2020
Michail Nowosjolow lebt seit Tagen in der Transitzone des Frankfurter Flughafens
Er will unbedingt in Berlin studieren. Aber Michail Nowosjolow ist der Einzige eines Sonderfluges aus Moskau, dem die Einreise in
Deutschland verweigert wurde. Nun sitzt der 23-Jährige seit Tagen in der Transitzone des Frankfurter Flughafens fest, denn reguläre Flüge
nach Russland gibt es derzeit nicht.
Der junge Russe wollte in Deutschland ein Austauschsemester an der Humboldt-Universität in Berlin machen. Am 17. April - wenige Tage
vor Semesterbeginn - traf er zusammen mit 133 Russen, die aber ständig in Deutschland leben und mit dem Sonderflug aus Russland
evakuiert wurden, in Frankfurt ein. Aus Sicht der Grenzpolizei konnte Michail kein "dringendes, notwendiges Einreiseinteresse
vorbringen". Seit dem 17. März gilt wegen der weltweiten COVID-19-Pandemie ein EU-weites Einreiseverbot für alle Drittstaatsangehörige.
Michail studiert in der sibirischen Stadt Tomsk Soziologie. Es sei für ihn "die letzte Chance auf ein Auslandssemester", sagte er der DW.
Denn nach seinem Studium in Russland, das er bald abschließen wolle, werde es zu spät dazu sein. Schon vor einem Monat flog Michail
nach Deutschland. Auch damals sei ihm in Berlin die Einreise verweigert worden - mit der Begründung, er habe in Deutschland keinen
Wohnsitz, so der Student. Dabei habe er schon damals die "Zusicherung" für ein Zimmer im Studentenwohnheim gehabt. Die Verwaltung
der Uni habe nur noch auf seine Unterschrift unter dem Vertrag gewartet.
Doch Michail musste zurück nach Moskau. Fast einen Monat verbrachte er in der russischen Hauptstadt. In einer WhatsApp-Gruppe,
organisiert von Menschen, die in Deutschland leben und in Russland festsitzen, erfuhr Michail von der "glücklichen Gelegenheit", wie er
https://www.dw.com/de/einreiseverbot-wegen-corona-russe-strandet-am-frankfurter-flughafen/a-53199700 1/3
22.04.2020 Einreiseverbot wegen Corona: Russe strandet am Frankfurter Flughafen | Europa | DW | 21.04.2020
sagt, mit einer Sondermaschine von Moskau nach Frankfurt zu fliegen. Also kaufte er ein Ticket und beschloss, es noch einmal zu
versuchen.
Vorher habe er sich aber bei der Deutschen Botschaft erkundigt und diese habe ihm bestätigt, dass sein nationales Visum für eine Einreise
genüge, so Michail. Doch nach deutschem Recht entscheiden über eine Einreise letztendlich die Grenzbeamten. Ihre Einreise-
Verweigerung im Fall des russischen Studenten begründet die Bundespolizei damit, dass Nowosjolows Aufenthalt "eine gegenwärtige,
schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses" darstelle und "die öffentliche Gesundheit" gefährde.
Nach dem Schock über diese Nachricht begann Michail, sich im Transitbereich einzurichten. Geholfen habe ihm ein Mitarbeiter der
Lufthansa. Dieser sei zufällig vorbeigekommen und habe sich seine Geschichte angehört, berichtet der Student. Auf diese Weise sei er an
ein Klappbett gekommen. Nun kann er in der Transitzone schlafen und Flughafenmitarbeiter versorgen ihn mit Lebensmitteln. "Sie
fragten mich sogar, was ich mag und ob ich Allergien habe", so Michail. Zudem bekam er Duschmarken und konnte sich nach Tagen
endlich wieder waschen. Seinen Koffer hat er aber noch nicht zurück.
Die meiste Zeit verbringt Michail alleine und spaziert durch die ungewöhnlich menschenleeren Hallen des Frankfurter Flughafens.
Manchmal komme er mit anderen Passagieren ins Gespräch, die in dieser Pandemie-Zeit unterwegs sind, sagt er. Darunter seien drei
Bulgaren gewesen, denen auch die Einreise nach Deutschland verweigert worden sei.
Unterstützung findet der junge Mann bei Freunden, aber auch bei Mitgliedern jener WhatsApp-Gruppe, in der sich Rückkehrer aus
Russland zusammengefunden haben. Viele würden sich erkundigen, wie es ihm gerade gehe, erzählt Michail. Ihnen berichtet er, wie er sich
mehrmals am Tag bei der Bundespolizei melden muss. Sie habe seinen Pass einbehalten und ihm ein vorläufiges Dokument, einen
"Transit-Pass", ausgestellt, so der Student.
Michail muss nun auf einen Rückflug nach Moskau warten. Doch derzeit gibt es sehr wenige Flüge. Wie lange er noch im Flughafen bleiben
muss, ist ungewiss. Er sagt, die deutschen Behörden würden einen Flug in die weißrussische Hauptstadt Minsk in Erwägung ziehen. Von
dort solle er nach Russland weiterreisen, wovor Michail sich aber fürchtet. "Unklar ist, wie ich mich dort in Quarantäne begeben soll und
wie ich nach Russland komme, denn die Grenzen sind ja zu", sagt er.
Seine Hoffnung, doch noch in Deutschland bleiben zu können, hat Michail nicht aufgegeben. Er versucht, über das Internet in Berlin einen
Wohnsitz anzumelden. Aus seiner Sicht wäre dies gegenüber den Grenzbeamten ein Argument für seinen Verbleib in Deutschland. Zudem
prüft ein Anwalt, der Michail von Bekannten empfohlen wurde, seinen Fall.
Michail sagt, von ihm gehe keine Gefahr für andere Menschen aus. In Moskau sei er auf COVID-19 negativ getestet worden. Zu einem
weiteren Test in Deutschland sei er bereit. "Ich kann mich auch im Wohnheim für zwei Wochen in Quarantäne begeben, wenn ich ins Land
einreisen darf", so der junge Russe. Er gibt zu, mit seinem zweiten Flug nach Deutschland ein Risiko eingegangen zu sein. "Ich wusste
nicht, wann sich wieder eine Gelegenheit bietet. Das Visum könnte bis dahin ablaufen und jetzt werden keine neuen mehr vergeben."
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22.04.2020 Einreiseverbot wegen Corona: Russe strandet am Frankfurter Flughafen | Europa | DW | 21.04.2020
DIE R E D AKTION EM PFIEHLT
Datum 21.04.2020
Schlagwörter Russland, Deutschland, Coronavirus, Coronakrise, Einschränkungen, Einreiseverbot, Pandemie, Studium in Deutschland, Terminal, Tom Hanks
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