zuschnitt 56
Holz hören
Wie Tonspuren sehen die Jahrringe dieses Baumes aus.
Sie führen uns in die faszinierende Klangwelt des Holzes.
Inhalt Zuschnitt 56.2014
Titelbild Impressum
Haselfichte mit Medieninhaber und
dicker Borke Heraus geber
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Editorial Klangbilder
Eine Höranleitung
Editorial
Inhalt
Anne Isopp Reinhard Gassner
Wenn wir auf Holz klopfen, dann entsteht ein Ton. Anhand der Höhe des
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Tones können geschulte Ohren die Beschaffenheit des Holzes beurteilen: Das Bild hält den Augenblick fest. Klang aber
Ein heller Ton weist auf gesundes Holz hin, ein dumpfer Ton auf feuchtes braucht Zeit, das Hören dringt tiefer. „Dass wir eine
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oder gar faules Holz. Früher klopften die Bergleute auf den hölzernen Folge von Tönen als Melodie hören können, ist nur
Grubenausbau, um zu prüfen, ob dieser noch stabil und trocken ist – deshalb möglich, weil wir im Wahrnehmen dieser
daher kommt wahrscheinlich auch das Sprichwort „auf Holz klopfen“. Melodie Zeit überwinden“, sagte der Klangforscher
Wenn wir in diesem Zuschnitt von Holz und seinem Klang sprechen, und Jazzmusiker Joachim-Ernst Berendt.
dann haben wir viele Geräusche im Ohr: das Klacken der Schuhe auf dem Als wir die Aufgabe bekamen, den Klang von Holz
Holzboden, das Knistern des Feuers, das Knarren der Dielen, das Klingen sichtbar zu machen, haben wir uns zuerst auf Bilder-
einer Geige, das Rauschen der Blätter. Die Klangwelt von Holz ist so suche gemacht. Wir suchten Bilder, die uns an
vielfältig, dass wir diesen Zuschnitt für viele Aspekte des Holzklangs ge- bestimmte Klänge denken lassen und vice versa.
öffnet haben: Für die uns vertrauten Alltagsgeräusche, die Geräusche am Mit einem portablen Wave-Recorder machten wir in
und im lebenden Baum, für die Musik und ihre Instrumente und für die einem Aufnahmewinkel von 90 Grad Aufnahmen,
Bauwerke, in denen musiziert wird. Gelernt haben wir dabei, dass man bei denen wir Holz hören können: von Mikado-
unterscheiden muss, ob das Holz aktiv an der Klangerzeugung beteiligt stäben, die auf eine Tischplatte fallen, von einer
ist oder nicht: Wenn Holz bricht, brennt oder knarzt oder wenn es wie knarrenden Holztreppe und vielen anderen Szenen.
bei einem Streichinstrument in Schwingung versetzt wird, dann erzeugt Wir übertrugen die jeweilige Monospur über Grafik-
Holz aktiv Töne. Als Oberfläche in einem Musiksaal hat es die Aufgabe, programme in Soundgrafiken. Diese Grafik visuali-
den Schall bestmöglich im Raum zu verteilen. Für die Reflexion, Diffusion siert auf der horizontalen Zeitachse Abstand und
und Schallabsorption sind mehr die Oberflächen als die Materialeigen- Ausschlag von bestimmten Schallwellen. Schall
schaften wie Dichte und Elastizität von Bedeutung. Genau hier ist Holz – beruht auf Luftdruckschwankungen, die mechanisch
im Gegensatz zum Instrumentenbau – für die Akustik durch andere ausgelöst werden und die sich wie Schockwellen als
Materialien ersetzbar. Dass trotzdem viele Konzertsäle mit Holz ausge- Vibrationen durch die Luft übertragen. Die Klang-
stattet werden, hat auch mit der besonderen Ästhetik des Holzes zu tun – abbildungen auf den folgenden Seiten stellen
denn auch das Auge hört mit. Oszillogramme dar, heute oft als „Waveform Display“
Jeder Raum klingt und der Klang entscheidet über die Atmosphäre des bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine grafische
Raumes. Es wäre zu wünschen, dass nicht nur beim Bau von Musik- und Repräsentation des Schalls.
Konzertsälen auf eine gute Akustik Wert gelegt wird, sondern dass die- Aus der Darstellung lässt sich etwas über die Rein-
ses Wissen auch in den Alltag, in die Alltagsarchitektur einfließt. Kann heit eines Klangs und über die Wiederholung von
man mit geschlossenen Augen erkennen, ob man sich in einem Holzraum gewissen Klangelementen erfahren. Je mehr die
befindet? Probieren Sie es aus! Was hört man, ohne sich sehend rückver- Kurve einem Sinus gleicht, desto reiner ist der
sichern zu können? Wir wiederum standen vor der Herausforderung, den Klang. Weiters erkennt man anhand der Amplituden
Klang von Holz zu vermitteln, ohne dabei Töne erzeugen zu können. Wir Lautstärkenänderungen, das An- bzw. Abklingen,
haben deshalb Töne fürs Auge entworfen – sehen und hören Sie selbst … die Dichte oder die Begrenztheit eines Klangs.
Reinhard Gassner
ist freier Gestalter in Schlins, Vorarlberg. Er ist für die grafische
Gestaltung des Zuschnitt verantwortlich und ist Kommunika-
tionsberater für proHolz Austria. www.gassner-redolfi.at
Michael Freund
Michael Freund
Professor für Medienkommunikation an der Webster University Wien und Autor,
unter anderem für die Tageszeitung Der Standard
7 sec. 8 sec. 9 sec.
Maik Novotny
So groß und doch so unscheinbar: Das Konzerthaus Entwickelt wurde die Raumakustik von den Archi-
ist mit Abstand das größte Bauwerk in der burgen- tekten gemeinsam mit dem Münchner Büro Müller-
ländischen 800-Seelen-Gemeinde Raiding, und doch bbm. Nach einigem Tüfteln fand man die ideale
ist es leicht zu übersehen. Eingebettet in einen Park, Lösung: Die Kassetten, die zwischen dem Raster
direkt neben dem Geburtshaus des berühmtesten aus Holzleimbindern eingefügt sind, setzen sich
Raidinger Sohnes Franz Liszt, fügt sich der schlichte aus einer Dreischichtplatte und einer Fichtenein-
kubische Bau erstaunlich problemlos ins dörfliche schichtplatte auf der Sichtseite zusammen. Die
Umfeld. Entworfen vom Rotterdamer Architektur- Einschichtplatte wurde per cnc-Fräse doppelt
büro Kempe Thill, wurde der Bau zum Franz-Liszt- konvex abgeschliffen, sodass sich eine Gesamt-
Jahr 2006 eröffnet. Wer im Inneren die Türen zum dicke von 8 cm außen und 12 cm in der Plattenmitte
Herzstück, dem Konzertsaal, öffnet, wird überrascht: ergibt.
Was außen weiß und glatt ist, ist im Inneren kom- „Da die Schallabsorption komplett durch Publikum
plett mit Holz verkleidet und sieht aus wie eine und Bestuhlung erfolgt, müssen die Wände relativ
Scheune oder wie das Innere eines Instruments. In glatt sein“, erklärt Michael Wahl, Projektleiter bei
seiner fensterlos-schlichten, deutlich gemaserten Müller-bbm. „Gleichzeitig mussten parallele Flächen
Fichtenholz-Serialität wirkt der Konzert saal auf den vermieden werden, sonst würden Flatterechos
ersten Blick fast wie ein vom Maler Anselm Kiefer entstehen. Daher haben wir die doppelt konvexe
gestalteter Turnsaal. Wand und Decke sind von Plattenoberfläche entwickelt. Für die niedrigen
einem 2,6 mal 3,6 Meter messenden Raster aus Frequenzen benötigen wir ein hohes Flächenge-
Holzleimbindern strukturiert. wicht. Daher sind die Platten mit bis zu 350 Kilo-
Darin eingelegt sind dreifach gekrümmte massive gramm pro Element relativ schwer.“
Tafeln aus Fichtenholz. Was hart und somit akustisch
nachteilig scheint, ist im Detail äußerst raffiniert
gelöst.
Holz hören
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Schritte auf Holzboden
Gehen mit Ledersohlen
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auf federnd gelagertem
Eschenboden, fest und
voll klingen die Tritte mit
einem kurzem, weichen
Nachhall beim Abrollen.
Der Raum weist die für Konzertsäle bewährte Schuh- Emotionen lassen sich unmittelbar mitteilen.
schachtelform auf. Wichtiger noch als das Material Das heißt, als Musiker muss man hier genau diffe-
ist schließlich das Volumen, erklärt Michael Wahl: renzieren.“
„Der Saal in Raiding hat etwa 5.000 Kubikmeter. Das Klangbild sei also ähnlich anspruchsvoll wie
Das ist ideal für Kammermusik, für größere Orche- im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, so
ster wäre es zu klein.“ Um störende Lüftungsge- Kutrowatz. Die Materialität dürfte dafür weniger
räusche zu vermeiden, wurde die Zuluft im aufge- verantwortlich sein, schließlich liegt der Holzanteil
ständerten Boden untergebracht, die Perforation beim Musikverein unter 15 Prozent. Trotzdem lieben
des Parketts wurde genau austariert, sodass sie die Musiker das Holz: „Physikalisch können Beton
akustisch möglichst wenig Schallabsorption auf- oder Glas dasselbe leisten, aber psychologisch hat
weist und trotzdem der notwendige Lüftungsquer- sich Holz bei Musikern als warme Oberfläche ein-
schnitt erreicht wird. Die Abluft wurde diskret in geprägt“, resümiert Michael Wahl von Müller-bbm.
der Lücke zwischen Deckenträgern und Decken- Man sieht: Raumakustik ist immer auch Psycho-
elementen versteckt. akustik.
Dass sich die Akustik bewährt hat, zeigen die un-
zähligen Tonaufnahmen von Kammermusik bis
Maik Novotny
Elektronik, die seit der Eröffnung hier gemacht
geboren 1972 in Stuttgart, lebt seit 2000 in Wien. Er arbeitet
wurden. Wie hört sich der Saal nun an? Gibt es ein als Architekt und Stadtplaner in Wien und Niederösterreich
speziell hölzernes Klangbild? Johannes Kutrowatz, und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung Der Standard,
mit seinem Bruder Eduard seit 2009 Intendant des die Wochenzeitung Falter sowie für Fachmedien über Archi-
Liszt Festivals, ist heute noch voller Enthusiasmus: tektur, Stadtentwicklung und Design.
„Es ist ein fantastischer Klavier- und Kammer-
musiksaal.“ Mit der in Raiding gewählten Kasset-
tenstruktur von Wand und Decke lehnt man sich
akustisch an die Kassettendecke der klassischen
Konzertsäle an.
Aus Sicht von Musiker und Dirigent wird das spe-
zielle Raidinger Klangbild vor allem durch seine
anspruchs volle Präzision charakterisiert, sagt
Kutrowatz. „Man sitzt mitten im Klang. Manchmal
hat man das Gefühl, der Saal kann Gedanken lesen.
Die dynamischen Kontraste werden hier wirklich
ausgelotet und sind bis in den letzten Winkel hörbar.
Kleinspecht
klopft auf einen Birken-
stamm: ein schnarren-
der hell klingender
Trommelwirbel mit
ca. dreißig Schlägen.
Tonverteiler
Holz und die Prinzipien der Akustik
Holz ist – infolge seines Wuchses und seiner Struktur – ein Holz beim Bau von Konzertsälen
schwingungsfähiges Material, welches ihm aufgeprägte Schwin- Bei Konzertsälen sind das Volumen und die Raumform für die
gungen sehr gut weiterleitet. Wie tritt nun diese Eigenschaft Verteilung des Klangfeldes primär. Bei dieser Anwendung tritt
bei Verwendung von Holz in Erscheinung? Wir stoßen hier auf das Holz z. B. als Verkleidung von Wänden und Decke in Erschei-
mehrere Prinzipien der Akustik. nung. Dabei wirken – raumakustisch gesehen – die Oberflächen
eines Saals abhängig von Masse und Steifigkeit passiv vor allem
Holz beim Bau von Musikinstrumenten auf die dort auftreffenden Reflexionen und beeinflussen derart
Bei der Geige versetzt der Streichbogen die Saite in Schwingun- den Gesamtklang im Raum.
gen, welche über den kraftschlüssig mit der Weichholzdecke des Wenn dabei die Platten der Verkleidung hohe Steifigkeit und
Korpus verbundenen Steg (und mit einer Verbindung von Decke Masse aufweisen, findet eine fast vollständige Reflexion der auf
und Boden mittels „Stimmstock“) in den Korpus eingeleitet diese Oberflächen auftreffenden Schallenergie statt. Durch
werden. Diese Schwingungsenergie versetzt den inneren Luft- spezielle Bauarten von Holzverkleidungen kann der Akustiker mit
raum in Schwingungen, welche als (aus Grundton und Obertönen dem Prinzip der Schallabsorption verschiedene Frequenz-(Klang-)
bestehender) Ton über die „f-Löcher“ abgestrahlt werden. Der Anteile dieser auftreffenden Schallenergie gezielt „abmindern“
hölzerne, nach langer Tradition gebaute Geigenkorpus mit seiner oder „vernichten“ und damit die Farbe des Gesamtklangs in
Masse und Steifigkeit ist damit aktiv in die direkte Klangent- einem Raum regulieren:
stehung und damit auch in den Abstrahlvorgang eingebunden. _ Bei geschlitzten oder gelochten Platten entsteht Schallabsorp-
Der Frequenz- bzw. Tonumfang bestimmt die Baugröße als Geige, tion durch die Schwingungen einer in den Löchern vorhandenen
Bratsche, Cello oder Kontrabass – mit zwar frequenzverschobe- Luftmasse („Massenbelag“) auf einem Luftraum hinter der Platte
nem, aber ansonsten gleichem Klangerzeugungsprinzip. („Feder“), also durch Schwingung eines Feder-Masse-Systems.
Als andere Anwendung soll nun ein Xylophon betrachtet werden – _ Bei dünnen, membranartigen Platten entsteht Schallabsorption,
hier werden Riegel verschiedener Größe aus Hartholz angeschla- unter anderem abhängig von Steifigkeit und Masse der Platte,
gen, wobei sich die Tonhöhe aus der Härte und Steifigkeit ergibt. durch einen Schwingungszustand, mit dem den dort entstehen-
Die Klangabstrahlung entsteht durch die Eigenschwingung dieser den Reflexionen Schallenergie entzogen wird.
Holzriegel, ohne dass Luft im Hohlraum eines Instruments als Holz mit seinen Vorteilen einer geringen Masse und leichten Be-
Übertragungsmedium fungiert, und zeigt sich deutlich weniger arbeitbarkeit wird bereits seit Jahrhunderten für die Ausstattung
ausgeprägt als bei den Streichinstrumenten. von Räumen mit festlichem Charakter herangezogen. Allerdings
kann Holz aus Sicht raumakustischer Erfordernisse durchaus bei
dieser Anwendung durch andere Materialien ersetzt werden,
wenn diese weitgehend gleiche Eigenschaften der Bearbeitbar-
keit, eine geringe Masse und Steifigkeit aufweisen.
fast vollständige Reflexion eingeschränkte Reflexion
Holz hören
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Weißrückenspecht
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sitzt auf einer Buche.
Sein Klopfen erzeugt
eine rasch dahinper-
lende, dunkel ausklin-
gende Tonfolge.
Alois Pumhösel
Eine ganze Reihe von Vögeln und Insekten macht sich den Klang Der König der gefiederten Trommler ist aber der Palmkakadu.
von Bäumen, morschen Ästen oder verbauten Balken zunutze. Die Art, die in Nordaustralien und auf Neuguinea beheimatet ist,
Er hilft ihnen, die Paarung anzubahnen, ihr Revier abzugrenzen nimmt tatsächlich ein Holzstöckchen in den Schnabel, um mit
oder Nahrung zu finden. diesem „Trommelschlägel“ auf tote Baumstämme zu klopfen.
Tok-tok. Schwarzspechte klopfen an, bevor sie ihre Höhle betreten. „Es dürfte ein Signal an den Partner sein“, sagt Winkler.
Wenn das Spechtpaar mit der Brutpflege beschäftigt ist, ist das Neben Vögeln verwenden auch Insekten Holzgeräusche zur
ihr Zeichen für den Schichtwechsel bei den Jungen. „Der ankom- Kommunikation und Orientierung. Ein Beispiel sind die Stenopel-
mende Schwarzspecht klopft, um sich anzukündigen“, sagt Hans matidae: Die bis zu 5 cm großen grillenartigen Bewohner Amerikas
Winkler vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltens- und Asiens kommunizieren, indem sie ihren Hinterleib auf den
forschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „Es ist Boden schlagen. Über den Substratschall, also Vibrationen in
wie das Anklopfen an einer Tür. Der eine Partner kommt danach Materialien wie Holz, verabreden sich die Tiere zur Paarung.
aus der Bruthöhle heraus, der andere geht hinein.“ Eine besondere Fähigkeit haben australische Trockenholztermiten,
Der Specht ist wohl das bekannteste Tier, das sich den Klang von wie Forscher vor wenigen Jahren entdeckten. Sie bevorzugen für
Holz zunutze macht. Wenn sich der Frühling ankündigt, beginnt ihre Mahlzeiten eher kleinere Hölzer. Die Größe eines Stückes
etwa das Trommeln der Buntspechte in den mitteleuropäischen können die blinden Tiere offenbar über den Schall wahrnehmen,
Laubwäldern. Die Männchen versuchen damit, ihr Revier abzu- der beim ersten Annagen entsteht.
grenzen und um ein Weibchen zu werben. „Das Trommeln und Der Gescheckte Nagekäfer, auch Bunter Pochkäfer genannt,
Klopfen der Spechte hat eine ähnliche Funktion wie der Gesang bei dem die Männchen mit dem Klopfen auf Holz Partnerinnen
bei Singvögeln“, sagt Winkler. Und nicht nur das: Mit dem Klop- anlocken, fand sogar Eingang in Literatur und Musik. Er und die
fen auf Holz erkennen die Tiere auch, ob das Holz hohl ist oder Gemeine Staublaus, die ein ähnliches Verhalten an den Tag legt,
nicht, ob es sich also lohnt, eine Höhle anzulegen, und ob sich in wurden im Volksglauben als Totenuhr bekannt. Das Klopfen,
der Baumrinde ihre bevorzugte Nahrung – Larven und Käfer – das vom Käferbefall eines Hauses zeugte, wurde einst als Anzei-
finden lässt. chen für den nahenden Tod eines Bewohners gedeutet. Die Toten-
Wie die Spechte die Schallwellen, die das Holz hohl klingen uhr tickt nicht nur in Werken von Eduard Mörike, Georg Büchner
lassen, genau aufnehmen und verarbeiten, sei noch nicht genau und Ludwig Anzengruber, sondern auch an einer dramatischen
ergründet, erklärt der Verhaltensforscher. „Fest steht, dass sie Stelle in Anton Bruckners 8. Sinfonie in c-Moll.
Hohlräume sogar unabhängig vom Material erkennen können.
Das beweist der Umstand, dass die Tiere ihre Höhlen mittlerweile
Alois Pumhösel
oft in hohl klingendem Styropor-Wärmeschutz bauen.“
geboren 1976, ist freier Journalist mit Schwerpunkt Wissenschaft,
Über 200 Spechtarten gibt es, und natürlich unterscheiden sich Umwelt und Technologie. Er verfasst u. a. regelmäßig Beiträge für die
ihre Klopftaktiken und die Signale, die sie damit aussenden. Tageszeitung Der Standard.
Auch andere Vögel, etwa Kleiber, klopfen auf Holz, um mit Art-
genossen zu kommunizieren. „Als Signalsystem ist das Klopfen
bei Kleibern aber längst nicht so ausgeprägt wie bei den Spech-
ten“, sagt Winkler.
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Esther Pirchner
Was macht den Klang eines Saiteninstruments aus? Kommt es Ob das Holz eher „widerspenstig oder gefällig“ ist, sich mehr oder
auf das verwendete Holz an und auf seine physikalischen Eigen- weniger verzieht, zeigt sich erst, nachdem der Stamm in kleinere
schaften? Liegt es daran, wo ein Stamm gewachsen ist, wann er Längen zersägt, diese aufgespalten und ein Jahr lang getrocknet
gefällt, wie er aufgespalten und gelagert wird? Oder gibt viel- wurden. Erst dann werden die Teile ihrer künftigen Verwendung
mehr die Meisterschaft des Geigenbauers den Ton an, die Art, für Geigen, Gitarren oder Celli zugeordnet, kleiner geschnitten,
wie er die Teile zuschneidet, bearbeitet und zusammenfügt? weitere ein, zwei Jahre getrocknet und im Anschluss gehobelt und
Spricht man vom Material, so muss man etwa Grundierung und gelagert. Bis ein Geigenbauer ein solches Stück Tonholz in die Hand
Lack mitdenken, auch wenn das Instrument vor allem aus Holz bekommt, vergehen insgesamt rund fünf Jahre, und meist wägt
gemacht ist: Zarge, Boden, Hals und Steg aus Riegel-Ahorn mit er sehr genau ab, aus welchen Stücken er seine Instrumente baut.
seiner besonders schönen, changierenden Maserung; Griffbrett, Ein gutes Holz verschaffe einem Geigenbauer immer einen Vor-
Wirbel und Saitenhalter aus Ebenholz, das sehr hart und stabil ist; teil, sagt Pahler. Bei aller Sorgfalt, die er auf die Qualität verwen-
die Decke des Korpus und der Stimmstock im Inneren aus Fichte. det, hängt der ausgezeichnete Klang einer Geige aber davon ab,
Die Fichte, genauer die Gemeine Fichte (Picea abies) aus den wie ein Instrumentenbauer mit dem vorhandenen Material um-
Gebirgsregionen der Alpen, ist jenes Holz, das für den Klang die geht. Wissenschaftlich erforscht und durch jahrelange Erfahrung
größte Bedeutung hat, erläutert der Forstwissenschaftler Andreas immer mehr perfektioniert hat die Möglichkeiten der Klangge-
Pahler, der sich auf Resonanzholz für den Streichinstrumentenbau staltung der Geigenbauer und Phonetiker Stefan-Peter Greiner.
spezialisiert hat und seine Hölzer weltweit verkauft. Der Werkstoff Eine Untersuchung zur Klangabstrahlung von Geigen, die er mit
ist sehr leicht, dabei zugleich stabil und biegsam. Um Tonholz zu dem Physiker Heinrich Dünnwald durchführte, ergab, dass Geigen-
gewinnen, wählt Pahler, der im bayerischen Raum tätig ist, gerade klang als besonders schön wahrgenommen wird, wenn er dem
gewachsene, astfreie Bäume aus, die auf über 1.000 Metern See- Klang der menschlichen Stimme ähnelt. Diesem Ideal kommt
höhe und damit sehr langsam gewachsen sind. Dadurch liegen Greiner sehr nahe, und er ist damit außerordentlich erfolgreich:
die Jahrringe dicht beieinander, das Spätholz ist sehr dünn. Eine Seine Violinen, Bratschen und Violoncelli zählen zu den ganz
geringe Rohdichte und eine hohe Schallgeschwindigkeit sind wenigen modernen Instrumenten, die Solisten neben oder statt
ebenfalls Werte, auf die bei Resonanzholz geachtet wird. einer Stradivari oder Guarneri im Konzert spielen.
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Holz hören
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Birkenast an Holzzaun
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Mit einem Birkenast am
Lattenzaun entlang-
streichen, es rattern die
Töne kurz, hart und
trocken dahin.
Selbstverständlich arbeitet auch Greiner mit einer regelmäßig Den allerletzten Schliff erhält das Instrument aber erst, nachdem
gewachsenen Alpenfichte, aber mit einem Stamm, der ursprüng- es einige Zeit gespielt wurde, weil auch das Spielen den Klang
lich nicht als Tonholz gedacht war. Diesen hat er vor etlichen beeinflusst. Durch das Verschieben des Stimmstocks, Verände-
Jahren bei einem Holzhändler in Tirol erworben und vor allem rungen am Steg oder an den Saiten wird dann das Klangbild
aus ästhetischen Gründen ausgewählt, ihn in zehn Stücke à 50 cm noch variiert – so lange, bis der Gesang der Geige dem Musiker,
aufteilen und diese aufspalten lassen. 300 Decken hat er daraus der sie spielt, am schönsten in den Ohren klingt.
schon gemacht, für 300 bis 400 weitere wird das Holz noch
reichen. Die Holzeigenschaften, da sind sich Pahler und Greiner
Esther Pirchner ist Journalistin mit Schwerpunkt Musik, Lektorin und Autorin
einig, sind auch innerhalb eines ganz regelmäßigen, feinjährigen
von Programmbüchern.
Stammes nicht überall gleich. Während aber laut Pahler nur rund
20 Prozent eines guten Stammes für den Instrumentenbau geeig-
net sind, betont Greiner, dass diese Unterschiede für den Klang
kaum eine Rolle spielten (und er einen Zusammenhang auch
physikalisch nicht habe nachweisen können). Vielmehr komme
es auf die Konstruktion an: „Ich kann das Material nicht ändern,
aber ich kann darauf reagieren.“ Eine Decke aus weicherem Holz
wird meist dicker ausfallen als eine aus härterem, der Klang –
wie bei der Gesangsstimme – einmal dunkler, einmal heller.
Die Klangeinrichtung nimmt Greiner schon vor, bevor er den Lack Alpentonholz Pahler
aufbringt, indem er die Holzstärken von außen minimal verändert. Mittenwald und Markt Indersdorf/D
www.alpentonholz.de
Fünf Jahre sind das Minimum: Das Holz muss lange trocknen und lagern,
bevor es zu einem Instrument verarbeitet werden kann.
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Klangholz
Es gibt viele verschiedene Hölzer, die im Musikinstrumentenbau zum Einsatz kommen, Literatur
doch nur einige wenige Holzarten werden der Bezeichnung Klangholz gerecht, da nur sie Holzspektrum – Ansichten,
wirklich an der Klangerzeugung oder Klangabstrahlung beteiligt sind. Sie dienen als Beschreibungen und Ver-
gleichswerte
Resonanzplatte bei Zupf- und Streichinstrumenten, als Resonanzboden bei Klavieren oder
Josef Fellner, Alfred
in Form von Platten oder Stäben als selbstklingende Instrumente. Die heimische Fichte Teischinger, Walter Zschokke
ist dabei das am häufigsten verwendete Klangholz für Streich- und Tasteninstrumente. proHolz Austria (Hg.),
Bei Selbstklingern wie dem Xylophon hingegen muss das Holz besonders schwer sein, damit Wien 2006
es länger klingt – hier kommen fast ausschließlich tropische Hölzer zum Einsatz. zu bestellen unter:
Bei der Auswahl eines Holzes für Resonanzplatten (z. B. Geigendecken) ist das Verhältnis shop.proholz.at
von Elastizität zu Dichte ausschlaggebend. Bei möglichst geringer Rohdichte sollte das Musik und Wald
Elastizitätsmodul groß sein, damit das Holz sich leicht in Schwingung versetzen lässt. Helmut Schmidt-Vogt
Die Nadelhölzer, allen voran die Fichte entsprechen diesen Forderungen viel besser als Freiburg im Breisgau 1996
Laubhölzer. Aber auch von der Fichte kommen nur die hochwertigen Rohlinge zum Einsatz,
solche, die enge Jahrringe, keine Wuchsfehler und keine Druckholzzonen aufweisen. Holz als Rohstoff für den
Musikinstrumentenbau
Gunther Ziegenhals vom Institut für Musikinstrumentenbau (IfM) an der Technischen
Hans Georg Richter
Universität Dresden betont, dass viel wichtiger als enge Jahrringe die Verarbeitung des Celle 1988
Holzes ist: Die Jahrringe müssen senkrecht stehend verwendet werden, weil nur dann der
Elastizitätsmodul am günstigsten ist. Es haben also neben den Holzeigenschaften auch
immer die konstruktiven und handwerklichen Ausführungen einen großen Einfluss auf die
Qualität des Instruments.
Ahorn
Ahornholz ist kleinporig, re-
lativ hart, aber elastisch und
biegsam. Es braucht länger,
bis es zum Klingen gebracht Buchsbaum
wird, schwingt dafür auch Birnbaum Buchsbaumholz ist ein schwe- Elsbeere
länger nach als Fichte. Birnbaumholz ist sehr dicht res, stark schwinden des Holz. Elsbeerholz ist schwer und
und hart. Neben Ahorn ist es Es ist sehr hart und dicht. hart und hat eine hohe Esche
_ Boden, Zarge, Hals und
das meistverwendete Holz Maßhaltigkeit. Eschenholz ist schwer und
Steg von Streichinstrumenten _ Griffbrett, Wirbel, Saiten-
für Blockflöten. hart, zäh und elastisch zu
(Geige, Bratsche, Cello) halter von Saiteninstrumenten _ Flöten und Orgelpfeifen
gleich.
_ Holzblasinstrumente _ Blockflöte _ Holzblas instrumente _ mechanische Teile im
(Blockflöte, Fagott usw.) _ Schnecke von Geigen _ historische Instrumente Klavierbau _ Schlagstäbe
Rohdichte: 623 kg⁄ m 3 Rohdichte: 732 kg⁄ m 3 Rohdichte: 900 kg⁄ m 3 Rohdichte: 750 kg⁄ m 3 Rohdichte: 702 kg⁄ m 3
Härte: hart Härte: hart Härte: hart Härte: mittelhart bis hart Härte: hart
E-Modul: 9.400 N⁄ mm2 E-Modul: 8.000 N⁄ mm2 E-Modul: 17.200 N⁄ mm2 E-Modul: 11.700 N⁄ mm2 E-Modul: 13.400 N⁄ mm2
4 sec. 5 sec. 6 sec.
Holz hören
Schnitzelklopfen
Mit einem Schnitzel-
klopfer aus Ahornholz
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wird ein Stück Schwei-
nefleisch flachge-
klopft. Zu hören ist
zuschnitt 56.2014
eine Kombination aus
Klatsch- und Klopf-
geräuschen mit einer
dumpfen Resonanz im
Hartholzbrett.
Fichte
Fichtenholz ist leicht und
weich. Es lässt sich gut in
Schwingung bringen, kann
aber den Ton nicht lange Tanne
halten (= kurze Ansprache). Tannenholz gleicht weit-
Klangholz für Streich- und gehend dem Fichtenholz.
Tasteninstrumente. Hainbuche Es dient vorwiegend als
Hainbuchenholz ist eine Linde Resonanzholz tief gestimm-
_ Resonanzdecke von
der schwersten heimischen Das Lindenholz ist weich und ter Saiteninstrumente.
Saiteninstrumenten (Geige,
Holzarten. mittelschwer.
Bratsche, Cello, Harfe, Gitarre) _ Violoncello, Kontrabass,
_ Klangböden von Klavier, _ Schlagstäbe Kiefer _ Reifchen, Ober- und Bratsche und tief gestimmte
Cembalo _ Klavier mechanik (Hämmer) Das Kiefernholz ist sehr harz- Unterklotz von Gitarren Zupfinstrumente
reich. Das durch Destillation
Rohdichte: 441 kg⁄ m 3 Rohdichte: 780 kg⁄ m 3 gewonnene Kolophonium Rohdichte: 553 kg⁄ m 3 Rohdichte: 441 kg⁄ m 3
Härte: weich Härte: hart wird zum Harzen von Geigen- Härte: weich Härte: weich
E-Modul: 12.500 N⁄ mm2 E-Modul: 16.200 N⁄ mm2 böden verwendet. E-Modul: 9.000 N⁄ mm2 E-Modul: 11.000 N⁄ mm2
0 sec. 1 sec. 2 sec. 3 sec.
Holzgeräusche
Was erzählen Sie uns? klappen
einen leisen Knall geben, ein leichtes, hartes Geräusch machen
die Tür klappte, schloss sich mit leise knallendem Geräusch, fiel ins Schloss
Rupert Wimmer
Holz hören
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Offenes Feuer
Kaminfeuer im Ofen
mit offener Tür: Die
zuschnitt 56.2014
brennenden Holz-
scheite machen leise
und helle knackende,
teils auch knallende
Geräusche.
Anne Isopp
knistern
leise und hell knackende, raschelnde Laute von sich geben
trockene oder brennende Zweige knistern, es knistert im Gebälk,
Gefahr droht (ursprünglich wie von Feuer oder nicht mehr tragfähigen Balken),
das Feuer knistert im Ofen Quelle: Wahrig Deutsches Wörterbuch, 2008
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Burkhard Strassmann
Ein Mann steht im Walde, ganz still und stumm. Er hat einen Reden Bäume? Tuscheln Pflanzen? Schreit vielleicht gar die
Kopf hörer aufgesetzt, der hängt an elektronischem Gerät, Möhre, wenn der Vegetarier besten Gewissens hineinbeißt?
das über mehrere Kabel mit einer Waldkiefer verbunden ist. Hat Gemüse am Ende nicht nur die Möglichkeit, sich zu äußern,
Der Baum ist mit Pflastern, Sonden und Sensoren bestückt wie sondern sogar so etwas wie Ohren? Oder genereller gefragt:
ein schwerer Fall auf der Intensivstation. Der Mann geht einer Wird im Pflanzenreich kommuniziert?
ungewöhnlichen Beschäf tigung nach. Er belauscht Bäume. Diese etwas beängstigende Vorstellung ist nicht ganz neu.
Und tatsächlich: Die Waldkiefer Pinus sylvestris flüstert: „Ich Esoteriker umarmen Bäume schon länger. Weit verbreitet ist die
habe Durst“. Überzeugung, dass Topfpflanzen, mit denen wir sprechen, besser
Solche Seltsamkeiten erzählt Roman Zweifel, der Mann, der mit gedeihen als solche, die nur gegossen werden. Es gibt Bauern,
Kopfhörern nahe dem Weindorf Salgesch im Schweizer Wallis im die ihre Felder mit Musik von Vivaldi oder Mozart beschallen,
Wald steht. Er ist Biologe und angestellt bei der Eidgenössischen weil sie sicher sind, dass so der Ertrag steigt. Schon in Märchen
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (wsl). In und Mythen schließen sich wie selbstverständlich Bäume zusam-
der inner alpinen Trockenzone 50 km östlich des Genfer Sees be- men zu einem Wald, der ein Ich und einen (allzu oft finsteren)
lauscht er Waldkiefern, die hier öfter Durst haben. Das sagen sie Willen hat. Und als man in den 1970er Jahren Pflanzen im Zeit-
dann natürlich nicht wortwörtlich. Zweifel übersetzt ihre Äuße- raffer filmte und sah, wie sie Nahrung suchten, kooperierten oder
rungen. Ihr „Flüstern“ setzt sich in Wirklichkeit aus Ultraschallsi- Kriege führten, war für viele der Nachweis erbracht: Die Pflanze
gnalen zusammen, die elektronisch in hörbaren Schall transfor- bewegt sich wie Mensch und Tier, nur eben extrem langsam.
miert werden. Das Ergebnis tönt wie Klick- und Knackgeräusche. Das rief Parawissenschaftler auf den Plan, doch bald verbreitete
sich selbst unter seriösen Forschern Unruhe. Bioakustiker, die
sonst Tierstimmen erforschen, begannen über Pflanzen nach-
zudenken. „Pflanzenkommunikationsforscher“ wurden belächelt
oder bestaunt. Und es entstand sogar ein neues, nicht unum-
strittenes Forschungsgebiet, die „Pflanzenneurobiologie“. Hier
diskutierte man über gehirnähnliche Strukturen im Pflanzenreich,
über pflanzliche Synapsen und sogar über Pflanzenintelligenz.
Von „denkendem Kohl“ war die Rede.
Roman Zweifel ist da bescheidener. Er will kein Baumflüsterer
sein. Das Baumflüstern entstehe, sagt er, wenn der Wasserfluss
von den Wurzeln zu den Blättern abreiße, wie es eben bei
Trockenheit vorkommt. Kleine Knaller im Ultraschallbereich
werden dann emittiert. Dieser Zusammenhang ist schon seit
Jahrzehnten bekannt. Zweifel war allerdings der Erste, der in
Zusammenarbeit mit Klangkünstlern und Computermusikern die
Signale hörbar machte. In San Francisco führten er und der
Klangkünstler Marcus Maeder das Konzert „Trees: Downy Oak“
(„Bäume: Flaumeiche“) auf. Aus herabhängenden Kugelboxen
jaulten, heulten, seufzten Flaumeichen aus dem heimischen
Wallis, untermalt von rieselndem Streichersound. Das Lied der
Flaumeiche erinnerte an einen meditationstauglichen Klang-
teppich.
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Holz hören
16
17
Balkensägen
zuschnitt 56.2014
Per Hand wird ein
Balken aus Weißtanne
durchsägt. Rhythmi -
sches, raues und durch-
dringendes Kratzen der
Metallzähne im Holz
wechselt sich mit dem
schleifenden Geräusch
ab, mit dem sich die Säge
wieder zurückzieht.
Zweifel ist überzeugt, dass er aus den Lauten von Kiefer und Eiche Wasserfluss in den Bäumen
viel erfahren kann, dass sie mehr zu sagen haben als „Durst“. Bäume saugen mit Salzen und Spurenelementen ange-
Übers Wetter könnten sie zum Beispiel reden, über den Boden reichertes Wasser in die Krone. Die treibende Kraft
oder darüber, ob ihnen der Magen knurrt. Sogar zur globalen hinter dem Vorgang ist primär die Verdunstung von
Klimaveränderung dürften Bäume etwas zu sagen haben – und Wasser aus den Blättern, die Transpiration. Je größer
auf diese Weise vielleicht einmal Wächterfunktionen übernehmen. die Sonnenstrahlung, je trockener die Luft und je
„Noch sind die Signale diffus und unverstanden“, sagt Zweifel. windiger es ist, desto mehr Wasser verdunstet. Das
Doch irgendwann, da ist er sich sicher, wird er die Signale der verdunstete Wasser erzeugt ein Wasserdefizit in den
Bäume verstehen. Blättern und damit einen Unterdruck. Der Fachmann
spricht auch von einem erniedrigten Blattwasserpoten-
zial. Als Konsequenz entsteht ein Sog innerhalb des
Burkhard Strassmann
Wasserleitsystems des Baums, der Wasser zuerst aus
Autor im Ressort Wissen der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit.
Dieser Text ist in einer ausführlicheren Fassung ebenda erschienen. den Ästen, dann aus dem Stamm, aus den Wurzeln
und schlussendlich aus dem Boden nach oben saugt.
Die zeitliche Verzögerung von der Transpiration in den
Blättern bis zum Nachfließen des Wassers am Stamm-
fuß beträgt zwischen wenigen Minuten und mehreren
Stunden, je nach Baumart. Kapillarkräfte spielen bei
trees
diesen Wassertransportprozessen im Baum kaum eine
trees ist ein Forschungsprojekt der Mehr über Musik mit Bäumen gibt es hier:
Zürcher Hochschule der Künste
Rolle, zu groß ist der durch die Transpiration induzierte
(ZHdK) in Zusammenarbeit mit der Literatur Unterdruck von bis zu einigen Dutzend Bar. Fehlen
Eidgenössischen Forschungsanstalt Baum Mensch Klang Kunst aber z. B. im Frühling kurz vor dem Laubaustrieb die
für Wald, Schnee und Landschaft Ein wissenschaftlich-künstlerisches Ausstellungs- Blätter, können kapillare und osmotische Kräfte den
(wsl). Das Forschungsprojekt trees projekt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Antrieb von Wasser innerhalb der Pflanze so lange
beschäftigt sich mit der klanglichen Christoph Flamm (Hg.), Klagenfurt 2014
übernehmen, bis die Transpiration wieder einsetzt.
Erfassung, Analyse und Darstellung Euro 19,80
von ökophysiologischen und klimati-
schen Prozessen und den akustischen Internet
Roman Zweifel
und ästhetischen Bedingun gen ihrer 25 woodworms, wood, microphone, sound system
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Eidgenössischen
Erfahrbarmachung. Es sollen Aus- Dem Schweizer Künstler Zimoun dient das
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (wsl)
sagen darüber ermöglicht werden, geschäftige Treiben der Holzwürmer im Holz
was wann wo in einer Pflanze akus- als Basis für seine Soundinstallation.
tisch geschieht und mit welchen www.zimoun.net⁄ 2009-25.html
ökophysiologischen Prozessen die
Geräusche zusammenhängen. Lang- Years
zeit-Messungen sollen erkunden, ob Wie hört sich eine Holzscheibe an? Bartholomäus
sich Phänomene des Klimawandels Traubeck übersetzt die Jahresringe hölzerner
auch akustisch in Bäumen manifes- Schallplatten in Klaviertöne.
tieren können. www.traubeck.com⁄ years
Tonpuzzle
Gemeindekulturzentrum in Ischgl
Eva Guttmann
Auf dem ehemaligen Dorfanger – zwischen altem Akustisch gab es für die Planer Michael Fuchs und
und neuem Widum sowie der Kirche – errichteten Barbara Poberschnigg von parc architekten zwei
parc architekten ein Gemeindekulturzentrum, verschiedene Anforderungen: Im Musikproberaum
dessen Herz der Musikprobesaal für die mehr als steht der Kapellmeister buchstäblich im Zentrum.
hundertköpfige Dorfkapelle ist. Bei ihm „konzentriert“ sich der Klang, für ihn muss
Das Bauwerk, dessen Planung neben den funktiona- jedes einzelne Instrument hör- und ortbar sein.
len Erfordernissen durch die Hanglage des Grund- Zugleich war es wichtig, den Raum akustisch „tro-
stücks sowie den unterirdisch querenden und anzu- cken“, das heißt, mit möglichst wenig Nachhall zu
bindenden Dorftunnel bestimmt war, schiebt sich konzipieren, damit die Lärmbelastung für die Musi-
in den begrünten Hügel hinein, öffnet sich jedoch kerinnen und Musiker nicht zu groß ist. Um Flatter-
zur Kirche, wodurch ein Vorplatz mit überdachter echos zu vermeiden, stehen Wände und Decke
Bühne an der Nordseite sowie Sitzstufen im anstei- zueinander nicht parallel. Die Oberflächen werden
genden Gelände an der Südseite geschaffen wurde. nun fast zur Gänze aus Absorberelementen gebil-
Obwohl der Bau großteils unter Terrain situiert ist, det, die vom Fachplaner für Bauphysik und Akustik
dringt über die verglaste Eingangsfront bzw. das an auf Grundlage von Berechnungen definiert wurden.
einer Ecke über das Gelände hinausragende Dach Prinzipiell bestehen sie aus einer durch Löcher
viel Tageslicht ins Foyer, den Musiksaal und den perforierten Deckschicht aus Eichenfurnier mit
Gemeinschaftsraum, es besteht vielfacher Sichtbe- einer dahinterliegenden, weichen Absorberschicht,
zug nach außen. Durch die Integrierung ins Gelän- die aus einem Akustikvlies und einer 30 mm starken
de, das begrünte Dach und die reduzierte Material- Mineralwolldämmung besteht. Diese weist an ihrer
wahl – Sichtbeton, Glas und Eichenholz – nimmt Rückseite ebenfalls Perforierungen auf, um den
sich das Gebäude gegenüber den dominanten Schall ein weiteres Mal zu reflektieren und eine
Hotelbauten stark zurück und bildet einen atmo- präzise Schalllenkung zur ermöglichen. Je nach
sphärischen Kontrapunkt. Absorbertyp haben diese Elemente bestimmte
Eigenschaften und schlucken entweder hohe oder
tiefe Frequenzen. Wichtig war es, durch die richtige
Mischung unterschiedlicher Absorberelemente ein
ausgewogenes Klangbild zu erzeugen und ihre Stel-
lung für eine optimale Probenakustik auszurichten.
Holz hören
Mikado
Das Geschicklichkeits-
19
18
spiel startet mit dem
Wurf der dünnen Holz-
stäbchen. Zu hören
zuschnitt 56.2014
sind das Aufsetzen
des Bündels und das
knis ternde, zitternde
Fallen und Sich-Aus-
breiten der 41 Stäbe.
Insgesamt gibt es 500 sich großteils geometrisch keine absorbierenden, sondern schalllenkende
voneinander unterscheidende Akustikelemente, die Elemente, wie die Rückwand der Bühne, die
mittels 3D-Planung auf die Raumgeometrie abge- Paneele der Decke bzw. die schräg gestellten,
stimmt wurden. Zusätzlich mussten Belichtung, vertikalen Lamellen vor dem Gemeinschaftsraum.
Fugenbild und Furnierrichtung bedacht werden, Die Materialwahl für das gesamte Bauwerk erfolgte
was einen hochkomplexen Planungs-, Produktions- unter dem Aspekt, der expliziten Form eine redu-
und Montageablauf erforderte. An diesem waren zierte Materialität zur Seite zu stellen. Alle Holzele-
neben Architekten und Fachplanern auch Holzin- mente – Böden, Wände, Decken, Musikpavillon und
dustrie und Tischler beteiligt, die von Anfang an in Sitzstufen – wurden in heller Eiche ausgeführt,
den Prozess eingebunden waren. So wurden die wofür einerseits das elegante Erscheinungsbild,
Grundelemente gemeinsam entwickelt, industriell andererseits die Dauerhaftigkeit dieser Holzart aus-
gefertigt und schließlich vom Tischler auf Grund- schlaggebend war. Der Betonkörper bildet nun eine
lage einer Werkplanung der Architekten montiert. „harte Kruste“, die den „weichen Kern“ schützt und
Im Gegensatz zum Musikproberaum wurde die die Wirkung des kostbaren, warmen und haptischen
überdachte Bühne für die Auftritte der Kapelle so Inneren des Proberaums, der wie eine Schatulle in
konzipiert, dass der Schall nicht geschluckt, sondern den Baukörper implementiert wurde, unterstreicht
zum Publikum gelenkt wird. Hier gibt es daher und verstärkt.
Eva Guttmann
2004 bis 2009 leitende Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt,
Architekturpublizistin
Aufbau Akustikpaneel:
Eiche furniert, 20 mm
teilweise gelocht
Akustikvlies schwarz
Unterkonstruktion
dazwischen Mineralwolle 30 mm
Stahlbetondecke⁄ -wand
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Der Ton-Raum-Künstler Bernhard Leitner Bernhard Leitner Die Macht der Akustik Gleiten umfassen, reibende Geräusche der
und der deutsche Architekturkritiker liegt im Einfinden eines Menschen in Bewegung auf Böden. Eine dritte Katego-
Ulrich Conrads sprachen über die Macht den Klang des Raumes, in die Zeit eines rie wäre dann das Schließen und Öffnen.
der Akustik, wie täuschungsanfällig Raumes. Dabei ist es der Mensch selbst, Wir schlagen Tore, Türen, Klappen, Läden,
unser Ohr ist und welches Material wie der den Raum zum Klingen bringen muss – Deckel zu oder öffnen sie. Das heißt, wir
klingt. durch Schritte, Worte, durch geräuscher- erzeugen Geräusche, indem wir bestimmte
zeugendes Handeln, durch sein Atmen. Bauteile bewegen, hierunter fällt also die
Ulrich Conrads Die Reiseberichte des frü-
Diese Verknüpfung von Mensch und ganze Familie von Tätigkeiten, die mit
hen Mittelalters geben Kunde von einem
Raum, die, da durch Töne hergestellt, bis Schließen, Absperren, Zuklappen, Hinstel-
Menschenschlag, der mit übergroßen,
tief in das Innerste des Menschen reicht, len, Hinlegen zu umschreiben ist. Alle diese
schirmartigen Ohren ausgestattet sei.
ist wie eine Art Dialog, für den die akus- Geräusche lassen sofort auf Art, Tempo
Schade, dass nicht überliefert ist, wie diese
tischen Prämissen bestimmend sind. und Charakter der Bewegung schließen.
Menschen hörten. Mittlerweile wünschen
Dieser Dialog führt zur Selbsterfahrung
wir uns selbst oft ganz kleine, unemp- Bernhard Leitner Das Ohr ist ein sehr
im Klang des Raumes.
findliche Ohren, um den peinigenden feines, räumliches Messinstrument.
akustischen Missverhältnissen in so man- Ulrich Conrads Man kann sagen: Wie das Auge. Nur wird das Ohr vom
chem Neubau zu entgehen, von den Eine Kategorie der Geräuscherzeugung wissenden Verstand sehr oft noch weit
Lärmbelästigungen ganz zu schweigen. hat mit unserer Eigenbewegung zu tun: mehr manipuliert als das Auge. Es ist
Gehen, Laufen, Trippeln, Steigen usw. Eine sozusagen täuschungsanfälliger: Man
zweite würde alles Schleifen, Schlürfen, hört, was man hören will, wo man es sieht
und wie man es weiß.
Ulrich Conrads Aber ob unser Gehör auch
die ästhetischen Qualitäten eines Raumes
auszumachen vermag? Auge und Ohr
können einander wohl ergänzen, so wie
sie einander lähmen können, aber nicht
ersetzen.
Bernhard Leitner Ein visuell gut propor tio-
nierter, gut ausgewogener Raum muss nicht
unbedingt gut klingen. Andererseits: Muss
ein wohlklingender Raum notwendiger-
weise auch ästhetisch befriedigend sein?
Im Teatro Farnese in Parma wurde die gesamte Holzkonstruktion, von den Sitz-
stufen bis zu den Säulen, mit Stuck verziert, um Marmor vorzutäuschen.
Giovanni Battista Aleotti hat das barocke Hoftheater 1618 errichtet, im Zweiten
Weltkrieg wurde es zerstört, in den 1950er Jahren originalgetreu rekonstruiert
und 2011 wieder in Betrieb genommen.
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Holz hören
Knarrende Holztreppe
Eine alte Treppe aus
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Tannenholz, bei Belas-
tung reibt sich Holz
an Holz. Die Stufen
zuschnitt 56.2014
ächzen, raunzen und
quietschen, überlagert
vom warmen Klang
der Schuhsohlen auf
den Stufen.
Oder ist es so, dass man Proportionen vi- Bernhard Leitner Das Material Stein im Kristall und Zahl sind sein inneres Geheim-
suell besonders gut findet, weil der Raum Innenraum einer Kathedrale lässt die tie- nis, sein Klang kann entdeckt und geweckt
sehr gut klingt? Interessant sind jene klei- feren Frequenzen besonders lang im Raum werden. Kunststoff dagegen ist ein völlig
neren süddeutschen Landkirchen mit ihren hin- und herschwingen, was den Raum totes Material; ein Raum mit Plastikwänden
Säulen, Gesimsen, Altaraufbauten aus mystisch erscheinen lässt und die Raum- ist nicht zum Klingen zu bringen. Man
Marmor, der in Wirklichkeit mit hoher Wahrnehmung körperlich-irrational macht. wird im Plastikraum natürlich etwas hören,
Kunst fertigkeit marmor artig angestriche- Natürlich, vielleicht sind religiöse Ehrfurcht, wird auch den Raum akustisch vermessen
nes Holz ist. Was vordergründig nur als Erziehung oder irgendeine Alltagskon- können. Sich bio-akustisch mit ihm ver-
ökonomische Ersatzlösung verstanden vention der Grund dafür, dass man beim binden, mit ihm eins sein aber kann man
werden könnte, verbindet, sinnverwirrend Betreten einer Kathedrale mit gedämpfter nicht. Um noch einmal auf das Holz zu-
und sinnver tauschend, den visuellen wie Stimme spricht. Diese akustische Scheu – rückzukommen: Raumtrennende Wände
ideellen Reichtum von Marmor mit dem Scheu tritt auf, wenn man nicht verletzen oder Böden aus Holz sind nicht selten
klanglich idealen Holz. Auge und Ohr mes- will oder wenn man sich des Ortes oder weniger Trennung als Verbindung von
sen verschieden. Was das Auge hier hart, der Sache nicht ganz sicher ist – will die zwei Räumen und oft notwendig, wenn es
glatt-reflektierend sieht, hört das Ohr große Stille nicht stören. Vielleicht ist um das Klingen von Raum geht. Unter
weich-mitschwingend. Das Auge kann das Flüstern auch ein Ahnen, dass ein lauter dem Holzboden des Wiener-Musikvereins-
Ohr, wie gesagt, beim Orten von Ton im Dialog zwischen Einzelnen nicht dem Saals befindet sich ein Lagerraum. Der
Raum verführen, nicht aber kann es sein Raum-Sinn einer Kathedrale entspricht. Boden ist eine schwingende Membran
Raum-Empfinden außer Kraft setzen. Auch zwischen den Räumen, die Räume darun-
ein völlig mit marmoriertem Holz getäfelter Ulrich Conrads Eine laute Rede, ein lauter ter sind also integraler Teil des Konzert-
Raum kann nicht kalt und hallig klingen. Ruf kommen in ihrer ganzen Wirkung auf saals, der Saal ist somit wesentlich größer
einen selbst zurück in der Stille des großen als der vom Auge wahrgenommene Raum.
Ulrich Conrads Der Mensch muss den Raumes. Das erschreckt.
Raum erst zum Klingen bringen, sagten Sie. Dies ist eine gekürzte Fassung des Gesprächs zwi-
Man kann ganz allgemein feststellen: Es Bernhard Leitner Holz ist, versteht sich, schen Bernhard Leitner und Ulrich Conrads, das
sind die durch sich selbst und ihr gegen- ein besonders beseeltes Material. Es 1985 in der Architekturzeitschrift Daidalos Nr. 17
seitiges Einwirken bewegten beweglichen antwortet eigentlich immer, schwingt mit, erschienen ist.
Elemente, die Geräusche und Töne erzeu- klingt mit. Die Veränderungen, die in
gen. Feuer faucht und zischt, Luft und diesem Material vor sich gehen können,
Wasser produzieren eine nahezu unendliche lassen sich offensichtlich nicht messen. Bernhard Leitner
ist ein österreichischer Ton-Raum-Künstler.
Vielfalt von Lauten, wo immer sie sich an Erst ein guter Geiger bringt ein gutes
Seit Ende der 1960er Jahre arbeitet er im Grenz-
Festem brechen. Nur die Erde, das Feste, Instrument richtig zum Klingen, ein bereich von Architektur, Skulptur und Musik.
schweigt. Fels und Stein sind stumm. Doch schlechter Spieler kann es auf Dauer Er begreift Klänge als konstruktives Material, setzt
sie geben der Welt der Laute Nahrung, ruinieren. Holz lebt und lebt mit. sie wie architektonische Elemente ein, um einen
sobald sie angestoßen, zum Schwingen, Es ist bekannt, dass einige Amati-Geigen Raum entstehen zu lassen.
zum Tönen gebracht werden. Stumm sind bereits gestorben sind, selbst ein Virtuose www.bernhardleitner.at
auch die Pflanzen und die niederen Lebe- kann sie nicht mehr zum Klingen bringen.
Ulrich Conrads
wesen des Tierreichs – bis zu jener Grenze, Das Material hat aufgehört zu leben. war deutscher Architekturkritiker, Stadtplanungs-
wo Bewegung in Selbstäußerung, also in Auch Naturstein hat, obwohl ein hartes kritiker und Publizist. 2013 starb er im Alter von
(begrenzte) Artikulation übergeht. Material, sein eigenes Klangsystem; neunzig Jahren.
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Die Haselfichte
Eine willkommene Anormalität
Christoph Buksnowitz
Wissenschaftler, Forschungsarbeit „Die Haselfichte – wissen-
schaftliche Beurteilung der Holzeigenschaften (eine Potential-
analyse)“ gemeinsam mit Alfred Teischinger an der boku Wien
Alfred Teischinger
Professor für Holztechnologie an der boku Wien
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Holz hören
Holzkegelbahn
Das holpernde Rollen
der unrunden Hart-
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holzkugel, das Auftref-
fen und Umfallen der
Holzkegel ist wie ein
zuschnitt 56.2014
mehrschichtiges,
quirliges Klangspiel
in unterschiedlichen
Tonlagen. Getroffen
wurden alle neune.
Die Suche nach der Haselfichte Sehr häufig ist zu beobachten, dass Haselfichten Literatur
Helene Keller ihre Jugend als Unterständer verbracht haben, also Haselfichte
in einem geschlossenen Waldverband aufgewach- Verein Forum Haselfichte (Hg.),
Wenns 2014
Von außen lassen sich Haselfichten kaum erkennen. sen sind. Im Schatten der umliegenden Bäume
Broschüre
Einzig die längsrissige Borke an älteren Bäumen konnten sie nur sehr langsam wachsen. Der Zu- www.nordtiroler-haselfichte.com
scheint ein verlässliches Merkmal zu sein. Die Rinde wachs in den Jahresringen ist hier so gering, dass
dieser Bäume ist zudem meist außergewöhnlich man die einzelnen Jahresringe mit freiem Auge
dick. Wird ein Haselfichtenstamm entrindet, wer- kaum voneinander unterscheiden kann. Erst durch
den unterhalb der Wachstumsschicht, des Kam- Windwurf oder Ausholzen des Baumbestands er-
biums, dort, wo das Holz normalerweise glatt ist, hielten diese Jungbäume genügend Sonnenlicht,
längs des Stammes verlaufende Rillen sichtbar. Die- sodass von diesem Zeitpunkt an breitere Jahres-
se charakteristische Wuchsform kann entlang des ringe einen größeren Holzzuwachs anzeigen. Wa-
gesamten Baumstamms auftreten. Erst nach dem rum Fichten und andere Nadelholzarten wie Zirbe
Fällen des Baums und beim Betrachten der Baum- und Tanne diesen Wuchstyp, diese Verzahnung der
scheibe wird das Ausmaß der Haselung offensicht- Jahresringe, ausbilden, ist nicht bekannt. Fritz
lich. Dann lässt sich erkennen, wie diese 1 bis 3 mm Schweingruber von der Eidgenössischen Forschungs-
breiten und 0,5 bis 2 mm tiefen Rillen über den anstalt für Wald, Schnee und Landschaft (wsl)
Stamm verteilt sind und wie häufig diese Struktur vermutet, dass Haselwuchs genetisch verankert ist,
vorkommt. Im Querschnitt, stirnseitig betrachtet, jedoch durch Umweltfaktoren beeinflusst wird.
zeigen sich die Rillen als radial verlaufende, säge- Noch ist unklar, wie die spezifischen Wachstumsbe-
zahnartige Einbuchtungen in den Jahresringen. Sie dingungen im Gebirge zur Ausprägung der Hasel-
erscheinen jedoch immer erst ab dem 35. bis vier- fichte führen. Sicher ist, dass die Menschen schon
zigsten Jahresring, das heißt, die Haselstruktur tritt von alters her das Holz der Haselfichte für be-
erst im Laufe des Wachstums eines Baumes auf. stimmte Anwendungen schätzten. Besonders für
den Instrumentenbau, bei dem höchste Ansprüche
an die Holzqualität gestellt werden, wird die Hasel-
fichte wegen ihrer klanglichen und konstruktiven
Eigenschaften verwendet.
Helene Keller
Biologin und Künstlerin aus Imst
Im Wald
Klangvolles Wachsen
Anne Isopp
Normalerweise werden Fichten nach 80 bis 120 schatten feinastig heranwachsen können, sagt Vith.
Jahren gefällt. Der Zuwachs der Fichte ist zwischen Weitere Kriterien sind eine naturnahe Waldbewirt-
dem vierzigsten und dem achtzigsten Lebensjahr schaftung, wenig Wind – und damit wenig Dreh-
am höchsten, danach wächst sie nur mehr gering. wuchs – sowie die so genannten Feuchtgebiete:
Im Laternser Wald aber stehen Fichten, die 200 bis In diesem Wald gibt es etwa ein Dutzend moorige
300 Jahre alt sind, die zur Zeit Maria Theresias oder Inseln, die den umliegenden Boden sauer und feucht
noch früher aus Naturverjüngung aufgewachsen halten, was dazu führt, dass die Bäume sehr lang-
sind. Die Gemeinde ist sich der besonderen Qualität sam und gleichmäßig wachsen.
des Holzes und der Tradition bewusst und hat sich Im Ort gibt es auch eine Sägerei, einen Familienbe-
daher gegen ein früheres Schlägern entschieden. trieb. Das Sägewerk Nesensohn verarbeitet pro Jahr
Früher hat man in Laterns das Holz an Küblereien etwa 1.200 m3 Holz. Bevor aus den Fichtenstämmen
verkauft. Heutzutage braucht jedoch kaum jemand Bretter gesägt werden, werden sie halbiert oder ge-
mehr Holzgefäße. Vor etwa vierzig Jahren wurden viertelt. Erst während des Sägevorgangs entscheidet
Orgelbauer auf das Holz in Laterns aufmerksam, der Säger, wofür er das nächste Brett verwenden
in der Folge auch Klavier- und Geigenbauer. Sie alle kann. Er untersucht den Stamm auf Asteinschlüsse,
schätzen das Holz aus Laterns, weil es besonders Verfärbungen und Harzgallen und schneidet dann
feinjährig und gerade gewachsen ist und sich be- das nächste Brett in der entsprechenden Dicke ab:
sonders gut für den Bau von Instrumenten eignet. 16 mm für Resonanzböden, 32 mm für Klaviertasten
Laterns hat 570 ha eigenen Wald, doch nur in etwa und weitere Dicken für minderwertigere Anwendun-
Bregenz einem Fünftel davon wächst derartiges Qualitäts- gen. Jedes Brett wird dann auf den entsprechenden
holz. Förster Gerhard Vith begleitet uns in den so Stapel gelegt. Das ist Handarbeit und weit entfernt
Laterns
genannten Stürcherwald – einen Teil des Gemeinde- von der Automatisierung großer Sägewerke. Bis zu
waldes. Der Wald liegt auf 1.300 bis 1.600 Metern 800 Euro pro Kubikmeter Holz kann der Säger für
Seehöhe, ist sanft hügelig und in ihm stehen Bäume, das besonders hochwertige Holz verlangen. Der
die kerzengerade gen Himmel wachsen. Der Wald Festmeterpreis für normales Fichtenholz liegt der-
Vorarlberg ist von alten und jungen Bäumen durchmischt, ein zeit bei ca. 100 Euro.
wichtiges Kriterium dafür, dass die Bäume im Halb- Manchmal will ein Klangholzhändler seinen Baum
selbst im Wald aussuchen. Wird er nicht fündig, gibt
es noch die Wertholzsubmission, die auch heuer
wieder in der Gemeinde Laterns stattgefunden hat.
Mehr Infos über den Laternser Wald: www.laterns.at
4 sec. 5 sec. 6 sec.
Seitenware
Klang-Bühnen
Holzrealien
Seitenware
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Und im Idealfall ist dieser Plattenspieler in eine so genannte
Musiktruhe integriert, eine Kiste, die aussieht wie ein Barschrank,
nur eben ohne Schnaps. Vielleicht gibt es aber auch ein Hybrid
zuschnitt 56.2014
aus Bar und Plattenspieler, zu den exzellenten Platten gibt’s nur
exquisite Spirituosen wie Gin der Marke Monkey 47, Tanqueray
No. Ten oder Hendrick’s in seiner viktorianischen Apotheker-
flasche mit Korkverschluss, während in der Kiste mit hörbarem
Geräusch beredte Songs gewechselt werden, zwischen den Songs
ein Klacken, das die nächste herunterfallende Platte ankündigt,
Titel, die auch als Dialog oder als Choreographie einer zum
Tex Rubinowitz Scheitern verdammten Liebe funktionieren können:
Tex Rubinowitz
ist Zeichner, Maler, Cartoonist, Reisejournalist und Schriftsteller. Er lebt in
Wien und wurde 2014 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.
Holz(an)stoß Mark Leckey
Stefan Tasch
Mark Leckey
geboren 1964 in Birkenhead
lebt und arbeitet in London
bfa, Newcastle Polytechnic,
Newcastle upon Tyne
Turner Prize, Tate, London
2008
Einzelausstellungen
(Auswahl)
2015 UniAddDumThs, Kunsthalle
Basel, Basel
Mark Leckey, Haus der Kunst,
München
2014 Lending Enchantment to
Vulgar Materials, Wiels, Brüssel
A Month of Making, Gavin
Brown’s enterprise, New York
2013 On Pleasure Bent, Hammer
Museum, Los Angeles Lautsprecher aus Holz und eine Felsplatte: „BigBoxNaturalAction“, The Banff Centre, Kanada, 2012
2012 Stills & Trailers, Galerie
Buchholz, Berlin
Für seine Videos, Installationen und Performances eine über zwei Meter hohe Skulptur des amerika-
BigBoxGreenScreenRefrig-
eratorActions, Walter Phillips nutzt der in Liverpool aufgewachsene Künstler Mark nisch-britischen Bildhauers Jacob Epstein (1880 –
Gallery at The Banff Centre, Leckey häufig gesampelte Musik, elektronische 1959). Diese eigens für die Situation konzipierte
Alberta⁄ ca Klänge und gesprochenen Text. Die hier abgebil- Sound- und Sprechperformance, die über Lautspre-
2011 Printed Pictures, Cabinet II, dete Arbeit aus dem Jahr 2012 bildet den vorerst cher verstärkt wurde, war für ihn die einzige Mög-
London lichkeit, Epsteins Arbeit entgegenzutreten. Kein
letzten Teil einer ganzen Serie monumentaler
see, we assemble, Serpentine
Gallery, London
Soundskulpturen. In „BigBoxNaturalAction“, für das Text, keine Theorie war seiner Ansicht nach geeig-
kanadische Banff Centre konzipiert, stellt Leckey net, dieser für ihn eigenwilligen Skulptur näherzu-
Gruppenausstellungen den aus Holz gefertigten Lautsprechern eine Fels- kommen. Noch im selben Jahr stellte Mark Leckey
(Auswahl) platte (Rundle Rock) aus dem nahe gelegenen seine Boxen in der Serpentine Gallery in London
2015 Transmission: Legacies of the Steinbruch gegenüber. Durch die Beschallung will einer Skulptur von Henry Moore gegenüber. 2012
Television Age, National
er diese über 240 Millionen Jahre alte Kalkstein- nahm der Künstler erstmals Objekte außerhalb des
Gallery of Victoria, Melbourne
Puddle, pothole, portal,
platte mit ihrer wellenartigen Oberfläche und den künstlerischen Kanons als Beschallungsobjekte in
SculptureCenter, Long Island fossilen Einschlüssen „beleben“. Mark Leckey nähert seine Serie auf und stellte in der Manchester Art
City, New York sich in seinen Arbeiten den vermeintlich toten Gallery ein industrielles Artefakt ins Zentrum der
2014 Kerstin Brätsch, Mark Hand- Dingen mit neuen Strategien und versucht, sie mit Beschallung. Wie eine brutalistische Skulptur stand
forth, Mark Leckey, Gavin Klängen, Musik und Texten aus ihrem Dasein als der ausrangierte und drei Tonnen schwere Teil einer
Brown’s enterprise, New York
stumme Objekte herauszureißen. Die unmittelbare Dampfmaschine im Ausstellungsraum, von Leckey
Return Journey, mostyn
gallery, Llandudno⁄ uk
Erfahrung spielt dabei eine wichtige Rolle. mit „Industrial Sound“ und ohrenbetäubenden
2013 Il Palazzo Enciclopedico Vorlage für diese Art der Lautsprecherkonstruktion Fabrikgeräuschen bespielt. Damit entstand ein
(The Encyclopedic Palace), sind die jamaikanischen „Sound Systems“, die in den Bezug zur ehemaligen Rolle Manchesters als wich-
55. Biennale von Venedig, 1950er Jahren in den Slums von Kingston entwickelt tigstes industrielles Zentrum der Welt, zu seiner
Venedig und über die Jahre hinweg immer weiter modifi- Geschichte während der Industriellen Revolution
Carnegie International,
ziert wurden. Mit Bassfrequenzen von über 30.000 und zu den Menschen, die in dieser Stadt in den
Carnegie Museum of Art,
Pittsburgh⁄ pa Watt wurden ganze Straßenzüge und Parkplätze zu Fabriken arbeiteten. Ähnlich wie im Animismus
2012 Ghosts in the Machine, Partyzonen umfunktioniert. Für Leckey haben diese interessiert sich auch Mark Leckey für beide
New Museum, New York Boxen nicht nur skulpturale Qualitäten, sie sind Welten: die sichtbare materielle und die unsicht-
White Ford Cotton, Cabinet, darüber hinaus auch ein ebenbürtiges Medium, um bare geistartige.
London mit Objekten oder Skulpturen zu „kommunizieren“.
Stefan Tasch
2003 zeigte der Künstler erstmals eine solche
Kurator Studium der Kunstgeschich-
2013 The Universal Addressability Soundinstallation in der Tate Britain in London Kuratiert vom Museum te in Wien und Edinburgh
of Dumb Things, Hayward Damals beschallte er mit ähnlichen Lautsprechern Moderner Kunst Stiftung Arbeit in verschiedenen
Gallery, London wie in der hier zu sehenden „BigBoxNaturalAction“ Ludwig Wien Museen und Galerien