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Editorial Das Opake und der Möglichkeitshorizont
zuschnitt 60.2015
Anne Isopp Walter M. Chramosta
1990 wurde proHolz Austria ge- Opak erscheint der Zuschnitt auf dem Schreibtisch. Auch nach sechzig Ausgaben bietet er immer
gründet, um die Anwendung von wieder ein Differenzerlebnis. Im Durchscheinen des rot-weiß-schwarzen Heftkörpers hinter
Holz und damit die Steigerung des dem milchig-weißen Papierumschlag offenbart sich ein größeres Phänomen: die (Nicht-)Verfüg-
Holzverbrauchs zu fördern. Anfang barkeit von technischem Wissen im gesellschaftlichen Verblendungs zusammenhang.
der 1990er Jahre bestimmten Der rationale Einsatz von Baustoffen und Fügungstechniken bedarf für vordenkende Entwerfer
Schlagwörter wie Waldsterben und Planer einer ständigen Reflexion auf den Menschen – heute ein schwieriges Konzentrations-
oder Baummörder die öffentliche problem. Theodor Adornos Reflexionsmodell, die Negative Dialektik, bediente sich des Opaken,
Diskussion – das kritische Be- des Trüben, um komplexe Sachverhalte zu charakterisieren, die sich als gedanklich unangreifbar
wusstsein gegenüber der Umwelt herausstellten. Opazität sprach Adorno gesellschaftlichen Sachverhalten zu, die der Kritik wi-
hatte sich verstärkt. Vor dem derstanden, an denen das Neue abprallte. Das Opake ist noch immer die Oberfläche der Macht.
Hintergrund dieser Stimmungslage Architektur und die ihr dienenden Bautechniken sind Ausdruck von Machtverhältnissen in der
startete proHolz Austria die Image- Disziplin und in der Gesellschaft. Dem Zuschnitt ist rückblickend eine Verdrängung des Opaken
kampagne „Stolz auf Holz“. In nur in hintere Gegenden des konstruktiven Bewusstseins zu verdanken. Der Zuschnitt ist zuerst
wenigen Jahren konnte so die opak wahrzunehmen, dann entpackt in seinem aufklärerischen Gestus: Das Holz ist diskursiv
öffentliche Meinung zum Thema in die Welt gestellt. Dass es das Organ der Holzwirtschaft ist, tritt angesichts des Objektivi-
Wald und Holz ins Positive gekehrt tätsgehalts in den Hintergrund. Der Unterschied zwischen interessenzentrierter Verbands-
werden. zeitschrift und erkenntniszentrierter Fachzeitschrift hat sich aufgelöst. Im Vergleich dazu zeigen
„Zement + Beton“ oder „Stahlbau aktuell“ eine kulturelle Gefangenheit in überkommener
2000 wurden Auftritt und Corpo- Technokratie.
rate Design von proHolz Austria Holz als Werkstoff ist durch den Zuschnitt in einem rationaleren Licht zu sehen als vor 15 Jahren.
erneuert. Die konstruktive Holzan- Bauen mit Holz hat über die Zuschnitt-Kampagne nicht mehr nur die abstrakte Nachhaltigkeit
wendung sollte zukünftig im Mit- als Argument: Holz steht technisch und ästhetisch nobilitiert da, es ist jetzt ökologisch und
telpunkt stehen und die an Holz sozial als zukunftsfähig etabliert, es transportiert einen populären Fortschrittsmythos. Wie die
interessierten Zielgruppen, wie Erzählung vom Holz weitergeschrieben werden kann, ist nur in Bezug auf die hohen medialen
Architekten, Statiker und Entschei- Dynamiken zu entscheiden. Die Unterstützung der Fachmedien durch fachlich relevante
dungsträger, auf Augenhöhe Mitteilungen in populären Medien nimmt jedenfalls ab. Sogar in den sogenannten Qualitäts-
angesprochen werden. Zu dieser zeitungen verschwinden Architektur- und Städtebaukritik. Reflexives Schreiben über Bauen,
Neuorientierung gehörte auch die Baukultur und Bautechnik hatte sowieso kaum eine Tradition in den Medien, die sich an das
Geburt des Zuschnitts, einer Zeit- Bildungsbürger tum wandten.
schrift über Holz als Werkstoff und Das jüngste Handbuch „Qualität der Medien – Schweiz“ der Universität Zürich zeigt, wohin
Werke in Holz, die mit eigener die kollektive Reise auch in Österreich geht: der Informationsjournalismus wird von den
Redaktion und einem Fachbeirat Medienunternehmern weggespart, die jungen Erwachsenen bedienen sich zunehmend sozialer
ausgestattet wurde. Netzwerke als primärer Informationsquelle und suchen kaum mehr Information, sondern
Unterhaltung. Das ist nicht nur demokratiepolitisch besorgniserregend, sondern auch fach-
2015 25 Jahre später nehmen wir disziplinär. Die professionelle Medienpraxis der Architekten und Ingenieure und die Sichtweisen
das proHolz-Jubiläum zum Anlass, ihrer Auftraggeber haben sich in der Flut digitaler Informationsangebote radikal verändert.
um die Entwicklungen rund um Der analoge Zuschnitt wird als Leitmedium der Holz aufklärung gerade deshalb weiter seine
den Wald und den Rohstoff Holz Rolle haben. Der Mythos vom Holz muss hier weitergeschrieben werden, so wie es die proHolz-
sowie das Bauen mit Holz zu Akteure vor 15 Jahren angedacht haben. Denn die „Wiederherstellung des reinen und un-
reflektieren. Der Zuschnitt ist von besetzten Möglichkeitshorizonts“, wie Hans Blumenberg das in seiner „Arbeit am Mythos“,
Beginn an das Kommunikations- auf Adornos Negativität anspielend, ausdrückte, ist dem Zuschnitt für das Holz kultur- und
medium für all diese Themen und bautechnisch hervorragend gelungen.
dient uns als Spiegelbild der Ent-
wicklungen – in Vergangenheit
Walter M. Chramosta
und Zukunft. geboren 1956 in Wien, Studium der Kunstgeschichte, der Architektur und des Bauingenieurwesens, freischaffender
Stadtplaner, Architekturwissenschaftler, Verfahrensbetreuer, Händler mit Planungsrechten, Berater öffentlicher
Körperschaften und privater Bauherren zu baukulturellen Standards
„Der Holzbau ist längst kein Orchideenfach mehr“
25 Jahre Bauen mit Holz. Ein Gespräch.
Karin Tschavgova Beginnen wir mit Otto Kapfinger. Du, der die
Architekturentwicklung der Bundesländer in Architekturführern
festgehalten hat, hast wohl die größte Übersicht über die Ent-
wicklung des Holzbaus in den letzten 25 Jahren. Wie siehst du
seine Entwicklung und – gleich eine zweite Frage – wie seine
Akzeptanz in der Öffentlichkeit? Ist sie in den Jahren gestiegen?
Otto Kapfinger Das ist nicht einfach. Soweit ich sehe, ist der
Holzbau jedenfalls längst kein Orchideenfach mehr. Holz wird heute
als industrielles Produkt gesehen, das durch den Faktor Ökologie
richtiger weise in allen Bundesländern in den Vordergrund gerückt
ist. In den achtziger Jahren hat man das Holz noch nicht so gese-
hen. Wir haben heute ein anderes Niveau, was das Forstwesen,
die ganze Waldbewirtschaftung, aber auch die Ausbildung betrifft.
Also war da innerhalb von kurzer Zeit ein Riesensprung. Das spie- das ist wirklich gut gelungen. Was ich auch sehr wichtig finde,
gelt sich alles in der Zeitschrift Zuschnitt, die sogar vieles vorweg- ist, dass man sich nicht auf Österreich beschränkt, sondern sich
genommen hat, finde ich. Von Anfang an war der Zuschnitt, das immer wieder ins Ausland hinausbewegt.
publizistische Sprachrohr von proHolz, nicht als Kammerzeitung
für die Holznische aufgesetzt, sondern immer mit einem weiten Karin Tschavgova Ich würde gerne noch ein wenig beim Holzbau
Horizont – diese ganze Bandbreite von der Werkbank bis hin zur bleiben. Aus meiner Sicht ist er heute viel weniger ideologisch.
künstlerischen Seite und auch zum internationalen Blickwinkel. Ist es heute noch ein Thema, ob einer ein reiner Holzbauer ist als
Architekt oder ob man ein Gebäude nur in Holz macht? Das Ideo-
Karin Tschavgova Zu der Zeit, als der Zuschnitt begonnen hat, logische am Holzbau ist perdu, glaube ich. Wir könnten nun darü-
mussten wir alle nach Vorarlberg schauen und vor allem in die ber diskutieren, ob wir das gut finden oder nicht.
Schweiz, weil dort die Vorbilder waren, nicht nur für den Holzbau,
sondern auch dafür, wie er präsentiert wurde. Die Steirer waren Roland Winkler Nur in Holz zu bauen, kann auch andere ver-
im Holz für Geschosswohnbau Vorreiter mit Hubert Rieß. Es war nünftige Gründe haben, ohne Ideologie sozusagen. Ich komme
aber eine vergebene Chance, weil die Steiermark daran nicht aus Kärnten, vor 25 Jahren schlitterten meine Eltern, die eine
weitergearbeitet hat. Da hätte die Steiermark sich profilieren Tischlerei hatten, in eine Krise. Meine Eltern waren so energisch
können. Dann kam Wien mit dem Geschosswohnbau. Eine zweite und tüchtig, sich von dort wieder herauszuarbeiten. Zu der Zeit
Beobachtung, die ich gemacht habe in den Jahren, auch jetzt, war das in Kärnten kein ungewöhnliches Ereignis. Warum war
wo ich nicht mehr Redakteurin des Zuschnitts bin, ist, dass wir das so? Da ist etwas in den Tischlereien passiert, was meiner
anfangs die Vorzüge des Holzbaus anders definiert haben. Früher Meinung nach den Zimmereien erst jetzt blüht. Es war immer
war es einerseits die Vorfertigung in der Werkstatt, die ein sau- ein Problem gewesen, dass das Holz als Stab die Hauptfunktion
beres, gutes Arbeiten dort und eine schnelle Montage auf der der Raumhülle nicht erfüllte. Plötzlich hat jemand das Holz ein-
Baustelle möglich gemacht hat. Andererseits waren es die Spann- fach zerstückelt und all seiner Eigenschaften beraubt. Zusam-
weiten, bei denen es auch um das Ausreizen der Kapazität des mengeleimt entstand so die Spanplatte, ein isotropes Material,
Holzes gegangen ist. Heute, finde ich, hat Holz in der öffentlichen das man schneiden kann, wie man will. So wurde das Material
Wahrnehmung auch andere Vorzüge, Nachhaltigkeit zum Beispiel. dann plötzlich wirtschaftlich. Die Tischlereien waren eigentlich
Die konstruktiven Spitzenleistungen sind schöne Ausnahmefälle, für Holzarbeit ausgerüstet, und die wurde ihnen von der Indus-
der Holzbau ist mehr in das allgemeine Bauen eingeflossen. trie einfach weggenommen. Sie hatten plötzlich mit dieser indus-
triellen Produktion zu kämpfen.
Walter Bohatsch Ich glaube, dass man Holz nicht außerhalb der
Entwicklung von anderen Werkstoffen sehen kann. Wie hat sich Karin Tschavgova Einige haben sich spezialisiert.
der Werkstoff etabliert? Was bietet er im Vergleich zu anderen
und auch in Kombination mit anderen Werkstoffen. Das frage Roland Winkler Aber da kommt etwas, was jetzt die Zimmerer
ich jetzt nicht als Leser des Zuschnitts, sondern auch aus meiner betreffen wird oder betrifft. Auch die haben vor 25 Jahren die Idee
Erfahrung in der Zusammenarbeit und dem Diskurs mit Archi- gehabt, jetzt machen wir eine Platte. Gott sei Dank haben die das
tekten und als jemand, der in die Rolle des Bauherrn gerutscht Holz aber nicht so klein zerhackt, dass es praktisch nichts mehr
ist. Was ich aber am Zuschnitt diesbezüglich sehr interessant ist – nur noch Staub und all seiner Fähigkeiten beraubt. Die haben
finde, ist, aus der Sicht des Gestalters, dass Themen sehr offen einfach Bretter verleimt oder gestapelt und haben ein Produkt
angegangen werden, dass der Leser immer wieder neue Aspekte erzeugt, das etwas kann und zugleich noch Holz ist. Und ich
sieht, wie über Holz nachgedacht wird und mit Holz umgegangen glaube, das ist mit der Grund, warum sie jetzt auf der Überholspur
werden kann. Es gibt also keine strenge Eingrenzung auf Holz sind. Sie haben die Masse und Fläche hineingebracht, und das
und dadurch, glaube ich, ist die Zeitschrift für den Leser immer ist etwas, was dem Holz im Vergleich zu anderen Baustoffen bis
wieder interessant. Und die stringente Form, über Jahre hinweg – dahin sehr abgegangen ist.
25 Jahre (pro) Holz
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Im Gespräch: Otto Kapfinger, Walter Bohatsch, Karin Tschavgova, Roland Winkler (v. li. n. re.)
Karin Tschavgova Du hast am Anfang gesagt, die Zimmereien Standardwerte, die heute gefordert und zum Teil auch gefördert
sind jetzt gefährdet. Warum? werden, die aber oft nicht kompatibel sind mit dem Können, das
die Leute, die das machen, wirklich haben.
Roland Winkler Das Tragische ist, dass Wissen und Können ver-
loren gehen. Die Informationsgesellschaft bildet ja keine Leute Karin Tschavgova Die Auflagen werden immer strenger.
mehr aus.
Otto Kapfinger Und da stellt sich die Frage, ob man nicht wieder
Karin Tschavgova Gibt es keine qualitative Weiterentwicklung? zurückrudern müsste. Das ist ein wichtiger Punkt: Wie soll sich
Holz in Zukunft geben? Was ist wichtig am Holzbau? Tempo oder
Roland Winkler Nicht in dem Sinn. Es ist eine Industrialisierung Schnelligkeit plus kleine, regionale Kreisläufe und Standardisie-
zugange und die Branche versucht, Marktanteile zu gewinnen. rung? Und wie soll man umgehen mit der normativen Überlastung?
Das geht nur über die Masse. Und die Masse geht nur mit weni-
ger Qualität. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer, deswegen Roland Winkler Ich glaube, das spricht wieder für den Massiv-
komme ich jetzt wirklich auf das Holz zurück. Man muss das Holz holzbau. Das Material ist nicht nur tragfähig, sondern auch
als Balken übereinanderstapeln – aber mit der heutigen Technolo- salonfähig. Wenn man ohne die Schichtentaktik bauen könnte,
gie. Klar, wir können nicht mehr schnitzen. Aber wir haben statt- dann hätte man einen Baustoff, der schnell, günstig, hoch
dessen Geräte entwickelt, mit denen wir tatsächlich wieder das qualitativ und technisch in der Bearbeitung und Ausführung ist.
Massivholz ins Spiel bringen können – auf die beste Art und Weise. Diese Verkleidungswut kommt ja nicht nur von den Normen her.
Holz altert, und das will man nicht. Also zieht man es an. Man
Otto Kapfinger Interessant. Du hast also einen neuen Werkstoff, will keine Nacktheit haben, die an die Alterung der Haut und
der nicht nur industriell eingesetzt werden kann, sondern auch des Menschen erinnert. Den meisten ist das nicht sympathisch.
ästhetisch und tektonisch neu gedacht werden muss. Wie kannst Wenn man das nicht hinkriegt, dass die Gesellschaft diesen
du Know-how entwickeln? Um in die Breite zu kommen, muss Prozess der Alterung akzeptieren lernt, …
man doch Standards entwickeln.
Otto Kapfinger Ja, das ist eigenartig, so eingefräst in den Köpfen …
Karin Tschavgova Genau, keine Exklusivität, die wieder nur in ein
Nischendasein führt. Ich plädiere für einen höheren Qualitätsan- Walter Bohatsch Das heißt also, wenn ich das Bewusstsein schaf-
spruch. Ein Material nur durch das andere zu ersetzen, das geht fen kann, dass Holz etwas ist, mit dem ich mich in hohem Grad
für mich nicht, ebenso wenig, das Holz beidseitig zu verkapseln, identifizieren kann, weil ich es pflege und es dadurch Wert behält
sodass seine Vorzüge weder haptisch noch visuell erfassbar sind. oder sogar noch gewinnt, bin ich bei einer sehr persönlichen
Sache – die mir die Entscheidung für Holz erleichtert.
Roland Winkler Es liegt auf der Hand und ist auch ein Zeichen
der Zeit, dass wir Holz aus ökologischen Gründen nehmen
müssen. Über den Weg des Ökologischen, der Nachhaltigkeit, Walter Bohatsch Karin Tschavgova
wird plötzlich das Ganze interessanterweise auch ökonomischer. freier Gestalter in Wien, studierte Architektur in Graz,
www.bohatschundpartner.at seit langem freie Fachjournalistin
Otto Kapfinger Das, worauf du, glaube ich, immer hinaus willst, und Architekturver mittlerin,
aus eigener Erfahrung, ist, dass zu viel vom modernen Holzbau Otto Kapfinger Lehrtätigkeiten an der tu Graz
seit 1972 freiberuflicher Architektur-
verlangt wird, an thermischen Werten, an Schallschutz, an Statik
forscher und -publizist, zahlreiche Roland Winkler
und so weiter. Um alle diese Normen zu erfüllen, braucht man Buch veröffentlichungen und Aus- Architekt mit eigenem Büro
ein Top-Handwerk, damit dann nicht am Ende irgendetwas stellungskonzeptionen zur modernen in Klagenfurt,
Zusammengeschustertes herauskommt. Wir haben jede Menge Baukunst in Österreich www.winkler-ruck.com
Installation im Parlament zum Thema „Wald und Holz“, 2011
Die Natur tut blöd
Der Wald starb nicht. Jedenfalls noch nicht. Dabei hatte er sich in den achtzi-
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ger Jahren schon hingelegt. Ich sah ihn röcheln. Mit amerikanischen Studenten
stand ich im Gegenhang. Dort drüben sah man im Dunkel des satten Grüns
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weißgraue Flecken. Das waren die kranken Bäume, die ersten. Die Amerikaner
betrachteten sie und verstanden meine Empörung nicht. Ihnen war der Wald
gründlich wurst, genauer, sie wussten nicht, dass er in unseren Herzen genauso
wuchs wie an den Hängen. Kranker Wald führte zu kranken Herzen. Anders
herum: Eine Schweiz ohne Wald fühlte sich an wie eine Schweiz ohne Alpen:
absurd, tödlich, unvorstellbar.
Wie eine ägyptische Plage schien das Waldsterben über uns gekommen. Von
Gott gesandt um unserer konsumistischen Sünden willen. Wie Er später Aids
schickte, um unsere Promiskuität zu bestrafen. Kehret um! Der Ruf erschallte
in den Zeitungen und in den Parlamenten. Es ging uns nicht der Sprit aus wie
bei der Ölkrise von 1973, nein, uns fehlte der Spirit, die Art des richtigen Lebens.
Der Wald starb durch uns, für uns, mit uns. Alle wussten: Es wird kein Leben
geben nach dem Walde. Die Hysterie und der Aktivismus von damals waren
keine Abwehrmaßnahmen, es war Abwehrzauber, Lärm zur Vertreibung der
Krankheit, Angsttriebe, denn es gab kein Rezept dagegen. Ein Hauch von Apo-
kalypse waberte durch den kranken Wald. Der gerechte Untergang wartete
den Ungerechten.
Doch das Volk hörte nicht auf des Ökologen Wort. Denn was er predigte, war
der Verzicht. Du sollst nicht Auto fahren. Du sollst nicht fliegen. Du sollst nicht
verschwenden Öl und Benzin. Du sollst nicht heizen über die Vernunft. Du sollst
reinigen deine Abgase. Du sollst nicht begehren deines Nachbarn Swimming-
pool. Flicken und Sparen sollst du ehren. Kurz, all die Gebote, die wir heute noch
hören in der profanen Kirche der Umweltschützer. Unterdessen ist nicht mehr
Waldsterben, sondern Klimaerwärmung die Botschaft der Propheten.
Doch lieber verzichteten wir auf den Wald als auf den Konsum. „Mein Auto
fährt auch ohne Wald“, dieser Kampfruf fasst des Volkes Meinung bündig zu-
sammen. Dass der Wald stirbt, ist kein Grund, unser Leben zu ändern, murrten
die Leute. Wir haben nichts getan, ihn umzubringen, also darf man auch nicht
verlangen, wir müssten nun zu seiner Heilung beitragen. Dass wir betroffen,
ja entsetzt waren, musste genügen. Das Waldsterben war ein Problem der Poli-
tiker. Die hätten es lösen sollen.
Heute redet niemand mehr vom Waldsterben. Die Seuche ist erloschen. Still
und heimlich kam und ging sie. Doch noch ist sie da. Das Waldsterben hinter-
ließ eine Narbe: die Drohung. Die Natur macht nicht mehr mit! Seither weigert
sie sich zunehmend, sich anständig zu benehmen. Auf sie ist kein Verlass mehr.
Überall droht sie zu kippen. Ihr zusammenarbeitendes Gefüge begann mit dem
Waldsterben zum ersten Mal in großem Stil zu wanken. Nun gibt es zu den alten
Ängsten, die uns plagen, wie Krieg, Hunger, Flucht und Armut auch eine neue
Furcht: die Naturverweigerung. Sie greift an, indem sie flieht. Auf unsere Aus-
beutung antwortet sie mit Änderung der Spielregeln. Sie entwindet sich unserer
Kontrolle. Die Natur tut blöd, spricht der Volksmund.
Und er hofft auf Wiederholung. Schaut her, sagt er, das Waldsterben war ein
Medienspektakel, Schaumschlägerei. So wird es auch mit der Klimaerwärmung
sein, Fernsehspuk. Der Wald wächst kräftig und mit ihm stetig auch der Konsum.
Beide sind wohlauf. Allerdings ist, was der Kopf behauptet, im Bauch nicht
recht verdaulich. Dort nämlich rumort das Waldsterben weiter. Was, wenn die
Natur noch blöder tut? Der Wald ist gesund und lässt alle grüßen. Doch in
seinem Dunkel hockt lauernd die Drohung.
Benedikt Loderer
geboren 1945, lernte Bauzeichner, studierte Architektur, wurde Schreiber, war der Gründer
und erste Chefredaktor von Hochparterre, der Zeitschrift für Architektur, Design und Planung,
und lebt heute als freier Schreiber in Biel.
„Die Klimaveränderung ist für uns die Kernfrage
schlechthin“ Nachgefragt beim Ministerium für
Land- und Forstwirtschaft und den Österreichischen
Bundesforsten
750
44 ,0 % 44,8 % 46,2 % 47,2 % 47,6 % 40
38 % Fichte
600
Reinbestand
1961 1971 1981 1991 2001 2011 30
27 % Nadel-Laubholz
Quelle: www.waldinventur.at; bmlfuw, Österreichischer Waldbericht 2015
20 Reinbestand
13 % Laubholz
Anne Isopp 10
Reinbestand
9
8
Quelle: www.waldinventur.at; bmlfuw, Österreichischer Waldbericht 2015
zuschnitt 60.2015
Sturm Paula
Entwicklung des Holzeinschlags in 1.000 Erntefestmetern ohne Rinde Orkan Emma
20.000
12.500 Rohholz
stoffliche Nutzung
10.000
Wolfgang Pöschl
Wenn ich auf meine persönlichen Erfahrungen mit Vielleicht war es der Aufstieg des Glases als eigen-
Holz zurückblicke, ergibt sich ein recht gutes Bild ständige, raumabschließende Fläche, vielleicht war
der Entwicklung von Holz als Baustoff in den letzten es die Gewohnheit, als Tischler Möbel aus Platten-
25 Jahren. materialen herzustellen, die mir die Vielschichtigkeit
Ich bin als „Holzmensch“ sozialisiert und hatte von des Holzbaus verdächtig machte. Deshalb startete
Kindheit an einen leichten, alltäglichen Zugang ich Mitte der 1990er Jahre eine Reihe von Projek-
zu Holz, ohne einer generationenlangen Familien- ten, die ich „Wohnmöbel“ nannte: fünf Objekte –
tradition verpflichtet zu sein. Mein Zugang war von ein Büroraum auf dem Dach eines Autohauses,
Anfang an ein spielerischer und experimenteller. zwei Einfamilienhäuser, ein Bauernhaus und unser
Beim Architekturstudium spielte Holz so gut wie Büro⁄ Garagen⁄ Tagesklinikgebäude in Mils –, die
keine Rolle. wie Möbel konstruiert sein sollten. Die ersten zwei
In meinen Lehrjahren in einem bekannten Tiroler Projekte hatten horizontale, begrünte Brettstapel-
Architekturbüro gab es vorwiegend Kaltdächer – flächen als Dächer, die späteren bereits umgelegte
oft als komplizierte Holz-Stahl-Konstruktionen, Leimbinder, Brettschichtholz flächen. Vertikal tra-
wenn das geneigte Dach Teil der Raumhülle war. gend waren immer noch zarte Stahlformrohrrahmen
Für größere Bauten wurden sogenannte Leimbinder oder von der Fassade abgesetzte Stahlprofile.
verwendet, die wegen ihrer behäbigen Dimensio- Eine wichtige Errungenschaft für diesen direkten
nen meist hinter Abhangdecken verschwanden. Umgang mit Holzflächen war das gefällelose,
Der innovativste Impuls in Sachen Holz kam in dieser bituminöse, intensiv begrünte Umkehrdach.
Zeit von den Selbstbau-Architekten in Vorarlberg. Zur Jahrtausendwende wurde Brettsperrholz ver-
Ihre Projekte wurden wegen ihrer alternativen und fügbar und wir setzten es gleich in mehreren
grindigen Erscheinung von den etablierten Archi- Varianten beim Motorradgeschäft in Kolsass ein.
tekten in meinem Umfeld belächelt. Die Untersichten waren selbst für raue Ansprüche
Bei meinem ersten größeren Bauwerk, dem MPreis unakzeptabel und mussten zu unserer Enttäu-
Lienz (1991 ⁄ 92), setzte ich Leimbinder in einem Teil schung verkleidet werden.
als Kaltdach mit Trapezblechdeckung und osb-
Untersicht und in einem anderen im Innenraum
sichtbar mit einem Paneeldach ein. Ich versuchte,
die Vielschichtigkeit der Holzkonstruktion um die
Ebene der Sparren zu reduzieren, indem ich trag-
fähige Flächen wie Trapezbleche und Sandwich-
paneele verwendete. Das Hauptdach ruhte auf den
Fensterrahmen aus Stahlformrohren.
In dieser Zeit verfolgte ich interessiert und involviert
die Emanzipation des Baustoffs Glas von einem
ausfachenden (und stabilisierenden) Material in
(überflüssigen) Rahmen zu einem eigenständigen
Material und zum kostengünstigsten und vielseitigs-
ten Raumabschluss und beklagte den kartellhaft
erstarrten Zustand der Leimbinderhersteller, die sich
in ihrer Nebenrolle bequem eingerichtet zu haben
schienen.
Beim zweiten MPreis in St. Johann (1993⁄ 94), jenem
mit dem Wellendach, schaffte ich es nicht, die Welle
in Holz zu konstruieren. Selbst waghalsigen Stati-
kern war Holz damals viel zu suspekt, um ein Trag-
werk aus Holz und Trapezblechen ernsthaft zu
untersuchen.
25 Jahre (pro) Holz
Holzrahmenbau Holzmassivbau
Nach den Anlaufschwierigkeiten erwies sich das Holz ist jetzt ähnlich wie Glas ein höchst innovatives
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Brettsperrholz als jenes universelle Bauelement, und spannendes Material, das vor allem auch die
das mit geringem Bearbeitungsgrad direkt auf der Umsetzung der Träume einer neuen Architektengene-
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Baustelle versetzt und zu einem offenen Raum ration erleichtert. Ein Beispiel dafür ist das „bilding“
gefügt werden konnte. Zu dieser Zeit verschwand der Kunst- und Architekturschule für Kinder und
der tragende Stahl fast ganz aus unserem Kanon Jugendliche in Innsbruck. Jenseits des rechten Win-
konstruktiver Materialien, weil eine Tragstruktur kels und jenseits vertikaler⁄ horizontaler Ausrichtung
aus Holz viel leichter direkt und rahmenlos verglast gehen Boden, Wand und Decke fließend ineinander
werden konnte, und die Fassade wandelte sich über. Fortgeschrittene Abbundmöglichkeiten des
tendenziell zur bewohnbaren und funktionellen Brettsperrholzes werden genutzt, um die Holzflächen
Zwischenzone, zum tragenden Möbel. zu einem komplexen Raumkontinuum zu verbinden,
Mein Motiv, Holzflächen zu verwenden, lag auch das zwar mit fortgeschrittener Software, aber mit
im Wunsch, dort weiterzumachen, wo die Moderne überraschend einfachen Mitteln auf der Baustelle
mit dem Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe, realisiert werden kann – im Falle des „bildings“ als
mit den Bauten Richard Neutras und Rudolph Wiederkehr des Selbst(holz)baus der 1970er Jahre
Schindlers abgebrochen war. Der Reiz der Bauten mit digital-industriellen Mitteln, Autokran und Akku-
eines Neutra liegt in den scharfen raumbildenden schrauber.
Flächen, in den dünnen horizontalen Dächern und
der damit verbundenen radikalen Transparenz seiner
Häuser. Ich habe noch die Architektenklage im Ohr, Wolfgang Pöschl
dass so etwas nur in schneelosen Breitengraden lebt und arbeitet als Architekt in Tirol.
möglich wäre. Das traf auf traditionelle Balkenkon-
struktionen oder auch auf amerikanisches Latten-
werk durchaus zu. Erst die konstruktiven Holzflächen
machten die spielerisch und einfach zu realisierende
räumliche Vielfalt möglich, wie sie die Moderne
formal bereits vorgezeichnet hatte.
_ erster Holzbaupreis
in Österreich
Ölzbündt (Architekten _ Holzmodule für die
25 Jahre (pro) Holz Hermann Kaufmann) Olympischen Winterspiele
Vorarlberg war das erste Bundesland Österreichhaus Hakuba (Kaufmann 96)
in Österreich, das einen Holzbaupreis Am Österreichhaus bei den Olympischen Winter- größter Holzwohnbau _
initiierte – die Wohnanlage Ölzbündt spielen in Hakuba konnte der Holzbau das erste Mal _ erster viergeschossiger in Europa
_ Landesausstellung in Dornbirn war einer der ersten Preis- seine Vorteile in Bezug auf Vorfertigung und Wohnbau aus Holz in Wien Wohnbau Via Cenni in Mailand
Holzzeit Murau träger. Der Baustoff Holz wurde schnelle Errichtung vorführen. Die Module wurden _ steirische Pilotprojekte wha Spöttlgasse (Hubert Rieß) (Rossiprodi Associati)
Mursteg (Marcel Meili, Markus Peter, Jürg Conzett) erstmals mit hoher gestalterischer und hierzulande gefertigt, nach Japan transportiert und im mehrgeschossigen Wohnbau Auch in Wien musste im Vorwege die Bauordnung _ erster Neungeschosser aus Holz Nach dem Erdbeben in L’Aquila konnten in kürze ster
Die steirische Landesausstellung zum Thema Holz war ein klares Ausführungsqualität in Verbindung nach den Winterspielen in Oberösterreich wieder wha Trofaiach (Hubert Rieß) abgeändert werden, um dies zu ermöglichen. Murray Grove in London Zeit mithilfe von Know-how und Produkten aus
politisches Bekenntnis. Bis heute ist sie die einzige Landesaus- gebracht. Der Vorarlberger Holzbau- aufgebaut. Hakuba ist einer der ersten Modulbau- Mit dem Wohnbau in Trofaiach begann auch der Zuschnitt, Damit war die von der Steiermark ausgehende (Waugh Thistleton Architects) Österreich zahlreiche Wohnbauten errichtet werden. _ Siebengeschosser aus Holz in Wien
stelllung, die einem Baustoff gewidmet war. Eine steirische Holz- preis hatte Vorbildwirkung und ten, eine Bauweise, die später für Projekte wie die der in seiner ersten Ausgabe „Wohnen im Holzstock“ Holzbaubewegung in Wien angekommen. Kurz Mit diesem Wohnbau wurde erstmals ein Haus Die politischen Gremien in Italien erkannten, dass wha Wagramer Straße
baubewegung war die Folge. Noch im selben Jahr, 1995, wurde wurde nach und nach auch in allen Aufstockung des Hotel Post in Bezau, die Fertig- das mehrgeschossige Bauen mit Holz thematisierte und darauf folgte die Wohnanlage am Mühlweg mit mithilfe von Brettsperrholz über der Hochhaus- man mit Holz soziale Wohnbauten ökologisch und (schluderarchitektur, Hagmüller Architekten)
wichtige Projekte für die proHolz-Kommunikation die steirische Bauordnung dahingehend adaptiert, dass drei anderen Bundesländern eingeführt häuser Fred und Su-Si oder das Hotel Ammerwald die Möglichkeiten der Vorfertigung, der Gestaltung und rund 250 Wohnungen, die damals größte Holz- grenze herrichtet. Murray Grove steht für Know- in kurzer Zeit errichten kann und initiierten dieses Mit sieben Geschossen ist dies derzeit der höchste
Geschosse mit Holz erlaubt waren. und bis heute fortgesetzt. weiterentwickelt wurde. Qualität an diesem Beispiel verdeutlichte. wohnbausiedlung Europas. how und Export aus Österreich. Folgeprojekt in der Via Cenni. Holzwohnbau in Wien.
_ Meinungsumfrage: 46 % glauben, dass die Waldfläche abnnimmt. _ Trendumkehr im öffentlichen Bewusstsein: _ Pro-Kopf-Holzverbrauch in Italien _ Pro-Kopf-Holzveerbrauch in Italien: _ Pro-Kopf-Holzverbrauch in Österreich seit 1990 _ Trendumkehr:
_ erstes Institut für Tragwerkslehre und Ingenieurholzbau ann der tu Wien nur mehr 24 % glauben, daß die Waldfläche abnimmt. von 0,09 m3⁄ Jahr auf 0,13 m3⁄ Jahr gestiegen. 0,15 m3⁄ Jahr von 0,36 m3⁄ Jahr auf 0,61 m3⁄ Jahr verdoppelt Für 58 % ist Holz ein
intelligenter und
_ Meinungsumfrage: Für 49 % ist Holz ein intelligenter und qualitativ hochwertiger
_ erster Holzbaulehrstuhl an der tu Graz _ erster Fachhochschulstudiengang _ Markteintritt Brettsperrholz _ neuer Stiftungslehrstuhl für Holzbau in Innsbruck qualitativ hochwertiger Hightech-Baustoff. Hightech-Baustoff.
heute: Institut für Holzbau und Holztechnologie „Holztechnik und Holzwirtschaft“ iin Kuchl
_ Holz kann erstmals auf F90-Konstruktionen geprüft werden _ eu-Beitritt – vermehrt treten in Östterreich _ Wien ermöglicht mehrgeschossigen Holzbau _ Kyoto-Protokoll tritt in Kraft. CO2-Reduktionseffekt durch Wald _ Techniknovelle der Wiener Bauordnung: Bauen mit Holz ist in der _ Energieausweis _ Bauproduktenverordnung und ce-Kennzeichnung
(önorm b 3800-4) europäische Normen in Kraft bis max. vier Geschosse (Bauordnungsnovelle) und Holz rückt vermehrt ins Blickfeld. Gebäudeklasse 5 (bis zu sieben Geschossse) möglich. von Gebäuden (eu-Verordnung Nr. 305/2011)
_ Kennzeichnungspflicht für alle Bauprodukte _ Eurocode 5 zur Bemessung und Konstruktion von Holzbauten (eavg 2012)
_ Wien ermöglicht mehrgeschossigen Holzbau bis max. sieben Geeschosse GK5 (Techniknovelle)
mit dem üa-Zeichen (en 1995-1-1)
_ erste Richtlinien zur Harmonisierung der bautechnischen Vorschhriften in Österreich (oib-rl)
Diese Auswahl von Gebäuden steht _ Schule in Warth _ Freizeitpark Z ell am Ziller _ Reithalle St. Gerold _ Hotel Post in Bezau _ Apartmenthaus _ Feuerwehr- u. Kulturhaus _ Hösshalle _ Haupptschule Klaus, _ Impulszentrum Graz-West _ Gemeindezentrum _ wha am Mühlweg _ Headquarter Binder Holz _ Das Gelbe Haus _ Weingut Preisinger _ Eiermuseum Bertoni _ Agrarbildungszentrum _ LifeCycle Tower _ Seniorenwohnhaus _ Gemeindezentrum Kuchl _ bilding
stellvertretend für die Entwicklung Roland Gnaiger reitter_architeekten Architekten Kaufmann 96 Lechblick in Warth Hittisau; Cukrowicz Riepl Riepl Architekten Weileer, Fraxern Hubert Rieß Ludesch A: Architekten reitter_architekten Peter Fattinger, Veronika propeller z gaupenraub +⁄ – Salzkammergut Architekten in Hallein lp Architektur .⁄ studio3
des Holzbaus in Österreich. _ Vetterhof Lusttenau Hermann Kaufmann Christian Lenz Nachbaur Architekten, _ redroom Dietrrich | Untertrifaller _ htbl und va Mödling Architekten Hermann Kaufmann, _ Olpererhütte Orso, Michael Rieper _ Hotel Ammerwald _ Bahnorama Fink Thurnher Architekten Hermann Kaufmann sps-architekten _ Werkraum Bregenzerwald _ Stammhaus Eggerwerk
Roland Gnaig er _ Reihenhausanlage Siegfried Wäger Volker Giencke Heinz Mathoy Streli Hermann Kaufmann Johannes Kaufmann Architekten _ Bürogebäude Oskar Leo Kaufmann | rahm Architekten _ Aussichtsturm Peter Zumthor Bruno Moser
_ Marktzentrum m Kirchpark Jagdgasse Innsbruck _ Büro- u. Sozialgebäude _ Gemeindeamt _ Handling Center West Architektur Hermann Kaufmann Mayr-Melnhof Leoben Albert Rüf Pyramidenkogel _ Omicron Campus
Lustenau Erich Strolz Schrattenecker St. Nikolai⁄ Sausal treusch architecture B: Hubert Rieß _ PassivhausSchule Nussmüller Architekten _ Gemeindezentrum Klaura Kaden + Partner Dietrich | Untertrifaller
Bruno Zurkirchhen, _ Fred, Fertighaus Riepl Riepl Architekten Gerhard Mitterberger _ Elementfertigungshalle C: Dietrich|Untertrifaller Schwanenstadt _ Dofzentrum Langenegg St. Gerold _ Schachinger Logistik lt1
Daniele Marques Kaufmann 96 _ Temporäres Theater _ Gemeindezentrum Blons Obermayr pauat-Architekten Fink Thurnher Architekten Cukrowicz Nachbauur Poppe*Prehal Architekten
Stadt Haag Bruno Spagolla F2 Architekten _ Firmenzentrale Architekten _ Illwerke Zentrum
nonconform, _ Kindergarten Langenegg _ Altenwohn- und Holzindustrie Pfeifer Montafon
Justin & Partner Fink Thurnher Architekten Pflegeheim Steinfeld Florian Lutz, Architekten
_ Volksschule St. Ruprecht Dietger Wissounig Daniela Amann Hermann Kaufmann
stingl-enge architekten, Architekten
Christian Aulinger
Logo 1990 – 2000
Es wurde ein neuer Name für die periodisch Brief des Herausgebers. Heft 0, 2000 Zum ersten Zuschnitt.
erscheinende Publikation gesucht. Von erstem Zuschnitt. Zuschneiden meint gemeinhin eine
Ergebnisse aus der Namensentwicklung unterscheidende, durch Teilen erleichternde, oft auch ver-
bei proHolz Austria am 25.04.2000: gnügliche Tätigkeit. Man kann sie als Trennarbeit auffassen:
im Stofflichen, um organisch Gewachsenes, das zu lang,
Holzinfo zu üppig oder zu regellos geworden ist, einzugrenzen; im Ge-
Holzinformation danklichen, um geistig Gewachsenes, das zu unübersichtlich
und zu missverständlich geworden ist, aufzuklären.
H.o.l.z.
In diesem Sinn steht der „Zuschnitt“ für die Absicht der neu
strukturierten Arbeitsgemeinschaft der österreichischen
Holzzeit Holzindustrie, proHolz Austria, ein sehr vielen in Details gut
Holz Chat bekanntes Terrain in ungewohnter Übersicht zu zeigen.
Holzproduktion und -verwendung werden in Österreich, der
Stapel Wertschöpfung entsprechend, von einer Vielzahl medialer
Auftritte begleitet. Es ist proHolz Austria als Herausgeber das
Span
Hauptanliegen, überblickbare Informationen zum Umgang
ProArch mit Holz bereitzustellen.
Proportion Das Thema soll klar zentriert und leicht fasslich aufbereitet
Holzpost werden, ohne auf inhaltliche Tiefe zu verzichten. Interdiszipli-
näres Augenmerk wird auf Holzanwendungen in Architektur
und Ingenieurbau, in Landschaftsgestaltung und Design, aber
Splitter auch auf Ableitungen in den Künsten, den Geistes- und Natur-
Forum Holz wissenschaften gelegt werden. Indem die Leistungsfähigkeit
ProHolz Forum des Holzes als Roh- und Werkstoff, als Ware, als Bedeutungs-
Wertholz und Anmutungsträger, als Argumentationsstrang et cetera
nachvollziehbar wird, leitet proHolz Austria eine neue Ära der
Astrein Kommunikation über Holz ein. Nach sehr wirksamen Kampa-
gnen zur Imageaufwertung, also nach eindringlichen Appellen
Corporate Design Relaunch 2000 Schichten an die Emotionen zu Holz, soll nun die Information über Holz
Lumen im Vordergrund stehen. Der „Zuschnitt“ will daher – wie die
Fachwerk ihn flankierenden Maßnahmen des neuen Gesamtauftritts von
baumhaus proHolz Austria, alle entwerfenden und konstruierenden Pro-
StammBau fessionen erreichen, aber auch alle jene Entscheidungsträger,
die über den Einsatz von Holz befinden können und alle Multi-
Laub Blatt
plikatoren, die den Nutzen des Holzes anderen vermitteln
Lichtung wollen. Der „Zuschnitt“ muss von „kantigem“ Zuschnitt sein,
Zuschnitt wenn er dies alles leisten will.
Die Sprache der Werbung und der visuellen Kom- schon liefern algorithmen-getriebene Medien über
16
17
munikation befindet sich in einem massiven Wandel. Profiling Pseudokontexte nach. Es handelt sich
Die Logos auf den Visitenkarten und Briefbögen dabei allerdings um personalisierte Informationen,
zuschnitt 60.2015
werden von Jahr zu Jahr kleiner. Schlachtrufe die auf das individuelle Konsuminteresse der Nutzer
weichen eleganteren Claims oder zurückhaltenden und den gewinnbringenden Verkauf derer Profile
Taglines wie „vw. Das Auto.“ Übertreibungen und abzielt. Aber gerade wegen der scheinbar unbe-
Ausrufezeichen wirken heute altmodisch und grenzten Möglichkeiten ist vermehrt Selektion und
uninteressant. Wäre ich ö3, würde ich den vor jeder Güte gefragt; beispielweise Worte, gute Worte.
Verkehrsmeldung sich wiederholenden Slogan „Der Zuschnitt ist so ein Wort. Es wurde vor 15 Jahren für
schnellste Verkehrsservice Österreichs“ ganz schnell diese „Zeitschrift“ gemacht. Absicht der Herausgeber
vergessen. Gefragt sind mehr Anspruch und Tiefe. war und ist es, nützliche Inhalte zu generieren und
Selbst McDonald’s schafft es, für seine Zielgruppen diese in narrativer und guter grafischer Form zu
Plakatwände mit feinem Sprach- und Bildwitz zu kommunizieren. Das Ergebnis charakterisiert Otto
machen. Kapfinger mit folgenden Worten: „Mit der Fachzeit-
Im Herbst 1999 wurde ich zu einem Hearing zu schrift Zuschnitt bietet proHolz nun seit Jahren der
proHolz Austria geladen. Es sollte künftig stärker breit angesprochenen Fachwelt das inhaltlich und
auf konstruktive Holzanwendung und auf die „pla- gestalterisch weitaus beste Bau-Fachmedium in
nende Gesellschaft“ als Materialvermittler gesetzt Österreich – ein medialer ,Resonanzraum‘ erster
werden. Parallel zur damals laufenden Kampagne Güte …“ Sie werden auf dieser Zeitschrift kein proHolz-
in der Öffentlichkeit mit sprechenden Holzpuppen Logo finden. Brand ist das Holz selbst und nicht
und dem Sager [klopf, klopf, klopf] „Stolz auf Holz“ „proHolz“.
sollte die Fachöffentlichkeit gezielt und in der Für ihre Leserschaft evidente Inhalte kontextspezi-
„Sprache der Architektur“ angesprochen werden. fisch zu filtern, zu redigieren und im weitesten
Ich vertrat bei der Anhörung die Meinung, dass man Sinne „gut lesbar“ zu machen, bleibt auch heute
nicht auf der einen Seite eine moderne, visuelle qualifizierter Medienarbeit überlassen. Wie diese
Kommunikation aufbauen und auf der anderen eine Informationen künftig kommuniziert und konsumiert
solche Kampagne weiterfahren könne. Warum? werden, ist abzuwarten. Als ich kürzlich Hunderte
„Stolz auf Holz“ war schon 1999 definitiv out. Es ist junge Leute in der imposanten mehrterrassigen
unklar, wer hier eigentlich gemeint ist. Als Konsu- Lesehalle der Humboldt-Bibliothek in Berlin sitzen
ment lasse ich mir ja nicht sagen, auf was ich stolz sah, suchte ich jedenfalls vergebens große Bild-
sein sollte. Nicht mehr das Hineinklopfen, sondern schirme – Tablets oder Mobilephones lagen zwar
das Hineindenken in die Köpfe unserer Ansprech- herum, geblättert und geschmökert wurde aber in
partner war und ist gefragt, egal ob in der breiten den Büchern. Das taktile Feedback von Drucksachen
Öffentlichkeit oder in einer Fachöffentlichkeit. ist scheinbar nicht so einfach in digitalen Medien
Das massive Auftreten und Nutzen digitaler Medien nachzubilden: Alle möglichen Geräuschkonserven
ab den 1990er Jahren hat unsere Art zu kommuni- für analoges Tun oder die vorgegaukelte Dreidimen-
zieren völlig verändert. Die laufend neu entstehen- sionalität auf Screens durch schematische Schatten
den virtuellen Kommunikationsräume überrumpeln und Hell-Dunkel-Verläufe sind ein ungenügender
uns, sind immer in Bewegung, müssen laufend neu Ersatz für die Wirklichkeit. Den Zuschnitt wird es
verhandelt werden. Logos und Marken werden mehr noch weiterhin auf gutem Papier geben. Rohstoff-
und mehr durch eine noch nie dagewesene Bilder- Lieferant dafür ist übrigens die umweltfreundlichste
flut und die globale Auffindbarkeit von jedem und Produktionsstätte dieser Welt, der Wald.
allem konkurrenziert. Wenn inzwischen selbst für
Kinder Bilder machen und manipulieren selbstver-
Reinhard Gassner
ständlich ist, dann wird die Bedeutung der Abbil-
ist angewandter Gestalter, Inhaber der Gassner Redolfi kg in
dung neu codiert. Das Gleiche passiert gerade mit Schlins, Vorarlberg. Er ist für die grafische Gestaltung des
dem Film. Die Autorität der Bildschöpfung ist kom- Zuschnitts verantwortlich und ist Kommunikationsberater für
plett abgebrochen und die Herstellung ist technisch proHolz Austria. www.gassner-redolfi.at
und räumlich entgrenzt. Bilder und Videos sind die
neuen „Wörter“. Sie werden als Bedeutungskompo-
nenten mittels Mobile-Alleskönner laufend (mit)
geteilt. Kommunikation und kreative Schöpfung
finden dann im Hier und Jetzt statt, ohne explizite
kulturelle Rückbezüge – „ich maile und fotografiere
und filme und share it, also bin ich“. Kaum spricht
man aber von Dekontextualisierung der Nutzer,
„Die heutigen Dimensionen im Geschosswohnbau
haben wir damals nicht einmal zu denken gewagt“
Gerhard Schickhofer, Wegbereiter des Brettsperr-
holzes, im Gespräch
Anne Isopp
Zuschnitt: Was war für Sie das Highlight der letzten 25 Jahre? Wo stehen wir heute in dieser Entwicklung der Systematik und
Gerhard Schickhofer: Für mich ist Brettsperrholz das bedeutend- der Lösung?
ste Produkt dieser Zeit. 1989 habe ich meine Dissertation über Es reicht nicht aus, nur die Platte auf die Baustelle zu bringen. Wir
flächenhafte Strukturen im Holzbau begonnen und 1994 abge- werden die Vorfertigung weiter vorantreiben müssen. Es gefällt
schlossen. Bauen mit Stäben, mit Brettschichtholz und mit Kon- mir persönlich sehr gut, dass sich einige Betriebe in die Modulari-
struktionsvollholz war bekannt, es hat die Fläche im Holzbau ge- sierung hineinbewegen, dass sie versuchen, hier – ähnlich wie beim
fehlt. Brettsperrholz hat das Bauen in der Fläche erst ermöglicht. Containerbau –, eine gewisse Systematik in die Grundriss- und die
Gebäudegestaltung zu bringen. So können wir noch mehr Ferti-
Wie ist das damals entstanden?
gungszeit in die Produktionshalle verlagern.
Die steirische Sägeindustrie hat nach Einsatzmöglichkeiten für
die Seitenware gesucht. 15 Prozent des Materials vom Einschnitt Gibt es beim Brettsperrholz aus ihrer Sicht noch etwas zu erfor-
konnten nicht wirklich optimal genutzt werden. Das war der schen? Man könnte zum Beispiel den Holzeinsatz optimieren.
Anlass dafür, nach Lösungen zu suchen. Viele vertraten die Mei- Es geht zurzeit sehr stark um die Qualitätsverbesserung. Man muss
nung, man muss die Bretter stapeln und vernageln. Die Brett- das Bausystem noch bekannter und für den Architekten noch
stapelkonstruktionen kamen insbesondere in der Schweiz zur einfacher handhabbar machen. Außerdem gibt es noch Spezial-
Anwendung. Wir haben das auch versucht, haben es aber schnell themen in der Bemessung zu lösen, wie die Punktlagerung, das
wieder fallen gelassen und uns der Fläche zugewandt, indem wir Durchstanzen und den Stabilitätsnachweis. Das geht für mich bis
die Bretter nicht mehr stehend eingebaut haben, sondern liegend hin zu Softwarelösungen.
in Form verklebter Strukturen. Aus dem Projekt heraus hat sich
Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?
dann das Brettsperrholz entwickelt.
Wir haben eine äußerst unvollständige Produktnorm. Ich empfehle
Wann war das circa? dringend, die derzeit gültige Brettsperrholz-Produktnorm, die
1998 gab es die erste österreichische Zulassung. Zwischen 2005 en 16351, zu überarbeiten und ein Festigkeitsklassensystem für
und 2010 wurde mit dem Markteintritt der heute bekannten Brettsperrholz und die entsprechenden fehlenden Prüfkonfigura-
Brettsperrholz-Hersteller aus dem Nischen- ein Industrieprodukt. tionen hineinzubringen.
Die Produktionsmenge liegt weltweit gegenwärtig bei rund
Es gibt zwei Länder, Kanada und Japan, mit denen Sie im Aus-
600.000 m3 pro Jahr und ich bin davon überzeugt, dass in
tausch sind – bis hin zu Kooperationen. Da könnten sich schon
Zukunft noch größere Mengen produziert werden.
Exportmöglichkeiten für Österreich und Mitteleuropa eröffnen.
Kann man sagen, dass Brettsperrholz das Produkt einer zielge- Für mich persönlich spielt sich jetzt sehr viel im Wissenstransfer ab.
richteten Forschung gewesen war? Ich denke, das wird zukünftig unser eigentliches Exportgut sein.
Für mich persönlich war es die Fläche generell, die mich interes- Wir haben eine Riesenchance, mit unserem Know-how und unseren
siert hat. Ich habe gespürt, dass man im Holzbau mit der Fläche Erfahrungen dort zu punkten, sowohl auf wissenschaftlicher als
noch mehr als mit Stäben machen kann. Die heutigen Dimen- auch auf wirtschaftlicher Ebene. Die Brettsperrholzproduktion ist
sionen im Geschosswohnbau haben wir damals nicht einmal zu ein globaler Entwicklungsprozess, der lokal umgesetzt werden soll.
denken gewagt.
Eine letzte Frage habe ich noch: Es wird mehr Laubholz und
Die ersten Pionierbauten mit Brettsperrholz gab es dann ja in der weniger Nadelholz geben. Was heißt das aus ihrer Sicht für die
Steiermark von Hubert Rieß, oder? Produktentwicklung?
Der erste wirkliche Brettsperrholzbau, bei dem die großformatige Ich habe ein weiteres Standbein im Bereich der Forschung. Da
Fläche sichtbar war, war für mich das Projekt von Karl Moser und geht es um Furniere und die damit machbaren Produkte – Furnier-
seiner Holzbaufirma Merk in Aichach. Das war 1994⁄ 95. Karl schicht- und Furniersperrhölzer. Ich bin der Meinung, Laubholz
Moser war für mich einer der Pioniere auf der Unternehmerseite. sollte geschält werden. Die Schälfurniere sind dann die Basis für
die Weiterverarbeitung zu Bauprodukten.
Und von dort kam die Bewegung dann in die Steiermark?
Wir an der tu Graz haben uns zur selben Zeit auf wissenschaftli- Wir werden Laubholz aber auch für den Bau, für Tragkonstruk-
cher Ebene mit diesem Thema befasst. Die Holzbaufirmen Stingl, tionen einsetzen.
klh und Santner waren auf österreichischer Seite jene Unterneh- Selbstverständlich. Da werden wir in der Zukunft noch schöne
men, die das Potenzial sehr früh erkannt haben. Die haben sehr Entwicklungen erleben – dazu werden wir und andere Institute
viel investiert und Pionierarbeit geleistet. An der tu Graz und am beitragen.
Kompetenzzentrum holz.bau forschungs gmbh haben wir in den
letzten 25 Jahren Brettsperrholz-Forschung vom Produkt bis zum Gerhard Schickhofer
Bausystem betrieben und auch letztlich – gemeinsam mit den Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie an der Fakultät für
Unternehmen – Innovationen mit herausgebracht. Bauingenieurwissenschaften der tu Graz, www.tugraz.at, www.lignum.at
25 Jahre (pro) Holz
Brettschichtholz-Produktion Schachinger Logistik lt1
19
Headquarter Binder Holz
18
Brettsperrholz-Produktion
in Österreich, in m 3
zuschnitt 60.2015
1.444.600
1.331.900 1.314.000
996.900
Mursteg
577.700
137.000
216.000
348.000
Aichach
Dank an alle, die uns geantwortet haben: Herbert Ablinger, Georg Bechter, Alfred Brunnsteiner, Andreas Cukrowicz, Martin Feiersinger, Gerhard Fischill, Sonja Gasparin, Roland Gnaiger, Bettina Götz, Roland Gruber, Matthias Hein, Lothar
Heinrich, Hans Hohenfellner, Karlheinz Hollinsky, Dietmar Kaden, Johannes Kaufmann, Tom Lechner, Christian Lenz, Maximilian Luger, Philip Lutz, Richard Manahl, Beny Meier, Konrad Merz, Gerhard Mitterberger, Bruno Moser, Werner
Nussmüller, Heinz Plöderl, Kurt Pock, Wolfgang Pöschl, Irene Prieler, Georg W. Reinberg, Johann Riebenbauer, Reinhard Schafler, Simon Speigner, Christian Stummer, Norbert Thaler, Karin Triendl, Walter Unterrainer, Dietger Wissounig
Vom Nagel zur Schraube Zwei außen liegende
Stahlblech-Holz-Verbindungen im Vergleich
Gordian Kley
Nicht nur der Laie hat das Bild eines runden Drahtstiftes vor Zugblechen auch gelingt, muss die Schraube schräg ins Holz
Augen, wenn er den Begriff „Nagel“ hört. Auch der Zimmermann eingedreht werden, womit sie über den entstehenden geometri-
denkt im Allgemeinen an den klassischen 65er-Nagel, also an schen Umweg im Kräftedreieck zunächst einmal rund 30 Prozent
einen hundsgewöhnlichen Drahtstift. an Wirkung verliert. Mehr als kompensiert wird der Verlust aus
Dabei brachte die Entwicklung des Nagels schon seit Jahrzehnten dem schrägen Einschrauben aber durch die Verwendung von
sogenannte Sondernägel hervor, die sich sowohl in ihrer Gestalt Schrauben mit großer Länge und von Schrauben mit Vollgewinde –
und Profilierung als auch in ihrer Tragfähigkeit deutlich von den also mit Gewinde über die ganze Schraubenlänge.
ursprünglichen Drahtstiften unterscheiden. Rillennagel heißt die Für Belastung „auf Zug“ sind lange Vollgewindeschrauben un-
wichtigste Gattung unter den Sondernägeln, die eine sehr weite schlagbar. Das entscheidende Kriterium ist dabei nicht mehr das
Verbreitung gefunden hat, nicht zuletzt wegen ihres obligatori- Herausziehen der Schraube aus dem Holz, sondern das Abreißen
schen Einsatzes beim Befestigen der unter Holzbauern so hassge- im Schraubenschaft.
liebten Nagelbleche, Blechwinkel, Balkenschuhe und dergleichen Mit solchen Schrauben lässt sich die Anzahl der notwendigen
mehr. Generell können Nägel eingesetzt werden, wenn ein Holz, Verbindungsmittel in einem zwei Hölzer verbindenden Zugblech
eine Holzwerkstoffplatte oder ein Blech an ein benachbartes in Abhängigkeit vom Schraubendurchmesser bis zum Faktor 5
Holz befestigt werden soll, das direkt und flächig anliegt. Die reduzieren (6er-Rillennagel im Vergleich mit 10er-Vollgewinde-
Nägel wirken dabei im Wesentlichen „auf Abscheren“, wobei der schraube) – selbstverständlich nur, wenn für die langen Schrauben
Nagel quer zu seiner Schaftachse beansprucht wird. Nägel eignen auch eine ausreichende Holzdicke zur Verfügung steht.
sich ausdrücklich nicht für Beanspruchungen „auf Herausziehen“, Voraussetzung für die Entwicklung solcher Schraubenanschlüsse
also für Zug in Richtung der Nagelachse. war die Erforschung der Tragfähigkeit dieser Anschlüsse sowie die
Mit aufgenagelten Nagelblechen lassen sich nach wie vor hoch- verfügbare Technologie für die Herstellung von Schrauben und
leistungsfähige Verbindungen schaffen. Bleche lassen sich aber Schraubern. Denn schlussendlich müssen solch kräftige Schrau-
auch schon länger mit Schrauben auf Holz aufbringen. Sie haben ben ja auch auf der Baustelle eingedreht werden können. Heute
jedoch im Falle der Beanspruchung „auf Abscheren“ nur Nach- stehen mit unglaublich kräftigen Akku- und Pressluftschraubern
teile gegenüber dem Nagel: weniger Tragfähigkeit bei höherem Geräte zur Verfügung, die sich allesamt über eine Drehmoment-
Preis. Doch warum beobachten wir dann eine Entwicklung „vom begrenzung steuern lassen.
Nagel zur Schraube“? Anhand der beiden folgenden Projekte – der Produktionshalle in
Durch die rasante Weiterentwicklung der klassischen Holzschraube Jenbach und dem Werkraumhaus in Andelsbuch – soll die geschil-
hin zu langen Vollgewindeschrauben lassen sich Verbindungs- derte Entwicklung beim Aufbringen von Stahlblech-Zuglaschen
bleche mittlerweile noch wirksamer als mit Nägeln auf Holz auf- auf Holzträger verdeutlicht werden.
bringen, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
Entscheidend für die überragende Effizienz einer Schraubverbin-
Gordian Kley
dung ist nämlich, dass die Schraube im Gegensatz zum Nagel
ist Tragwerksplaner und Partner im Büro merz kley partner. 1966 geboren,
„auf Herausziehen“ beansprucht werden kann, also auf Zug in studierte er nach einer Zimmererlehre Bauingenieurwesen in Karlsruhe. Seit 1995
Richtung der Schraubenachse. Damit das beim Aufschrauben von arbeitet er in Vorarlberg und seit 1999 in Büropartnerschaft mit Konrad Merz.
Schrauben
Schrauben sind als absolute Massenware mittlerweile auch sehr preisgünstig
einzukaufen. Mit dem Einzug des sehr leichten und handlichen Akkuschraubers
hat die Schraube ihren Siegeszug angetreten. Denn der Hemmschuh Kabel
(Verlegung, Nachziehen etc.) fällt auf der Baustelle weg. Die Schraube ist uni-
Nägel verseller, schonender und dosierbarer einzusetzen als der Nagel. Selbst Spar-
Nägel sind für den Baumeister im Schalungsbau immer noch vorherrschend. rennägel werden heute durch Schrauben ersetzt, die trotz der großen Länge
Denn beim Ausschalen kann er die von der Schalungsseite (= Betonseite) ge- mit Akkuschraubern eingedreht werden können. Mit den aktuellen Schrauben
nagelte Verbindung wieder auseinanderziehen. Eine Schraubverbindung kann sind Verbindungen möglich, die mit Nägeln nicht möglich waren: Schräg-
nicht auseinandergezogen werden, und so müsste er beim Ausschalen die schrauben für den Querkraftanschluss (statt Balkenschuh), vg-Schrauben zur
Schalplatten zerstören. Querzugvermeidung (statt eingeklebter Gewindestangen) etc.
Z Z
Z Z
M M
D D
Z
Viele Nägel – große Anschlussfläche Wenig Schrauben – kleine Anschlussfläche
22
23
Z Z
Z
Z R DR
zuschnitt 60.2015
Z
ZA
Nägel auf Abscheren Schrägschraube auf Zug im Kräftedreieck
Anne Isopp
Zuschnitt: Herr Prof. Teischinger, Sie haben Anfang der neunziger Was gibt es noch?
Jahre begonnen, Holztechnologie zu unterrichten – erst an der In der Fertigungstechnik wird sich viel verändern. Wir fertigen
htl Mödling und heute an der boku. Was hat sich seitdem in der immer noch relativ primitiv und nicht ressourceneffizient. Wir
Holztechnologie verändert? lassen in der Fertigungstechnik zu viel Geld liegen. Schauen Sie
Alfred Teischinger: In den letzten 25 Jahren hat es einen Paradig- sich an, wie heute ein Fertighaus erzeugt oder ein Fenster pro-
menwechsel gegeben von einer eher untergeordneten, dienenden duziert wird. Das ist furchtbar.
Holzverwendung zu einem Holzbau, der in vielen Kategorien von
Können Sie mir ein Beispiel nennen?
Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern bis hin zum Ingenieurholz-
Wir produzieren nicht ressourceneffizient. Wenn Sie aus einem
bau Einzug gehalten hat und extrem zugenommen hat.
Baum Schnittholz machen, haben sie nur eine Ausbeute von
Was war der Anlass für diesen Paradigmenwechsel? 55 Prozent. Der Rest sind Koppelprodukte. Man müsste ganz
Gab es so etwas wie eine Initialzündung? andere Fertigungsmethoden anwenden. Wir müssen uns von
Es war weniger eine Initialzündung als vielmehr das komplexe anderen Industrien inspirieren lassen – Stichwort „Industrie 4.0“.
Zusammenwirken von vielem: neue Fertigungstechniken, Weiter- Wenn Sie heute eine Fensterproduktionsanlage anschauen, dann
entwicklung des Brettschichtholzes, Entwicklung des Brettsperr- haben die Maschinen nur eine Verfügbarkeit von nicht einmal
holzes, neue Sortierrichtlinien in der Sägeindustrie und so weiter. 50 Prozent. Bei einer chemischen Fabrik liegt die Verfügbarkeit
Es hat Unternehmen gegeben, die in ihre Leimbinderwerke in- bei 95 Prozent.
vestiert haben und mit den Märkten mitgewachsen sind. Hinzu
Es wird in Zukunft mehr Laubholz, weniger Nadelholz geben.
kam die Rolle von proHolz – nicht nur als Werbe-, sondern als
Was heißt das für Sie als Holztechnologe?
Holzinformation. proHolz hat die Informationen über den Holzbau
Ja, leider. Nadelhölzer sind viel produktiver als Laubhölzer.
an Architekten, Bauingenieure und Bauträger herangetragen.
Man könnte die Nadelhölzer weiter im Forst halten, man muss
Drittens hat die Forschung die Entwicklung begleitet. Es war ein
nur andere Typen nehmen. Es gibt ja Getreidesorten, die sind
glücklicher Zufall, dass in diesem System alle ihre richtigen Rollen
für die Wüste geeignet, und es gibt Getreidesorten, die sind für
gefunden haben.
Norwegen geeignet. Wir könnten das in der Forstwirtschaft
Diese Entwicklung spiegelt sich ja auch in der jüngsten Erhebung genauso machen. Das Laubholz hat ja keine Mehrleistung auf
zum Holzbauanteil in Österreich wider, die Sie am Institut für dem Hektar. Sicher ist es schön anzusehen und gesellschaftlich
Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe an der boku relevant; da ist auch die Frage, was die Gesellschaft will.
durchgeführt haben.
Da braucht es eine politische Entscheidung.
Das ist doch eine Erfolgsstory! Aber schauen Sie sich auch die
Ich bin nicht unbedingt gegen die naturnahe Forstwirtschaft.
Entwicklungskurve von Brettsperrholz und Brettschichtholz an.
Wenn wir es uns leisten können, habe ich kein Problem damit.
Die Brettsperrholzproduktion gibt es seit 1998. Bis heute ist sie
Die Gesellschaft sagt, der Wald soll natürlich sein, der Erzberg
weltweit von Null auf über 600.000 m3 gewachsen. Österreichi-
kann unnatürlich sein und die Rohölplattform auch. Am Bau
sche Firmen haben mit über 60 Prozent einen großen Anteil daran.
kommen dann alle Materialien zusammen. Die einen haben
Wie geht es weiter? Gibt es Trends, die Sie erkennen können, erhöhte Produktionskosten, weil sie für die Gesellschaft etwas
zum Beispiel im Hinblick auf neue Materialentwicklungen? leisten, die anderen kosten die Gesellschaft etwas. Dann kann
Das Thema des Ressourcenverbrauchs ist entscheidend. Nehmen das Holzprodukt am Ende keinen konkurrenzfähigen Preis
wir als Beispiel die Spanplatte: Früher gingen 30 Prozent der gegenüber Zement, Stahl, Aluminium und Kunststoffen haben.
Sägespäne in die Spanplatte. Jetzt geht viel in die Energie, zur Mir als Technologe ist es egal, mit welcher Holzart ich mich
Herstellung von Pellets. Was machen die Spanplattenproduzenten? beschäftige. Ich kann mit allen Holzarten umgehen. Aber ich
Sie haben nicht genug Holz, deshalb machen sie die Spanplatten will dann nicht am Bau hören: Ihr seid zu teuer.
leichter. Relativ neu ist, dass die Spanplatte 25 Prozent Recycling-
holz enthält. Die Rohstoffeinsparung und das dazugehörige
Materialengineering werden sicherlich zunehmen. 2013
43 %
2008
39 %
Holzbauanteil in Österreich
2003
30 %
1998
Zuschnitt: Sie sind 1990, im selben Jahr, in dem proHolz Austria Mit der Realisierung der ersten mehrgeschossigen Holzbauten
24
25
gegründet wurde, zur Holzforschung gekommen. Woran hat man Mitte der neunziger Jahre haben wir begonnen, uns mit der Fas-
damals geforscht? sade zu beschäftigen. Durch die mehrgeschossigen Häuser gab
zuschnitt 60.2015
Manfred Brandstätter: Es ist spannend, dass viele Themen, mit es auch eine neue Bauherrenschaft: Auf einmal waren nicht mehr
denen wir uns damals beschäftigt haben, auch heute noch be- die Hausbesitzer selbst für die Wartung verantwortlich, sondern
forscht werden. Emissionen und Auswirkungen auf die Gesund- die Bauträger und die Genossenschaften. Diese waren daran
heit waren schon in den 1990er Jahren ein Thema. Damals ging interessiert, dass Beschichtungen und Oberflächen bei geringem
es mehr um Formaldehyd, heute liegt der Schwerpunkt stärker Serviceaufwand möglichst lange halten. Das Thema der Wartung
bei flüchtigen organischen Verbindungen (voc). wurde für den Holzbau immer wichtiger.
Das heißt, das Thema Emissionen in die Raumluft ist auch heute Wartung – das betrifft hauptsächlich die Fassade?
noch Teil Ihrer Forschung? Fassade und Fenster. Die moderne Architektur ist ja grundsätz-
Ja, das Thema wird uns auch weiterhin begleiten, weil diese lich zu einem großen Erfolgsfaktor für den Holzbau geworden.
flüchtigen organischen Stoffe nicht nur in Klebstoffen vorkom- Aber diese moderne Architektur setzt ganz gezielt und bewusst
men, sondern auch im natürlichen Holz und die Anforderungen traditionelle, konstruktive Bauregeln außer Kraft, …
an die zulässigen Emissionen ständig steigen. In den neunziger
… was zu Schäden führen kann.
Jahren haben wir auch begonnen, uns mit der Verwertung von
Die konstruktiven Bauregeln haben für den Holzbau grundsätz-
Baurestmassen zu beschäftigen. Altholz – Entsorgung und
lich ja einen Sinn.
Recycling von Holz –, das war mein erstes eigenes Thema hier
im Haus. Was können wir tun, wenn wir ein Holzgebäude rück- Welche Themen stehen bei Ihnen an, wenn sie in die Zukunft
bauen? Wie können wir das Holz verwerten? blicken?
Der Schallschutz im Holzbau wird ein Thema sein, das uns in den
Das ist ja noch immer ein hochaktuelles Thema. Ist die Forschung
nächsten Jahren intensiv beschäftigen wird. In Stetten in Nieder-
daran abgeschlossen oder gibt es noch ungeklärte Detailfragen?
österreich haben wir gerade unser Akustikcenter eröffnet. Speziell
Die Beschäftigung damit geht weiter, weil das Holz in seiner
für Decken- und Wandelemente wollen wir den Schallschutz – im
Materialkombination immer wieder frisch zu bewerten ist. Allein
Bereich der tiefen Frequenzen – verbessern.
die Holzschutzmittel sind heute ganz andere als vor 25 Jahren.
Es gibt neue Anstriche und Beschichtungen. Beschäftigen Sie sich auch mit Hybridkonstruktionen? Gerade im
Mitte der neunziger Jahre haben wir auch ein Projekt zur Festig- Bereich der Decken ergeben ja Kombinationen mit Beton oder
keit von Brettschichtholz durchgeführt. Damals begann die Indus- Schüttungen oft Sinn.
trialisierung von Brettschichtholz. Holzbaubetriebe stellten auch Hybridkonstruktionen sind ein Zukunftsthema und werden sich
vorher schon Brettschichtholz (bsh) her, allerdings nicht als Han- sicherlich auch mit dem Thema Schall überschneiden. Was natür-
delsprodukt, sondern nur objektbezogen. Mitte der 1990er Jahre lich noch dazukommt, ist das Thema Haustechnik. Da sind wir
wurde bsh standardisiert und als Ersatzbaustoff für Kantholz ver- nicht mehr im Holzbereich, aber ich glaube, dass sich der Holz-
marktet. Im Gegensatz zum klassischen Kantholz war es trocken, bau diesem Feld aktiv zuwenden soll.
stand in größeren Dimensionen und Längen zur Verfügung und
Warum?
es gab mehr Festigkeitsklassen. Wir haben diese Produktentwick-
Weil es um so wichtige Dinge wie Lüftung, automatische Steue-
lung begleitet – von der Produktüberprüfung über die Normung
rung von Fenstern, Schall- und Brandschutz geht. Das Thema
bis hin zur Zertifizierung.
Haustechnik ist aus der Sicht des Holzbaus eine wichtige Schlüs-
Es scheint, dass die Holzforschung sich in den neunziger Jahren selstelle für die Zukunft.
eher Produktentwicklungen und Themen rund um den Rohstoff
zugewandt hat. Wann kam denn die Beschäftigung mit baudetail-
Manfred Brandstätter
spezifischen Fragestellungen wie Flachdach, Fassade und so
Geschäftsführer der Holzforschung Austria
weiter auf? www.holzforschung.at
www.dataholz.com Fassaden aus Holz att. Thermische Sanierung und Modernisierung von Bestandsgebäuden
Online-Bauteilkatalog bau- Eva Guttmann, Peter Schober Martin Teibinger et al. proHolz Austria (Hg.), Wien 2013
physikalisch und ökologisch proHolz Austria (Hg.),
att. Brandschutzvorschriften in Österreich
Projekte und geprüfter Holzbauteile 2. Auflage, Wien 2014
Martin Teibinger; proHolz Austria (Hg.), 3. Auflage, Wien 2015
Publikationen, die in
Kooperation von www.infoholz.at Holzböden im Freien att. Haustechnik im mehr geschossigen Holzbau
proHolz Austria und der Kostenloser Online-Frage- Peter Schober, Claudia Koch Martin Teibinger et al. proHolz Austria (Hg.), Wien 2014
Holz forschung Austria und-Info-Service rund um et al.; proHolz Austria (Hg.),
entstanden sind: den Baustoff Holz Wien 2013 Zu bestellen unter: shop.proholz.at
Handwerker errichten die Woodbox:
Seit 2014 tourt diese mobile Holzbox mit einer kompakten Holzarchitektur-
Ausstellung im Inneren durch Europa. Siehe: www.wooddays.eu
Die Sehnsucht nach dem Handwerk
in Zeiten digitaler Omnipräsenz
Handwerk hat goldenen Boden, heißt es. Wer glaubt, Beäugt man die reduzierten und doch eleganten
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der Spruch habe an Gültigkeit verloren, der irrt, und Entwürfe des Designers, bei denen ein gutes Stück
zwar gewaltig. Gerade in dieser bis in den letzten weit traditionelles Formgefühl der Bregenzerwälder
zuschnitt 60.2015
Winkel durchglobalisierten Internetwelt mit auto- mitschwingt, wird einmal mehr klar, dass vor allem
matisierten Produktionsstraßen, Apps und immer dem Werkstoff Holz eine tragende Rolle in der Welt
gleichen Shoppingmalls sowie inflationärer Massen- des Handwerks zukommt. Robert Rüf dazu: „Holz
ware wächst das Verlangen nach Individualität, nach ist ein sehr intuitives Material, es wächst ‚einfach so‘.
einer eigenen Handschrift, nach Qualität, Zuorden- Nach dem Stein war es vermutlich spätestens das
barkeit, also nach Handwerk. Handwerk stillt den zweite Material, das von Menschenhand überhaupt
Wunsch nach Menschlichem ebenso wie das Bedürf- in Form gebracht wurde, es steht also ziemlich am
nis nach Ablesbarkeit von Herkunft. Das gilt für die Anfang der Handwerksgeschichte. Egal ob do it
Arbeit des Tischlers, für seine Hobel, Bohrer und yourself oder serielle Produktion, Holz behält seinen
Dübel ebenso wie für das Werken des Goldschmieds spezifischen Charakter – kein Stück ist exakt gleich
oder Glasbläsers. In Zeiten digitaler Omnipräsenz wie das andere.“
gedeiht die Sehnsucht nach dem Handwerk präch- Sebastian Hackenschmidt fällt an dieser Stelle der
tig. Das freut den Tischler ebenso wie die Erzeuger italienische Schriftsteller Primo Levi ein, der der
von Luxus-Accessoires, Designer und Ausstellungs- Meinung war: „Jeder, der die Gelegenheit hat, mit
kuratoren. Holz umzugehen, sei es beim Ausüben eines Hand-
Fragt man den Möbelfachmann des Wiener Museums werks oder einfach zum Spaß, der begreift, dass
für angewandte Kunst, Sebastian Hackenschmidt, es sich um ein ganz außergewöhnliches Material
wie er den Stand der Handwerksdinge sieht, bestä- handelt, an das die modernen Kunststoffe nicht im
tigt er die immer stärker werdende Wertschätzung Entferntesten heranreichen. Das hat sich auch in
gegenüber dem Handwerk: „In einer immer komple- den letzten 25 Jahren nicht geändert.“
xer werdenden Welt drohen wir mehr und mehr den Bei all dem Digitalen, das uns mittlerweile umgibt,
Überblick zu verlieren. Beispielsweise wissen wir ist man also gut beraten, auf dem Boden zu bleiben.
kaum noch, woher die Gegenstände unseres Alltags- Der bleibt golden, solange auch Hände am Werk
lebens stammen: Es sind überwiegend Dinge aus sind. Menschen suchen Identität in der Tradition,
industrieller Massenfertigung, deren Produktions- und zu dieser gehört das Handwerk, auch und vor
prozesse wir weder nachvollziehen noch begreifen allem, wenn es das Zeug dazu hat, moderne Wege
können – und die deshalb beliebig und austausch- zu beschreiten. Dabei darf ein Detail, wenn es Sinn
bar bleiben. Genau daher rührt wohl die vermehrte ergibt, ruhig von einem 3-D-Drucker ausgespuckt
Nachfrage nach handwerklich hergestellten Gegen- werden. Es muss nicht alles mundgebissen sein.
ständen: Sie geben unserer Sehnsucht nach den Abschließend hat auch die Kulturmanagerin und
einfachen und verständlichen Dingen Ausdruck und Kuratorin Tina Zickler etwas zu sagen. Im kommen-
vermitteln uns ein authentisches, traditionsverbun- den Mai wird sie gemeinsam mit Rainald Franz eine
denes und behagliches Lebensgefühl.“ große Ausstellung zum Thema Handwerk im Wiener
Robert Rüf, ein aus dem Bregenzerwald stammen- mak eröffnen. „Handwerkliches Wissen und Können
der Designer, meint: „Ich denke, das wachsende Be- wurde über Jahrtausende hinweg erworben und
dürfnis nach Handwerklichem hat mit einer Suche weitergegeben. Arbeit mit den Händen steckt ge-
nach einer bewussteren Beziehung zu Dingen des wissermaßen in unserer dns. Nach der industriellen
Alltags zu tun. Die Objekte werden nahbarer, wenn Revolution hat die digitale Revolution eine zweite
man die Geschichten und Menschen, die hinter fundamentale Krise im Handwerk ausgelöst. Einer-
ihnen stehen, kennenlernt“. seits schreitet die Erosion tradierten handwerkli-
chen Wissens voran und andererseits ist ‚Handwerk‘
in vielen Bereichen ein Synonym für Qualität. Es ist
Zeit, eine Bestandsaufnahme zu wagen, Zeit, inne-
zuhalten und das nachhaltige, ressourcenschonende
Potenzial des Handwerks zu reflektieren, Zeit, sich
zu besinnen, denn mit den Händen ‚erfassen‘ und
‚begreifen‘ wir die Welt.“
Michael Hausenblas
Mitarbeiter der Tageszeitung Der Standard
Holz(an)stoß Christian Philipp Müller
Einzelausstellungen
(Auswahl)
2014 Umsetzungen, Galerie Nagel
Draxler, Berlin
2012 ⁄ 13 Histories in Conflict: Haus der
Kunst and the Ideological
Uses of Art, 1937 – 1955,
Haus der Kunst, München Ein Tisch – zusammengesetzt aus den in Österreich heimischen Holzarten – auf der 54. Kunstbiennale in Venedig, 1993
2011 Im Wohnatelier, Verein zur
Förderung von Kunst und
Stefan Tasch
Kultur am Rosa-Luxemburg-
Platz, Berlin
31 in Chelsea, Murray Guy, 1993 kuratierte Peter Weibel erstmals den österrei- Arbeit reagierte er spezifisch auf den österreichi-
New York chischen Pavillon für die 45. Biennale von Venedig. schen Pavillon, indem er die Mauer, die den Hinter-
2010 Ach wie gut dass niemand Er lud neben dem österreichischen Künstler Gerwald hof des Gebäudes begrenzt, über eine Länge von
weiss, Artelier Contemporary, Rockenschaub auch die amerikanische Künstlerin etwa 4 Metern öffnete. Müller legte den Blick frei
Graz
Andrea Fraser sowie den Schweizer Christian Philipp auf eine offene Grenze, ein Stück Niemandsland
2008 resolutions, Galerie Christian
Nagel, Berlin
Müller ein, den Hoffmann’schen Pavillon zu bespie- zwischen dem österreichischen Areal und der
cookie-cutter, 47 Orchard, len. Das kuratorische Konzept Weibels, auch „aus- Begrenzungsmauer des Biennalegeländes. Die hier
New York ländische“ Künstler und Künstlerinnen in die Aus- abgebildete Arbeit „Gartentisch“, die der Künstler
2007 Basics, Museum für stellung mit einzubeziehen, brach erstmals mit der im Hinterhof des Pavillons installierte, hat ebenfalls
Gegenwartskunst und Basler Tradition des rein nationalen Wettstreits zwischen einen Durchmesser von 4 Metern. Sie wurde zur
Papiermühle, Basel
den teilnehmenden Ländern und führte im Vorfeld Präsentation von Objekten von Rockenschaub,
Gruppenausstellungen zu Verstimmung und Kritik in der österreichischen Fraser und Müller genutzt. Zusammengesetzt aus
(Auswahl) Presse. Das Ende des Kalten Krieges, der Nieder- 13 der in Österreich am häufigsten vorkommenden
2015 to expose, to show, to demon- gang des Ostblocks und der Fall der Berliner Mauer Holzarten (etwa Fichte, Buche oder Weißkiefer),
strate, to inform, to offer – sorgten nicht nur für Euphorie und Aufbruchsstim- umgibt der Tisch kreisförmig einen Baum, der zwar
Künstlerische Praktiken um mung, sondern erzeugten auch Skepsis, Angst vor juristisch auf österreichischem Boden wurzelt, de
1990, mumok, Wien
den „neuen“ Nachbarn und erste Anzeichen einer facto aber seit Jahrzehnten auf italienischem Boden
Ärger im Paradies, Bundes-
kunsthalle, Bonn Renationalisierung, die schließlich zum politischen wächst. Ergänzend zeigte Müller im linken Flügel
Peter Weibel’s „Kontext Zerfall und zu den Jugoslawienkriegen führte. des Pavillons u. a. acht Bäume, die stellvertretend
Kunst“ (1993), Yvonne Mit nationalen Territorien und den Grenzziehungen für die Landschaftsbilder jener Grenzregionen aus-
Lambert, Berlin zwischen West- und Osteuropa setzte sich auch der gewählt wurden, die er durchwandert hatte, und von
2014 A Place Like This, Kunsthaus Beitrag von Christian Philipp Müller auseinander. denen auch die anfangs erwähnten Fotografien
Glarus, Glarus
Unter dem Titel „Grüne Grenze“ präsentierte Müller stammen. Selbst nach über zwanzig Jahren und in-
2013 nyc 1993: Experimental Jet
Set, Trash and No Star, New Fotografien, die ihn bei den Grenzübertritten von ternationalen Übereinkommen zur Abschaffung der
Museum, New York Österreich aus in die angrenzenden Länder Italien, stationären Grenzkontrollen innerhalb Europas, hat
2012 Swiss Chard Ferry (The Rus- Schweiz, Fürstentum Liechtenstein, Deutschland, die Thematik des freien Personenverkehrs an Aktua-
sians aren’t going to make it Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien lität nichts verloren. Mittlerweile suchen hundert-
across the Fulda anymore), zeigten. Als Wanderer verkleidet, wählte Müller tausende Kriegsflüchtlinge den Weg durch Europa
documenta (13), Kassel
2011 Schöne Aussichten!,
waldreiche Gegenden, um unbemerkt in die Nach- und stehen erneut vor Grenzzäunen, die ein Weiter-
Belvedere, Wien barländer zu gelangen und die Durchlässigkeit der kommen verhindern und Ausweichrouten erzwingen.
österreichischen Staatsgrenzen zu dokumentieren.
Kuratiert vom Museum Müller thematisierte damit auch die historischen Stefan Tasch
Moderner Kunst Stiftung Verschiebungen von Grenzen sowie den Wandel Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh
Ludwig Wien territorialer Identitätsstiftung. In einer weiteren Arbeit in verschiedenen Museen und Galerien