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Depression und Angst

Prof. Dr. Jürgen Hoyer


Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
TU Dresden
Gliederung:
1. Depression und Angst: nahe Verwandte
2. Depression kann zu Angst, Angst zu Depression führen
3. Gemeinsame Ursachen: Genetik und Vulnerabilitäten
4. Blockaden der Behandlung durch Depression und Angst
5. Eine Behandlung – doppelte Wirkung?
6. Ideen und Diskussion

12. Aktionstag Depression 2


Gliederung:
1. Depression und Angst: nahe Verwandte
2. Depression kann zu Angst, Angst zu Depression führen
3. Gemeinsame Ursachen: Genetik und Vulnerabilitäten
4. Blockaden der Behandlung durch Depression und Angst
5. Eine Behandlung – doppelte Wirkung?
6. Ideen und Diskussion

12. Aktionstag Depression 3


• Beide Erkrankungen treten sehr häufig gemeinsam auf.

• Nahezu 50% der von Depression betroffenen Menschen


haben gleichzeitig eine Angst- oder Panikstörung.

12. Aktionstag Depression 4


Depression Angst

Zittern
Frustration
Erhöhte Atemfrequenz

Traurigkeit Unruhe

Probleme beim Denken, Sich nervös oder


Wertlosigkeit
Konzentrieren
oder Treffen von Entscheidungen
überfordert fühlen

Reizbarkeit
Gefühl der drohenden
Verlust des Interesses
Übermäßige Sorgen Gefahr oder Panik
an normalen Aktivitäten

Gedanken an Unerklärte körperliche Beschwerden


wie Kopfschmerzen Hohe Herzfrequenz
Selbstmord oder Tod oder Bauchschmerzen

Rückzug
Müdigkeit Schwitzen

Schlafstörungen
oder Appetitstörung
Depression Angst

Frustration

Traurigkeit Unruhe

Probleme beim Denken,


Wertlosigkeit
Konzentrieren Panikstörung
oder Treffen von Entscheidungen

Reizbarkeit Agoraphobie

Übermäßige Sorgen
Verlust des Interesses Soziale Phobie
an normalen Aktivitäten

Unerklärte körperliche Beschwerden


Spezifische Phobie
Gedanken an wie Kopfschmerzen
Selbstmord oder Tod oder Bauchschmerzen
Generalisierte
Rückzug Angststörung
Müdigkeit

Schlafstörungen
oder Appetitstörung
Was sind Angststörungen?
Angststörung Kernsyndrom Zentrale Befürchtung

Panikstörung Panikattacken Ich habe einen


Herzinfarkt; ich werde
sterben
Agoraphobie Vermeidung bestimmter Orte Kontrolle (über
Körperreaktionen)
verlieren
Soziale Phobie Vermeidung sozialer Sit. (oder Andere blicken auf mich
Durchstehen unter großer herab/lehnen mich ab
Angst)
Generalisierte Überzogene Sorgen Ich werde dem […] nicht
Angststörung gewachsen sein
Spezifische Überzogene Angst und (Diverse)
Phobie Vermeidung spez. Situationen
oder Objekte

Verwandte Störungen: Zwangsstörungen, Posttraumatische


Psychiatrisch-Psychotherapeutisches Kolloquium Belastungsstörung,
Folie 7
Hypochondrie
Ab ICD-11 auch: Trennungsangst
Evangelischesim Erwachsenenalter,
Prof. Dr. Jürgen Hoyer
Klinikum Bielefeld 16.01.2019 selektiver Mutismus
Aber Ängste sind doch harmlos – und man kann über
sie lachen?!

(Grafik aus rechtlichen Gründen entfernt)


Was sind psychische Störungen eigentlich?

• Symptom Syndrom Störung


….die zu ernsthafter
Beeinträchtigung
führen und nicht auf
...in charak- körperliche
teristischer Ursachen oder
Kombination Medikamente
Einzelne und Dauer zurückgehen
Symptome
Symptome

A. Ausgeprägte Furcht oder Angst


vor einer oder mehreren
sozialen Situationen, in denen
die Person von anderen
Personen beurteilt werden
könnte (z.B. soziale
Interaktionen, beobachtet zu
werden, vor anderen Leistungen
zu erbringen).
B. Betroffene befürchten, dass sie
sich in einer Weise verhalten
könnten oder Symptome der
Angst offenbaren, die von
anderen negativ bewertet
werden.
C. Die soziale Situationen rufen
fast immer eine Furcht- oder
Angstreaktion hervor.
D. Die sozialen Situationen werden
vermieden oder unter intensiver
Furcht oder Angst ertragen.
Symptome

A. Ausgeprägte Furcht oder Angst


vor einer oder mehreren
sozialen Situationen, in denen
die Person von anderen
Personen beurteilt werden
könnte (z.B. soziale Syndrom
Interaktionen, beobachtet zu
werden, vor anderen Leistungen
zu erbringen). A-D treten in charakteristischer
Kombination auf
B. Betroffene befürchten, dass sie
sich in einer Weise verhalten
könnten oder Symptome der
Angst offenbaren, die von
anderen negativ bewertet
werden.
C. Die soziale Situationen rufen
fast immer eine Furcht- oder
Angstreaktion hervor.
D. Die sozialen Situationen werden
vermieden oder unter intensiver
Furcht oder Angst ertragen.
Symptome

A. Ausgeprägte Furcht oder Angst


vor einer oder mehreren
sozialen Situationen, in denen
die Person von anderen
Personen beurteilt werden
könnte (z.B. soziale Syndrom
Interaktionen, beobachtet zu
werden, vor anderen Leistungen
zu erbringen). A-D treten in charakteristischer
Kombination auf
B. Betroffene befürchten, dass sie
sich in einer Weise verhalten
könnten oder Symptome der Störung
Angst offenbaren, die von
anderen negativ bewertet
werden. Soziale Phobie … sofern
Zusatzkriterien erfüllt
C. Die soziale Situationen rufen E (unverhältnismäßig), F (6 Monate),
fast immer eine Furcht- oder G (Leiden oder Beeinträchtigung), H
Angstreaktion hervor. (Nicht Folge einer Substanz oder
einer Erkrankung, nicht Teil einer
D. Die sozialen Situationen werden psychischen Störung (I) und nicht
vermieden oder unter intensiver Ausdruck eines Krankheitsfaktors (J)
Furcht oder Angst ertragen.
• Was bedeutet die enge Überlappung Angst/Depression?
• Was lernen wir daraus über die Entstehung von
Depressionen und Angststörungen?
• Was lernen wir daraus über die Behandlung und ihre
Komplikationen?

12. Aktionstag Depression 13


Gliederung:
1. Depression und Angst: nahe Verwandte
2. Depression kann zu Angst, Angst zu Depression führen
3. Gemeinsame Ursachen: Genetik und Vulnerabilitäten
4. Blockaden der Behandlung durch Depression und Angst
5. Eine Behandlung – doppelte Wirkung?
6. Ideen und Diskussion

12. Aktionstag Depression 14


Depression bedeutet: Alles Negative wird
deutlicher wahrgenommen!

…auch Angst

(Grafik aus rechtlichen Gründen entfernt)

12. Aktionstag Depression


Depression kann bedeuten: Die Energie für
die Bewältigung von Belastungen fehlt!

Das gilt auch für


Angst/Ängste/Situationen, die Mut
erfordern

12. Aktionstag Depression


Was wäre
Man kannwenn….
nie
sicher sein… Man hört so
Und wenn doch? viel….
Ich will gar nicht
Hoffentlich daran denken….
passiert nichts. Es wäre
Ich würde dasfurchtbar..….
nicht aushalten….

Folie 17
Risikofaktor Angststörung

Wittchen et al. (2000, 2003)


Risiko einer depressiven Störung
nach Angststörung in der Vorgeschichte
Cumulative%
of depression
60,

45,
PD
GAD
AG
30, SPP
SoP
no anxiety dx
15,

0,
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

age of onset EDSP, 2001


Depression kann auch Ängste verdecken –
und umgekehrt!

12. Aktionstag Depression


Fallbeispiel Patientenaufklärung

 Patient, 43. J., ledig, Facharbeiter


 Diagnose: Zwangsstörung, F. 42.2., mittelgradig; Depression
unterschwellig; Adipositas
 Aktuelle Situation: Trennung von Partnerin, Vater schwer erkrankt
 Patientenaufklärung
 Behandlung ist möglich und hat gute Erfolgsaussichten
 Der Zwang bestimmt bisher das (private) Leben vollständig; wenn er
zurückweicht, werden andere Erfahrungen möglich
 Es ist auch möglich, dass dann mehr Traurigkeit kommt und/oder er
mehr isst.
 Fallkonzeption: Probleme in der Emotionsregulation als zentrale
Vulnerabilität

Folie 21
Gliederung:
1. Depression und Angst: nahe Verwandte
2. Depression kann zu Angst, Angst zu Depression führen
3. Gemeinsame Ursachen: Genetik und Vulnerabilitäten
4. Blockaden der Behandlung durch Depression und Angst
5. Eine Behandlung – doppelte Wirkung
6. Ideen und Diskussion

12. Aktionstag Depression 22


Vulnerabilitäts- /Diathese-Stress-Modell
Gemeinsame Ursachen von
sozialer Angst und
Depression bei Kindern und
Jugendlichen

Belhadj Kouider E, Petermann F. Gemeinsame


Risikofaktoren von… Fortschr Neurol Psychiatr
2015; 83: 321–333, auf der Grundlage von
Catherine C. Epkins & David R. Heckler (2011)
Integrating Etiological Models of Social Anxiety and
Depression in Youth: Evidence for a Cumulative
Interpersonal Risk Model. Clinical Child and Family
Psychology Review, Volume 14, Issue 4, pp 329–
376

12. Aktionstag Depression 24


Gliederung:
1. Depression und Angst: nahe Verwandte
2. Depression kann zu Angst, Angst zu Depression führen
3. Gemeinsame Ursachen: Genetik und Vulnerabilitäten
4. Blockaden der Behandlung durch Depression und Angst
5. Eine Behandlung – doppelte Wirkung
6. Ideen und Diskussion

12. Aktionstag Depression 25


einestages: Erinnern Sie sich an den allerersten Pink-Floyd-
Auftritt?
Mason: Das war 1966 im Roundhouse in London auf einer
Einweihungsparty für das neue Underground-Blatt "International
Times". Damals war das eine große Sache, für uns gewaltig. Vorher
hatten wir nur auf Partys von Freunden in Privathäusern gespielt, im
Roundhouse zum ersten Mal vor einem richtigen Publikum. So etwas
vergisst man nicht.

einestages: Großes Lampenfieber?


Mason: Ich war unfassbar nervös und bin es bis heute vor Auftritten.
Das gehört einfach dazu. Wer als Musiker vor einem Konzert nicht
nervös ist, mit dem stimmt was nicht. Für gute Auftritte sollte man unter
Adrenalin stehen.
Was lernen wir daraus?

1. Nick Mason spielt unfassbar gut, denn er hält das Timing


auch bei großer Angst.
2. Angst per se muss kein Problem sein (sondern kann auch
positiv umbewertet werden).
Was lernen wir daraus?

1. Nick Mason spielt unfassbar gut, denn er hält das Timing


auch bei großer Angst.
2. Angst per se muss kein Problem sein (sondern kann auch
positiv umbewertet werden).
3. Wenn Erwartungen nicht systematisch einer Überprüfung
ausgesetzt werden, besteht das Risiko, dass sie bestehen
bleiben.
4. Wenn einem die Handlung wichtig ist, ist begleitende Angst
gut tolerierbar.
Der Scheinriese Turtur

(Grafik aus rechtlichen Gründen entfernt)


Wenn ich hier lange
genug bleibe,
geht es mir besser, die Angst fällt

DGPPN
Trotz meiner Angstgefühle, es passiert
einfach nichts. Es ist wichtig, das sicher
zu lernen

DGPPN
Ich werde es schaffen, mit meiner
Familie in den Bergen zu wandern, das ist
wichtiger als meine Angstgefühle!

DGPPN
Depressionen können die Angstbehandlung im
Einzelfall erschweren, das Vorhandensein der
Depressionsdiagnose ist aber kein
grundsätzlicher Nachteil

Emmrich, A., Beesdo-Baum, K., Gloster, A. T., Knappe, S., Höfler, M., Arolt, V., . . . Wittchen, H. U. (2012).
Depression
11.10.2017does not affect the treatment outcome of DGPPN
CBT for panic and agoraphobia: Results from a multicenter
Folie 34
randomized trial. Psychotherapy and Psychosomatics, 81(3), 161-172. doi:10.1159/000335246
Angst vor oder Misserfolg bei
Expositionsbehandlung?

www.soscisurvey.de/therapie-
perspektive

21.9.2019 12. Aktionstag Depression Folie 35


 Ängste können auch die
Depressionsbehandlung
blockieren.
 Schritte ins Leben zurück,
Erfolgserlebnisse etc. können
durch „Schwellenängste“
erschwert werden
 Depressionen stehen dem Erfolg
einer Angstbehandlung aber
nicht grundsätzlich entgegen!

21.9.2019 Folie 36
Gliederung:
1. Depression und Angst: nahe Verwandte
2. Depression kann zu Angst, Angst zu Depression führen
3. Gemeinsame Ursachen: Genetik und Vulnerabilitäten
4. Blockaden der Behandlung durch Depression und Angst
5. Eine Behandlung – doppelte Wirkung
6. Ideen und Diskussion

12. Aktionstag Depression 37


CALM-Studie
Coordinated Anxiety Learning and Management
(Brown et al., 2014)

Förderung von Selbstwirksamkeit und Ergebnis-Erwartung

Auf frühere
Motivational Erfolge hinweisen
Interviewing

Positives Ansprechen
Überzeugendes der Behandlung bei
Behandlungsrational anderen Patienten
...
Glaube nicht alles, was Du denkst!

• Selbst-Distanzierung
• Mindfulness
• Achtsamkeit
Beispielübung (Schweiger & Sipos, 2015)

„Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Reisender in einem


Hauptbahnhof einer belebten Großstadt, der auf seinen
Zug wartet. Ihr seelisches Leben ist wie ein belebter
Bahnhof. Stellen Sie sich vor, dass Ihre Gedanken und
Emotionen Züge sind. Manche fahren durch den
Bahnhof durch, manche halten an und fahren in
verschiedene Richtungen weiter. Bleiben Sie Zuschauer
und beobachten Sie Ihre Gedanken und Emotionen, wie
sie vorbeifahren, anhalten, weiterfahren. Es ergibt
keinen Sinn zu versuchen, einen vorbeifahrenden Zug
anzuhalten oder in ihn einsteigen zu wollen. Es macht
keinen Sinn, in einen Zug zu steigen, der Sie an einen
Ort fährt, an den man nicht hin möchte.“

27.11.2015 DGPPN Folie 40


Sport!

Grafik aus rechtlichen Gründen entfernt


Eckart von Hirschhausen: Das Pinguin-Prinzip --
oder: „Selbstakzeptanz“

• Filmsequenz siehe YouTube


Ideen und Diskussion

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Buchempfehlungen
Vielen Dank!

juergen.hoyer@tu-dresden.de

EABCT Sofia 46

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