df
L · = mn~r˙n · û = (M R
dǫ dt ǫ=0 n
dt dt
d.h. es gilt nicht S ∗ = S, sondern nur δS ∗ = δS!
X ∂L
Q= ψ ~˙ − R)
~n − f (x, t) = M (Rt ~ · û = const.
∂ ˙
~
r n
n
22
Da dies für beliebige Richtung û gilt, ist also
~˙ − R
Rt ~ = const. → ~
R(t) ~0
= ~v0 t + R
~˙ = const.
Dies folgt aber bereits bei Translationsinvarianz aus der Impulserhaltung: M R
Ergänzung:
Das sogenannte Noether-Theorem wurde von der Mathematikerin Emmy Noether in einer grundlegenden
Untersuchung zur modernen Algebra formuliert. Sie hat mit ihren Arbeiten nicht nur die theoretische
Physik, sondern auch die Mathematik des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflusst.
1882 als Tochter des Mathematikprofessors Max Noether geboren, wirkte sie nach dem Studium der
Mathematik ab 1919 als Dozentin in Göttingen. Nach dem Entzug der Lehrberechtigung 1933 durch die
Nationalsozialisten emigrierte sie in die USA, wo sie 1935 in Princeton starb.
23
Kapitel 4
Bewegte Bezugssysteme
Transformationen von einem festen Bezugssystem in ein bewegtes sind sowohl von praktischem Inter-
esse, z.B. wenn sich Massenpunkte unter dem Einfluss von zeitlich veränderlichen Zwangsbedingungen
bewegen, als auch von grundsätzlichem Interesse, wenn es z.B. um die Frage geht, in welchem Bezugssy-
stem die physikalischen Gesetze die einfachste Form annehmen. Im Folgenden betrachten wir nur lineare
Transformationen.
Frage: Wie darf sich KS ′ relativ zu IS bewegen, so dass die Newton’schen Axiome in KS ′ gelten?
1. Fall: Die Achsen von IS und KS ′ seien parallel, wobei der Ursprung von KS ′ mit dem Ursprung
~ verbunden sei.
von IS durch den Vektor d(t)
~
Es gilt also ~r(t) = ~r′ (t) + d(t).
z’
z KS`
IS r y’
d (t )
x’
24
wobei ~v die Relativgeschwindigkeit der beiden Koordinatensysteme ist. IS ′ darf sich also gegenüber IS
mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Zusätzlich ist auch eine konstante Verschiebung erlaubt.
2. Fall: Die Achsen von IS und KS ′ seien gegeneinander verdreht; den Ursprung wählen wir der
Einfachheit halber gleich.
Es gilt also
3
X
x′i = αij xj
j=1
wobei αij die Elemente einer orthogonalen Matrix ( Drehmatrix“) sind, für die gelten muss
”
X
T
αil αlj = δij
l
T
d.h. die transponierte Matrix αij = αji ist die Inverse der Matrix α:
α−1 = αT
(folgt aus der Forderung (~r ′ )2 = ~r 2 , d.h. Abstände bleiben bei der Drehung unverändert)
Man sieht, dass nur eine zeitunabhängige Drehung, d.h. α̈ij = α̇ij = 0 zulässig ist, wenn KS ′ ein
Inertialsystem sein soll.
Damit lautet die allgemeinste Transformation, die Inertialsysteme ineinander transformiert:
3
X
′
xi = αij xj + vi t + ai
X
j=1 ẋ′i = αij ẋj + vi
j
t′ = t − t 0
wobei noch eine Verschiebung der Zeitvariablen als einzige mögliche Transformation von t hinzugenom-
men wurde. Derartige Transformationen nennt man Galileitransformationen (GT).
25
wobei Ki′ i.A. ungleich Ki ist. Die Bewegungsgleichung ist also forminvariant oder kovariant, aber nicht
invariant.
Für ein abgeschlossenes System von N Massenpunkten gilt, wie früher gezeigt
also der gleiche Ausdruck in den neuen Koordinaten wie in den alten Koordinaten. Dabei wurde benutzt
X ∂ X X ∂x′ ∂ X ∂ ∂
l
αij = αij ′ = αij αlj ′ = ′
j
∂xj j
∂xj ∂xl ∂x l ∂x i
l j,l
Damit sind die Newton’schen Bewegungsgleichungen für abgeschlossene Systeme invariant unter GT.
Die Maxwellgleichungen der Elektrodynamik sind nicht kovariant unter GT. Sie beschreiben die Ausbrei-
tung von Wellenfronten mit der Geschwindigkeit c (Lichtgeschwindigkeit). Bei GT mit Geschwindigkeit
v würde also ẋ = c in ẋ′ = c + v übergehen. Experimentell wird aber ẋ′ = c beobachtet.
Falls man experimentell ausschließen kann, dass es ein bevorzugtes IS gibt (definiert durch ein Medium
Äther“, das die Lichtwelle trägt), bleibt nur die Möglichkeitm das Transformationsgesetz zwischen IS
”
zu ändern. Dies wird im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie durch die Lorentztransformation LT
erreicht. Die GT ergibt sich dann als Grenzfall der LT für Geschwindigkeiten v ≪ c.
i) Lineare Beschleunigung
Das vorher definierte Bezugssystem KS ′ sei relativ zu IS konstant beschleunigt, d.h. für den Abstands-
~ der die Koordinatenursprünge verbindet, gilt
vektor d,
~ = 1~bt2
d(t) und damit:
1
~r(t) = ~r ′ (t) + ~bt2
2 2
Es wirkt also in KS ′ eine konstante Kraft, die als Scheinkraft bezeichnet wird.
26
Beispiel: In einem frei im Schwerefeld der Erde fallenden Laborraum wird die Schwerkraft exakt durch
die Scheinkraft der gleichmäßig beschleunigten Fallbewegung kompensiert.
Wir betrachten ein Koordinatensystem KS ′ , das relativ zum Ruhesystem IS um eine Drehachse ω̂ um
dϕ
den Winkel ϕ(t) gedreht wird. Wir definieren die Winkelgeschwindigkeit ω = und den Vektor ω
~ = ω ω̂
dt
z’
r
w
r
dG rot
dj
r
G
x y’ Q
j
y
x’
~ der im System KS ′ zeitunabhängig ist, wird vom System IS aus betrachtet zeitabhängig.
Ein Vektor G,
~ im infinitesimalen Zeitintervall dt ist
Die Änderung von G
~ rot = dϕ(ω̂ × G)
dG ~ = (~ ~
ω × G)dt
~ ist ein Vektor senkrecht zu ω̂ und G
denn ω̂ × G ~ mit Betrag G · | sin θ| = Abstand zur Drehachse
~
Für einen zeitabhängigen Vektor G(t) gilt analog
~ IS = dG
dG ~ KS’ + [~ ~
ω × G(t)]dt
~
und damit gilt für die Zeitableitung von G
! !
~
dG ~
dG
= +ω ~
~ × G(t)
dt dt
IS KS’
~r˙ = ~r˙ ′ + ω
~ × ~r ′
~r¨ = ~r¨ ′ + ω
~ × ~r˙ ′ + ω
~ × (~r˙ ′ + ω ~˙ × ~r ′
~ × ~r ′ ) + ω
27
Im rotierenden System treten also Scheinkräfte auf mit folgenden Eigenschaften:
a) Zentrifugalkraft: Fliehkraft“
”
- Richtung: ω ω × ~r ′ ) = ω
~ × (~ ω · ~r ′ ) − ~r ′ ω 2
~ (~ radial nach außen, ⊥ ω
~
2 ′
- Betrag: ω r sin θ
b) Corioliskraft:
- Richtung: ⊥ ω ~ und ⊥ ~r˙ ′
- Betrag: ωv · sin χ , χ = ∡(~ ω , ~v )
Beispiel:
(1) Windbewegung auf der rotierenden Erdkugel
r
w
~˙ = D(t)G
G ~˙ ′ + ḊG
~′
~˙
Vergleich mit G ~˙
=G +ω ~ KS ′
~ ×G
IS KS ′
liefert Ḋ = D · ω
~ × ...
28
X sin ϕ − cos ϕ 0
oder Ḋij = Dil ǫlkj ωk = cos ϕ sin ϕ 0 ϕ̇
lk 0 0 0
29
Kapitel 5
Starrer Körper
5.1 Kinematik
Die Bewegung eines starren Körpers ist wesentlich reichhaltiger als die eines Massenpunkts. Wir be-
trachten zunächst die grundlegende Beschreibung der Bewegung, d.h. die Zahl und die Definition der
Freiheitsgrade sowie der Bewegungsgrößen.
Ein starrer Körper besteht aus einer beliebigen Anzahl von Massenpunkten, die starr miteinander ver-
bunden sind und daher feste Abstände besitzen:
1) N Massenpunkte mn in Positionen ~rn , n = 1, . . . , N
2) |~rn − ~rm | = rnm = const. , n, m = 1, . . . , N
Diese 21 N (N − 1) Zwangsbedingungen sind jedoch nicht unabhängig. Für N = 3 ergeben sich drei
Zwangsbedingungen. Falls für N Massenpunkte RN Zwangsbedingungen existieren, sind es für N + 1
Massenpunkte RN +1 = RN + 3, denn die Angabe von 3 Abständen legt die Position des (N + 1)-ten
Teilchens fest. Daraus folgt: RN = 3(N − 2)
Die Zahl der Freiheitsgrade ist damit
f = 3N − RN = 6
unabhängig von N .
Die 6 Freiheitsgrade ergeben sich unmittelbar, wenn man zunächst die 3 Schwerpunktskoordinaten abspal-
tet. Die verbleibenden Freiheitsgrade im Schwerpunktssystem (R ~ = 0) sind Drehungen um alle möglichen
Achsen durch den Schwerpunkt, von denen es in 3 Dimensionen 3 unabhängige, z.B. die Drehungen um
drei kartesische Achsen, gibt.
Auch wenn irgendein anderer Punkt des Körpers festgehalten wird, bleiben nur die 3 Drehfreiheitsgrade
übrig. Diese Systeme nennt man Kreisel.
Winkelgeschwindigkeit
Wir definieren 2 Koordinatensysteme, ein körperfestes KS: x1 , x2 , x3 mit Achsen ê1 , ê2 , ê3
und ein raumfestes IS: x, y, z mit Achsen êx , êy , êz .
Die Basisvektoren êi (t) sind i.A. zeitabhängig, d.h. KS ist kein Inertialsystem.
Der Ursprung des körperfesten KS habe im IS den Ortsvektor ~r0 (t), seine Geschwindigkeit sei ~v0 (t).
30
Das körperfeste KS drehe sich mit der Winkelgeschwindigkeit
~ (t) = ω̂(t) · ω(t) , ω = dϕ
ω dt
relativ zu IS, wobei dϕ der Drehwinkel im Zeitelement dt zur Zeit t um die momentane Achse ω̂ ist.
Sowohl ω̂ als auch ω sind i.A. zeitabhängig.
Ein beliebiger Punkt P des starren Körpers habe den Ortsvektor ~rP,IS im IS.
r
z w
x 3
P x 2
r
r
P
r
r
P , IS x 1
r
r
0
d~rP
~vIS = ~v0 +
dt
Da der Punkt P in KS ruht, also
d~rP
=0 gilt also
dt KS
d~rP
= ~v0 + ω
~ × ~rP
dt IS
auch wenn ω
~ =ω
~ (t).
Wir wollen nun untersuchen, ob diese Gleichung von der Wahl des Ursprungs von KS abhängt. Wir
nehmen an, dass bei Wahl des Ursprungs 0′ mit ~r0 ′ = ~r0 − ~a die Winkelgeschwindigkeit von KS durch
~ ′ gegeben sei. Damit gilt für den Punkt P
ω
~vP,IS = ~v0 ′ + ω
~ ′ × ~rP ′
während vorher
~vP,IS = ~v0 + ω
~ × ~rP war.
Wegen ~rP ′ = ~rP + ~a
muss also
!
~v0 ′ + ω
~ ′ × ~rP ′ = ~v0 + ω
~ ′ × (~rP + ~a) = ~v0 + ω
~ × ~rP
gelten.
Da diese Gleichung für alle ~rP gelten muss, folgt
~′
~ =ω
ω
31
und ~v0 = ~v0 ′ + ω
~ × ~a
Die Winkelgeschwindigkeit ω~ hängt also nicht von der Wahl von KS ab, sondern charakterisiert den
Rotationszustand des Körpers in eindeutiger Weise.
Euler’sche Winkel
Da aufeinanderfolgende Drehungen des KS nicht miteinander vertauschen, wenn sie nicht um die gleiche
Achse stattfinden, ist die Definition verallgemeinerter Koordinaten für eine allgemeine Drehung nicht
trivial. Die von dem deutsch-russischen Mathematiker Euler angegebene Parametrisierung ist am ge-
bräuchlichsten:
z
x 2
x 3
q y
f y
x 1
K
x
Wir definieren zunächst eine Knotenlinie“K als Schnittgerade der x-y-Ebene mit der x1 -x2 -Ebene. Der
”
Einheitsvektor êK bildet mit der x-Achse den Winkel φ, mit der x1 -Achse den Winkel ψ. Als dritte Va-
riable θ wählt man den Winkel zwischen z-Achse und x3 -Achse.
Man kann sich die schiefe“ Lage eines Körpers mit Eulerwinkeln (ψ, θ, φ) vorstellen als entstanden aus
”
drei aufeinanderfolgenden Drehungen:
32
(folgt aus Projektion der z-Achse in die x1 − x2 -Ebene).
x 3
z
q x 2
y
y
ê K
x 1
~ =ω
ω ~ψ + ω
~θ + ω
~φ
ϕ=ω
d~ ~ ψ dt + ω ~ φ dt + O(dt2 )
~ θ dt + ω
Für Drehungen um endliche Winkel gilt ein komplizierter nichtlinearer Zusammenhang, den wir später
betrachten werden.
Die Winkelgeschwindigkeit ω
~ kann wahlweise im System KS oder IS dargestellt werden.
ω2 = ω
~ · ê2 = −θ̇ sin ψ + φ̇ sin θ cos ψ
ω3 = ω
~ · ê3 = ψ̇ + φ̇ cos θ
Diese Ausdrücke werden später für die Lagrangeformulierung in den verallgemeinerten Koordinaten
ψ, θ, φ benötigt.
33
Für Drehungen um die z-Achse gilt:
z ′ = z (oder x′3 = x3 )
y ′ = cos φ y − sin φ x
x′ = cos φ x + sin φ y
y
x’
f f
f
x
y’
also
cos φ sin φ 0
D(ẑ, φ) = − sin φ cos φ 0
0 0 1
Eine allgemeine Drehung um die Eulerwinkel ψ, θ, φ wird also beschrieben durch die Drehmatrix
D(ψ, θ, φ) = D(ẑ, φ) · D(x̂, θ) · D(ẑ, ψ)
wobei aufeinanderfolgende Drehungen durch das Matrixprodukt beschrieben werden.
5.2 Trägheitstensor
Kinetische Energie
N n o
1X
mn ~r˙0 2 + 2~r˙0 · (~
2
T = ω × ~rn ) + (~
ω × ~rn )
2 n=1
34
Wir setzen voraus, dass entweder ~r˙0 = 0 (Ursprung im Unterstützungspunkt des Kreisels)
P ~ = 0 in KS.
oder mn~rn = 0 → R
3
1 X
Trot = Θij ωi ωj
2 i,j=1
Das Trägheitsmoment Θ ist in Analogie zu sehen zur Masse m, ist also eine Eigenschaft des starren
Körpers:
1 1
Ttrans = mv 2 , Trot = Θω 2
2 2
Im Gegensatz zur Masse ist Θ i.A. eine Tensorgröße
N
X
Θij = mn (~rn 2 δij − xn,i xn,j ) Trägheitstensor
n=1
In vielen Fällen besitzt ein Körper eine so große Zahl von Massenpunkten (Atome, Atomkerne, Elek-
tronen), dass es sinnvoll ist, eine kontinuierliche Massenverteilung anzugeben, als Quotient der Summe
der Massen in einem Volumenelement ∆V um ~r, und ∆V :
∆m(~r)
ρ(~r) = lim Massendichte
∆V →0 ∆V
P PN0
wobei ∆m(~r) = n mn = α=1 m(ν,α) (mit n ∈ ∆V um ~r)
Wir teilen das Volumen in N1 Teilvolumina ∆V mit je N0 Teilchen auf. Die Summe über die einzel-
nen Teilchen lässt sich dann durch ein Integral über ein Volumen ersetzen.
N
X mn (n) (n)
Θij = (~rn 2 δij − xi xj )∆V
n=1
∆V
N1 N0
!
X X m(ν,α) 2 (ν,α) (ν,α)
= ~r(ν,α) δij − xi xj ∆V
ν=1 α=1
∆V
35
Z
lim Θij = d3 r ρ(~r)(r 2 δij − xi xj )
N →∞
wobei
N0
1 X
~r = ~r(ν,α)
N0 α=1
der Ort des ν-ten Volumenelements ∆V ist.
Drehimpuls
Die relevante Bewegungsgröße für Drehbewegungen ist der Drehimpuls. Je nach Bezugssystem und Be-
zugspunkt können wir definieren
N
X
~ IS =
L mn ~rn,IS × ~r˙n,IS
n=1
bezogen auf den Ursprung von IS,
N
X
~ =
L mn ~rn × ~r˙n
n=1
bezogen auf den Ursprung von KS.
Die Zeitableitung bezieht sich in beiden Fällen auf IS. Da wir i.A. an Drehbewegungen des starren
Körpers um seinen Schwerpunkt, bzw. einen anderen festgehaltenen Punkt interessiert sind, und nicht an
Drehungen des starren Körpers um eine Achse außerhalb, betrachten wir den 2. Ausdruck. Mit Hilfe von
~r˙n = ω
~ × ~rn
ergibt sich
N
X
~ =
L mn~rn × (~
ω × ~rn )
n=1
und mit
ω × ~r) = r 2 ω
~r × (~ ~ − (~r · ω
~ )~r ist
N
X 3
X (n) (n)
Li = mn (rn2 δij − xi xj )ωj
n=1 j=1
3
X
= Θij ωj in den kartesischen Koordinaten von KS.
j=1
Andere Schreibweisen dieser Zusammenhänge ergeben sich durch die Definition der Matrix
Θ11 Θ12 Θ13
Θ = Θ21 Θ22 Θ23
Θ31 Θ32 Θ33
und der Spaltenvektoren
L1 ω1
L = L2 , ω = ω2
L3 ω3
36
als
L = Θω
oder, darstellungsunabhängig unter Verwendung der Einheitsvektoren mit Definition der Dyade
3
←
→ X
Θ = Θij êi ◦ êj
i,j=1
als
~ =←
L
→
Θ ·ω
~
Das dyadische Produkt oder Tensorprodukt zweier Vektoren ist so definiert, dass gilt
und
~a · (êi ◦ êj ) = (~a · êi )êj
oder auch
(êi ◦ êj ) × ~a = âi ◦ (êj × ~a) etc.
wobei ω T die zu ω transponierte Matrix bezeichnet. Die Transposition vertauscht Zeilen und Spalten
einer Matrix und macht aus einem Spaltenvektor einen Zeilenvektor:
ATij = Aji
ω T = (ω1 , ω2 , ω3 )
←
→
Das Trägheitsmoment Θnn bezüglich einer Drehachse n̂ ergibt sich aus Θ durch skalare Multiplikation
mit n̂
←
→
Θn̂n̂ = n̂ · Θ · n̂
37
Die Transformation α entspricht einer (zeitunabhängigen) Drehung des körperfesten Koordinatensystems
KS → KS ′ , in dem Θ eine Diagonalmatrix ist, das sog. Hauptachsensystem.
und zyklisch. Die Masse mn trägt also zu Θ1 bei mit dem Gewicht ihres Abstandsquadrats zur Achse 1.
1
m n
r
n^
r
rn
Bestimmung von α:
Dieses System von linearen homogenen Gleichungen hat nur dann eine nichttriviale Lösung, wenn
det(Θ − Θj I) = 0
wobei I die Einheitsmatrix ist. Die Determinante ist ein Polynom 3. Grades in Θ j mit den drei Nullstellen
Θ1 , Θ2 , Θ3 . Diese sind die Eigenwerte von Θ. Die Eigenvektoren sind die ω (j) . Sie sind orthogonal,
T
ω (i) ω (j) = δij ,
38
falls Θi 6= Θj , was aus
(ω (j) )T · Θω (i) = Θi ω (i)
⇒ (Θi − Θj )(ω (i) )T ω (j) = 0
(i) T (j) (j)
(ω ) · Θω = Θj ω
Die Eigenwerte Θ1 , Θ2 , Θ3 sind darstellungsunabhängige Größen, die den Körper bezüglich seiner Ro-
tationseigenschaften um Achsen durch den gewählten Ursprung von KS charakterisieren. Dies folgt aus
der Invarianz des charakteristischen Polynoms:
Die physikalische Bedeutung der Hauptachsen ist, dass bei Rotation um eine Hauptachse Drehimpuls
~ und Winkelgeschwindigkeit ω
L ~ parallel sind.
Bei Körpern mit symmetrischem Aufbau sind die Hauptachsen parallel zu den Symmetrieachsen.
Wenn der Trägheitstensor Θ eines Körpers bezüglich eines beliebigen körperfesten Bezugspunkts ein-
mal bekannt ist, ergibt sich der Trägheitstensor Θ′ bezüglich eines beliebigen anderen Punkts, z.B. um ~a
verschoben, durch eine einfache Umrechnung:
N
X
Θ′ij = mn (~rn + ~a)2 δij − (xn,i + ai )(xn,j + aj ) (5.1)
n=1
X
= mn (~rn 2 + 2~rn · ~a + ~a 2 )δij − (xn,i xn,j + xn,i aj + xn,j ai + ai aj ) (5.2)
n
h i
~ · ~a + a2 )δij − (Ri aj + Rj ai + ai aj )
= Θij + M (2R (5.3)
~ = 1
X
wobei R mn~rn der Schwerpunktsvektor ist.
M n
~ = 0. Für das Trägheitsmoment
Falls Θij sich auf ein KS mit Ursprung im Schwerpunkt bezieht, ist R
′
Θn̂n̂ um eine Achse n̂ durch den Ursprung und Θn̂n̂ um eine dazu parallel verschobene Achse gilt der
Steiner’sche Satz :
′
Θn̂n̂ = Θn̂n̂ + M b2
wobei ~b = ~a − n̂(~a · n̂)
n̂
r
a
39
Nachtrag: Drehungen bzw. Spiegelungen des Raums (bzw. des KS) bilden die Gesamtheit der Opera-
tionen, die die Abstände zwischen Massenpunkten konstant halten:
Aus x′n = αxn (oder ~rn ′ = ← →
α · ~rn ) und
2 2
XX X !
X
|~rn − ~rm | = |~rn ′ − ~rm ′ | → αik ∆xk αij ∆xj = (∆xj )2
i k j j
X
T
folgt αik αij = δjk → αT α = I orthogonale Transformation
i
Eine Größe Ai1 i2 ...in , die die Komponenten eines von den Koordinaten abhängigen Objekts in einem
kartesischen Koordinatensystem (ij = 1, 2, 3) beschreibt, heißt Tensor N-ter Stufe, falls unter orthogona-
len Transformationen (Drehungen und Spiegelungen) αim folgendes Verhalten gilt:
3
X 3
X
A′i1 i2 ...iN = ··· αi1 m1 αi2 m2 . . . αiN mN Am1 m2 ...mN
m1 =1 mN =1
Tensoren nullter Stufe: A (keine Indizes), invariant unter orthog. Transformationen, heißen Skalare
X
Tensoren erster Stufe: A′i = αim Am Vektoren
n
XX
Tensoren zweiter Stufe: A′i1 i2 = αi1 m1 αi2 m2 Am1 m2
m1 m2
(Merke: A′ = αAαT )
2. Multiplikation
a) Direkte Multiplikation: Ai1 ...iN BiN +1 ...iN +M = Ci1 ...iN +M Tensor (N+M)-ter Stufe
X
b) Skalare Multiplikation: Ai1 ...iN j1 ...jL Bj1 ...jL iN +1 ...iN +M = Ci1 ...iN +M
j1 ...jL
X 3
3. Kontraktion von Indizes: Ai1 ...k...k...iN = Ci1 ...iN −2 Tensor (N-2)-ter Stufe
k=1
Pseudotensoren
Levi-Civita-Tensor
1 wenn (i, k, l) = (1, 2, 3) und zyklisch
ǫikl = −1 wenn (i, k, l) = (2, 1, 3) und zyklisch
0 sonst
40
XXX
ǫ′ikl = αii′ αkk′ αll′ ǫi′ k′ l′
i′ k′ l′
X
für i = k gilt: ǫ′iil = α ′α ′ α ′ǫ ′ ′ ′ = 0
| ii{z ik} ll i k l
i′ ,k′ ,l′ δi′ k′
X
für (i, k, l) = (1, 2, 3): ǫ′123 = α1i′ α2k′ α3l′ ǫi′ k′ l′ = det α
i′ ,k′ ,l′
und ebenso für beliebige Permutationen von (1, 2, 3).
Definition:
Eine Größe Ai1 ...iN , die sich wie
X
A′i1 ...iN = det(α) αi1 m1 . . . αiN mN Am1 ...mN
transformiert, heißt Pseudotensor N-ter Stufe.
Bemerkung zu det α:
Aus det α = det αT und det(αT α) = 1 = det(αT ) det(α) = (det α)2
folgt det α = ±1.
Falls det α = 1 handelt es sich um eigentliche Drehungen,
falls det α = −1 sind noch Spiegelungen an Ebenen, bzw. Inversion (~r → −~r) eingeschlossen.
Bsp:
1 0 0
Spiegelung an x-y-Ebene: α= 0 1 0
0 0 −1
1 0 0
Inversion: α = − 0 1 0
0 0 1
41
wie im letzten Abschnitt gezeigt.
Das Drehmoment M ~ n(a) gegeben, die an den n-ten Massenpunkt angreifen.
~ ist durch die äußeren Kräfte K
N
X
~ =
M ~ n(a)
~rn × K
n=1
~ bei.
Wie früher gezeigt, tragen die Wechselwirkungskräfte zwischen den Massenpunkten nicht zu M
Zweckmäßig legen wir das körperfeste KS parallel zu den Hauptachsen des Trägheitstensors Θ. Dann
ist
Θ1 0 0
Θ= 0 Θ2 0
0 0 Θ3
Mit
ω1 M1
~ = ω2
ω und ~ = M2
M
ω3 M3
in KS, und
d~ d ← → d ← → ←
→ ~
L = (Θ ·ω
~) = (Θ ·ω
~) +ω
~ ×(Θ ·ω
~) = M
dt IS dt IS dt KS
sowie
d← → ←
→ d
Θ ·ω = Θ · ω ~
dt KS dt KS
Nachteil dieser Formulierung ist, dass das Drehmoment durch seine Komponenten im körperfesten KS
darzustellen ist, i.A. aber im IS gegeben ist. Die Umrechnung von IS auf KS erfordert aber die Kenntnis
der Bewegung des Körpers, also die Lösung des Problems.
Wir betrachten deshalb in diesem Abschnitt nur die kräftefreie Rotation, wie sie z.B. näherungsweise für
einen Satelliten im Weltraum gegeben ist.
42
Freie Rotation um eine Hauptachse
Die kräftefreie Bewegung eines Massenpunkts ist gleichförmig und geradlinig, d.h. ~v = ~r˙ =const. Es
ist deshalb naheliegend, zu vermuten, dass im Falle der Rotationsbewegung die Winkelgeschwindigkeit
konstant sein wird. Aus ω̇1 = ω̇2 = ω̇3 = 0 folgt
(Θ3 − Θ2 )ω2 ω3 = 0
(Θ1 − Θ3 )ω3 ω1 = 0
(Θ2 − Θ1 )ω1 ω2 = 0
Für Θ1 6= Θ2 , Θ2 6= Θ3 , Θ3 6= Θ1 existiert eine Lösung nur falls mindestens zwei Komponenten von
~ Null sind, also
ω
ω1 = ω10 = const. , ω 2 = ω3 = 0
oder ω2 = ω20 = const. , ω 3 = ω1 = 0
oder ω3 = ω30 = const. , ω 1 = ω2 = 0
~ =←
L
→
Θ ·ω
~ = Θ1 ω1 ê1 = const. , ê1 = Richtung der 1. Hauptachse
für die erste Lösung. Damit ist ê1 = const. , also zeitunabhängig.
Der Körper rotiert also um die erste Hauptachse ê1 , die in IS raumfest ist, mit konstanter Winkelge-
schwindigkeit ω1 .
Das erhaltene System linearer DGL 1. Ordnung mit konst. Koeffizienten lässt sich durch den Ansatz mit
der Exponentialfunktion lösen.
43
Zunächst folgt aus der 1. Gleichung nach wie vor ω˙1 = 0, also ω1 = const. = ω10 .
Die 2. und 3. Gleichung lassen sich ineinander einsetzen und ergeben
(Θ1 − Θ3 )(Θ2 − Θ1 ) 0 2
Θ2 ω¨2 = −(Θ1 − Θ3 )ω10 ω̇3 = (ω1 ) ω2
Θ3
oder
ω̈2 + Hω2 = 0 und ω̈3 + Hω3 = 0
mit
(Θ1 − Θ3 )(Θ1 − Θ2 )
H=
Θ2 Θ3
Dies sind die DGL für einen ungedämpften Oszillator, also für ein schwingendes System, falls H > 0
Mit ω2 = ω20 ekt folgt √
k 2 ω2 + Hω2 = 0 ⇒ k = ± −H
(i) Für H < 0, also Θ2 < Θ1 < Θ3 oder Θ3 < Θ1 < Θ2 (Θ1 liegt zwischen Θ2 und Θ3 ) ist k reell,
k = ±k0 , und die allgemeine Lösung lautet
Falls b oder d 6= 0 ist, steigt ω2 oder ω3 (oder beide) exponentiell an, womit die Instabilität der Lösung
ω1 = ω10 , ω2 = ω3 = 0 gezeigt ist.
(ii) Für H > 0 dagegen, also wenn Θ1 das größte oder kleinste der Trägheitsmomente ist, folgt
√
k = ±i H
und n √ √ o √
ω1 (t) = Re a e−i Ht + b ei Ht = a cos( Ht + b)
n √ √ o √
ω2 (t) = Re c e−i Ht + d ei Ht = c cos( Ht + d)
Die obige Überlegung zeigt, dass es zwar spezielle Lösungen gibt, die der naiven Erwartung
ω = const.“entsprechen, dass aber die allgemeine Lösung des kräftefreien Kreisels komplexer ist.
”
Wir betrachten nun einen Spezialfall.
Falls Θ1 = Θ2 und Θ3 6= Θ1 spricht man von einem symmetrischen starren Körper oder Kreisel. Of-
fenbar ist jeder rotationssymmetrische Körper von dieser Art, aber die Rotationssymmetrie ist nicht
Voraussetzung.
44
Beispiele:
Eulergleichungen:
Θ1 − Θ3 0
ω̇1 − Rω2 = 0 , R= ω3
Θ1
ω̇2 + Rω1 = 0
ω̈1 + R2 ω1 = 0
ω1 (t) = a sin(Rt + ψ0 )
ω2 (t) = a cos(Rt + ψ0 )
Diese Lösung stimmt für a ≪ ω30 mit der schon vorher gefundenen überein.
Da die Amplitude der Oszillationen von ω1 (t) und ω2 (t) gleich ist, ergibt sich, dass der Betrag der
Winkelgeschwindigkeit zeitlich konstant ist:
~ auf die 3. Achse ist konstant (ω30 ), während die Projektion in die x1 = x2 -Ebene mit
Die Projektion von ω
der Winkelgeschwindigkeit R rotiert. Diese Bewegung heißt Präzession. Bei dieser Bewegung umfährt ω ~
45
a
r
w
0
w 3
g
des sogenannten Polkegel, dessen Öffnungswinkel γ durch a und x0 gegeben ist.
a
γ = arctan = const.
ω30
Erdrotation:
Die Drehachse ω
~ stimmt fast mit der Figurenachse (Nordpol - Südpol) überein. Am Nordpol ist die Ab-
weichung 10m, d.h. a ≪ ω30 . Der Betrag der Winkelgeschwindigkeit ist durch die tägliche Erdrotation
gegeben:
2π
ω= ∼ ω30
Tag
Damit ist die Präzessionsfrequenz für ω
~
∆Θ 0 1 0 2π
R= ω3 ∼ ω ·
Θ 430 3 Jahr
wobei ∆Θ durch die Abplattung der Erdkugel zustande kommt.
Um den zeitlichen Verlauf der Bewegung vollständig zu bestimmen, müssen wir noch die Ausdrücke
für die Winkelgeschwindigkeitskomponenten integrieren:
Um die Interpretation der Eulerwinkel zu vereinfachen, wählen wir die z-Achse des IS-Systems entlang
~
des Drehimpulsvektors L:
L~ = Lêz = const.
~ im körperfesten System KS gilt dann
Für die Komponenten von L
(L1 , L2 , L3 ) = L · (êz ê1 (t), êz ê2 (t), êz ê3 (t)) = L · (sin θ sin ψ , sin θ cos ψ , cos θ)
d.h.
~ ist unabhängig von φ
(i) L
~ bis auf die Vertauschung von x- und y-Achse!
(ii) θ, ψ sind die sphärischen Polarwinkel von L,
46
Die DGL für θ und ψ lassen sich durch Ausnutzung der drei Erhaltungssätze für die Drehimpulskompo-
~ = Θ~
nenten sofort integrieren. Aus L ω folgt
L1 L
ω1 = = sin θ sin ψ = a sin(Rt + ψ0 )
Θ1 Θ1
L2 L
ω2 = = sin θ cos ψ = a cos(Rt + ψ0 )
Θ1 Θ1
L3 L
ω3 = = cos θ = ω30
Θ3 Θ3
47
wobei φ0 und ψ0 weitere Integrationskonstanten sind und L, R, θ0 sich ausdrücken lassen durch die beiden
Konstanten ω30 , a.
Polkegel
Spurkegel y
q 0
g
~ = Drehachse, ê3 = Figurenachse
ω
Der Polkegel rollt“um den Spurkegel.
”
Wegen ω
~ = φ̇êz + ψ̇ê3 (da θ̇ = 0) liegt ω
~ in der Ebene (êz , ê3 )!
5.4 Lagrangefunktion
Die Schwäche der bisherigen Betrachtung liegt in der Behandlung eines Drehmoments. Die Beschreibung
der Wirkung äußerer Kräfte ist i.A. einfacher in der Form einer skalaren Funktion, d.h. des Potentials, als
in der Form eines Kraft- oder Drehmomentvektors. Dies wird durch die Lagrangeformulierung ermöglicht.
Wir betrachten den Fall einer reinen Rotationsbewegung, d.h. der Ursprung des körperfesten KS ist
entweder im Schwerpunkt oder in Unterstützungspunkt. Als verallgemeinerte Koordinaten wählen wir
die Eulerwinkel φ, θ, ψ. Die Lagrangefunktion ist dann darstellbar als
1 ←
→
L(φ, θ, ψ; φ̇, θ̇, ψ̇; t) = Trot − U = ~ · Θ ·ω
ω ~ − U (φ, θ, ψ, t)
2
wobei die Potentialfunktion U die Drehmomente beschreibt.
Die kinetische Energie ist am einfachsten im körperfesten Hauptachsensystem
1
Trot = Θ1 ω12 + Θ2 ω22 + Θ3 ω32
2
Θ1 Θ2 Θ3
= (φ̇ sin θ sin ψ + θ̇ cos ψ)2 + (φ̇ sin θ cos ψ − θ̇ sin ψ)2 + (φ̇ cos θ + ψ̇)2
2 2 2
48
Hieraus ergeben sich die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen
d ∂L ∂L
=
dt ∂ ψ̇ ∂ψ
d ∂L ∂L
=
dt ∂ θ̇ ∂θ
d ∂L ∂L
=
dt ∂ φ̇ ∂φ
Als einfachstes Beispiel betrachten wir den EInfluss des Schwerefelds auf einen symmetrischen Kreisel,
dessen Trägheitsmomente bezüglich des Schwerpunkts durch
Θ1 = Θ2 und Θ3
gegeben seien. Als Figurenachse ist damit die dritte Hauptachse ê3 zu identifizieren. Falls nun der Kreisel
in einem Untersützungspunkt in der Figurenachse auf der x-y-Ebene des IS aufliegt, sind die Trägheits-
momente bezüglich des Stützpunkts 0 geändert:
Θ′1 = Θ1 + M s2 ≡ Θ⊥
x ,x
1 2
q s
0 x, y
Mg
Für den symmetrischen Kreisel muss gelten, dass die Lagrangefunktion nicht von Drehungen um die
Figurenachse, also dem Winkel ψ, abhängt, wohl aber von ψ̇! In der Tat lassen sich die Beiträge zu Trot
wegen Θ′1 = Θ′2 so zusammenfassen, dass ψ herausfällt:
Θ⊥ h i Θ
3
Trot = (φ̇ sin θ sin ψ + θ̇ cos ψ)2 + (φ̇ sin θ cos ψ − θ̇ sin ψ)2 + (φ̇ cos θ + ψ̇)2
2 2
Θ⊥ h 2 2 i Θ
3
= φ̇ sin θ + θ̇2 + (φ̇ cos θ + ψ̇)2
2 2
49
Die potentielle Energie im Schwerefeld hängt nur vom Winkel der Figurenachse (ê3 ) zur Richtung des
Schwerefelds (z-Achse, êz ) ab und ist
U = M gs cos θ
Die Lagrangefunktion L = Trot − U hängt also von θ, θ̇, φ̇, ψ̇ ab.
Die Unabhängigkeit von L von den Variablen t, φ, ψ gibt zu drei Erhaltungsgrößen Anlass:
∂L
Lz = = Θ⊥ φ̇ sin2 θ + Θ3 (ψ̇ + φ̇ cos θ) cos θ = const.
∂ φ̇
Diese Symmetrie ist immer in Trot vorhanden: Die kinetische Energie ist unabhängig von der Wahl des
Koordinatensystems IS und damit von (zeitunabhängigen) Drehungen. Diese Invarianz, die im kräftefrei-
en Fall zur Erhaltung des Drehimpulses L~ in allen Komponenten führt, ist hier durch das äußere Feld
reduziert auf die Drehsymmetrie um die z-Achse.
Die Existenz der Erhaltungssätze erlaubt eine erste Integration der Bewegungsgleichungen bezüglich aller
drei Variablen φ, ψ, θ, so dass nur noch DGL 1. Ordnung zu lösen sind. Wie im Fall des Zentralpotentials
erlauben die Drehimpulserhaltungssätze eine vollständige Elimination von φ̇ und ψ̇:
L3
L3 : ψ̇ + φ̇ cos θ =
Θ3
eingesetzt in Lz :
1 L3
φ̇ = Lz − Θ 3 cos θ
Θ⊥ sin2 θ Θ3
50
Wir definieren eine Energieverschiebung
(L3 )2
E′ = E − − M gs
2Θ3
und erhalten den Energieausdruck für ein eindimensionales Problem
1
Θ⊥ θ̇2 + Ueff (θ)
E′ =
2
das äquivalent ist zum Problem eines Teilchens der Masse Θ⊥ , das sich entlang der Koordinate θ im
Potential Ueff (θ) bewegt, das definiert ist als
(Lz − L3 cos θ)2
Ueff (θ) = − M gs(1 − cos θ)
2Θ⊥ sin2 θ
für 0 ≤ θ ≤ π.
U eff
0 q 1
q p
2 q
Für θ → 0, π strebt Ueff → ∞. Man überzeugt sich leicht, dass Ueff ein Minimum besitzt. Damit ist
der Fall der finiten, periodischen Bewegung gegeben, d.h. θ(t) oszilliert zwischen den Werten Θ 1 und Θ2 .
Die Figurenachse vollführt also eine sog. Nutation.
Diese Nickbewegung ist der Präzession der Figurenachse überlagert, die sich aus
Lz − L3 cos θ
φ̇ =
Θ⊥ sin2 θ
ergibt.
Die Nutation kann der Präzession vorauseilen oder nachhinken. In der Projektion von oben (entlang ê z )
ergibt sich dann
q 2
q 2
q 1 q 1
51
Die Drehung um die Figurenachse wird durch Integration von
L3
ψ̇ = − φ̇ cos θ
Θ3
erhalten.
Für große Rotationsenergie Trot ≫ |U | sollte die Bewegung in die reine Präzession übergehen, die im
letzten Abschnitt diskutiert wurde (extremer Fall 2: sehr langsame Präzession um ẑ, schnelle Präzession
~ In diesem Falls, d.h. für g = 0, ist der Vektordrehimpuls erhalten: L
um L). ~ = const. und damit ist die
Energie gegeben als
1 (L3 )2 1 L2⊥
E= +
2 Θ3 2 Θ′1
wobei
~⊥ = L
L ~ − L3 ê3
~ ist
Mit der Wahl des IS-Koordinatensystems ẑ||L
r
L
L3
q'
L3 = L cos θ ′ , L⊥ = L sin θ ′ , Lz = L
1 2 cos2 θ′ 1 sin2 θ′
E= L + L2
2 Θ3 2 Θ′1
Verglichen mit dem Ausdruck auf S. 50, angewandt auf diese Situation
1 ′ ′2 L2 (1 − cos2 θ′ )2 L2 cos2 θ′
E= Θ1 Θ̇ + +
2 2 Θ′1 sin2 θ′ 2 Θ3
ergibt sich
θ̇′ = 0
und damit
Lz − L3 cos θ ′ L L
φ̇ = = ′ ⇒ φ= t + φ0
Θ′1 sin2 θ′ Θ1 Θ′1
L3 L cos θ ′ L cos θ ′
ψ̇ = − φ̇ cos θ ′ = − ≡R
Θ3 Θ3 Θ′1
⇒ ψ = Rt + ψ0 wie vorher.
52
Kapitel 6
Hamiltonformalismus
Die Hamilton’sche Formulierung der Mechanik betont die verallgemeinerten Impulse als Bewegungsgrößen
gleichwertig zu den verallgemeinerten Koordinaten. Anders augedrückt, sie führt die DGL 2. Ordnung
für die Koordinaten in eine doppelt so große Anzahl DGL 1. Ordnung für die Koordinaten und Impulse
über. Sie ist damit der geeignete Ausgangspunkt für die Anknüpfung an die Quantenmechanik, die durch
eine DGL 1. Ordnung für den Zustandsvektor beschrieben wird.
H hat die Bedeutung der Energie des Systems. Im Gegensatz zur Lagrangefunktion, die eine Funktion
von q, q̇, t ist, ist die Hamiltonfunktion eine Funktion von q, p, t.
Aus dem vollständigen Differential der Lagrangefunktion
X ∂L ∂L
∂L
dL(q, q̇, t) = dqi + dq̇i + dt
i
∂qi ∂ q̇i ∂t
X ∂L
= (ṗi dqi + pi dq̇i ) + dt
i
∂t
53
wobei
∂L ∂L d ∂L d
pi = und die Lagrangegleichung = = pi = ṗi
∂ q̇i ∂qi dt ∂ q̇i dt
benutzt wurde, folgt
X
dH = d( q̇i pi − L)
X ∂L
= (q̇i dpi + pi dq̇i − ṗi dqi − pi dq̇i ) − dt
i
∂t
X ∂L
= (q̇i dpi − ṗi dqi ) − dt
i
∂t
X ∂H ∂H
∂H
= dpi + dqi + dt
i
∂p i ∂q i ∂t
∂H ∂H
q̇i = , ṗi = − mit i = 1, 2, . . . , f
∂pi ∂qi
∂H ∂L
und =−
∂t ∂t
Dies ist ein System von 2f DGL 1. Ordnung in t, die an die Stelle der f DGL 2. Ordnung in der Lagran-
geformulierung treten.
1. Beispiel:
Teilchen der Masse m im Potential V (~r) in 3D:
m ˙2
L= ~r − V (~r) , p~ = m~r˙
2
1 2
H= p~ + V (~r)
2m
p~
→ p~˙ = −∇V
~ (~r) , ~r˙ =
m
2. Beispiel:
Teilchen mit Ladung e und Masse m im elektromagnetischen Feld
m ˙2
L= ~r − eΦ(~r, t) + e~r˙ · A(~
~ r, t)
2
~ skalares und Vektorpotential
Φ, A:
Zur Erinnerung:
~ =∇
Magnetfeld B ~ ×A
~
54
~
~ − ∂A
~ = −∇Φ
Elektr. Feld: E
∂t
∂L
pi = = mṙi + eAi → p~ = m~r˙ + eA
~
∂ ṙi
1 2
~ + eΦ
H(~r, p~) = p~ − eA
2m
Zur Interpretation:
m ˙2
Energie H = ~r + |{z}
eΦ
|2{z } pot.En.
kin.En.
~ trägt nicht zur pot. Energie bei!
Das Vektorpotential A
Bewegungsgleichungen:
~ p H = 1 p~ − eA
~r˙ = ∇ ~
m
∂H 1
ṗi = − = ~ · ∂ eA
p~ − eA ~ − e ∂Φ
∂ri |m {z } ∂ri ∂ri
r˙
~
d ∂ ~ ∂Φ ~ i − e ∂A
mr̈i = ṗi − e Ai = e~r˙ A −e − e~r˙ · ∇A
dt ∂ri ∂ri ∂t
X ∂ ∂
= eEi + e ṙj Aj − Ai
j
∂r i ∂r j
= eEi + e~r˙ × B
~
X ∂ ∂
denn ~r˙ × (∇
~ × A)
~ = ṙj Aj − ṙj Ai
j
∂ri ∂rj
55
6.2 Poisson’sche Klammern
Wir betrachten eine beliebige Funktion f (p, q, t) der verallgemeinerten Koordinaten und Impulse. Die
totale zeitliche Änderung ist
df ∂f X ∂f ∂f
= + q̇i + ṗi
dt ∂t i
∂qi ∂pi
∂f X ∂f ∂H ∂f ∂H
= + −
∂t i
∂qi ∂pi ∂pi ∂qi
oder
df ∂f
= + {H, f }
dt ∂t
wobei die Poissonklammer zweier Funktionen f und g(q, p, t) definiert ist als
X ∂g ∂f ∂g ∂f
{g, f } = −
i
∂pi ∂qi ∂qi ∂pi
In der Quantenmechanik haben die Poissonklammern eine direkte Entsprechung im Kommutator von
Operatoren.
56
6.3 Kanonische Transformation
Die Wahl der verallgemeinerten Koordinaten qi und Impulse pi ist nicht eindeutig. Die Freiheit in der
Wahl der q, p kann dazu benutzt werden, zu einer besonders einfachen Beschreibung zu kommen.
Die Transformationen
Qi = Qi (p, q, t) , Pi = Pi (p, q, t)
von den gegebenen dynamischen Variablen p, q zu neuen Variablen P, Q nennt man kanonisch, falls sie
die Bewegungsgleichungen forminvariant lassen, d.h. falls gilt
∂H ′ ∂H ′
Q̇i = , Ṗi =
∂Pi ∂Qi
wobei H ′ (P, Q, t) die transformierte Hamiltonfunktion ist (dabei sind die Qi i.A. nicht mehr nur räumliche
Koordinaten). Um die Bedingungen für die Erzeugung von kanonischen Transformationen abzuleiten,
gehen wir davon aus, dass sich auch die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen aus einem Extremalprinzip
für die Wirkung ergeben, nämlich Z X
δ ( pi dqi − H dt) = 0
i
P 2 ∂Qi
Ergänzung: Der Randterm pi δqi |1 verschwindet, da δQi = ∂qi δqi + ∂Qi
δpi = 0
∂pi |{z}
|{z}
=0 =0
Die beiden Integranden dürfen sich höchstens um ein vollständiges Differential einer Funktion F (q, Q, t)
unterscheiden: X X
dF (q, Q, t) = pi dqi − Pi dQi + (H ′ − H)dt
i i
∂F ∂F ∂F
→ pi = , Pi = − , H′ = H +
∂qi ∂Qi ∂t
57
Durch geeignete Umschreibung lassen sich auch erzeugende Funktionen angeben, die andere Paare der
alten und neuen Variablen miteinander verknüpfen, z.B. q, P → p, Q
X X X
d(F (q, Q, t) + Pi Qi ) := dΦ(q, P, t) = pi dqi + Qi dPi + (H ′ − H)dt
i
∂Φ ∂Φ ∂Φ
→ pi = , Qi = , H′ = H +
∂qi ∂Pi ∂t
Die Paare von Veränderlichen pi , qi werden als kanonisch konjugierte Variablen bezeichnet, für die gilt
also
X ∂f ∂g ∂f ∂g
X
∂f ∂g ∂f ∂g
− = −
i
∂pi ∂qi ∂qi ∂pi i
∂Pi ∂Qi ∂Qi ∂Pi
Beweis: Wir interpretieren g als Hamiltonfunktion, dann gilt
df
{f, g}pq = −
dt
df
Die Zeitableitung dt kann nicht von der Wahl der Variablen abhängen. q.e.d.
und
{qi , qj }P Q = 0 , {pi , pj }P Q = 0 , {pi , qj }P Q = δij
Man kann die zeitliche Änderung der Größen p, q selbst als kanonischen Transformation ansehen: (qt =
q(t) etc.)
Q = qt+τ = q(qt , pt , τ )
P = pt+τ = p(qt , pt , τ )
denn sowohl qt , pt als auch qt+τ , pt+τ genügen den kanonischen Bewegungsgleichungen.
p2 m
H= + ω2 q2
2m 2
58
mω 2
F (q, Q) = q cot Q
2
∂F ∂F mωq 2
p= = mωq cot Q , P =− =
∂q ∂Q 2 sin2 Q
Auflösen nach q, p:
p2 (mω)2 q 2 cot2 Q 2 sin2 Q
= = 2mω cos2 Q
P mωq 2
√
p = 2mωP cos Q
q H ′ = ωP cos2 P + ωP sin2 P = ωP
2P
q = mω sin Q
∂H ′ ∂H ′
Ṗ = − =0 , Q̇ = =ω
∂Q ∂P
E
→P = = const. , Q = ωt
ω
r
√ 2E
p = 2mE cos ωt , q= sin ωt
mω 2
p
E=const.
59
ist das Volumenelement“ des Phasenraums.
”
Wir betrachten das Integral über einen Volumenbereich des Phasenraums:
Z
V0 = dΓ
wobei
∂(Q1 . . . Qf , P1 . . . Pf )
D(q, p) =
∂(q1 . . . qf , p1 . . . pf )
die Funktionaldeterminante ist. D lässt sich schreiben als
∂(Q1 ...Qf ,P1 ...Pf ) ∂(Q1 ...Qf )
∂(q1 ...qf ,P1 ...Pf ) ∂(q1 ...qf )
D= ∂(q1 ...qf ,p1 ...pf )
= ∂(p1 ...pf )
∂(q1 ...qf ,P1 ...Pf ) ∂(P1 ...Pf )
∂Φ ∂Φ
Qi = und pi =
∂Pi ∂qi
∂Q1 ∂Q1 ∂2Φ ∂2Φ
∂q1 ... ∂qf
∂q1 ∂P1 ... ∂qf ∂P1
∂(Q1 . . . Qf ) .. .. .. ..
= . .
=
. .
∂(q1 . . . qf ) ∂Qf ∂Qf
... ∂2Φ ∂2Φ
∂q1 ∂qf
∂q1 ∂Pf ... ∂qf ∂Pf
∂2Φ ∂2Φ
∂P1 ∂q1 ...
∂Pf ∂q1
∂(p1 . . . pf ) .. ..
= . .
∂(P1 . . . Pf ) 2 2
∂ Φ ∂ Φ
∂P1 ∂qf ... ∂P ∂qf
f
Die beiden Determinanten unterscheiden sich nur durch Vertauschung der Zeilen und Spalten, sind also
gleich.
⇒ D=1
Wir betrachten nun die Verschiebung der Punkte im Volumenelement im Laufe der Zeit. Wie oben gezeigt,
wird dies durch kanonische Transformationen beschrieben und damit gilt:
Z
V0 = dΓ = const. , d.h. zeitunabhängig. Satz von Liouville
Wenn man die Phasenraumpunkte, die eine Gesamtheit von Systemen beschreiben, als Flüssigkeit auf-
fasst, die durch den Phasenraum strömt, dann ist diese Flüssigkeit inkompressibel.
60
V 0
V 0
∂S X
oder =L− pi q̇i = −H
∂t i
∂S ∂S ∂S
+ H(q1 , . . . , qf ; ,..., ; t) = 0
∂t ∂q1 ∂qf
61
Hier sind die Zeit und die Koordinaten die unabhängigen Variablen. Gesucht ist das sogenannte vollständi-
ge Integral dieser Gleichung,
S = Φ(t, q1 , . . . , qf ; α1 , . . . , αf ) + A
mit f + 1 Konstanten.
Die Lösung dieser Bewegungsgleichung, also die qi (t), lässt sich wie folgt erzielen:
Man geht mittels einer kanonischen Transformation von
(p, q) → (α, β)
∂S
wobei βi = die neuen Koordinaten und αi die neuen Impulse sind. Mit Hilfe der erzeugenden
∂αi
Funktion Φ(t, q, α), also der Lösung der Hamilton-Jacobi-Gleichung, gilt
∂Φ ∂Φ ∂Φ
pi = , βi = , H′ = H +
∂qi ∂αi ∂t
∂Φ ∂S
Da aber = , ist H ′ = 0!
∂t ∂t
Es folgt:
∂S ′
=0 → αi = const. , βi = const.
∂t
∂S
= βi , i = 1, . . . , f
∂αi
und die Impulse aus
∂S
pi =
∂qi
Falls die Energie erhalten ist, d.h. H = E = const., nimmt die Hamilton-Jacobi-Gleichung die Form an:
∂S0 ∂S0
H q1 , . . . , q f ; ,..., =E
∂q1 ∂qf
Beispiel:
Ein Teilchen der Masse m in einem zylindersymmetrischen Potential der Form
B(θ)
U (r, θ) = U0 (r) +
r2
62
q r
Im Lösungsansatz nutzen wir die Separation der Variablen aus, und die Tatsache, dass H nicht von φ
abhängt (Zylindersymmetrie), d.h. pφ = const.
S0 (r, θ, φ) = pφ φ + S1 (r) + S2 (θ)
" 2 # 2
1 ∂S1 2 ∂S2 pφ 2
→ + U0 (r) − E 2mr + + 2mB(θ) + =0
2m ∂r ∂θ sin2 θ
Diese Summe einer Funktion von r und einer Funktion von θ kann nur Null sein für alle φ, θ, wenn die
beiden Funktionen Konstanten sind, die sich zu Null addieren:
2
∂S2 pφ 2
+ 2mB(θ) + =C
∂θ sin2 θ
63
2
1 ∂S1 C
+ U0 (r) + =E
2m ∂r 2mr2
Integration liefert:
Z r Z r
pφ 2 C
S(r, θ, φ, t) = −Et + pφ φ + dθ C − 2mB(θ) − + dr 2m(E − U0 (r)) −
sin2 θ r2
∂S ∂S ∂S
= aφ , = t0 , =K
∂pφ ∂E ∂C
64