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Enzyklopädie der Neuzeit Online

Englische Revolution
(3,364 words)

1. Deutungsvarianten und Forschungsstrategien


Article Table of Contents
1.1. Zum Begri f »Revolution«
1. Deutungsvarianten und
Forschungsstrategien
Ob die Ereignisse in England in der Mitte des 17. Jh.s
überhaupt als eine »Revolution« bezeichnet werden 2. Die Ausgangslage
dürfen, ist unter Historikern umstritten [20]; [24]. Dieser 3. Der Kampf um die
Begri f wurde erst unter dem Eindruck der Französischen Verfassung
Revolution anderthalb Jahrhunderte später gewählt. Die 4. Republik, Protektorat und
E. R. markiert im liberalen Geschichtsverständnis des sog. Restauration
whig view der engl. Geschichte den ersten Schritt auf dem 5. Die englische Revolution
Weg zum modernen Verfassungsstaat ( Staat) auf der im europäischen Kontext
Grundlage der Repräsentativverfassung (Verfassung) oder
im Sinne der marxistischen Geschichtsau fassung den
Au ruch in das Zeitalter der bürgerlichen Gesellschaft [6]; [7]; [19].

Dabei gilt das Augenmerk zum einen dem Verlaufsmuster der R. als einer Grundform des
verdichteten Wandels in der Geschichte. Vor dem Hintergrund der Franz. Revolution weist die
Parallelität herausragender Ereignisse (die Hinrichtung des Königs, Radikalisierungsprozesse,
die Errichtung einer Republik und später einer Militärdiktatur [4], schließlich die Einmündung
des revolutionären Prozesses in eine Restauration, die gleichwohl keine Wiederherstellung des
Status quo ante war) die Geschehnisse um die Mitte des 17. Jh.s als R. aus. Zum anderen
verlangt diese Deutung die Annahme übergreifender politischer oder sozialer
Kon iktkonstellationen.

1.2. Forschungsansätze

Beide Vorannahmen zum R.-Begri f hatten beträchtliche forschungsstrategische Folgen, etwa


das große Interesse, das der Rolle der Unterschichten oder radikalen Sekten wie den Diggers,
Ranters und Fifth Monarchy Men in der E. R. zuteil geworden ist [8]; [15]; [22]. Besondere
Schwierigkeiten bereitete die Herausarbeitung einer den Ereignissen zugrundeliegenden
sozialen Kon iktkonstellation. Der Versuch, entsprechende Umschichtungen in der engl.
/
Grundeigentümergesellschaft als Erklärung heranzuziehen, hat zwar in der sog. Gentry-
Kontroverse die sozialgeschichtliche Forschung angeregt, aber zu keinem eindeutigen Ergebnis
geführt [21]. Immerhin zeigt die Geographie der Loyalitätsverhältnisse im engl. Bürgerkrieg
(1642–1649), dass die ökonomisch fortgeschritteneren Regionen im Südosten des Landes eher
auf der Seite des Parlaments standen, während der König im vergleichsweise
zurückgebliebenen Westen und Norden auf Unterstützung zählen konnte.

Überzeugender wirkt die sozialgeschichtliche Reinterpretation der liberalen Vorstellung von


der Verfassungsrevolution als eines Kon iktes innerhalb der Herrschaftselite: zwischen
Nutznießern von Monarchie und Hof einerseits und den auf die Grafschafts- und
Lokalverwaltung verwiesenen Landbesitzern andererseits. Freilich nimmt sich das Ausmaß der
Umverteilung von Besitz über den Staatsapparat und den Hof in England eher bescheiden aus
[25]. Insbes. revisionistische Historiker ziehen es angesichts dieser Schwächen des R.-
Interpretaments vor, die Ereignisse zwischen 1640 und 1660 lediglich unter dem Aspekt des
Bürgerkriegs bzw. der Rebellion gegen den König zu interpretieren und auf darüber
hinausreichende Deutungselemente zu verzichten [23]; [5]; [17]; [2]; [3]; [10]; [16]. Dies läuft
auf die Reduktion der E. R. auf eine im Prinzip kontingente Ereigniskette hinaus, eine Sicht, die
eine der wichtigsten Quellen für die R., Clarendon's History of the Great Rebellion (1669), aus
der Perspektive eines in den Entscheidungsprozess eingebundenen Zeitgenossen schon nahe
legt [12].

In den letzten Jahren ist diese Kontroverse indes hinter einer neuen, von revisionistischen
Historikern vorbereiteten Perspektive zurückgetreten, welche die Entwicklung in Schottland
und Irland in den Blick rückt und die Ver echtungen der Kon ikte in den drei brit.
Teilkönigreichen in den R.-Jahrzehnten herausarbeitet [18]; [14]; [13]; [11]. Es geht diesem
Ansatz nicht nur darum, den Ein uss der Kon ikte in Schottland und Irland auf die
Entwicklung Englands neu zu bewerten, sondern auch um die Auseinandersetzungen in diesen
Teilkönigreichen selbst, in denen die je unterschiedlichen konfessionellen Pro le eine
Schlüsselrolle spielten. Die R. erscheint so als eine multiple Krise im Prozess der brit.
Gesamtstaatsbildung, die durch eine Intensivierung des staatlichen Zugri fs auch und gerade
auf kirchenpolitischem Gebiet ausgelöst wurde.

In der jüngeren Historiographie wird zudem – im Anschluss an neuere Ansätze der Kultur- und
Kommunikationsgeschichte – darauf hingewiesen, dass das Verhältnis zwischen Krone und
Parlament (= Parl.) bzw. gesellschaftlichen Führungsschichten des Landes nicht nur
verfassungsrechtlich gedeutet werden sollte. Unter der Regierung Karls I. habe es eine
deutliche Tendenz gegeben, den ursprünglich recht o fenen engl. Hof personell wie
kommunikativ abzuschotten. Folge sei eine deutliche Minderung an Kontakt- und
Ein ussmöglichkeiten der Krone im Lande gewesen, von denen die Stellung des engl.
Königtums wesentlich abhing – eine Entwicklung, durch die die Konfrontation seit 1640/1642
erst erklärbar werde [1].

Günther Lottes

2. Die Ausgangslage /
2.1. Schottland

Unbestreitbar ist, dass die E. R. von der Peripherie her in Gang gesetzt wurde. In Schottland
führte 1637 der Versuch Karls I., das engl. Prayer Book (Book of Common Prayer) durchzusetzen
und die presbyterianische Kirchenverfassung (Calvinismus) episkopal zu überformen, zu einer
Demonstration schott. Unabhängigkeit. Nicht nur die Herrschaftselite, sondern auch Schotten
aus der breiteren Bevölkerung unterzeichneten einen covenant (»Bund«) zur Erhaltung des
schott. Protestantismus, der einer Identitätserklärung der schott. Nation gleichkam; er wurde
1650 von Karl II. im Vertrag von Breda anerkannt, nach der Restauration der Stuart-Dynastie
aber 1662 vom Parl. für ungültig erklärt.

Der Versuch Karls I., den schott. Widerstand 1639/1640 militärisch in den sog. Bischofskriegen
zu brechen, misslang und zwang ihn zur Einberufung des Parl. in England (April 1640). Im
Bürgerkrieg schlugen sich die Schotten auf die Seite der puritanischen Parl.-Opposition.

2.2. Irland

Nahezu zeitgleich brach in Irland eine Rebellion aus. In der Krise glaubten irisch-kath.
Landbesitzer, gegen die Kolonisierungspolitik, die freilich auch Karls Statthalter in Irland
Thomas Wentworth vorangetrieben hatte, ihre Rechte als treue Untertanen Karls I. einfordern
zu können, und begannen einen Privatkrieg gegen die meist schott.-protest. Siedler. 1641 erhielt
diese Aufstandsbewegung mit der Konföderation von Kilkenny eine politische Struktur, die als
Vertretung eines kath. Irland angesehen werden kann.

Das Parl. in London sah den irischen Aufstand v. a. unter dem Aspekt der möglichen
militärischen Unterstützung Karls I. und machte aus der Frage seiner Niederwerfung und der
Kontrolle über die hierzu erforderlichen Truppen eine Souveränitätsfrage im innerengl.
Verfassungskon ikt. Schottland und Irland blieben in den 1640er Jahren bis zur Eroberung
durch Cromwell 1649/1650 eigene Schauplätze des Bürgerkriegs, die für die Entwicklung der
Machtbalance in England selbst nicht unerheblich waren.

2.3. England

Die für den brit. Gesamtstaat maßgeblichen Weichenstellungen erfolgten jedoch im


Teilkönigreich England. Hier warf die Politik des verstärkten herrschaftlichen Zugri fs Karls I.
(Prärogative) die Frage nach der Natur der engl. Verfassung auf. Es ist für das Verständnis der E. 
R. bis hin zur Restauration zentral, dass die Kon iktparteien nicht konkurrierende
Verfassungsentwürfe gegeneinander hielten, sondern um die Auslegung dessen stritten, was
beide Seiten als eine zumindest ktiv von alters her bestehende Verfassung des Königreichs
anerkannten. Das kommt nicht zuletzt in den De nitionsanstrengungen der
Schlüsseldokumente zum Ausruck, welche die Scheidewege der E. R. markieren (s. u. 3.1.–3.2.).

Als Englands Souverän hatte sich im Laufe des 16. Jh.s die als King in Parliament bezeichnete
institutionelle Trinität von King, Lords (Oberhaus) und Commons (Unterhaus) etabliert. Dazu
trat als weiteres Kennzeichen der engl. Königsherrschaft der due process of law (»ordentliches
/
Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz«) auf der Grundlage der im Common Law
verankerten Rechtsbräuche (Grundrechte). Seit Heinrich VIII. (1534) kam die Stellung des
Königs als Oberhaupt der Kirche von England auf der Grundlage eines in seinen theologisch-
liturgischen Umrissen noch nicht endgültig festliegenden Anglikanismus hinzu.

Die Beziehungen zwischen den verfassungstragenden Institutionen waren nicht schriftlich


xiert, sondern beruhten auf einem weitgehend unausgesprochenen Konsens über die
politische Kultur. Der Dissens bis hin zum Kon ikt äußerte sich darin, dass die
Bedeutungskerne der politischen Begri fe im Gebrauch der Kon iktparteien auseinander
drifteten. Für weite Teil der engl. Herrschaftselite stellten die elf parlamentslosen Jahre nach
1629 einen Versuch der Krone dar, die überlieferte Souveränitäts-Struktur einseitig zu
verändern, zumal die Erhebung des von der parlamentarischen Bewilligung unabhängigen
Schi fsgeldes (ship money; traditionelle Abgabe zur Finanzierung der königlichen Marine) in
ganz England und nicht nur wie vormals üblich in den Küstenregionen als eine
Rechtsverletzung gedeutet wurde und darüber hinaus dem Parl. dessen wichtigstes politisches
Instrument, die Steuerbewilligung, aus der Hand zu nehmen drohte.

Die gerade in der Religionsfrage seit der Einschaltung des Parl. in das Reformations-Geschehen
an Beteiligung gewohnte Grundbesitzerelite sah sich darüber hinaus durch die Kirchenpolitik
Karls I. und seines Erzbischofs von Canterbury William Laud brüskiert, dessen Akzentuierung
der Bischofskirche (Episkopalsystem) der stärker zur Autonomie der Gemeinde tendierenden
engl. gentry (dem niederen Landadel) widerstrebte. Diese Grundstimmung brach sich gleich zu
Beginn der R. in der sog. Root and Branch Petititon gegen die Bischofskirche Bahn. Als der Krieg
in Schottland Karl I. 1640 zur Einberufung des Parlaments zwang, brach der schwelende
Verfassungsdissens o fen aus.

Günther Lottes

3. Der Kampf um die Verfassung

3.1. Eskalation des Verfassungskon ikts

Die frühen 1640er Jahre standen im Zeichen einer Klärung der Verfassungsverhältnisse, in
deren Verlauf sich die beiden Seiten immer weiter von einer Kompromisslösung entfernten.
Hatte Karl der Opposition des für April 1640 einberufenen Parl. noch mit dem
Verfassungsinstrument der Au ösung Herr werden können, so war dies nach seiner Niederlage
im Krieg gegen Schottland bei dem im November zusammentretenden neu gewählten Parl.
nicht mehr möglich.

Wortführer der Parl.-Opposition gegen den König war John Pym. Die Aufmerksamkeit des
Hauses richtete sich zunächst auf die Politiker in der Umgebung des Monarchen, die als »üble
Berater« für die Entfremdung von König und Herrschaftselite verantwortlich gemacht wurden.
Dies waren in erster Linie der zum Earl of Stra ford erhobene Thomas Wentworth und der
Erzbischof Willam Laud. Beide wurden im Wege eines Amtsanklage-Verfahrens (engl.

/
impeachment) demontiert, das jedoch rechtlich fragwürdig war. Stra ford konnte schließlich
nur durch ein seine Schuld feststellendes Parl.-Gesetz (Act of Attainder) zu Fall gebracht
werden, dem der König seine Zustimmung geben musste. Er wurde 1641 hingerichtet.

Danach ging das sog. Lange Parl. (Long Parliament) an Verfassungskorrekturen, die seine
Machtstellung gegenüber dem König sichern sollten. Im Januar 1641 wurde die sog. Triennial
Bill eingebracht, die den König zwingen sollte, alle drei Jahre ein Parl. für mindestens 50
Sitzungstage einzuberufen. Im Mai 1641 machte das Parl. entgegen dem bisherigen
Verfassungskonsens seine Au ösung von der eigenen Zustimmung abhängig. Der König hielt
sich an seine Zustimmung zu diesem Gesetz und löste das Parl. nicht einmal während des
Bürgerkriegs auf.

Danach schritt das Parl. zur Abscha fung der Einrichtungen, die ganz unter der Kontrolle des
Königs standen und die als Instrumente absoluter Herrschaft verdächtigt wurden
(Absolutismus). Es handelte sich um den schon seit den Tagen der Tudors bestehenden
Gerichtshof der Sternkammer (Star Chamber), die Hohe Kommission für Kirchenfragen sowie
die Regionalräte für den Norden und für Wales. Das Schi fsgeld wurde für illegal erklärt; die
traditionelle Einkunftsquelle der Zölle (tunnage and poundage) der Krone nur für jeweils zwei
Monate gewährt. Merkwürdigerweise überlebte die verhasste, aber ergiebige königliche
Einnahmequelle der Mündelverwaltung (wardship) bis 1646 (vgl. Vormundschaft).

Das Parl. begnügte sich allerdings nicht mit der Schwächung der Exekutive, sondern strebte ein
Mitspracherecht bei der Auswahl der Königsberater an. In der Frage der Kontrolle der Armee,
die sich im November 1641 angesichts des irischen Aufstands stellte, kam es zum Bruch. Die
Erklärung des Parl., die Unterdrückung der irischen Rebellion selbst in die Hand nehmen zu
wollen, und der Versuch des Königs, im Januar 1642 die fünf Spitzen der Opposition im Parl.
mit Wa fengewalt wegen Hochverrats zu verhaften zu lassen, verdeutlichen den rapiden Zerfall
des Verfassungskonsenses. Die ebenfalls im Januar 1642 im Parl. eingebrachte Militia Bill sah
vor, dass die Streitkräfte von Lord Lieutenants kontrolliert werden sollten, die das Parl. ernannt
hatte. Der König nahm dies nicht hin, worauf das Parl. das Gesetz im März 1643 einseitig in
Kraft setzte.

Gleichwohl hielten beide Seiten an der Fiktion fest, der Kon ikt werde noch in den Bahnen der
Verfassung ausgetragen. Karl erachtete das Parl. nicht als illegitim, sondern als in einem
Zustand des Aufstands begri fen, während das Parl. zwischen der Person und dem Amt
unterschied und beanspruchte, das Amt des Königs für diesen auszuüben. In der Grand
Remonstrance (1641; »Große Beschwerde«) und den Nineteen Propositions (1642; »19
Vorschläge«) de nierte das Parl. seine Position weit jenseits des bisherigen
Verfassungskonsenses. Der König legte in seiner Answer to the Nineteen Propositions die
Grenzen seiner Kompromissbereitschaft fest und formulierte die engl. Verfassungsdoktrin im
Sinne einer gemischten Monarchie – eine Au fassung, die nach 1660 bedeutsam werden sollte.

In den folgenden Jahren stand das Lange Parl. vor der Aufgabe, seinen eigenen
Führungsanspruch institutionell umzusetzen und die nach der Demontierung der Bischöfe
dringlich gewordene Frage der Verfassung der Staatskirche zu lösen. Die militärischen
/
Anfangserfolge zwangen zum Schulterschluss mit den schott. Aufständischen, mit denen 1643
der Solemn League and Covenant (»Feierlicher Bund«) geschlossen wurde. Ein Committee for
Both Kingdoms sollte die parlamentarische Kriegsanstrengung koordinieren. Trotz schott.
Unterstützung gelang es den engl. Puritanern nicht, die Kirche von England presbyterianisch
zu reorganisieren (Puritanismus). Zwar wurde die Bischofskirche schließlich doch abgescha ft.
Mittlerweile hatte sich im kirchenpolitischen Vakuum jedoch die zentrifugale Dynamik des
Protestantismus voll entfaltet und in der Armee Unterstützung gefunden.

3.2. New Model Army und Levellers

Militärische Erfolge und v. a. die Reorganisation der Armee zur professionellen New Model
Army (1645), die durch die self-denying ordinance des Parl. (einen Erlass, der die gleichzeitige
Mitgliedschaft in Parl. und Herr untersagte) von ihrer aristokratischen Generalität befreit und
vom Parl. unabhängig wurde, machten das Heer zum dritten Machtfaktor neben Krone und
Parl. Dieses Heer verweigerte die Demobilisierung und scheute sich auch nicht, Gewalt gegen
das Parl. anzuwenden. Die New Model Army beanspruchte die Rolle einer Armee mit Mandat
und entwickelte in der Declaration of the Army (»Erklärung der Armee«) und in dem von
Henry Ireton verfassten Manifest Heads of the Proposals (1647; »Vorschlagsliste«) eigene
politische Vorstellungen, die sich freilich immer noch am Modell einer parlamentarisch
kontrollierten Monarchie orientierten.

Seit 1647 gewann in der Armee die Bewegung der Levellers (»Gleichmacher«) an Boden, die
dem radikalen Flügel des revolutionären Spektrums angehörten. Sie traten u. a. für
Gewissensfreiheit und Freiheitsgaranten ein und appellierten gegen den Machtanspruch des
Parl. an das Volk. Die Politisierung der Armee führte schließlich zur Einberufung des
Armeerates und einer tagelangen Debatte in Putney bei London, Oktober/November 1647, für
welche die Levellers mit dem Agreement of the People (»Volksabkommen«) einen
demokratischen Verfassungsentwurf vorlegten. Darin wurde ein auf breiter Grundlage
gewähltes Einkammerparlament gefordert, dessen Gesetzgebungshoheit in
Religionsangelegenheiten allerdings beschränkt sein sollte.

Die politischen Optionen innerhalb des Machtdreiecks – König, Parl., Armee – waren freilich
begrenzt. Das Jahr 1648 zeigte, dass der König weder zu ersetzen noch zu gewinnen war. Ireton
ergri f nun die Initiative, ließ Karl I. im Dezember verhaften und alle der Armee gegenüber
kritisch eingestellten Parl.-Mitglieder von Colonel Pride nach Hause schicken (sog.
»Säuberung«, Pride's Purge). Das verbliebene Rumpfparlament, dem das Oberhaus seine
Unterstützung versagte, erklärte sich zur legitimen Vertretung des Volkes mit alleiniger
Gesetzgebungshoheit und bereitete den Prozess gegen Karl I. vor, der am 30. Januar 1649
hingerichtet wurde.

Günther Lottes

4. Republik, Protektorat und Restauration

4.1. Errichtung der Republik


/
Das Rumpfparlament errichtete nun die Republik. Oberhaus und Monarchie wurden
abgescha ft und England am 19. 5. 1653 zum Commonwealth or Free-State erklärt (
Commonwealth). Der Machtkampf zwischen Parl. und Armee war damit jedoch noch nicht
entschieden. Als starker Mann der Armee etablierte sich unbestritten Oliver Cromwell, ein
strikter Puritaner, der vom Parl.-Abgeordneten zum Organisator der New Model Army und
Oberbefehlshaber geworden war. Während die Legitimation des Rumpfparlaments wegen der
Weigerung, Neuwahlen vorzunehmen, immer prekärer wurde, erstarkte die Armee durch die
Unterdrückung der Leveller-Bewegung und die Niederwerfung der Aufstände in Irland und
Schottland. Die Forderungen der Armee nach einer Lockerung der Kirchendisziplin (insbes. in
der Frage der Anwesenheitsp icht in der Kirche), nach einer Amnestie für alle im Krieg
begangenen Verbrechen, nach einer Reform des Rechtswesens, nach Rechnungslegung für alle
seit 1642 erhobenen Steuern und nach der Ausschreibung von Neuwahlen wurde nun immer
lauter, veranlassten das Parl. aber nur zu dilatorischen Manövern und halbherzigen
Zugeständnissen.

Die Spannungen gipfelten in einem Neuwahlgesetz, dessen Bestimmungen freilich für die im
Parl. sitzenden Abgeordneten nicht gelten sollten, und in einem Versuch, Oliver Cromwell zu
entlassen; dieser trieb darau in das Rumpfparlament auseinander und berief eine
Versammlung von 140 Notabeln ein, die der Rat der O ziere aus von den Gemeinden erstellten
Listen gottesfürchtiger Männer auswählte. Diese als Barebone's Parliament bekannte
Versammlung setzte sich mit ihren radikalen Reforminitiativen zwischen alle Stühle und löste
sich schließlich selbst auf.

4.2. Protektorat

Am 16. 12. 1653 übernahm Cromwell das Amt des Reichsverwesers (Lord Protector), legte mit
dem Instrument of Government eine eigene Verfassung vor und berief das darin vorgesehene
Parl. ein. Die Protektoratsverfassung verband – in mancher Hinsicht frühere Vorschläge der
Armee aufgreifend – demokratische Legitimation mit dem Ausbau der exekutiven Macht. Das
Einkammerparlament wurde auf breiter Grundlage gewählt. Der Protektor erhielt ein
weitreichendes Verordnungsrecht, von dem Cromwell auch schon vor dem Zusammentreten
seines ersten Parl. regen Gebrauch machte. Es wurde ihm aber, anders als dem König, außer bei
die Verfassung selbst betre fenden Gesetzen kein legislatives Veto zugestanden.

Der Protektor sollte ferner in einen Staatsrat eingebunden bleiben, dessen Mitglieder in der
Verfassungsurkunde weitgehend namentlich aufgeführt wurden. Darüber hinaus sicherte
Cromwell die militärische Basis seiner Macht durch die Fixierung des Oberbefehls und indem
er ab 1655 England in zehn Militärregionen aufteilte, in denen seine Generalmajore in der
Militär- und Zivilverwaltung beträchtliche Befugnisse hatten. Als Cromwells erstes Parl. dieses
Arrangement zu verändern suchte, wurde es aufgelöst.

4.3. Rückkehr zur Monarchie

/
Cromwells zweites Parl. leitete schon 1657 die Rückkehr zur Monarchie und zur ancient
constitution (»alten Verfassung«) ein, indem es dem Lord Protector in der Humble Petition and
Advice (»untertänigste Bitte und Ratschlag«) die Krone anbot. Cromwell lehnte dieses Angebot
unter dem Druck der Armee, die er als Machtbasis noch nicht vernachlässigen konnte, zwar ab,
ließ sich stattdessen aber – neben einer seine militärische Machtbasis sichernden nanziellen
Ausstattung – die Vollmachten zuerkennen, seinen Nachfolger zu ernennen und ein Oberhaus
zu berufen, das sich nach der Erstberufung durch den Protektor selbst ergänzen sollte. Zudem
erhielt er den Auftrag, eine Nationalkirche auf der Basis der Gemeinde-Autonomie zu scha fen.

Die Protektoratsverfassung überlebte den Tod Oliver Cromwells 1658 um kaum zwei Jahre. Sein
Sohn Richard Cromwell als sein Nachfolger verfügte nicht über die Autorität, um die nun
au rechenden Grabenkämpfe mit den Republikanern und der Armee beizulegen. George
Monck, der Oberbefehlshaber der Schottlandarmee, brachte das mittlerweile wieder
zurückgerufene Rumpfparlament dazu, sich selbst aufzulösen und damit den Weg für
Neuwahlen und die Rückkehr des Königs 1660 freizumachen [9].

Günther Lottes

5. Die englische Revolution im europäischen Kontext

Die in der neueren Forschung vertretene Au fassung von der E. R. als einer Staatsbildungskrise
des brit. Gesamtstaats hat den Blick für deren Einbindung in den europ. Kontext geschärft.
Vergleichbare Staatsbildungskrisen begegnen auf der Iber. Halbinsel, in Frankreich (Fronde), in
den Niederlanden, im Alten Reich, im Länderkomplex der Habsburgermonarchie und sogar im
gerade erst auf den Weg kommenden brandenburgisch-preuß. Gesamtstaat.

Die vergleichende Perspektive macht auch deutlich, dass die dem whig view inhärente
Vorstellung vom Ausnahme- bzw. Avantgardecharakter der engl./brit. Geschichte fehlgeht. Die
Verfassungsfrage stand überall in Europa auf der Tagesordnung und brachte politische
Diskurse hervor, die dem brit. so unähnlich nicht waren. Allenthalben ging es um den Ort der
Souveränität und um die Formen und Grenzen der Partizipation an der Herrschaft (
Ständeversammlung), um die Herrschaftsrechte der in unterschiedlicher Weise adelig
verfassten Herrschaftseliten, um die Freiheiten des Adels und der Individuen, deren
Einforderung im Zeichen der Reformation eine neue gleichsam bürgerrechtliche Dimension
gewonnen hatte (Bürgerrecht; Grundrechte). Gerade das brit. Beispiel zeigt, wie diese
politischen Weichenstellungen in den protest. Staaten durch die Notwendigkeit, die kath.
Universalkirche durch Territorial- bzw. Staatskirchen zu ersetzen, immer wieder zu einer
Gemengelage der politischen und religiösen Motivationen politischen Handelns führte (Kirche
und Staat).

Verwandte Artikel: Commonwealth | Dissenters | Glorious Revolution | Konstitutionelle


Monarchie | Monarchie | Presbyterianer | Puritanismus | Revolution | Verfassung

Günther Lottes

/
Bibliography

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Cite this page

Lottes, Günther, “Englische Revolution”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in
Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst
Poeschel Verlag GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-0248_edn_COM_258336>
First published online: 2019

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