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Hartmut Lang
Hrsg.
Außerklinische
Beatmung
Basisqualifikation für die Pflege heimbeatmeter Menschen
Vorwort
Außerklinische Beatmung vertritt den Anspruch, ein Begleitbuch für die Kollegen zu sein, die
die Fortbildung „Basisqualifikation außerklinische Beatmung“ DIGAB akkreditierter Anbieter
besuchen. Die Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung e. V. erstellt
seit 2011 (2012) ein Curriculum, in dem die Inhalte der Fortbildung erarbeitet sind. Teilneh-
merinnen und Teilnehmer dieser Fortbildung sollen für die Versorgung beatmungsabhängiger
Menschen umfangreiche Kenntnisse erwerben. Das Buch richtet sich daher an alle beruflich
pflegenden Kolleginnen und Kollegen, die diese Fortbildung besuchen, und zusätzlich auch
an diejenigen, die sich unsicher in der Betreuung dieser Menschen, Patienten und Bewohner
fühlen.
Das Anliegen meiner Ko-Autoren und mir ist, eine nachvollziehbare Orientierung zum Thema
künstliche Beatmung im Rahmen der außerklinischen Versorgung zu geben.
Außerklinische Beatmung ist didaktisch in sechs Sektionen aufgeteilt und richtet sich nach den
Anforderungen des DIGAB-Curriculums:
44Sektion I: Grundlagen der Atmung und des respiratorischen Versagens
44Sektion II: Möglichkeiten der Beatmung
44Sektion III: Beatmungsformen und Muster
44Sektion IV: Weitere Behandlungsmaßnahmen
44Sektion V: Überwachung und pflegerische Versorgung des Patienten und der Beatmung
44Sektion VI: Rechtsgrundlagen außerklinische Beatmung
Sektion I behandelt die anatomischen und physiologischen Grundlagen der Atmung, erläutert
das respiratorische Versagen und beschreibt Erkrankungen, die zu einer Beatmungspflichtigkeit
führen können.
Sektion III erläutert die unterschiedlichen Beatmungsformen, deren Nomenklatur, die Ein-
stellungen und Funktionen der einzelnen Einstellungen. Anhand von Fallbeispielen wird der
Zweck der unterschiedlichen Beatmungsformen verdeutlicht.
Sektion IV gibt eine Übersicht über weitere Behandlungsmaßnahmen, die außerklinisch beat-
mete Menschen zusätzlich erhalten, dazu gehören unterschiedliche Medikamente und oft eine
Sauerstofftherapie. Die betroffenen Menschen leiden unter Schluckstörungen, müssen künst-
lich ernährt werden und bedürfen einer psychosozialen Betreuung, die auch die Angehörigen
mit einschließen muss.
Sektion V stellt die umfassende Betreuung und Überwachung der Menschen dar. Sie gibt einen
Überblick über Begriffe, die in der Beatmung genutzt werden, und beschreibt die Alarm- und
Messwerte der Beatmung. Hinzu kommen atmungstherapeutische Maßnahmen, die in der
laufenden Versorgung einen hohen Stellenwert haben, so die Atemgasklimatisierung, das Se-
kretmanagement und das Weaning.
VI Vorwort
Sektion VI fasst die rechtlichen Grundlagen der außerklinischen Beatmung zusammen. Ein ge-
ordnetes Entlassungsmanagement stellt die Überleitung in die Häuslichkeit sicher. Haftung und
Medizinproduktegesetz sind unmittelbare Themen für beruflich Pflegende. Für alle Menschen
bedeutsam sind Themen zur Betreuung oder das Patiententestament.
Ich wünsche allen Lesern eine spannende Lektüre in einem nicht immer leicht verständlichen
Bereich und dass all diejenigen, die an und mit Beatmungspatienten arbeiten, eine gemeinsame
Arbeitsgrundlage und Arbeitssprache finden, in der die fachlichen und sachlichen Unklarheiten
beseitigt sind.
Hartmut Lang
Hamburg, Januar 2017
VII
Danksagung
Ohne die Hilfe von vielen Menschen und Firmen wäre das Buch nicht so entstanden, wie es
nun vor Ihnen liegt. Zu allererst möchte ich mich ganz herzlich bei allen meinen Ko-Autoren
bedanken, die an dem Entstehen von „Außerklinische Beatmung“ mitgeschrieben haben. Dank
ihrer Mitwirkung konnte ein kompetentes und für ihren jeweiligen Bereich spezialisiertes Fach-
wissen eingebracht werden: Herr Dr. Huhn (Krankenhaus Friedrichstadt Dresden, Oberarzt
der Abteilung Pneumologie, Dresden), Herr Dr. Schröter (Klinik Hohen Meißner, Chefarzt
der Abteilung Neurologie, Bad Sooden-Allendorf), Herr Malte Voth (Lehrrettungsassistent,
Bad Bramstedt (sicher-im-notfall)), Frau Britta Behrens (Apothekerin, Dorfplatz-Apotheke
Hamburg), Frau Mona van den Boom (Logopädin und Sprachtherapeutin, Viapallia Wedel/
Holstein), Herr Peter Otte (Diplom Pädagoge, Detmold), Herr Michael Thoms (Fachkranken-
pfleger, MediClin Lingen), Frau Elke Strelow (Pflegepädagogin, Bad Segeberg), Herr Andreas
Böhme (Pflegepädagoge, Hamburg).
Bei meinen Kollegen Martin Effenhauser, Franziska Hummel, Claudia Hajabatsch bedanke ich
mich für deren unermüdliches Gegenlesen und deren fachliche Korrektur. Ein besonderer Dank
gilt unserer Freundin Frau Brigitte Poggemeier, die unentwegt nach überflüssigen Füllwörtern,
Satzstellungen, Orthographie und Ausdruck Ausschau gehalten hat. Ein riesengroßer Dank
geht an meine Mitarbeiterin und Illustratorin Frau Isabel Guckes, die sehr viele Abbildungen
erstellt und alle meine Zeichnungen bearbeitet hat.
Für die Erlaubnis, Abbildungen und Bilder des Uniklinikums Hamburg Eppendorf zu nutzen,
möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Stefan Kluge, Chefarzt der Klinik Intensiv-
medizin am UKE-Hamburg, bedanken.
Viele Firmen und Institutionen waren ebenfalls bereit, Bildmaterial und Tabellen für das Buch
zur Verfügung zu stellen:
44idiag ag, Mülistrasse 18, CH-8320 Fehraltorf
44IFP - Internationale Stiftung für Forschung in Paraplegie, Rämistrasse 5, 8001 Zürich
44Prof. Martin E. Schwab, Institut für Hirnforschung, Universität Zürich
44Prof. Dr. med. T.O.F. Wagner, Abteilung Pneumologie/Allergologie des Universitäts-
klinikums Frankfurt
44R. Cegla GmbH & CO. KG, Horresser Berg 1, 56410 Montabaur
44Bundesverband „Schädel-Hirnpatienten in Not e.V.“, DEUTSCHE WACHKOMA
Gesellschaft
44HEIMOMED Heinze GmbH & Co. KG, HELPING INNOVATION®, Kerpen
44GHP Pflegedienst - Gesellschaft für häusliche Pflege in Hamburg und Umgebung“
44Covidien Deutschland GmbH, Neustadt/Donau
44Fa. ResMed GmbH & Co. KG, Martinsried
44Fa. Phillips GmbH Respironics, Herrsching
44Zentrum der Gesundheitsdienste Dresden, Pflegedienst Dresden
44Fa. Radiometer GmbH, Willich
44Fa. Medtronic GmbH, Meerbusch
44Seilnacht Verlag & Atelier, Thomas Seilnacht, Bern
44Fa. Gründler, ResMed Martinsried
VIII Danksagung
Zu guter Letzt gilt mein Dank Frau Sarah Busch vom Springer Verlag für ihr Vertrauen in
meine Arbeit. Frau Busch hat meine Arbeit immer anregend begleitet. Sie hat wesentlich zum
didaktischen Aufbau beigetragen. Meiner Lektorin Frau Ute Villwock möchte ich ebenfalls
einen großen Dank für ihre Korrekturen und die Gliederung aussprechen.
Hartmut Lang
IX
Inhaltsverzeichnis
3 Krankheitslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Matthias Huhn
3.1 Grundlagen und Diagnostik von Atemstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.2 Erkrankungen und Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4 Tracheotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Hartmut Lang
4.1 Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.2 Tracheotomieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3 Verschiedene Trachealkanülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.4 Verbandswechsel bei Trachealkanülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.5 Wechsel der Trachealkanüle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
4.6 Verschluss des Tracheotomas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6 Respiratormodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Hartmut Lang
6.1 Modell der Luft- oder Kolbenpumpe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.2 Modell Ambubeutel (Beatmungsbeutel). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.3 Modell der offenen/halboffenen Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.4 Modell eines Wasserschlosses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
6.5 Respiratormodell eines Intensivbeatmungsgerätes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
6.6 Intensiv- und turbinengesteuerte Beatmungsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
6.7 Beatmungsschlauchsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.8 Atemgaskonditionierung – Atemgasbefeuchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
8 Beatmungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Hartmut Lang
8.1 Unterscheidungsmerkmale der Beatmungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
8.2 Beatmungskurven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
15 Notfallmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Malte Voth
15.1 Was ist ein Notfall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
15.2 Wer ist wann zuständig?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
15.3 Patienteneinschätzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
XII Inhaltsverzeichnis
IV Weitere Behandlungsmaßnahmen
16 Pharmakologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Britta Behrens
16.1 Einführung in die Medikamentenkunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
16.2 Medikamentengruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
17 Sauerstofftherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Hartmut Lang
17.1 Aufgaben der Atmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
17.2 Symptome von Sauerstoffmangel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
17.3 Messmethoden zur Sauerstoffmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
17.4 Indikationen für eine Sauerstoffgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
17.5 Geräte zur Sauerstoffversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
17.6 Applikationssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
17.7 Sicherheit gegen Feuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
18 Dysphagie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Mona van den Boom
18.1 Physiologischer Schluckvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
18.2 Gestörter Schluckakt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
18.3 Ursachen von Dysphagien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
18.4 Diagnostik von Dysphagien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
18.5 Therapie von Dysphagien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
18.6 Trachealkanülenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
20 Hygiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
Michael Thoms
20.1 Einleitung in die Hygiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
20.2 Standzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
20.3 Trockenbeatmungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
20.4 Schläuche mit Atemgasbefeuchter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
20.5 HME-Filter und Gänsegurgel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
20.6 Beatmungsmasken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
20.7 Trachealkanülenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
20.8 Gerätepflege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
20.9 Händewaschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
26 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
Malte Voth
26.1 Klinischer Blick/klinisches Monitoring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
26.2 Pulsoxymetrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
26.3 Kapnometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
26.4 Kreislauf, Puls und Blutdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
28 Atemgaskonditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Hartmut Lang
28.1 Aufgaben der Atemwege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
28.2 Absolute und relative Feuchte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
28.3 Aktive Atemgasbefeuchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
28.4 Beatmungsfilter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
28.5 Passive Atemgasbefeuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
28.6 Aktive versus passive Befeuchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
29 Sekretmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Hartmut Lang
29.1 Hustenfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
29.2 Unterstützung beim Husten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
29.3 Die endobronchiale/endotracheale Absaugung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
29.4 Inhalationstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
30 Weaning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Hartmut Lang
30.1 Weaning-Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
30.2 Weaning-Klassifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
30.3 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
30.4 Pflegerische Maßnahmen zur Stärkung der Atemmuskulatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
30.5 Weaning-Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
30.6 Entwöhnungsindex (RSB-Index). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
30.7 Entwöhnung von langzeitbeatmeten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
XV
Inhaltsverzeichnis
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
Autorenverzeichnis
Otte, Peter
Westfälische Wilhelms Universität Münster
Rosenstraße 20
3256 Detmold
Thoms, Michael
Hygiene
Schwarzenbergweg 59
49740 Haselüne
Strelow, Elke
Kurhausstraße 46
23795 Bad Segeberg
1 I
Grundlagen der
Atmung und des
respiratorischen
Versagens
Kapitel 1 Anatomie und Physiologie der Atmung – 3
Hartmut Lang
Kapitel 3 Krankheitslehre – 39
Matthias Huhn
3 1
1.3 Atemhilfsmuskulatur – 15
1.3.1 Inspiration – 15
1.3.2 Exspiration – 16
1.4 Physiologie – 17
1.4.1 Atemluft – 17
1.4.2 Diffusionszeit – Diffusionsstrecke – 18
1.4.3 Atemregulation – 18
1.4.4 Physiologisches Shuntvolumen – 19
1.4.5 Atemmechanik – 19
1.6 Rückenmark – 24
1.6.1 Aufbau des Rückenmarks – 24
1.6.2 Innere Struktur des Rückenmarks – 27
1.6.3 Aufbau einer Nervenzelle – 28
Weiterführende Literatur – 29
1.1 · Obere Atemwege
5 1
Die Atmung hat die Aufgabe, durch Einatmung z Bezug zur künstlichen Beatmung
Sauerstoff aufzunehmen und durch Ausatmung Koh- Die oberen Atemwege können diese Aufgaben
lendioxid abzugeben. Sauerstoff benötigt man für die nicht mehr erfüllen, wenn sie mittels Trachealka-
Zellatmung bzw. den Stoffwechsel. Kohlendioxid ist nüle umgangen werden. Hier muss die künstliche
ein Endprodukt des Stoffwechsels und muss mit Hilfe Beatmung technische Hilfsmittel bereitstellen, um
der Atmung abgegeben werden. Die Sauerstoffauf- die oben genannten Aufgaben zu übernehmen. Es
nahme wird Oxygenierung genannt. Die Abgabe von werden aktive oder passive Befeuchtungssysteme
CO2 wird Decarboxylierung genannt. genutzt.
Anatomisch lassen sich unsere Atemwege in die
oberen und die unteren Atemwege unterteilen. Phy-
siologisch erfüllen sie unterschiedliche Aufgaben, die 1.1.1 Nase
im Folgenden erläutert werden sollen. Der normale
Weg der Atemluft wird nachvollzogen. Dabei soll auch An der Seitenwand jeder Nasenhöhle befinden
immer ein Blick auf die künstliche Beatmung fallen, sich drei übereinander liegende Nasenmuscheln
d. h., es wird erläutert, welche Aufgaben die künstliche ( . Abb. 1.2). Die Nasenschleimhaut besteht aus
Beatmung erfüllen muss, falls die normale Atmung einem Flimmerepithel mit vielen Schleimdrüsen.
von den Menschen nicht mehr ausgeübt werden kann. Das Flimmerepithel schlägt den Schleimfilm nach
hinten in Richtung Rachen. Im oberen Raum der
Nasenhöhle befindet sich die Riechschleimhaut.
1.1 Obere Atemwege Unter der Schleimhaut verläuft ein dichtes Kapillar-
netz, teilweise als volumenreicher Venenplexus (Sep-
tumschwellkörper). Nasenbluten entsteht zumeist im
Bestandteile der oberen Atemwege vorderen Abschnitt der Nasenschleimhaut.
(. Abb. 1.1)
55Nase und Nasenhöhle
55Mund 1.1.2 Kehlkopf und Stimmbänder
55Rachen (Pharynx)
55Kehlkopf (Larynx) Der Kehlkopf (Larynx) trennt den Rachen von der
Luftröhre (. Abb. 1.3). Er liegt vorne tastbar am Hals.
Der Kehlkopf hat drei Funktionen:
z Aufgaben der oberen Atemwege
1. Schutz vor Aspiration beim Schlucken:
Bei normaler Atmung hat der obere Respira- Beim Schlucken wird der Kehlkopf (Larynx)
tionstrakt vier Aufgaben ( . Tab. 1.1 ): Erwär- nach vorne und nach oben gezogen. Dadurch
mung, Anfeuchtung, Filterung und Turbulenz des verschließt der Kehldeckel (Epiglottis)
Atemgases. die Luftröhre (Trachea). Speisen und
42
1 . Tab. 1.1 Aufgaben der oberen Atemwege
Erwärmung Eingeatmete Luft wird erwärmt und kann so mehr Wasserdampf aufnehmen
Anfeuchtung Mit wässrigem Sekret aus den Drüsen des oberen Respirationstrakts, Selbstreinigungsmechanismus
wird so aufrechterhalten
Filterung Abfangen größerer Partikel durch Nasenhaare und durch den Schleimüberzug der Nasen- und
Tracheobronchialschleimhaut
Turbulenz Bewirkt einen größtmöglichen Kontakt zwischen Luft und Schleimhaut
Zungenbein
Durchtrittsöffnung für den (Os hyoideum)
N. laryngealis superior
Schildknorpel
(Cartilago thyroidea) Stimmband
(Ligamentum vocale)
Stellknorpel
(Plural: Cartilagines Membran
arytaenoideae Stimmritze und
Singular: Cartilago Ringknorpel
arytaenoidea) (Conus elasticus)
Knorpelspange der
Ringknorpel Luftröhre
(Cartilago cricoidea) (Cartilago trachealis)
. Abb. 1.3 Kehlkopf (aus Spornitz, 2010, Anatomie und Physiologie, Lehrbuch und Atlas für Pflege- und Gesundheitsberufe,
6. Aufl. Springer, Heidelberg Berlin)
. Abb. 1.4 Stimmritze beim Sprechen (links) und Atmen (rechts) (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
8 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Bei Schluckstörungen sammelt sich das Sekret der Netz durchzogen. Wird die Carina von aspirierten
42
1 oberen Atemwege auch unterhalb des Kehlkopfes Fremdkörpern gereizt, entsteht ein Hustenreiz.
(subglottisch) und oberhalb der Trachealkanüle und Dieser kann auch durch eine endobronchiale Absau-
kann zu Mikroaspirationen führen. gung ausgelöst werden.
Bestandteile der unteren Atemwege Der rechte, etwas stärkere Hauptbronchus ist
55Trachea (Luftröhre) 1–2,5 cm lang. Er verläuft etwas gerader als der
55Bronchien linke Stammbronchus und hat eine Abknickung
55Bronchiolen von nur ca. 20 % gegenüber der Trachea. Der linke,
55Alveolen (nur sie dienen dem schwächere Hauptbronchus ist 4,5–5 cm lang. Seine
Gasaustausch) Abwinklung beträgt mindestens 35 % gegenüber der
Trachea (bedingt durch Aortenbogen). Aspirierte
Fremdkörper gelangen durch den Winkel zwischen
Trachea und Bronchien häufiger in den rechten als
1.2.1 Luftröhre (Trachea) in den linken Hauptbronchus.
Trachea und Bronchien weiten sich bei der Ein-
Die Trachea spannt sich als Rohr zwischen dem Kehl- atmung leicht. Dadurch steigt der Innendurch-
kopf und den Stammbronchien. Sie ist ca. 10–12 cm messer der Atemwege und Einatmung erfolgt ohne
lang, elastisch und besitzt zur Vorderseite hin 12–20 Anstrengung. Während der Ausatmung verengen
hufeisenförmige Knorpelspangen, die von außen sich Trachea und Bronchien leicht. Dadurch sinkt der
tastbar sind. Sie verhindern ein Kollabieren der Trachea. Innendurchmesser der Atemwege. Die Ausatmung
Die Hinterwand ist elastisch und besteht aus Bindege- dauert im Ruhezustand dadurch auch etwas länger
webe und Muskulatur. Daran grenzt die Speiseröhre. als die Einatmung. So entsteht ein Ruhe-Atemzeit-
Durch die Elastizität der Hinterwand kann der verhältnis von I:E = 1:2. Durch die Knorpelspangen
Innendurchmesser der Trachea auf ca. ¼ verengt und -platten bleiben die Atemwege gesichert offen.
werden. Das hat seine Bedeutung beim Husten und Die Wände der Bronchien sind aus 3 Schichten
Niesen, bei dem die Luft mit hohem Druck heraus- aufgebaut (. Tab. 1.2)
gepresst wird (. Abb. 1.5 rechts).
. Tab. 1.2 Aufbau der Bronchialwände
1.2.2 Carina
Innen Zylinderepithel und Flimmerhärchen
Mitte Drüsen für Feuchtigkeit und Schleimbildung
Die erste Aufzweigung von der Trachea zu den
Außen Knorpel (Knorpelspangen) zum Offenhalten
beiden Stammbronchien (Hauptbronchien) wird
und zur äußeren Schienung
„Carina“ genannt. Sie ist von einem dichten nervalen
Kehlkopf – Larynx
Luftröhre – Trachea 17. - 19. Abzweigung
1. Abzweigung Bronchiolen
Stammbronchus rechts
Stammbronchus links
2. Abzweigung 20. - 22. Abzweigung
Lappenbronchien links Bronchioli respiratorii
. Abb. 1.6 Bronchialsystem, links 1.–16. Generation und rechts 17.–23. Generation (mit freundlicher Genehmigung: Isabel
Guckes)
z Totraum
Der Bronchialbaum dient dem Transport der
eingeatmeten Luft. Er zweigt sich immer weiter auf, Die Luft, die sich ab Nase bzw. Mund bis zu den
insgesamt 23 Mal. Jede Verzweigung wird Genera- Bronchiolen der 16. Generation befindet, wird
tion genannt. Bis zur 16. Generation dient der Bron- Totraum genannt. Es ist der Anteil des Atemsys-
chialbaum ausschließlich dem Lufttransport. Ab tems, der zwar belüftet wird jedoch nicht am Gas-
der 17. Generation beginnt der Bereich, in dem der austausch beteiligt ist. Der Totraum kann weiter
Gasaustausch möglich ist. Dort beginnt der alveolare unterteilt werden.
Bereich (. Abb. 1.6).
Das Gesamtvolumen des Bronchialsystems ist z z Anatomischer Totraum
recht klein, nur 100 ml. Somit ist ein Eintritt von Dazu gehören die oberen Atemwege des Naso-
Flüssigkeiten und Fremdkörpern für den Menschen pharynx, Larynx, Trachea, Bronchien bis zur 16.
gefährlich, da das Volumen rasch ausgefüllt werden Generation. Sie dienen dem Lufttransport, der Rei-
kann. nigung, Anfeuchtung und Erwärmung der Atem-
luft. Der anatomische Totraum beträgt ca. 2 ml/kg
Körpergewicht. Für einen erwachsenen Menschen
mit einem Gewicht von 75 kg beträgt der Totraum
Anatomische Einteilung des Bronchialsys- somit ca. 150 ml Luft. Die Luft des anatomischen
tems (. Abb. 1.7) Totraumes ist die letzte Menge Luft, die eingeat-
55Hauptbronchus met wird. Und auch die erste, die wieder ausgeat-
55Lappenbronchien (rechts 3, links 2) met wird.
55Segmentbronchien (rechts 10, links 9)
55Mittlere und kleine Bronchien z z Alveolärer Totraum
55Bronchioli (alle Knorpelelemente fehlen) Ein Teil der Alveolen wird nur unzureichend durch-
55Bronchioli terminales blutet. Beim lungengesunden Menschen sind das ca.
55Bronchioli respiratorii (Beginn des 2 % des Atemzugvolumens (Tidalvolumen). Atem-
respiratorischen Teils des luft, die in die Alveolen gelangt, nimmt somit nicht
Bronchialbaumes) am Gasaustausch teil.
55Ductus alveolaris
55Azini (1 Acinus umfasst 1500–4000 z z Funktioneller Totraum
Alveolen, Durchmesser 2,5–5 mm) Ist die Summe des anatomischen und alveolären Tot-
raums und beträgt ca. 30 % des Tidalvolumens.
10 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Guckes) Bronchialmuskulatur
Terminale Bronchiolen
Bronchioli respiratorii
Alveolarsäckchen – Azinus
Kapillarsystem
z Alveoläre Ventilation
Die meisten Fremdpartikel, die durch die
Der Anteil der Atemluft, der in die Alveolen gelangt Atmung in die luftleitenden Atemwege gelangen,
und somit am Gasaustausch teilnehmen kann, also werden so innerhalb von 24 Stunden abtranspor-
die Differenz aus Atemminutenvolumen minus Tot- tiert. Längere Transportzeiten betreffen Fremdpar-
raumvolumen. Die alveoläre Ventilation beträgt tikel, die im Alveolarbereich abgelagert wurden. Die
beim Erwachsenen ca. 4500 ml/min bzw. 60 ml/ Zilienbeweglichkeit ist abhängig von der Luftfeuch-
kg KG/min, beim Neugeborenen ca. 400 ml/min tigkeit. Ist die Luftfeuchtigkeit nicht ausreichend und
bzw. 100–150 ml/kg KG/min und ist somit mehr als die Temperatur zu niedrig, wird der Reinigungsme-
doppelt so groß wie die des Erwachsenen. chanismus behindert.
äußere Bronchialwand
Epithelzellen mit
Flimmerhärchen – Zilien
Drüsenzellen
Atemwegsgang
und die Wirbelsäule begrenzt. Gleichzeitig bilden die Brustkorb aufgespannt, sie kann nicht kollabieren.
Rippen einen Schutz der Lunge und der Herzens. Nur durch die Eintrittspforte für Blutgefäße und die
Die Lunge ist von einer Haut, dem Brustfell Stammbronchien (Hilus) ist die Lunge fest mit dem
bzw. der Pleura umschlossen und besteht aus zwei Thorax verbunden.
„Blättern“. Das innere Blatt, das Lungenfell bzw. die Die beiden Blätter können sich gegeneinander
Pleura viszeralis, liegt der Lunge an (. Abb. 1.10). verschieben. Hierdurch ist die Lunge atemverschieb-
Das äußere Blatt, das Rippenfell bzw. die Pleura lich. Die Lunge folgt somit passiv der Bewegung des
parietalis, kleidet den Thorax von innen aus. Zwi- Brustkorbs, der bei der Atmung aktiv bewegt wird.
schen beiden Blättern befindet sich der Pleuraspalt, Die Lunge selbst hat keine Muskulatur, die eine aktive
der mit Flüssigkeit gefüllt ist. Damit ist die Lunge am Bewegung erzeugen kann.
12 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Innerhalb des Pleuraspalts besteht ein negativer, mittelbar gemessen werden. Bei großer Einatem-
subatmosphärischer Druck. Er beträgt während der anstrengung ist zu erwarten, dass der intrapleurale
Ausatmung ca. -5 cm H2O und bei der Einatmung Druck einen größeren Unterschied aufweisen wird.
ca. -8 cm H2O. Durch ihre elastischen Fasern neigt Der Brustkorb weitet sich, Zwerchfell kontrahiert bei
die Lunge dazu, sich zusammenziehen zu wollen. der Einatmung, aber die Lunge kann der Bewegung
Sie folgt bei der Einatmung aber der Bewegung des nicht unmittelbar folgen, da sie bei Lungenerkran-
Brustkorbs und des Zwerchfells, dadurch vergrößert kungen weniger elastisch und starrer ist. Je größer
sich ihr Volumen. Damit sinkt der negative intra- der negative Pleura- bzw. der Ösophagusdruck, desto
pleurale Druck während der Einatmung. Bei stärke- mehr strengt sich der Patient bei der Atmung an. Er
rer Einatemanstrengung (z. B. forcierte Einatmung droht sich dabei zu respiratorisch zu erschöpfen.
bei körperlicher Belastung) sinkt der intrapleurale Die künstliche Beatmung soll dazu beitragen,
Druck stärker. Während der Ausatmung verkleinert dass sich respiratorisch erschöpfte Patienten bei der
sich der Brustkorb, das Zwerchfell erschlafft. Die Atemarbeit nicht so stark anstrengen müssen. Luft
Lunge verkleinert sich ebenfalls und der intrapleu- wird mit Überdruck in die Lungen gepresst, das ent-
rale Druck steigt wieder an. lastet die Atemarbeit der Patienten. Bei der künstli-
chen Beatmung ist der Druck innerhalb der Lunge
z Messung des intrapleuralen Drucks (intrapulmonal) somit immer im positiven Bereich.
Der intrapleurale Druck kann mittels Sonden direkt im Ebenso der intrapleurale Druck, da die mit Luft
Pleuraspalt gemessen werden. Eine indirekte, jedoch gefüllte Lunge auf den Pleuraspalt drückt. Somit
zuverlässige Messmethode ist die Anwendung von befindet sich der transpulmonale Druck ebenso im
Ösophagusdrucksonden. Am Ende der Speiseröhre positiven Bereich.
herrscht ein vergleichbarer Druck. Der Druckunter-
schied von intrapulmonalem Druck und intrapleu-
ralem Druck wird transpulmonaler Druck genannt. 1.2.6 Lungenflügel, Lungenlappen
Dieser ist bei spontaner Atmung immer negativ. und Lungensegmente
z Bezug zur künstlichen Beatmung Die Lunge besteht aus einem rechten und einem
Patienten, deren Lungengewebe erkrankt ist, müssen linken Lungenflügel. Der rechte Lungenflügel hat
sich bei der Atmung mehr anstrengen. Mittels Öso- drei Lungenlappen, der linke Lungenflügel zwei
phagusdrucksonden kann diese Anstrengung (. Abb. 1.11).
1.2 · Untere Atemwege
13 1
. Abb. 1.11 Lungenflügel und
Lungenlappen (mit freundlicher
Genehmigung: Isabel Guckes)
Die Lungenlappen teilen sich noch einmal in Der linke Lungenflügel ist kleiner als der rechte
Segmente auf (. Abb. 1.12). Der rechte Lungenflügel Lungenflügel und besteht aus 9 Segmenten. Er hat
besteht aus 10 Lungensegmenten: keinen Mittellappen. Somit ergibt sich eine andere
443 gehören dem Oberlappen an, Einteilung:
442 dem Mittellappen, 445 gehören dem Oberlappen an und
445 dem Unterlappen. 444 dem Unterlappen
14 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Die Segmente 4 und 5 werden Lingua genannt. Millionen Alveolen haben zusammen eine Oberflä-
42
1 Segment 7 ist links nicht ausgebildet. che von ca. 60–80 m². Die einzelne Alveole hat keinen
einzelnen eigenen Bronchioli. Ungefähr 1500–4000
z Bezug zur künstlichen Beatmung Alveolen bilden Alveolen-Säckchen, ein Azinus
Bei der normalen Einatmung gelingt es, dass sich (Mehrzahl Azini). Die Alveolen eines Azinus sind
die Luft gleichmäßig in alle Lungenlappen und -seg- untereinander mit Öffnungen, den Kohnschen-Poren,
mente verteilt. Bei der künstlichen Beatmung gelingt verbunden. Die eingeatmete Luft kann sich somit
diese gleiche Verteilung der Inspirationsluft nicht innerhalb dieser kleinen Einheit gleichmäßig verteilen.
immer. Die Luft der künstlichen Beatmung wird mit
Überdruck in die Lungen gepresst und neigt dazu, z Bezug zur künstlichen Beatmung
sich ungleichmäßig zu verteilen, meistens mit einer Bei der künstlichen Beatmung besteht wiederum
guten Belüftung der oberen apikalen Lungenseg- das Problem, dass sich die mit Überdruck inspi-
mente und mit einer unzureichenden Belüftung der rierte Luft ungleichmäßig verteilt. Dabei werden
unteren basalen und dorso-basalen Lungensegmente. kleine Alveolen oft gar nicht belüftet bzw. min-
Bei einigen Beatmungsgeräten findet man derbelüftet und große und größere Alveolen sogar
über 10 verschiedene Beatmungsformen. Dies soll überbläht. Eine potenzielle Folge ist der Verlust von
dazu dienen, mithilfe der unterschiedlichen Beat- Gasaustauschfläche.
mungsformen eine gleichmäßige Luftverteilung zu
erreichen. Die Alveolen sind ausgekleidet mit Lungenzellen,
den Pneumozyten Typ I. Sie bilden die innere Wand
der Alveolen, das Alveolarepithel (. Abb. 1.14).
1.2.7 Alveolen und Surfactant Zusätzlich gibt es den Pneumozyt Typ II. Dieser
bildet das Surfactant, welches
Die insgesamt ca. 300–400 Millionen Alveolen 44als dünner Film die innere Oberfläche der
werden von einem feinen Kapillarnetz überspannt. Alveolen auskleidet,
Zwischen den luftgefüllten Alveolen und den Kapil- 44die Oberflächenspannung herabsetzt,
laren, die aus der Pulmonalarterie hervorgehen, 44das Kollabieren der Alveolen verhindert.
findet dann der eigentliche Gasaustausch statt.
Gäbe es kein Surfactant, müsste ein wesentlich
> Der Gasaustausch in der Lunge wird äußere höherer Druck für die Wiedereröffnung der Alveo-
Atmung genannt. Der Gasaustausch im len aufgewendet werden, bzw. in der Inspiration
Gewebe bzw. an den einzelnen Körperzellen wäre eine größere Kraft der Atemmuskulatur erfor-
wird innere Atmung genannt. derlich. Das Surfactant bildet die Grenze zwischen
Atemluft und Gewebe. Surfactant wird schon intra-
Eine einzelne Alveole hat einen Durchmesser von uterin vom Fötus ab der 23. Schwangerschaftswo-
10–25 Mikrometer (. Abb. 1.13). Die ca. 300–400 che produziert. Surfactant besteht zu ca. 90 % aus
Lipiden (Fetten), zu 10 % aus Proteinen (Eiweißen) künstlichen Beatmung muss das durch die aktiven
und Kalziumionen. oder passiven Befeuchtungssysteme erfolgen.
1.3 Atemhilfsmuskulatur
Circa 2/3 der Atemarbeit wird durch Kontraktion des innerhalb der Lungen in alle Bereiche verteilen. So
42
1 Zwerchfells geleistet (. Abb. 1.15). Wenn die äußere gibt es nahezu keine Bereiche, die minderbelüftet
Rippenmuskulatur arbeitet, wird der Thorax ange- sind.
hoben und die Luft strömt in die Lungen ein. Ein
gewisses Halten der Inspiration (vergleichbar dem z Bezug zur künstlichen Beatmung
Plateau 7 Kap. 12) erfolgt durch die Halsmuskeln. Die künstliche Beatmung bewirkt keine gleichmä-
Weitere Hilfsmuskeln zur Inspiration, die in der Lage ßige Dehnung der Lunge. Die durch Überdruck ver-
sind, die Rippen anzuheben, sind die Mm. pectoralis abreichte Luft verteilt sich oft ungleichmäßig in den
major und minor, Mm. scaleni, M. sternocleidomas- Lungenbereichen. Das führt dazu, dass einige Berei-
toideus. Die gleichzeitige Muskelarbeit von Zwerch- che überdehnt, andere minder- oder gar nicht belüf-
fell und äußerer Zwischenrippenmuskulatur bewirkt, tet werden. Die Oberkörperhochlagerung des Patien-
dass sich die Lunge im Thorax gleichmäßig weitet ten auf 30–45°, ebenso die Hoch- bzw. Unterlagerung
und ausdehnt. der Arme unterstützt und ermöglicht ein optima-
Das Zwerchfell bildet im nicht kontrahierten les Einsetzen der Atemhilfsmuskulatur. Assistierte
Zustand jeweils Kuppen unterhalb der beiden Lun- Spontanatmung des Patienten bewirkt eine gleich-
genflügel. Die Kontraktion des Zwerchfells bewirkt, mäßige Verteilung der Beatmungsluft in der Lunge.
dass die Kuppen sich glätten. Damit bildet das kon-
trahierte Zwerchfell bei der Einatmung ein abge-
flachtes Trapez. Dadurch werden die Abdominalor- 1.3.2 Exspiration
gane nach unten und nach vorne verdrängt. Daran
erkennt man die „Bauchatmung“. An der Exspiration beteiligte Muskeln (. Abb. 1.16):
Das Zwerchfell zieht die Lungenflügel in die 44Innere Zwischenrippenmuskulatur
Länge. Es erfolgt eine gleichmäßige vertikale 44Schräger Brustmuskel
Dehnung. Die äußere Zwischenrippenmuskulatur 44Gerader Bauchmuskel
dehnt den Brustkorb nahezu zirkulär. Der Brustkorb
wird nach vorne, zur Seite und nach hinten hin ange- Die Ausatmung ist vorwiegend ein passiver Vorgang.
hoben. Die Lungenflügel werden dadurch gleichmä- Das kontrahierte Zwerchfell erschlafft und die Lun-
ßig horizontal gedehnt. Durch die vertikale und die genflügel werden leicht zusammengestaucht. Die
horizontale Dehnung entsteht ein leichter Unter- äußere Zwischenrippenmuskulatur erschlafft und
druck in der Lunge im Vergleich zur Außenluft und die zirkuläre Dehnung wird zurückgenommen. Auch
Atemluft strömt über die Atemwege in die Lunge das führt zu einem Zusammenstauchen der Lunge.
ein. Im Prinzip wird bei der Einatmung Luft „ein- Dadurch entsteht innerhalb der Lungen ein leich-
gesaugt“. Die eingeatmete Luft kann sich durch die ter Überdruck. Daher strömt die Luft leicht aus den
gleichmäßige Dehnung der Lunge auch gleichmäßig Lungen heraus.
Einatmung Ausatmung
Kopfmuskeln
(Sternocleidomastoideus)
Treppenmuskeln (Scalenen)
innere
Zwischenrippenmuskeln
Sägezahnmuskel (Serratus)
schräger Brustmuskel
äußerer
Zwischenrippenmuskeln
äußerer schräger
Bauchmuskel
Zwerchfell gerader
Bauchmuskel
innerer schräger
Bauchmuskel
. Abb. 1.16 Ein- und Ausatemmuskeln (mit freundlicher Genehmigung: idiag ag)
Atemarbeit ist ein energiesparender Vorgang. Atemmuskeltätigkeiten bewirken eine bessere Ver-
Nur ca. 2–3 % des täglichen Energiebedarfs eines teilung der Beatmungsluft innerhalb der Lungen.
erwachsenen Menschen wird für die Atemarbeit Bei schwerer Ateminsuffizienz wird sehr viel mehr
aufgebracht. Benötigt ein Mensch ca. 2000 kcal/ Energie zur Atemarbeit benötig, mit einem Anteil
Tag, so werden für die Atemarbeit nur 40–60 kcal/ von 20–30 %. Die künstliche Beatmung soll diesen
Tag gebraucht. Da Atemarbeit wenig Energie ver- hohen Energieverbrauch der Atmung senken und
braucht, können wir ohne Anstrengung 24 Stunden dient damit auch der Erholung bei Ateminsuffizienz.
rund um die Uhr atmen, ohne dass wir uns respira-
torisch erschöpfen.
1.4 Physiologie
z Bezug zur künstlichen Beatmung
Die spontane eigene Atmung ermöglicht bei der 1.4.1 Atemluft
Einatmung eine gleichmäßige Verteilung der Luft
in alle Lungenbereiche und ein gleichmäßiges Aus- Die Atemluft besteht zu einem großen Anteil aus
strömen der Luft während der Ausatmung. Eine Stickstoff (78 %). Sauerstoff ist nur mit einem Anteil
Konsequenz für die künstliche Beatmung ist, dass von 21% in der Einatemluft vertreten. Wir leben
die unterstützende Spontanatmung der Patien- demnach in einer Stickstoffatmosphäre. Jedoch
ten so früh wie möglich beginnen soll. Auch kleine wird der Stickstoff unverändert wieder ausgeatmet.
18 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
z Bezug zur künstlichen Beatmung – Die Zentrale der Atemregulation ist das Stammhirn
Blutgasanalyse bzw. das Atemzentrum im verlängerten Rücken-
Sauerstoff wird für die Stoffwechselprozesse benötigt mark (Medulla oblongata). Chemorezeptoren an der
und verbraucht („aerober Stoffwechsel“). Das End- Aorta messen die Konzentration der im Blut gelösten
produkt des aeroben Stoffwechsels ist Kohlendioxid Gase Sauerstoff und Kohlendioxid. Diese Informa-
(CO2), das bei jeder Ausatmung abgeatmet wird. tion wird durch nervale Reize über den 10. Hirnnerv
Daher ist der Anteil des CO2 an der Ausatemluft (N. vagus) und 11. Hirnnerv (N. accessorius) zum
so stark gestiegen. Beim „anaeroben Stoffwechsel“ Atemzentrum im Stammhirn geleitet. Im Stammhirn
laufen Stoffwechselprozesse zur Energiegewinnung selbst existieren Chemorezeptoren, die auf pH, pCO2
auch ohne Sauerstoff ab. Das Endprodukt ist Milch- und pO2 direkt reagieren.
säure (Laktat). Laktat entsteht somit immer bei Stoff- Primärer Antrieb für die Atemarbeit ist der Par-
wechselprozessen ohne Anwesenheit von Sauerstoff. tialdruck pCO2. Steigt der pCO2, wird die Atem-
Blut transportiert Sauerstoff zu den Zellen. Steigt in arbeit verstärkt. Sinkt der pCO2, wird die Atemarbeit
der Blutgasanalyse (BGA) der Laktatgehalt, so ist reduziert. Der Partialdruck beschreibt den Druck in
daraus zu schließen, dass der O2-Verbrauch höher einer Blutgasanalyse, der dem Gas CO2 zugeordnet
als das O2-Angebot ist, dies kann durch eine Störung werden kann (7 Kap. 27). Die Befehle der zu leisten-
der Durchblutung entstehen. den Atemarbeit werden erneut durch nervale Reize
zum Rückenmark und weiter an die motorischen
Fasern der Interkostalnerven geleitet. Dies sind die
1.4.2 Diffusionszeit – Spinalganglien der Brustwirbelkörper (BWK) 1–12.
Diffusionsstrecke Impulse werden auch über den Zwerchfellnerv bzw.
N. phrenicus zum Zwerchfell geleitet.
Die Diffusionszeit beschreibt die Zeit, die der Gas- Die Ein- und Ausatmung unterliegt dem sog.
austausch beim lungengesunden Menschen benö- Hering-Breuer-Reflex . Dehnungsreflexe setzen
tigt. Sie beträgt max. 0,75 Sek. Ein Erythrozyt hält einen Vagusreiz. Bei erfolgter Dehnung erfolgt ein
sich nur für ca. 0,3 Sek. in den Lungenkapillaren auf. „Umschalten“ auf Exspiration.
1.4 · Physiologie
19 1
1.4.4 Physiologisches Shuntvolumen es Abweichungen gibt. Das Atemminutenvolumen
(AMV) ist das Produkt aus Atemzugvolumen (Vt) ×
Dieses ist das im Lungenkreislauf zirkulierende Blut- Atemfrequenz (f). In Atemruhelage atmet man ca.
volumen, das nicht am Gasaustausch teilnimmt und 15-mal pro Minute 500 ml Luft ein. Das ergibt ein
beträgt 3–5 %. Bei einem Herzzeitvolumen (HZV) Atemminutenvolumen von 7.500 ml.
von 5 l/min werden somit 150–250 ml Blut nicht mit Körperliche Anstrengung bewirkt, dass sich
Sauerstoff angereichert. Auch kann kein Kohlendi- das Atemzugvolumen erhöht. Damit das geleistet
oxid abgegeben werden. werden kann, verfügt die Lunge über ein inspirato-
risches Reservevolumen (IRV) und ein exspiratori-
sches Reservevolumen (ERV). Die maximale Ein-
1.4.5 Atemmechanik oder Ausatmung wird jedoch sehr selten erreicht
(. Abb. 1.17).
Die Atemmechanik beschreibt die Zusammenhänge, Zur Übersicht der einzelnen Volumina der Spi-
wie Luft bei der Atmung in die Lunge gelangt. Sie rometrie . Tab. 1.5.
ist zusammengesetzt aus der Atemfrequenz, dem
Atemzugvolumen und dem Atemminutenvolumen z Bezug zur künstlichen Beatmung
(. Tab. 1.4). Auch Patienten mit künstlicher Beatmung sind
durch verschiedene Maßnahmen einer körperli-
z Lungenvolumina chen Anstrengung ausgesetzt. Körperliche Anstren-
Die Atemruhelage ist die normale Atmung eines gung bewirkt auch, dass sich die Atemfrequenz pro
Menschen ohne Anstrengung (Abb. 1.17). Dabei Minute und möglicherweise auch das Atemzugvolu-
entsteht ein Atemzugvolumen (AZV oder Vt) von men erhöht. Künstliche Beatmung muss das zulas-
ca. 450–600 ml. Dieses Atemzugvolumen wird sen können.
durchschnittlich in der Beatmung erzeugt, wobei
Die Summe von Atemzugvolumen in Ruhelage und
inspiratorischem Reservevolumen ergibt die inspi-
. Tab. 1.4 Atemmechanik Erwachsene und Kinder ratorische Kapazität. Auch bei maximalster Ausat-
mung verbleibt noch eine restliche Menge Luft in den
Erwachsene Neugeborene
Lungen, die nicht ausgeatmet werden kann. Das ist
Atemfrequenz 15–20/min 40–50/min das Residualvolumen und beträgt ca. 1000–1200 ml.
Atemzugvolu- 450–600 ml 20 ml In der Atemruhelage verbleibt am Ende der norma-
men len Ausatmung noch sehr viel Luft in den Lungen
Atemminuten- 6–10 l/min 800–1000 ml/min
und Atemwegen. Diese Menge Luft wird funktio-
volumen nelle Residualkapazität (FRC) genannt. Sie beträgt
ca. 2000–2400 ml.
42
1 . Tab. 1.5 Atemzugvolumina
z Bezug zur künstlichen Beatmung Das zentrale Nervensystem, auch ZNS genannt,
Bei Patienten, die invasiv beatmet werden, also einen hängt sehr eng mit dem peripheren Nervensys-
Tubus oder eine Trachealkanüle haben, besteht das tem zusammen und lässt sich daher auch nur topo-
Risiko, dass die FRC reduziert wird. Ist sie zu stark grafisch trennen. Zum ZNS gehören das Gehirn
reduziert, sind die Alveolen und Atemwege unter und das Rückenmark. Zum peripheren Nervensys-
Umständen nicht ausreichend offen für die kom- tem gehören alle vom ZNS abgehenden und ankom-
mende Inspiration und kollabieren. Bei der künst- menden Nervenbahnen des Körpers.
lichen Beatmung wird dem entgegengewirkt, indem Aufgaben des zentralen Nervensystems:
ein PEEP bzw. EPAP am Beatmungsgerät eingestellt 44Kontrolle der Motorik, also von Körperhaltung
wird. und Bewegungen
44Kontrolliertes Zusammenspiel aller lebensnot-
Die Summe aus Atemzugvolumen, inspiratorischem wendigen Systeme – von den Organfunktionen
und exspiratorischem Reservevolumen ergibt die über Hormonhaushalt und Atmung bis hin
Vitalkapazität. Diese beträgt ca. 4000–4500 ml. Die zum Schlaf-Wach-Rhythmus
Summe aus Atemzugvolumen, inspiratorischem und 44Verarbeitung von eintreffenden Informationen
exspiratorischem Reservevolumen und Residualvo- aus der Umwelt und dem Körperinneren
lumen ergibt die Totalkapazität. Diese beträgt ca. 44Alle kognitiven Funktionen – also
5000–6000 ml. Bewusstsein, Sprache, Denken, Lern- und
1.5 · Zentrales und peripheres Nervensystem
21 1
Erinnerungsvermögen, Aufmerksamkeit und befindet sich der sog. Subarachnoidalraum. Dieser
Vorstellungsvermögen ist mit Hirn-Rückenmarksflüssigkeit, dem sog.
44Gefühle und Triebe Liquor, gefüllt. Der Liquor schützt das Hirn vor
Erschütterungen.
Das periphere Nervensystem lässt sich wie folgt
weiter unterteilen: z z Weiche Hirnhaut (Pia mater)
44Somatisches Nervensystem (willkürliches Sie liegt der Hirnsubstanz und dem Rückenmark
Nervensystem) direkt auf und folgt auch deren vielen Krümmun-
44Vegetatives Nervensystem (unwillkürliches gen und Kurvaturen. Die Pia mater versorgt das Hirn
Nervensystem) wird weiter unterteilt in: mit Nährstoffen aus dem Liquor.
44Sympathisches Nervensystem
(Sympathikus)
44Parasympathisches Nervensystem 1.5.2 Hirnaufbau
(Parasympathikus)
44Enterisches Nervensystem (ENS) . Abb. 1.18
z Stammhirn
1.5.1 Anatomie Gehirn Zum Hirnstamm zählen folgende Strukturen:
44Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark)
Das Gehirn eines erwachsenen Menschen wiegt ca. 44Pons (Brücke)
1400 Gramm, benötigt aber ca. 20 % des gesamten 44Mesencephalon (Mittelhirn), z. B. Substantia
Energiebedarfes. Es besteht aus rund 100 Milliarden nigra
einzelnen Nervenzellen, die miteinander in Verbin-
dung stehen. Unzählige Verbindungen können ent- Aus dem Hirnstamm treten die 12 Hirnnervenpaare
stehen und sich weiterentwickeln. Die Möglichkeit, aus. Im Stammhirn befindet sich die Formatio reticu-
Verknüpfungen herzustellen, ist dynamisch und laris, ein für die Motorik wichtiges System aus Fasern
nicht von vornherein festgelegt, also nicht statisch. und Nervenzellen.
1.5.3 Hirnlappen und Hirnregionen Das pyramidale System bezeichnet die direkte Ver-
bindung des motorischen Kortex mit den Neuronen
Die Hirnrinde (Kortex), deren Oberfläche durch des entsprechenden Segments im Rückenmark. Es
Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri) struktu- besteht aus ca. 1 Million Axonen, die ohne Unterbre-
riert ist, wird in vier sog. Hirnlappen (. Abb. 1.19) chung bis ins Rückenmark verlaufen und z. T. über
eingeteilt: 1 m lang sind, und steuert die bewusste Bewegung.
sekundäres
Sehzentrum
primäres
Sehzentrum Broca-Areal
Sprachbildung
primäres
Hörzentrum
sekundäres
Hörzentrum
24 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Die Bahnen ziehen durch die Capsula interna und die 44Hals- oder Zervikalmark mit Spinalnerven
42
1 Pons bis in die Medulla oblongata, wo die meisten auf C1–C8
die Gegenseite kreuzen und als Seitenstrang in der 44Brust- oder Thorakalmark mit Spinalnerven
Wirbelsäule abwärts laufen. Die Axone der Pyrami- T1–T12
denbahn enden z. T. direkt an den sog. alpha-Mo- 44Lenden- oder Lumbalmark mit Spinalnerven
toneuronen, die ohne weitere Zwischenstation mit L1–L5
den entsprechenden Muskelfasern verbunden sind. 44Kreuz- oder Sakralmark mit Spinalnerven
Meistens läuft die Verbindung jedoch über sog. Zwi- S1–S5
schenneurone, die in den Wirbelsäulensegmenten 44Schwanzmark
den alpha-Motoneuronen benachbart liegen.
Das extrapyramidale System ist ein indirektes Jeder Spinalnerv versorgt einen bestimmten Körper-
System; die Vermittlung zwischen Großhirn und teil oder ein bestimmtes Organ:
alpha-Motoneuronen läuft über viele Zwischensta- 44Die zervikalen Spinalnerven den Hals, die
tionen, d. h. synaptische Verbindungen zwischen Arme und die Atmungsorgane
Neuronen in verschiedenen Kernen des Gehirns. Es 44Die thorakalen Spinalnerven die Haltung und
steuert die unwillkürliche Bewegung, kann aber auch viele der inneren Organe
in die Willkürmotorik eingreifen. 44Die lumbalen Spinalnerven die Beine und
Das pyramidale und das extrapyramidale System Füße
sind somit parallel geschaltet. 44Die sakralen Spinalnerven die Blase, den Darm
und die Sexualorgane
Apac
Afip Aprcu
Apo
Afim
Apo
Acam
Acal Aca
Afia Achp Acoa
Apca
Aspa
Afbl Ato
Atpo Atp
Atim
Acm
b Ata
. Abb. 1.21 Hirndurchblutung, a. Circulus arteriosus Willisi und seine Zuflüsse, b. Hirnarterien in der Ansicht basal (aus Zilles
et al., Anatomie – Springer Lehrbuch, 2010, Abb. 17,46 (S. 658) und Abb. 17.47c (S. 660))
26 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Rückenmarksnerven
(Spinalnerven)
C1 betroffene Funktionen
C2
Zählung der Wirbel C1 Atmen (C1 bis C4);
C3 Bewegen von Kopf und Hals (C2)
C4
Halsmark Herzrate (C4 bis C6);
(cervikale Segmente) C5 Bewegen der Schultern (C5)
C6
Bewegen von Ellenbogen und
C7 Handgelenk (C6 bis C7)
T1 C8
T1 Bewegen von Hand und
Fingern (C7 bis T1)
T2
Brustmark T3
(thorakale Segmente)
T4
T5
T6 sympathischer Tonus (T1 bis T12)
(einschließlich Temperaturregulation);
T7 Rumpfstabilität (T2 bis T12)
T8
T9
T10
T11
Lendenmark
(Lumbal-Segmente)
T12
Ejakulation (T11 bis L2);
L1 L1 Huftbewegung (L12)
Sakralmark
L2
L3
Strecken des Knies ( L3)
L4
S2
S3 Erektion (S2 bis S4); S4);
Steuerung von Hamblase und
S4 Enddarm (S2 bis S3)
S5
1.6 · Rückenmark
27 1
1.6.2 Innere Struktur des Informationen wie Tast-, Druck-, Hitze- oder
Rückenmarks Schmerzempfindungen aus dem Körper und der
Haut. Die Zellkörper dieser Axone (. Abb. 1.23)
Die Zellkörper der Nerven der absteigenden motori- liegen im Spinalganglion, also außerhalb des Rücken-
schen Bahnen liegen im Gehirn. Ihr Axon verbindet marks aber innerhalb des Wirbelkanals. Die auf-
sie mit einem spezifischen Motoneuron oder Schalt- steigenden, zum Hirn führenden dorsalen Bahnen
kreis eines bestimmten Rückenmarksegments. Das übertragen sensorische Signale aus der Haut und
Signal gelangt somit vom Gehirn über das Moto- den Organen auf die Nervenzellen spezifischer Seg-
neuron in die Peripherie und löst dort im Muskel mente des Rückenmarks und leiten sie von dort zum
eine Kontraktion aus. Die aufsteigenden sensori- Gehirn. Die sensorischen Reize stammen von ver-
schen Bahnen leiten sensorische Signale aus der Peri- schiedenen spezialisierten Rezeptoren z. B. in der
pherie über das Rückenmark ins Gehirn. Haut, wo sie Druckunterschiede oder die Tempera-
. Abb. 1.23 zeigt einen Querschnitt durch das tur wahrnehmen, oder von Zellen, welche z. B. einen
Rückenmark. Es gibt ventrale und dorsale Bereiche. vollen Magen registrieren und somit den Zustand der
44ventral = bauchwärts bzw. nach vorne zum inneren Organe überwachen.
Bauch hin gerichtet Im Vorderhorn liegen die Zellkörper der Moto-
44dorsal = rückenwärts bzw. nach hinten zum neurone, deren Fasern die Befehle für die Bewegun-
Rücken hin gerichtet gen zu den Muskeln weiterleiten. Die absteigenden,
vom Hirn kommenden motorischen Bahnen verlau-
Die schmetterlingsförmige Region in der Mitte nennt fen ventral (bauchseitig) und kontrollieren die Bewe-
man graue Substanz. Sie enthält Nervenzellkörper. gungen der glatten Muskeln der inneren Organe sowie
Den vorderen ventralen Teil der grauen Substanz der gestreiften Muskeln, die zum Bewegungsapparat
nennt man Vorderhorn, den hinteren dorsalen Teil gehören. Sie unterstützen zudem das autonome Ner-
Hinterhorn. vensystem bei der Regulation von Blutdruck, Tem-
Das Hinterhorn erhält über die dorsale (nach peratur und der Reaktion auf Stress. Die Zellkörper
hinten weisende) Wurzel des Spinalnervs sensible dieser motorischen Nerven liegen im Gehirn und
vom Hirn
zum Hirn
Vorderhorn
Motoneuron
ventral
zum
Muskel
graue Substanz
weiße Substanz
Hinterhorn
dorsal
. Abb. 1.23 Rückenmarksquerschnitt (mit freundlicher Genehmigung: IFP - Internationale Stiftung für Forschung in
Paraplegie und Prof. Martin E. Schwab)
28 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
senden elektrische Signale entlang ihres Axons zu Signale aus der Peripherie aktiviert werden können.
42
1 bestimmten Segmenten des Rückenmarks, wo das Dazu gehören unter anderem die Reflexe. Ein weite-
Signal auf ein Motoneuron übertragen wird. Dieses res Beispiel ist die Schreitbewegung, die schon beim
Motoneuron leitet das Signal weiter in die Peripherie Neugeborenen ausgeprägt ist: Hält man ein neuge-
des Körpers und löst dort eine Muskelkontraktion aus. borenes Kind unter den Armen und lässt seine Füße
In der außen liegenden weißen Substanz des den Boden berühren, so beginnt es, Schreitbewegun-
Rückenmarks verlaufen dagegen die Nervenfa- gen zu machen. Zu diesem Zeitpunkt der Entwick-
serbahnen von vielen tausenden Fasern (Axone), lung sind die Nervenverbindungen, die das Gehirn
genauer die aufsteigenden sensorischen Fasern und mit dem Rückenmark verbinden, noch wenig aus-
die absteigenden motorischen Fasern. Die hellere gereift. Die im Rückenmark liegenden, neuronalen
Farbe der weißen Substanz ist auf die Myelinschicht Netzwerke hingegen sind schon funktionstüchtig.
zurückzuführen. Diese wird von Oligodendrozyten
gebildet, die bis zu 40 verschiedene Nervenfasern
gleichzeitig ummanteln. 1.6.3 Aufbau einer Nervenzelle
Das Myelin ist für eine rasche Übertragung des
Nervensignals unerlässlich (. Abb. 1.24). Sowohl Der Zellkörper der Nervenzelle hat verschiedene
in der weißen als auch in der grauen Substanz sind Fortsätze: Mehrere Dendriten empfangen Nerven-
weitere Zelltypen vorhanden wie Blutgefäßzellen signale von anderen Zellen, das Axon ist von einer
oder verschiedene Typen Gliazellen, welche die Ner- Myelinschicht umgeben und leitet das Signal weiter
venzellen ernähren und unterhalten. Oligodendrozy- zur nächsten Zelle (. Abb. 1.24). Die Synapse ist der
ten gehören beispielsweise zu den Gliazellen. Ort der Erregungsübertragung von einer Zelle zur
Im Rückenmark gibt es zudem neuronale Netz- nächsten.
werke, die unabhängig vom Gehirn durch sensorische
Gehirn
Rückenmark
Amyotrophische
Lateralsklerose
Polyneuropathien,
Neurale Muskelatrophie
(Charcot, Marie, Tooth)
(HMSN)
Spinale
Muskelatrophie,
Poliomyelitis
Nerv
Myasthenia
gravis
Muskel
. Abb. 1.25 Nervus phrenicus (mit freundlicher
Genehmigung: Isabel Guckes) Muskeldystrophie, Myotonie,
Myositis
sogenannten motorischen Rinde des Gehirns und . Abb. 1.26 Verschaltung ZNS und PNS (mit freundlicher
das 2. Motoneuron im Bereich des Rückenmarks Genehmigung: Dr. med. Carsten Schröter)
dargestellt. Die aus den Dreiecken entspringenden
Linien repräsentieren die Nervenfasern, die Axone. man motorische Endplatte. Eine Nervenfaser ver-
Die Pfeile weisen auf die bei der Erkrankung betrof- sorgt (innerviert) aber mehrere Muskelfasern eines
fenen Strukturen hin. Das Schema zeigt die an der Muskels.
Motorik beteiligten Strukturen: An allen Stellen der Verschaltung von ZNS und
44das Gehirn, PNS können Störungen und Erkrankungen auftre-
44das Rückenmark, ten, die in 7 Abschn. 3.2.4 erläutert werden.
44die Nervenfasern und
44die Muskeln.
Weiterführende Literatur
Der Ausläufer der Nervenzelle im Gehirn (erstes
Büchli A, Schwab ME, Querschnittlähmung - Problemstellung
oder zentrales motorisches Neuron) zieht in den und wissenschaftliche Ansätze für eine Therapie, 2006.
Hirnstamm oder das Rückenmark und ist dort mit Institut für Hirnforschung, Universität Zürich in: BioFokus
einer zweiten Nervenzelle verknüpft. Von dieser 73/2006, Hg: Verein fürs Leben, Zürich.
Nervenzelle (zweites oder peripheres motorisches Klinke R, Pape H-C, Kurtz A, 2009. Physiologie,;6. vollständig
überarb. Aufl. Thieme Verlag
Neuron oder alpha-Motoneuron) zieht wiederum
Mutschler E, Schaible H-G, Vaupel P, 2007. Anatomie, Physio-
ein Ausläufer (Nervenfaser = Axon) bis zu einem logie, Pathophysiologie des Menschen, 6.völlig neu
Muskel. Hierbei handelt es sich um die Nervenfa- überarb. und erw. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesell-
sern, die als Bündel beispielsweise an Armen und schaft
Beinen verlaufen (z. B. Medianus-Nerv). Die Ver- Schmidt R, Lang F, 2011. Physiologie des Menschen: mit
Pathophysiologie, 31. Aufl. Springer Verlag
knüpfungsstelle der Nervenfaser zum Muskel nennt
30 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Weiterführende Literatur – 37
2.1 Respiratorische Insuffizienz 7 Abschn. 1.3) entsteht innerhalb der Lungen und
Alveolen ein Unterdruck, ein „alveolärer Unter-
Die Beatmungspflichtigkeit eines Patienten ergibt druck“. Dies führt dann zur Einatmung. Das Einströ-
2 sich aus der respiratorischen Insuffizienz. Die respi- men von Luft während der Einatmung nennt man
ratorische Insuffizienz ist der Verlust der Fähigkeit, auch Ventilation, also Belüftung.
selbstständig und zuverlässig atmen zu können, wie Störungen des Systems Atempumpe führen zu
es Menschen unter physiologischen Bedingungen einer Störung der Belüftung und somit zu einer
tun. Aus der respiratorischen Insuffizienz ergeben Störung der Ventilation. Ein synonym genutzter
sich die Beatmungsindikationen. Ein Beatmungszu- Begriff für das Versagen der Atempumpe ist das „ven-
gang via Trachealkanüle direkt in die unteren Atem- tilatorische Versagen“ oder die „ventilatorische Insuf-
wege wird invasive Beatmung genannt. Wird die fizienz“. Leitsymptom der ventilatorischen Insuffi-
Beatmung mit Hilfe von Beatmungsmasken über die zienz ist die Hyperkapnie, der Anstieg des CO 2
oberen Atemwege durchgeführt, erfolgt eine nicht- Gehaltes, nachweisbar in einer Blutgasanalyse (BGA)
invasive Beatmung (NIV). als pCO2. Der Impuls zur zu leistenden Atemarbeit
Die respiratorische Insuffizienz wird unterteilt in: ist der Gehalt an Kohlendioxid im Blut, das pCO2. Je
44Versagen der Atempumpe höher der Gehalt an Kohlendioxid, desto größer der
44Versagen des pulmonalen Gasaustausches Atemantrieb. Je geringer der Gehalt an CO2, umso
geringer der Atemantrieb.
Wird die Atemmuskulatur andauernd zu stark
2.1.1 Versagen der Atempumpe beansprucht, so führt das zu einer Ermüdung der
Atemmuskulatur. Das kann eine ventilatorische
Die gesamte Atemmuskulatur dient funktionell als Insuffizienz verursachen. Eine erhöhte Beanspru-
Atempumpe. Durch die Atemmuskulatur wird die chung der Atempumpe führt somit zu ihrem Versa-
Atemarbeit geleistet. Die Atemmuskulatur bildet gen. Die nötige Atemarbeit kann nicht mehr geleis-
jedoch nur einen Teil der Atempumpe. Die Atem- tet werden. Um der ventilatorischen Insuffizienz zu
pumpe ist das Zusammenspiel von Atemzentrum, entgehen, ist eine Zeit der Erholung mit reduzier-
Nerven, dem knöchernen Thorax und der Atemmus- ter Atemfrequenz und Atemtiefe besonders wichtig!
kulatur (7 Kap. 1, . Abb. 2.1).
z Die Atempumpe beeinträchtigende Faktoren
z Funktionsweise der Atempumpe Die Funktion der Atempumpe kann durch ver-
Das Atemzentrum gibt autonom die Impulse für schiedene Faktoren beeinträchtigt sein oder ganz
die zu leistende Atemarbeit. Die Atemarbeit wird ausfallen.
durch die gegenwärtige körperliche oder seelische
Belastung bestimmt. Ist man in einem entspann- z z Atemzentrum
ten ruhigen Zustand, so sind Atemtiefe/Atem- Das Atemzentrum kann durch Störungen des Atem-
zugvolumen und Atemfrequenz niedrig. Befin- antriebs ausfallen. Diese können z. B. durch Trau-
det man sich in einer körperlich oder seelisch mata, Blutungen oder Insulte des Gehirns oder
angestrengten Situation, so steigen Atemzugvo- dauerhafte hypoxische Hirnschädigungen bedingt
lumen und Atemfrequenz. Damit steigt auch das sein. Ebenso haben diverse Medikamente einen Ein-
Atemminutenvolumen. fluss auf das Atemzentrum: Opiate, Benzodiazepine,
Die Impulse über die zu leistende Atemarbeit Narkotika dämpfen das Atemzentrum.
werden über Nervenbahnen, auch Motoneurone
genannt, zu der Atemmuskulatur weitergeleitet. Der z z Motoneurone
N. phrenicus regt das Zwerchfell zur Kontraktion an. Eine Beeinträchtigung der Funktion der Nervenbah-
Entsprechende Nervenbahnen entlang der Rippen- nen kann durch vielzählige neuromuskuläre Erkran-
bögen regen die Zwischenrippenmuskeln zur Kon- kungen erfolgen. Die normale Überleitgeschwin-
traktion an. Durch Kontraktion der Atemmuskulatur digkeit von Nervenimpulsen beträgt ca. 100–120
(Zwerchfell und äußere Zwischenrippenmuskulatur Meter pro Sekunde. Ist z. B. die Myelinschicht
2.1 · Respiratorische Insuffizienz
33 2
Das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS) behin- Ausdauer. Die muskuläre Belastung bedeutet eine
dert ebenfalls die Belüftung, die Ventilation. erhöhte Atemarbeit über die verfügbare Kraft und
Eine Störung der Belüftung/Ventilation ist die letzte Ausdauer hinaus. Normalerweise befinden sich
2 Konsequenz, falls ein oder mehrere Anteile des Systems Kapazität und Belastung in einem Gleichgewicht
Atempumpe beeinträchtigt sind oder ganz ausfallen. Es (. Abb. 2.2).
kann keine ausreichende Atemtiefe, kein ausreichendes Ist die Belastung höher als die Kapazität, schwin-
Atemzugvolumen aus eigener Kraft erzeugt werden. det das Gleichgewicht und dem Menschen droht die
Kann kein ausreichendes Atemzugvolumen (AZV) respiratorische Erschöpfung. Nimmt die Kapazität
erzeugt werden, ist das Abatmen von Kohlendioxid ab, ist die Belastung automatisch höher. In dem in
(CO2) gestört. Das führt zur Hyperkapnie. . Abb. 2.2 dargestellten Waagemodell wiegt die
Einen erhöhten CO2-Gehalt kann der Körper Belastung schwerer und die Kapazität leichter. Das
bis zu einem gewissen Grad tolerieren, jedoch nicht Resultat ist ein Ungleichgewicht.
dauerhaft. Normalerweise reagiert der Körper mit Ursachen des Ungleichgewichts sind:
verstärkter Atmung durch erhöhte Atemtiefe und a. Kapazitätsabnahme der Atempumpe:
erhöhter Atemfrequenz. Sind die kompensatorischen 44zentral
Möglichkeiten des Menschen erschöpft, so kann 44neuromuskulär
die notwendige erhöhte Atemarbeit nicht erbracht 44muskulär
werden. Der erhöhte CO2-Gehalt macht müde, trübt b. Zunahme der Atemlast:
das Bewusstsein, es resultiert ein CO2-Koma bzw. 44bronchiale Obstruktion
eine CO2-Narkose. 44Compliance- bzw. Dehnungsstörung der
Lunge
> Leitsymptom des Versagens der Atempumpe 44Compliancestörung der Thoraxwand
ist die Hyperkapnie (BGA: pCO2 > 55 mmHg). 44gesteigerte Ventilation
Dies führt zur ventilatorischen Insuffizienz,
zur Hyperkapnie und unbehandelt zur Belastungen resultieren auch aus sportlicher Akti-
Hypoxämie (BGA: pO2 < 55 mmHg). Das vität oder schwerer körperlicher Arbeit. Zur Erho-
ventilatorische Versagen (Insuffizienz) wird lung braucht der Mensch irgendwann eine Pause.
mit künstlicher Beatmung behandelt. Menschen mit zu großer Belastung der Atempumpe
benötigen ebenso eine Pause. Die Pause der Atem-
z Muskuläre Kapazität und Belastung arbeit ist die Apnoe (wörtlich: keine Luft, Atemstill-
Die muskuläre Kapazität beschreibt, was die Atem- stand) und kann nur mit Hilfe der künstlichen Beat-
muskulatur zu leisten in der Lage ist, die Kraft und mung behandelt werden.
. Abb. 2.3 Verteilungsstörungen, links: gleichgewichtiges Durchblutungs- und Belüftungsverhältnis; Mitte: eingeschränkte
Belüftung, das erhöht den Shunt; rechts: eingeschränkte Durchblutung, das erhöht den Totraum (mit freundlicher
Genehmigung: Isabel Guckes)
36 Kapitel 2 · Indikationen und Ziele der Beatmung
Auslösende Ursachen: Blut bleibt sauerstoffarm und vermischt sich mit dem
44Bindegewebe im Interstitium gesättigten arteriellen Blut. Es entsteht primär eine
44Verkürzung der Kontaktzeit Hypoxie und später eine Hyperkapnie. Der CO2-
44Fibrose, Sarkoidose Anstieg wird meist durch eine Tachypnoe (Steige-
44Emphysem bei COPD rung der Atemfrequenz) ausgeglichen.
44Blutungen/chronische Anämie Ein Shunt kann auch entstehen, wenn ein Teil der
Niedriger Blut-Hämoglobin (Hb) Alveolen noch durchblutet, aber nicht mehr belüftet
44Ansammlung von Flüssigkeit wird. Eine zu geringe Belüftung resultiert in Beat-
Lungenödem, pneumonische Infiltrate mungssituationen oft aus einer Verlegung der Atem-
wege durch Schleim und Sekrete. Das Blut, das die
z Störungen der Lungendurchblutung Lungenstrombahn passiert, kann somit nicht voll-
Eine verringerte Durchblutung resultiert aus einer ständig mit Sauerstoff gesättigt werden. Daraus resul-
Störung der Perfusion in der Lungenstrombahn. tiert eine globale Ateminsuffizienz mit Hypoxie und
Hierdurch werden auch die Kapillaren der Alveole Hyperkapnie.
schlecht durchblutet und der Gasaustausch, v. a. die Auslösende Ursachen:
Aufnahme von Sauerstoff, ist verzögert oder unter- 44Alveolarkollaps durch Atelektasen, Pneumo-
brochen, obwohl die Alveolen gut belüftet sind. Die thorax, Pleuraerguss
Luft nimmt nicht am Gasaustausch teil, damit steigt 44Alveolen mit Sekreten gefüllt, beim
auch der Totraum. Es entsteht primär eine Hypoxie Lungenödem, Pneumonie, Aspiration
und dann eine Hyperkapnie.
Ursachen der Störung der Lungendurchblutung: Ein Shuntvolumen von ca. 2–3 % erscheint unbe-
44Mikroembolien denklich: Bei 5 Liter HZV werden somit ca.
44Schwere Lungenembolie 100–150 ml Blut nicht mit Sauerstoff gesättigt. Steigt
44Kompression der Lungenkapillaren bei der Shuntanteil jedoch über 5–6 %, ist dies klinisch
Überblähung am Abfall einer Sauerstoffsättigung und am Sinken
44Verringerung des Kapillarbetts bei fibröser des pO2 in der BGA feststellbar.
Umstrukturierung des Lungengewebes
Bei Störungen der Perfusion geht der Quotient 2.1.4 Interaktion zwischen Lunge
aus alveolärer Ventilation und Perfusion gegen und Atempumpe
unendlich.
Eine Übersicht über die Interaktion zwischen Lunge
z Pulmonaler Rechts-Links-Shunt und Atempumpe gibt . Abb. 2.4.
Ein Shunt beschreibt die Menge Blut im Lungen- Leitsymptom des Versagens des pulmonalen
kreislauf, die nicht mit Sauerstoff gesättigt wird. Gasaustausches ist die Hypoxie/Hypoxämie. Lun-
Einige Blutgefäße umströmen die Alveole nicht. Das genparemchym-Erkrankungen führen zu Oxygenie-
Weiterführende Literatur
37 2
. Abb. 2.4 Schaubild Lunge –
Atempumpe (eigene Darstellung,
Bearbeitung: Isabel Guckes)
Krankheitslehre
Matthias Huhn
Weiterführende Literatur – 66
Europa Deutschland
. Abb. 3.1 Chemischer Atemantrieb (aus Schmidt et al. (Hrsg.). Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie, 31.,
überarbeitete und aktualisierte Auflage, Springer 2010, Abb. 33.8, S. 736 Atmung)
Wert deutlich über 60 mmHg (8 kPa) ansteigt. Auch ca. 2–2,5 cm. Die Stamm- und Lappenbronchien
hier ist bei einem Nichteinsetzen des Atemreflexes haben einen Durchmesser von ca. 8–12 mm. Je
von einer irreversiblen Schädigung des Atemzent- weiter sich das Bronchialsystem aufzweigt (insge-
rums auszugehen. samt bis zu 23 Mal), umso kleiner wird der Durch-
messer der Bronchiolen. Die terminalen Bronchio-
Hirntod len weisen nur noch einen Durchmesser von weniger
Insbesondere bei der abschließenden Hirntoddiagnostik wird
als allerletzte Überprüfung des unwillkürlichen Atemreflexes
als 1 mm auf, die darauffolgenden Bronchiolen
ein Anstieg des CO2-Gehaltes durch einen Apnoe-Test provo- und Alveolargänge sogar nur noch 0,4–0,01 mm
ziert. Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel (7 Abschn. 1.2.3).
erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns Physiologisch ist eine leichte Ausdehnung der
und des Hirnstamms. Dabei kann durch kontrollierte Beat-
Durchmesser bei der Einatmung. Somit strömt Luft
mung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich auf-
rechterhalten werden.
gut während der Inspiration in die Lunge. Bei der
Ausatmung verengen sich die Atemwege ein wenig,
Alle physiologischen und pathophysiologischen die Ausatmung im Ruhezustand dauert etwa doppelt
Änderungen der Atmung werden nicht erst durch so lang wie die Einatmung. Sie bleiben jedoch gesi-
den Kohlendioxidpartialdruck gesteuert, sondern chert offen.
sind willkürlich und unwillkürlich änderbar z. B. Bei Atemwegserkrankungen können die Durch-
durch Emotionen, Muskelaktivität, Berührungen, messer der Atemwege akut oder chronisch verengt
Schmerzen, Entzündungen und Temperatur. sein, so dass sowohl die Inspiration als auch die
Exspiration erschwert sind (. Tab. 3.2).
44Spirometrie: Mit Hilfe der Spirometrie können Asthma bronchiale auftreten kann. Sowohl die
Teilvolumina ermittelt werden, transportables Einatem- als auch die Ausatemkurve sind kleiner
System. als die Referenzkurve. Das deutet auf eine perma-
44Lungenfunktionsprüfung (. Abb. 3.2) nente Luftflussstörung hin. Man kann ebenso einen
inspiratorischen wie einen exspiratorischen Stridor
. Abb. 3.2 zeigt links einen normalen Befund einer hören.
Lungenfunktionsprüfung. Die Graphik zeigt das Ver- Die dritte Darstellung von links zeigt eine typi-
hältnis von Atemzugvolumen (horizontale Achse) sche Ventilationsstörung, die z. B. bei Lungenfibrose
und der Luftflussgeschwindigkeit, dem Flow (ver- oder mechanischer Atembehinderung (schweres
tikale Achse). Es entsteht eine sog. Flow-Volu- Übergewicht, Thorax-Rumpf-Erkrankungen) auf-
men-Kurve. Ein Patient der untersucht wird, muss tritt. Hier ist die Kurve in Verhältnis zur Referenz
maximal einatmen und dann mit voller Kraft schnell kleiner und enger. Das ist charakteristisch für eine
ausatmen. Bei der maximalen Einatmung ergibt sich restriktive Belüftungsstörung, bei der die Gasaus-
ein typischer Halbkreis, der unterhalb der Volumen- tauschfläche verringert oder verkleinert ist. Es gibt in
achse dargestellt wird. Bei der maximalen Ausatmung der Abbildung keinen Hinweis auf eine Verengung/
wird eine typische Kurve oberhalb der Volumenachse Obstruktion. Diese kann jedoch bei restriktiven Ven-
angezeigt. Zu Beginn der Ausatmung mit maxima- tilationsstörungen ebenfalls auftreten.
ler Kraft erfolgt eine rasante Steigerung des Luftflus- Die Darstellung ganz rechts zeigt ebenfalls eine
ses. Der Flow steigt zuerst schnell nach oben, bis ein Verengung der Atemwege, wie sie typischerweise bei
Maximum erreicht ist. Diese Kurve fällt im Verlauf der COPD mit Lungenemphysem auftritt. Sowohl
der weiteren Ausatmung nach rechts hin stetig ab. Sie die Einatem- als auch die Ausatemkurve sind kleiner
verläuft dezelerierend (ständig abnehmend). als die Referenzkurve. Bei der Ausatemkurve tritt
In der zweiten Darstellung von links ist eine zusätzlich ein charakteristischer Knick auf, der als
Verengung der Atemwege dargestellt, wie sie beim Emphysemknick beschrieben wird. Dieser ist ein
. Abb. 3.2 Lungenfunktionsprüfung (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. med. Wagner)
3.1 · Grundlagen und Diagnostik von Atemstörungen
43 3
Hinweis auf den raschen Kollaps der Atemwege bei Hypoventilationen sind Hinweise auf eine gestörte
der Ausatmung. Atemmuskelkraft unterschiedlichster Ursache.
In beiden Situationen werden CO2, Kohlensäure beschrieben. Dabei müssen nicht notwendigerweise
und andere saure Stoffwechselprodukte angereichert. alle Phasen nacheinander durchlaufen werden. Die
Statistisch ist die Asphyxie die häufigste Form des Behandlung richtet sich nach dem Genesungszu-
Sauerstoffmangels im Hirn. Es entsteht dadurch stand und den wiedererlangten Fähigkeiten des
eine Azidose (Übersäuerung). Diese Übersäue- Betroffenen, welche Phase genutzt und welche über-
rung schädigt die Nerven, Nervenmembranen und sprungen wird (. Tab. 3.4).
3 die Wände der Kapillaren. Dadurch bricht die Blut-
Hirn-Schranke zusammen, Wasser tritt ins intersti-
tielle Hirngewebe ein und es entsteht ein Hirnödem. Klinik
Die Hirnschwellung wiederum verringert die Hirn- Seit dem Jahr 1994 veröffentlichte eine Arbeits-
perfusion, es kommt zur sekundären Ischämie. gruppe, die Multi-Society Task Force on PVS, eine
genauere Unterscheidung der Klinik des Wachkomas
(engl. PVS). Es wird unterschieden in
Wachkoma 44„persistent vegetative state“, eine teilweise
Rehabilitationsphasenmodell rückbildungsfähige Hirnschädigung und
Der typische Verlauf der Behandlung für Schwerst- 44„permanent vegetative state“, eine dauerhaft
Schädel-Hirnverletzte wird in einem Phasenmodell irreversible Hirnschädigung.
Quelle: http://www.schaedel-hirnpatienten.de/unterstuetzen/rehabilitation/das-phasenmodell/phasenmodell.pdf,
Recherche 29.02.2016
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
47 3
Im Rahmen dieser Unterscheidung wurden zudem Ursachen
klinische Kriterien für das Wachkoma definiert: Die häufigste Ursache des Schlaganfalls ist bei 80 %
44Vollständiger Verlust des Bewusstseins über aller Patienten der ischämische Hirninfarkt. Hierbei
sich selbst oder die Umwelt und über die ist eine Hirnarterie durch einen Thrombus oder einen
Fähigkeit, zu kommunizieren Embolus verlegt. Die Durchblutung in den betrof-
44Verlust der Fähigkeit zu willkürlichen oder fenen Hirnarealen ist unterbrochen. Das führt zu
sinnvollen Verhaltensänderungen infolge einem Funktionsverlust und ggf. zu einem Abster-
externer Stimulation ben von Hirngewebe. Bei etwa 15 % der Patienten
44Verlust von Sprachverständnis und Sprach- tritt eine Hirnblutung durch rupturierte arterielle
produktion (Aphasie) Gefäße auf. Das Blut dringt dann in das umgebende
44Harnblasen- bzw. Darminkontinenz Hirngewebe ein. Ca. 5 % der Schlaganfälle haben ihre
44Gestörter Schlaf-, Wachrhythmus Ursache in der Subarachnoidalblutung. Hierbei tritt
44Weitgehend erhaltene hirnstammgezogene, Blut in den Liquorraum ein und verdrängt das Hirn,
spinale, hypothalamische und autonome sodass es „eingequetscht“ wird (. Abb. 3.3, . Tab. 3.5).
Reflexe
Durchblutungs- Blutung
störung
Thrombus Verletzung
angeschwemmter
Imbolus Halsarterie
. Abb. 3.3 Durchblutungsstörungen des Hirns (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
Arteria cerebri anterior Halbseitenlähmung bzw. Hemiparese, v. a. beinbetont auf der Gegenseite
Arteria cerebri media Halbseitenlähmung bzw. Hemiparese, v. a. gesichts- und armbetont auf der Gegenseite
mit einhergehenden Gesichtsfeldstörungen und Sprachstörungen (Aphasie)
Arteria cerebri posterior Halbseitige Sehstörungen mit Einschränkungen des Gesichtsfeldes auf der Gegenseite
Arteria vertebralis Störung der Bewegungsabläufe (Ataxie), Gefühlsstörungen, Schluckstörungen, Schwin-
del mit Übelkeit und Erbrechen, herabhängendes Augenlid mit Verengung der Pupille
(Horner-Syndrom), Störung der Sprechmotorik (Dysarthrie).
Arteria basilaris Lähmung beider Arme und Beine, Gefühlsstörungen am gesamten Körper, Schluckstö-
rungen, Störungen der Atmung, Störungen des Bewusstseins
Die Basilaristhrombose stellt die schwerste Form des Schlaganfalls dar und führt
zu Ischämien des Stammhirns, des Kleinhirns und weiterer Hirnareale, sie hat eine
schlechte Prognose mit hoher Sterblichkeit der Patienten
> Die Behandlung erfolgt durch kontrollierte Rückenmarks in unterschiedlichem Maß unterbro-
Beatmung, bei der es eine vollständige chen, sodass eine Weiterleitung von motorischen
Übernahme der Atemzüge und Impulsen des Gehirns zu den Erfolgsorganen nicht
Atemfrequenz gibt, in der Regel ohne mehr möglich ist. Ebenso können sensorische Ner-
Sauerstoffgabe (Gasaustausch ist meistens venbahnen unterbrochen werden, sodass keine
nicht gestört). Rückmeldungen mehr zum Gehirn erfolgt.
A – komplett Keine sensible oder motorische Funktion ist in den sakralen Segmenten S4 bis S5 erhalten.
B – inkomplett Sensible, aber keine motorische Funktion ist unterhalb des neurologischen Niveaus erhalten und
dehnt sich bis in die sakralen Segmente S4/S5 aus.
3 C – inkomplett Motorische Funktion ist unterhalb des neurologischen Niveaus erhalten und die Mehrzahl der Kenn-
muskeln unterhalb des neurologischen Niveaus hat einen Muskelkraftgrad von weniger als 3.
D – inkomplett Motorische Funktion ist unterhalb des Schädigungsniveaus erhalten und die Mehrheit der Kenn-
muskeln unterhalb des neurologischen Niveaus hat einen Muskelkraftgrad größer oder entspre-
chend 3.
E – inkomplett Sensible und motorische Funktionen sind normal.
(nach American Spinal Injury Association, International Standards for Neurological Classification of Spinal Cord Injury)
Bulbärparalyse wird ein Krankheitsverlauf verstan- Insgesamt handelt es sich bei der Behandlung, wenn
den, der hauptsächlich die Sprech- und Schluckmus- die Diagnose gestellt ist, bis hin zum Lebensende um
kulatur, aber nicht die Arm- oder Beinmuskulatur eine palliative Therapie. Reichlich wertvolle Infor-
betrifft. mationen auch für Therapeuten bietet die Deutsche
Die Diagnosestellung der amyotrophen Late- Gesellschaft für Muskelkranke (www.dgm.org).
ralsklerose erfolgt unter Berücksichtigung der
3 Anamnese und der ausführlichen körperlich- z Poliomyelitis und Postpoliomyelitis-Syndrom
neurologischen Untersuchung sowie apparativen Die Poliomyelitis acuta anterior (kurz: Polio, Kin-
Zusatzuntersuchungen. Hier sind besonders die derlähmung) ist eine virusbedingte Erkrankung des
Elektroneurografie, die Elektromyografie sowie die zweiten motorischen Neurons. Heute ist die Erkran-
evozierten Potentiale zu benennen. Weitere wich- kung noch vorwiegend in Afghanistan und Pakistan
tige Untersuchungen können Kernspintomografien in Asien und in Nigeria in Afrika aktiv. In Europa
(MRT) von Gehirn und Halswirbelsäule sein, um gilt sie als ausgestorben. Auch in Afrika ist aktuell
andere Ursachen der Paresen auszuschließen. die Hoffnung groß, dort die Erkrankung bald aus-
Über 90 % der Patienten mit amyotropher Late- gerottet zu haben. Da auch heute die Gefahr einer
ralsklerose leiden unter der sporadischen Form, bei Einschleppung der Viren aus Asien und Afrika auf
5 bis 10 % liegt eine familiäre, also vererbliche Form dem Wege des Tourismus besteht, wird von der Stän-
vor. Erste Hinweise auf eine Ursache der familiären digen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-
Form ergab eine im Jahre 1993 veröffentlichte Unter- Institutes für Kinder und Jugendliche die Grundim-
suchung, die eine Mutation im Gen der Cu/Zn-SOD munisierung regelmäßig und für Erwachsene, die in
(Kupfer-Zink-Superoxid-Dismutase) auf dem Chro- entsprechende Regionen reisen, die Impfung alle 10
mosom 21 nachwies. Inzwischen sind aber eine Reihe Jahre weiterhin empfohlen.
weiterer Gene bekannt, deren Mutation zum Auf- Auch wenn die Erkrankung heute als Neuerkran-
treten einer ALS führen kann. Diese Formen geben kung in Europa nicht mehr auftritt, haben wir aber
die Möglichkeit, im Tiermodell spezifische Therapie- mit den Folgen insbesondere der Epidemien Ende
Konzepte zu entwickeln. der 50er und Anfang der 60er Jahre zu tun. Zum
Eine mehrmonatige Verlängerung der Lebens- einen wird durch die nach Auftreten der Erkrankung
dauer ist durch die Gabe von Riluzol belegt. Ebenfalls fortbestehenden Paresen, Atrophien und Verände-
geht man davon aus, dass der Erhalt des Körperge- rungen des Bewegungsapparate (sogenannter Polio-
wichts, ggfs. mit kalorienreicher Kost, prognostisch Restzustand) der Bewegungsapparat fehlbelastet,
günstig ist. Die Behandlung ist im Übrigen symp- dadurch können vorzeitiger Gelenkverschleiß (Arth-
tomatisch. Je nach Symptomatik sollten Physio- rose) und Störungen mit Schmerzen im Bereich der
therapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden in Wirbelsäule auftreten.
Abstimmung miteinander den Patienten betreuen. Davon abzugrenzen ist das sogenannte Post-
Hauptziele sind dabei die Verbesserung der Lebens- poliomyelitis-Syndrom (oder kürzer Postpoliosyn-
qualität in jeder Phase der Erkrankung, die Ver- drom oder PPS). Jahrzehnte nach der Polio kann es
meidung von Komplikationen sowie die Verlänge- zu einem Auftreten und langsamen Fortschreiten
rung der Lebensdauer. Ein Auftrainieren von Kraft von Paresen kommen. Dabei sind besonders Muskel-
ist nicht möglich, dabei ist die Gefahr der Überlas- gruppen betroffen, die häufig primär schwer betrof-
tung und dadurch bedingte Zunahme der Paresen fen waren, sich aber gut erholt haben. Die Patienten
groß. Das Aufrechterhalten der motorischen Funk- berichten dazu oft zunächst über eine Abnahme der
tionen und der Atmung, des Abhustens und des Spre- Ausdauerleistungen und Belastbarkeit. Im Verlauf
chens sind zentrale Therapieinhalte. Pathologisches werden dann auch zunehmende Paresen beob-
Lachen und Weinen, also Lachen oder Weinen, das achtet. Es werden darüber hinaus auch allgemeine
nicht der Intensität einer Stimmung entspricht, aber Erschöpflichkeit, Schlafstörungen und andere Stö-
vom Patienten nicht unterdrückt werden kann, kann rungen geschildert. Wenn primär im Rahmen der
im Kontakt mit anderen Menschen ein Problem sein, Polio die Atemmuskulatur betroffen war, kann es im
hier ist eine medikamentöse Behandlung möglich. Verlauf auch zu einer abnehmenden Vitalkapazität
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
57 3
(siehe . Tab. 1.5) und damit zu einer pulmonalen kausale Therapieansätze sind für genetisch bedingte
Insuffizienz kommen. Oft versuchen die Patienten Erkrankungen zugelassen. Durch die Fortschritte
wie in der Phase nach der akuten Polio, bei Auftre- in der Genetik sind im Verlauf der nächsten Jahr-
ten neuer Paresen im Rahmen des PPS intensiv zu zehnte auch weitere molekulargenetische Therapien
trainieren und erleben eine weitere Verschlechte- zu erwarten.
rung der muskulären Funktionen. Hier kann nur ein
dosiertes und moderates Übungsprogramm durch- z Muskuläre Schwäche
geführt werden, Überlastungen sind zu vermeiden. Paresen sind die wesentliche Ursache der meisten
Probleme bei neuromuskulären Erkrankungen. Es
z Neurale Muskelatrophien (hereditäre gibt eine Reihe gut kontrollierter Studien, die die
sensomotorische Neuropathien, HMSN) Effekte von Übung und Training auf die Kraft und
Bei den neuralen Muskelatrophien handelt sich vor- Funktion untersucht haben. Bei langsam fortschrei-
nehmlich um eine Erkrankung der Axone und/oder tenden neuromuskulären Erkrankungen ist durch
der Markscheiden. Die längsten Nervenfasern haben ein angepasstes Übungsprogramm eine Verbesse-
dabei das größte Risiko, zu erkranken. Deshalb rung von Funktionen zu erwarten ohne Hinweise auf
finden sich die Symptome distal betont. Etabliert ist eine Schwäche durch Überbelastung. Im Langzeit-
für diese Erkrankungen auch der Ausdruck der here- verlauf ist aber auch durch optimale Behandlungs-
ditären sensomotorischen Neuropathien (HMSN). maßnahmen ein Fortschreiten der Erkrankung nicht
Oft wird die Diagnose durch die Namen der Erstbe- zu verhindern. Es gibt ebenfalls Hinweise, dass die
schreiber ergänzt: Charcot, Marie und Tooth. Therapieverfahren für die verschiedenen neuromus-
Meist sind besonders die Unterschenkel und kulären Erkrankungen unterschiedlich effektiv sind,
Füße sowie die Hände mit atrophen Paresen betrof- hier müssen aber weitere Untersuchungen abgewar-
fen. Häufig sind Fußheberparesen das führende tet werden, bis gesicherte Daten vorliegen.
Symptom. Auch können Gefühlsstörungen an den Bei rasch fortschreitenden neuromuskulären
Füßen auftreten, sie sind jedoch in der Regel gering Erkrankungen ist das Risiko einer ausgeprägteren
ausgeprägt. Lagesinnstörungen führen zu einer Progredienz der Paresen durch Überlastung groß.
Gangunsicherheit, besonders im Dunklen. Ebenso Mit dem Ziel der Funktionsbesserung durchgeführt
sind oft Veränderungen des Fußskeletts vorhanden, ist das Risiko der Überlastung durch die Behandlung
insbesondere Hackenhohlfüße mit Hammerzehen. geringer. Patienten mit neuromuskulären Erkran-
Die Symptomatik kann sehr stark variieren, selbst kungen sollten angehalten werden, nicht bis zur
innerhalb einer Familie. Selten wird eine Phrenicus- Erschöpfung zu üben. Sie sollten über die Warnzei-
Parese beobachtet mit einseitigem Zwerchfellhoch- chen einer Überbelastung informiert werden. Hierzu
stand. Die Atmung ist sonst in der Regel aber nicht gehören ein vermehrtes Schwächegefühl nach der
betroffen. Übung oder Muskelschmerzen 24 bis 48 Stunden
nach dem Training. Andere Warnsignale beinhalten
ausgeprägtere Muskelkrämpfe, Schweregefühl von
Therapie Armen und Beinen und anhaltende Kurzatmigkeit.
Entzündliche Erkrankungen werden primär immun- Durch ein angepasstes Übungsprogramm mit
suppressiv oder immunmodulierend behandelt. leichter bis mäßiger aerober Belastung wie Gehen,
Ziele der Therapie und insbesondere der Rehabili- Schwimmen und Fahren auf dem Ergometer, wenn
tation bei Patienten mit degenerativen neuromus- es der Schweregrad der Erkrankung zulässt, ist eine
kulären Erkrankungen sind die Verbesserung und Verbesserung der muskulären Ausdauer und Funk-
das Erhalten der Selbstständigkeit in der Beweg- tion sowie der Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-
lichkeit und Selbstversorgung sowie der Teilhabe Systems bei vielen neuromuskulären Erkrankungen
am sozialen Leben. Die Behandlung der hereditären zu erreichen. Neben umschriebenen Paresen sind
neuromuskulären Erkrankungen ist derzeit sympto- auch eine generalisiert verminderte Belastbarkeit
matisch, am wichtigsten sind in der Regel die Physio- sowie reduzierte Leistungsfähigkeit der Herz- und
therapie, die Ergotherapie und die Logopädie. Erste Lungenfunktion zu beachten. Das Übungsprogramm
58 Kapitel 3 · Krankheitslehre
trägt dazu bei, die Funktionen zu stabilisieren und aufzuwachen, ein nicht erholsamer Schlaf und eine
zu verbessern, das ideale Körpergewicht zu halten vermehrte Tagesmüdigkeit. Das Erfassen der Beein-
und Schmerzen durch Fehlbelastungen zu mindern. trächtigungen ist notwendig, um rechtzeitig eine
nichtinvasive Heimbeatmung initiieren zu können.
z Kontrakturen und Skoliose
Bei einer Reihe neuromuskulärer Erkrankungen z Komplikationen der Herzfunktion
3 sind Kontrakturen und Skoliosen häufige Probleme. Bei verschiedenen Erkrankungen der Muskulatur, so
Besonders groß ist die Gefahr bei Rollstuhlabhän- z. B. bei den Muskeldystrophien vom Typ Duchenne
gigkeit und zunehmender Rumpfmuskelschwä- und Becker oder bei der Muskeldystrophie vom Glie-
che, ebenso in der Zeit der Wachstumsschübe. Vor- dergürteltyp LGMD2I und bei den myotonen Dys-
sichtiges Dehnen der betroffenen oder gefährdeten trophien können Funktionsstörungen des Herzens
Gelenke reduziert das Risiko des Auftretens von auftreten. Hierbei kann es sich um eine Herzinsuf-
Kontrakturen und verlangsamt das Fortschreiten. fizienz oder um Herzrhythmusstörungen handeln.
Durch die regelmäßigen krankengymnastischen Hinweise können das Elektrokardiogramm (EKG),
Übungen sollte eine vorsichtige symmetrische Sta- das Langzeit-EKG oder das Echokardiogramm
bilisierung oder Erhalt der Rumpfmuskulatur ange- geben. Besonders bei den genannten Erkrankun-
strebt werden, um Skoliosen vorzubeugen oder das gen muss vor Einleitung eines Übungsprogramms
Fortschreiten zu vermindern. auch die Belastbarkeit der Herzfunktion überprüft
Forst und Rideau konnten zeigen, dass das ope- werden. Bei Herzrhythmusstörungen muss der
rative Lösen von Kontrakturen bei der Muskeldys- rechtzeitige Einsatz eines Herzschrittmachers beach-
trophie vom Typ Duchenne die Zeit der Gehfähig- tet werden.
keit verlängern kann. Auch bei Skoliosen besteht die
Möglichkeit eines operativen Eingreifens. Möglicher- z Störungen des Schluckens
weise können Orthesen durch eine Verlängerung der Störungen des Schluckens kommen besonders bei
Dauer der Gehfähigkeit dem Entstehen von Skolio- der amyotrophen Lateralsklerose, bei der bulbospi-
sen entgegenwirken. Hier sind aber weitere Unter- nalen Muskelatrophie und auch einzelnen Muskel-
suchungen nötig, um sichere Aussagen machen zu dystrophien vor. Erste Hinweise können sich aus
können. Die Orthesen sollten möglichst leicht sein, Veränderungen der Stimme, wie Heiserkeit, und ver-
um durch ihr Gewicht die Gehfähigkeit nicht zusätz- mehrtem Verschlucken ergeben. Genauere Beurtei-
lich zu beeinträchtigen. Auch mit optimal durchge- lungen können durch endoskopische und Röntgen-
führter Physiotherapie sind Kontrakturen und Sko- Untersuchungen erfolgen. Schluckstörungen sind
liosen bei rascher fortschreitenden neuromuskulären eine Indikation für logopädische Behandlungen.
Erkrankungen nicht zu verhindern. Ziel kann es nur Das Andicken von Flüssigkeiten und die Zuberei-
sein, den Verlauf günstig zu beeinflussen. tung leicht zu schluckender Speisen sind wichtige
Hilfen. Ist das Schlucken nicht mehr ausreichend
z Störungen der Lungenfunktion möglich, kann eine perkutane endoskopische Gast-
Schwächen des Zwerchfells, der Interkostal- und der rostomie (PEG) notwendig werden. Hier wird mittels
Bauchmuskulatur können Störungen der Lungen- einer Magenspiegelung eine dünne Sonde durch die
funktion zur Folge haben. Die verschiedenen neuro- Bauchdecke in den Magen bzw. den Dünndarm
muskulären Erkrankungen können in unterschiedli- gelegt.
chem Ausmaß zu diesen Beeinträchtigen führen. Bei
Erkrankungen, die die Atemmuskulatur im Verlauf
regelmäßig mit betreffen, sind regelmäßige Lungen- Beatmung
funktionsuntersuchungen notwendig. Erste klinische Ist bei den verschiedenen neuromuskuläre Erkran-
Zeichen einer Atemfunktionsstörung können nächt- kungen die Atmung beeinträchtigt, muss bei der
liche Störungen der Atmung sein: regelmäßiger mor- Entscheidung, wie beatmet wird, geklärt sein,
gendlicher Kopfschmerz, Unruhe oder Albträume welcher Anteil der Atmung gestört ist (Atemregu-
in der Nacht, das Gefühl, morgens wie gerädert lation, Atemwege bzw. -leitung, Atemmechanik
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
59 3
oder Gasaustausch). Ist als Folge einer neuromus- Kennzeichen der COPD
kulären Erkrankung die Atmung beeinträchtigt, 44Hypertrophie (abnorme Vergrößerung) und
sind in der Regel die Atemregulation und der Gas- Hyperplasie (abnorme Vermehrung) der
austausch nicht betroffen. Im Vordergrund steht die bronchialen Schleimdrüsen
beeinträchtigte Atempumpe bzw. die Atemmecha- 44Produktion von zähem, glasigem Schleim (sog.
nik. Die Beeinträchtigung sollte durch die Lungen- Dyskrinie)
funktionsmessung objektiviert und in der Schwere 44Das führt dazu, dass sehr viel Schleim in
beurteilt werden. den Atemwegen produziert wird, der nicht
mobilisiert und durch das mukoziliäre Trans-
> Die Behandlung besteht in einer portsystem abtransportiert wird. Der Schleim
kontrollierten Beatmung, bei der es eine verbleibt somit in den Atemwegen (sog.
vollständige Übernahme der Atemzüge Mukostase).
gibt, in der Regel ohne Sauerstoffgabe, 44Zudem kommt es zu einer Erweiterung der
es sei denn es besteht eine zusätzliche Lufträume distal (also hinter) der terminalen
Lungenerkrankung (COPD). Bronchiolen.
44Das führt im Endeffekt zu einer Destruktion
(Zerstörung) von Lungenparenchym (intaktem
3.2.5 COPD Lungengewebe).
> Dieses Phänomen nennt man Airtrapping ist eine verringerte Durchblutung der Lunge,
(gefangene Luft in den Alveolen). Die Luft also eine Störung der Perfusion.
kann zwar bei der Einatmung ein-, bei 44Die verringerte Durchblutung der Lunge führt
der Ausatmung aber nur sehr erschwert dann zu einer Rarifizierung der pulmonalen
ausströmen. Kapillaren. Diese nehmen in der Anzahl ab.
Damit verringert sich die Oxygenierung. Die
Diese gefangene Luft führt zu einer Überblähung der Sauerstoffaufnahme wird beeinträchtigt und
Alveolen und zu einem intrinsischen PEEP (PEEPi = der Gefäßwiderstand steigt an.
intrinsic PEEP). Dieses Phänomen behindert den an 44Die Blutmenge, die der rechte Ventrikel in
COPD Erkrankten insbesondere unter Belastungs- die Lunge pumpt, muss gleich derjenigen
bedingungen, das Atemminutenvolumen nicht sein, welche der linke Ventrikel in den großen
durch eine Erhöhung der Atemfrequenz anpassen Körperkreislauf pumpt. Erhöht sich der
zu können. Widerstand im Lungengefäßsystem, muss der
44Der intrinsische PEEP, der sog. innere dauerhafte rechte Ventrikel eine verstärkte Pumpkraft
Überdruck in den Alveolen der Lunge, führt zu aufbringen. Wenn der Lungenhochdruck durch
einer messbaren Zunahme der FRC, RV/TLC in die Rarifizierung der Kapillaren zur Rechts-
der Bodyplethysmografie (7 Abschn. 1.4.5). herzschwäche führt, kann die Blutmenge nicht
44Die chronische Überblähung der ganzen Lunge mehr transportiert werden und es entstehen
begrenzt schrittweise das Einatemvolumen. periphere Ödeme.
44Die Überbähung kann zu einer Kapillarkom-
pression führen. Die kleinen Blutgefäße der Die . Abb. 3.6 bis . Abb. 3.8 sollen die Problematik
Lunge werden zusammengedrückt. Die Folge der COPD verdeutlichen:
. Abb. 3.6 Atemwegskollaps – Obstruktion (= Verengung) (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
61 3
. Abb. 3.7 Intrinsic PEEP (= PEEPi) (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
Bestehen diese über einen längeren Zeitraum fort, flussunwirksame Anstrengung der Atemmuskula-
ohne nachzulassen, besteht bei entsprechender tur) → eine erhöhte Atemanstrengung, die musku-
Risikoanamnese die Verdachtsdiagnose COPD. Im läre Belastung ist größer als die muskuläre Kapazität.
Verlauf der Erkrankung zeigen sich weitere Krank-
heitsfolgen, so dass man von einer Systemerkran-
kung spricht: Beatmung bei COPD
3 44Chronische, rezidivierende Infekte Bei der COPD ist die Atmung multifaktoriell beein-
44Chronische Luftnot trächtigt. Zunächst sind alle konservativen medizi-
44Ggf. Gewichtsabnahme und muskuläre nischen Maßnahmen auszuschöpfen, um eine Nor-
Erschöpfung malisierung der Atemfunktion zu erreichen. Dies
44Osteoporose betrifft die geschulte Verwendung von Antiobstruk-
44Ängste tiva, Krankheitsaufklärung, Nikotinentwöhnungs-
44Gefäßsklerosierungen programme, Immunisierung, stationäre und ambu-
44Herzinsuffizienz lante Rehabilitationsmaßnahmen. Sollte dennoch
44Depression eine gehäufte Exazerbationsrate auftreten oder eine
44Stoffwechselstörungen deutliche pulmonale/muskuläre Erschöpfung mit
Hyperkapnie nachweisbar sein, sollte eine Heimbeat-
mung angeboten werden. Bei der Entscheidung, wie
Stadieneinteilung beatmet wird, muss geklärt sein, welcher Anteil der
Die Stadieneinteilung richtet sich nach der Klinik des Atmung (Atemregulation, Atemwege bzw. -leitung,
Patienten, Exazerbationshäufigkeit und den Ergebnis- Atemmechanik oder Gasaustausch) gestört ist. In
sen einer Lungenfunktionsdiagnostik (. Tab. 3.9). Bei diesem Fall ist die Atemregulation erhalten. Jedoch
der neuen COPD-Einteilung, die seit 2012 gilt, werden sind die Atemwege bzw. -leitungen, die Atemmecha-
die Anzahl der Exazerbationen (akute Verschlechte- nik und der Gasaustausch gestört.
rung der COPD-Erkrankung) sowie der CAT- oder 44Der Atemantrieb durch das Atemzentrum ist
MRC-Score mit einbezogen. Die CAT- und MRC- nicht gestört.
Skalen sind Beurteilungsinstrumente zur Beurtei- 44Die Atemwege sind aufgrund der chronischen
lung der Luftnot (. Abb. 3.9, . Tab. 3.9, . Tab. 3.10 Obstruktion verengt.
und . Tab. 3.11). 44Die Atemmechanik ist aufgrund der dauer-
COPD Patienten müssen viel „isometrische haften Überblähung gestört. Das Zwerchfell,
Atemarbeit” leisten, um den intrinsischen PEEP als Hauptatemmuskel, ist stetig überdehnt,
zu überwinden („isometrische Atemarbeit” = abgeflacht. Das erschwert die Atemarbeit.
. Tab. 3.9 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) – alte Einteilung (mit freundlicher
Genehmigung: R. Cegla GmbH & CO.KG, Horresser Berg 1, 56410 Montabaur http://www.leichter-atmen.de/copd-
gold-stadien
. Tab. 3.10 Neue COPD Einteilung (seit 2012) (mit freundlicher Genehmigung: R. Cegla GmbH & CO.KG, Horresser
Berg 1, 56410 Montabaur http://www.leichter-atmen.de/copd-gold-stadien
Atemnot Punkte