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2. Lerntheorien:
Eine
Übersicht gilt als Sonderform des Verhaltens und wird als eine
Art Trainingsvorgang verstanden. Beim Lehren soll
Der
Behaviorismus
und
das
Reiz-‐ReakDons-‐Modell
bezogen auf ein bestimmtes Ziel Verhalten gesteuert
Wer schon etwas vom Behaviorismus gehört hat, und verändert werden. Fast zwangsläufig resultiert
denkt meist als erstes an speichelnde Hunde und he- aus dieser Auffassung eine eher autoritäre Rolle des
beldrückende Tauben oder Ratten. Berühmte Tier- Lehrenden: Er hat eine starke Machtposition und
versuche spielen im Behaviorismus in der Tat eine entscheidet, was wie zu lernen ist. Er gestaltet „Reiz-
Rolle, bilden aber nur auffällige Wegmarken einer situationen“ und Konsequenzen so, dass die ange-
Lerntheorie, deren Prinzipien die (Lern-)Psychologie strebten Lernergebnisse eintreten und stabilisiert
bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dominiert haben. werden. Das Kommunikationsverhältnis zwischen
Grundlage des Behaviorismus ist das Reiz-Reak- Lehrenden und Lernenden ist unidirektional (Baum-
tions-Modell. An den mentalen, im Gehirn ablau- gartner et al., 2004). Die Lernenden sind in behavio-
fenden Prozessen zwischen Reiz und Reaktion ist der ristisch gestalteten Lernumgebungen durchaus
Behaviorismus dagegen nicht interessiert (Black-Box- sichtbar aktiv. Allerdings sind diese Aktivitäten für
Denken). Das Gehirn wird als ein Organ angesehen, den Lehrenden nur im Hinblick auf den „Output“
das auf Reize mit angeborenen oder erlernten Verhal- (Lernergebnisse) von Interesse.
tensweisen reagiert. Nachfolgende Konsequenzen
gelten als neue Reize, die das Verhalten formen. Lernen
gilt
im
Behaviorismus
als
Sonderform
des
Ver-‐
Damit sind die beiden Konditionierungsformen an-
gesprochen, die den Behaviorismus kennzeichnen: ! haltens,
das
sich
durch
geeignete
Reizsitua4onen
und
Konsequenzen
steuern
und
verändern
lässt.
Beim klassischen Konditionieren wird ein an sich
neutraler Reiz zeitlich mit einem Reiz gekoppelt, der Der
KogniDvismus
und
die
InformaDonsverarbeitungs-‐
eine (reflexartige) Reaktion auslöst, sodass der erstere perspekDve
später auch allein die Reaktion bedingt. Das funktio-
niert besonders gut bei physiologischen, aber auch Der Kognitivismus beansprucht spätestens seit
emotionalen Reaktionen wie Furcht und Stress Beginn der 1980er Jahre den lerntheoretischen Füh-
(Watson & Rayner, 1920). Beim operanten Kondi- rungsanspruch. Seine Ursprünge liegen in techni-
tionieren wird ein spontanes Verhalten mit einem schen und mathematischen Gebieten (Kybernetik,
angenehmen Reiz (positiv) oder durch Entfernung Informationstheorie, Künstliche Intelligenz); er wird
eines unangenehmen Reizes (negativ) verstärkt und als Informationsverarbeitungsparadigma bezeichnet
auf diese Weise geformt (Skinner, 1954). Dass Ver- (vgl. Baumgartner & Payr, 1999). Anders als der Be-
haltensweisen nicht nur durch eigenes Tun und Ver- haviorismus interessiert sich der Kognitivismus nicht
stärkungen, sondern auch durch Beobachtung und für die direkte Verbindung von Reizen und Reak-
Nachahmung erlernt werden können, hat Bandura tionen, sondern dafür, mit welchen Methoden Men-
(1977) mit dem Lernen am Modell gezeigt: Hier schen zu Problemlösungen kommen. Lernen gilt als
fungiert das Modellverhalten als Hinweisreiz für eine ein mentaler Prozess, der sich analog zur Informati-
Nachahmungsreaktion. Nachgeahmt wird das Ver- onsverarbeitung im Computer modellieren lässt. Die
halten vor allem dann, wenn das Modell einem selbst Aufnahme und Verarbeitung von Information führt
ähnlich ist und erfolgreich war. Die Prinzipien des zu Wissen, das im Gehirn repräsentiert ist und ge-
Behaviorismus werden in diesem Modell um ko- speichert wird. Lehr-/Lern-Prozesse stellt man sich
gnitive Aspekte erweitert. als meist sprachlich codierte Informationsüber-
Behavioristische Lerntheorien beruhen auf einer tragung vom Sender (Lehrende) zum Empfänger
großen Anzahl von Laboruntersuchungen, in denen (Lernende) vor. Diese Vorstellungen aus der Nach-
man sich grundsätzlich nur für beobachtbares Ver- richten- und Computertechnik haben vor allem die
halten interessiert; innere Vorgänge kommen erst in Gedächtnisforschung in hohem Maße beflügelt. Seit
Banduras Prinzip der Nachahmung allmählich zum einigen Jahren werden diese durch den konnektionis-
Tragen. Forschungsmethodisch setzt der Behavio- tischen Ansatz ergänzt oder modifiziert, der mit bio-
rismus auf experimentalpsychologische Verfahren, logischen Modellen über Gehirn und neuronale
um Ursache-Wirkungsbeziehungen aufzudecken und Netze arbeitet (vgl. Rey, 2009).
Prozesse der Verhaltensänderung möglichst eindeutig Im Rahmen kognitivistischer Forschung sucht
beschreiben und erklären zu können. Das Men- man in (quasi-)experimentellen Studien nach Ur-
schenbild im Behaviorismus ist stark geprägt von sache-Wirkungs-Mechanismen und Zusammen-
Konditionierung auf und durch äußere Reize. Lernen hängen von Variablen. Der Computer dient als wich-
tiges Hilfsmittel zur Simulation regelhafter Zusam- diesem Hintergrund Lernumgebungen, die komplexe
menhänge. Das Menschenbild im Kognitivismus ist Probleme bieten, Authentizität und Situiertheit von
weniger mechanistisch als im Behaviorismus, weil Inhalten und Aufgaben sicherstellen, multiple Per-
man dem Menschen auch zielgerichtetes Handeln spektiven berücksichtigen, eigene Erfahrung und Re-
und Problemlösen und nicht nur reaktives Verhalten flexion anregen und Anlässe zum sozialen Austausch
unterstellt. Kennzeichnend ist aber auch hier die geben (Reusser, 2006). Wissen ist für den Konstrukti-
Suche nach berechenbaren Beziehungen und Regeln vismus eine individuelle und soziale Konstruktions-
innerhalb von und zwischen kognitiven Prozessen. leistung des Menschen. Forschungsmethodisch kon-
Die Lernenden haben eine aktive Rolle, sind aber zentriert man sich konsequenterweise auf Feldstudien
nicht selbsttätig. Die Lehrenden nämlich bereiten In- mit teilnehmender Beobachtung und interpretative
halte und Probleme didaktisch auf, um den Informa- Verfahren, mit dem Ziel, komplexe Phänomene
tionsverarbeitungsprozess zu erleichtern; sie haben besser zu verstehen. Anthropologisch betrachtet gilt
die „Problemhoheit“ und bestimmen weitgehend, der Mensch im Konstruktivismus als Erschaffer
was wie gelernt wird. Das Kommunikationsverhältnis seiner eigenen Realität, als „Welterzeuger“, der nicht
ist bidirektional, ohne dass aber Lehrende und Ler- nur reagiert oder Informationen verarbeitet, sondern
nende tatsächlich gleichberechtigte Rollen haben gestaltend in seine Umwelt eingreift und diese ver-
(Baumgartner et al., 2004). Anders als im Behavio- ändert. Da Lehren und Lernen als unterschiedliche
rismus steuert der Lehrende den Output allerdings Systeme gelten, die allenfalls lose miteinander ge-
nicht über die Gestaltung von Reizen und Konse- koppelt sind, erscheint Lehren als direkte Vermittlung
quenzen, sondern durch tutorielle Unterstützung. wenig sinnvoll. Der aktive Part liegt eindeutig beim
Lernenden, sodass die Rolle des Lehrenden nur mehr
Der
Kogni4vismus
betrachtet
Lernen
als
einen
men-‐ darin bestehen kann, Lernaktivitäten anzustoßen und
! talen
Prozess,
der
ähnlich
wie
die
Informa4onsverar-‐
beitung
im
Computer
abläu)
und
zu
Wissensreprä-‐
Lernende bei der Identifikation und Lösung von
komplexen Problemen zu unterstützen – entweder
senta4onen
im
Gehirn
führt. direkt durch soziale Interaktion oder indirekt durch
die Gestaltung von Kontexten. Als Coach hat der
Der
KonstrukDvismus
und
die
Vorstellung
vom
Men-‐ Lehrende im Vergleich zum Lernenden zwar einen
schen
als
Welterzeuger
Erfahrungsvorsprung; die Zusammenarbeit aber wird
Es gibt verschiedene, alte und neuere, Varianten des als gleichberechtigt betrachtet. Das Kommunikations-
Konstruktivismus mit Bezug zur Erkenntnistheorie, verhältnis ist demnach nicht nur bidirektional,
Evolutionstheorie, Neurobiologie, Gehirnforschung, sondern ausgewogen (Baumgartner et al., 2004).
Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Wissens-
soziologie, Kognitionsforschung etc. (vgl. Pörksen, Im
Konstruk4vismus
gilt
Lernen
als
ak4ver
und
auto-‐
2001). Gemeinsam ist ihnen allen die Auffassung,
dass sich Realität nicht objektiv wahrnehmen, be-
! poie4scher
Konstruk4onsvorgang,
der
durch
Kontexte
und
komplexe
Probleme
allenfalls
angeregt
oder
ge-‐
schreiben und erklären lässt und folglich weder direkt stört
werden
kann.
noch voraussetzungsfrei erkannt werden kann.
Vielmehr beruhe jeder Wahrnehmungs-, Erkenntnis- Der
KonnekDvismus
und
die
Vision
vom
Leben
und
und Denkprozess auf den Konstruktionen eines Be- Lernen
in
Netzwerken
obachters. Es interessiert daher weniger, was „wahr“ Ob der Konnektivismus ebenfalls eine eigene Lern-
ist (weil sich das gar nicht feststellen lässt), sondern theorie darstellt, ist höchst umstritten. Eine der
eher, was sich als nützlich bzw. viabel erweist (von Hauptthesen des Konnektivismus besteht darin, dass
Glasersfeld, 1996). Für den Konstruktivismus ist der sich Lernen als ein selbstorganisierter Prozess in
menschliche Organismus ein System, das zwar ener- Netzwerken vollzieht und allem voran darin besteht,
getisch offen und mit der Umwelt strukturell ge- Verbindungen herzustellen. Damit verlagert sich das
koppelt ist. Er ist aber gleichzeitig informationell ge- Interesse von den innerpsychischen Abläufen einer
schlossen, sodass unser Gehirn nur auf die bereits Person auf das, was diese in realen oder virtuellen
verarbeitete und interpretierte Information von Netzwerken, bestehend aus Personen und Artefakten
außen reagiert (Autopoiesis). Lernen ist folglich bzw. Informationsquellen (verteiltes Wissen), macht
ebenfalls ein aktiver, aber zudem ein autopoietischer (vgl. Moser, 2008). Zugrunde liegt die gegenwärtige
Vorgang, der von außen nur angeregt oder gestört Beobachtung, dass Menschen in einer stark techni-
werden kann. Vertreter des pädagogisch-didakti- sierten und mediatisierten Welt eher neue Zusam-
schen („neuen“) Konstruktivismus postulieren vor menhänge herstellen als genuin Neues konstruieren.
Eine eher normative Forderung des Konnektivismus weise ist die programmierte Instruktion eine Aus-
ist, nicht mehr nur durch eigene Erfahrung zu lernen koppelung aus dem behavioristischen Paradigma und
und Wissensinhalte per se zu erwerben, sondern in kann einen z.B. bei der Gestaltung eines Computer-
einer sich rasch ändernden Welt Entscheidungen zu Based Trainings zum Vokabellernen unterstützen.
treffen (was bereits als Lernakt gilt), Verbindungen Die Elaborationstheorie stammt aus dem kogniti-
zwischen Wissensbereichen zu erkennen und dazu in vistischen Paradigma und liefert Vorschläge, wie man
Netzwerken zu partizipieren (Bernhardt & Kirchner, Lerninhalte in einer bestimmten Form anordnet und
2007). Während sich Behaviorismus, Kognitivismus aufbereitet. Problemorientierte Modelle wie die An-
und Konstruktivismus wissenschaftstheoretisch re- chored Instruction o d e r Goal-based Scenarios
lativ deutlich positionieren lassen, ist dies beim Kon- schließlich werden gemeinhin dem konstruktivisti-
nektivismus schwer und in der Literatur nicht explizit schen Paradigma zugeordnet und geben Anregungen
aufgearbeitet. Während der Mensch im Konstrukti- dafür, wie man komplexe Lernumgebungen u.a. nar-
vismus als Erschaffer und Gestalter seiner eigenen rativ gestalten kann. Doch selbst diese Modelle
Realität gilt, hat er im Konnektivismus als Teil eines liefern in der Regel keine Anleitungen, wie man be-
Netzwerkes nur mehr Gestaltungsmacht auf Form stimmte Inhalte auswählt und aufbereitet, Instruk-
und Ausprägung neuer Verbindungen. Die ablau- tionen und Aufgaben gestaltet, Feedback gibt etc. Sie
fenden Prozesse gelten als emergent und können in nehmen einem auch nicht die Grundsatzent-
der Folge kaum geplant oder von außen gesteuert scheidung ab, welchen Charakter eine Lernumgebung
werden. Eine wie auch immer geartete Vermittlungs- überhaupt haben sollte. Wie aber, so muss man
didaktik ist nicht möglich. Der aktive Part dürfte also fragen, kommt man dann zu einer Gestaltungsstra-
nicht bei dem, sondern bei den Lernenden liegen, tegie, wenn dies Lerntheorien nicht leisten können?
die sich im besten Fall gegenseitig unterstützen, vor
allem informell und voneinander sowie von den sie Lerntheorien
sind
keine
handlungsprak4schen
umgebenden Informationsquellen lernen. Ein Leh-
render scheint prinzipiell nicht nötig; allenfalls könnte
! Theorien,
aus
denen
sich
Regeln
für
didak4sche
Ent-‐
scheidungen
ableiten
lassen.
Sie
beeinflussen
aber
er-‐
ihm die Aufgabe obliegen, Netzwerke – für eine heblich
Lehr-‐/Lern-‐Auffassungen
und
haben
entspre-‐
Kommunikation ohne Hierarchien – zu ermöglichen. chend
indirekte
Wirkungen
auf
das
Didak4sche
Design.
kombiniert. Diese Matrix bezieht sich ausschließlich tionellen Kontext kaum vermeidbaren Prüfungen
auf den Bereich der Kognition; die ursprünglich (Assessment) in die didaktischen Überlegungen mit
ebenfalls aufgenommenen affektiven und motori- einzubeziehen. Nur wer die Ziele klar formuliert hat,
schen Lehrziele fallen in der revidierten Fassung weg. kann auch valide Assessment-Formen gestalten, die
Die kognitiven Prozesse werden in Verbform be- zu einer Lernumgebung passen.
schrieben und repräsentieren von links nach rechts Als Alternative zu klassischen Lehrzieltaxonomien
wiederum eine steigende Komplexität (siehe Ta- werden mitunter Lernzieltypen empfohlen (Oser &
belle 2). Das Wissen erhält als eigene Dimension Patry, 1990). Diese unterscheiden sich von klassi-
weitere Unterkategorien, die ein Kontinuum vom schen Lehrzielen dadurch, dass sie weder hierarchisch
Faktenwissen zum metakognitiven Wissen (Wissen oder nach Dimensionen des Lernens klassifiziert
über das eigene Wissen) bilden. werden noch der Zweiteilung in eine Inhalts- und
Verhaltenskomponente folgen; auch auf eine Opera-
tionalisierung wird verzichtet. Jeder Lernzieltyp ist
Mit
einer
Lehrzieltaxonomie
ordnet
man
Lehrziele, einer bestimmten Lernform zugeordnet und bildet
! opera4onalisiert
diese
und
erleichtert
die
Kon-‐
struk4on
geeigneter
Assessment-‐Formen.
mit dieser ein Basismodell. Ein Beispiel für ein
solches Basismodell ist das Lernen durch Eigener-
fahrung und entdeckendes Lernen, bei dem sich
Lehrzieltaxonomien können eine große Hilfe für Lernende Erfahrungswissen aneignen. Ein zweites
die Planung eines Lernangebots sein: Wer als didakti- Beispiel ist die Begriffs- und Konzeptbildung, bei der
scher Designer eine Liste oder Matrix verschiedener es um den Aufbau von Fakten, Sachverhalten und
Lehrziele vor sich hat, wird sich leichter bewusst, was vernetztem Wissen geht. Ein drittes Beispiel stellen
mit einer Lernumgebung erreicht werden soll, welche Routinebildung und Training von Fertigkeiten mit
Erwartungen unrealistisch sind und an welche Mög- dem Ziel der Automatisierung dar.
lichkeiten man noch gar nicht gedacht hat. Handelt es
sich um ein Lernangebot, das im Rahmen einer Bil-
dungsinstitution durchgeführt werden soll, helfen
Lehrzieltaxonomien außerdem dabei, die im institu-
Tabelle 2: Revision der Bloomschen Taxonomie nach Anderson und Krathwohl (2001)
4. Gestaltungsstrategie:
Von
der
Ausrichtung
zum
di-‐ S. 199 f.). Didaktische Szenarien liegen gewisser-
dakDschen
Szenario
maßen zwischen den hoch-abstrakten didaktischen
Ausrichtungen bzw. Formaten einerseits und didakti-
Ausrichtungen
und
Formate
einer
Lernumgebung
schen Methoden andererseits. Es gibt eine ganze
Ziele sind ein wichtiger Ausgangspunkt, um den Cha- Reihe von Versuchen, diese Szenarien (ähnlich wie
rakter bzw. die Ausrichtung einer Lernumgebung Lehrziele) nach didaktischen Dimensionen zu ordnen
festzulegen. Mit der Ausrichtung fallen Grund- (vgl. Baumgartner, 2006). Die resultierenden Taxo-
satzentscheidungen darüber, ob eine Lernumgebung nomien unterliegen im Falle des technologiege-
zum Beispiel (a) vor allem instruktional orientiert stützten Lernens in der Regel weniger stark lerntheo-
und eher geschlossen oder (b) primär problemorien- retischen Einflüssen wie Formate, sind dafür aber
tiert und eher offen konzipiert ist oder (c) beides in „anfälliger“ für den technologischen Wandel. Ende
unterschiedlichem Ausmaß kombiniert. Diese Unter- der 1990er Jahre schlagen Back et al. (1998) anhand
scheidung geht auf eine alte Kontroverse zwischen von distributiven, interaktiven und kollaborativen
David Ausubel und Jerome Bruner darüber zurück, Technologien eine relativ einfache Unterscheidung
wie rezeptiv versus aktiv (oder besser: produktiv) das folgender Szenarien vor: (a) ein lehrerzentriertes Sze-
Lernen erfolgt bzw. erfolgen sollte (Neber, 1987). Be- nario zur Informationsvermittlung, (b) ein lernerzen-
steht das Ziel vorrangig darin, rezeptives Lernen zu triertes Szenario zum Wissens- und Fertigkeitserwerb
fördern, konzentrieren sich Lehraktivitäten darauf, und (c) ein teamzentriertes Szenario zur Wissens-
Inhalte lerngerecht aufzubereiten und Lernende darin teilung und zum Problemlösen.
anzuleiten, sich diese anzueignen (darbietendes Ein relativ neuer Ordnungsvorschlag für didak-
Lehren nach Ausubel oder direkte Instruktion). Be- tische Szenarien postuliert folgende drei „Paar-Di-
steht das Kernziel dagegen darin, produktives mensionen“ mit jeweils drei Ausprägungen (Schul-
Lernen zu fördern, werden konstruktive Aktivitäten meister et al., 2008): (1) den Grad der Virtualität eines
wie Problemlösen in eigens gestalteten Kontexten Lernangebots und die Gruppengröße, für die sich das
wichtig (entdecken-lassendes Lehren nach Bruner Lernangebot eignet, (2) den Grad der Synchronizität
oder problemorientierte Förderung). Mitunter und der (Multi-)Medialität sowie (3) den Anteil von
werden solche typischen Konzeptionen bzw. Ausrich- Inhalt (Content) versus Kommunikation und den
tungen einer Lernumgebung auch als Formate be- Grad der Aktivität. Die Matrix aus jedem Dimen-
zeichnet, die sich in mehreren Dimensionen unter- sionen-Paar ergibt jeweils neun Szenarien. Tabelle 3
scheiden können: zum Beispiel im Umgang mit verdeutlicht das Vorgehen am Beispiel des ersten Di-
Wissen (Rezeption oder Anwendung), in der Steue- mensionen-Paars.
rungsinstanz (Fremd- oder Selbststeuerung), in der Bildet man für jedes Dimensionen-Paar eine
Sozialform (Einzellernen oder kooperatives Lernen) solche Kreuztabelle, lassen sich laut Schulmeister et
etc. (Schnotz et al., 2004). Je mehr Dimensionen man al. (2008) prinzipiell alle Formen der Lehre damit er-
annimmt, deren Ausprägung variiert, umso mehr fassen. Die hohe Granularität der Taxonomie bezahlt
Kombinationen sind möglich. Man kann sich also man allerdings mit Unübersichtlichkeit, weshalb die
nicht nur zwei, sondern sehr viele Formate konstru- Autoren empfehlen, sich auf den Grad der Virtua-
ieren. Dies führt letztlich zu verschiedenen didakti- lität, der Synchronizität und die Gruppengröße mit je
schen Szenarien. zwei Ausprägungen zu konzentrieren, was in acht
Grundtypen mediendidaktischer Szenarien mündet.
Darbietendes
und
entdecken-‐lassendes
Lehren
sind Didaktische Taxonomien dieser Art wurden und
! zwei
typische
und
alt
bekannte
Ausrichtungen
bzw.
Formate,
die
verschiedene
Lernformen
fördern
und
werden primär dazu entwickelt, die Vielfalt, die man
in der technologiegestützten Bildungspraxis vor-
ebenso
verschiedene
Bezeichnungen
tragen. findet, beschreiben und einordnen zu können. Erst in
zweiter Linie eignen sie sich auch dazu, didaktische
DidakDsche
Szenarien
und
deren
Ordnung
Aktivitäten anzuregen, indem sie einen Überblick
über Beispiele geben oder als Vorbilder wirken,
Unter einem didaktischen Szenario versteht man ein sofern auch empirische Befunde oder praktische Er-
komplexes Bildungsarrangement, bestehend aus einer fahrungen zu einzelnen didaktischen Szenarien vor-
bestimmten Organisationsform (u.a. abhängig von liegen.
der Institution), einer konkreten Umgebung und
einer Lehr-/Lern-Situation, in der mehrere Lehrme-
thoden zum Tragen kommen (Schulmeister, 2006,
Gruppengröße
Tabelle 3: Kreuztabelle aus Virtualität und Gruppengröße. Quelle: Schulmeister et al., 2008
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