Entdeckung Amerikas
(2,540 words)
1. Einleitung
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Die Reisen, auf denen Seefahrer unter der Ägide der span.
1. Einleitung
Könige seit dem ausgehenden 15. Jh. diejenigen Regionen
der Welt entdeckten, die später den Namen Amerika oder 2. Der Erfolg eines Irrtums –
Neue Welt erhielten, dienten ursprünglich nicht der E. Die Entdeckung »Indiens«
neuer Länder. Ihr Ziel war es vielmehr, im Wettlauf mit 3. Amerika erhält seinen
den Portugiesen, die den südl. Seeweg um Afrika herum Namen
nach Indien nahmen, die reichen Länder Asiens auf der 4. Die weitere
angeblich kürzeren Westroute über den Atlantik zu Entschleierung der
erreichen bzw. dann durch die entdeckte Landmasse eine südamerikanischen Küste
Passage nach Indien zu nden. Zuvor hatte man 5. Die Entschleierung der
jahrhundertelang den Landweg über die Seidenstraße Ostküste Nordamerikas
gewählt, doch seit im 15. Jh. die Osmanen ihren 6. Die Neuentdeckungen auf
Machtbereich im östl. Mittelmeer auszudehnen den Weltkarten
begannen, waren die Handelsrouten nach China, dem von
Marco Polo beschriebenen Cathay, blockiert. Das
bisherige Handelsgefüge geriet ins Wanken, und die Aktivitäten bes. der ital. Handelsstaaten
Genua und Venedig verlagerten sich auf das westl. Mittelmeer und den Atlantik. An den
Bestrebungen, die Handelsbeziehungen zum Fernen Osten, zu »Indien«, das als Synonym für
Asien galt, auf dem Seeweg herzustellen, waren v. a. die Küstenländer des Atlantiks, die iber.
Staaten Portugal und Kastilien/Spanien beteiligt.
Hans-Joachim König
Stefan Rinke
1488 umschi fte Bartolomeu Dias die Südspitze Afrikas. Damit war für die Portugiesen der östl.
bzw. der südl. Seeweg nach Indien auf der Afrikaroute vorgezeichnet. Christoph Kolumbus, ein
Genuese, der lange Jahre in portug. Diensten gestanden und an Afrikafahrten teilgenommen
hatte, setzte sich für eine Westroute ein. Diesen Überlegungen lagen die Vorstellungen von der
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Kugelgestalt der Erde und damit von einer Küste des Atlantischen Ozeans im Westen, ferner
fehlerhafte mathematische Berechnungen der Ausdehnung des Atlantischen Ozeans zwischen
Europa und Asien bzw. der Insel Zipangu/Cipango (Japan) und von Cathay (China) durch den
ital. Kosmographen Paolo dal Pozzo Toscanelli sowie Kolumbus' eigene Beobachtungen über
Strömungen und Winde bei seinen Afrikafahrten zugrunde [4] (Kartographie). Toscanelli hatte
Kolumbus mit einem Schreiben aus dem Jahr 1480 zu einer Westfahrt ermutigt (vgl. Abb. 1).
Mit seinen Hinweisen auf den Reichtum der Länder gab er letztendlich auch Impulse für deren
Eroberung und baldige Besiedelung. So handelt es sich bei den Unternehmungen zur weiteren
Erkundung der süd- und mittelamerikan. Binnenräume der indianischen Reiche nicht mehr
um Entdeckungsreisen, sondern schon um Eroberungszüge einer gewollten Conquista (
Konquista). Ungeachtet früherer folgenlos gebliebener Amerikafahrten durch die Wikinger
darf Kolumbus als der Entdecker Amerikas, einer für die Europäer bisher nicht bekannten
Region, gelten. Er zeigte, dass es möglich war, den Atlantischen Ozean zu überqueren,
zurückzukehren und auf der gefundenen Route wieder auszufahren.
Hans-Joachim König
Mit seinen Entdeckungsreisen lieferte Kolumbus einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der
Atlantischen Welt; mit ihnen begann die wechselvolle Geschichte der Beziehungen zwischen
Alter und Neuer Welt. Dabei war Kolumbus sich des Neuen selbst gar nicht bewusst. Bis zu
seinem Lebensende glaubte er, Randgebiete Asiens erreicht zu haben.
Deshalb wurde auch nicht er zum Namensgeber der neuen Regionen, sondern der Florentiner
Amerigo Vespucci, der u. a. 1501/1502 an einer portug. Entdeckungsreise an die brasil. Küste
teilnahm und über diese Fahrt und seine Eindrücke in einem ab 1503 in zahlreichen Ausgaben
in ganz Europa erschienenen Bericht Mundus Novus (»Neue Welt«) informierte [10]. Im
Unterschied zu Kolumbus erkannte Vespucci, dass es sich bei den »Inseln und Ländern im
Indischen Meer« nicht um Anhängsel Asiens, sondern um bisher unbekannte Regionen, um
eine eigene Landmasse handelte. Dies veranlasste 1507 die beiden dt. Humanisten Martin
Waldseemüller und Matthias Ringmann dazu, in ihrer Cosmographiae Introductio
(»Einführung in die Kosmographie«) für die neuen Regionen den Namen America
vorzuschlagen, nach dem Vornamen Amerigo oder Amerige, der das griech. Wort gē (»Erde«)
enthält, in einer philologischen Wortspielerei also »Land des Americus«. Für sie stand fest,
dass die Erde in vier Teile unterteilt war. Wie die bisher bekannten Erdteile erhielt die neue
Region einen weiblichen lat. Namen, America. Er wurde auf der Weltkarte und dem Globus
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von Martin Waldseemüller an der Stelle der von Vespucci beschriebenen Region zum ersten
Mal kartographisch festgehalten. Bald galt er für die gesamte Neue Welt. In Allegorien erschien
die personi zierte America bald als nackte und barbarische India.
Hans-Joachim König
Als die Humanisten Waldseemüller und Ringmann von einem viertem Erdteil sprachen, war
noch gar nicht gewiss, dass es sich dabei um einen eigenen Kontinent handelte. Bis zu dieser
Zeit hatten auch andere von der span. Krone lizenzierte »kleine E.-Fahrten« stattgefunden, die
den Verlauf der süd- und mittelamerikan. Küste erkundet hatten.
Der zweite wichtige Schritt in der E-Geschichte Amerikas erfolgte 1513: die Entdeckung des
Südmeers. Jahrelang hatten Spanier auf E.-Fahrten ohne Erfolg nach einer Passage durch die
Landbarriere gesucht. 1513 durchquerte Vasco Nuñez de Balboa, ein Abenteurer, der schon
einige Zeit an der mittelamerikan. Karibikküste lebte, die Landenge. Nach einem strapaziösen
Marsch sah er am 25. September 1513 als erster Europäer das »andere Meer«, das er »Südmeer«
nannte, da die Landenge in Ost-West-Richtung verläuft. Nun stand fest, dass es das Meer, von
dem Kolumbus schon 1504 gehört hatte, tatsächlich gab und damit auch einen Weg weiter bis
nach Indien. Es hatte sich gezeigt, dass die Barriere zwischen Atlantik und Südmeer zumindest
über Land zu überwinden war. In den folgenden Jahrhunderten blieb dieser Landweg wichtig,
da die für die Ausbeutung gerade der Bodenschätze wichtigen Gebiete des span. Kolonialreichs
auf der Westseite Amerikas lagen.
Nachdem das Südmeer entdeckt war, die Suche nach einer Passage zu Wasser in Mittelamerika
jedoch ergebnislos blieb, plante man in Spanien wieder Südfahrten an der Küste Brasiliens
entlang. Zum einen galt es zu erkunden, ob es im Süden eine Passage durch die Landmasse der
neuen Regionen nach Asien zu den begehrten Gewürzinseln gab; zum anderen wollte man
erfahren, wie weit sich die Landmasse überhaupt nach Süden erstreckte und ob es möglich sei,
von Süden her die Westküste der mittelamerikan. Landenge zu erreichen.
Auf Anordnung König Ferdinands segelte deshalb im Oktober 1515 eine staatlich nanzierte
Flotte von drei Schi fen unter dem Kommando des Che apitän des Sevillaner Handelshauses,
Juan Díaz de Solís, aus Spanien ab. Sie überquerte den Atlantik auf die brasil. Küste zu und fuhr
dann südwärts die Küste entlang. Anfang Februar 1516 erreichte Solís das Mündungsgebiet
eines großen Flusses, der nach ihm Rio de Solís genannt wurde, der heutige Rio de la Plata. Er
fuhr am Nordufer ussaufwärts bis auf die Höhe des heutigen Montevideo. Dort ging er mit
einigen Begleitern an Land, el jedoch in einen Hinterhalt der Indios und wurde getötet.
Darau in wurde die Expedition abgebrochen. Die Überlebenden langten mit zwei Schi fen im
September 1516 wieder in Spanien an. Mit dem Fluss schien die gesuchte Durchfahrt ins
Südmeer gefunden zu sein.
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Diese Expedition bedeutete ein wichtiges Ergebnis, da an diese erste Erkundung eine weitere
E.-Fahrt unter dem gebürtigen Portugiesen Fernando de Magellan anknüpfen konnte; sie brach
im September 1519 von Spanien aus mit fünf Schi fen und 265 Mann Besatzung auf, um die
westl. Passage zu nden. Magellan ließ zunächst den Rio de Solís erkunden und stellte fest,
dass es sich nur um eine große Flussmündung, nicht aber um die gesuchte Durchfahrt
handelte. So fuhr er die Küste weiter in südl. Richtung entlang. In Patagonien musste er
überwintern und konnte erst Anfang Oktober 1520 weiterfahren. Am 21. Oktober erreichte er
jene um die Südspitze Südamerikas herumführende Meeresstraße, die noch heute seinen
Namen trägt und ihn nach einer gefährlichen Fahrt am 28. November 1520 mit noch drei
Schi fen das Meer im Westen erreichen ließ; es war zu dieser Zeit ruhig, weshalb er es
»friedliches Meer« (mar pací co) nannte. Von der Höhe des heutigen Valparaíso aus
durchquerte er das Meer in nordwestl. Richtung bis zu den Philippinen.
Mit der E. dieser Durchfahrt nach Westen war ein weiterer wichtiger Schritt in der Seefahrt und
in der Erkundung des amerikan. Kontinents im Süden getan, dessen Trennung von den
südostasiat. Inseln durch ein weites Meer nun außer Frage stand. Magellans Flotte umsegelte
zum ersten Mal die Welt. Am 6. September 1522, fast drei Jahre nach der Abfahrt, kehrten die
wenigen Überlebenden dieses Unternehmens – nur noch achtzehn Mann – auf dem einzigen
noch verbliebenen Schi f nach Spanien zurück.
Hans-Joachim König
Obwohl Spanien durch die von Papst Alexander VI. 1493 ausgesprochene Belehnung mit den
neu entdeckten und noch zu entdeckenden Ländern im Westen den atlantischen Raum und
den größten Teil Amerikas als sein Ein uss- und Aktionsgebiet betrachtete, agierten auch
andere europ. Mächte – bes. England und Frankreich, die den päpstlich sanktionierten
Ausschluss nicht akzeptierten – in diesem Raum, v. a. in der von Spanien vernachlässigten
Region nördl. des Golfs von Mexiko. Da in Mittelamerika keine Passage gefunden wurde und im
Süden die Spanier aktiv waren, richtete sich die Aufmerksamkeit auf den Norden. So
entschleierten auf der Suche nach einer Passage durch die neue Landmasse bzw. nach einer
Umfahrung im Norden der Genuese Giovanni Caboto (John Cabot) in engl. Diensten, der
Florentiner Giovanni da Verrazzano in franz. Diensten und der Franzose Jacques Cartier aus
Saint-Malo bis in die 1530er Jahre die Ostküste Nordamerikas. Cabot, der seit 1490 in Bristol
lebte, erreichte 1497 und 1498 Neuschottland, Neufundland und weiter südl. gelegene Gebiete.
Verrazzano erkundete 1524 die nordamerikan. Ostküste vom späteren North Carolina bis etwa
Maine; Cartier suchte eine Durchfahrt noch weiter im Norden, 1534 drang er in den St. Lorenz-
Golf ein; 1535 unternahm er eine weitere Entdeckungsreise den St. Lorenz-Strom aufwärts bis
in das heutige Quebec und wies den Weg für die weitere E. und die franz. Besiedlung Kanadas.
Eine Passage fand keiner von ihnen.
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Das Interesse an einer Nordwestdurchfahrt nach China blieb in Europa ebenso erhalten wie die
Ho fnung auf Edelmetall-Funde in dieser von Spanien nicht besiedelten Region. Bes. unter der
engl. Königin Elisabeth I. lebte die Suche danach wieder auf. 1566 verfasste Sir Humphrey
Gilbert seine Abhandlung über die Nordwestpassage nach China um Nordamerika herum
(gedr. 1576), die von Engländern lange verfolgt wurde: So unternahm u. a. der ehemalige
Freibeuter Martin Frobisher drei E.-Reisen (1574–1578), die ihn weitere Regionen Amerikas
erkunden, nicht jedoch eine Durchfahrt nden ließen. Auch Gilbert selbst ging 1583 erfolglos
auf Entdeckungsfahrt. Immerhin erreichte er Neufundland, das er für England in Besitz nahm.
Sein Halbbruder Walter Raleigh begab sich ebenfalls zu E.-Fahrten nach Amerika. 1584 schickte
er von der Karibik aus zwei Erkundungsschi fe die nordamerikan. Küste entlang. Die
Mannschaft fasste auf der Insel Roanoke im heutigen North Carolina Fuß.
Auch hier ging die E. in Eroberung und Kolonisierung über, wenn auch die ersten Versuche
noch zögerlich waren. Das Interesse an der E. fremder Welten und die Aufzeichnungen alles
Entdeckten verbanden sich gerade in England mit den Wünschen nach Expansion und
Kolonisierung. In Richard Hakluyts (d. J.) Schriften ([2]; [3]) fanden sie einen beredten
Propagandisten.
Hans-Joachim König
Nur langsam eroberten die neuen E. die Weltkarten. So wie sich das Weltbild des Entdeckers
durch seine E. nicht wesentlich änderte, wurde das ganze Ausmaß der E. für das europ.
Publikum bes. der nicht beteiligten Länder erst allmählich deutlich. Amerika wurde in sehr
vielen histor.-geographischen Kompendien des 16. Jh.s nicht oder nur sehr kurz behandelt [5].
Auf den Weltkarten erhielt der Doppelkontinent erst allmählich, mit zunehmenden
geographischen und kartographischen Vermessungs- und Darstellungstechniken, die heute
bekannten Umrisse, wobei der nördl. Teil noch unpräzise blieb [6]; [11].
Hans-Joachim König
Bibliography
Quellen
[1] El libro de Marco Polo anotado por Cristóbal Colón, hrsg. von J. Gil, 1987
[2] R. H , Divers Voyage Touching the Discoverie of America, 1850 (Ndr. 1970; Orig. 1582)
[4] G. H , Christoph Columbus zwischen MA und Nz. – Nachfahre und Wegweiser, in: G.
K et al. (Hrsg.), Europäisierung der Erde? Studien zur Einwirkung Europas auf die
außereurop. Welt, 1980, 15–38
[6] U. L , Wege und Irrwege der Darstellung Amerikas in der frühen Nz., in: H. W
(Hrsg.), America. Das frühe Bild der Neuen Welt, 1992, 145–160
[7] P. E. T , Columbus. The Great Adventure. His Life, His Time, and His Voyages, 1991
[8] H. W , Die Rekonstruktion der Toscanelli-Karte vom Jahr 1474 und die Pseudo-
Facsimilia des Behaim-Globus vom Jahr 1492, in: Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft
der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, 1895, 208–312
[11] H. W (Hrsg.), America. Das frühe Bild der Neuen Welt, 1992.
Ergänzung 2017
[12] S. R , Kolumbus und der Tag von Guanahani 1492. Ein Wendepunkt der Geschichte,
2013.
König, Hans-Joachim and Rinke, Stefan, “Entdeckung Amerikas”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen
Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche
Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-
org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-0248_edn_COM_258435>
First published online: 2019