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MANUAL
Ausgabe für medizinische Fachkreise

Gelbsucht
Von Steven K. Herrine
, MD, Sidney Kimmel Medical College at Thomas Jefferson University

Inhalt zuletzt geändert Feb 2018

Gelbsucht ist eine gelbliche Verfärbung der Haut und der Schleimhäute, verursacht durch
Hyperbilirubinämie. Gelbsucht wird sichtbar bei einem Bilirubinwert von etwa 2–3 mg/dl (34–51 μmol/l).

Siehe auch Leber-Struktur und -Funktion und Beurteilung des Patienten mit einer Lebererkrankung.)

Pathophysiologie
  
Das meiste Bilirubin wird erzeugt, wenn Hämoglobin in unkonjugiertes Bilirubin (und andere Stoffe) zerfällt.
Unkonjugiertes Bilirubin bindet sich für den Transport in die Leber an Albumin im Blut, wo es von Hepatozyten
aufgenommen und mit Glukuronsäure konjugiert wird, um es wasserlöslich zu machen. Konjugiertes Bilirubin wird über
die Galle in den Zwölffingerdarm ausgeschieden. Im Darm verwandeln Bakterien Bilirubin zu Urobilinogen. Ein Teil des
Urobilinogens wird über den Darm ausgeschieden, ein Teil wird reabsorbiert, von den Hepatozyten aufgenommen,
verarbeitet und wiederum über die Galle ausgeschieden (enterohepatischer Kreislauf, Überblick über den
Bilirubinmetabolismus).

Mechanismen der Hyperbilirubinämie


Hyperbilirubinämie kann überwiegend unkonjugiertes oder konjugiertes Bilirubin meinen.
Unkonjugiertes Hyperbilirubinämie wird häufig verursacht durch ≥ 1 der folgenden Möglichkeiten:
Erhöhte Produktion

Verminderte hepatische Aufnahme

Verminderte Konjugation
Konjugiertes Hyperbilirubinämie wird häufig verursacht durch ≥ 1 der folgenden Möglichkeiten:
Dysfunktion der Leberzellen (hepatozelluläre Dysfunktion)

Verlangsamung des Gallenaustritts aus der Leber (intrahepatische Cholestase)

Behinderung des extrahepatischen Gallenflusses (extrahepatischen Cholestase)

Konsequenzen
Das Ergebnis ist in erster Linie von der Ursache der Gelbsucht und vom Vorhandensein und von der Schwere der
Leberfunktionsstörung bestimmt. Leberfunktionsstörungen können zu Gerinnungsstörung, Enzephalopathie und portale
Hypertension (was Blutungen im Gastrointestinalbereich zur Folge haben kann) führen.

Ätiologie
  
Obwohl Hyperbilirubinämie als überwiegend unkonjugiert oder konjugiert klassifiziert werden kann, verursachen viele
Gallenerkrankungen beide Formen.
Viele Bedingungen (siehe Tabelle: Einige Mechanismen und Ursachen der Gelbsucht bei Erwachsenen), einschließlich die
Verwendung von bestimmten Medikamenten (siehe Tabelle: Einige Medikamente und Toxine, die Gelbsucht verursachen
können), können zu Gelbsucht führen, aber die häufigsten Ursachen sind
Entzündliche Hepatitis (Virushepatitis, autoimmune Hepatitis, toxische Leberschädigung)

Alkoholische Leberkrankheit
Gallengangsobstruktion

Abklärung
  

Anamnese
Zur Anamnese der akuten Erkrankung sollten Beginn und Dauer der Gelbsucht gehören. Hyperbilirubinämie kann den
Urin verdunkeln bevor eine Gelbsucht sichtbar ist. Daher zeigt das Auftreten von dunklem Urin den Beginn einer
Hyperbilirubinämie genauer als Ikterus. Wichtige Begleitsymptome sind Fieber, Prodromalsymptome (z. B. Fieber,
Unwohlsein, Muskelschmerzen), bevor Gelbsucht, Farbveränderung beim Stuhl, Pruritus, Steatorrhoe und
Bauchschmerzen (einschließlich Lokation, Schwere, Dauer und Ausstrahlung) auftreten. Wichtige Symptome, die eine
schwere Erkrankung vermuten lassen, sind Übelkeit und Erbrechen, Gewichtsverlust und evtl. Symptome einer
Gerinnungsstörung (z. B. leichte Blutergüsse oder Blutungen, die langsam abheilen oder blutige Stühle).
Überprüfung der Organysteme sollte die Suche nach möglichen Ursachen einschließlich Gewichtsverlust und
Bauchschmerzen (Krebs) einschließen; Gelenkschmerzen und Schwellungen (Autoimmun- oder Virushepatitis,
Hämochromatose, primär sklerosierende Cholangitis, Sarkoidose) und ausbleibende Menstruation (Schwangerschaft).
Anamnese sollte bekannte Störungen, wie Leber- und Galleerkrankungen (z. B. Gallensteine, Hepatitis, Zirrhose),
Störungen, die eine Hämolyse verursachen können (z. B. Hämoglobinopathie, G6PD-Mangel) und Störungen, die mit Leber-
oder Galleerkrankungen, einschließlich entzündlicher Darmerkrankung, und infiltrative Störungen (z. B. Amyloidose,
Lymphom, Sarkoidose, Tuberkulose) und HIV-Infektion oder AIDS einschließen.
Die Medikementenanamnese sollte auch Fragen über den Gebrauch von Drogen oder Toxin-Exposition umfassen, von
denen bekannt ist, dass sie eine Lebererkrankung beeinflussen (siehe Tabelle: Einige Medikamente und Toxine, die
Gelbsucht verursachen können) und über Hepatitis-Impfung.
Die chirurgische Anamnese sollte auch Fragen zu früheren Galle-Operationen (eine mögliche Ursache von Stenosen)
beinhalten.
Die Sozialanamnese sollte Fragen zu Risikofaktoren für Hepatitis (siehe Tabelle: Einige Risikofaktoren für Hepatitis), Menge
und Dauer des Alkoholkonsums, Medikamenten- und Drogenkonsum und Sexualleben beinhalten.
Familienanamnestisch sollten Fragen zu wiederkehrender, leichter Gelbsucht bei Familienmitgliedern und diagnostizierte
erbliche Lebererkrankungen gestellt werden. Die Anamnese des Konsums von Freizeitdrogen und Alkoholkonsum sollte
von Freunden oder Familienmitgliedern, wenn möglich, bestätigt werden.
Körperliche Untersuchung
Im Rahmen der körperlichen Untersuchung werden die Vitalzeichen erhoben sowie die Körpertemperatur gemessen
(Fieber, Hypotonie, Tachykardie) (Heiner Wedemeyer)
Der Allgemeinzustand des Patienten sollte insbesondere bezüglich des Ernährungszustandes und des Wachheitsgrades
beurteilt werden.
Im Kopf- und Halsbereich werden die Skleren und Zunge auf Ikterus und die Augen auf Kayser-Fleischer-Ringe untersucht
(am besten mit Spaltlampe zu sehen). Eine geringe Gelbsucht kann man am besten durch die Untersuchung der Skleren
bei Tageslicht sehen. Sie wird in der Regel sichtbar, wenn das Serumbilirubin 2-2,5 mg/dl (34-43 μmol/l) beträgt.
Mundgeruch ist zu beachten (z. B. wegen fetor hepaticus).

Gelbsucht

DR P. MARAZZI/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Das Abdomen ist auf Kollateralen, Aszites und Operationsnarben zu untersuchen. Die Leber ist auf Hepatomegalie, Masse,
Knotenbildung und Empfindlichkeit abzutasten. Die Milz ist auf Splenomegalie abzutasten. Der Bauch wird auf Nabelbruch,
Verlagerung Dumpfheit, Flüssigkeitswelle, Masse und Empfindlichkeit Das Rektum ist auf Grobkörnigkeit oder okkultes Blut
zu untersuchen.
Männer werden auf Hodenatrophie und Gynäkomastie untersucht.
Die oberen Extremitäten werden nach Dupuytren-Kontrakturen untersucht.
Neurologisch wird der Mentalstatus und ein Flattertremors untersucht.
Die Haut wird nach Gelbsucht, Palmarerythem, Nadeleinstichen, Spider-Naevi, Abschürfungen, Xanthome (in
Übereinstimmung mit primärer biliärer Cholangitis), Mangel an Achsel- und Schambehaarung, Hyperpigmentierung,
Ekchymosen, Petechien sowie Purpura untersucht.

Warnzeichen
Folgende Befunde sind von besonderer Bedeutung:
Umgrenzte Bauchschmerzen und Empfindlichkeit

Bewusstseinstrübung

Gastrointestinale Blutungen (okkulte oder akute)

Ekchymosen, Petechien oder Purpura

Interpretation der Befunde


Der Schweregrad der Erkrankung wird vor allem durch den Grad der Leberschädigung (falls vorhanden) bestimmt.
A f t i d Ch l iti i t B d t il i i N tf llb h dl f d t
Aufsteigende Cholangitis ist von Bedeutung, weil sie eine Notfallbehandlung erfordert.
Schwere Leberfunktionsstörung wird angezeigt durch Enzephalopathie (z. B. Änderung des Mentalstatus, Asterixis) oder
Gerinnungsstörung (z. B. leichte Blutungen, Purpura, Blutstuhl oder hämpositiver Stuhl), insbesondere bei Patienten mit
Anzeichen von portaler Hypertension (z. B. Gefäßkollateralen, Aszites, Splenomegalie). Massive Blutungen im oberen
Gastrointestinaltrakt sind ein Indiz für Varizenblutung durch portale Hypertension (und möglicherweise
Gerinnungsstörung).
Akute Cholangitis ist durch Fieber und deutliche, kontinuierliche rechte Oberbauchschmerzen gekennzeichnet; akute
Pankreatitis mit Verschluss der Gallenwege (z. B. aufgrund eines Steins im Hauptgallengang oder einer
Pankreaspseudozyste) kann sich ähnlich manifestieren.
Als Ursache der Gelbsucht kann Folgendes in Betracht kommen:
Akute Gelbsucht bei Jungen und Gesunden deutet auf eine akute virale Hepatitis hin, insbesondere, wenn virale
Prodrome, Risikofaktoren oder beides vorhanden sind; allerdings ist eine Überdosis von Paracetamol als Ursache
ebenfalls häufig.

Akute Gelbsucht nach akutem Drogengebrauch oder einer Toxin-Exposition bei gesunden Patienten dürfte auf
diesen Stoff zurückzuführen sein.

Eine lange Anamnese von übermässigem Alkoholkonsum lässt eine alkoholische Leberkrankheit vermuten,
insbesondere dann, wenn typische Verletzungen vorhanden sind.

Eine persönliche oder familiäre Vorgeschichte von rezidivierender, leichter Gelbsucht ohne eine hepatobiliäre
Dysfunktion deutet auf eine erbliche Erkrankung hin, meist auf das Gilbert-Syndrom.

Schrittweiser Beginn von Gelbsucht mit Juckreiz, Gewichtsverlust und lehmgefärbten Stuhl lässt auf eine
intrahepatische oder extrahepatische Cholestase schließen.

Schmerzfreie Gelbsucht bei älteren Patienten mit Gewichts- und Masseverlust, aber mit geringem Pruritus deutet auf
eine Gallengangsobstruktion, verursacht durch Krebs, hin.
Andere Untersuchungsbefunde können ebenfalls hilfreich sein (siehe Tabelle: Befunde, die auf eine Ursache der Gelbsucht
hinweisen).

Tests
Folgende sind durchzuführen
Blutuntersuchungen (Bilirubin, Aminotransferase, alkalische Phosphatase)

Normale Bildgebungsverfahren

Manchmal Biopsie oder Laparoskopie


Blutuntersuchungen umfassen die Messung von gesamtem und direktem Bilirubin, Aminotransferase, alkalische
Phosphatase-Spiegel bei allen Patienten. Die Ergebnisse ermöglichen eine Cholestase von hepatozellulärer Dysfunktion zu
unterscheiden (wichtig, weil Patienten mit Cholestase in der Regel Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren
benötigen).
Hepatozelluläre Dysfunktion: deutliche Erhöhung von Aminotransferase (> 500 U/l) und moderater Anstieg der
alkalischen Phosphatase (< 3-mal vom Normalwert)

Cholestase: Moderater Anstieg der Aminotransferase (< 200 U/l) und deutliche Erhöhung der alkalischen
Phosphatase (> 3-mal vom Normalwert)

Hyperbilirubinämie ohne Leberdysfunktion: Milde Hyperbilirubinämie (z. B. < 3,5 mg/dl [< 59 μmol/l]) mit normaler
Aminotransferase und alkalischer Phosphatase
Patienten mit hepatozellulären Dysfunktion oder Cholestase haben einen dunklen Urin aufgrund von Bilirubinurie da
Patienten mit hepatozellulären Dysfunktion oder Cholestase haben einen dunklen Urin aufgrund von Bilirubinurie, da
konjugiertes Bilirubin im Urin ausgeschieden wird; unkonjugiertes Bilirubin nicht. Bilirubin Fraktionierung differenziert in
konjugierte von unkonjugierten Formen. Wenn Aminotransferase und alkalische Phosphatase normal sind, kann die
Fraktionierung von Bilirubin helfen, die Ursachen, wie Gilbert-Syndrom oder Hämolyse (unkonjugiertes) versus Dubin-
Johnson-Syndrom oder Rotor-Syndrom (konjugiertes) zu finden.
Andere Bluttests basieren auf klinischem Verdacht und ersten Testergebnissen, wie folgende
Zeichen der Leberinsuffizienz (z. B. Enzephalopathie, Aszites, Ekchymosen) oder gastrointestinale Blutungen:
Koagulationsprofil (PT/PTT)

Hepatitis-Risikofaktoren (siehe Tabelle: Einige Risikofaktoren für Hepatitis) oder ein hepatozellulärer Mechanismus,
der aufgrund von Blutwerten vermutet wird: Serologische Tests auf virale und autoimmune Hepatitis

Fieber, Bauchschmerzen und Empfindlichkeit: großes Blutbild und, wenn Patienten krank erscheinen, Blutkulturen
Verdacht auf Hämolyse kann durch einen peripheren Blutabstrich bestätigt werden.
Bildgebungsverfahren sind anzuwenden, wenn Schmerzen eine extrahepatische Obstruktion oder Cholangitis vermuten
lassen oder wenn aufgrund von Blutwerten der Verdacht auf Cholestase vorliegt.
Bauchsonographie wird in der Regel zuerst durchgeführt; normalerweise ist sie sehr präzise beim Entdecken einer
extrahepatischen Obstruktion. Computertomographie und Magnetresonanztomographie sind Alternativen. Ultraschall ist
in der Regel genauer bei Gallensteinen und Computertomographie bei Pankreasläsionen. Mit Hilfe dieser Tests lassen sich
Veränderungen in den Gallewegen oder fokale Leberläsionen darstellen; sie sind jedoch weniger zuverlässig für das
Entdecken diffuser hepatozellulärer Krankheiten (z. B. Hepatitis oder Zirrhose).
Wenn die Sonographie eine extrahepatische Cholestase zeigt, kann es erforderlich sein, andere Tests durchzuführen, um
die Ursache zu finden; in der Regel Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP), endoskopischer Sonographie
(EUS) oder endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP). ERCP ist mehr invasiv, ermöglicht aber die
Behandlung von einigen obstruktiven Läsionen (z. B. Entfernen von Steinen, Einsetzen von Stents bei Stenosen).
Leberbiopsie ist üblicherweise nicht erforderlich, kann bei der Diagnose bestimmter Erkrankungen behilflich sein (z. B.
Störungen, die intrahepatische Cholestase verursachen, einige Arten von Hepatitis, einige infiltrative Erkrankungen, Dubin-
Johnson-Syndrom, Hämochromatose, Wilson-Krankheit). Eine Biopsie ist auch hilfreich, wenn sich durch andere Tests
unerklärliche Leberwertveränderungen ergeben haben.
Die Laparoskopie (Peritoneoskopie) erlaubt eine direkte Inspektion von Leber und Gallenblase ohne ein Trauma durch eine
Laparotomie. Ein ungeklärter cholestatischer Ikterus rechtfertigt gelegentlich eine Laparoskopie und nur selten eine
diagnostische Laparotomie.

Therapie
  
Die Ursache und alle Komplikationen werden behandelt. Gelbsucht selbst erfordert bei Erwachsenen keine Behandlung
(im Gegensatz zu Neugeborenen, Metabolische, Elektrolyt- und toxische Störungen bei Neugeborenen). Quälender Juckreiz
kann auf Cholestyramin 6-8 g p.o. 2-mal täglich ansprechen. Cholestyramin ist jedoch unwirksam bei Patienten mit
kompletten Gallengangsverschluss.

Geriatrie Grundlagen
  
Symptome können bei älteren Menschen abgeschwächt oder gar nicht vorkommen; z. B. Bauchschmerzen bei akuter
viraler Hepatitis. Schlafstörung oder leichte Verwirrung als Folge einer portosystemischen Enzephalopathie können als
Demenz missinterpretiert werden.

Wichtige Punkte
  

Vor allem bei jungen und gesunden Patienten mit akuter Gelbsucht, die Anzeichen einer Virusinfektion
haben, muss an eine akute virale Hepatitis gedacht werden.

Ein Tumor kann, insbesondere bei älteren Patienten, zu einer Gallengangsobstruktion führen,
einhergehend mit einer schmerzlosen Gelbsucht, Gewichtsverlust, Bauchumfangsvermehrung und einem
leichtem Juckreiz.

An eine hepatozelluläre Dysfunktion muss gedacht werden, wenn der Aminotransferase-Spiegel > 500 U/l
und alkalische Phosphatase < 3-mal vom Normalwert angestiegen ist.
Cholestase muss in Betracht gezogen werden, wenn der Aminotransferase-Spiegel < 200 U/l und die
alkalische Phosphatase auf > 3-mal vom Normalwert angestiegen ist.

Leberfunktionsstörung ist offensichtlich, wenn der Mentalstatus verändert ist und eine Gerinnungsstörung
vorliegt.

© 2021 Merck Sharp & Dohme Corp., ein Tochterunternehmen von Merck & Co., Inc., Kenilworth, NJ, USA.

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