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Orientalisten, pflegte Kontakte und korrespondierte mit Alter, zwischen der Gegenwart und der Zukunft ergeben sich

repräsentativen Vertretern des Faches. Auch las er immer Parallelen. Aber auch das Rachelied des heldischen Dichters
wieder Reisebe schreibungen über Arabien: z.B. erwärmte er Tabbata Scharran («Unter dem Felsen arn Wege») machte
sich besonders für Carsten Niebuhrs «Beschreibung einer einen derart starken Eindruck auf ihn, dass er es den «Noten
Reise nach Arabien und andern naheliegenden Ländern». und Abhandlungen des West-östlichen Divans» in
Den Koran kannte er gründlich, und mit Mohammeds Leben Übersetzung beigab.
14./15. Dezember 1988 war er gut vertraut. Schon als Knabe hatte er sich für die
Für die Religion der Araber, den Islam, entwickelte
Nr. 283 S. 111 Erzählungen aus «1001 Nacht» begeistert. Für viele Motive,
Goethe eine besondere Anteilnahme. Zwar bedauerte er es
Gestalten und Handlungsabläufe hat ihm dieses Werk Pate
aufs tiefste, dass der Prophet Mohammed die Dichtkunst eher
gestanden. Besonders in den «Unterhaltungen deutscher
verwarf als förderte; aber nichtsdestoweniger vertrat er, der
Ausgewanderten» und in «Wilhelm Meisters Wanderjahren»
schon als 23jähriger ein Mohammed-Drama zu schreiben
war er, wie er selbst angab, nach «der Art der Sultanin
Goethe und die arabische Welt Scheherezade verfahren». Es ist unmöglich, im Rahmen einer
versuchte, eine positive Einstellung zum Islam. Er wagte es,
nicht nur im Zuge der Aufklärung der islamischen Religion
Ein wichtiges Buch von Katharina Mommsen kurzen Re zension, all die vielen Beziehungen zu diesem
mit Toleranz, zu begegnen, sondern er fand vieles in dieser
Werk wie auch zu anderen aus der arabischen Literatur, denen
Religion seinen eigenen Vorstellungen gemäss, etwa den
Katharina Mommsen mit viel Scharfsinn, Akribie und
Glauben an die Einheit Gottes wie auch an die Offenbarung
Die bekannte, an der Stanford-Universität in Kalifornien Sachkenntnis nach spürt, hier aufzuführen.
Gottes in der Natur, oder die Vorstellung, dass Gott durch
lehrende Goethe-Forscherin Katharina Mommsen hat in Das Traditionsbewusstsein der Araber und deren Stolz auf verschiedenartige Abgesandte zur Menschheit spricht.
einem grundlegenden Werk Goethes Kenntnis der arabischen die eigene Literatur waren ihm willkommen; aber noch mehr Ebenfalls gefiel ihm die Auffassung, dass der Glaube an
Kultur untersucht und deren Einwirkung auf seine Dichtung begeisterte er sich für die Originalität der arabischen Dichter, Wunder zu verwerfen sei. Religiosität solle ihre Echtheit
durch eine Darlegung vieler Indizien und Fakten belegt. «den Reichtum ihrer lmagination und die Stärke ihres durch wohltätige Werke beweisen. Diese Affinität zum Islam
Hiermit ergänzt und erweitert sie ihre Forschungen auf Sprachgefühls, ihre Natur-verbundenheit, Passioniertheit, führte Goethe in seiner Jugend dazu, ein Mohammed-Drama
diesem Gebiet, worin sie Pionierleistungen vollbracht hat; Temperament,Geist und Witz, hingebungsvolle Liebe, zu wagen; denn anders als die meisten Aufklärer unter seinen
man denke an ihr Buch «Goethe und I00l Nacht» (Berlin Wohltätigkeit, überschwängliche Gastfreundschaft und Frei- Zeitgenossen sah er in ihm keinen Betrüger, wenn er auch
1960, 2. Auflage Frankfurt 1981). Bevor sich Katharina gebigkeit». Widersprüchliche Eigenschaften wie «strenge darstellen wollte, wie der Prophet sich durch Verfolgen
Mommsen mit diesem Gebiet befasste, war es unerforscht Religiosität» einerseits und «frei denkerische Verwegenheit» ehrgeiziger Ziele in Schuld verstrickte. Im «Divan» werden
geblieben, was, da die arabische Kultur gerade für den «West- andererseits, wie auch «Aufschneiderei, Prahlerei, Unmuts- dann oft islamische Glaubensvorstellungen vermittelt. Doch
östlichen Divan» und die «Zahmen Xenien» von zentraler bekundungen», denen «staatsmännische Klugheit, gelassenes wäre es falsch, anzunehmen, Goethe habe keine Einwände
Bedeutung ist, eine erstaunliche Lücke in der Goethe- Altersdenken, Sprichwortweisheit, Schicksals-ergebenheit» gegen den Islam vorgebracht. Die islamische Vorstellung von
Forschung offenliess. gegenüberstehen, sprachen Goethe ebenfalls an, der oft der Unterordnung der Frau unter den Mann wie auch das
Vielfältige Beziehungen Polaritäten im Geistesleben gelten lassen wollte. Weinverbot waren für ihn völlig inakzeptabel.
Diese materialreiche Untersuchung enthält nun un- Vor allem aber hatten es ihm das stolze Unabhän- Katharina Mommsen schliesst ihr Buch mit einer
widerlegbare Belege für Goethes profunde Kenntnis der gigkeitsstreben, die Tapferkeit, das kämpferische Heldentum, Darstellung der Wirkung einzelner Dichter Arabiens auf
arabischen Kultur und Geisteswelt und beseitigt damit wie überhaupt die Streitbarkeit der Araber, besonders der Goethe. Medschnun, Motanabbi, der eigentlich Keis hiess und
Vorurteile und Ignoranz, die allzu lange diesen Aspekt der vorislamischen Zeit, angetan. Immer wieder begegneten ihm der auf den «Faust» und den «Divan» einwirkte, und Abu
Goethe-Forschung belastet hatten. Zugleich aber ergibt sich all diese Eigenschaften, inspirierten ihn und bestätigten ihm Ismael Tograi sind die Hauptgestalten. Wir können erkennen,
daraus, dass eine Kenntnis der arabischen Welt unser seine eigenen Anschauungen. dass dadurch besonders für die «Suleika»-Gedichte – Goethe
Verständnis von Goethes Werk, insbesondere von vielen und Marianne Willemer kannten die vorzügliche Übersetzung
Einwirkungen
Gedichten des «West-östlichen Divans» und vieler Verse der Knebels – neue Aspekte gewonnen werden. Auch Goethes
«Zahmen Xenien», vertieft; denn es lassen sich manche Unter den arabischen Quellen aus der vorislamischen Zeit, Einstellung zum Dichtertum und zur Dichtkunst, die er «ein
Beziehungen zwischen der arabischen Literatur und Goethes die ihn ebenfalls interessierten, spielt die von dem weltliches Evangelium» nannte, wird deutlicher erkennbar. So
Dichtung entdecken. bedeutenden englischen Orientalisten William Jones (1746- führt uns Katharina Mommsens treffliche Arbeit in das
1794) übersetzten «Moallakat» eine besondere Rolle. Diese Zentrum von Goethes Dichten und Denken, in dessen Kern er
Zu Goethes Lebzeiten war die Arabistik keineswegs so Sammlung von sieben Gedichten, die sieben Dichter verfasst selbst «Idee und Liebe» zu finden wusste, was ihm durch
weit entwickelt wie heute. Um so mehr ist Goethes Interesse hatten, wirkte vor allem auf den «West-östlichen Divan» und seine Lektüre arabischer Literatur bestätigt worden war.
an diesem Fachgebiet zu bewundern; seine eigenen die «Zahmen Xenien». Anhand mancher Gedichte kann
Bemühungen haben auch die Entwicklung der Arabistik sehr Hans Reiss
Katharina Mommsen nachweisen, dass Goethe nicht nur Katharina Momrnsen: Goethe und die arabische Welt.
gefördert. Er war mit den Werken vieler arabischer Dichter Motive, sondern sogar Formulierungen verwendete, die denen Insel-Verlag, Frankfurt 1988.
vertraut; er trieb selbst nicht nur Arabistik, sondern suchte der «Moallakat» entsprechen. Besonders bei den An-
auch die Sprache zu erlernen, studierte die Schriften führender spielungen auf die Beziehung zwischen der Jugend und dem

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