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BVL/PEI ➜ Pharmakovigilanz

BVL/PEI Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens-


mittelsicherheit (BVL), Abteilung Tierarzneimittel,
Mauerstraße 39–42, 10117 Berlin,
Tel. (0 30) 18 44 43 04-44, Fax (0 30) 18 44 43 04-09,
www.bvl.bund.de

Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische


Arzneimittel, Dr. Klaus Cußler, Paul-Ehrlich-Str. 51–59,
63225 Langen, Tel. (0 61 03) 77-18 00,
Fax (0 61 03) 77-12 79, www.pei.de

Die Tücken des


„sanften Todes“
Euthanasie von Tieren
von Katrin Kirsch, Julia Palm
und Katja Wedel

Das Bundesamt für Verbraucher-


schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Foto
hat eine außerordentliche Prüfung
der in den letzten Jahren gemeldeten
unerwünschten Arzneimittelwirkungen
von Euthanasiepräparaten
vorgenommen. Das Ergebnis ist hier
zusammengefasst.

Hinweis
Die Möglichkeit, in der Veterinärmedizin ein unnötigem Leiden des Patienten führen.
Die in dieser Rubrik aufgeführten Informa- Tier durch Euthanasie vom Leid zu erlösen, Kommt es durch unsachgemäße Anwendung
tionen basieren auf Spontanmeldungen von ist unausweichlich mit einer ganz besonde- von Euthanasiepräparaten zu Schmerzäuße-
Verdachtsfällen, welche die in der veterinär- ren Verantwortung des Tierarztes gegenüber rungen des Tieres oder zu einem verspäteten
medizinischen Praxis tatsächlich auftreten- dem Tier und seinem Halter verbunden. Der Eintritt des Todes, ist neben der Missachtung
den unerwünschten Arzneimittelwirkungen Ablauf und die fachgerechte Ausübung der der berufsethischen Verantwortung mögli-
(UAWs) nur zum Teil erfassen. Euthanasie spielen eine ganz entscheiden- cherweise auch von einer traumatischen Er-
UAWs werden nur dann erwähnt, wenn de Rolle sowohl für das Tier, das möglichst fahrung für den Tierhalter und den Tierarzt
mindestens drei unabhängige Meldungen zu wenig Leid zum Lebensende erfahren soll, auszugehen.
einer Substanzklasse erfolgt sind. Die Auf- als auch für den Halter, dessen Trauerprozess Vor dem Hintergrund dieser Bedeutungs-
listung hat deskriptiven Charakter und kann ganz wesentlich von den letzten Stunden des schwere und nach aktuellem Anlass hat das
nur als Orientierung dienen. Rückschlüsse Abschieds geprägt wird. Im Ethik-Kodex der BVL eine außerordentliche Prüfung der in den
auf Inzidenzen (Verhältnis der UAW zur Zahl Tierärztinnen und Tierärzte Deutschlands [1] letzten Jahren gemeldeten unerwünschten
der Behandlungen) sind, basierend auf dem heißt es: „Wir Tierärztinnen und Tierärzte Arzneimittelwirkungen (UAWs) von Euthana-
Spontanmeldesystem, nicht möglich. Auch ein (…) dürfen das Leben eines Tieres nur bei siepräparaten vorgenommen. Bisher liegen
Vergleich zwischen bestimmten Wirkstoffen Vorliegen eines vernünftigen Grundes und mehr als 200 Meldungen vor. Es kann jedoch
oder Präparaten in Bezug auf ihre Verträg- mit der für das Tier am wenigsten belastenden von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus-
lichkeit, Sicherheit oder Wirksamkeit ist auf Methode beenden“. Eine stärker belastende gegangen werden, da UAWs bei der Euthana-
Basis dieser Meldungen nicht vertretbar. Es sei Methode, unter Umständen durch Wahl eines sie oft nicht als solche verstanden und daher
darauf hingewiesen, dass es bei einer häufigen ungeeigneten Medikaments, eine Umwid- nicht gemeldet werden. Im Folgenden werden
Anwendung auch zu einer häufigeren Meldung mung der Applikationsart oder das Ausblei- die Ergebnisse der Auswertung in Verbindung
von UAWs kommen kann. ben einer vorausgehenden Sedation/Narkose mit den zu beachtenden Anwendungshinwei-
entgegen der Produktinformation, kann zu sen aufgeführt.

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Pentobarbital kungseintritt berichtet wurde. Diese Zeit kann kommen. Deshalb sollte immer genügend Pro-
In Deutschland sind aktuell neun Pentobarbi- hierbei friedlich und ohne weitere besondere dukt für eine ausreichende Nachdosierung zur
tal-haltige Tierarzneimittel für die Euthanasie Vorkommnisse ablaufen. Viele Berichte han- Verfügung stehen.
von Tieren zugelassen (Eutha®, Euthadorm®, deln jedoch auch von aktiven „Todeskämp-
Euthanimal 200 mg/ml®, Euthanimal 400 mg/ fen“, gekennzeichnet von Schreien, Krämp- Applikationsart/Sedation
ml®, Exagon®, Narcoren®, Narcodorm®, Re- fen, Atemnot, Fluchtversuchen, Epistaxis, Die Durchführung einer der Euthanasie vor-
lease®, Release 500 mg/ml®). Pentobarbital Aufbäumen oder Exzitationen, die sich über ausgehenden Sedation ist für alle Applika-
ist ein Narkotikum aus der Gruppe der Barbi- Minuten bis Stunden hinzogen. Hierzu liegt tionsarten und Präparate Vorschrift und nur
tursäure-Derivate. Es gehört zu den klassi- dem BVL aktuell ein gut dokumentierter Be- bei intraperitonealer Injektion von Narcoren®
schen Barbituraten mit mittellanger Wirkung. richt eines betroffenen Tierbesitzers vor. Beim und intravenöser Verabreichung aller Präpa-
Pentobarbital bindet am GABAA-Rezeptor und Auftreten solcher Ereignisse ist dringender rate eine Ermessensfrage des Tierarztes. So-
verstärkt dadurch den Chloridioneneinstrom, Handlungsbedarf durch den Tierarzt geboten! fern dieser es aus tierspezifischen Gründen
was zu einer Reduktion der neuronalen Er- Entscheidend für solche Geschehnisse waren für notwendig erachtet, sollte auch hier eine
regbarkeit führt. Bei Überdosierung kommt oftmals die Verabreichungsart, die fehlende angemessen tiefe Sedierung erfolgen.
es zum Atem- und anschließend zum Herz- Sedation/Narkose vorab und eine zu niedrig Die intravenöse Verabreichung ist die Ap-
stillstand. Diese Methode gilt als eine der gewählte Dosierung. Die folgenden Hinweise plikationsmethode der Wahl. Wenn sie nicht
schonendsten und sichersten Methoden zur sollten daher bei der Euthanasie Berücksich- möglich sein sollte, kann das Arzneimittel
Euthanasie von Groß- und Kleintieren. Nur die tigung finden. nach Sedation auch intrakardial appliziert
beiden Präparate Narcoren® und Narcodorm® werden. Sollte auch eine intrakardiale In-
sind neben der Tötungsindikation in deutlich Applikation/Dosierung jektion nicht durchführbar sein, kann Pen-
geringeren Dosierungen auch zur Narkose zu- Aufgrund von möglichen schmerzhaften tobarbital intraperitoneal (nach Sedation/
gelassen. Die akute letale Dosis von Pento- Gewebeirritationen ist eine perivaskuläre Narkose!) verabreicht werden. Die intrape-
barbital liegt bei Hund und Katze zwischen und subkutane Injektion durch Verwendung ritoneale Anwendung ist nicht geeignet für
40 und 60 mg/kg. Allgemein zu beachten ist, eines intravenösen Katheters zu vermeiden. Pferde, Ponys, Rinder oder Schweine.
dass Barbiturate keine analgetische Eigenwir- Bei Tieren unter 20 kg Körpergewicht sollten Berichten zufolge wurden Pentobarbitale
kung besitzen. Erst mit der Bewusstlosigkeit wegen der Möglichkeit einer versehentlichen von einzelnen Tierärzten intrahepatisch und
tritt auch eine Schmerzunempfindlichkeit ein. perivaskulären Verabreichung Produkte mit ohne vorherige Narkose verabreicht. Da die
Die Auswertung aller Berichte zu UAWs einer niedrigeren Konzentration an Pento- Produkte aufgrund ihrer Inhaltsstoffe gewe-
von Euthanasiepräparaten (sowohl zu den barbital verwendet werden. Allerdings kann bereizend sind, kann es zu starken Schmerz-
Pentobarbital-haltigen als auch T61®) ergab, auch eine korrekt durchgeführte intravenö- reaktionen beim Patienten kommen. Die in-
dass am häufigsten von einer verlängerten se Injektion bei verschiedenen Tierarten zu trahepatische Anwendung von Pentobarbital
Zeitspanne zwischen Verabreichung und Wir- Erregungszuständen führen. Bei Schweinen ist nicht zugelassen und sollte genau wie die
wird ein direkter Zusammenhang zwischen der Injektion in Milz oder Organe mit geringer
Fixationsmaßnahme und den auftretenden Resorptionsfähigkeit nicht erfolgen. Eine
Exzitationen angenommen. Von einer Fixa- intra­pulmonale Anwendung sollte nur als
tion wird daher v. a. bei intrakardialer Ap- letzte Alternative und wie die intrakardiale
plikation abgeraten. Sollte sich der Tierarzt und intraperitoneale Injektion nur nach tiefer
VETIDATA steht als Informationsplatt-
für diese Art der Applikation entscheiden, ist Sedation bzw. Narkose, d. h. wenn eine Re-
form allen Tierärztinnen und Tierärzten
eine vorherige Narkose anzuraten. aktion auf schmerzhafte Reize ausbleibt, in
offen, die Fragen zum Umgang mit Arz-
Für die Dosierung gilt grundsätzlich: Sie Betracht gezogen werden. Bei dieser Injek-
neimitteln haben.
ist abhängig von der Art der Anwendung und tionsart ist mit Husten, Schnappatmung und
Online kann in bzw. nach aktuellen der Tierart. So kann die intraperitoneale In- Atemnot zu rechnen. Sie ist genauso wenig für
Rechtsvorschriften sowie Angaben zu jektion eine bis zu dreifach höhere Dosierung Pferde, Ponys, Rinder oder Schweine geeignet
Tierarzneimitteln und Tierimpfstoffen erfordern als die intravenöse Injektion. Zu wie die intraperitoneale Applikation.
recherchiert werden. beachten ist zusätzlich, dass bei der intrape- Die Injektionsgeschwindigkeit bei intra-
Per Telefon oder Mail können auch indi- ritonealen Anwendung die Wirkung deutlich venöser Verabreichung sollte beim Kleintier
viduelle Fragestellungen geklärt werden. später einsetzen kann. gleichmäßig bis zum Eintritt der Bewusstlo-
Veterinärmedizinischer Informations- Die Angaben der Dosierungstabellen in sigkeit und dann zügig erfolgen. Bei Pferd
dienst für Arzneimittelanwendung, den Gebrauchsinformationen der Produkte und Rind wird eine Sturzinjektion unter
Toxikologie und Arzneimittelrecht müssen sorgfältig befolgt werden. Bei Rin- Druck empfohlen. Zu beachten ist, dass der
dern kann in seltenen Fällen Schnappatmung Herzstillstand innerhalb von zwei Minuten
http://www.vetidata.de
auftreten, wenn Pentobarbital unterhalb der eintreten sollte. Geschieht dies nicht, muss
Zur Registrierung verwenden Sie bitte empfohlenen Dosierung verabreicht wird. Bei eine zweite Dosis verabreicht werden. Als
den Benutzernamen: »praxis« und das Schweinen darf eine intravenöse Verabrei- Applikationsart ist vorzugsweise die zügi-
Kennwort: »forum«. chung in die Ohrvene von einzelnen hoch- ge intravenöse Injektion oder, falls nicht
E-Mail: info@vetidata.de konzentrierten Pentobarbitalprodukten nur möglich, die intrakardiale Injektion am tief
Servicerufnummer für Anfragen: nach vorheriger Verdünnung mit isotonischer sedierten Tier zu wählen. Unabhängig vom
Montag–Freitag: 9.00–16.00 Uhr Kochsalzlösung im Verhältnis 1:1 erfolgen. verwendeten Euthanasiepräparat ist es spe-
In einigen Meldungen berichteten Tier­ ziell im Großtierbereich ratsam, eine Notfall-
0180 500 91 19
ärzte, dass sie weit mehr als die in der Pa- tötungsmethode zur Hand zu haben, falls eine
(0,14 Euro/Min. im Festnetz, max. 0,42 ckungsbeilage angegebene Dosis benötigten. medikamentöse nicht wirksam ist.
Euro/Min. aus den Mobilfunknetzen) Bei der Dosierung ist die derzeitige Kreislauf-
lage des Patienten zu berücksichtigen. In in- Embutramid/Mebezonium/Tetracain-
dividuellen Einzelfällen kann es, besonders Kombinationspräparat (T61®)
in Abhängigkeit von der Applikationsart, zur Neben den Pentobarbital-haltigen Präpara-
Notwendigkeit einer höheren Wirkstoffdosis ten gibt es in Deutschland noch ein weiteres

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Reptilien wird mit speziesspezifischen versucht werden, das Tier zum Erbrechen zu
Ausnahmen vorzugsweise in die Körperhöhle bringen. Bei Bedarf sind geeignete Maßnah-
nahe dem Herzen injiziert. Zu berücksichtigen men wie künstliche Beatmung, Sauerstoff-
bei wechselwarmen Tieren ist, dass sie sich gabe und die Verabreichung von Analeptika
bei der Euthanasie in ihrem Temperaturop- zu treffen.
timum befinden. Bei Unterkühlung kann es
zu einem stark verzögerten Wirkungseintritt Muskelzuckungen am klinisch toten Tier
kommen. Der Überprüfung des Todes kommt Einige Tierärzte berichteten, dass sie nach der
bei diesen Tierarten aufgrund ihrer relativen Euthanasie Muskelzuckungen am bereits to-
Hypoxietoleranz besondere Bedeutung zu [3]. ten Tier feststellen mussten. Beim klinischen
Tod erlischt die Atem- und Kreislauffunk­tion.
Umwidmung Durch den fehlenden Sauerstofftransport
Bei der Euthanasie sind die Zieltierarten und kommt es zum Absterben der Körperzellen.
Anwendungsarten zu beachten, die in der zu- Dies ist ein fortlaufender Prozess. Die Muskel­-
gehörigen Produktinformation angegeben zellen bleiben noch einige Zeit funktions-
werden. Die Arbeitsgruppe für Tierarznei- tüchtig. Muskelzuckungen sind demnach eine
mittel (AG TAM) der Länderarbeitsgemein- physiologische Erscheinung des Sterbens. Auf
für die Euthanasie von Tieren zugelassenes schaft Verbraucherschutz (LAV) hat kürzlich gleiche Weise können auch Zwerchfellkon-
Präparat. Es handelt sich um ein Kombina­ das Arzneimittelgesetz so interpretiert, dass traktionen auftreten, die ein letztes „Schnap-
tionspräparat mit den Wirkstoffen Embutra- Produkte, die für eine Spezies nicht zugelas- pen nach Luft“ simulieren.
mid, Mebezonium und Tetracain. sen sind, nicht umgewidmet werden dürfen, Tierbesitzer, die vorher keine oder kaum
Embutramid erzeugt als Abkömmling der wenn für diese Tiere zugelassene Produkte zur Erfahrung mit dem Sterben eines Tieres ge-
γ-Hydroxybuttersäure eine tiefe Narkose und Verfügung stehen. Die Absicht des Tierarztes, macht haben, könnten mit solch einer Situa-
Paralyse des Hirnstamms. Mebezoniumiodid nicht am Betäubungsmittelverkehr teilneh- tion überfordert sein. Es ist daher im besten
wirkt curareartig an der neuromuskulären men zu wollen, ist keine Legitimation für eine Fall bereits vor der Euthanasie auf diese und
Endplatte und führt zu Relaxation der Skelett- Umwidmung. Demnach darf beispielsweise andere mögliche Reaktionen hinzuweisen und
und Atemmuskulatur. Das Lokalanästhetikum T61 nicht für das Kaninchen umgewidmet deren Entstehung kurz zu erklären.
Tetracain wirkt intravenös verabreicht und in werden [4].
Abhängigkeit von der Dosis zunächst zentral Das Lazarus-Phänomen
erregend, dann kardial depressiv und schließ- Euthanasie trächtiger Tiere Die scheinbare Auferstehung nach dem Tod
lich zentral depressiv. Die Kombination aller­ Bei der Euthanasie trächtiger Tiere sind ne- von Mensch und Tier wird in der Medizin als
drei Wirkstoffe führt infolge zerebraler Depres­- ben dem Wunsch nach einer stressarmen und „Lazarus-Phänomen“ bezeichnet, benannt
sion, Kreislaufkollaps und Asphyxie zum Tod. schmerzfreien Tötung des Muttertieres auch nach dem Heiligen Lazarus, der in der Bibel
Unter ungünstigen Bedingungen setzt der der fetale Stoffwechsel und seine Besonder- durch Jesus von den Toten erweckt wurde.
Atemstillstand vor dem Bewusstseinsverlust heiten zu berücksichtigen [2]. Eine im BVL In den letzten 50 Jahren wurde immer
ein. Das Präparat darf somit ausschließlich eingegangene UAW-Meldung beschreibt das wieder vom spontanen Einsetzen der Herz-
bei allen Applikationsarten nur an bewusst- Weiterleben eines sieben Monate alten Fetus Kreislauf-Funktion berichtet, nachdem be-
lose/narkotisierte Tiere verabreicht werden, nach Entnahme aus einem euthanasierten reits der Tod des Patienten festgestellt wurde
um ein mögliches Ersticken bei Bewusstsein Rind. Feten sind gegenüber hypoxischen Zu- [5]. Beim Menschen konnte dies v. a. nach
auszuschließen. Die Applikation kann dann ständen toleranter als erwachsene Tiere. Der ­„erfolgloser“ Reanimation und bei Patienten,­
intravenös, intrakardial und intrapulmonal durch Anoxie im ZNS des Fetus ausgelöste Tod die einen Herzschrittmacher tragen, beob-
erfolgen. tritt daher oftmals verzögert ein. Zwingend zu achtet werden. Hier ist besonderes Augen-
Auch nach Anwendung dieses Präparates beachten sind somit die Plazentagängigkeit merk auf die steigende Anzahl tierischer
liegen dem BVL zahlreiche Meldungen zu Kon- des Produktes und bei Dosisberechnung das Patienten mit Schrittmacher zu richten. Die
vulsionen und Exzitationen des Tieres sowie zu erhöhte Körpergewicht des Muttertieres. Reaktionskette, die zu diesem, auch als
einem verzögert eintretenden Herzstillstand Die Injektion sollte vorzugsweise intra- „Auto-Reanimation“ bezeichneten Phäno-
vor. Die Anwendung von T61 ist bei tragenden venös erfolgen. Ist eine Entnahme des Fetus­ men führt, ist bis heute nicht abschließend
Tieren kontraindiziert. notwendig (z. B. zu Untersuchungszwecken), geklärt. Als Erklärungsansätze werden u. a.
darf diese frühestens 25 Minuten nach Fest- Elektrolytverschiebungen und die verzögerte
Vögel/Reptilien stellung des Todes des Muttertieres erfolgen. Katecholaminwirkung nach eingeschränktem
T61 ist für die Anwendung bei Ziervögeln Der Fetus ist auf Lebenszeichen zu untersu- koronarem Blutfluss diskutiert [6].
zugelassen, nicht aber für Reptilien oder chen und gegebenenfalls separat zu euthana- Die Dunkelziffer der betroffenen Patienten
Amphibien. Für Schlangen, Schildkröten, Ei- sieren. Die Anwendung von T61 bei trächtigen wird in der Humanmedizin als hoch eingestuft.
dechsen und Frösche sind sechs der zugelas- Tieren ist verboten. In der Tiermedizin kann davon ausgegangen
senen neun Pentobarbital-haltigen Präparate werden, dass sie aufgrund der frühen Fest-
geeignet. Dieselben sechs sind ebenfalls für Sekundärvergiftungen stellung des Todes, meist ohne Zuhilfenahme
Ziervögel, Tauben und Hühner zugelassen. In den ausgewerteten UAW-Meldungen finden technischer Hilfsmittel wie EKG und EEG, noch
Bei Vögeln ist die Methode der Wahl die sich auch vereinzelt Berichte, in denen un- um einiges höher ist. Als Ursache dafür wird
intravenöse Injektion. Nur bei Patienten, beteiligte Tiere zu Schaden kamen, weil sie der Zeitdruck bei der Feststellung des Todes
deren periphere Gefäße nicht zugänglich sind Teile euthanasierter Tiere fraßen. Barbiturate gesehen. Oft kann aus praktischen und hygi-
(Kreislaufversagen, Hämatombildung u. a.), sind in Kadavern und auch gegenüber Hitze enischen Gründen nicht auf die Ausbildung
sollte eine intrapulmonale Injektion in Be- äußerst stabil. Die Gefahr einer Sekundärver- der „sicheren Todeszeichen“ (Totenflecken,
tracht gezogen werden. Eine intraabdominale giftung sollte immer bedacht und andere Tiere Totenstarre, generalisierte Fäulnis) gewartet
Injektion ist wegen der Wahrscheinlichkeit, von den Tierkörpern ferngehalten werden. Im werden, da sich diese erst geraume Zeit post
einen Luftsack zu treffen, abzulehnen. Fall einer versehentlichen Exposition sollte mortem einstellen. In der tierärztlichen Praxis

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muss der Tod umgehend festgestellt werden, tienten nach zehn Minuten [7]. Zumindest Anschrift der Autorinnen: Dr. Katrin Kirsch;
meist nach einmaliger Auskultation. Speziell jedoch sollte nach frühestens fünf Minuten Dr. Julia Palm; Katja Wedel; Bundesamt für
das zügige „Verpacken“ des Tierkörpers birgt eine zweite Auskultation durchgeführt wer- Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-
die Gefahr der fälschlichen Feststellung des den, um den Herzstillstand sicher belegen zu heit (BVL), Abt. 3 Tierarzneimittel Ref. 304
Todes. Der Scheintod kann insbesondere nach können, unabhängig davon, ob das Tier in der Betreuung und Überwachung nach der Zulas-
Unterkühlung, Elektrizitätsunfällen (Blitz- Praxis verbleibt oder mit nach Hause genom- sung, Mauerstr. 39–42; 10117 Berlin
schlag), Anämie, Epilepsie, aber auch nach men wird. Dies lässt sich ohne zusätz­lichen
einem Schädel-Hirn-Trauma oder durch Be- Zeitaufwand z. B. am Ende des Gesprächs Literatur
täubungsmittelintoxikationen, hier speziell zwischen Tierarzt und Besitzer realisieren. [1] Bundestierärztekammer e.  V. (2016): Ethik-
im Fall der Euthanasie nach Unterdosierung Kodex der Tierärztinnen und Tierärzte Deutsch-
der Präparate, auftreten [6]. Fazit lands.
Folgende Berichte liegen in der Veterinär- Die in diesem Artikel beschriebenen UAWs [2] Hoff T, Buck-Werner N, Fürst A (2013): Tierärzt-
medizinischen Datenbank zu dieser Thematik verdeutlichen sehr gut, wie viele Schwierig- liche Sterbehilfe. 6.2.6 Euthanasie trächtiger
vor: Eine mit dem Kombinationspräparat eu- keiten bei der Euthanasie von Tieren auftreten Tiere. 2. Aufl. Veterinärspiegel Verlag; 89.
thanasierte Katze, die dem Besitzer nach fest- können. Nur, weil die Euthanasie als Ultima [3] AVMA Guidelines for the Euthanasia of Animals
gestelltem Herzstillstand und vollständigem Ratio meist die Grenze der tierärztlichen Mög- (2013): https://www.avma.org/KB/Policies/
Reflexausfall nach Hause mitgegeben wurde, lichkeiten darstellt, darf ihrer Ausführung Documents/euthanasia.pdf; 76.
erwachte am nächsten Tag. Das Präparat war nicht weniger Bedeutung zukommen als jeder [4] Bundestierärztekammer e. V. (2016): 24. Sit-
unterdosiert verabreicht worden. Eine Un- anderen Behandlung, die auf die Genesung zung des Gemeinsamen Ausschusses zur Sicher-
terdosierung oder versehentlich paravenöse eines Tieres abzielt. Im Gegenteil, sie hat als heit von Tierarzneimitteln (GAST). DTBl 7: 1004.
Applikation eines Euthanasiepräparates kann letzter Dienst, den Tierärzte ihrem Patienten [5] Adhiyaman V, Adhiyaman S, Sundaram R (2007):
zu tiefer Sedation mit Ausbleiben des Todes erweisen dürfen, und als entscheidender Fak- The Lazarus phenomenon. J R Soc Med 100:
führen. In weiteren vier Meldungen wurde tor für eine erfolgreiche Verlustbewältigung 552–557.
von Katzen berichtet, die teilweise mehrere des Tierbesitzers einen ganz besonderen Stel- [6] Buschmann C (2013): Das Lazarus-Phänomen –
Stunden nach dem Tod und dem Verlassen lenwert im tierärztlichen Berufsalltag. Eine Todesfeststellung im Rettungsdienst. Jahres-
der Praxis Exzitationen zeigten, ohne das gute Beratung von Beginn an, eine korrekt symposium der Arbeitsgemeinschaft Berliner
Bewusstsein wiederzuerlangen. Diesen vier ausgeführte Anwendung der Euthanasieprä- Notärzte (AGNB).
Ereignissen ging eine korrekte Dosierung von parate sowie eine abschließende sichere [7] Herff H, Loose SJ, Paal P, Mitterlechner T, Rabl
T61 voraus. Feststellung des Todes bilden die Voraus- W, Wenzel V (2010): Falsch-positive Todesfest-
Soll dem Besitzer das Tier nach erfolgter setzung dafür, dass die Euthanasie unserer stellungen. Der Anaesthesist 59(4): 342–346.
Euthanasie mitgegeben werden, ist die vor- Haustiere auch das bleiben darf, was sie Weitere Quellen: Fachinfomationen der Präpara-
herige sichere Feststellung des Todes unab- namentlich bedeutet, nämlich ein „sanfter te Eutha®, Euthadorm®, Euthanimal 200 mg/ml®,
dingbare Voraussetzung. Im Idealfall erfolgt Tod“. Euthanimal 400 mg/ml®, Exagon®, Narcoren®,
dazu eine wiederholte Auskultation des Pa- Narcodorm®, Release®, Release 500 mg/ml®, T61®

Informationen in Kürze Grundsätzlich haben alle Medikamente, Zwischenfall bei der Mikrochip-Implan-
die z. B. während eines operativen Eingriffs tation bei einem sehr kleinen Hund
gegeben werden, das Potenzial, eine ana- Ein aktueller Fallbericht im Veterinary Record
Vermutete anaphylaktische Reaktionen phylaktische Reaktion auszulösen. In den weist auf mögliche Komplikationen durch die
nach intravenöser Verabreichung von berichteten Fällen traten deutliche Symp- besonderen anatomischen Verhältnisse beim
Amoxicillin-Clavulansäure während tome einer anaphylaktischen Reaktion (u. a. Chippen von sehr kleinen Hunden hin. Es
operativer Eingriffe kardiorespiratorische Symptome wie Hypo- wird über einen Zwischenfall bei einem
Ein im Frühjahr 2016 veröffentlichter Ar- tonie, Tachykardie und Bronchospasmus, sieben Wochen alten und 750 g schweren
tikel beschreibt neun Fallberichte (zwei Schwellungen im Kopfbereich, Urtikaria, Chihuahua-Welpen in England berichtet,
ausführlich) zu anaphylaktischen Reaktion Hyperthermie) direkt nach der Verabreichung bei dem der Transponder durch einen ent-
in einer Tierklinik (Small Animal Teaching des Präparates auf. Eine sofortige Behand- sprechend den in Großbritannien geltenden
Hospital der Universität Liverpool) in Groß- lung der Symptome führte bei allen Tieren Vorschriften geschulten Laien im Nacken­
britannien im Zeitraum April und Mai 2015. zur Genesung. bereich eingesetzt wurde. Eine CT-Aufnahme
Neun Hunde erlitten eine anaphylak­- In der Humanmedizin wird die intrave- verdeutlichte, dass der Mikrochip versehent-
tische Reaktion infolge einer intravenö- nöse Verabreichung von Antibiotika 20 bis lich durch den kaudalen Teil des Schädels in
sen Injektion von 20  mg/kg Amoxicillin-­ 30 Minuten vor Einleitung der Anästhesie den rostralen Hirnstamm eindrang. Das Tier
Clavulansäure. Allen Tieren wurde das Prä- empfohlen, um den Patienten besser auf zeigte deutliche neurologische Ausfaller-
parat während einer Allgemeinanästhesie Anzeichen einer anaphylaktischen Reaktion scheinungen. Angesichts der Lokalisation
verabreicht. Produkte mit dieser Wirkstoff- überwachen zu können. wurde beschlossen, den Mikrochip an Ort
kombination sind für die intravenöse Anwen- und Stelle zu belassen. Das Tier erholt sich
dung bei Hund und Katze in Großbritannien Quelle: Suspected anaphylaxis following intravenous seither bemerkenswert schnell und zeigt
und auch in Deutschland nicht zugelassen, amoxicillin clavulanate administration under general derzeit keine wesentlichen Einschränkun-
werden aber laut Autor häufig perioperativ anaesthsia in nine dogs, Daisy Norgate and Natalie gen im Wohlergehen.
in dieser Weise umgewidmet. Bruniges, Veterinary Record Case Report 2016,4: doi: Quelle: Taylor-Brown et al. (2016): Microchipping very
10.1136/vetreccr-2016-000295. small dogs. Vet Record 179: 151.

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