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Social Media

Marketing
Marketing mit Blogs, Sozialen Netzwerken und
weiteren Anwendungen des Web 2.0

von
Professor
Dr. Uwe Hettler
Fachhochschule Schmalkalden

Oldenbourg Verlag München


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und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, wiso@oldenbourg.de


Herstellung: Anna Grosser
Coverentwurf: Kochan & Partner, München
Coverbild: iStockphoto.com
Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier
Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza

ISBN 978-3-486-59115-6
Vorwort
Das Internet entwickelt sich immer mehr zum Leitmedium vieler Menschen, die damit ihre
zentralen Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen und ihre Sozialkontakte ab-
wickeln. Nach Jahren der Ernüchterung nach dem Platzen der Dot-Com-Blase ist im Web heute
wieder eine Aufbruchstimmung zu beobachten, die durch Systemangebote und Funktionalitä-
ten gespeist wird, die unter dem Stichwort Web 2.0 subsumiert, neue Formen der Teilnahme
und des sozialen Austausches breiter Bevölkerungsschichten erlauben.
Reine Informationskonsumenten der Web 1.0-Ära entwickeln sich immer mehr zu „Pro-
sumenten", die das Web für die Erstellung eigener Beiträge und die Interaktion mit ihrem sozia-
len Netz nutzen. Das Web mutiert durch Anwendungen, wie Twitter, Facebook, YouTube und
Co., die man auch in Deutschland immer häufiger unter dem Begriff Social Media zusammen-
fasst, zum „Mitmachmedium" und zur sozialen Austauschplattform. Konsumenten berichten
darin über eigene Produkterfahrungen, diskutieren mit anderen, geben Bewertungen ab oder
engagieren sich als Markenbotschafter. Neu an dieser Art der onlinegestützten Kommunika-
tion ist deren öffentliche Ausstrahlung. Nutzergenerierte Beiträge können schnell eine hohe
Reichweite erlangen und damit wächst ihr Stellenwert für die Meinungsbildung und öffentliche
Darstellung von Unternehmen und Marken. Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen
verlieren auf der einen Seite ihr gefühltes Informationsmonopol und sie sehen sich zunehmend
der Gefahr ausgesetzt, dass unternehmerische Fehler schnell einen Flächenbrand auslösen und
das eigene Markenimage beschädigen können. Auf der anderen Seite bietet das Engagement
von Nutzern weitreichende Chancen, wenn es Unternehmen gelingt, diese als Ideengeber, Mei-
nungsmacher, Multiplikatoren oder Markenbotschafter zu gewinnen.
Diese Chancen zu nutzen und Risiken zu vermeiden, ist für Entscheidungsträger im Marke-
ting nicht leicht, weil für die Inanspruchnahme der Potenziale von Social Media neue Herange-
hensweisen im Umgang mit Internetanwendern erforderlich werden. Internetanwender wollen
mit Emittenten von Markenbotschaften immer häufiger in Dialog treten. Bisheriges Marke-
tingwissen, das bezüglich Werbung und PR vornehmlich auf unidirektionaler Kommunikation
aufbaut, hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Die Herausforderung für Entscheidungs-
träger im Marketing besteht darin, die sich sehr dynamisch entwickelnden neuen Kommuni-
kationskanäle des Social Web für die Erreichung eigener Marketingzielstellungen einzusetzen,
obwohl die Nutzenpotenziale der Kanäle zum Teil noch gar nicht bekannt sind. Man vermu-
tet vielleicht, dass an dem aufkommenden Hype um den Begriff Social Media etwas dran sein
muss, man weiß aber oft nicht, wie man dieses Medium in die eigene Marketingarbeit inte-
grieren soll, welche Ziele sich damit erreichen lassen und welche Maßnahmen im Einzelnen
möglich sind. Es existieren aber heute schon Unternehmen, die vormachen, wie man Social
Media erfolgreich einsetzen kann, zum Beispiel für die Marktforschung, den Dialog mit Kun-
den und Interessenten, die Unternehmens- und Markenkommunikation, das eigene Innovations-
management und das interne Informations- und Wissensmanagement. Das vorliegende Buch
soll Marketing- und Kommunikationsschaffenden sowie Studierenden helfen zu erkennen, wel-
VI Vorwort

che Einsatzfelder und Anwendungsszenarien von Social Media für die Erreichung eigener Ver-
marktungsziele heute möglich sind und welche Kanäle und Instrumente hierfür genutzt werden
können. Die Arbeit soll die vielfältigen Aspekte, Erscheinungsformen und Anwendungsfelder
von Social Media in einer geschlossenen Abhandlung darstellen, deren Aussagen durch viele
Praxisbeispiele unterlegt werden - wohl wissend, dass jeweils nur Ausschnitte beleuchtet wer-
den können und die Thematik aufgrund der hohen Dynamik der Onlinemedien einer laufenden
Aktualisierung bedarf.
Anstoß für das Buch gab die 2007 fertiggestellte, sehr gute Diplomarbeit von Herrn Dipl.-
Inf. (FH) Mark Ziener zum Thema „Social Software in der Unternehmenspolitik", aus der
grundlegende Aussagen in weitergeführter Form übernommen wurden. Zur Sicherstellung der
Einhaltung der formalen Gestaltungsvorgaben des Buches haben mich die Studierenden Frau
Franziska Zimmermann und insbesondere Herr Jens Kunde unterstützt, der mir auch sonst bei
vielen Aspekten beratend zur Seite stand. Das Teillektorat führte Frau Dr. Christina Grund
(CGText@t-online.de) aus Würzburg sehr sorgfältig und professionell durch. Herr Dipl.-Inf.
(FH) Christian Heinze leistete eine wichtige Hilfestellung beim Satz des Manuskriptes in La-
TeX. Allen Beteiligten gilt mein besonderer Dank. Ich danke ebenfalls meiner Frau Birgit und
meiner Tochter Charlotte für deren familiäre Unterstützung.

Schmalkalden, Fakultät für Informatik im April 2010


Prof. Dr. Uwe Hettler
u.hettler@fh-sm.de
Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen des Web 2.0 1


1.1 Die Anfänge des Webs 1
1.2 Von der New Economy zum Web 2.0 2
1.3 Entstehung und Geschichte des Begriffes Web 2.0 4
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0 5

2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing 11
2.1 Social Media 11
2.1.1 Social Software als Vorläufer von Social Media 12
2.1.2 Begriffsklärung Social Media 14
2.1.3 Unterscheidung von zentralen Medienformen 16
2.1.4 Typologie und Aktivitäten von Social-Media-Nutzern 20
2.1.5 Einflussfaktoren von Social Media auf das Kaufverhalten 26
2.2 Grenzen klassischer Werbung 30
2.2.1 Print-, Funk-und TV-Werbung 30
2.2.2 Online-Werbung 31
2.3 Grenzen klassischer PR 33
2.4 Social Media Marketing 37
2.4.1 Begriffsklärung 37
2.4.2 Einsatzfelder des Social Media Marketings 38

3 Erscheinungsformen von Social Media 41


3.1 Wikis 41
3.1.1 Begriff und Einordnung 41
3.1.2 Entstehung und Funktionen von Wikis 42
3.2 Weblogs 43
3.2.1 Definition 43
3.2.2 Die Entwicklung von Weblogs 44
3.2.3 Funktionen und Elemente von Weblogs 44
3.3 Mikroblogs 45
3.4 Podcasts 51
3.5 Soziale Netzwerke 54
3.6 Social Bookmarking 58
3.7 Weitere Erscheinungsformen 60

4 Einflüsse von Social Media auf die Unternehmenskommunikation 65


4.1 Grundlagen der Unternehmenskommunikation und Kommunikationspolitik . . 65
Vili Inhaltsverzeichnis

4.2 Überblick über zentrale Einflussgrößen 67


4.3 Unternehmensreputation und Vertrauen als Erfolgsfaktoren 69
4.4 Vom Monolog zum Kundendialog 73
4.5 Von der Push- zur Pull-Kommunikation 75
4.6 Verlust der Kommunikationshoheit 76
4.7 Digitale Mundpropaganda und Viralmarketing 77
4.8 Bedeutungsgewinn der internen Unternehmenskommunikation 80

5 Social Media als Instrument der Marktforschung 81


5.1 Begriffliche Grundlagen 81
5.2 Erkenntnisziele des Social Media Monitorings 83
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 84
5.3.1 Allgemeine Suchmaschinen 84
5.3.2 Benutzerdefinierte Suchmaschinen 86
5.3.3 Online-Nachrichten 88
5.3.4 Mikroblog-Suchdienste am Beispiel von Twitter 88
5.3.5 Blog-Konversation 92
5.3.6 Internetforen 93
5.3.7 Social Bookmarking 94
5.3.8 Audiovisuelle Seiten 94
5.3.9 Soziale Netzwerke 98
5.3.10 Informations-Aggregations-Seiten 99
5.4 Bewertung des Social Media Monitorings mittels freier Dienste 101
5.5 Social Media Monitoring mittels kommerzieller Angebote 103
5.6 Social Media als Instrument der qualitativen Marktforschung 106

6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorga-


nisation 109
6.1 Ansatzpunkte der Dialogführung 109
6.2 Zuhören und Kundendialog am Beispiel von Dell 110
6.2.1 Die Anfänge der Nutzung von Social Media 110
6.2.2 Stellenwert und Ziele von Social Media 112
6.2.3 Realisierung von Kontaktpunkten 114
6.3 Ziele des aktiven Zuhörens 116
6.4 Aufbau eigener Dialogplattformen 122
6.4.1 Grundlagen 122
6.4.2 Dialogplattformen Barack Obamas 123
6.5 Verantwortung für die Dialogführung 125
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 129
6.6.1 Dialogbereitschaft 129
6.6.2 Persönliche Kommunikation 130
6.6.3 Authentizität und Offenheit 131
6.6.4 Mit Kritik konstruktiv umgehen 132
6.6.5 Positive Kritik mit einem positiven Feedback beantworten 133
6.6.6 Informationsempfängern einen Mehrwert bieten 134
Inhaltsverzeichnis IX

6.6.7 Bereitstellung der notwendigen Personalressourcen 134


6.6.8 Aufstellung von Verhaltensrichtlinien 135

7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation 141


7.1 Möglichkeiten und Grenzen des Viralmarketings 141
7.2 Ansteckende Beziehungspflege 146
7.3 Ziel-und Strategieplanung 150
7.4 Erstellung von Informationsinhalten 154
7.5 Streuung von Inhalten 157
7.5.1 Social Media Optimization 158
7.5.2 Social Media Release 164
7.5.3 Gewinnung von Multiplikatoren 170
7.6 Überblick über zentrale Instrumente 175
7.7 Weblogs als Instrument 177
7.7.1 Arten der Weblog-Kommunikation 178
7.7.2 Typen von Weblogs 179
7.7.3 Nutzenpotenziale und Herausforderungen 184
7.7.4 Gestaltungskriterien 186
7.8 Mikroblogs als Instrument 188
7.8.1 Informationsverbreitung 189
7.8.2 Twitter als Werkzeug der Social Media Optimization 192
7.8.3 Markenpositionierung durch Aktualität 194
7.8.4 Imagepflege, Reputationsaufbau 195
7.8.5 Beziehungspflege 195
7.8.6 Twitter als Verkaufskanal 196
7.8.7 Twitter als Instrument des Personalmarketings 197
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 201
7.9.1 Unternehmensprofile als Voraussetzung der Kommunikation 201
7.9.2 Nutzungsmöglichkeiten von sozialen Netzwerken am Beispiel von
Facebook 206
7.10 Podcasting als Instrument 216
7.11 Wikis als Instrument 222
7.12 Gewinnung von Rezipienten 223
7.13 Integrative Maßnahmenplanung 230
7.14 Erfolgsgrößen und Messansätze der Kommunikation 234

8 Social Media im Innovationsmanagement 237


8.1 Crowdsourcing 237
8.2 Innovationen durch interaktive Wertschöpfung 239
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 241
8.3.1 Ideengenerierende Communities 243
8.3.2 Internetforen und Gruppen von sozialen Netzwerken 248
8.3.3 Auswertung von Erfahrungsberichten auf Bewertungsseiten 250
8.4 Voraussetzungen und Risiken der interaktiven Wertschöpfung 252
χ Inhaltsverzeichnis

9 Herausforderungen für die Einführung von Social Media Marketing 255

Abbildungsverzeichnis 261

Tabellenverzeichnis 263

Literaturverzeichnis 265

Index 297
1 Grundlagen des Web 2.0
Dieses Kapitel gibt zur Einführung in die Thematik einen kurzen Abriss der Geschichte des
World Wide Web und dessen Weiterentwicklung, die mit dem Begriff Web 2.0 umschrieben
wird.1 Es werden dann zentrale Wesensmerkmale und Prinzipien dieser Entwicklungsrichtung
herausgearbeitet, um ein Grundverständnis für die darauf aufbauenden, mit Social Media um-
schriebenen neuen Möglichkeiten des sozialen Online-Austausches zu vermitteln.

1.1 Die Anfänge des Webs


Im folgenden kurzen Überblick über die Entwicklung des Internets liegt der Schwerpunkt der
Darstellung auf ökonomischen Aspekten der Entwicklung des Webs. Der Begriff „Web" wird
dabei, in Anlehnung an den Alltagssprachgebrauch, in der Regel als Synonym für das Internet
mitsamt seinen Diensten verwendet.
Das ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network), welches im Jahre 1969 rea-
lisiert wurde, gilt als der Vorläufer des heutigen Internets. Als Projekt des US-Verteidigungs-
ministeriums diente das ARPANET vor allem zur effizienten Nutzung der knappen Rechenres-
sourcen über ein dezentrales Netzwerk. Anfangs hatten nur wenige Forschungseinrichtungen
Zugriff auf dieses Netzwerk.2 Der Durchbruch des Internets als Massenmedium gelang erst mit
der Entwicklung des World Wide Web (WWW).
Das WWW wurde 1989 von dem Briten Tim Berners-Lee entwickelt. Ziel von Berners-Lee
war ein weltweites, engmaschiges und stetig weiter wachsendes Netz aus Webseiten, in denen
Informationen jeglicher Art gespeichert werden können. Dabei hatte Berners-Lee ein Medium
vor Augen, in dem jeder zugleich Konsument und Produzent sein konnte. Im Jahre 1993 wurde
der erste WWW-Browser namens Mosaic vorgestellt, der eine grafische Benutzeroberfläche
bot. Mosaic wurde wenig später zum Netscape Navigator weiterentwickelt, der aufgrund seiner
Benutzerfreundlichkeit für einen enormen Aufschwung des Internets sorgte.
Viele Privatanwender und erste Unternehmen entdeckten das Internet in der Folgezeit für
sich. Zahlreiche Webseiten entstanden und es entwickelten sich die ersten Webapplikationen
wie Yahoo (1994)3 und kommerzielle Anbieter wie das Internetkaufhaus Amazon (1995).4
Seitdem vollzieht sich die Verbreitung des Internets in einer enormen Geschwindigkeit. Wa-
ren es im Jahre 1997 etwa 45 Millionen Internetnutzer5 weltweit, nutzten im Jahre 2002 bereits
etwas mehr als 600 Millionen Menschen das Netz. Anfang 2009 waren bereits mehr als eine
Milliarde Internetnutzer zu verzeichnen.6 Und die Nutzerzahlen wachsen weiter ungebrochen.
1
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 3ff.
2
Vgl. Hafner/Lyon (Arpa Kadabra Die Geschichte des Internet, 1997), S. 14ff.
3
Vgl. Yahoo! Inc. (The History of Yahoo, 2005)
4
Vgl. Wikipedia (Amazon.com, 2007)
5
Vgl. Eversberg (allegro-C ab 1980, 2006)
6
Vgl. Golem.de (Mehr als eine Milliarde Internetnutzer, 2009)
2 1 Grundlagen des Web 2.0

Obgleich sich das Internet besonders in den vergangenen Jahren überaus schnell entwickelte,
etablierte es sich in der Wirtschaftswelt bis Mitte der 1990er Jahre nur sehr langsam. Erst gegen
Ende der 1990er Jahre war eine gewaltige Aufbruchsstimmung im Internet festzustellen.
Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde das Internet für viele Bereiche des unterneh-
merischen Handelns entdeckt. Die zunehmende Durchdringung der Wirtschaft und der Gesell-
schaft durch die Informationstechnik führte damals zu einem regelrechten Internetboom, der
mit dem Begriff „New Economy" umschrieben wurde. Es kam zu einer Vielzahl von Firmen-
Neugründungen, basierend auf beträchtlichem Risikokapital von Anlegern, die auch an diesem
Aufschwung teilhaben wollten. In den Hochzeiten der New Economy ab 1998 bildete sich in-
nerhalb kürzester Zeit eine Schar von neuen Unternehmen, die jedoch zumeist kein tragfähiges
Unternehmenskonzept hatten. Dies führte dazu, dass viele der neu gegründeten Internet-Start-
Ups nach kurzer Zeit Insolvenz anmelden mussten.
Es gab zu dieser Zeit aber auch positive Beispiele, wie die virtuelle Buchhandlung Amazon
und das Internetaktionshaus eBay. Beide verdeutlichten, dass neben dem Preis als Erfolgsfaktor
im E-Commerce auch Faktoren wie Service, Markenführung, Bekanntheit und Vertrauen zu
einer Abgrenzung von anderen Anbietern und zu einem langfristig erfolgreichen Agieren im
neuen Verkaufsmedium befähigen.

1.2 Von der New Economy zum Web 2.0


Ab dem Jahr 2002 wuchs die internetbasierte Wirtschaft tendenziell wieder und es stieg die
Investitionsbereitschaft bei gewerblichen wie auch bei privaten Kunden. Zum Teil wurden
sehr hohe Summen bezahlt, zum Beispiel beim Kauf von YouTube durch Google? Für die
1,6 Prozent-Beteiligung von Microsoft an Facebook wurden 240 Millionen US-Dollar inves-
tiert, die rein rechnerisch einen Firmenwert von 15 Mrd. US-Dollar für das soziale Netzwerk er-
gaben.8 Es war eine ähnliche Aufbruchstimmung zu beobachten wie zu New-Economy-Zeiten.
Diese neue Phase in der Geschichte des Internets wird meist unter dem Schlagwort „Web 2.0"
subsumiert. Über diesen Sammelbegriff existieren die unterschiedlichsten Meinungen. Web-
begeisterte verweisen auf die neuen Möglichkeiten des Internets, Kritiker warnen vor der Ent-
stehung einer neuen Spekulationsblase, ähnlich der New-Economy-Ära. Es gibt jedoch einige
erkennbare Veränderungen gegenüber dem Web der ersten Stunde.9

Entwicklung neuer Technologien In den letzten Jahren haben sich eine Reihe neuer und
offener Webtechnologien (AJAX, XML, RSS) und Standards etabliert, die im Zusammenspiel
völlig neue Möglichkeiten für die Programmierung und damit neue Formen und Qualitäten
der Informationsbereitstellung erlauben. Allerdings existierten viele dieser Techniken schon
zu einem deutlich früheren Zeitpunkt. So entstand zum Beispiel das Konzept zur asynchronen
Datenübertragung zwischen einem Server und einem Browser - auf dem AJAX im Wesentli-
chen beruht - bereits im Jahre 1998. Der produktive Einsatz von AJAX lief jedoch erst 2005
an, als Google die Nutzung mit interaktiven Produkten wie Google Groups und Google Maps
7
Vgl. Golem.de (Google kauft YouTube für 1,65 Milliarden US-Dollar, 2006)
8
Vgl. Riedl (Mircosoft sondiert Kauf von Facebook, 2008)
9
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 4ff.
1.2 Von der New Economy zum Web 2.0 3

forcierte.10 Die Technologien des Web 2.0 existierten also zum Teil bereits, die Nutzung wurde
jedoch erst durch höhere Datenübertragungsraten möglich.

Steigerung der Datenübertragungsraten Die Pioniere des Webs und der New-Econo-
my sind zum Teil deshalb gescheitert, weil die Rahmenbedingungen für das Web damals noch
nicht stimmten, insbesondere nicht für die Nutzung durch die breite Masse. Ende der 1990er
Jahre erfolgte der Internetzugang von Endkunden in der Regel über ein analoges Modem mit
Zugriffsgeschwindigkeiten von 56 Kilobit pro Sekunde. Zwar waren in Deutschland ab 1999
erste DSL-Anschlüsse mit Empfangsgeschwindigkeiten von 768 Kilobit pro Sekunde verfüg-
bar. Die Deutsche Telekom, die zu der Zeit ein Quasi-Monopol auf dem Sektor der Breitband-
technologie innehatte, konnte jedoch 1999 lediglich 2900 Haushalte mit DSL versorgen. Ende
2000 waren circa 0,6 Millionen DSL-Anschlüsse in Deutschland geschaltet.11
Mittlerweile ist DSL in fast allen Orten Deutschlands verfügbar und Datenübertragungsra-
ten von mehreren MBit stehen zur Verfügung. Nach der Initiative D21 will die Bundesregie-
rung dazu beitragen, dass bis Ende 2010 jeder Haushalt in Deutschland mit einem Breitband-
Internetanschluss versorgt ist.12 56 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 64
Jahren nutzen heute bereits einen Breitband-Internetzugang.13

Senkung der Internetnutzungskosten Neben der Verfügbarkeit von schnellen Interne-


tanschlüssen sind gleichzeitig auch die Kosten zur Nutzung des Internets deutlich gesunken.
Während im Jahr 2006 monatlich durchschnittlich 66,91 Euro für einen DSL-Anschluss in-
klusive Flatrate bezahlt wurden, bekommt man heute schon Flatrate-Angebote für unter 15
EUR/Monat angeboten. 1999 lagen die Kosten für den reinen DSL-Anschluss bei 98 DM. Hin-
zu kam ein zeitbegrenzter Tarif von 99 DM (für 50 Freistunden im Monat) oder 149 Euro (für
100 Freistunden). In der Summe lag man also bei 197 DM (etwa 100 Euro) bzw. 248 DM (etwa
127 Euro).14 Erst durch die verbesserte Verfügbarkeit von günstigen Breitbandzugängen sind
manche Webapplikationen überhaupt erst sinnvoll zu nutzen.

Änderung des Nutzerverhaltens Auch das Nutzerverhalten hat sich geändert. Zur Ent-
stehung des Webs der neuen Generation waren insbesondere zwei wesentliche Veränderungen
erforderlich:

• die Bereitschaft der Nutzer, selbst Inhalte für das Web zu schaffen, bzw. user generated
content zu produzieren, und

• die Preisgabe einer Online-Identität, in der Nutzer persönlicher und damit weniger an-
onym im Web auftreten.15

Diese Veränderungen waren jedoch erst durch die sinkenden Preise für die Internetbenutzung
möglich. Aufgrund der geringeren Kosten konnten immer mehr Benutzer mehr Zeit im Netz
10
Vgl. Wikipedia (Ajax, 2007)
"Vgl. Wikipedia (T-DSL, 2007)
12
Vgl. Iniviative D21 (Breitband im ganzen Land, 2009)
13
Vgl. Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009)
14
Vgl. Heise Online (Schneller surfen ab 197 Mark pro Monat, 1999)
15
Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software - Blogs, Wikis & Co., 2006), S. 14
4 1 Grundlagen des Web 2.0

verbringen. Je mehr Zeit im Web verbracht wurde, desto mehr Erfahrungen wurden gesammelt,
was wiederum dem Vertrauen in Webapplikationen zugutekam.
Neben den individuellen Erfahrungen haben sich auch Prinzipien für die Benutzbarkeit von
Internetseiten durchgesetzt, so genannte Usability-Standards. Diese Standards erhöhen den
Komfort und die Bedienbarkeit von Webseiten.

1.3 Entstehung und Geschichte des Begriffes Web 2.0


Die Suche nach „Web 2.0" führt bei Google am 15.04.2009 zu über 307 Millionen Treffern.
Diese Fülle darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der genaue Inhalt und die Abgrenzung des
Begriffs zum Web 1.0 stellenweise sehr unscharf sind.
Der Begriff Web 2.0 wurde 2004 während einer von Verleger Tim O'Reilly veranstalteten
Brainstorming-Session für eine neue Internetkonferenz geprägt. Das Ziel der Konferenz war
der Austausch über die Veränderungen des Webs nach dem Ende der New Economy. Zum
damaligen Zeitpunkt war „Web 2.0" lediglich der Name für eine Internetkonferenz und markiert
die Zeit nach dem Platzen der Internetblase im März 2000. 16
Bislang hat sich noch keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffes durchgesetzt.
O'Reilly hat folgende Definition vorgeschlagen: "Web 2.0 is the business revolution in the
computer industry caused by the move to the internet as platform, and an attempt to understand
the rules for success on that new platform. Chief among those rules is this: Build applications
that harness network effects to get better the more people use them. (This is what I've elsewhere
called „harnessing collective intelligence".)" 17
Während der Sitzung kamen die Beteiligten zu der Erkenntnis, dass Web 2.0 nicht eindeutig
von Web 1.0 abgegrenzt werden kann. Tim O'Reilly formulierte es in seinem wegweisenden
Artikel „What is Web 2.0?" aus dem Jahr 2005 so: „Wie viele andere wichtige Konzepte, hat
Web 2.0 keine genauen Begrenzungen, sondern stellt vielmehr ein Gravitationszentrum dar.
Man kann Web 2.0 als eine Ansammlung von Prinzipien und Praktiken visualisieren, die ein
regelrechtes Sonnensystem von Seiten zusammenhalten, die einige oder alle dieser Prinzipien
in unterschiedlicher Entfernung vom Zentrum demonstrieren." 18
Um diese Ansicht hinter dem Begriff Web 2.0 besser visualisieren zu können, entwickelten
O'Reilly und seine Mitarbeiter im Laufe der Zeit eine so genannte „Meme Map".
Die Karte in Abbildung 1 zeigt eine Vielzahl von Ideen, die vom Web 2.0-Kern ausgehen.
Dabei dreht sich alles um das „Web als Plattform". Das neue Web ist nicht mehr bloß ei-
ne Ansammlung von zumeist statischen Webseiten, sondern hat sich von einem bloßen Infor-
mationsspeicher zu einer Plattform entwickelt, die völlig auf die Partizipation der Benutzer
ausgerichtet ist. Die Benutzer sind nicht mehr nur Konsumenten von im Web eingestellten In-
formationen und Inhalten, sondern können zunehmend aktiv an der Gestaltung der Inhalte im
Web teilnehmen.

16
Vgl. Garcia (Enterprise 2.0, 2007), S. 1
"O'Reilly (Web 2.0 Compact Definition, 2006)
'"O'Reilly (What Is Web 2.0, 2005)
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0 5

FüeKr del ιαο us


Taeatrifl.
nottamnomy

Gooff e Ad Sense,
Maps « W AJAX: customer selHentee
Rich User E^arieoees eoablimg the long tail

Strategic Positioning
• The W e b M P l a t f o r m
Us o r Positioning: '
•An attitude, not • You control your own data Trust >our users
a technology
Core Competine te»:
• Serytce·, riot packaged «otturare
• AíChitecturs of Participation
Small Pieces
• Cost-effective scalability
The Long Tail Loosely Joined
< Remixabie data source and data transformation»
reb as components.
• Software above the fevel of a single device
« Harnessing collective mteffleence

Data as the "Intel Inside' /Software that gets >


The perpetual beta better
t h e more people use il

molar Addressabiln
Emergent User of content
The Right to Remix
Hackability behavior not
'Some rights reserves' predetermined

Abbildung 1: Tim O'Reilleys Visualisierung einer „Meme Map" des Web 2.019

1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0


In der „Meme Map" zum Ausdruck gebrachte zentrale Prinzipien bzw. Paradigmen, die charak-
teristisch für Web 2.0 sind und die direkte Anknüpfungspunkte an Social Media bieten, sollen
im Folgenden erläutert werden.20

D a s W e b als Plattform Im Vorfeld der ersten Web-2.0-Conference erklärte O'Reilly, das


Web sei nicht mehr eine Ansammlung von Webseiten, sondern eine Plattform. Hintergrund
ist hier der Gedanke, dass mittlerweile immer mehr Web-Anwendungen im Internet zur Verfü-
gung stehen und langsam die herkömmlichen Client-Anwendungen auf dem lokalen Rechner
verdrängen. Immer mehr Software wird komplett ins Web verlagert. Die Grenzen zwischen
PC- und Webanwendungen verschwimmen zunehmend. Das Web wird zur Service-Plattform.
So werden Anwendungen, die bisher nur vom heimischen PC bekannt waren, wie beispiels-
19
Vgl. O'Reilly (What Is Web 2.0, 2005)
20
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 3ff.
6 1 Grundlagen des Web 2.0

weise Organizer oder Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, im Web zum Teil sogar kos-
tenlos nutzbar bereitgestellt. Web-Anwendungen werden immer unkompliziertere Werkzeuge,
die unabhängig von der heimischen oder firmeninternen Plattform genutzt werden können. Das
Netz entwickelt sich so zu einer globalen Plattform für Daten und Dienste. Der Vorteil dieser
Verschiebung liegt in der einfachen Anwendungsmöglichkeit der Nutzer, die sich nicht mehr
um die Pflege der Software, beispielsweise durch Updates und die Synchronisierung der Daten,
kümmern müssen.

Die Nutzbarmachung kollektiver Intelligenz Die Nutzung des Webs als Plattform zieht
eine gesteigerte Bequemlichkeit im Umgang mit dem neuen Web nach sich, und führt dazu,
dass immer mehr Nutzer sich des Mediums bedienen. Gleichzeitig motivieren attraktiv gestal-
tete Webseiten bzw. Plattformen ihre Nutzer dazu, mit ein paar Klicks einen Beitrag zur Seite
zu leisten. Infolgedessen werden immer mehr Daten in das globale Netzwerk eingegeben. Im
Idealfall kann jeder auf den jeweiligen Plattformen seine Daten und Ideen in dem Umfang dar-
stellen, wie er es möchte. Diese größtenteils unwillkürliche und unabhängige Kollaboration der
Nutzer führt dazu, dass der Mehrwert einer Plattform - und schließlich des gesamten Webs -
gesteigert wird. Oder anders ausgedrückt: Je mehr Menschen mitmachen, umso besser werden
die Ergebnisse. Dank der Effekte kollektiver Intelligenz profitieren alle Nutzer von dem millio-
nenfachen Input von Wissen und Wertung. Die „Nutzbarmachung der kollektiven Intelligenz"
nennt Tim O'Reilly dieses Phänomen.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Weisheit der Vielen oder auch von der
Schwarmintelligenz, die es in vielen Bereichen gibt. So stellt Surowiecki in seinem Buch „The
Wisdom of Crowds" die These auf, dass in Gruppenprozessen Wissen akkumuliert werden
kann, das weit über das hinausgeht, was der Einzelne zu leisten vermag. In der Regel kann die
Gruppe unter bestimmten Bedingungen bessere Resultate liefern als der Einzelne.21
Dieses Konzept spiegelt sich heute in vielen Internetanwendungen wider. Medienwissen-
schaftler weisen darauf hin, dass vor allem im Bereich der Open-Source-Software erst durch
die Mitarbeit vieler ein hochwertiges Produkt entstehen kann. „Im Zeitalter von freier Soft-
ware werden Programme von Dutzenden oder gar Tausenden geschrieben. Kein Einzelner der
Beteiligten wäre in der Lage, das gesamte Programm zu schreiben, hätte die verschiedenen
Kompetenzen, die hier zusammengeführt werden, oder hätte die Kapazität, die Millionen von
Codezeilen zu schreiben."22
Ein allseits verwendetes Vorzeigebeispiel für die Nutzung kollektiver Intelligenz ist die freie
Enzyklopädie Wikipedia,23 auf der beliebige User Wissen niederschreiben und vorhandene In-
halte ändern dürfen. Bedenken von Kritikern hinsichtlich einer unzureichenden Qualität der
Beiträge oder des Aufkommens von Vandalismus verlieren durch den hohen Zuspruch des An-
gebotes ihr Gewicht. Auch wenn gelegentlich falsche Artikel verfasst werden,24 so werden Feh-
ler in der Regel binnen Minuten von eifrigen Freiwilligen korrigiert.25 Eine Untersuchung des
Wissenschaftsmagazins Nature zur Qualität der Beiträge im Vergleich mit der kommerziellen

21
Vgl. Surowiecki (Die Weisheit der Vielen, 2007), S. 12
22
Grassmuck (Wir sind in einer Umbruchsphase, 2007)
23
Vgl. http://www.wikipedia.org, Seitenaufruf am 18.01.2010
24
Vgl. Golem.de (Wikipedia, 2005)
25
Vgl. Spiegel Online (Enzyklopädie-Vandalismus, 2005)
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0 7

Encyclopaedia Britannica offenbarte, dass beide Enzyklopädien hinsichtlich der Genauigkeit


nahezu gleichauf liegen.26
Auch der Online-Buchhändler Amazon macht sich das Engagement seiner User und die dar-
aus resultierende kollektive Intelligenz zunutze. Amazon unterscheidet sich hinsichtlich seines
Angebotes nicht wesentlich von vergleichbaren Online-Shops. Allerdings bietet Amazon sei-
nen Kunden über den Verkauf hinaus verschiedene Möglichkeit zur Teilnahme an, zum Bei-
spiel in Form des Schreibens von Rezensionen oder des Erstellens von Lieblingslisten und
Bewertungen. Außerdem werden Zusatzinformationen zum interessierenden Artikel geliefert,
beispielsweise Informationen über den Verkaufsrang oder verwandte Erzeugnisse. Auch die
in Empfehlungen mündende Analyse des Benutzerverhaltens stellt einen gern in Anspruch ge-
nommenen Mehrwert dar. Diese Angebote und Maßnahmen können zu einer über die bloße
Verkaufsabwicklung hinausgehenden Beteiligung anregen.

Nutzergenerierte Inhalte und Werte Ein Prinzip von Web 2.0 ist das des „user added
value" und knüpft unmittelbar an das zuvor beschriebene Paradigma zur Nutzung kollektiver
Intelligenz an. User beteiligen sich am Entstehungsprozess von Web-Inhalten. Die Attrakti-
vität und der Erfolg vieler Web-2.0-Anwendungen basiert in entscheidendem Maße auf den
Beiträgen der Nutzer. So entsteht beispielsweise bei Wikipedia aus vielen kleinen Beiträgen ein
Ganzes. Dieses Konzept wird auch als Microwork-Prinzip beschrieben.27
Viele Web-2.0-Tools sind abhängig von Daten, die von Nutzern permanent generiert werden.
Ohne die Beitragsersteller gibt es keinen Inhalt und somit keinen Wert für die User. „Steuert
kein Anwender etwas bei, gibt es bei Web 2.0 auch keinen Service", so O'Reilly.28 Die Nutzer
werden „zu einem Teil der Applikation".
Wenn solch ein nutzerbasierter Service erst einmal angeschoben ist, kann er zum Selbstläufer
mit einem resultierenden Netzwerkeffekt werden. Mit jedem neuen Nutzer steigt damit der
Wert des Produktes. Der User profitiert seinerseits in hohem Maße vom Netzwerkeffekt und,
da er sich zumeist aus persönlichen Motiven im Web bewegt, gibt er auch gerne etwas an die
Community zurück.

Abschaffung des Software-Lebenszyklus Wie im Abschnitt „Das Web als Plattform"


bereits beschrieben, besteht der Trend, Software nicht mehr als Produkt auszuliefern, sondern
als Service. Durch Web-Applikationen entfällt die Notwendigkeit, Software zu installieren und
zu erneuern. Updates finden nicht mehr auf dem Rechner des Benutzers statt, sondern werden
vom Anbieter der Internetapplikation eingespielt. O'Reilly beschreibt dies als die Abschaffung
des Software-Lebenszyklus.29
Diese Veränderung bewirkt, dass der Nutzer sich zukünftig nicht mehr selbst um Produktak-
tualisierungen kümmern muss. Im günstigsten Fall bemerkt er nicht einmal, dass ein Update
eingespielt wurde. Er lädt in der Regel immer die aktuellste Version des Dienstes bzw. der
Software.
Durch das Prinzip der andauernden Beta-Version erreichen Applikationen meist nie ihren
Entwicklungs-Endstatus, sondern werden von den Entwicklern als ständige Weiterentwicklung
26
Vgl. Kleinz (Nature, 2005)
27
Vgl. Bohl/Manouchehri/Winand (Unternehmerische Wertschöpfung, 2007), S. 31
28
Silicon.de (Web 2.0 macht „Nutzer zum Teil der Software, 2006)
29
Vgl. O'Reilly (What Is Web 2.0, 2005)
8 1 Grundlagen des Web 2.0

verstanden. Dieser Umstand wird auch gerne als „Perpetual Beta" beschrieben. Abgeleitet wird
dies aus der Open-Source-Entwicklung, bei der man meist nach dem Motto agiert: "Release
early. Release often." 30

Leichtgewichtige Programmiermodelle Kerngedanke ist hier, möglichst auf einfache


und erweiterbare Technologien zu setzen. Einfache Datenformate, wie RSS fördern die Ent-
wicklung, die Integration, das Testen und die Wiederverwendung von Inhalten und senken
zudem die Kosten. O'Reilly spricht in diesem Zusammenhang auch von „Hackability" und
„Remixability". 31 Damit wird ein Konzept bezeichnet, das von jedem Produkt und Service
fordert, für den Benutzer erweiterbar zu sein. Infolgedessen können neue Anwendungen und
Synergien entstehen, die vom Anbieter zunächst nicht vorhersehbar sind. Das Streben nach
Simplizität senkt schließlich die Eintrittsschwelle für User, was wiederum erlaubt, mehr Men-
schen zu erreichen und mehr Erfahrungs- und Verbesserungspotenziale zu erschließen, die am
Ende zu einem intelligenteren Web beitragen.

Anwendungen über die Grenzen einzelner Geräte hinaus Dieses Prinzip knüpft
unmittelbar an das „Web als Plattform"-Prinzip an. Gemeint ist die Tatsache, dass das Web 2.0
nicht mehr länger auf den PC als Nutzerinterface beschränkt ist. Mobile Endgeräte ermöglichen
in zunehmendem Maße komfortable Nutzungsmöglichkeiten von Webapplikationen, die immer
mehr auf nahtlosen Kopplungen verschiedener Geräteklassen aufbauen.

Benutzerführung Das Prinzip beschreibt das Bestreben danach, in Web-Anwendungen


so genannte „Rieh User Interfaces" und eine Interaktion mit dem Server zu implementie-
ren, wie sie bisher nur in Desktop-Applikationen vorhanden sind. Das heißt, die bekann-
ten Benutzeroberflächen und damit einhergehenden komfortablen Funktionen von Desktop-
Applikationen werden zunehmend in Web-Applikationen integriert. Durch die Kombination
mehrerer Technologien ist es mittlerweile möglich, dass die Web-Anwendungen Eigenschaften
einer Desktop-Anwendung aufweisen und dazu auch noch fast so schnell reagieren wie eine
Desktop-Anwendung. Dies ermöglicht ein deutlich komfortableres Arbeiten, was zu einer grö-
ßeren Nutzung des Webs und damit zu einem besseren Informationsfluss innerhalb des Webs
führt - was wiederum auch in einem „intelligenteren" Web resultiert.

The Long Tail - Chancen für Nischenprodukte Das Konzept des Long Tail entstammt
ursprünglich der Statistik. Im Jahr 2004 wurde es zum ersten Mal im Kontext von E-Commerce
angewendet. 32 Es widerspricht dem Pareto-Prinzip, das zum Ausdruck bringt, dass eine klei-
ne Anzahl von hohen Werten einer Wertemenge mehr zu deren Gesamtwert beiträgt als eine
große Anzahl von niedrigen Werten. Nach dem 80/20-Pareto-Prinzip erzielen beispielsweise
20 Prozent der Erzeugnisse eines bestimmten Anbieters 80 Prozent dessen Gesamtumsatzes.
Diese Regel verliert aber in Zeiten des Internets in bestimmten Bereichen ihre Aussagekraft.
Untersuchungen von Verkaufszahlen von Online-Shops wie Amazon und iTunes ergaben, dass
ein hoher Anteil des Umsatzes nicht mehr mit Bestsellern erwirtschaften wird, sondern mit den
30
Raymond (The Cathedral and the Bazaar, 2000)
31
Vgl. O'Reilly (What is Web 2.0, 2005)
32
Vgl. Anderson (The Long Tail, 2004)
1.4 Zentrale Prinzipien des Web 2.0 9

Products

Abbildung 2: The Long Tail33

vermeintlichen Ladenhütern und Nischenprodukten aus dem so genannten Long Tail, die sich
zwar selten, dafür aber regelmäßig verkaufen. Die nachfolgende Abbildung 2 illustriert diesen
Sachverhalt.
Erfasst man alle verkauften Produkte nach der Häufigkeit ihrer Nachfrage, so bilden die
Topseiler am linken Rand einen steilen Gipfel. Links stehen also die wenigen Dinge, die häufig
nachgefragt werden - die Kurve ist hoch und schmal. Rechts schließt sich der lange, immer
dünner werdende „Rattenschwanz" der vielen selten nachgefragten Artikel an. Diese schwächer
nachgefragten Güter generieren jedoch zusammengenommen, also als „Long Tail" gesehen, oft
ein größeres Absatzvolumen als die bestverkauften Waren. Das Aussehen dieser Abbildung
brachte dem rechten Teil der Kurve den Namen "Long Tail" ein.
Der Bereich des Long Tail geht gewissermaßen bis ins Unendliche. Aufgrund dieser Tatsache
lässt sich unschwer schlussfolgern, dass der Long Tail eine viel größere Fläche einnimmt als
der dunkel markierte Bereich der populären Artikel. Es lässt sich also mit Nischenprodukten
mehr Umsatz erzielen als mit Bestsellern. Anderson formuliert dies wie folgt: „Das eigent-
lich erstaunliche am Long Tail ist seine schiere Größe. Wenn man ausreichend viele Nicht-
Hits zusammennimmt, hat man einen Markt, der den Hits tatsächlich Konkurrenz macht."34
Das Neuartige besteht also darin, dass ein riesiges Sortiment mäßig nachgefragter Waren mehr
Umsatz erwirtschaftet als die Bestseller - die im konventionellen Business typischerweise für
80 Prozent der Einnahmen verantwortlich sind.

33
Anderson (About Me, 2006)
34
Anderson (The Long Tail, 2007), S. 25
10 1 Grundlagen des Web 2.0

Möglich und profitabel wird diese Entwicklung durch das Internet und die damit verbunde-
nen Technologien. Das Geschäft mit Nischenprodukten kann im Vergleich zu massentauglichen
Bestsellern im Web also äußerst lukrativ sein: vorausgesetzt man schafft es, für sein Geschäfts-
modell die Vorteile des World Wide Web zu nutzen.
2 Einordnung und Stellenwert von
Social Media und Social Media
Marketing
Dieses Kapitel zielt darauf ab, den Begriff Social Media in den Kontext von Web 2.0 und des
verwandten Begriffs Social Software zu stellen und deren Inhalte voneinander abzugrenzen.
Da Social Media neue Möglichkeiten eines medialen Austausche eröffnet, die nutzergenerierte
Inhalte und direkte Interaktionen in Online-Gemeinschaften beinhalten, sollen Unterschiede
zu traditionellen Medien deutlich gemacht werden. Der Stellenwert von Social Media nimmt
nicht zuletzt auch aufgrund einer abnehmenden Wirksamkeit klassischer Werbung und PR zu,
was in diesem Kapitel beleuchtet wird. Social Media Marketing kann vor diesem Hintergrund
als ein neuer Ansatz betrachtet werden, die Effektivität der Onlinekommunikation zu erhöhen
sowie weitere Anknüpfungspunkte für ein erfolgreiches Marketing zu bieten. Die zentralen
Einsatzfelder des Social Media Marketings sollen hier zuerst überblickartig umrissen werden.

2.1 Social Media


Aus technischer Sicht stellt Web 2.0 mit seinen beschriebenen zentralen Prinzipien keine groß-
artige Neuerung oder gar völlige Überarbeitung des World Wide Web dar. Denn viele darin
enthaltenen Ansätze und zugrunde liegenden Technologien sind bereits seit Jahren bekannt.
Allerdings mangelte es zunächst am ernsthaften Einsatz dieser Möglichkeiten. Web 2.0 ist vor
diesem Hintergrund weniger als ein Begriff für eine „technologische Ära" zu verstehen, als viel
mehr als ein Ausdruck einer veränderten Wahrnehmung altbekannter Techniken.
Web 2.0 rückt insbesondere den Menschen und ein verändertes Nutzerverhalten in den Mit-
telpunkt. Genau genommen ist Web 2.0 eher ein Schritt zurück, nämlich zu den Anfängen
des World Wide Web. Der Erfinder des WWW Tim Berners-Lee plante ursprünglich ein Web,
an dem jeder Nutzer völlig unproblematisch partizipieren kann, sowohl passiv als auch durch
das aktive Einspeisen von Inhalten. Der erste von Berners-Lee im Jahr 1990 entwickelte Web-
browser war nicht nur in der Lage, Dokumente anzuzeigen, sondern er enthielt auch gleichzeitig
einen Editor, mit dem neue Dokumente erstellt werden konnten.35 Berners-Lee hatte noch 1999
in einer Rede in Cambridge, Massachusetts, die Entwicklung des WWW beklagt: "I wanted the
Web to be what I call an interactive space where everybody can edit. And I started saying .inter-
active', and then I read in the media that the Web was great because it was .interactive', meaning
you could click. This was not what I meant by interactivity, so I started calling it 'intercreativ-
ity'. [... ] As you can read, so you should be able (given the authority) to write."36Web 2.0
35
Vgl. Schiele/Hähner/Becker (Web 2.0, 2008), S. 7
36
Beraers-Lee (Book Online, 1999)
12 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

bringt nun die anfanglichen Grandgedanken des Webs zurück: Offenheit für die Partizipation,
Standardisierung, Freiheit. Das Web wird zu dem globalen Kommunikationsmedium, als das
es ursprünglich einmal gedacht war.
Obwohl der Mensch als Akteur im sozialen Kontext im Zeitalter von Web 2.0 in den Mit-
telpunkt gerückt wurde, war die Begriffslegung anfangs noch technisch aufgeladen, was der
informatiknahe Terminus Social Software zur Umschreibung der Nutzungsmöglichkeiten des
„neuen" Internets zum Ausdruck bringt.37

2.1.1 Social Software als Vorläufer von Social Media


Social Software wurde häufig in einem Atemzug mit Web 2.0 genannt. Oft werden die beiden
Begriffe auch als Synonyme benutzt, was sie allerdings nicht sind. Vielmehr ist Social Software
eine Untermenge von Web 2.O.38
Der Begriff Social Software tauchte erstmals 1987 auf, damals jedoch in einem anderen Kon-
text. In seiner aktuellen Bedeutung geht die Bezeichnung auf den Internetexperten Clay Shirky
zurück, der im November 2002 eine Tagung mit dem Namen „Social Software Summit" orga-
nisierte und für die Einladungen dazu seit etwa April 2002 diese Bezeichnung verwendete.39
Mit dem gleichzeitigen Aufkommen neuartiger Anwendungen wie Wikis und Weblogs erfuhr
der Begriff eine außerordentliche Popularität. Im Laufe der Zeit ist der Begriff immer wieder
Veränderungen unterworfen gewesen. Heute versteht man unter Social Software in der Regel
Softwaresysteme, „welche die menschliche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit
unterstützen. Den Systemen ist gemein, dass sie den Aufbau und die Pflege sozialer Netz-
werke und virtueller Gemeinschaften (sog. Communities) unterstützen und weitgehend mittels
Selbstorganisation funktionieren." 40 Als virtuelle Gemeinschaft wird dabei eine Gruppe von
Menschen bezeichnet, die sich via Internet begegnet und austauscht.41
Im engeren Sinne werden zu Social Software Web-Anwendungen wie beispielsweise We-
blogs, Wikis, Foto-Plattformen wie Flickr, kooperative Linklisten wie delicious.com und so-
ziale Netzwerke wie XING gezählt. Fasst man den Begriff weiter, so werden stellenweise auch
weitere Systeme, wie E-Mail, Groupware oder Instant Messaging der Social Software zuge-
ordnet. Allerdings bleibt die Kommunikation bei den letztgenannten Anwendungen in einem
klar abgegrenzten privaten Raum. Dagegen sind bei den neueren Anwendungen die meisten
Informationen öffentlich zugänglich 42 Darüber hinaus ist mittlerweile die Auffassung weitest-
gehend anerkannt, dass sich Social Software von anderen projekt- oder organisationsorientier-
ten kollaborativen Anwendungen absetzt. Während beispielsweise Groupware den Einzelnen
grundsätzlich in Projekte und Organisationseinheiten integriert und meist eine erzwungene top-
down-Vernetzung der Gruppenmitglieder beinhaltet, unterstützt Social Software einen sozia-
len Kontext. Dieser äußert sich darin, dass Social Software Rücksicht auf das Individuum und
dessen Wünsche und Notwendigkeiten nimmt, sich in Gruppen einzubringen.43 „Die Nutzer
verfolgen zunächst ihre eigenen Ziele. Daraus entwickelt sich ein Austausch mit anderen, die
37
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 22ff.
38
Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software, 2006), S. 14
39
Vgl. Himpsl (Soical Software, 2006), S. 35
^Bächle (Aktuelles Schlagwort Social Software, 2006), S. 121
41
Vgl. Bächle/Daurer (Potenziale Integrierter Social Software, 2006), S. 75
42
Vgl. Pleil/Zerfaß (Internet und Social Software, 2007), S. 525
43
Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 21
2.1 Social Media 13

wiederum Anregungen, Informationen oder Kontakte beisteuern - und schließlich ein dynami-
sches Geflecht von sozialen Beziehungen."44
Ein weiteres wichtiges Abgrenzungsmerkmal zur Unterscheidung von traditionellen Softwa-
resystemen ist der Aspekt der Sichtbarkeit von Team- oder Gruppenkommunikation. Sichtbar-
keit ist ein zentrales Element, um den sozialen Aspekt von Wissens- und Informationsteilung
wirksam zu machen. Ob Weblogs, Wikis, Fotocommunities, Networking- oder Bookmark-
Plattformen: Ihnen allen ist gemein, dass die Relationen zwischen Benutzem sichtbar werden
und zur Entstehung von Netzwerken führen. Dieses Öffentlich-Machen von Inhalten und Be-
ziehungen führt dazu, dass die beteiligten Personen am Wissen und an den Erfahrungen anderer
Nutzer teilhaben können und diese in einer für sie relevanten Art und Weise weiter verwenden
können.45
Darüber hinaus beinhaltet diese Sichtbarkeit einen weiteren Aspekt: Man will wissen, mit
wem man es zu tun hat und gibt seine Identität preis. Durch diese Sichtbarkeit wird durch
die eingebauten Mechanismen eine soziale Rückkopplung mittels sozialen Ratings (Feedback,
Kommentare, Bewertungen etc.) erreicht. Dies gestattet es Nutzern, eine personengebundene
virtuelle Präsenz zu etablieren.46
Damit lässt sich das breite Spektrum von Social Software-Anwendungen anhand der folgen-
den Einsatzbereiche beim Einsatz von Social Software strukturieren:

• Informationsmanagement: Ermöglichung des Findens, Bewertens und Verwaltens von


(online verfügbarer) Information.

• Identitätsmanagement: Ermöglichung der Darstellung von Aspekten seiner selbst im


Internet.
• Beziehungsmanagement: Ermöglichung, Kontakte abzubilden, zu pflegen und neu zu
knüpfen.47

Als wesentliches Merkmal für das von Social Software geprägte World Wide Web kann man
schließlich festhalten, dass Benutzer und Benutzergruppen immer stärker in den Vordergrund
rücken. In diesen Kontext reiht sich auch die ursprüngliche sehr rudimentäre, gleichzeitig aber
äußerst prägnante Definition von Clay Shirky ein. Dieser beschrieb 2002 den Begriff Social
Software wie folgt: "Social software treats groups as first-class objects of the system. " 48
Der Begriff „Social Software", der wie beschrieben mehr umfasst als ein informations-
technisches Hilfsmittel des sozialen Austausches, wird in der letzten Zeit seltener verwen-
det. Der heute in ähnlichem Kontext gebrauchte Begriff „Social Media" stellt die in sozia-
len Kommunikations- und Interaktionsbeziehungen eingesetzten neuen Medien in den Vorder-
grund. Er lenkt den Fokus auf neue Formen von Kommunikations- und Interaktionsbeziehun-
gen und ist in diesem Zusammenhang treffender als der Sammelbegriff für die Gesamtheit aus-
führbarer Programme „Software". Die wachsende Popularität des Terminus Social Media zeigt
Abbildung 3 in Form einer Gegenüberstellung der Suchhäufigkeit beiden Begriffe in Google in
den letzten Jahren.
^Sixtus (Das Web sind wir, 2005)
45
Vgl. Burg/Pircher (Social Software im Unternehmen, 2006), S. 26
46
Vgl. Ε-Teaching (Hard Facts zu Social Software, 2006)
47
Vgl. Richter/Koch (Social Software, 2007), S. 7
48
Vgl. Allen (Social Software, 2004)
14 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

social software social media


Search Volume index Google Τ
jC

10.0

5.00

ι ι 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ._ 1 JL
2004 2005 2006 2007 2008 200S
I I I " ' ! j- y « 1 1 1 1 1 1 ~ ι ι ι 1 Γ ι—
News reference vo urne

Abbildung 3: Entwicklung der Suchhäufigkeit der Begriffe „ Social Software " und „ Social Me-
dia" dargestellt mittels www.google.com/trends

2.1.2 Begriffsklärung Social Media


Persönlich erstellte, auf Interaktionen abzielende Beiträge, die in Form von Text, Bildern, Vi-
deo oder Audio über Onlinemedien für einen ausgewählten Adressatenkreis einer virtuellen
Gemeinschaft oder für die Allgemeinheit veröffentlicht werden, sowie zugrunde liegende und
unterstützende Dienste und Werkzeuge des Web 2.0, sollen mit dem Begriff „Social Media"
umschrieben werden. Social Media ermöglicht, unterstützt durch entsprechende Internettech-
nologien, sich mitzuteilen und in Online-Gemeinschaften zu kommunizieren.
Erscheinungsformen von Social Media beinhalten somit einmal die Ausdrucksformen des
nutzergenerierten Inhalts wie auch die unterstützenden informationstechnischen Werkzeuge
und Applikationen. Letztere werden auch unter der Bezeichnung „Social Software" 49 sub-
sumiert.
Social Media reicht aber über die im allgemeinen Sprachgebrauch technologische Perspekti-
ve des Begriffes „Social Software" hinaus. Wikipedia beschreibt diesen übergreifenden Fokus
treffend: Social Media "[... ] refers to activities that integrate technology, telecommunications
and social interaction, and the construction of words, pictures, videos and audio. This inter-
action, and the manner in which information is presented, depends on the varied perspectives
and 'building' of shared meaning among communities, as people share their stories and experi-
ences." 50 Social Media verknüpft somit technologische, inhaltliche und gestalterische Perspek-
tiven zur Erzielung kommunikativer Austauschprozesse in virtuellen Gemeinschaften.
Social Media ermöglicht das öffentlichkeitswirksame Verfassen von nutzergenerierten Bei-
trägen in bestimmten Onlinemedien oder -kanälen, wie zum Beispiel:

49
Vgl. Wikipedia (Social Software, 2007)
50
Wikipedia (Social Media, 2007)
51
Solis (Introducing The Conversation Prism, 2008)
2.1 Social Media 15

Social Comment &


Bookmarks Reputation
Crowdsourced
Pictures Content

Blog Platforms
LiveCasting -
Video and Audio SmugMug @s¡n¡a¡e "ilaggafef
WS s taUBB
WcsTaikMo'
iSSt mm
Blogs/Conversations

Q.fWík» kytff

ujetpaínt

Blog Communities
Épie

The Conversation
The Art of Listening.
Learning, and Sharing

pritxij

Documents
Specific to Twitter

Video Aggregation
SMS/Voice

Video

Social Networks

Niche Networks
Customers
Service Networks

Abbildung 4: Social Media Spektrum51

• textbasierte Informationen, Meinungsäußerungen, Empfehlungen und Links in Bookmar-


king-DiÖhsten, Weblogs, Wikis, Foren Bewertungsportalen etc.,

• Fotos in Foto-Plattformen, Fotogalerien eines sozialen Netzwerks, Blogs, Communities


etc.,

• Videos in Video-Portalen, Videogalerien eines sozialen Netzwerks, Communities etc.,

• Hörbeiträge im Rahmen eines Podcasts, in sozialen Netzwerken, in Musik-Portalen etc.


und

• Applikationen in sozialen Netzwerken, auf Webseiten etc.


16 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

Die einzelnen Beiträge bieten gleichzeitig die Möglichkeit einer spontanen Reaktion der Rezi-
pienten und eröffnen somit den Einstieg in eine soziale Interaktion.
Das weitreichende Spektrum onlinebasierter Ausdrucksformen in verschiedenen Informati-
onskanälen, das mit einer Förderung daran anknüpfender Kommunikations- und Interaktions-
prozesse in einem sozialen Kontext einhergeht und das mit dem Begriff Social Media gesamt-
heitlich umschrieben werden kann, wird im Conversation Prism von Brian Solis in Abbildung 4
zum Ausdruck gebracht.

2.1.3 Unterscheidung von zentralen Medienformen


Beschäftigt man sich mit Kommunikationsbeziehungen zwischen Sendern und Empfängern von
Nachrichten und dazwischengeschalteten Medien, waren in der Prä-Social-Media-Zeit haupt-
sächlich zwei Medienformen anzutreffen:

1:1-Medien ermöglichen eine beidseitige zwischenmenschliche Kommunikation, deren In-


formationsinhalte nur für die sich austauschenden Personen bestimmt sind (siehe Abbildung 5).
Unabhängig davon, ob die Kommunikation im zeitlichen Ablauf simultan oder versetzt stattfin-
det, und ob sie in einfachen Worten oder mittels moderner Telekommunikation, zum Beispiel
per E-Mail oder Telefon, praktiziert wird, weist sie einen geschlossenen, nicht öffentlichen Cha-
rakter auf. Dies wird durch geltendes Recht unterstützt. So sind beispielsweise in Post- und
Telefoniegesetzen Vorkehrungen zum Schutz der Vertraulichkeit enthalten. Man muss nicht
damit rechnen, dass Dritte Inhalte mitbekommen oder gar beeinflussen.52

1 :n-Medien ermöglichen einem Sender, die Inhalte an viele Empfänger zu übermitteln (sie-
he Abbildung 6). Diese Kommunikationsbeziehung ist typisch für Massenmedien wie Zeitun-
gen, TV, Radio, aber auch für klassische Websites, die auf eine Einwegkommunikation von
einem Sender zu vielen Empfangern ausgerichtet sind. Zwar bieten auch diese Medien an die
Öffentlichkeit gerichtete Reaktions- und Interaktionsansätze, wie beispielsweise bei Zeitungen
in Form eines Leserbriefes. Der Interaktionsprozess ist jedoch zeitaufwändig und umständ-
lich. Die Zeitspanne zwischen der Presseveröffentlichung und der im Medium dargestellten
Leserreaktion ist an die Erscheinungshäufigkeit des Mediums geknüpft. So vergehen bis zum
Veröffentlichungstermin eines Leserbriefes, sofern er überhaupt veröffentlicht wird, oft Tage,
mitunter auch Wochen.
Als Nutzer des Mediums ist man eindeutig in der Rolle des Rezipienten. Der direkte und
unmittelbare Zugang zum Senden von eigenen Informationsbeiträgen ist nur in AUsnahmefällen
vorgesehen und dann auch nur über den Redakteur oder Programmverantwortlichen in der Rolle
des Gatekeepers von Inhalten.
1 :n-Medien sind als Träger von Werbebotschaften prädestiniert. Durch die einfache Abwick-
lung einer zentralen Platzierung bei gleichzeitiger Erreichbarkeit eines großen Adressatenkrei-
ses erlauben sie eine effiziente Streuung von Werbeinhalten.

n:n-Medien zeichnen sich dadurch aus, dass viele Sender mit vielen Empfängern kommu-
nizieren können (siehe Abbildung 7). In einfachster Form kann man sich dies als eine Gruppe
52
Vgl. Göldi (Das Komplexitätsproblem, 2008)
2.1 Social Media 17

User ( ) * { ) User
Abbildung 5: Kommunikationsbeziehung von 1:1 -Medien

von Personen vorstellen, die sich an einem Tisch gegenübersitzen und bei denen sich jeder mit
jedem anderen mehr oder weniger offen wahrnehmbar austauscht. In ausgereifter Form ent-
faltete diese Form der Kommunikation erst im Zuge der Entwicklungen des Web 2.0 und in
der Verkörperung von Social Media ihr Potenzial. Bei einer einfachen, nicht elektronischen
η:n-Kommunikation werden die ausgetauschten Informationen in der Regel nicht gespeichert.
Bei der internetbasierten η:n-Kommunikation sind die Informationen jedoch schriftlich doku-
mentiert und können zu späteren Zeiten abgerufen werden. Die auf der Basis von Social Media
stattfindende Kommunikation findet somit in einem globalen, öffentlichen Rahmen mit einer
persistenten Speicherung der Informationsinhalte statt.53
Wie der Abbildung 7 zu entnehmen ist, sind Medienanbieter, wie man sie von klassischen
1 :n-Medien kennt, im Zeitalter von Social Media nur Teilnehmer unter vielen und ihre Beiträge
stehen in Konkurrenz zu emanzipierten, öffentlichkeitswirksam kommunizierenden Usern, die
sich nicht mehr nur auf die Rolle von Rezipienten reduzieren lassen.
Social Media eröffnet Kommunikationswilligen die Möglichkeit, initiativ tätig zu werden
und eigenständig Beiträge zu veröffentlichen. Die effektive Reichweite der eingestellten Beiträ-
ge hängt dabei aber von mehreren Faktoren ab, beispielsweise vom jeweiligen Suchmaschinen-
Ranking, vom Grad der digitalen Reputation in der Blogosphäre oder von der erzielten Ver-
netzung. Social Media bietet die grundsätzliche Chance eine Reichweite zu erzielen, die jene
von klassischen Massenmedien, zum Beispiel die Auflagenhöhe einer lokalen Ausgabe einer
Tageszeitung, schnell übersteigt. Auf YouTube existieren beispielsweise nutzergenerierte Vi-
deobeiträge, die millionenfach angesehen wurden. Sofern nicht grundlegende Anstandsregeln
verletzt werden, unterliegt man hinsichtlich des Umfangs und der Art der Veröffentlichung auf
bestimmten Blog-, Foto- und Videoplattformen keinerlei Beschränkungen.
Social Media erleichtert zum Beispiel durch Kommentarfunktionen und Bewertungsfunktio-
nalitäten auch ein reaktives Verhalten, das ebenfalls für die digitale Öffentlichkeit einsichtig

Natürlich ist auch bei bestimmten Erscheinungsformen von Social Media zu beobachten,
dass nutzergenerierte Informationen gemäß der Zielstellung des Seitenverantwortlichen gefil-
tert werden. Wenn beispielsweise Moderatoren von Foren das Recht in Anspruch nehmen,
unnütze Kommentare zu entfernen bzw. nur bestimmte Beiträge zuzulassen, beeinflusst das die
Publikationsmöglichkeiten. Restriktive Anforderungen an Inhalte und selektive Auswahlproze-
duren, bei denen insbesondere die Kriterien nicht transparent vermittelt werden, unterliegen der
Gefahr, als mangelnde Offenheit oder gar als Angst interpretiert zu werden, sich nicht dem Vo-
tum der Öffentlichkeit stellen zu wollen. Um solche Mutmaßungen erst gar nicht aufkommen
zu lassen und Konflikten hinsichtlich der Auswahl von Inhalten von vornherein aus dem Weg
zu gehen, lassen viele Social-Media-Anbieter bewusst alle Nutzerbeiträge zu. Die Kommuni-
53
Vgl. Göldi (Das Komplexitätsproblem, 2008)
18 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

User

User

User
Medien-
User
anbieter
User

User

User
Abbildung 6: Kommunikationsbeziehung von l:n-Medien

kationsmöglichkeiten von Social Media sind von daher insgesamt auch vor dem Hintergrund
gelegentlicher Grenzen durch die Selektion von Inhalten deutlich höher als bei klassischen
Massenmedien.
Die weitreichenden Möglichkeiten der öffentlichkeitswirksamen Artikulation durch Social
Media unterscheiden sich auch klar vom Potenzial des World Wide Web der ersten Generation.
Dieses bot nur technologisch versierten Experten mit HTML-Kenntnissen die Chance, Inhalte
zu erstellen. Die breite Masse der Internetnutzer fand sich aufgrund der technologischen und
wissensbedingten Zugangsbarrieren hauptsächlich in der Rolle des Rezipienten von fremdge-
nerierten Inhalten.
Der praktische Umgang mit den ersten Hilfsmitteln zur Erstellung von Webseiten blieb noch
Experten vorbehalten und war nichts für die Allgemeinheit. Erst die Nachfolgegeneration des
World Wide Web konnte zur Senkung von technologischen und ökonomischen Zugangsbar-
rieren beitragen. Anbieter von Social-Media-Anwendungen achten heute im eigenen Interesse
darauf, dass sie die Nutzung so einfach wie möglich gestalten. Auch in wirtschaftlicher Hin-
sicht stellt der Gebrauch von Social Media durch die überwiegende Anzahl von unentgeltlichen
Diensten heute keine nennenswerte Barriere mehr dar.
2.1 Social Media 19

Medienanbieter

User User

User User

Medienanbieter
Abbildung 7: Kommunikationsbeziehungen von n:n-Medien

Social Media entwickelt sich mit jedem Posting, jedem Link, mit jedem neuen Beitrag wei-
ter. Durch Social Media werden einzelne Inhalte sehr schnell im Netz verbreitet und führen
zum schnellen Aufbau von Informations- und Beziehungsnetzwerken. Die Interaktion über das
Internet wird „sozialer".
Die neuen Anwendungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie die Attraktivität und den
Nutzen für die Anwender erheblich steigern. Im Verhältnis zur konventionellen Webseitener-
stellung und -bearbeitung ist es leichter geworden, Inhalte zu erzeugen, zu publizieren, zu ver-
linken, zu verschlagworten und zu bewerten. All diese Tätigkeiten können auch von Nutzern
ohne vertiefende Fachkenntnisse einfach und fehlerfrei ausgeführt werden. Für die Gestaltung
20 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

der zu publizierenden Inhalte gibt es nur wenige formale Vorschriften, womit die Hemmschwel-
len für Neueinsteiger gering sind. Durchgehend handelt es sich um kollektive Medien, in denen
sich Nutzer vom passiven Konsumenten zum aktiven Mitgestalter entwickeln können.
Eine zentrale Rolle hierbei spielt der Open-Source-Gedanke: freie Programmverfügbarkeit
auch auf Datenbestände ist eine wichtige Voraussetzung für die dynamische Weiterentwicklung
von Social Software-Anwendungen. Die Nutzer werden aktiv in den kontinuierlichen Entwick-
lungsprozess eingebunden. Nicht zuletzt deshalb deklarieren viele Anbieter ihre Dienste und
Anwendungen als permanente „Beta", da regelmäßig neue Funktionen in die Seiten eingebaut
und während des laufenden Betriebs getestet und weiterentwickelt werden.
In Tabelle 1 werden zentrale Unterschiede von Social Media im Vergleich zu traditionellen
Massenmedien zusammengefasst. Zu erkennen ist, dass sich die persönliche Kommunikation
und die Kommunikation über Social Media im Wesentlichen durch den Grad der erzielten Öf-
fentlichkeit der Botschaften unterscheiden. Während die persönliche Kommunikation in einem
abgeschütteten privaten Raum stattfindet, findet Social Media in einem zumindest teilöffentli-
chen Raum statt, der je nach Intention der Beteiligten enger oder weiter gefasst sein kann.

2.1.4 Typologie und Aktivitäten von Social-Media-Nutzern


Beschäftigt man sich mit der Nutzung des Internets der zweiten Generation und den Verän-
derungen gegenüber den Anfangen, ist augenscheinlich, dass sich viele Verhaltensweisen der
Nutzer von heute damals schon dargestellt haben. So wurde das Internet schon immer für die
Informationssuche entweder als Grundlage für Entscheidungen oder zur Unterhaltung genutzt.
Es hat sich über die Zeit nur der Stellenwert des Mediums verändert. Dieser wurde auch durch
die zunehmende Verbreitung von Breitbandanschlüssen beeinflusst.
Die Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung hat in den letzten Jahren kontinuier-
lich an Bedeutung gewonnen. Wenn es um die aktive Suche von strukturierten Informationen
geht, greifen heute immer mehr Menschen auf das Internet zu. Von jungen Menschen zwi-
schen 14 und 29 Jahren, von denen 91,3 Prozent regelmäßig online sind,54 wird das Internet
mit deutlichem Abstand vor Printmedien und TV und Radio als Informationsmedium Nummer
eins genannt.55 Aber auch bei den älteren Personen nimmt das Medium mittlerweile einen be-
achtlichen Stellenwert ein. Für 46 Prozent der über 60-Jährigen ist das Internet mittlerweile ein
„täglicher Begleiter für alle möglichen Fragen und Themen". 56 Die größten Steigerungen bei
den Internetanschlüssen sind zudem in der Zielgruppe der 60-79-Jährigen, den so genannten
„Silver-Surfern" zu verzeichnen, was die zunehmende Akzeptanz des Mediums auch in dieser
Altersgruppe unterstreicht.
Die aktive Teilnahme von Anwendern stellt die Grundvoraussetzung für den Erfolg von So-
cial Media dar. Der Aktivitätsgrad der Partizipation kann jedoch stark variieren. Das Lesen
eines Blogs und das Betrachten von Videos anderer Nutzer erfordert ein relativ geringes Enga-
gement, verglichen mit dem persönlichen Aufwand, der für die Erstellung eines Blogbeitrags
oder die eigene Produktion eines Videos verbunden ist. Eine Unterscheidung verschiedener
Nutzertypen nach dem Grad der Partizipation und der Art der Nutzung veranschaulicht die in
54
Vgl. Initiative D21 ((N)ONLINER Aüas 2008, 2008)
55
Vgl. Köcher (Die junge Generation, 2008)
56
ARD/ZDF (Onlinestudie, 2008)
2.1 Social Media 21

Tabelle 1: Unterscheidungsmerkmale von traditionellen Massenmedien und Social Media

Persönliche Social-Media-
Massenkommunikation
Kommunikation Kommunikation
1 :n-Medium
l:l-Medium n:n-Medium
auf Mehrwegkommuni-
auf Mehrwegkommuni- auf Einwegkommunikation
kation ausgerichtet,
kation ausgerichtet, Sender ausgerichtet, Mediennutzer
Mediennutzer in der Rolle
und Empfänger tauschen in der Rolle des
des Informationssenders
sich bilateral aus Informationsempfängers
und -empfängers
begrenztes Interesse
hohes Interesse an
geringe Möglichkeit der aufgrund geringer
öffentlichwirksamen
Veröffentlichung von Möglichkeiten der
Auftritten und der
Nutzerbeiträgen Veröffentlichung von
Selbstdarstellung
Nutzerbeiträgen
begrenztes Interesse
kein Interesse an der hohes Interesse am
aufgrund geringer
Veröffentlichung öffentlichwirksamen
Möglichkeiten der
persönlich ausgetauschter Auftritt und an der
Veröffentlichung von
Informationen Selbstdarstellung
Nutzerbeiträgen
Beiträge der Nutzer werden
nicht gefiltert, aber
Selektion
Suchmaschinen,
Informationen werden veröffentlichungswürdiger
Meinungsführer und der
ungefiltert ausgetauscht. Nutzerbeiträge durch
Grad der Vernetzung
Journalisten
beeinflussen die
Außenwirkung
unmittelbare Reaktion von Reaktionen von Nutzern im unmittelbare Reaktion von
Nutzern im Medium Medium nur mit einem Nutzern im Medium
darstellbar Zeitverzug darstellbar darstellbar
niedrige technologische hohe technologische niedrige technologische
Zugangsbarrieren Zugangsbarrieren Zugangsbarrieren
niedrige ökonomische hohe ökonomische niedrige ökonomische
Zugangsbarrieren Zugangsbarrieren Zugangsbarrieren
22 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

Abbildung 8 gezeigte Social Technographics Ladder von Forrester. Die Leiter mit sechs Spros-
sen symbolisiert dabei ansteigende Aktivitätsniveaus, die von Inaktiven bis hin zu Schöpfern
eigener Social-Media-Veröffentlichungen reichen. Die Gruppierung der Nutzer erfolgt dabei
danach, ob sie eine der angezeigten Aktivitäten mindestens einmal monatlich praktiziert haben.
Auf die Typologie der Social Technographics Ladder aufbauend bietet Forrester Research
mit dem Consumer Profile Tool ein kostenlos nutzbares Onlinewerkzeug an, mittels dem man
sich differenziert nach dem Geschlecht für bestimmte Länder und Altersgruppen den prozen-
tualen Anteil der Nutzergruppen anzeigen lassen kann. Mittels der Datenbasis von 2009 ergibt
sich für Deutschland über alle Altersgruppen hinweg und im Mittel der Geschlechterverteilung
die in Abbildung 9 gezeigte Verteilung. Danach überwiegen in Deutschland mit 52 Prozent
noch die Inaktiven und lediglich 9 Prozent der Internetnutzer werden durch die Erstellung ei-
gener Beiträge mindestens einmal im Monat schöpferisch aktiv. Diese Verteilung ändert sich,
konzentriert man sich auf die Altersgruppe der 18-24-Jährigen. In dieser Altersgruppe sind nur
noch 25 Prozent inaktiv und bereits 19 Prozent realisieren eigenen Content.
Im Vergleich zum Social-Media-Engagement der USA fallen die deutschen Aktivitätsniveaus
jedoch im Durchschnitt deutlich niedriger aus. In den USA sind über alle Altersgruppen hinweg
lediglich 18 Prozent der Nutzer inaktiv, 73 Prozent verfolgen Veröffentlichungen anderer User,
51 Prozent nutzen soziale Netzwerke, 21 Prozent sammeln gezielt Nutzerbeiträge, 37 Prozent
kommentieren Beiträge von anderen und 24 Prozent erstellen eigene Veröffentlichungen. Die
Nutzungshäufigkeit von Social Media ist, wie Erhebungen von Forrester Research im Vergleich
der Jahre 2007 und 2008 zum Ausdruck bringen, bei allen partizipierenden Nutzergruppen zum
Teil kräftig gestiegen.
Heruntergebrochen auf konkrete Inhalte, die deutsche Nutzer aktiv online stellen, belegt die
Allensbacher Computer- und Technikanalyse, dass das Engagement von 2008 auf 2009 zwar
zunimmt, jedoch die Wachstumsraten im Vergleich zu den Vorjahren nur noch geringfügig an-
steigen. Abbildung 10 ist zu entnehmen, dass das Hochladen eigener Fotos (21 Prozent), die
Erstellung von Beiträgen in Diskussionsforen (20 Prozent) und das Kommentieren von Blogs
anderer Nutzer (18 Prozent) von den Nutzern am häufigsten praktiziert wird. Für das Unter-
halten eigener Weblogs (9 Prozent) und die Überarbeitung von Lexikonbeiträgen (6 Prozent)
können sich bislang relativ wenig Internetnutzer im Alter von 14 bis 64 Jahren begeistern.57
Eine weitere Studie unterstreicht, dass die Partizipation im Social Web insbesondere bei
Entscheidungsträgern in der Wirtschaft, und da insbesondere bei IT-Managern, weit vorange-
schritten ist. 91 Prozent der IT-Entscheidungsträger nutzen Social Media zur Informationsge-
winnung. 55 Prozent dieser Personen sind Mitglied in mindestens einem sozialen Netzwerk,
58 Prozent agieren als Kritiker und 43 Prozent als kreative Ersteller von zum Beispiel Blogs,
Artikeln oder hochgeladenen Videos.58
Eine im Jahr 2009 durchgeführte Erhebung belegt, dass 60 der 100 größten deutschen Mar-
ken in Social-Media-Angeboten aktiv sind. Der mit 39 Prozent am häufigsten genutzte Dienst
ist Twitter, gefolgt von YouTube (37 Prozent) und Facebook (28 Prozent). 12 Prozent der
größten Marken betreiben eigene Angebote im Zusammenhang mit Corporate Blogs.61 So-
cial Media trifft somit nicht nur in der allgemeinen Bevölkerung, sondern auch bei Managern
zunehmend auf Akzeptanz.
57
Vgl. Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009)
58
Vgl. Bemoff (New research, 2009)
59
Bemoff (Groundswell, New Social Technographics data, 2008)
60
Forrester (Cosumer Profile Tool, 2009)
61
Vgl. Horizont (Studie, 2009)
2.1 Socia] Media 23

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• Read blogs
• Listen to podcasts
• Watch video from other users
• Read online forums
• Read customer ratings/reviews
filone of the above

Groups include consumers


participating in at least one
of the indicated activities at
least monthly

Abbildung 8: Social Technographics Ladder: Nutzertypen und Aktivitätsniveaus der Nutzung


von Social Media59
24 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

r - — ~ • -, —
Âge: Country: Gender;

Κ Not Specified 7 1^ Germany ν I K Not Specified τ

ι ' — ß •! S:;ïï: - j
Consumer Index {Ail adults = 100)

Creators 9% 100

Critics H U B 1 2 %
100

Collectors 4% 100

Joiners 100

Spectators 33% 100

Inactives 52% 100

About Forrester

Abbildung 9: Prozentualer Stellenwert verschiedener Social-Media-Nutzertypen in Deutsch-


land dargestellt mit dem Consumer Profile Tool von Forrester Research60

Auch wenn nur ein relativ überschaubarer Teil der Internetnutzer aktiv Inhalte produziert,
werden die eingestellten Informationen mittlerweile von relativ vielen als Quelle zur Meinungs-
bildung über Produkte genutzt. Der Stellenwert von Beiträgen in Diskussionsforen sowie von
Kommentaren anderer Nutzer ist in Abhängigkeit vom jeweiligen Produkt zum Teil beachtlich.
Wie in Abbildung 11 dargestellt, werden Kommentare anderer Nutzer als Informationsquel-
le für Computerhardware und -Zubehör bereits von 68 Prozent der Internetnutzer in Anspruch
genommen. Sogar bei Einrichtungsgegenständen, wie Möbel und Lampen, nutzen 60 Prozent
diese Informationsquelle und 30 Prozent informieren sich in Diskussionsforen.
Vor dem Hintergrund des wachsenden Social-Media-Engagements drängt sich die Frage auf,
was Nutzer motiviert, aktiv zu werden? Ein offensichtlicher Beweggrund zur Nutzung des
Web 2.0 liegt im kommunikativen Austausch mit anderen Nutzern. Studien bestätigen, dass die
Kommunikation eine der bedeutendsten Beweggründe für die Nutzung von Web 2.0-Angeboten
ist. So ist auch laut einer 77VS-Studie zum Gebrauch von Social Networks für 58 Prozent
der Nutzer die Kommunikation der wichtigste Grund zur Verwendung dieser Anwendungen.62
Diese Ergebnisse sind wenig überraschend, denn mit Social Media wird erstmalig ein Massen-
medium dem Wunsch einer breiten Bevölkerungsschicht nach Kommunikation gerecht. Social
Media erfüllt die alte Forderung nach einem Medium, bei dem der Empfänger zugleich auch
aktiver Sender ist. Schon Bertolt Brecht forderte: „Der Rundfunk ist aus einem Distributions-

62
Vgl. Fox Interactive (Neverending Friending, 2007)
63
Vgl. Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009)
2.1 Social Media 25

User-generated Content: Der Produzentenkreis wächst kaum noch.

' . 20
Beiträge in D i s k u s s i o n s f o r e n

21
Eigene Fotos
•••^••••••20
Bewertungen, Testberichte
17
•••15
Eigene H o m e p a g e
13

K o m m e n t a r e in B l o g s anderer N u t z e r

Kritiken, K o m m e n t a r e zu Büchern, Filmen, C d s

A n g a b e n in Prozent
Eigenes W e h l o g

Videos
•HBMÜRS 10
I H 9 S 2009
Lexikonbeiträge schreiben, überarbeiten
stmamm
• 2008

Abbildung 10: Anteil der deutschen Internetnutzer, die ausgewählte Online-Inhalte produzie-

apparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln."64


Neben dem Wunsch nach Kommunikation gibt es viele weitere Gründe für die aktive Partizi-
pation an Web 2.0. In der rein privaten Nutzung steht nicht zuletzt der Spaß jedes Einzelnen im
Vordergrund. Aber auch das Knüpfen von Kontakten oder der Aufbau einer Wissenssammlung
sind wichtige Motivatoren.65
Nach Mühlenbeck und Skibicki ist der Wunsch nach Wahrnehmung und Anerkennung die
stärkste Triebfeder für die Teilnahme an einer Community.66 Als Erklärungsansatz gehe es den
Menschen somit vor allem um die Befriedigung sozialer Bedürfnisse.
Daneben zielen Menschen in sozialen Netzwerken auch auf die Darstellung der eigenen Per-
sönlichkeit und den Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft ab.67
Die angeführten Studienergebnisse belegen, dass das Internet als das Medium der Zukunft
angesehen werden kann. Während herkömmliche 1 :n-Massenmedien, vor allem die Print-
Medien, aber auch das Fernsehen, seit Jahren gegen sinkende Leser- bzw. Zuschauerzahlen
kämpfen, steigt die Zahl der aktiven Internetnutzer kontinuierlich an. Jugendliche verbringen
heute schon mehr Zeit im Web als vor dem Fernseher. Aber auch die kaufkräftige Zielgruppe
der über 50-Jährigen hat das Internet längst für sich entdeckt und ist regelmäßig im Netz aktiv.
Im Lichte dieser Entwicklungen treten die Grenzen der 1 :n-Kommunikation offen zu Tage.

^Brecht (Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, 1967) S. 127 zitiert Möller (Die heimliche Medienrevolution,
2005), S. 14
65
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 49f.
^ V g l Mühlenbeck/Skibicki (Community Marketing Mangement, 2007), S. 43f.
67
Vgl. Mühlenbeck/Skibicki (Community Marketing Mangement, 2007), S. 44ff.
68
Vgl. Allensbach ACTS 2009, zitiert in Schmidt (Kein Marketing ohne Internet, 2009)
26 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

Nutzung verschiedener Quellen des Internets zur Produktinformation


Computerhardware 43
und -Zubehör

Haushaltswaren,
Hausgeräte 162
• 63 Angaben in Prozent
der befragter Nutzer
Geldanlagen,
Finanzprodukte
166
Lebensmittel,
Getränke

Einrichtungsgegenstände, 30
wie ζ. B. Möbel, Lampen
164

Medikamente, Diskussionsforen
medizinische Geräte
I Kommentare
anderer Nutzer
Kleider, Mode,
Schuhe I Internetseiten
des Anbieters

Abbildung 11: Quellen für Produktinformationen im Internei68

2.1.5 Einflussfaktoren von Social Media auf das Kaufverhalten


Das Internet wurde schon immer als Informationsquelle genutzt, um Käufe offline oder onli-
ne vorzubereiten. Nach der Allensbacher Computer- und Technikanalyse recherchieren heute
97 Prozent der Internetnutzer zu Produkten und Dienstleistungen.69 Die Bedeutung des Me-
diums ist dabei im historischen Vergleich kontinuierlich gewachsen. Mit Blick auf die Infor-
mationssuche zur Vorbereitung von Kaufentscheidungen variiert der Stellenwert des Internets
in Abhängigkeit vom Produkt oder von der Dienstleistung. Eine Studie70 zu Einschätzungen
der Befragten über den Einfluss des Internets auf ihre Entscheidungen zeigt, dass sich Kon-
sumenten heute beim Kauf von Flug- und Zugtickets fast ausschließlich und beim Kauf von
Elektronikartikeln in der deutlichen Mehrzahl der Fälle dieses Mediums bedienen (siehe Ab-
bildung 12). Demgegenüber spielt diese Informationsquelle für die Wahl eines Arztes und für
die Wahl eines Gesundheitsproduktes noch eine untergeordnete Rolle.
Onlinekäufer schätzen die Leistungsfähigkeit des Mediums Internet zur Informationssuche
und zur Abwicklung von Transaktionen. Sie genießen es, ihre Entscheidungen frei und ohne
Einflüsse von aufdringlichem Verkaufspersonal treffen zu können. Im Rahmen des Suchprozes-
ses gehen Internetkäufer heute sehr zielorientiert und häufig vor dem Hintergrund eines festen
Bedarfes vor. Nur ein Bruchteil der Internetkäufer betritt Onlineshops und virtuelle Marktplät-
ze, um entspannt „zu Bummeln" und sich durch das Anschauen von Produkten für einen Kauf
inspirieren zu lassen.72

69
Vgl. Schneller (Zentrale Trends der Internetnutzung, 2009)
70
Vgl. Harris Interactive (White Paper zur Studie Digital Influence Index, 2008), S. 10
71
Vgl. Schmidt (Interneteinfluss aufs Marketing, 2008)
72
Vgl. Novo Mind (Online-Shopper sind Herdentiere, 2008)
2.1 Social Media 27

Einfluss des Internets auf Entscheidungen

Flugticket k a u f e n 89

Ferien b u c h e n 87

Auto mieten 75

Aktien k a u f e n 57

Stromlieferant suchen 54

Hypothek abschließen 54

Gaslieferant suchen 49

Kredit a b s c h l i e ß e n 48

Arzt w ä h l e n 41
A n g a b e n in P r o z e n t d e r b e f r a g t e r N u t z e r
Medikament kaufen 39

Abbildung 12: Einfluss des Internets auf Entscheidungen differenziert nach Entscheidungsob-

Was im Vergleich zur früheren Internetnutzung im Zeitalter des Web 2.0 eine zentrale Zäsur
darstellt, betrifft den immer stärker werdenden Gebrauch des Mediums, um sich als Nutzer öf-
fentlich mitzuteilen. Auch wenn nur 10 Prozent der User Weblogs verfassen und nur 8 Prozent
Beiträge zu Wikis schreiben, haben doch bereits 29 Prozent der Benutzer Produkte, Restaurants
oder Filme online bewertet.73 Diese Informationen von Nutzern aus erster Hand werden im
Rahmen von Kaufentscheidungen gerne angenommen und haben, dort wo genutzt, bereits ein
beachtliches Beeinflussungspotenzial. Rund 70 Prozent der Onlinekäufer lassen sich von Mei-
nungen in Foren und Produktbewertungen bei ihrer Kaufentscheidung beeinflussen und folgen
den Urteilen Dritter. Über die Hälfte der Onlinekäufer fällen ihre Kaufentscheidungen anhand
von hohen Verkaufsrängen und positiven Userbewertungen. Lediglich 27 Prozent orientieren
sich an Meinungen aus ihrem persönlichen Umfeld der realen Welt. Das soziale Umfeld von
Käufern hat damit einen geringeren Einfluss auf Kaufentscheidungen im Internet als Bewertun-
gen innerhalb der Online-Welt.74
Eine 2008 durchgeführte Erhebung der Allensbacher Computer- und Technikanalyse zur Ent-
wicklung der Computer und Internetnutzung belegt, dass sich der Abstand zwischen Männern
und Frauen bei der Internetnutzung sukzessive verringert. Gerade bei Frauen gewinnen in der
letzten Zeit zunehmend Kommentare und Bewertungen von anderen an Beachtung, die mit den
gewünschten Produkten oder Dienstleistungen schon Erfahrungen gesammelt haben. 40 Pro-
zent der Internetnutzerinnen würden solche Informationen bei der Produktauswahl und Kauf-
entscheidung berücksichtigen. Die Mehrheit der privaten Onlinerinnen (55 Prozent), die nach
Kommentaren und Bewertungen suchen und diese bei der Entscheidung berücksichtigen, sei
von deren Verlässlichkeit überzeugt. Dem Urteil der anderen Nutzer, das in Kommentaren oder
Bewertungen wiedergegeben wird, würden potenzielle Käuferinnen damit sogar in höherem
Maße Vertrauen schenken als redaktionellen Produktbewertungen (49 Prozent), die auf Inter-
netseiten von Zeitungen oder Zeitschriften veröffentlicht werden. „Die Meinungen der anderen
User haben Gewicht und Einfluss. Fast jede zweite Internetnutzerin (48 Prozent), die Online-
73
Vgl. Harris Interactive (White Paper zur Studie Digital Influence Index, 2008)
74
Vgl. Novo Mind (Online-Shopper sind Herdentiere, 2008)
28 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

kommentare und -bewertungen liest, hat schon einmal aufgrund solcher Informationen am Ende
ein Produkt nicht erworben, obwohl es anfangs für einen Kauf in Frage kam. Jede vierte Intern-
etnutzerin gibt sogar an, dass dies schon mehrmals vorgekommen ist. Auffallig ist: Für Frauen,
die häufig online shoppen, spielen die Bewertungen anderer Nutzer überdurchschnittlich oft ei-
ne kaufentscheidende Rolle. Während bei den Käuferinnen mit geringer Kauffrequenz weniger
als jede zweite (46 Prozent) auf solche Urteile achtet, sind es bei den Käuferinnen mit Shop-
pingleidenschaft gut zwei Drittel (69 Prozent). Sie beurteilen die Bewertungen als verlässlich
und lassen sich auch davon beeinflussen - mit der Konsequenz, dass sie überdurchschnittlich
oft ihre ursprüngliche Kaufentscheidung verändern."75
Welche Internetdienste zum Austausch von Marken- und Produktempfehlungen am meisten
genutzt werden, belegt eine Studie, in der 1.100.000 Meinungsäußerungen in Weblogs, Foren,
Mikroblogging-Diensten, sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen zu 550 Marken mit-
tels einer Crawler- und Klassifizierungstechnologie erhoben wurden.76 Nach dieser Erhebung
sind Onlineforen in Bezug auf die Häufigkeit von Markennennungen der wichtigste Kommu-
nikationskanal deutscher Internetnutzer. „Diese große Menge der erfassten Äußerungen über
alle Branchen hinweg, lassen auf ein überdurchschnittliches Markenbewusstsein in den konsu-
mentengenerierten Medien schließen. Besonders intensiven Austausch über Marken führen im
deutschsprachigen Internet die Auto-affinen Internetnutzer. Keine andere Nutzergruppe präsen-
tiert sich derart performativ." Die Initiatoren der Studie kommen zu folgendem Schluss: „Die
Resultate dieser Buzz-Analyse zeigen, wie wichtig Social Media heute für die Markenführung
und Kommunikation, aber auch für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) geworden sind.
So sind durchschnittlich 43 Prozent aller markenbezogenen Gespräche für die Bildung einer
Käuferpräferenz relevant. Im Bereich Telekommunikation ist jede dritte Verbrauchermeinung,
im Bereich Food ist mehr als jede zweite Verbrauchermeinung eine Kaufempfehlung. Diese
werden durchschnittlich von 400 bis 50.000 Usern gelesen."77
Die Studie von Fittkau & Maaß vergleicht verschiedene Formen von nutzergenerierten Inhal-
ten danach, ob diese als glaubwürdig angesehen werden. Wie aus der Abbildung 13 zu ersehen
ist, schätzen fast die Hälfte der befragten Internetnutzer Produktbewertungen als glaubwürdig
ein.
Der Stellenwert von Kommentaren anderer Internetnutzer hängt dabei häufig von der Art des
Beschaffungsobjektes ab. 78 Geht es um die Wahl eines technisch komplexen Elektronikproduk-
tes, zum Beispiel um den Kauf einer Digitalkamera, eines Computers, einer Spielkonsole oder
eines Handys, werden Nutzerkommentare häufig in Anspruch genommen. Auch beim Kauf von
Büchern, DVDs, Sportartikeln und der Buchung von Reisen werden Kommentare ebenfalls ge-
schätzt. 48 Prozent der Kaufentscheider suchen beispielsweise auf Seiten wie Holidaycheck.de
nach Bewertungen ehemaliger Gäste für das ins Auge gefasste Hotel. Steht aber beispielsweise
die Wahl eines Arztes an, werden Online-Kommentare anderer Internetnutzer bislang nur in
einem relativ geringen Umfang als Entscheidungshilfe herangezogen. Auch für den Kauf eines
Flug-, Bahn- oder Veranstaltungstickets greift man heute noch kaum auf Internetkommentare
zu.
75
Schneller (Frauen achten auf Produktbewertungen, 2009), S. 59
76
Vgl. Ethority (Brands in Social Media, 2009)
77
Vgl. Ethority (Brands in Social Media, 2009)
78
Vgl. Harris Interactive (White Paper zur Studie Digital Influence Index, 2008)
79
Vgl. Fittkau & Maaß (Bewertung von Nutzermeinungen, 2008)
2.1 Social Media 29

Glaubwürdigkeit nutzergenerierter Inhalte

Wikipedia-Einträge

Produktbewertungen HM 46,5
Online-Shop-Bewertungen 144,2 Angaben in Prozent
der befragten Nutzer
Hotelbewertungen

Text auf privaten Weblogs

Abbildung 13: Vergleich von Medien, in denen Nutzermeinungen zum Tragen kommen, nach
der Glaubwürdigkeit ihrer Inhalte (Angaben in Prozent)79

Man kann hieraus schließen, dass der Grad der Nutzung von Empfehlungen Dritter im In-
ternet davon abhängt, wie hoch die Komplexität der Entscheidungssituation eingestuft wird
und ob man andere Online-Urteile als geeignet für die individuelle Entscheidungsunterstützung
ansieht. Beim Kauf eines Tickets ist der Komplexitätsgrad der Entscheidung beispielsweise
gering und die routinemäßige Abwicklung der Transaktion steht im Vordergrund. Man benötigt
deshalb keine verstärkte Rückversicherung über die Einschätzungen anderer User. Beim Kauf
von komplexen technischen Produkten und Dienstleistungen nimmt man aber andere Meinun-
gen gerne an, wenn die Inanspruchnahme der Leistung standardmäßig erfolgt und die Urteile
eine individuelle Übertragbarkeit erlauben. Dies erklärt auch, warum bei der Entscheidungssi-
tuation „Wahl eines Arztes" man noch selten auf Online-Empfehlungen zurückgreift. Aufgrund
der sehr individuellen Bedürfnislage im Krankheitsfall kann man aus Aussagen Dritter zum Teil
nur bedingt persönliche Schlüsse ziehen. Zu vermuten ist auch, dass man wegen der heute noch
verhältnismäßig wenig angebotenen Möglichkeiten zur Abgabe von Online-Urteilen zu medizi-
nischem Fachpersonal nicht mit einer adäquaten Unterstützung durch andere rechnet und man
sich deshalb gar nicht erst auf die Suche begibt.
Neben dem für das Web 2.0 typischen öffentlichen Mitteilungsverhalten zum Beispiel durch
abgegebene Produktbewertungen ist eine weitere Besonderheit der heutigen Internetnutzung
der Wunsch nach Vernetzung und des Zusammenschlusses mit Gleichgesinnten. 60 Prozent
der 12 bis 17-Jährigen und 80 Prozent der 18 bis 21-Jährigen, aber auch insgesamt 30 Prozent
der Internetverwender ab 18 Jahre nutzen heute soziale Netzwerkplattformen. 80 Als Haupt-
beweggrund für dieses Engagement werden das Bedürfnis nach Kommunikation und die Be-
ziehungspflege mit Freunden und Bekannten genannt. Zwei Drittel der jugendlichen täglichen
Nutzer von sozialen Netzwerken erzählen ihren Freunden oft von Produkten, die sie interes-
sieren. Bei erwachsenen Anwendern legt immerhin die Hälfte dieses Verhalten an den Tag.81
Durch diesen sozialen Austausch über Produkte wird ein wichtiger Einfluss auf Kaufentschei-
dungen ausgeübt, dessen Wirkung häufig als noch stärker einzustufen ist, als Produktkommen-
tare von anonymen, nicht aus dem sozialen Umfeld stammenden Usern.
Trotz der bereits beachtlichen Nutzungshäufigkeit und des nachweislichen Stellenwertes von
Onlineempfehlungen für Kaufentscheidungen wird „User generated content" nicht immer un-
kritisch gesehen. So vermuten immerhin 45 Prozent der Befragten einer W3B-Studie,s2 dass
80
Vgl. Li (How Consumers Use Social Networks, 2007), S. 3
8
'Vgl. Li (How Consumers Use Social Networks, 2007), S. 8
82
Vgl. Fittkau & Maaß (Bewertung von Nutzermeinungen, 2008)
30 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

von Nutzern erzeugte Onlineinhalte manchmal bewusst manipuliert werden. Noch mehr brin-
gen zum Ausdruck, dass der Wahrheitsgehalt dieser Inhalte schwer zu überprüfen sei. Auf der
anderen Seite werden nutzergenerierte Inhalte in dieser Studie aber auch von mehr als einem
Drittel der Befragten für deren besondere Qualität gelobt. Diese sei höher als die von redaktio-
nell erstellten Inhalten und die Informationen seien oft detaillierter und vielfaltiger.

2.2 Grenzen klassischer Werbung


2.2.1 Print-, Funk- und TV-Werbung
Herkömmliche Massenmedien und die dort geschaltete Werbung erreichen immer weniger
Menschen. Das unterstützt Verlagerungstendenzen von Werbebudgets auf das Internet, was
die von Werbeeinnahmen abhängigen Werbeträger, wie zum Beispiel Zeitungen, zum Teil in
existenzielle Schwierigkeiten bringt. Laut einer US-Studie aus dem Jahr 2007 soll die Online-
Werbung herkömmliche Printanzeigen bis zum Jahr 2011 im gesamten Budgetaufkommen
überholen.83 Auch wenn diese Prognose hinsichtlich des genannten Jahres gewagt ist, so zeigt
sie doch deutlich die Entwicklungsrichtung auf.
Erschwerend wirkt sich für die klassischen Medien Print, Radio und TV aus, dass die Ange-
botsfülle und der Wettbewerb im eigenen Medienumfeld in den letzten Jahren stark zugenom-
men haben, was die Mediaplanung bzw. die Auswahl der wirkungsvollsten Werbemedien zu
einem immer komplizierteren Prozess werden lässt.
Das kaum noch zu überschauende Medienangebot spiegelt als unmittelbare Folge ein frag-
mentiertes Mediennutzungsverhalten wider, dessen Vielfalt gepaart mit einer zunehmenden In-
dividualisierung des Verbraucherverhaltens und immer kleiner werdenden Käufersegmenten
die Marketingplanung vor große Herausforderungen stellt. Konsumenten lassen sich immer
schwerer in Kategorien einordnen und nach dem Gießkannenprinzip mittels standardisierter
Massenbotschaften erreichen. Im Verhalten selber legen sie häufig wechselnde, zum Teil dia-
metral entgegengesetzte Handlungen an den Tag. So liegt der Anteil von hybriden Konsumen-
ten, die gewissermaßen „zweigespalten" einerseits den Kauf von hochwertigen Markenartikeln
ins Kalkül ziehen, andererseits aber auch billige Handelsmarken oder No Names kaufen, heute
zwischen 35 und 70 Prozent - mit steigender Tendenz.84
Zu dem sinkenden Stellenwert von klassischen Massenmedien als Werbeträger kommt hin-
zu, dass auch die Werbewirkung der 1 :n-Kommunikation zunehmend in Frage gestellt wird.
So wenden sich beispielsweise bei der Einblendung von TV-Spots viele Zuschauer vom Bild-
schirm ab und erledigen persönliche Bedürfnisse. Stellenweise wird während des Werbebocks
auch die Lautstärke des Fernsehers auf stumm gestellt oder kurzzeitig in einen anderen Kanal
gezappt. Die zunehmende Verbreitung von TV-Festplattenrecordern erleichtert es, dass Sen-
dungen aufgenommen und erst später angesehen werden. Mittels der Vorlauftaste überspringen
die Betrachter dann bei der zeitversetzten Betrachtung die unterbrechenden Werbeeinblendun-
gen, um an einer späteren Stelle mit dem eigentlichen Film fortzufahren. Eine zu beobachtende
Abwendung von TV-Werbung hängt auch damit zusammen, dass der Werbeumfang als zu hoch

83
Vgl. Absatzwirtschaft Online (Online-Formate, 2007)
M
Vgl. Duhr (Targeting, 2008)
2.2 Grenzen klassischer Werbung 31

eingeschätzt wird, wie von 90,7 Prozent der TV-Zuschauer zum Ausdruck gebracht wird.85
Die Werbewirkung von bedeutenden Werbemitteln wie zum Beispiel TV-Spots ist nachweis-
bar rückläufig. Während sich 1985 noch an 18 Prozent der Zuschauer an einzelne Werbespots
erinnern konnten, waren es 2002 nur noch acht Prozent. Trotz einer Steigerung der Werbebud-
gets um 175 Prozent über alle Werbemittel von 1990 bis 2000, sank die Markenerinnerung um
80 Prozent.86
Werbeforscher sind sich einig, dass der überwiegende Teil der Werbekontakte in Momenten
stattfinden, in denen kein Interesse am Produkt oder keine Zeit für die intensive Betrachtung
der Werbung vorhanden ist. Werbung wird den Betrachtern förmlich „aufgedrückt" oder aufge-
zwungen. Diese Art von Werbung kann als Push-Werbung bezeichnet werden. Der Empfänger
kann sich dieser Art der Beeinflussung nur schwer entziehen. Die Werbung unterbricht den
Betrachter bei der Wahrnehmung der eigentlich interessierenden Inhalte. Wenn beispielsweise
ein spannender Spielfilm im Fernsehen durch einen Werbeblock auseinandergerissen wird oder
man beim Lesen eines Artikels in einer Zeitschrift über dazwischengeschaltete Anzeigenseiten
blättern muss, dann wird man mit Unterbrechungswerbung konfrontiert. Dass diese in Abhän-
gigkeit von der Massivität der Unterbrechung und der jeweiligen Betrachtungssituation eher
als lästig empfunden wird, ist nicht überraschend. Laut der Studie Markenprofile von Gruner
und Jahr sagen 49,6 Prozent der Deutschen: „Werbung (im Fernsehen) empfinde ich als stö-
rend."87 Da die Werbebotschaften nicht aktiv angefordert wurden, ist die Rezeptionssituation
eher passiv und die Aktivierung für eine aufmerksame Betrachtung von vornherein eher gering.
Wie wenig Werbung in traditionellen Medien als nützlich für Kaufentscheidungen erach-
tet wird, belegt eine repräsentative Erhebung bei im Internet aktiven Müttern. Wie in Abbil-
dung 14 dargestellt, werden der direkte persönliche Austausch und die Nutzung von Social-
Media-Angeboten gegenüber fachbezogenen Online- und Offlineartikeln und verschiedenen
Werbemedien deutlich präferiert.

2.2.2 Online-Werbung
Die bislang zum Ausdruck gebrachten kritischen Begleitumstände der Werbung in herkömm-
lichen l:n-Medien sind zu einem gewissen Teil auch auf Onlinemedien übertragbar. Auch
dort bedient man sich, um auf sich aufmerksam zu machen, des Prinzips der Platzierung von
Bannern oder kleineren Buttons auf möglichst stark frequentierten Internetseiten. Die Wirk-
samkeit von Bannerwerbung wird aus mehreren Gründen, zum Beispiel vor dem Hintergrund
des Phänomens der Banner-Blindheit zunehmend kritisch betrachtet. So kann man bei geüb-
ten Internetnutzern Folgendes beobachten: „Der typische, 468x60 Pixel große Werbebanner,
der von vielen werbefinanzierten Sites oben mittig platziert ist, wird oftmals gar nicht mehr
wahrgenommen, genauer gesagt, unterbewusst automatisch ausgeblendet."88
Auch Popups werden in der Online-Werbung eingesetzt. Bei ihnen öffnet sich die Werbung
automatisch für eine bestimmte Zeit in einem eigenen Browserfenster, das sich optisch vor die
gewünschte Seite legt und somit eine klare Ausprägung der Unterbrechungswerbung darstellt.
Auch diese Art von Werbung stellt eine typische Push-Werbung dar. Das häufig als aggressiv
85
United Internet Media Research 2007, zitiert in Duhr (Targeting, 2008)
86
Vgl. Scheier/Held (Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketings, 2006), S. 18
87
Gruner und Jahr, Markenprofile 12, zitiert in Duncker (Wie gut funktioniert Online-Werbung, 2009), S. 70ff.
88
Münz (Professionelle Websites, 2005), S. 36
32 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

Informationsquellen, die Mütter als nützlich erachten

W e r b u n g im Radio

W e r b u n g in Nachrichten

W e r b u n g in Magazinen

W e r b u n g im Fernsehen

Magazin-Artikel

Online-Artikel

Online-Freunde

Online-Urteile v o n Experten

Online-Urteile von Personen

Freunde

Abbildung 14: Einschätzung des Nutzens von Informationsquellen durch MütterS9

empfundene Aufzwingen von Botschaften, kann dazu führen, dass sich Betrachter aus Ärger
von vornherein nicht mit dem Inhalt auseinandersetzen und das Fenster gleich wegklicken. Ak-
tuelle Studien belegen die negative Einstellung gegenüber Onlinewerbung. Laut der Studie
Markenprofile „wird Banner-Werbung bereits von mehr als jedem Zweiten regelrecht als „stö-
rend" wahrgenommen. Geringe 13,2 Prozent empfinden dieses Werbeformat als hilfreich. Bei
Pop-ups ist das Missverhältnis noch ausgeprägter: Hier ist der Anteil der Genervten zehnmal
höher als der Anteil der positiv Angesprochenen."90
Ein gewohnheitsmäßiges Hinwegsehen über Bannerwerbung sowie der Versuch, Werbung
über PopUp-Blogger technisch von vornherein auszuschließen, können Gründe für das sinken-
de Wachstum von graphisch aufwändigen Display anzeigen sein. Im Vergleich zur sich sehr
positiv entwickelnden Suchmaschinenwerbung ist Bannerwerbung rückläufig. Die Preise für
Onlinewerbung, die die großen Internetagenturen zahlen, sind im Frühjahr 2008 beispielswei-
se um 23 Prozent gefallen.91 Auf der anderen Seite wuchs der von Suchmaschinen erzielte
Umsatz stetig. Nach einer Studie bei Interessierten im Bereich Online-Marketing im Novem-
ber 2008 wollen die beteiligten Unternehmen ihr künftiges Engagement vor allem im Bereich
Suchmaschinenoptimierung und Suchwortanzeigen erhöhen. Der am stärksten rückläufige Be-
reich betrifft Bannerwerbung.92
Der hohe Stellenwert bezahlter Suchmaschinenwerbung im Online-Media-Mix ist ein Beleg
für den Bedeutungsgewinn von Werbung, die aktiv gesucht wird. Sie kann als Pull-Werbung
bezeichnet werden. Sucht man mit einer Suchmaschine nach einem bestimmten Begriff, zu dem
neben den Suchtreffern auch thematisch passende Werbebotschaften präsentiert werden, dann
steht man diesen Werbeinhalten sehr viel positiver gegenüber als ungewünscht übermittelten
Botschaften. Die zu erwartenden Nachrichten werden unaufdringlich mit nur wenigen Worten
angekündigt und den eigentlichen Werbeinhalt erhält man erst durch den Klick auf die dahinter
liegende Seite.
89
VgI. Razorfish and CafeMom (digital mom, 2009), S. 21
^Duncker (Wie gut funktioniert Online-Werbung, 2009), S. 71f.
9
'Vgl. Absatzwirtschaft Online (Große Displayanzeigen, 2008)
92
Vgl. Absolit (Studie 2009, 2009)
2.3 Grenzen klassischer PR 33

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Werbung in der Form von aufdringlicher Push-Werbung,
unabhängig davon, ob in herkömmlichen Massenmedien oder im Internet präsentiert, erkenn-
bare Grenzen gesetzt sind. Zeitungen und Zeitschriften, aber auch private Radio- und Fernseh-
sender sind mit ihrem Geschäftsmodell heute noch maßgeblich auf diese Form von Werbung
angewiesen. Sie tun sich schwer, rückläufige Nutzerzahlen im Zusammenhang mit einem sich
ändernden Mediennutzungsverhalten in Richtung Onlinekommunikation zu kompensieren. Ein
bestimmter Anteil der rückläufigen Werbebuchungen kann auch mit kritisch hinterfragten Wer-
bewirkungen zusammenhängen. Alternative Formen der werblichen Kommunikation, die ihnen
auch eine hinreichende Refinanzierung ihres Engagements sicherstellen, sind nicht einfach zu
finden.
Wenn Verlage ihr bisheriges Geschäftsmodell 1:1 auf das Internet übertragen, in dem wer-
befinanzierte Inhalte die Vergütung für anspruchsvolle Berichterstattung sicherstellen sollen,
bleiben sie weiter mit der Problematik der wenig geschätzten Push-Werbung konfrontiert. Die-
se setzt sich dann nur in einem anderen Medium fort. Für Verlage mit kostenlosen Online-
angeboten besteht die Herausforderung darin, Ansätze der Refinanzierung zu entwickeln, die
eine Akzeptanz der Nutzer finden. Mit aufdringlicher Push-Werbung wird das wohl schwer
gelingen. Wenn man auf Werbung setzt, sollte sie möglichst kontextsensitiv gestaltet und in ei-
nem interessierenden redaktionellen Umfeld platziert werden, beispielsweise in der Form eines
kurzen Informationsteasers, der unaufdringlich präsentiert, ein Interesse zum Abruf der voll-
ständigen Werbebotschaft weckt. Diese Art von Werbung geht somit von der Ausrichtung her
in Richtung Pull-Werbung.

2.3 Grenzen klassischer PR


Während Werbung, unabhängig davon, ob es sich um Produktwerbung oder Firmenwerbung
handelt, einen zu vergütenden Einsatz der Massenmedien als Werbeträger voraussetzt, zielt das
Kommunikationsinstrument Public Relations (PR) auf eine unentgeltliche Nutzung von 1 in-
Medien ab. Ein zentrales Aufgabenfeld der PR besteht darin, Medien mit positiven Produkt-
und Firmeninformationen zu versorgen und dafür zu gewinnen, sie in Form von originären
Medienbeiträgen zu veröffentlichen und somit einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Der Begriff Public Relations, im deutschen Sprachraum mit Öffentlichkeitsarbeit übersetzt,
kann mit der aus dem Jahre 1937 stammenden Definition prägnant beschrieben werden. „Public
Relations ist die Kunst, durch das gesprochene oder gedruckte Wort, durch Handlungen oder
durch sichtbare Symbole für die eigene Firma, deren Produkt oder Dienstleistung eine günstige
öffentliche Meinung zu schaffen."93
Aufgabe der PR ist es, gute Beziehungen zu den verschiedenen externen (Kunden, Lieferan-
ten, Aktionäre, politische Entscheidungsträger, der Staat etc.) und internen Partnern der Unter-
nehmung (Mitarbeiter) aufzubauen. Hierfür können verschiedene Instrumente eingesetzt wer-
den, wobei die gezielte Informationsversorgung und der Aufbau und die Pflege der Kontakte zur
Presse, zum Hörfunk und Fernsehen bislang als das Kerninstrument der externen PR anzusehen
sind. Dieser hohe Stellenwert der Beziehungspflege mit Medien erklärt sich daraus, dass eine
breite Öffentlichkeit am einfachsten über die produkt- und firmenbezogenen Massenmedien zu
erreichen und zu beeinflussen ist. Journalisten sind die zentralen Gatekeeper im PR-Geschäft,
93
Hundhausen (Die Deutsche Werbung, 1937)
34 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

die darüber entschieden, ob eine Unternehmensnachricht es wert ist, gesendet zu werden oder
nicht. Da in Massenmedien immer nur eine geringe Auswahl aller Produkt- und Markenbot-
schaften veröffentlicht werden kann, konkurrieren eine Vielzahl von PR-Verantwortlichen um
die Aufmerksamkeit und die Gunst einer kleinen Zahl von Redakteuren.
Das gängige Erfolgskonzept der PR besteht darin, zu diesen Informationsselektierern und
Multiplikatoren möglichst persönliche Beziehungen aufzubauen und sie durch interessante Bot-
schaften und ein qualitativ hochwertiges Informationsangebote für das eigene Unternehmen
einzunehmen. David Scott, ein PR-Profi, beschreibt diese Art von PR-Arbeit anschaulich: "PR
people occupied their time by writing press releases targeted exclusively to reporters and editors
and by schmoozing with those same reporters and editors. And then they crossed their fingers
and hoped ('Oh, please write about me... ') that the media would give them some ink or some
airtime. The end of their efforts - the ultimate goal of PR in the old days - was the clip that
proved they had done their job." 94
Zentrale Handlungsmuster und Regeln traditioneller PR-Arbeit können folgendermaßen zu-
sammengefasst werden:

• Die Öffentlichkeit kann am besten über Massenmedien (indirekt) erreicht werden.

• Journalisten berichten über das Unternehmen und deren Marken.

• Die Kommunikation ist unidirektional und ein unmittelbares Feedback von Rezipienten
ist nur schwer möglich.

• Journalisten entscheiden als Gate Keeper darüber, was sendenswert ist und was nicht.

• Unternehmen kommunizieren mit Journalisten über Pressemitteilungen und Pressekon-


ferenzen.

• Presseinformationen sollten neue und interessante Inhalte aufweisen.

• Wenn die übermittelten Informationen nicht in redaktionelle Beiträge der Medien trans-
formiert werden, erfahrt die Öffentlichkeit nichts darüber.

• Als zentraler Erfolgsmesser zählt, wie oft und umfangreich das Unternehmen und dessen
Marken in Medien (zum Beispiel dargestellt in Presseclippings) erwähnt werden.

Im Zuge der wachsenden Bedeutung des Internet verschieben sich die Gewichte auch im Rah-
men der PR weg von klassischen Massenmedien hin zur Onlinekommunikation. Eine im Som-
mer 2008 durchgeführte Befragung von 1.524 PR-Verantwortlichen in verschiedenen europäi-
schen Ländern ergab, dass die Pressearbeit im Bereich der Printmedien, die heute noch als das
wichtigste PR-Instrument angesehen wird, im Jahr 2011 im Stellenwert hinter der der Online-
kommunikation und der Online-Pressearbeit zurückfällt. Wie aus Abbildung 15 zu ersehen ist,
prognostizieren die Kommunikationsverantwortlichen auch eine nachlassende Bedeutung der
Medien TV und Radio im Rahmen der PR.

94
Scott (The New Rules of Marketing & PR, 2007), S. 10
2.3 Grenzen klassischer PR 35

Today In 2 0 1 1

Press and media relations:


1 Online communication
print media

2 Online communication 2 J » « « ^ « *

„ c , , Press and media relations: .


3 Face to face communication 3 _j-«.
print media Φ

Press and media relations:


4 Face to face communication
TV / radio

Press and media relations:


5 Events 5
TV / radio

Abbildung 15: Kanäle und Instrumente der Unternehmenskommunikation heute und im Jahr
201195

Die Autoren der Studie fassen dieses folgendermaßen zusammen: "Managing relationships
with online channels and social media gains dramatically in importance, while the traditional
way of addressing gatekeepers is reinvented by contracting online journalists more intensive-
ly."96 Befragt nach der Wichtigkeit verschiedener Social-Media-Kanäle in der PR-Arbeit im
Jahr 2009 sehen sie einen Bedeutungsgewinn für soziale Netze, Online Videos, Weblogs und
RSS Feeds, wohingegen Wikis, Podcasts und insbesondere virtuelle Welten an Stellenwert ver-
lieren.
Die Verlagerung von PR-Aktivitäten auf Onlinekanäle eröffnet PR-Verantwortlichen neue
Möglichkeiten eines vereinfachten Austausches. So können Presseveröffentlichungen mittels
E-Mail-Verteiler schnell an eine große Zahl von Journalisten gestreut werden. Diese Art von
Push-Kommunikation unterscheidet sich nur durch das Medium und nicht durch die Interakti-
onsbeziehung vom postalischen Presseversand. Informationen werden an Multiplikatoren her-
angetragen, die aus dem Angebot die für die Leser wertvollen Informationen auswählen und
dann gegebenenfalls redaktionell überarbeitet verbreiten.
Die einfachen elektronischen Versendungsmöglichkeiten können dazu verleiten, häufiger
Nachrichten zu verschicken, die zum Teil nur einen geringen Neuigkeits- und Informationswert
aufweisen. Die Grenzen der Wirkungsweise von an einen journalistischen Adressatenkreis
routinemäßig übermittelten PR-Botschaften verdeutlicht die folgende Aussage eines Online-
Journalisten: "I'm a contributing editor of EContent magazine, as a result of which I receive
hundreds of broadcast e-mail press releases per week from well-meaning PR people who want
95
ZerfaJ$ (European Communication Monitor, 20008), S. 23
96
Zerfaß (European Communication Monitor, 20008), S. 25
36 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

me to write about their widgets. Guess what? In five years, I have never written about a com-
pany because of a nontargeted broadcast press release that somebody sent me. Something like
25 000 press releases have been sent to me, resulting in no stories."97
Wenn Journalisten nicht Gefahr laufen wollen, von gut gemeintem Informationsspamming
von PR-Verantwortlichen überschüttet zu werden, müssen sie ihr Informationsmanagement gut
organisieren. In diesem Zusammenhang ist für die journalistische Arbeit zu beobachten, dass
neben dem Gebrauch der Push-Kommunikation in immer stärkerem Maße der gezielte Einsatz
der Pull-Kommunikation Verwendung findet. Das heißt, dass nicht passiv abgewartet wird, was
einem von Unternehmensseite her an Nachrichten angeboten wird, sondern, dass Journalisten
aktiv in verschiedenen Kanälen recherchieren, um Material für ihre „Topstory" zu finden.
Internetrecherchen sind dafür ein unverzichtbares Hilfsmittel. Journalisten, die in den The-
menfeldern Industrie, Informationstechnologie und Weiterbildung tätig sind, nutzen zum Bei-
spiel das Internet für ihre Recherche zu nahezu 100 Prozent.98 Der Einsatz von Suchmaschinen
bot schon im Zeitalter des Web 1.0 bessere Möglichkeiten der Informationsrecherche. Das In-
formationsangebot war jedoch aufgrund geringer Interaktions- und Beteiligungsmöglichkeiten
breiter Nutzerschichten stark auf „offizielle" Unternehmensbotschaften beschränkt. Printnach-
richten wurden von den Kommunikationsverantwortlichen meist 1:1 ins Internet eingestellt
und das Medium war daher für Journalisten nicht wesentlich reichhaltiger als herkömmliche
Unternehmens- und Markeninformationen.
Mit der Entstehung des Web 2.0 und der Verbreitung von Social Media hat sich die ange-
botene Informationsfülle und -breite sprunghaft erhöht. Aussagen zu Unternehmen und Mar-
ken werden nun nicht mehr ausschließlich von autorisierten Unternehmensvertretern verbreitet,
sondern auch von einer Vielzahl von Internetnutzern, die in Blogs, Communities, Kommen-
tarseiten etc. ihre eigenen Erfahrungen, Erwartungen und Einschätzungen kundtun. Dieser
Fundus an Informationen, der ungesteuert vom unternehmerischen Zutun im WWW generiert
wird, bietet Journalisten hervorragende Möglichkeiten, Nachrichten zu entdecken, die nicht
„schöngefärbt" sind und aufgrund ihrer Authentizität und unmittelbaren Nähe zu den betrof-
fenen Markenverwendern und Stakeholdern der Unternehmung einen hohen Informationswert
haben. Solche Nachrichten sind gut geeignet, Stimmungen aufzugreifen und Trends abzuleiten.
Auch stellen sie hervorragende Impulse für investigativen Journalismus dar, wobei man sich der
Grenzen einzelner Nutzeraussagen aufgrund der häufig unter einem Pseudonym abgegebenen
Urteile und der zum Teil geringen Möglichkeiten der Nachprüfbarkeit bewusst sein sollte.
Der hohe Stellenwert von Social Media im Journalismus belegt eine im Mai 2008 durchge-
führte empirische Erhebung, nach der 92 Prozent der befragten Journalisten dieses Medium für
ihre Arbeit nutzen. 49 Prozent mindestens einmal täglich. Die Nutzung erfolgt dabei haupt-
sächlich für Zwecke der Recherche.99
Durch die Vielzahl der sich über Unternehmens- und Markenbelange austauschenden Intern-
etnutzer bröckelt die monopolartige Stellung von Journalisten und Massenmedien in der Beein-
flussung der öffentlichen Wahrnehmung. Es entstehen neue Autoritäten und Meinungsführer,
die als Multiplikatoren neue Zielgruppen der Unternehmenskommunikation darstellen.
Da diese neuen Multiplikatoren aber durch weitreichende Recherchemöglichkeiten und auf-
grund der Fülle des Informationsangebotes im Internet immer einfacher selber aktiv werden
97
Scott (The New Rules of Marketing & PR, 2007), S. 8f.
98
Vgl. Pleil/Zerfaß (Internet und Social Software, 2007), S. 513
" V g l . Vibrio (Das Nutzungsverhlten, 2008)
2.4 Social Media Marketing 37

können und nicht mehr so stark von der gesteuerten Nachrichtenversorgung der PR abhängig
sind, müssen neue Wege der Informationsverbreitung gefunden werden. Es gilt dabei einmal
mehr, die Formen und Adressaten der aktiv gesteuerten Push-Kommunikation zu überdenken.
Journalisten und andere Informationssuchende sollten von Unternehmensseite auch mit einem
weitreichenden Informationsangebot versorgt werden, das im Internet bereitgestellt, eine einfa-
che Recherche und Pull-Kommunikation ermöglicht.

2.4 Social Media Marketing


2.4.1 Begriffsklärung
Nach der Beschreibung von Social Media soll nun der Frage nachgegangen werden, was man
unter diesem Begriff im Kontext von Marketing versteht. Marketing als solches kann aus ver-
schiedenen Sichten beschrieben werden.

1. Marketing als Maxime verkörpert eine unternehmerische Grundhaltung und Leitmaxime,


die durch konsequente Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berühren-
den Entscheidungen an dessen Erfordernissen bzw. den Bedürfnissen der Abnehmer ge-
kennzeichnet ist.100 Nach dieser Maxime sollten Unternehmen konsequent von Märkten
her auf Märkte hingeführt werden.

2. Marketing als Mittel will dazu beitragen, Vorzugsstellungen und Präferenzen für das ei-
gene Angebot zu schaffen und dessen ökonomischen Erfolg sicherzustellen. Als zentrale
Instrumente des Marketings, die im Rahmen dieser Mittel-Zweck-Beziehung zum Ein-
satz kommen, können die Produkt- und Leistungspolitik, Preispolitik, Kommunikations-
politik und Distributionspolitik genannt werden.
3. Marketing als Methode soll helfen, Entscheidungen zur Erreichung des Markterfolges
durch systematische, moderne Analysetechniken zu optimieren und den Planungs- und
Realisationsprozess zielorientiert zu gestalten.101

Der Oberbegriff „Marketing" wird heute in vielfältigen Wortzusammensetzungen gebraucht,


zum einen, um das Objekt, für das Marketing betrieben werden soll, näher zu kennzeichnen,
und zum anderen, um das verwendete Mittel bzw. die instrumentelle Vorgehensweise, mit
der die Marketingziele erreicht werden sollen, in den Vordergrund zu rücken. So bezieht sich
beispielsweise das „Dienstleistungsmarketing" auf die Vermarktung von Dienstleistungen und
beim „Investitionsgütermarketing" stehen Investitionsgüter im Fokus des Gegenstandsberei-
ches.
Wird das hauptsächlich zum Einsatz kommende Instrument näher spezifiziert, wenn die Art
der Kundenansprache kennzeichnend ist, spricht man beispielsweise vom „Direktmarketing".
Ist der Einsatz von Onlinemedien das zentrale methodische Vorgehen zur Vermarktung des
Objektes, spricht man vom „Online-Marketing".
Auch der Begriff „Social Media Marketing" ist instrumental geprägt und das einzusetzende
Mittel wird klar zum Ausdruck gebracht: Marketing durch den zielorientierten Einsatz von
lOOyg] pfeffert (Marktorientierte Unternehmensführung, 1999), S. 6
101
Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (Marketing, 2002), S. 14ff.
38 2 Einordnung und Stellenwert von Social Media und Social Media Marketing

Social Media bzw. den neuen Möglichkeiten im Web, nutzergenerierte Beiträge zu veröf-
fentlichen und sich darüber auszutauschen. Social Media Marketing ist somit eine Form des
Marketings, das darauf abzielt, eigene Vermarktungsziele durch die Nutzung von und die Be-
teiligung an sozialen Kommunikations- und Austauschprozessen mittels einschlägiger (Web-
2.0-)Applikationen und Technologien zu erreichen.

2.4.2 Einsatzfelder des Social Media Marketings


Im Zentrum von Social Media Marketing stehen nutzergenerierte Inhalte wie zum Beispiel per-
sönliche Einschätzungen zu Marken, Vorschläge für innovative Produkte, selbst gedrehte Vi-
deospots und so weiter. Die Inhalte bieten sich als Seismographen zur Erfassung von Stimmun-
gen an und stellen hervorragende Informationsquellen der Marktforschung dar. Sie unterstützen
die unternehmerische und markenbezogene Positionsbestimmung und den darauf aufbauenden
Marketingplanungsprozess.
Das Engagement und die Schaffenskraft von Inhalteproduzenten im Internet lassen sich un-
mittelbar als Mittel für die Erreichung eigener Marketingziele einsetzen. Das kann beispiels-
weise im Rahmen der Produktpolitik erfolgen, um Kunden gezielt am Innovationsprozess zu
beteiligen oder im Rahmen der Kommunikationspolitik, um kommunikationsfreudige Mitglie-
der der eigenen Community als Markenbotschafter und Multiplikatoren agieren zu lassen.
Ein aktiver Einsatz von Unterstützern, Führsprechern und Fans der Unternehmung stellt ge-
wissermaßen schon einen Idealzustand dar, auf den hinzuarbeiten ist und für dessen Vorberei-
tung vielfältige Schritte zu unternehmen sind. Damit sich Menschen aktiv für eine Sache en-
gagieren, müssen sie zuerst dafür gewonnen werden. Es ist ferner darauf hinzuarbeiten, einen
emotionalen Impuls bzw. eine bestimmte Begeisterung auszulösen, die zu einer intendierten
Handlung, zum Beispiel einer Weiterempfehlung oder der Beisteuerung eines Verbesserungs-
vorschlages führt. Ein zentraler Einsatzbereich von Social Media Marketing besteht folglich
darin, mit Zielgruppen mittels Social Media zu kommunizieren, um eine wie auch immer ge-
artete Beeinflussung mit Blick auf das gewünschte Kommunikationsziel zu erreichen. Dieses
Beeinflussungsziel kann beispielsweise auch beinhalten, negative Einstellungen zu einer Mar-
ke abzuschwächen, um Einzelne von einer Weitergabe in der Community und von negativer
Stimmungsmache abzuhalten. Social Media Marketing ist in diesem Zusammenhang schwer-
punktmäßig ein Instrument der Kommunikationspolitik, das an den neuen Möglichkeiten der
sozialen Interaktion im Web 2.0 anknüpft und sich von tradierten Formen der Einwegkommu-
nikation und Massenwerbung löst.
Zusammenfassend lassen sich ausgehend von den eingangs dargestellten drei Marketingper-
spektiven folgende Einsatzschwerpunkte des Social Media Marketings ableiten:

1. Grundhaltung bzw. Maxime des Social Media Marketings: Im Zentrum sollte eine
nutzenstiftende Kommunikation und ein ernst gemeinter Austausch mit Kunden und öf-
fentlichen Anspruchsgruppen auf der Basis einer konsequenten Orientierung an deren
Bedürfnissen zur Erreichung von Marketingzielen stehen.

2. Social Media Marketing als Mittel zur Beeinflussung von Zielgruppen über soziale
Medien zur Erzielung von gewünschten Handlungen, wie zum Beispiel Kaufabschlüsse,
Weiterempfehlungen und eigenverantwortliches Engagement für Unternehmensbelange.
2.4 Social Media Marketing 39

3. Social Media Marketing als methodischer Ansatz, der neue Formen der Interaktion
und Kommunikation im Web für die Marktforschung und für die daran anknüpfende
Entscheidungsfindung, Realisierung und Kontrolle nutzt.
3 Erscheinungsformen von Social
Media
Wie aus dem in Abbildung 4 dargestellten breiten inhaltlichen Spektrum von Social Media zu
ersehen ist, stehen heute verschiedenste Onlinekanäle und Dienste zur Verfügung, mittels derer
Nutzer Inhalte für virtuelle Gemeinschaften erstellen und abrufen können und die ferner daran
anknüpfende soziale Interaktionen fördern. Es würde den Umfang dieses Buches sprengen,
alle verschiedenen Erscheinungsformen von Social Media zu erläutern. Allein schon aufgrund
der hohen Dynamik des Medienumfeldes dürfte dies in einer geschlossenen Abhandlung auch
kaum möglich sein. Es sollen hier deshalb nur zentrale Medien des Social Web vorgestellt
werden, die heute schon als Instrumente der Erreichung unternehmerischer Zielstellungen eine
relativ breite Akzeptanz erfahren.

3.1 Wikis
3.1.1 Begriff und Einordnung
Unter einem Wiki, auch WikiWikiWeb oder WikiWeb genannt, versteht man eine Sammlung
von Webseiten, die von jedermann, zu jederzeit und von jedem Ort aus bearbeitet werden kön-
nen. Dabei wird es den Besuchern nicht nur ermöglicht, Inhalte auf einer Webseite hinzuzu-
fügen, sondern auch die Inhalte anderer Besucher zu editieren. In den meisten Fällen ist noch
nicht mal eine Registrierung nötig, so dass jeder Besucher eines Wikis sofort den Inhalt ändern
kann.
Die wesentliche Stärke eines Wikis ist der geringe Editieraufwand, da die Seiten von jedem
Besucher ohne besonderen Aufwand innerhalb von Sekunden veränderbar und kommentierbar
sind. Daher auch der Name, denn „wikiwiki" ist hawaiianisch und bedeutet „schnell". Die
einzelnen Seiten und Artikel eines Wikis sind durch interne Links miteinander verbunden, so
dass Schlagwörter schnell weiter recherchiert werden können. Dies entspricht auch der Art,
wie das WWW überwiegend benutzt wird, denn „Hyperlinks sind mit einem Anteil von fast
44 Prozent weiterhin das bedeutendste Navigationsmittel, um zu neuen Seiten zu gelangen."102
Diese Möglichkeit des unmittelbaren, ungehinderten Änderns einer Seite definiert das Wiki.
Jeder hat die Möglichkeit Texte zu ändern, zu löschen und Neues hinzuzufügen. Außerdem
sieht er seine Änderungen sofort. Die Einfachheit der Nutzung liegt darin, dass der Text ei-
ner Wiki-Seite ohne HTML- oder andere Webdesign-Kenntnisse erstellt oder geändert werden
kann. Die Bearbeitung erfolgt direkt im Webbrowser über eine Eingabemaske. Diese Bearbei-
tung kann auch innerhalb eines Teams oder einer Gruppe von Anwendern erfolgen. Mit dieser
Funktion sind Wikis eine eigene Form von Content-Management-Systemen.
102
Weinreich/Obendorf/Mayer/Herder (Der Wandel in der Benutzung, 2006), S. 5
42 3 Erscheinungsformen von Social Media

Jedes Wikisystem hat allerdings eine eigene Wikisyntax. Diese ist bislang nicht genormt.103
Diese Wikisyntax ist ein Spektrum von Zeichenkombinationen, also speziellen Tags, die es
erlauben, den Inhalt einer Seite zu formatieren und dadurch beispielsweise Wörter oder Sätze
hervorzuheben. Diese Syntax ist auch von Laien leicht erlernbar, da sie nicht die Komplexität
von HTML aufweist.
Man unterscheidet zwischen öffentlichen Wikis, die jeder bearbeiten kann, ohne einen Be-
nutzeraccount haben zu müssen, und eingeschränkten Wikis, die je nach Einstellung nur regis-
trierten Benutzern oder nur definierten Benutzern Schreibrechte geben.
Mit Wikis kommt das Internet der ursprünglichen Idee des WWW-Erfinders Tim Berners-
Lee von einem Web, in dem man sowohl lesen als auch Inhalte einstellen kann, sehr nahe.

3.1.2 Entstehung und Funktionen von Wikis


Das erste Wiki wurde 1995 von dem Softwareentwickler Ward Cunningham mit dem Namen
„WikiWikiWeb" entwickelt.104 In der Folgezeit konnten sich Wikis aufgrund mangelnder Usa-
bility nicht auf breiter Ebene durchsetzen. In den späten 1990er Jahren wurde das Potenzial der
Wikis für private und öffentliche Wissensdatenbanken erkannt und genutzt. Dies brachte Jim-
my Wales und Larry Sanger auf die Idee, die Wiki-Technologie als Basis für eine elektronische
Enzyklopädie zu nutzen. Sie starteten das Wikipedia-Projekt im Januar 2001.105 Wikipedia ist
heute das bekannteste Wiki weltweit und existiert in mehr als 250 Sprachen, wobei der Um-
fang der gesamten Artikel heute die Zahl von 10 Millionen überschreitet. Die deutschsprachige
Wikipedia beinhaltet dabei einen Anteil von mehr als 850.000 Artikeln.106
Mit dem Erfolg der freien Enzyklopädie Wikipedia begann auch der Durchbruch der Wikis.
Ab dem Jahr 2000 begann der Begriff Wiki immer größere Kreise zu ziehen. Auch Organisa-
tionen und Unternehmen entdeckten Wikis als Software für kollaborative Wissensdatenbanken,
Projektmanagement, Dokumentation und das Intranet.
Ein Wiki ist ein Hypertext-Medium bestehend aus vielen unterschiedlichen Seiten, die durch
Hyperlinks miteinander vernetzt sind. Es existiert keine zusätzliche Navigation oder Organisa-
tion, einzig allein durch das Verfolgen von Hyperlinks auf den Seiten kann man durch das Wiki
navigieren. Aus diesem Grund ist der Hyperlink auch das wichtigste Element eines Wikis.
In der Regel beinhalten Wikis einen Editier-Button, durch den man direkt in den Editier-
Modus gelangt. Diese Bearbeitungsmöglichkeit stellt eines der wichtigsten Prinzipien eines
Wikis dar. Je nach Verwaltung des Wikis kann es notwendig sein, dass man sich vorher mit
Benutzernamen und Kennwort registriert, damit Änderungen personenbezogen nachvollzogen
werden können. Bestimmte Wiki-Seiten können so nur von autorisierten Personen betrachtet
oder geändert werden.
Ein weiteres zentrales Element ist die Kontrolle von Änderungen. Durch ein System der Ver-
sionskontrolle können Änderungen am Text von allen Nutzern nachverfolgt und gegebenenfalls
ergänzt oder rückgängig gemacht werden. Daneben gibt eine automatisch erstellte Liste einen
Überblick über eine bestimmte Anzahl von Artikeln, die in der letzten Zeit geändert worden
sind. Durch diese History-Funktion ist es möglich, Formen von Vandalismus und unerlaubter
103
Vgl. Hippner (Bedeutung, Anwendungen und Einsatzpotenziale, 2006), S. 13
104
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 23ff.
105
Vgl. Wikipedia (Geschichte, 2007)
106
Vgl. Wikipedia (Wikipedia, 2009)
3.2 Weblogs 43

Werbung auch in offenen Systemen wirksam zu bekämpfen, indem die ursprüngliche Version
wieder hergestellt wird.
Die meisten Wikis bieten durch Funktionen zum Datei- und Bildupload die Möglichkeit,
neben dem reinen Text auch Dateien oder Bilder in dem Wiki zu speichern und den Nutzern
zugänglich zu machen. Des Weiteren besitzen Wikis eine Suchfunktion, die es ermöglicht, im
Volltextmodus einen oder mehrere Begriffe, verknüpft über Boolesche Operatoren, zu suchen.
Wikis sind zum Aufbau einer langfristigen Wissensbasis sinnvoll, da der Inhalt im Mittel-
punkt steht und die einzelnen Inhalte qualitativ erweitert werden können.

3.2 Weblogs
3.2.1 Definition
Der Begriff Weblog (in Kurzform: Blog) setzt sich aus den Worten „Web" und „Log" - als
Kurzform für ein Tagebuch bzw. Logbuch - zusammen. Das „bloggen" bezeichnet damit das
Führen eines Weblogs durch einen „Blogger". Die Gesamtheit der Weblogs und die daran
beteiligte Leser- und Autoren-Community wird „Blogosphäre" genannt.
Ein Blog ist auf den ersten Blick eine regelmäßig aktualisierte Webseite mit chronologisch
sortierten Beiträgen, beginnend mit dem aktuellsten Beitrag auf der Startseite, dem ältere Bei-
träge folgen. Allerdings gehen die Definitionsversuche dabei recht weit auseinander. Für die
Definition eines Weblogs wird hier der Definition von Przepiorka gefolgt: „Ein Weblog ist eine
häufig aktualisierte Webseite, auf der Inhalte jeglicher Art in chronologisch absteigender Form
angezeigt werden. Ein Weblog kann typischerweise die Form eines Tagebuches, eines Jour-
nals, einer What's-New-Page oder einer Linksammlung zu anderen Webseiten annehmen. Der
Autor ist dabei entweder eine einzelne Person oder auch eine Gruppe. Alle Inhalte sind in der
Regel durch Links mit anderen Webseiten verlinkt und können unmittelbar durch den Leser
kommentiert werden."107
Ein typischer Weblog-Eintrag besteht in der Regel aus folgenden Elementen:108
• eine aussagekräftige Überschrift;

• der eigentlich Eintragstext inklusive Eintragsdatum;

• Kommentar: andere Leser können den Eintrag kommentieren;

• zumeist Kategorien bzw. Tags, um die Einträge zu klassifizieren;

• gegebenenfalls ein seitlich angeordneter Kalender, um ältere Beiträge einsehen zu kön-


nen.
Die ersten Weblogs waren einfache, manuell gepflegte Webseiten. Die Verbreitung der Weblogs
ist aber eng mit der Verbreitung von Weblog-Applikationen verbunden. Diese serverseitigen
Programme sind im Prinzip einfachste Content-Management-Systeme, die das Führen eines
Weblogs enorm erleichtern. Durch diese spezielle Blog-Software sind Blogs im Vergleich zu
107
Przepiorka (Weblogs, Wikis und die dritte Dimension, 2006), S. 14
l08
Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 23; Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software, 2006), S.
24
44 3 Erscheinungsformen von Social Media

herkömmlichen Webseiten sehr leicht zu pflegen. Die Einträge können auf diese Weise direkt
im Browser vorgenommen und veröffentlicht werden. Mehr als die üblichen Kenntnisse im
Umgang mit Computern sind heute nicht mehr notwendig, um einen Blog zu schreiben.

3.2.2 Die Entwicklung von Weblogs


Anfang 1999 gab es lediglich 23 Blogs. In der Folgezeit wies die Zahl der Weblogs ein ste-
tiges Wachstum auf. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das Veröffentlichen diverser
Weblog-Software wie beispielsweise Pitas109 oder auch Blogger.no Diese Tools verhelfen auf
einfache und schnelle Art zum eigenen Weblog. Bis zum September 2000 waren auf diesem
Wege mehrere tausende von Weblogs in der Blogosphäre entstanden. 111
Eine erhöhte Aufmerksamkeit erlebten die meisten Weblogs mit dem 11. September 2001. 112
Kurz nach den Terrorattacken auf das World Trade Center waren die meisten Nachrichtenseiten
traditioneller Medien im Internet wegen der hohen Besucherzahlen und dem daraus entstehen-
den Traffic überlastet und nicht mehr erreichbar. Doch da Weblogs aufgrund der großen Ver-
netzung untereinander über die dezentrale Struktur die Zugriffe verteilen, waren sie erreichbar.
Als weiterer Meilenstein für die zunehmende Bedeutung von Weblogs ist der Afghanistan-
Krieg 2001/2002 zu erwähnen. Weblogger konnten hier wesentlich kritischer und freier Be-
richt erstatten als andere amerikanische Medien. 113 Auch während des Zweiten Irakkrieges,
des Tsunami im Dezember 2004 oder bei den Anschlägen in London im Jahr 2005 berichteten
die Nachrichtenwebseiten journalistisch über die Ereignisse. Wer jedoch mehr Hintergründe
suchte und Augenzeugenberichte lesen wollte, konnte Weblogs von unmittelbar Betroffenen
lesen, die direkt dabei oder in der Nähe waren.
Hier zeigte sich eine Stärke der Weblogs, in bestimmten Fällen schneller und direkter über
Ereignisse berichten zu können als klassische Informationsmedien. Die Führungsfunktion in
Bezug auf Aktualität von Veröffentlichungen übernehmen heute jedoch Mikoblogs, wie zum
Beispiel Twitter.
Die Anzahl der heute existierenden Blogs ist nicht mehr zählbar und auch für spezialisierte
Suchmaschinen schwer zu ermitteln, da laufend neue Blogs generiert werden und die Abgren-
zung von Mischformen, die man als Blog bezeichnen könnte, die aber auch anderen Medien-
formen zugerechnet werden können, nicht einheitlich ist. Laut Technorati wurden nach dem
Blogosphere 2008 Report mehr als 133 Millionen Blogs, von dieser Blogsuchmaschine inde-
xiert. 114

3.2.3 Funktionen und Elemente von Weblogs


Weblogs bieten in erster Linie für jeden Nutzer die Möglichkeit, auf äußerst einfache Weise,
Inhalte im Web bereitzustellen. Daneben zeichnen sich Blogs durch weitere Elemente und
Interaktionsmöglichkeiten aus. 115
109
Vgl. http://www.pitas.com, Seitenaufruf am 18.01.2010
110
Vgl. http://www.blogger.com, Seitenaufruf am 18.01.2010
111
Vgl. Blood (Weblogs: A History And Perspective, 2000)
112
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 26.
113
Vgl. Przepiorka (Weblogs, 2003), S. 5
114
Vgl. Technorati (State of Blogosphere, 2009)
115
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 28ff.
3.3 Mikroblogs 45

Neben dem einfachen Publizieren von Inhalten im Web sind Weblogs zugleich auch Diskus-
sionsplattformen, da die Leser des Blogs die jeweiligen Artikel direkt im Blog unterhalb des
jeweiligen Artikels kommentieren können. Dazu wird unter dem Beitrag ein Formular ange-
zeigt, mit dem der Besucher seine Meinung zu dem Artikel äußern kann. Diese wird gespeichert
und als Kommentar ebenfalls unter dem Beitrag angezeigt. Dabei werden die Kommentare ent-
gegen dem Schema der Beiträge angezeigt, also beginnend mit dem ältesten Kommentar an
oberster Stelle. 116
Die meisten Weblogs benutzen Kategorien, um Beiträge verschiedenen Themen zu zuord-
nen. Jedem Beitrag können ein oder mehrere frei wählbare Kategorien, so genannte Tags,
zugewiesen werden. Diese inhaltliche Gruppierung ermöglicht es dem Leser, sich bei einem
bestimmten Interesse nur die Artikel der entsprechenden Kategorie anzeigen zu lassen. Diese
Tags werden häufig auch in so genannten Wortwolken, auch Tag Clouds genannt, dargestellt.
Sie enthalten die populärsten Tags, die lose nebeneinander in der Wolke angeordnet sind. Häu-
fig verwendete Tags werden in der Wolke größer oder durch eine Hervorhebung dargestellt.
Auf diese Weise werden die Schwerpunkte der Webseite unmittelbar ersichtlich.117
Eine weitere Funktion sind Permalinks. Jeder Eintrag eines Weblogs verfügt über eine spe-
zifische, unveränderbare URL und kann über diese direkt adressiert werden. Will ein Besucher
seine Meinung nicht als Kommentar unter einem Beitrag abgeben, sondern sie lieber in seinem
eigenen Weblog darstellen, so kommt das Prinzip der Permalinks zum Tragen. Denn da jeder
Post über einen Permalink einzeln aufgerufen werden kann, besteht die Möglichkeit, in einem
anderen Blog auf den Originaleintrag zu verweisen. Hierzu wird die Weblog-spezifische Funk-
tion „Trackback" verwendet. Dazu kopiert der fremde Autor eine entsprechende Trackback-
URL des jeweiligen Ursprungsblogs in seinen eigenen Artikel. An diesen wird ein so genannter
Ping zurückgesendet und vom Ursprungsblog registriert. So kann der referenzierenden Beitrag
am Ende des ursprünglichen Weblog-Eintrages zusammen mit den entsprechenden Kommenta-
ren angezeigt werden. Durch derartige Verlinkungen können zwischen den Blogs thematische
Bezüge hergestellt werden und Themencluster entstehen.118 Darüber hinaus verhelfen Per-
malinks und Trackbacks den Blogs zu einer guten Vernetzung und damit zu einer schnellen
Ausbreitung von Themen.
Neben diesen Funktionen für jeden Beitrag gibt es übergreifende Funktionen für den ganzen
Weblog. So hat heute in der Regel jedes Weblogsystem Newsfeeds implementiert. Dadurch
können die Besucher die Artikel des Weblogs auch in ihren Aggregatoren lesen. Viele Weblogs
enthalten daneben Links zu anderen Weblogs. Diese Listen werden Blogrolls genannt, können
von vielen Weblogsystemen automatisch erstellt werden und tragen zusätzlich zur Vernetzung
bei.

3.3 Mikroblogs
Mikroblogs sind Varianten von Weblogs, die nur kurze, SMS-ähnliche Textnachrichten ent-
halten. Die Anzahl der Zeichen pro Nachricht bzw. Posting ist je nach Dienst auf 140 bis
auf maximal 200 Zeichen begrenzt, was im Wesentlichen dem Inhaltsumfang einer SMS ent-
U6
Vgl. bspw. Alby (Web 2.0 - Konzepte, 2007) S. 22ff.; Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 28ff.
U7
Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software , 2006), S. 76
118
Vgl. Richter/Koch (Social Software, 2007)
46 3 Erscheinungsformen von Social Media

spricht. Aus diesem Grund bieten die meisten Dienste auch eine SMS- oder Instant-Messenger-
Anbindung zum Erstellen von Postings an. Nachrichten können ferner über die Website, sowie
meist auch über Widgets, Webbrowser-Plug-ins und über E-Mail eingestellt werden. Einzelne
Veröffentlichungen sind entweder öffentlich oder für private Nutzer zugänglich und werden wie
in einem Blog in einer abwärts chronologisch sortierten Liste von Einträgen dargestellt. Der
weltweit bekannteste Mikroblogging-Dienst mit den meisten Nutzerzahlen ist Twitter. Es exis-
tiert zwar eine Vielzahl anderer vergleichbarer Angebote, die jedoch im Vergleich zu Twitter
ein Nischendasein führen und zum Teil mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen ha-
ben. Der finnische Dienst jaiku wurde beispielsweise durch Google aufgekauft, den deutschen
Dienst wamadu.de übernahm Bleeper.de und das deutsche Angebot Frazr ist im Oktober 2009
ganz vom Netz gegangen.
Neben den Spezialanbietern wird die Erstellung und das Lesen einer Mikroblog-Nachricht
bzw. das Mikroblogging mittlerweile auch von Sozialen-Netwerk-Plattformen wie Facebook,
XING und den VZ-Netzwerken angeboten. Über so genannte Statusmeldungen kann man dem
eigenen Freundeskreis eigene Textnachrichten mit begrenztem Zeichenumfang in Echtzeit zu-
senden bzw. sich deren Meldungen anzeigen lassen.
Die Funktionsweise des Mikroblogging soll im Folgenden anhand von Twitter, einem Kurz-
nachrichtendienst, der auch Funktionen von Sozialen Netzwerken beinhaltet, verdeutlicht wer-
den. Twitter wurde als Unternehmen mit Sitz in San Francisco 2006 gegründet. Der Mikro-
bloggingdienst von Twitter steht mittlerweile in mehreren Sprachen, Ende 2009 nun auch in
Deutsch zur Verfügung. Nachrichten können mit einer maximalen Länge von 140 Zeichen
verfasst werden. Genaue Nutzerzahlen sind schwer zu ermitteln, da eine große Anzahl von
Nutzern auf den Dienst über das Handy und andere Anwendungen zugreifen. Im Juni 2009 gab
es 45 Millionen Besucher bei Twitter.com, darunter laut Nielsen Nutzerstatistik 1,8 Millionen
Deutsche.119 Im September 2009 waren schon über 3 Millionen deutsche Besucher bei Twitter
zu verzeichnen, 34 Prozent mehr als im August und 220 Prozent mehr als noch ein halbes Jahr
vorher.120 Im März 2009 waren fast 90 Prozent der Twitter-Nutzer jünger als 44 Jahre. User
mit Twitter-Account zeigen eine hohe Affinität für die Internet- und Mobilfunknutzung. Sie
lesen Nachrichten häufig auf dem iPhone und beschaffen sich Informationen hauptsächlich im
Internet. Laut einer Studie ist Twitter der von deutschen Unternehmen am meisten genutzte
Social-Media-Kanal.121
Twitter, was man mit „Gezwitscher", „Geschnatter" übersetzten kann, ist ein einfach zu
handhabendes Echtzeit-Medium, das eine unmittelbare Verbreitung von eigenen, als „Tweets"
bezeichneten Beiträgen im Kreis der ausgewiesenen Interessenten ermöglicht. Diese Perso-
nen, als „Follower" bezeichnet, abonnieren die Nachrichten eines Autors und bekommen diese
sofort nach der Erstellung im eigenen Profil angezeigt. Man selbst erhält Meldungen von Per-
sonen, denen man nachfolgt, was als „following" bezeichnet wird. Beiträge anderer können
kommentiert oder in Form eines „ReTweet" gleich referenziert weitergeleitet werden, um dazu
beizutragen, dass eine wichtige Meldung im eigenen Netzwerk und darüber hinaus eine schnel-
le Verbreitung findet. Durch die Kommunikation von Nachrichten in Echtzeit und aufgrund der
umfangmäßigen Begrenzung des Informationsinhalts regt das Medium zur spontanen Erstel-
lung von Mitteilungen und zum schnellen Austausch an. Wenn mehrere im eigenen Netzwerk
119
Vgl. W&V (Twitter verdoppelt Nutzerzahlen, 2009)
120
Vgl. Stüber (So wird die Zukunft von Social Media aussehen, 2009)
121
Vgl. Absolit (Studie 2009, 2009)
3.3 Mikroblogs 47

aktiv sind, können in kurzer Zeit viele Einträge entstehen, was man durchaus mit der Metapher
eines „Gezwitscheres" in Verbindung bringen kann.
Grundvoraussetzung zum Senden von Beiträgen in Twitter ist die Einrichtung eines Ac-
counts. Es steht einem offen, ob man ein persönliches Profil, zum Beispiel mit einem eigenen
Foto versehen, oder ein sachbezogenes Profil, beispielsweise einer Organisation oder Projekt-
bezeichnung, verwendet. Bei einem sachbezogenen Auftritt bietet es sich an, als visuellen An-
kerpunkt neben den veröffentlichten Tweets das eigene Markenlogo darzustellen. Zusätzlich
zum gewählten Bild kann auch unter dem Menüpunkt „Settings" ein kurzer „One Line Bio"
bzw. eine kurze Beschreibung zur Person oder dem sachbezogenen Profil im Umfang von ma-
ximal 160 Zeichen gegeben werden. Für umfangreiche Profilinformationen steht also kein Platz
zur Verfügung. Von daher ist es sehr wichtig, die knappe Selbstbeschreibung so aussagekräftig
wie möglich zu gestalten und dabei gleichzeitig dem anvisierten Imageprofil Rechnung zu tra-
gen. Im Profil kann man ferner nur einen Link, zum Beispiel auf die eigene Website darstellen,
es sei denn, man bringt „One Line Bio" noch einen zusätzlichen Link unter. Über den Trick
eines selbst gestalteten Hintergrundbildes kann man im Profil zusätzliche Informationen dar-
stellen, wie zum Beispiel ergänzende Beschreibungen, weiterführende URL oder zusätzliche
Twitteradressen. Für die Gestaltung dieser Hintergrundbilder gibt es bereits spezielle Ange-
bote, wie zum Beispiel www.freetwitterdesigner.com. Aufgrund der Darstellung in Bildform
funktionieren angezeigte URL jedoch nicht als Link und müssen zum Aufruf der Seite manu-
ell übernommen werden. In Twitter existieren unterschiedliche Kommunikationswege. Einmal
kann man öffentliche Tweets erstellen, die den eigenen Followern automatisch angezeigt wer-
den. Personen, die nicht zu den Followern gehören, können auf diese Tweets aber über die
Twitter-Suche zugreifen, wenn der gewählte Suchbegriff in der eigenen Veröffentlichung ent-
halten ist. Die Einträge werden auch in der „Public Timeline" dargestellt. In den Einstellungen
des eigenen Accounts kann aber auch mittels Aktivierung des Buttons „Protect my tweets" fest-
gelegt werden, dass eigene Nachrichten nur die als Follower anerkannten Personen zu Gesicht
bekommen und ansonsten die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Eine nichtöffentliche Kom-
munikation kann auch dadurch erzielt werden, in dem man ausgewählten Empfängern Direct
Messages zukommen lässt. Das Senden dieser Meldungen ist nur zulässig, wenn man selber
Follower der anzusprechenden Person ist und diese Person einem auch selber folgt.
Will man einen Tweet mit einem ergänzenden Link versehen, wäre die zur Verfügung stehen-
de Zeichenmenge von 140 Zeichen durch eine längere URL schnell aufgebraucht. Aus diesem
Grund bieten Kurz-URL-Dienste so genannte TinyURL an, in denen die Adressverweise nur
aus kurzen Zeichenketten bestehen.
Durch die Zeichenbegrenzung haben sich bei Twitter-Usern einige Befehle etabliert, die in
Form von bestimmten Funktionen in Twitter genutzt werden können. Mit einem „#" (Hashtag)
wird beispielsweise ein Gespräch um ein bestimmtes Thema geführt, zum Beispiel ^social-
media". Dieser steht als Link bereit, um alle Einträge anzuzeigen, die sich um diesen Hashtag
gruppiert haben. Das „@" direkt vor einem Nutzernamen spricht diesen unmittelbar an und
kann eine Konversation einleiten. Durch ein „d" vor dem Nutzernamen sendet man eine Di-
rect Message an den User, die von ihm eingesehen werden kann. Durch ein „get" vor einem
Benutzernamen ist dessen letzter Eintrag ersichtlich. Die Bezeichnung „nudge" vor einem Nut-
zernamen erinnert denselben daran, im eigenen Interesse eine Statusmeldung abzugeben. Mit
der Eingabe von „stats" wird eine kurze Statistik über den eigenen Account angezeigt. Mit
der Eingabe von „follow" vor einem Nutzernamen folgt man diesem, mit „leave" wird dieser
48 3 Erscheinungsformen von Social Media

wieder aufgehoben. Durch die Retweet-Funktion können Nachrichten von befreundeten Usern
weiterverteilt werden. Diese erscheinen dann als eigener Tweet. Vor der ursprünglichen Nach-
richt steht ein „RT" mit „©Nutzername". 122
Zur Vereinfachung der Twitter-Nutzung im Kontext verschiedener Anwendungsfelder wer-
den heute eine Vielzahl von Diensten angeboten, die in der folgenden Abbildung 16, gruppiert
in Form einzelner Nester des Twitter-Baumes dargestellt werden. Da immer wieder neue Diens-
te hinzukommen und bestehende Angebote vom Netz gehen, stellt die Darstellung nur eine
Momentaufnahme dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Über spezielle Such-
funktionalitäten, Hilfsmittel zur Vereinfachung der Arbeitsweise, Ansätze zur vereinfachten
Gestaltung eigener Profile, das Hinzufügen von Fotos, Statistikwerkzeuge, Dateneingabemög-
lichkeiten via E-Mail und externer mobiler Geräte bis hin zu Anwendungen zur Unterhaltung
werden eine Vielzahl von Funktionalitäten durch Zusatzdienste abgedeckt.
Zur Faszination von Twitter, die sich durch die hohen Zuwachszahlen an Nutzern sowie durch
mittlerweile über 26 Millionen veröffentlichte Tweets pro Tag 123 belegen lässt, trägt zweifellos
die erzwungene Umfangbegrenzung des Textes auf 140 Zeichen bei. Man muss sich auf das
Wesentliche beschränken und Inhalte mit knappen Worten auf den Punkt bringen. Das verein-
facht es dem Schreiber, Botschaften zu verfassen, und ermöglicht eine Kommunikation ohne
lange Anlaufzeit. Es hilft eventuell auch Schreibängste zu überwinden, die man bei der Verfas-
sung von „normalen", ungekürzten Texten hätte, bei denen inhaltliche und stilistische Faktoren
eine größere Rolle spielen.
Auch das Stellen einer Frage ist unverfänglicher als deren direkte Adressierung an eine be-
stimmte Person, zum Beispiel in Form einer E-Mail. Man platziert die eigene Frage im öf-
fentlichen Raum und kann damit gleichzeitig alle Personen ansprechen, die einem nachfolgen.
Vergleichbar ist es etwa mit einer Frage an Umstehende im Aufzug oder in der Warteschlange
der Cafeteria, die durchaus zu spontanen, manchmal sehr nützlichen Tipps und Anregungen
führen kann.
Die Möglichkeit des Versendens von Kurznachrichten von verschiedenen Endgeräten aus
erleichtert die spontane Abgabe von Meldungen und Zustandsberichten in verschiedensten per-
sönlichen Situationen. Anzunehmen ist, dass ein umfangreiches Sendeverhalten in gewisser
Weise auch zur Befriedigung von Selbstdarstellungsmotiven und zur persönlichen Selbstwahr-
nehmung beitragen kann, nach dem Motto: ich twittere, also bin ich. Über die Zahl der eigenen
Follower erfolgt dann eine gewisse Rückkopplung, die das eigene Ego stärken und zur Selbst-
bestätigung beitragen kann.
Die knappen Informationshäppchen bieten auch für Leser Vorteile. Die Erfassung wesentli-
cher Inhalte wird vereinfacht. Es ist relativ gut möglich, angezeigte Tweets auf interessierende
Inhalte zu scannen. Man erkennt auf einen Blick, um was es geht und muss sich nicht durch
lange Prosa kämpfen. Das setzt jedoch voraus, dass man nicht zu viele Tweets erhält, weil man
sonst schnell den Überblick verliert und den Informationsstrom dann unbeteiligt vorüberfließen
lässt. Die Zahl der auf der eigenen Twitterseite angezeigten Tweets hängt unmittelbar von der
Zahl und der Publikationsfrequenz der Personen ab, denen man nachfolgt. Die Wahl der Per-
sonen, deren Tweets man akzeptiert, beeinflusst auch die Breite des angezeigten inhaltlichen
Themenspektrums. Menschen äußern sich bevorzugt zu ihren präferierten Interessensgebieten
122
Vgl. http://help.twitter.com/portal, Seitenaufhif 08.11.2009
123
Vgl. Signorini (Twitter receives 26M tweets per day, 2009)
124
Höhn (Möglichkeiten und Grenzen der Social Media Optimization, 2009), S. 40
3.3 Mikroblogs 49

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Abbildung 16: Twitter-Funktionalitäten und Dienstangebote bezogen auf bestimmte Anwen


dungsfelder124
50 3 Erscheinungsformen von Social Media

und Themen, die sie beschäftigen und das spiegelt sich auch in Twitter wider. Die Fokussie-
rung auf ein zum Teil eng umrissenes Themen- und Wissensgebiet wird auch gezielt als Mittel
der Positionierung von Personen (und Organisationen) eingesetzt, die Twitter als Kanal für ihr
Selbstmarketing nutzen. Profilbildend in dem Zusammenhang ist es, thematisch einem roten
Faden zu folgen. Für Follower von Personen, die sich alle im Umfeld eines spezifischen The-
mengebietes bewegen, ist das inhaltliche Spektrum der eintreffenden Tweets im Grunde schon
vorsortiert und überschaubar. Schwieriger ist es, wenn man verschiedenen Personengruppen
mit heterogenen Interessenslagen, zum Beispiel aus privaten und beruflichen Motiven heraus
nachfolgt. Die bunte Mischung von Themengebieten erschwert hier die schnelle Differenzie-
rung zwischen Relevantem und Unwichtigem.
Die von Twitter neu angebotene Funktion „Lists" kann vor diesem Hintergrund die Orien-
tierung vereinfachen.125 Sie ermöglicht die Bildung von Listen, denen man Personen zuordnen
kann. Für jede selbst geschaffene Liste hat man zu entscheiden, ob die Liste einen privaten oder
öffentlichen Charakter haben soll. Tweets in privaten Listen bekommt man nur selber zu sehen.
Auch Personen, die beispielsweise der eigenen privaten Liste zugerechnet wurden, erfahren
nicht, in welcher Liste sie stecken bzw. wer ihnen in der Liste nachfolgt. Das ermöglicht bei-
spielsweise Listen für ausgewählte Wettbewerb s Vertreter, bekannte Kritiker oder verschiedenste
weitere Interessensgebiete zu realisieren, deren Beiträge schon in gewisser Weise thematisch
vorsortiert, sich sehr einfach beobachten lassen. Für das Social Media Monitoring kann diese
Funktion sehr hilfreich sein. Öffentliche Listen können von jedem gesehen werden und jeder
kann diesen Listen nachfolgen. Durch die Erstellung einer öffentlichen Liste mit umrissenem
Themenschwerpunkt kann man auch eigenes Wissen hinsichtlich der Kenntnis von Kapazitäten
und Experten in einem bestimmten Fachgebiet zum Ausdruck bringen. Das kann für die eigene
Profilierung hilfreich sein. Andere können sich diese Expertise zunutze machen und somit sehr
komfortabel den jeweiligen Tweets folgen, ohne umständlich jeweils die einzelnen Personen
als Nachfolger benennen zu müssen.
Twitter ist ein sehr aktuelles Medium. Viele Beispiele wie das Attentat in Bombay 2008,
die Unruhen im Zuge der Wahlfälschungen im Iran im Jahr 2009 oder die vorzeitige Verkün-
dung des Wahlergebnisses der deutschen Bundespräsidentenwahl 2009 belegen, dass Twitter-
Meldungen oft sehr viel früher mit neuesten Informationen präsent sind, als traditionelle Presse-
organe dies zu leisten vermögen. Der Live-Stream von Twitter vermittelt das Gefühl, ganz nah
am Puls der Zeit zu sein, neueste Informationen zu bekommen und unmittelbare Einblicke in
die persönliche Sphäre von Personen zu erlangen. Das kann auf der einen Seite in bestimmten
Fällen durchaus zur Befriedigung von Motiven wie Sensationsgier oder Voyeurismus beitragen.
Auf der anderen Seite kann es aber auch aus einem gezielten Interesse an den Lebensumständen
und Äußerungen von Bezugsgruppen erfolgen, denen man sich verbunden fühlt und von denen
man sich Anregungen und gelegentlich auch Tipps erhofft.
Förderlich für die Nutzung von Twitter dürfte nicht zuletzt durch die einfache und übersicht-
liche Funktionalität des Dienstes sein. Lediglich für Nutzer ohne jegliche Englischkenntnisse
dürfte die Anwendung gewisse Probleme bereiten.
Twitter weist natürlich auch Grenzen der Nutzung auf, nicht zuletzt durch die sich selbst auf-
erlegte Umfangbeschränkung auf 140 Zeichen. Es ist kein Medium, um übergreifende Zusam-
menhänge darzustellen und inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Es kann aber verwendet werden,
I25
Vgl. Catone (Use Twitter Lists, 2009)
3.4 Podcasts 51

um als Informationsteaser oder Appetithäppchen auf andere Informationsangebote mit weiter-


führendem Inhalt aufmerksam zu machen. 22 Prozent aller Tweets enthalten Links, was ein
Beleg dafür ist, dass Twitter als Verteilplattform zur Kanalisierung von „Besucherströmen"
genutzt wird. 126 Twitter wirkt als Scharnier zwischen verschiedenen Onlinekanälen wie Web-
sites, Blogs, Diskussionsforen, sozialen Netzwerken, Onlinemagazinen etc. Wie in diesem
Buch noch erläutert wird, eignet sich der Dienst hervorragend für Social Media Optimization
im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation.

3.4 Podcasts
Ein ähnliches Ziel wie Blogs, nämlich die regelmäßige Verbreitung von Informationen, ver-
folgt das Podcasting. Hier wird jedoch nicht das geschriebene Wort kommuniziert, sondern
entweder Audiodateien oder Videodateien. Handelt es sich um Audiodateien spricht man von
Audio-Podcasts oder schlicht von Podcasts. Das Anbieten von Videos fasst man unter dem
Oberbegriff „Video-Podcasts" oder „Videocasts" zusammen. Podcasting ist eine Zusammenset-
zung aus dem Namen des populären MP3-Players „ t / W " von Apple und dem englischen Wort
„Broadcasting", was so viel wie „Sendung" oder „Übertragung" bedeutet.127 Es beschreibt das
Erstellen und Anbieten von Podcasts.
Die Inhalte von Audio-Podcasts können alle Arten von gesprochenen Beiträgen sein, wie In-
terviews und Vorträge, aber auch Musik und Hörspiele. Video-Podcasts dienen zur Verbreitung
von digitalen Filmen. In Deutschland sind Videopodcasts vor allem durch die Bundeskanzlerin
Angela Merkel bekannt geworden, die seit 2006 dieses Medium benutzt, um den Bürgern ihre
Politik zu erläutern (siehe Abbildung 17).
Podcasts können ähnlich wie News und Blogbeiträge über RSS-Feeds abonniert werden, so
dass neue Folgen automatisch aus dem Web geladen werden. Dies erfolgt mit Feedreadern,
die speziell in Bezug auf Podcasts auch als Podcatcher bezeichnet werden. Abbildung 18 zeigt
die neu erschienenen Podcasts des vom Autor abonnierten Anbieters Social Media PReview
im Podcatcher Juice. Einzelne Veröffentlichungen, für die man sich interessiert, können mit-
tels der kostenlosen Podcatcher-Software markiert werden. Im Anschluss kann per Klick der
Download eingeleitet werden. Der Prozess des Abonnements eines RSS-Feed einer Podcasting-
Seite mittels eines Podcatchers, dessen Nachrichten darüber, dass neue Podcasts vorliegen, und
den Download- oder Abspielmöglichkeiten wird in Abbildung 19 dargestellt.
Einen Überblick über die in der Regel auf der Website der angebotene Podcasts bieten in
Deutschland Seiten wie podster.de, podcast.de oder wiki.podcast.de. International dürfte ¿Tu-
nes das größte weltweite Podcastangebot umfassen. Über diese Verzeichnisdienste können die
den Nutzer interessierenden Podcast-Veröffentlichungen sehr einfach einzeln heruntergeladen
werden. Inhaltlich decken die Angebote, die von Medienhäusern, Unternehmen und sehr häufig
auch Privatpersonen regelmäßig mit Informationen gespeist werden, ein sehr breites Spektrum
ab, in dem kaum Themenbereiche des menschlichen Interessenspektrums offengelassen wer-
den. Die Charts der Top 100 der beliebtesten deutschsprachigen Podcasts zeigen, dass die 36
beliebtesten Angebote allesamt von Rundfunk- und TV-Anbietern stammen und professionell

l26
Vgl. Signorini (Twitter receives 26M tweets per day, 2009)
127
Vgl. Alby (Web 2.0 - Konzepte, 2007), S. 73
52 3 Erscheinungsformen von Social Media

MEDIATHEK

Gemeinsame Pressebegegnung mit


dem afghanischen Präsidenten Karzai
und Bundeskanzler»! Merkel
Abbildung 17: Video-Podcast der Bundeskanzlerin Angela Merkel128

produziert sind.' 29 Platz 1 belegt beispielsweise das Video-Podcast-Angebot von Galileo des
TV-Senders Pro7. Schwerpunktmäßig stellen die angebotenen Podcasts Inhalte einer bestimm-
ten Kategorie bereit bzw. spezialisieren sich auf einen bestimmten Special-Interest-Bereich,
der häufig mittels verschiedener Episoden sehr tiefgehend beleuchtet wird.
Nach der ARD/ZDF-Online-Studie 2009 führen abonnierte Audio- und Videopodcasts in
Deutschland immer noch ein Nischendasein. Nur 2 Prozent der deutschen Onlinenutzer nutzen
diese Angebote mindestens einmal pro Woche. Die Abonnements von Audiopodcasts haben
zwar im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozentpunkte von 1 auf 2 Prozent zugenommen. In
Relation zur Nutzung von Videoportalen (26 Prozent greifen darauf mindestens einmal wö-
chentlich zu) werden Audio- und Video-Podcasts nur von einer relativ geringen Zahl von Lieb-
128
http://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/Homepage/home.html, Seitenaufruf am 28.01.2010
I29
Vgl. http://www.podcharts.de, Seitenaufruf am 17.01.2010
3.4 Podcasts 53

Juice Podcast receiver v2.2 jfilüj


Fie Edt View Took Help

Downloads Subscriptions | Podcast directory | Cleanup | Log

jd-BJJibiJ- ΒΓ

83 2 feeds feedbumer com/SocialMediaPreview

Episode I Stats 3 I location


© Der Mitlagstisch - Nr 2 To Downl. 0.0 http//www.socialmediapreview.de/podpress..trac,feed/132/0/SMPRM2.mp3
® Der Mittagstisch - Nr. 1 Downloa. 00 http//www socialmediapreview.de/podpress..trac/feed/121/0/SMPRMVmp3
S3 Roundlable Diskussion Jack Wolfs To Downl.. (LO http://www.soci3lmediapreview.de/podpress.,tac/teed/101/0/SMPRRT4 mp3
' S Roundlable Interview Pressesprech. Downloa.. 0.0 http://wwwsocialmediapreview.de/podpres$, frac/leed/95/0/SMPRRT3 mpj
O Social Media PReview- Folge 27 Skipped 261 http://www.socialmediapreview.de/podpress. .trac/web/94/0/SMPR27.mp3
Π Social Media PReview - Folge 27 Skipped 0.0 http://www.socialmediapreview de/podpress..trac/feed/94/0/SMPR27 mp3
C Social Media PReview - Folge 26 Skipped 17.5 http.//vww socialmediapreview.de/podpress.Jrac/web/93/0/SMPR26 mp3
O Social Media PReview - Folge 26 Skipped 0.0 hltp://www socialmediapreview de/podpress. trac/teed/93/0,'SMPR26.mp3
O Social Media PReview-Folge 25 Skipped 18.7 hep //www.socialmediapreview de/podpress. bac/web/92/0/SMPR25 mp3
O Social Media PReview - Folge 25 Skipped 0.0 http //www.socialmediapreview de/podpress..trac/feed/92/0/SMPR25.mp3
,
O Social Media PReview · Folge 24 Skipped 0.0 hdp://www.socialmediapreview.de/podpress..trac,1eed/91.O, smpr24_finalmp3
O Social Media PReview - Folge 24 Skipped 0.0 hllp://www socialmediapreview.de/podpress.,trac/feed/91/0/smpr24Jmal mp3
G Social Media PReview-Folge 23 Skipped OJO http://www socialmediapreview de/podpress.,trac/feed/90/Q/SMPR23 mp3
O Social Media PReview - Folge 23 Skipped 0.0 http lìwww socialmediaprevlew.de/podpress..trac/leed/90/0/SMPR23.mp3
O LeWeb'OS Day 2- Interview -Taewo.. Skipped 0.0 http//www.socialmediapreview.de/podpress.,trac/ieed/59/0/laewoo.mp3

Abbildung 18: Angezeigte Podcasts von Social Media PReview im Podcatcher Juice

habern regelmäßig abgerufen.130


Diejenigen, die Podcasts in Anspruch nehmen, sind nach einer Podcast-Nutzer-Studie im
Jahr 2008131 aber zu 49 Prozent Heavy-User, die auf das Medium täglich zugreifen. 90 Prozent
konsumieren Podcasts zu Hause, 51 Prozent in öffentlichen Verkehrsmitteln und 31 Prozent im
Auto.70 Prozent der Podcast-Rezipienten sind männlich. Sie sind durchschnittlich 32 Jahre alt
und überdurchschnittlich gut gebildet. 72 Prozent der Befragten haben Abitur und 37 Prozent
einen Hochschulabschluss. Angebote der Bereiche „Technik", „Wissenssendungen", „Hör-
spiele" und „Unterhaltung" stoßen bei den Podcast-Nutzern laut der Studie auf ein besonde-
res Interesse. Die präferierte Dauer des Medienangebotes ist bei Audio-Podcast höher als bei
Video-Podcast. Bei Audio-Podcasts schätzen 54 Prozent eine Länge von 21 bis 30 Minuten
und darüber. Bei Video-Podcasts sprechen sich 52 Prozent der Befragten für Angebote bis
10 Minuten aus.
In den U S A ist die Podcast-Nutzung nach einer Studie von eMarketer deutlich höher als in
Deutschland. Nach der Erhebung nutzten im Jahr 2009 bereits 11 Prozent der Internetanwender
dieses Medium. Die Autoren der Studie prognostizieren darüber hinaus, dass die Nutzerzahlen
im Jahr 2013 bereits 17 Prozent betragen sollen.132
Die Erstellung eines eigenen Podcasts ist in technischer Hinsicht her relativ einfach. Zur
Grundausstattung gehören ein multimediafähiger PC mit einer Soundkarte, Mikrophon und
Kopfhörer bzw. ein Headset sowie eine Audiobearbeitungssoftware, wie zum Beispiel der kos-
tenfreie Audiorekorderund -editor Audacity. Daneben bedarf es jedoch auch eines inhaltlichen
Konzeptes und Disziplin für die regelmäßige Erstellung von Beiträgen, um bei der Fülle der
angebotenen Podcasts Rezipienten einen Mehrwert bieten und Abonnenten an sich binden zu

, 3 0 Vgl. Eimeren (Onlinestudie, 2009), S. 352


131 Vgl. Das Podcast-Blog (Ergebnisse der Podcast-Studie, 2008)
I 3 2 Vgl. Lewin (Podcasting Goes Mainstream, 2009)
54 3 Erscheinungsformen von Social Media

Server
(„Podspace"

bindet ein ruft ab

' (mittels feedreader


oder Fbdcatcher)
verweist Benutzer
auf
mp3-Player
erstellt lädt hoch wind heruntergeladen
,mp3 .mp3 oder

Podcaster Computer

Abbildung 19: Typischer Distributionsprozess von Podcasts133

können. Diese Herausforderungen, die sich natürlich auch in Abhängigkeit der Zielstellung
darstellen, sind deutlich höher einzustufen als die technischen Zugangsbarrieren. Viele ambi-
tioniert angegangene Podcastvorhaben wurden bereits nach wenigen Ausgaben wieder einge-
stellt.

3.5 Soziale Netzwerke


Der Begriff soziales Netzwerk bezeichnet eine Struktur, die aus miteinander durch Kommuni-
kation und Interaktion verbundenen Knoten besteht. Die Knoten sind im Allgemeinen Personen
oder Organisationen. Das soziale Netzwerk drückt aus, inwiefern und wie stark die einzelnen
Knoten miteinander verbunden sind. Die Bandbreite reicht von „gelegentlichem Kontakt" bis
zu engen, familiären Verbindungen.
Soziale Netzwerke werden unter anderem in der Soziologie, der Betriebswirtschaftslehre,
der Computerphysik und der Kommunikationswissenschaft erforscht. Die Ergebnisse zeigen,
dass soziale Netzwerke auf unterschiedlichsten Ebenen agieren, von Familien bis zu Nationen,
und das sie eine signifikante Rolle dabei spielen, wie Probleme gelöst, Firmen geführt und wie
erfolgreich Personen bei der Erreichung ihrer Ziele sind.134
Der hohe Stellenwert von sozialen Netzwerken wird durch die Theorie der „six degrees of
separation" des Psychologen Stanley Milgram gestützt. Milgram hatte 1967 herausgefunden,
dass jeder Mensch in einem sozialen Netzwerk über durchschnittlich sechs Zwischenpersonen
mit jedem anderen Menschen der Welt bekannt ist.
Im Kontext von Social Media fasst man unter sozialen Netzwerken Plattformen und Onli-
nepräsenzen zusammen, die darauf abzielen, den Aufbau und die Pflege von Beziehungen und
den damit zusammenhängenden Informationsaustausch und die Kommunikation mit den Be-
teiligten im Internet zu erleichtern. Die inhaltliche Ausrichtung und die Funktionalitäten der
133
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Podcast-Schema.svg&filetimestamp=20061231124903, Seitenauf-
ruf am 16.01.2010
134
Vgl. Morville (Social Network Analysis, 2002)
3.5 Soziale Netzwerke 55

Anbieter unterscheiden sich aber zum Teil recht deutlich. Zur Differenzierung sollen hier zwei
Typen von sozialen Netzwerken voneinander abgegrenzt werden, die von der inhaltlichen Aus-
richtung relativ weit auseinander liegen.135

Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerke (Soziale Netzwerke i. e. S.)

• Zweck: Kommunikation und privater Austausch von Menschen, die sich bereits kennen

• sich vernetzende Teilnehmer: Freunde und Bekannte

• Nutzername: in der Regel wird der bürgerliche Name verwendet, zum Teil auch Mar-
kennamen und Unternehmensbezeichnungen

• Basis der Vernetzung: soziale Beziehungen zwischen Personen

• zentrale Anknüpfungspunkte des Austausches: Aktivitäten, Statusänderungen der


Nutzer

• Sichtbarkeit der Inhalte: in der Regel nur für verbundene Personen, privat

• Art der Vernetzung: symmetrisch, das heißt mit dem Eingehen einer Beziehung, der
beide Beziehungspartner zugestimmt haben, können die gegenseitigen Aktivitäten gese-
hen werden

• Beispiele: Facebook, MySpace, XING

Publikationsnetzwerke (Soziale Netzwerke i. w. S.)

• Zweck: Publikation, Verteilung und Diskussion von Inhalten jeglicher Art

• sich vernetzende Teilnehmer: Sender und Empfänger von Inhalten

• Nutzername: Name ist frei wählbar (bürgerlicher Name, Pseudonym, Markenname)

• Basis der Vernetzung: publizierte Inhalte des Senders

• zentrale Anknüpfungspunkte des Austausches: Inhalte in Form von Texten, Audio


oder Video oder Links zu diesen Inhalten

• Sichtbarkeit der Inhalte: in der Regel öffentlich, Privateinstellung zum Teil optional
möglich

• Art der Vernetzung: asymmetrisch, man kann einem Teilnehmer folgen und seine ver-
breiteten Informationen sehen, ohne dass dieser einem folgen muss. Symmetrische Ver-
netzung ist fakultativ möglich

• Beispiele: Twitter.com, YouTube.com, Friendfeed.com, Soup.io


135
Vgl. Weiss (Kommunikations- und Publikationsnetzwerke, 2009)
56 3 Erscheinungsformen von Social Media

Publikationsnetzwerke bzw. Netzwerke, bei denen wie beim Mikroblogging-Dienst Twitter


oder Videosharingplattform YouTube die Informationsinhalte und nicht die Funktionalitäten
der sozialen Vernetzung im Vordergrund stehen, sollen hier nicht näher erläutert werden, da
sie bereits betreffend ihren inhaltlichen Schwerpunktes an anderer Stelle vorgestellt wurden.
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Beziehungs- und Kommunikations-
netzwerke bzw. auf soziale Netzwerke in engerem Sinn.
Das weltweit größte soziale Netzwerk i. e. S. ist heute Facebook.com mit über 300 Millio-
nen Mitgliedern. Nach Google ist Facebook die am zweithäufigsten angeklickte Internetadres-
se weltweit.136 In den USA nutzen heute 58,59 Prozent aller Nutzer von sozialen Netzwer-
ken Facebook.137 Namhafte Netzwerke in Deutschland sind zum Beispiel MySpace.com (268
Millionen Mitglieder)138, das Business Netzwerk XING (über 8 Millionen Nutzer)139, die VZ-
Netzwerke, wie zum Beispiel SchuelerVZ.de und StudiVZ.de (15,5 Millionen Nutzer)140 und
das im süddeutschen Raum aktive Netzwerk Lokalisten.de (über 3 Millionen Nutzer).141
Das primäre Ziel von sozialen Netzen besteht darin, Menschen in Form von Netzgemein-
schaften zusammenzubringen und eine direkte Kommunikation der Mitglieder der jeweiligen
Community zu ermöglichen. Dabei funktionieren die Netzwerkportale meist auf sehr ähnliche
Weise. Nach der Anmeldung erstellt man ein eigenes Mitgliedsprofil, das Angaben zu Namen,
Adresse, Alter, Beruf etc. umfasst. Der Benutzer kann nun die Gesamtheit der Mitgliederprofi-
le nach Nutzern mit ähnlichen Interessen, Wohnort etc. durchsuchen. Findet er jemanden, der
sein Interesse erweckt und mit dem er sich gerne vernetzen will, kann er mit diesem Mitglied
in Kontakt treten und dessen Bereitschaft zum formalen Beziehungsaufbau einholen. Auf diese
Weise können Schritt für Schritt neue Personen in das persönliche Netzwerk mit aufgenommen
oder je nach Wunsch auch wieder daraus entfernt werden. Soziale Netzwerke bieten auch die
Möglichkeit zu recherchieren, mit welchen Personen die eigenen Kontakte eine Beziehung auf-
gebaut haben. Dies ermöglicht eigene Kontakte als Türöffner für die Ansprache von Dritten zu
verwenden und somit die „degrees of separation" abzubauen.
Ursprünglich auf die Vernetzung von natürlichen Personen ausgelegt, können in sozialen
Netzwerken mittlerweile zum Teil auch Unternehmen und Marken als Objekte angelegt wer-
den, die miteinander in Beziehung stehen. Facebook enthält Profile von bekannten Marken wie
zum Beispiel Apple (1.410.042Fans), Porsche (550.507 Fans), BMW (399.836 Fans), Microsoft
Windows (263.171 Fans), Dell (48.709 Fans)142, die man als Fan in sein persönliches Netzwerk
aufnehmen kann. In Form von so genannten Facebook-Seiten umgesetzt, handelt es sich dabei
um eigenständige Auftritte, die mit umfangreichen multimedialen Funktionen und interaktiven
Funktionen ausgestattet werden können. Auch das Netzwerk XING generiert neuerding Unter-
nehmensprofile, die jedoch im Unterschied zu den Profilen bei Facebook automatisch erstellt
werden. Hierzu werden die Profilinformationen der XING-Mitglieder, insbesondere deren Ein-
träge im Feld „Firma" ausgewertet und die Ergebnisse in Form eines dynamischen, sich selbst
aktualisierenden Unternehmensprofils dargestellt. Will man dieses Standardprofil zum Beispiel

136
Vgl. http://www.alexa.com/topsites, Seitenaufruf 01.12.2009
I37
Vgl. Brian Solis (The Great Social Divide, 2009)
138
Vgl. Wikipedia (Myspace, 2009)
139
Vgl. Xing.com (Unternehmen jetzt mit eigener Präsenz, 2009)
140
Vgl. VZ-Blog (meinVZ knackt die 4-Millionen-Mitglieder-Marke, 2009)
141
Vgl. http://www.lokalisten.de/press/open/showPress.do?method=facts, Seitenaufruf am 27.11.2009
142
Vgl. http://www.facebook.com, Seitenaufruf am 27.11.2009
3.5 Soziale Netzwerke 57

mit einem Bild oder mit aktuellen Firmenveröffentlichungen anpassen, ist das kostenpflichtig.
Die vergleichbare Unternehmensrepräsentation bei Facebook kann kostenlos realisiert werden.
Der Funktionsumfang von sozialen Netzwerken variiert in Abhängigkeit von deren inhalt-
licher Ausprägung. Diese ist zum Teil auf bestimmte Nutzergruppen ausgerichtet. Es exis-
tieren soziale Netzwerke, die zum Beispiel speziell die Belange von Schülern berücksichtigen
(zum Beispiel SchuelerVZ.net), Netzwerke für Studierende (zum Beispiel StudiVZ.net), beruf-
liche Netzwerke (zum Beispiel Xing.com, Linkedln.com) sowie Netzwerke für die Allgemein-
bevölkerung ohne spezifische Zielgruppenausrichtung (zum Beispiel Lokalisten.de, Wer-kennt-
wen.de, MySpace.com, Facebook.com).
Der Funktionsumfang ist auch zum Teil abhängig von einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft.
Während die meisten sozialen Netzwerke kostenlos uneingeschränkt genutzt werden können,
existieren auch Anbieter, wie zum Beispiel XING, bei denen der volle Nutzungsumfang nur
durch eine monatliche Gebühr ermöglicht wird.
Kern jedes sozialen Netzwerkes ist das eigene Profil, das je nach Ausrichtung mehr oder
weniger umfangreich gestaltet werden kann. Neben vorgegebenen Textfeldern, die man nach
Belieben ausfüllen kann, ist es immer auch möglich, ein frei wählbares Profilfoto einzustel-
len. Darüber hinaus können zum Teil auch mehr oder weniger umfangreiche Multimedia-
Funktionen genutzt werden, wie zum Beispiel das Anlegen eigener Fotoalben, Video- und Au-
dioangebote sowie Funktionen wie die Bildverlinkung, die angeben, auf welchen Fotos von
anderen man zu sehen ist.
Für bestimmte Inhaltselemente des eigenen Profils kann man in bestimmten sozialen Net-
werken festlegen, inwieweit jene öffentlich gemacht werden. So kann man zum Teil für jede
einzelne Freundschaftsbeziehung definieren, ob man zum Beispiel das eigene Geburtsdatum
oder die Privatadresse der verbundenen Person kommunizieren will.
Mit den Personen im eigenen Beziehungsnetz kann man ferner in verschiedener Art und
Weise kommunizieren. Man kann bestimmten Personen gezielt Nachrichten zukommen lassen,
Bemerkungen an eine persönliche Pinnwand schreiben, mit anderen chatten sowie Statusmel-
dungen verbreiten, welche die Mitglieder des persönlichen Netzwerkes als Live-Stream auf
ihrer zentralen Seite des Netzwerkes laufend aktualisiert angezeigt bekommen.
Während soziale Netzwerke anfangs hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachse-
nen genutzt wurden, werden sie immer mehr ein Mainstream-Medium, das auch ältere Anwen-
dergruppen schätzen und in dem alle Anwender insgesamt immer mehr Zeit verbringen. Nach
einer Studie von Nielsen wies beispielsweise die Altersgruppe der 35—49-Jährigen bei Facebook
das größte absolute Wachstum der Nutzerzahlen im Jahresvergleich auf. Der Studie gemäß sind
soziale Netzwerke nun auch die viertbeliebteste Anwendung im Internet, beliebter noch als der
Gebrauch von E-Mail. Die Nutzung von sozialen Netzwerken ist mit 66,8 Prozent nun im in-
ternationalen Durchschnitt höher als der Gebrauch von E-Mails mit 65,1 Prozent.143 Deutsche
Intemetnutzer sind in sozialen Netzen nach einer Studie von Web.de bereits zu 58 Prozent ak-
tiv. Das in Deutschland am häufigsten in einer Altersgruppe verwendete soziale Netzwerk ist
SchuelerVZ, in das sich 75,4 Prozent aller unter 20-Jährigen regelmäßig einloggen.
Die steigenden Nutzerzahlen belegen, dass soziale Netzwerke beliebt sind und deren re-
gelmäßige Verwendung sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Durch die erwähnte Be-
sonderheit des nichtöffentlichen Charakters von Meldungen, die mit den verbundenen Perso-
143
Vgl. Nielsen (Global Faces and Networked Places, 2009)
58 3 Erscheinungsformen von Social Media

nen ausgetauscht werden, können Dritte, zum Beispiel Unternehmen an diesem Austausch
nicht direkt partizipieren. Zumindest, wenn es sich um soziale Netzwerke i. e. S. bzw.
um Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerke handelt. Dies erschwert das Erschließen des
Nutzens von sozialen Netzwerken für Unternehmensvertreter. Während die Vorteile sozialer
Netzwerke für selbständige Berater, Trainer oder freiberuflich tätige Personen relativ leicht zu
ermessen sind, wissen Unternehmen häufig nicht, wie sie diese besondere Form von Social-
Media-Anwendungen für ihre Belange einsetzen sollen. Dieses Unwissen wird zum Teil noch
von negativen Meldungen beeinflusst, in denen beispielsweise vor Gefahren von sozialen Net-
zen im Zusammenhang mit leichtsinnigem Exhibitionismus, Mobbing, Stalking und dem Da-
tenmissbrauch gewarnt wird. Das trägt auch in gewisser Weise dazu bei, dass der Gebrauch
von sozialen Netzwerken während der Arbeitszeit bei der Mehrzahl der Unternehmen nicht
erlaubt ist. Nach einer Studie verbieten 54 Prozent der Unternehmen mit 100 und mehr Mit-
arbeitern in den USA ihren Mitarbeitern den Zugriff auf soziale Netzwerke ohne Ausnahme
von Gründen.144 19 Prozent gestatten den Gebrauch nur für geschäftliche Zwecke. Wenn man
die Nutzenpotenziale von sozialen Netzwerken für unternehmerische Belange nicht kennt und
deren Anwendung als reines Privatvergnügen abtut, das nur wertvolle Arbeitszeit stiehlt, muss
man sich nicht wundern, wenn solche Verbote zustande kommen. Auf der anderen Seite zeigen
Firmen, wie man soziale Netzwerke sehr erfolgreich für das eigene Marketing nutzen kann und
wie man auch eigene Mitarbeiter in zielgerichtete Konzepte mit einbeziehen kann. Dies wird
an späterer Stelle noch erläutert.

3.6 Social Bookmarking


Social-Bookmarking-Dienste ermöglichen die Erfassung und Kategorisierung von Internetver-
weisen bzw. so genannter Bookmarks.145 Sie erlauben, persönliche Linksammlungen direkt
im Web zu verwalten und von überall auf diese Lesezeichen zuzugreifen. Lesezeichen anderer
Benutzer können ebenfalls eingesehen werden, sofern diese öffentlich zugänglich sind. Zu den
größten englischsprachigen Social-Bookmarking-Diensten zählen Delicious, Digg und Stum-
bleUpon.146 Bei den deutschsprachigen Diensten sind zum Beispiel Mister Wong, Linkarena,
Oneview, YiGG, ShortNews, Webnews und tausendreporter zu nennen.147 Allen diesen Anbie-
tern ist gemein, dass von Einzelnen als interessant erachtete Inhalte im Web auf einer zentralen
Plattform dargestellt werden und durch das Zusammenwirken von vielen eine gemeinschaftli-
che Indizierung entsteht. Die Angebote verkörpern gewissermaßen einen sozialen Filter, der
dabei hilft, Veröffentlichungen, die von einer Vielzahl von Menschen als wertvoll erachtet wer-
den, zu identifizieren.
Die Suche von Artikeln bei einem Social-Bookmarking-Dienst wird durch das Tagging ver-
einfacht. Bookmarks werden von Benutzern anhand von Tags bzw. mithilfe von frei wählbaren
Schlüsselwörtern klassifiziert. Das gemeinschaftliche Vergeben von Schlagwörtern wird auch
als Folksonomy bezeichnet. Dieses Kunstwort ist eine Kombination aus den Wörtern „folk"
144
Vgl. Half (Whistle - But Don't Tweet - While You Work, 2009)
145
Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 42
I46
Vgl. http://delicious.com/, http://digg.com/, http://www.stumbleupon.com, Seitenaufruf am 02.11.2009
147
Vgl. http://www.mister-wong.de/, http://linkarena.com/, http://www.oneview.de/, http://www.shortnews.de/, http://
www.webnews.de/, http://tausendreporter.stem.de/index.php?category=Technik, Seitenaufruf am 02.11.2009
3.6 Social Bookmarking 59

Menschen
- „Mitarbeiter
Nutzungsoberfläche ExMrieMarketing
Service

Sfide» C X /S ¡ |Platzierung E m s cheider 3


S S S J U L I d IDokument.ation.nsa,ζ
Kommunikations-/Marketing-/Branding-Workshops V G TG I Π tclC M U Π 9

Mensche η Tntemet K o m m U Π \ k a t ' o n


—I— Blogs ι ι « uswm a a Begleitung

T e c h n o l o g i e n W e
_ -Γ_ ι ! haiipn
ί Partner
Einbettuna * • ****
e r fo I g r e i c hn an cl I un g se m pfe h I un g^°9gin9
" S - K Ú n d " e KundenUntemehmen
N«»»'k " "Umfang
u S Sereinfachen
S ñ l G e s ρ räch _ M e d i a
V r

Usabllltv"armernnu
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Landschaft
L digitalen

Abbildung 20: Tag Cloud zum Leistungsspektrum des Webs Innovation Lab148

und „taxonomy" und es beschreibt eine Klassifikation durch viele. Es handelt sich dabei aber
nicht um eine klassische Taxonomie mit einer hierarchischen Gliederung, sondern der Wort-
schöpfer Thomas Vander Wal wollte mit dieser Wortkreation vielmehr eine „funktionierende
Verschlagwortung" beschreiben.149 Solche Tag-Sammlungen dienen der Schaffung eines Stich-
wortsystems, das zur Orientierung, Navigation, Bewertung und Empfehlung verwendet werden
kann.150 Dazu werden die Tags in Form von so genannten Wortwolken („Tag Clouds") darge-
stellt, wobei häufig genutzte Schlagwörter stärker hervorgehoben werden. Je mehr Links auf
ein Schlagwort verweisen, desto größer wird dieses in der Wolke hervorgehoben. Ein Beispiel
für eine Tag Cloud des Leistungsspektrums eines Mediendienstleisters wird in Abbildung 20
gezeigt.
Mittels Tag Clouds eines Social-Bookmarking-Systems (zum Beispiel http://delicious.com/
tag) kann man bereits zum Einstieg eine nützliche Orientierung über die aktuell populärsten Ka-
tegorien erhalten. Die Gesamtheit der Links eines Social-Bookmarking-Systems kann schließ-
lich nach Benutzernamen, nach Tags oder nach einer Kombination aus beidem durchsucht wer-
den.151 Dabei sind Tags keineswegs auf Social-Bookmarking-Systeme beschränkt, wie in der
Abbildung gezeigt wird. Sie werden in verschiedenen Social-Media-Kanälen verwendet, unter
anderem zum Beispiel in Blogs. Social-Bookmarking-Systeme bieten auch die Möglichkeit,

148
http://www.hermanngasse.com/2008/09/tag-cloud-des-web-innovation-lab/, Seitenaufnif am 28.01.2010
149
Vgl. Vander Wal (Folksonomy Definition and Wikipedia, 2005)
150
Vgl. Beck (Web 2.0, 2007), S. 8
151
Vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann (Social Software, 2006), S. 71
60 3 Erscheinungsformen von Social Media

die Linklisten einzelner Benutzer bzw. ganze Schlagwortlisten - meist als RSS-Feed - zu
abonnieren.
Allerdings existieren einige Nachteile bei der Kategorisierung nach Art der Folksonomy,
die hauptsächlich auf der Problematik von unkontrolliertem Vokabular basiert. 152 Schlagworte
können inhaltlich unterschiedlich interpretiert werden, was zur Folge haben kann, dass man
bei der Suche nach einem bestimmten Begriff Ergebnisse angezeigt bekommt, die inhaltlich in
keiner Weise zusammenhängen. Sucht man beispielsweise bei Delicious nach dem Schlagwort
„filtering", so erscheinen die verschiedensten Ergebnisse: angefangen von Wodka destillieren,
über Musikkanäle personalisieren bis hin zu der „Bayesian spam filtering"-Methode. Ein wei-
terer Nachteil sind Homo- und Synonyme. Auch hier ist keine Kontrolle über ein Wort mit
verschiedenen Bedeutungen oder unterschiedliche Worte mit gleicher Bedeutung möglich. 153
Die Präsenz eigener Veröffentlichungen auf Social-Bookmarking-Plattformen hat einen ho-
hen Stellenwert zur Förderung der Verbreitung von Inhalten im Web bzw. für die Social Media
Optimization, auf die an späterer Stelle noch eingegangen wird.

3.7 Weitere Erscheinungsformen


Bewertungsseiten Eine gute Möglichkeit, sich über Unternehmen und deren Produkte zu
informieren und damit auch eine wichtige Informationsquelle für Unternehmen selbst, sind so
genannte Bewertungsseiten. Der Wert dieser Angebote leitet sich größten Teils aus nutzerge-
nerierten Inhalten ab, die ausschlaggebend für deren Popularität und Glaubwürdigkeit sind. Zu
diesen Angeboten zählen beispielsweise die in Deutschland bekannten Shoppingportale wie
Ciao.de, Geizhals.at oder Guenstiger.de, die neben einem Preisvergleich zum Auffinden der
preisgünstigsten Anbieter einer bestimmten Marke auch Erfahrungsberichte und Bewertungen
von Nutzern anbieten. Auch typische Bewertungsportale wie Dooyoo.de oder Holidaycheck.de
bieten Nutzern die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen und Urteile bezüglich bestimmter
Leistungen auszudrücken. Diese Informationen werden, wie bereits angeführt, vor dem Kauf
oder der Inanspruchnahme einer bestimmten Dienstleistung bereits in beachtenswertem Maße
berücksichtigt. Das heute angebotene Spektrum von bewerteten Erzeugnissen ist bereits sehr
breit. Leser können Berichte anderer User zum Beispiel als „hilfreich" bewerten, was ein be-
stimmtes Regulativ gegen oberflächliche oder einseitige, unausgewogene Veröffentlichungen
darstellt.
Im Internet werden heute beträchtliche Umsätze im Tourismusbereich erzielt. Urlaubsreisen
werden immer öfter individuell auf der Basis von Online-Angeboten geplant. Um am Urlaubs-
ziel keine bösen Überraschungen zu erleben, erfreuen sich unabhängige Bewertungsportale wie
Holidaycheck, das zu einem der führenden Meinungsportale für Hotelbewertungen gehört, ei-
ner zunehmenden Beliebtheit. Mittels dieses Angebotes kann man sich vor der Buchung oder
dem Beginn einer Reise über Hotels, Regionen und Reiseveranstalter informieren und dabei
sehr detaillierte Erfahrungsberichte und Bewertungen von Nutzern, die bereits eine Reise zum
gewünschten Zielort gemacht haben, zu Rate ziehen. Man kann sich ein Bild von verschiede-
nen Vergleichsangeboten machen, was hilfreich für die eigene Entscheidungsfindung ist. Der
152
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 32
153
Vgl. Mathes (Folksonomies, 2004)
3.7 Weitere Erscheinungsformen 61

Startseite Reiseangebote mitmachen und b e w e r t e n meinHolidayCheck Reiseforum Service

HoiidayCheckdc I Sachen

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St,»fts«.t« > > K&SHtKfeltflj fisiks >ftfiît'J..·.·^.'«»» HgWi.ASl?" 9·. HoMlb«wtftu«stn

Hotel Adlon Kempinskl Berlin ****··


Übersicht Hotelbewertungen Hotelbikter Hotelvideos Reiseangebote

H o t e l b e w e r t u n g e n Hotel Adlon K e m p i n s k i Berlin HolidayCheck Award 2 0 tO

φ von allen 0 yy. Paaren 0 ypn Fynjfrsn > v?n Sing!?? » Frçyntjfin Sie h a b e n e n t s c h i e d e n !
57 Die 9 9 b e l i e b t e s t e n H o t e l s w e l t w e i t
- ¡tMJkJudA Lage & umgebong 5.8 y y y ^ ^ .
f mehr
s.« ¿¿ämtjuik Gastronomie 5.7 y
Spott & Unterhaftung 5.2 jj
5.7 tàtâè&i&aL·
Mehr z u m Hotel
Gesamt 5.7 ù É k ê ' ù ^ n À Weàerempfehiung 94% Trend * φ
.¿β H?t<Î' m g r f a n

I i i

9 7 Hotelbewertungen sortieren nach neueste Reisen zuerst 3 .tetti


^ Wegweiser-
LteJMgLfer s-* sgasanti
wir waren sehr zufrieden mit diesem hotel, freundlichkeit und herzlichkeit werden dort ganz gross
W i s s e n s w e r t e s zu Berlin - Mitte
geschrieben, unser zimmer war super, alles bhzblank, gemütlich und der Zimmerservice 2x täglich
spitze, einer tolle serviceleistung schuhe wurden auf w
•m¿* ^iiifflstiflêJdifiîÂâasG-ôcàSG d"
Januar IG, vera, Atter 41-45, Paar 43 mal gelesen · 50% hilfreich
M i t m a c h e n und B e w e r t e n

4.? Ü Ü g Ü g i

Das Hotel gehört sicherlich zu den Besten der Hauptstadt. Das Hotel verfugt über alle Einrichtungen,
die man von einem 5* Deluxe Hotel erwarten darf. Mir persönlich hat die Atmosphäre des Hotels gar
081
nicht gefallen. Vorwiegend sehr altes Publikum, alle...
«:
Januar 10, Kai, Alter 41-45, AHein/Smgle 264 mal gelesen - 54% hilfreich
H o t e l - C h a r t s Berlin - Mitte

In d u r a l Hotel giiüjEÜjtiiW! ,

e s gibt einfach keine beanstandungen komme jedezeit gene wieder d a s Hotel ist seh xentral gelegen
Tax» vor und dam Haus das Personal ist sehr zuvorkommend Zimmerservice perfekt die Preise sind
gerechtfertigt. Hoteltiemenuna lesen

Abbildung 21: Hotelbewertungen des Hotel Adlon Kempinski Belin auf HolidayCheck.de154

Service von Holidaycheck bietet den Nutzern eine Auswahlmaske, in der zum Beispiel Rei-
seort oder Hotelkategorie gewählt werden können. Ist eine erste Auswahl getroffen, werden die
gefundenen Treffer der Suchanfrage mit einer Bewertungsübersicht aufgelistet. Für einzelne
Hotels, nach denen man bei Kenntnis des Hotelnamens auch direkt suchen kann, werden in-
dividuelle Bewertungen angeboten, die zu Gesamturteilen aggregiert sind. Abbildung 21 stellt
zur Veranschaulichung Ausschnitte aus den Bewertungen des Hotels Adlon Kempinski in Berlin
dar. Für dieses Hotel der obersten Preisklasse, das zu 94 Prozent weiterempfohlen wird, haben
97 Personen zum Teil sehr umfangreiche Ausführungen zu einzelnen Bewertungsrubriken ab-
gegeben.
Einzelne Hotelgäste, die noch weiterführende Informationen zu sich (Herkunft Land, Alter,
Reisezeit, Kinder, allein oder mit Partner reisend) und dem Aufenthalt (Reisezeit, Reiseart,
Dauer) preisgeben, beschreiben ihre Erfahrungen gegliedert nach bestimmten Rubriken (Ho-
tel, Lage, Service, Gastronomie, Sport Unterhaltung, Zimmer, Tipps & Empfehlung) zum Teil
sehr ausführlich. Durch die subjektiven Ausführungen, die häufig emotional gefärbt sind, ver-
154
http://www.holidaycheck.de/hoteI-Hotelbewertungen_Hotel+Adlon+Kempinski+Berlin-ch_hb-hid_43455.html,
Seitenaufruf am 28.01.2010
62 3 Erscheinungsformen von Social Media

mittein die Autoren oft ein sehr authentisches, glaubwürdiges Bild, das durch die Angabe des
Prozentsatzes, wie viele Betrachter diese Bewertung hilfreich finden, auch eine gewisse soziale
Validierung erfährt. Hotelbewertungen können über die Rubrik „Mitmachen und Bewerten"
einfach abgegeben werden. Es ist zudem möglich, eigene Fotos und Videos zu diesem Hotel
hochzuladen und damit andere an den eigenen unmittelbaren visuellen Eindrücken teilhaben zu
lassen.
Viele weitere Bewertungsangebote im Web sind vom Funktionsumfang und der Struktur her
ähnlich aufgebaut. Sie alle ermöglichen die einfache Veröffentlichung von eigenen Erfahrun-
gen und Urteilen, die aggregiert sowie als individuelle Berichte für die Urteilsbildung anderer
hilfreich sein können.

Foto- und Videosharing-Dienste Wenn es darum geht, Bekannten der eigenen Commu-
nity oder der Allgemeinheit Fotos und Videos zur Verfügung zu stellen, zu diesen Kommentare
zu ermöglichen und sich mit anderen darüber auszutauschen, können hierfür verschiedene kos-
tenlose Dienste genutzt werden.
Will man vornehmlich Fotos veröffentlichen, eignet sich als einer der bekanntesten Anbieter
Flickr.com. Flickr ist primär ein Fotosharing-Portal, das auch Elemente eines sozialen Netz-
werks mit integrierten Community-Funktionalitäten beinhaltet. Flickr ermöglicht die Bereit-
stellung und Verbreitung von Fotos und in eingeschränktem Maße (maximal zwei Videos pro
Monat mit maximal 90 Sekunden Länge) auch von Videos. In das Portal können Fotos über
das Web, per E-Mail oder vom Fotohandy aus übertragen werden. Eingestellte Bilder können
selektiert und betrachtet oder direkt in andere Webauftritte eingebunden werden. Zudem stehen
verschiedene RSS-Feeds zum automatisierten Abruf von Bildern zur Verfügung.
Die hochgeladenen Bilder kann man mit einer integrierten Software bearbeiten sowie mithil-
fe von Tags, Alben (Zusammenstellung von Fotos zu einem bestimmten Thema) und Samm-
lungen (Gruppe von Alben) ordnen. Fotos können nach dem Ersteller, dem Aufnahmetag, der
Aufnahmezeit, nach beliebigem Text sowie der zugehörigen Gruppe gekennzeichnet werden.
Seit Neuestem kann man Fotos auch nach dem Ort der Aufnahme, zu vermerken in einer virtu-
ellen Karte, sortieren.
Zudem können Rechte vergeben werden, ob Bilder öffentlich oder nur privat geteilt werden.
Öffentliche Bilder sind für alle, private Bilder nur für Freunde und Familienmitglieder sichtbar.
Ungefähr 80 Prozent der Bilder auf Flickr werden öffentlich geteilt.
Flickr ist zudem eine Foto-Community bei der sich Interessierte eines bestimmten Themas
zu Gruppen zusammenschließen können. Man kann öffentlichen Gruppen beitreten oder eine
Gruppenmitgliedschaft auf Einladung erhalten. Ferner können Nutzer selbst mit den in Abbil-
dung 22 dargestellten Optionen neue Gruppen gründen.
Flickr enthält auch Funktionen eines sozialen Netzwerks. Zur Nutzung von Flickr ist es
erforderlich, ein Profil anzulegen, entweder als Organisation oder als natürliche Person. Man
kann dann Kontakte mit anderen aufnehmen und entscheiden, ob man die jeweilige Person
als Freund oder Familienmitglied (oder beides) hinzufügen will. Seinen Familienmitgliedern
oder Freunden kann man zudem erlauben, bei der Organisation der Fotos mitzuwirken. Dieses
Prinzip lässt sich auch auf Unternehmen als Profilbenutzer mit Kunden als Freunde anwenden.
Familienmitglieder und Freunde können direkt auf einem bestimmten Foto Nachrichten hinter-
lassen, die nur sichtbar werden, wenn man die Maus darüber hält. Darüber hinaus können bei
allen Bildern Kommentare unterhalb des Bildes eingefügt werden.
3.7 Weitere Erscheinungsformen 63

Wählen Sie den gewünschten Gruppen-Typ aus.

| Ö f f e n t l i c h , jeder kann C öffentlich, Mitgliedschaft • Privat


beitreten nur auf Einladung

Öffentliche Gruppen eignen sich Öffentliche Gruppen, denen nur • Private Gruppen können auch
prima für Inhalte und Diskussionen eingeladene Personen beitreten spater nicht öffentlich gemacht
zu allgemeinen Themen wie können, eignen sich gut fur kleine werden
eartenaroe«, Rezeptauslausch Gruppen, die sich auf ein • Private Gruppen eignen sich gut
oder Reiseziele wie spezielles Thema konzentrieren für Familien oder eine Clique
beispielsweise Vancouver und dabei selbst steuern möchten, • Die Gruppenseite wird nur
Oie Gruppenseite ist öffentlich und wer Gruppenmitglied wird. Gruppenmitgliedern und
jeder kann ihr sofort beitreten. Die Gruppenseite wird allen eingeladenen Personen angezeigt.
Administratoren können angezeigt, ein Beitritt zu dieser • Private Gruppen sind vollständig
entscheiden, welche Diskussionen Gruppe ist jedoch nur auf von der Suche nach Gruppen
und/oder Gruppenpools Einladung möglich. ausgeschlossen und werden nicht
Nichtmitgliedem angezeigt werden. Administratoren können Im Profil der Mitglieder angezeigt
entscheiden, welche Diskussionen
und/oder Gruppenpools
Nichtmitgliedem angezeigt werden.

Abbildung 22: Optionen für das Anlegen einer neuen Gruppe in Flickr155

Somit eröffnet Flickr ein breites Leistungsspektrum für die Veröffentlichung und den sozia-
len Austausch rund um das Thema Foto und es ist somit als ein typischer Social-Media-Dienst
zu bezeichnen.
Ein ähnlich gelagertes Angebot wie Flickr, aber speziell für die Verbreitung von Videos bie-
tet die Plattform YouTube.com, das wahrscheinlich größte Videosharing-Portal mit Community-
funktionalität im Web. Es erlaubt Benutzern Videoclips anzusehen, diese in andere Webseiten
einzubinden sowie eigene Beiträge hochzuladen. Videos können mit Text- oder Videokom-
mentaren versehen, bewertet und als persönlicher Favorit gekennzeichnet werden. Zudem ist
eine Weiterleitung an weitere Social-Media-Kanäle, zum Beispiel an eigene Follower in Twit-
ter oder den Freundeskreis in Facebook sehr einfach möglich. Aktiviert man beispielsweise
die Weiterleitung eines Videos in Twitter, wird automatisch ein Tweet mit einem kurzen Emp-
fehlungstext sowie dem zugehörigen YouTube-Link erstellt, der dann nur noch zum Versenden
bestätigt werden muss.
Nutzer können einen kostenlosen Account freischalten und Videos im eigenen „Kanal" als
Favoriten speichern. Die Favoritenliste können wiederum andere Nutzer einsehen. Es ist auch
möglich, Kanäle zu abonnieren, um beispielsweise neu eingestellte Videos angezeigt zu bekom-
men. Zudem kann man eine Nachricht an den betreffenden Kanal senden. Man kann sich ferner
als Freund eines Kanals bekennen, was zur Folge hat, dass man auf der Freundesliste vermerkt
wird. Abbildung 23 zeigt die Seite des offiziellen YouTube-Kanals von BMW, in dem zum
Zeitpunkt des Abrufs 317 Videos eingestellt waren und der 7.739 Abonnenten zu verzeichnen
hatte.
155
http://www.flickr.com/groups_create.gne, Seitenaufruf a m 2 6 . 0 1 . 2 0 1 0
64 3 Erscheinungsformen von Social Media

Staratile Videos Kanäle Abonnements Protokoll - ftoctitaiien

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Abbildung 23: YouTube-Kanal von BMW156

Privatpersonen oder Unternehmen als Nutzer haben über diese Funktionalitäten die Möglich-
keit, eine eigene Fangemeinde oder Community aufzubauen, an die sie Videomaterial verteilen
können und über die ein kommunikativer Austausch mit Nutzern möglich wird. Dem Videoma-
terial können auch weiterführende Informationen hinzugefügt werden, beispielsweise in Form
eines daran angeknüpften Blogs, was über die Kontoeinstellungen des Accounts zu bewerkstel-
ligen ist. Die Startseite des eigenen YouTube-Kanals kann zudem individuell angepasst werden,
um beispielsweise dem Corporate Design einer Marke Rechnung zu tragen.

156
http://www.youtube.com/user/bmw?blend=l&ob=4&rclk=cti#p/u, Seitenaufruf m 2 6 . 0 1 . 2 0 1 0
4 Einflüsse von Social Media auf die
Unternehmenskommunikation

4.1 Grundlagen der Unternehmenskommunikation und


Kommunikationspolitik
Der Begriff „Kommunikation" (entstanden aus dem lateinischen communicare: teilen, gemein-
sam machen, vereinigen) beinhaltet den Hinweis auf Gemeinsamkeit. Kommunizieren ge-
schieht interaktiv. Es geht um wechselseitigen Austausch von Gedanken in Sprache, Schrift
oder Bild. „Unter Kommunikation wird der zeichenhafte Austausch zwischen mindestens zwei
Individuen mit dem Ziel der Verständigung oder gegenseitigen Beeinflussung verstanden, wo-
bei dieser auch durch unterschiedliche Medien eingesetzt werden kann, und damit der Kommu-
nikationsprozess zeitlich versetzt (asynchron) und mit unterschiedlicher Intensität der Beteili-
gung (asymmetrisch) verlaufen kann." 157
Eine wirkungsvolle Kommunikation setzt voraus, dass man den Partner sensibel wahrnimmt
und gelten lässt. Sie ist in der Regel zweiseitig und interaktiv. Mitteilen und Verstehen müssen
zusammentreffen. Die Kommunikationspartner müssen sich aufeinander beziehen und die Bot-
schaften des anderen verarbeiten. Wenn die Beteiligten aneinander vorbeireden, findet keine
wirkungsvolle Kommunikation statt.158
Alle am Kommunikationsprozess Beteiligten entscheiden also darüber, ob Kommunikation
zustande kommt oder nicht. Ist einer der Beteiligten nicht bereit oder fähig, kann keine wir-
kungsvolle Kommunikation entstehen.159 Kommunikation ist folglich ein vielschichtiger Pro-
zess, in dem persönliche und soziale Faktoren einfließen. Die Botschaften, die eine Nachricht
enthalten, sind komplex und nicht immer einfach zu durchschauen. Dies ist eine wesentliche
Ursache dafür, dass Kommunikationsprozesse häufig als schwierig und anstrengend erlebt wer-
den, dass es zu Missverständnissen kommt oder sogar die Kommunikation scheitert.
Erfolgt die Kommunikation im Kontext von unternehmerischen Zielen, spricht man von Un-
ternehmenskommunikation. Sie steht für die Gesamtheit aller Kommunikationsinstrumente und
-maßnahmen einer Unternehmung, die eingesetzt werden, um einen Informationsaustausch mit
relevanten Bezugsgruppen im Sinne eigener Zielstellungen zu erreichen. Mit Blick auf die
Bezugsgruppen kann die Unternehmenskommunikation in die interne und die externe Kom-
munikation unterteilt werden. Die interne Kommunikation richtet sich an die Mitarbeiter des
Unternehmens, während die externe Kommunikation auf Marktpartner, insbesondere Kunden
(Marktkommunikation), auf die allgemeine Öffentlichkeit (Public Relations) und auf Untemeh-

157
Koch (Das große Lexikon Medien und Kommunikation, 2006), S. 185
I58
Vgl. Herbst (Praxishandbuch Unternehmenskommunikation, 2003), S. 37
' « V g l . Herbst (Praxishandbuch Untemehmenskommunikation, 2003), S. 38
66 4 Einflüsse von Social Media auf die Untemehmenskommunikation

mensnetzwerke und Clusterinitiativen (Netzwerkkommunikation) ausgerichtet ist. 160


Innerhalb der externen Kommunikation zielt die Marktkommunikation darauf ab, eigene
Marken bei den potenziellen Kunden bekannt zu machen und Präferenzen für das eigene Leis-
tungsspektrum aufzubauen. Zentrale Instrumente der Marktkommunikation sind die Werbung,
Verkaufsförderung und die Kommunikation im Rahmen des persönlichen Verkaufs. Neben
der Werbung hat vor allem das Instrument der Public Relations zum Ziel, das Unternehmen
in der allgemeinen Öffentlichkeit positiv darzustellen und als vertrauenswürdigen Partner zu
positionieren. Die Netzwerkkommunikation umschließt innerhalb der externen Kommunika-
tion „alle kommunikativen Handlungen von Organisationen bzw. deren Repräsentanten, mit
denen dauerhafte Beziehungen in Unternehmensnetzwerken, Clusterinitiativen und virtuellen
Unternehmen gestaltet werden. Sie sind notwendig, um solche Systeme mittlerer Spezifität ins
Leben zu rufen, gemeinsame Strategien und Schnittstellen zu definieren, arbeitsteilige Hand-
lungen zu koordinieren sowie gegenüber Kunden, Wettbewerbern und weiteren Bezugsgruppen
aufzutreten."161
Die externe Kommunikation sorgt dafür, dass das Unternehmen bei wichtigen Bezugsgrup-
pen bekannt wird und diese sich ein klares, deutliches Bild vom Unternehmen machen können.
Ein positives Unternehmensimage soll dazu beitragen bei den relevanten Bezugsgruppen Vor-
zugsstellungen aufzubauen, die wiederum maßgeblich zum Geschäftserfolg beitragen können.
Ein positives Image ist so wichtig, da in vielen Fällen Produkte und Dienstleistungen konkur-
rierender Unternehmen heute auf einem gleichartig hohen Niveau sind, so dass die Entschei-
dung eines Kunden für ein Produkt oder auch eines Geschäftspartners zur Zusammenarbeit auf
Grundlage des Markenimage erfolgt. Die Unternehmenskommunikation hat die Aufgabe, ein
positives und zugleich auch authentisches Bild des Unternehmens zu vermitteln. Die beson-
dere Herausforderung liegt dabei darin, dass dieses transportierte Bild auch wahrgenommen
wird. In der global vernetzten Welt ist Aufmerksamkeit eine knappe Ressource und der poten-
zielle Adressat der Botschaft kann aus einer schier unendlichen Fülle von Informationsquellen
wählen.162
Grundsätzlich unterstützt die Kommunikation zum einen die laufende Aufgabenerfüllung,
indem beispielsweise Produkte mithilfe der Werbung bekannt gemacht werden. Zum ande-
ren ermöglicht Kommunikation den Aufbau nachhaltiger Erfolgspotenziale wie Bekanntheit,
Glaubwürdigkeit, Reputation und weitere immaterielle Werte. Die immateriellen Werte schla-
gen sich regelmäßig in konkreten Vorteilen nieder, beispielsweise wenn für ein Produkt höhere
Preise im Markt durchgesetzt werden.163
Im Rahmen der internen Kommunikation besteht das grundsätzliche Ziel der Mitarbeiter-
kommunikation in der Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungs- und Entwicklungspro-
zesse des Unternehmens. Darüber hinaus zielt sie auf die Stärkung des Engagements und der
Loyalität der Mitarbeiter, sowie ihrer fachlichen und sozialen Leistungen und Kompetenzen
ab.164 Sie soll dazu fuhren, dass die Mitarbeiter bereit sind, sich stärker für die Unternehmens-
ziele einzusetzen, weil sie wissen, wofür ihr Unternehmen steht, wohin es sich entwickelt und
was sie selbst tun können, um dies durch ihr eigenes Handeln zu unterstützen.
160
Vgl. Zerfaß (Corporate Blogs, 2005)
161
Zerfaß (Untemehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement, 2007), S. 64
162
Vgl. Zerfaß/Piwinger (Kommunikation als Werttreiber und Erfolgsfaktor, 2007), S. 5f.
163
Vgl. Zerfaß Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 69f.
164
Vgl. Wunderer/Dick (Personalmanagement, 2002), S. 59ff.
4.2 Überblick über zentrale Einflussgrößen 67

Für den Unternehmenserfolg ist eine effiziente Information der Mitarbeiter und deren kom-
munikative Einbindung in das Geschehen eines Unternehmens unentbehrlich. Der Nutzen wir-
kungsvoller Kommunikationsabläufe äußert sich vor allem durch:

• rasche Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung im Unternehmen,

• beschleunigte Umsetzung von Plänen und Projekten,

• Steigerung der Produktivität von Veränderungsprozessen,

• hohe Mitarbeitermotivation und -bindung.165

Der Kommunikationspolitik sind sämtliche zielgerichteten Entscheidungen zuzuordnen, die auf


die konkrete Gestaltung der Kommunikation gerichtet sind.166 Im Rahmen der Unternehmens-
kommunikation versteht man unter Kommunikationsmaßnahmen sämtliche Aktivitäten, die von
einem Unternehmen bewusst zur Erreichung kommunikativer Zielsetzungen eingesetzt werden.
Zu den klassischen Kommunikationsmaßnahmen zählen zum Beispiel die Schaltung einer An-
zeige in einer Tageszeitung oder auch die Durchführung eines Verkaufsgesprächs. Die Kom-
munikationsmaßnahmen werden schließlich in einem System von Kommunikationsinstrumen-
ten eingeordnet. „Kommunikationsinstrumente repräsentieren das Ergebnis einer gedanklichen
Bündelung von Kommunikationsmaßnahmen nach ihrer Ähnlichkeit."167 Man unterscheidet
häufig zwischen above-the-line- und below-the-line-Maßnahmen. Above-the-line-Maßnahmen
umfassen klassische Werbeinstrumente, wie Werbung in Printmedien, Radio- oder TV-Werbung
sowie die Kino- und Außenwerbung. Zu den below-the-line-Maßnahmen zählen Instrumente
wie zum Beispiel die Verkaufsförderung, die Öffentlichkeitsarbeit, das Sponsoring, verschie-
dene Formen des Direktmarketing oder die Onlinewerbung.

4.2 Überblick über zentrale Einflussgrößen


Die Internetnutzung etabliert sich in immer stärkerem Maße in allen Bevölkerungsschichten.
Das Internet hat in vielen Bereichen des täglichen Lebens Einzug gehalten und erfreut sich
wachsender Beliebtheit. Immer mehr Menschen informieren sich, wie bereits erwähnt, im Netz
über ein Produkt, bevor sie es online oder im Einzelhandel kaufen. Aber auch in vielen anderen
Bereichen hat das Internet an Bedeutung gewonnen: Kleinanleger informieren sich über Ak-
tienkurse, Journalisten nutzen das Internet für Recherchen, Informationsinteressierte werden
über Live-Streams in Mikrobloggingdiensten oder ihrem sozialen Netzwerk auf die neuesten
Nachrichten hingewiesen und Beziehungsinteressierte holen sich von ihren Freunden in ihrem
sozialen Netzwerk Ratschläge, Tipps und emotionale Zuwendung.
Damit trägt das Internet wesentlich zur Realitätskonstruktion, Meinungsbildung und zur Be-
ziehungspflege in modernen Gesellschaften bei. Aus Sicht der Unternehmensführung und einer
an internen und externen Zielgruppen orientierten Kommunikationsstrategie sind diese Rah-
menbedingungen von großer Bedeutung.
165
Vgl. Mast (Interne Unternehmenskommunikation, 2007), S. 757ff.
166
Vgl. Bruhn (Kommunikationspolitik, 2003), S. 1
167
Bruhn (Kommunikationspolitik, 2003), S. 3
68 4 Einflüsse von Social Media auf die Unternehmenskommunikation

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Suchmaschinen einen hohen Stellenwert
bei der Suche nach Informationen im Internet bilden. Webseiten und damit letztlich Produkte
und Unternehmen, die in Suchmaschinen nicht gefunden werden oder schlecht gelistet sind,
existieren für den Sucher praktisch nicht. Der Onlinerecherche kommt eine zentrale kaufent-
scheidende Bedeutung zu. 168 Damit besteht eine große Herausforderung der Onlinekommuni-
kation von Unternehmen darin, eine gute Positionierung in Suchmaschinen zu erreichen. Hierzu
kann Social Media, wie später noch gezeigt wird, einen wichtigen Beitrag leisten. Die bessere
Sichtbarkeit eines Unternehmens in Suchmaschinen trägt zur Wahrnehmung und zum Aufbau
einer Marke oder eines Unternehmens bei.
Neben dem hohen Stellenwert von Suchmaschinen tritt eine ganz neue Form der Informati-
onsversorgung, die erst durch Social Media möglich wurde. Mikrobloggingdienste, Statusmel-
dungen in sozialen Netzwerken, RSS-Feedreader und weitere Formen von Benachrichtigungs-
diensten sorgen dafür, dass Informationen ohne direktes eigenes Zutun zu den Empfängern
kommen, gesteuert durch deren selbst gewählte soziale Bezugsgruppen. Man muss als potenzi-
eller Informationsempfänger zum Teil nicht mehr aktiv nach der Information suchen, sondern
die Information wird gewissermaßen „automatisch" gebracht, d. h. die Information findet den
Empfänger. Die eigenen Kontakte wirken dabei als Multiplikatoren und sozialer Filter. Die
Herausforderung für die Kommunikationspolitik besteht dabei darin, Wege zu finden, um das
soziale Beziehungsgeflecht, das oft einen privaten, nicht öffentlichen Charakter hat, im Sinne
eigener Zielsetzungen für sich wirken zu lassen. Digitale Mundpropaganda und Viralmarketing
eröffnen in diesem Zusammenhang weitreichende Möglichkeiten.
Social Media stellt viel Gewohntes in Frage. So war das Web 1.0 in erster Linie durch einen
unidirektionalen Informations- und Kommunikationsfluss geprägt. Dieses klassische Kommu-
nikationsmodell wird in Zeiten von Social Media abgelöst. Gab es früher den Sender, der seine
Botschaft an definierte Empfänger richtete, ist heute jeder Empfänger gleichzeitig auch Sender.
Social Media stellt die interaktive many-to-many-Kommunikation in den Mittelpunkt: Viele
kommunizieren mit vielen. Diese Entwicklung erfordert gerade im Hinblick auf die Unter-
nehmenskommunikation ein Umdenken, das auch die Abkehr klassischer Konzepte der Push-
Kommunikation beinhaltet. Die Interaktionsmöglichkeiten von Social Media zwingen Unter-
nehmen verstärkt in den Dialog mit verschiedenen Anspruchsgruppen.
Mit den neuen Kommunikationskanälen von Social Media steigt die Macht der Stakeholder,
also der Konsumenten, Mitarbeiter, Journalisten, Investoren etc., die über die neuen Kanä-
le die Chance bekommen haben, sich einfacher und effizienter zu artikulieren, auszutauschen
und zusammenzuschließen. Unternehmen verlieren zunehmend ihre Informationshoheit und es
müssen Strategien entwickelt werden, wie man damit zielgerichtet umgeht.
Diese Herausforderungen werden mittlerweile von den meisten Kommunikationsexperten
anerkannt. Nach einer Studie des European Communication Monitor169 unter mehr als 1000
PR-Fachleuten wird der Umgang mit der digitalen Evolution und dem Social Web als größte
Herausforderung für das Kommunikationsmanagement in den nächsten Jahren angesehen. Als
eine zentrale strategische Stoßrichtung für Unternehmen, um diese Herausforderung zu bewäl-
tigen, wird der Aufbau von Vertrauen gesehen.

168
Vgl. AGOF (internet facts 2006-IV, 2007)
169
Vgl. Zerfaß (European Communication Monitor, 2007), S. 26
4.3 Untemehmensreputation und Vertrauen als Erfolgsfaktoren 69

4.3 Unternehmensreputation und Vertrauen als


Erfolgsfaktoren
Der Aufbau und die Sicherang von Reputation war schon immer ein wichtiges Ziel der Unter-
nehmenskommunikation. Die Reputation bzw. der Ruf eines Unternehmens ist entscheidend
für dessen wirtschaftlichen Erfolg. Das Ansehen eines Unternehmens beeinflusst die Kunden-
bindung und damit die Umsatzentwicklung. Neben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
eigenen Unternehmens und der Außenwirkung der Unternehmensspitze tragen zum öffentli-
chen Ansehen auch die Führungskräfte und Mitarbeiter sowie das unternehmerische Engage-
ment zum Beispiel für Umwelt und Gesellschaft bei.170
Das Unternehmensimage kann für die Wertschöpfung eines Unternehmens ebenso wichtig
sein, wie ökonomische Erfolgszahlen. Nach unterschiedlichen Studien hängen bis zu 50 Pro-
zent der Marktkapitalisierung eines Unternehmens von seinem Ansehen in der Öffentlichkeit
ab.171 Reputation eines Unternehmens wird dabei in zunehmendem Maße über das Internet
und die sozialen Medien aufgebaut. Zerfaß/Boelter sprechen dabei von digitaler Reputation:
jener Teil von Reputation, den ein Unternehmen in der virtuellen Welt des Internets erarbei-
ten kann.172 Diese (digitale) Reputation ist ein immaterieller und schwer ersetzbarer Wert, der
langfristig aufgebaut werden muss.
Gleichzeitig müssen sich Unternehmen heute im Klaren darüber sein, dass in unserer glo-
bal vernetzten Welt vieles Unsichtbare auf unangenehme Art und Weise ins Sichtfeld rücken
kann. Jeder Fehler wird plötzlich via Google gefunden und unangenehme Themen können über
Jahre Beständigkeit haben. Diese Transparenz zwingt die Entscheider zunehmend, ihr bisheri-
ges Verhalten zu überdenken und vielleicht sogar ihr Verhalten zu ändern, wenn sie weiterhin
erfolgreich agieren wollen.
Können klassische PR-Methoden die Veröffentlichung einer negativen Nachricht oder Mei-
nung in den Offline-Medien, wie Zeitungen und Zeitschriften, häufig noch verhindern oder
kaschieren, so kann die Verbreitung im Internet in der Regel nicht gestoppt werden, denn Kom-
munikation findet im Internet zu jeder Zeit, zu jedem Thema und in jeder Form statt, ob durch
Text, Video oder Audio.
Während man früher nur seinen Freunden erzählte, wenn man mit seinem Arbeitgeber oder
Kollegen unzufrieden war, finden derlei Informationen oder Gerüchte heute häufig den direk-
ten Weg ins Netz und wirken sich unter Umständen sogar auf die Reputation des gesamten
Unternehmens aus. Unzufriedene Kunden und Mitarbeiter teilen ihren Unmut via Blog mit
und andere lesen und verlinken das. Letztlich entsteht durch diese Mundpropaganda eine nach-
drückliche Form von sozialer Kontrolle.173 Unternehmen werden auf diese Weise zu größerem
Verantwortungsbewusstsein ermahnt, man spricht auch von „Corporate Social Responsibility"
(CSR). Mehr und mehr wird Firmenlenkern bewusst, dass ökonomischer Erfolg und eine er-
folgreiche Marktpositionierung ohne ein adäquates CSR-Management heute nur noch schwer
möglich sind, denn mit der gestiegenen Aufmerksamkeit auf die gesellschaftliche Verantwor-
tung von Unternehmen werden CSR-Maßnahmen zu einem wichtigen Erfolgsfaktor.

170
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 41ff.
17I
Vgl. Büß (Image und Reputation, 2007), S. 233
172
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher , 2005), S. 88
173
Vgl. Eck (Erfolgreich die Transparenz nutzen, 2007)
70 4 Einñüsse von Social Media auf die Untemehmenskommunikation

Das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung wird in Europa maßgeblich durch das
Grünbuch der EU-Kommission geprägt.174 Danach ist „CSR [... ] ein Konzept, das den Unter-
nehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre
Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren."175
Durch Social Media bekommt CSR eine hohe Aktualität, denn mittels Social Media ist es auch
„normalen" Anwendern möglich, mehr und mehr Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung
von unternehmensbezogenen Themen mit Bezügen zu verschiedenen Gesellschaftsbereichen
zu nehmen. Das zeigte sich in der jüngeren Vergangenheit bereits deutlich und soll durch die
nachfolgenden Beispiele veranschaulicht werden.
Jean-Remy von Matt ist Mitbegründer der renommierten deutschen Werbeagentur Jung von
Matt. Diese Agentur macht immer wieder mit auffälligen Kampagnen von sich reden. Auch
bei der Entwicklung der Kampagne „Du bist Deutschland"176 war Matts Agentur eines der
federführenden Unternehmen. Die Kampagne lief von September 2005 bis Januar 2006 und
wurde immer wieder kontrovers diskutiert, vor allem auch in der deutschen Blogosphäre.
Dabei ärgerte sich von Matt über die zahlreichen Β logger, die negativ auf die gemeinnützige
Kampagne reagiert hatten. In einem internen E-Mail-Newsletter seiner Agentur schrieb er, dass
er verärgert sei, weil er für seine Arbeit keinen Dank, sondern nur Miesepetrigkeit geerntet ha-
be: „Glücklicherweise nur von den Gruppen, von denen man nichts Besseres erwarten konnte:
[... ] Von den Weblogs, den Klowänden des Internets. Was berechtigt eigentlich jeden Compu-
terbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern? Und die meisten Blogger sondern einfach
nur ab."177
Womit von Matt offensichtlich nicht gerechnet hatte, war, dass die E-Mail ihren Weg durchs
Internet zu eben diesen „Klowandbeschmierern" finden würde. Genau das geschah jedoch und
die Reaktionen fielen heftig aus. Die Entrüstung über von Matt und seinen Klowandvergleich
schwappte mit einer derartigen Vehemenz durch das deutschsprachige Internet, dass der Begriff
„Klowände" tagelang zu einem der meistgesuchten Wörter im Blogverzeichnis Technorati.com
avancierte. Elf Tage nachdem von Matts Mail auf verschiedenen Blogs publiziert worden war,
schrieb das Handelsblatt unter dem Titel „Die Wut der Klowände: Der Hamburger Werbestar
Jean-Remy von Matt beschädigt mit einer internen E-Mail sein Image."178 Von dem lautstarken
Feedback der Blogger war von Matt sichtlich überrascht und sah sich dazu veranlasst, wenig
später eine Art Entschuldigung an mehrere Weblog-Autoren zu senden.179 Ganz offenbar hatte
selbst ein Kommunikationsprofi wie er die Möglichkeiten und die virale Macht der Blogosphä-
re unterschätzt und stand zunächst dem neuen Medium relativ hilflos gegenüber. Mittlerweile
nutzen von Matt und seine Mitarbeiter die ehemals beschimpften „Klowände" selber und blog-
gen zu Arbeiten der Agentur und Fundstücken im Netz.180 Eine Suche bei Google mit dem
Suchbegriff „Jean Remy von Matt" lieferte im Herbst 2009 bereits als zweiten Treffer einen
Eintrag aus der eben beschriebenen Geschichte und das beinahe vier Jahre nachdem der Vorfall
stattfand.

174
Vgl. Loew/Ankele/Braun/Clausen (Bedeutung der CSR-Diskussion, 2004), S. 5
175
Grünbuch (Europäische Rahmenbedingungen, 2001), S. 8
176
Wikipedia (Du Bist Deutschland, 2009)
177
Scholz (Jean-Remy von Matt ist beleidigt, 2006)
178
Vgl. Oetting (Wie Web 2.0 das Marketing ruiniert, 2006), S. 177f.
179
Vgl. Dambeck (Von Matt entschuldigt sich, 2006)
180
Vgl. http://blog.jvm-neckar.de/, Seitenaufruf am 28.10.2009
4.3 Unternehmensreputation und Vertrauen als Erfolgsfaktoren 71

Ein weiteres Beispiel für die Macht von Social Media ist der Fall des US-Fahrradschloss-
herstellers Kryptonite. Im September 2004 wurde in einem Forum darauf hingewiesen, wie ein
„Kryptonite-Fahrradschloss", das bis dahin als äußerst zuverlässige Diebstahlsicherung galt,
allein mit einem Kugelschreiber geknackt werden kann.181 Zusätzlich wurde ein Video aufge-
nommen, um zu demonstrieren, wie das Schloss innerhalb weniger Sekunden mühelos geöffnet
werden kann. Einen Tag später wurde das Thema von einigen renommierten Blogs aufgegrif-
fen und gleichzeitig weitere Videos gepostet. Kryptonite selbst zeigte zunächst überhaupt keine
Reaktion. Auf der Homepage des Herstellers war kein Eintrag zu dem beschriebenen Problem
zu finden. Erst nachdem die Aufmerksamkeit und die Empörung in der Blogosphäre immer
weiter zunahmen, sah sich der Hersteller genötigt, Stellung zu beziehen. Allerdings war die
Reaktion völlig unangemessen: Kryptonite flüchtete sich in Dementis und versuchte, den of-
fensichtlichen Makel mit der Aussage zu vertuschen, dass das Schloss fehlerfrei funktioniert.
In der Folge wurde die Story von Zeitungen wie CNN, Wired, Associated Press, Boston Glo-
be182 und New York Timesx%i aufgegriffen. Daraufhin zog die Firma Kryptonite die Notbremse
und startete eine nationale Rückrufaktion für die betroffenen Fahrradschlösser - mit Kosten für
das Unternehmen in Höhe von 10 Millionen US-Dollar und einem nicht zu unterschätzenden
Imageverlust.184
Das Beispiel Kryptonite zeigt, dass sich die (Krisen-)PR heutzutage vollkommen neuen Rah-
menbedingungen stellen und neue Methoden und Instrumente zur Begegnung aufkeimender
Krisen anwenden muss.
Sicherlich liegt der Kryptonite-Fall schon mehrere Jahre zurück, aber auch in der jüngs-
ten Vergangenheit gab es immer wieder ähnliche Vorfälle. So erlebte das US-amerikanische
Gastronomie-Unternehmen Kentucky Fried Chicken/Taco Beils gerade ein ähnliches Desaster.
Im Februar 2009 wurde von Passanten durch die Scheibe eines geschlossenen Restaurants in
New York eine Horde Ratten gefilmt. Kurze Zeit später rückten die ersten Kamerateams an
und man konnte die Ratten auf mehreren TV-Kanälen verfolgen. Darüber hinaus wurden die
Aufnahmen über mehrere Video-Sharing-Plattformen im Internet verbreitet. Auch in den deut-
schen Medien wurde der Vorfall aufgegriffen, beispielsweise von der MZ 1 8 5 und vom Spie-
gel.™6 Mittlerweile hat der Mutterkonzern YumIBrands über 20 Millionen US-Dollar in eine
Wiedergutmachungs-Kampagne gesteckt und verlor trotzdem vehement Marktanteile.187
Solche Zwischenfälle können heute durch die hochvernetzte und multimediale Medienwelt
in kürzester Zeit zu existenziellen Problemen für jede Marke heranwachsen. Was aber mindes-
tens genauso schwer wiegt: Die Meldung verschwindet vielleicht morgen aus den klassischen
Massenmedien, aber im Netz ist sie meist noch lange zu finden.
Auch in Deutschland haben Firmen immer wieder mit Negativ-Schlagzeilen zu kämpfen, die
ihren Ursprung teilweise in einem inadäquaten Umgang mit Social Media haben. So der Fall
des Klingeltonanbieters Jamba: im Dezember 2004 veröffentlichte der Autor Johnny Haeusler
in seinem Blog „Spreeblick" einen viel beachteten Beitrag, der Jambas Geschäftspraktiken kri-

181
Vgl. Bikeforums (Your brand new bicycle, 2004)
182
Vgl. Kerber (Cyclists, 2004)
183
Vgl. Polgreen (The Pen Is Mightier Than the Lock, 2004)
184
Vgl. Fischer (Die Entwicklung von Weblog-Issues, 2006), S. 249
185
Vgl. Lindner (Die munteren Ratten von Kentucky Fried Chicken, 2007)
186
Vgl. Spiegel Online (Ratten und Kakerlaken, 2007)
187
Vgl. Treichl (Mundpropaganda: Fluch und Segen, 2007)
72 4 Einflüsse von Social Media auf die Untemehmenskommunikation

tisierte.188 In den Kommentaren zu diesem Artikel versuchten Jamba-Mitarbeiter - ohne ihre


wahre Identität preiszugeben - das Geschäftsmodell ihres Arbeitsgebers zu verteidigen. In der
Folge wurde Haeuslers Kritik von vielen weiteren Blogs aufgegriffen und löste ein signifikantes
Medienecho auch außerhalb des Internets aus. Auch Aktivisten und Politiker nahmen sich des
Themas an und kritisierten Jambas Geschäftsmodell. Obwohl dieser Fall keine unmittelbaren
wirtschaftlichen Konsequenzen für Jamba hatte, ist er doch aus zweierlei Sicht bemerkenswert.
Zum einen ist die falsche Reaktion aus dem Hause Jamba diskussionswürdig. Zum anderen ist
jedoch vor allen Dingen die Tatsache erstaunlich, dass es erstmals deutschen Blogs gelang, ein
Thema in die Medien zu treiben und zu gewinnen.
Es gibt auch in der Offline-Welt viele Fälle von fragwürdiger Unternehmenspolitik. Ein be-
sonders erschreckendes Beispiel für schlechte PR und Krisenmanagement lieferte in jüngster
Vergangenheit das schwedische Energie-Unternehmen Vattenfall. Im Juni 2007 kam es zu ei-
ner Pannenserie in zwei schleswig-holsteinischen Atomkraftwerken des Vattenfall-Konzerns,
die in der Folge per Schnellabschaltung vom Netz genommen werden mussten.189 Nach Tagen
im Rampenlicht hatte der Konzern noch immer keine offene und konsequente Kommunika-
tionsstrategie gefunden. Die Auswirkungen des aktuellen Kommunikations-Gaus sind bereits
deutlich spürbar: Seit diesen Vorfällen haben fast 200.000 deutsche Kunden Vattenfall die Kün-
digung geschickt und den Stromanbieter gewechselt.190 Auch wenn der Auslöser dieses Ereig-
nis nicht im Internet zu suchen ist, werden solche Themen trotzdem intensiv im Web diskutiert
und führen zu einer Negativ-Darstellung des Unternehmens.
An dieser Stelle muss die Unternehmenskommunikation ansetzen. Es gilt, die Möglichkeiten
von Social Media zur Kommunikation zu nutzen und das verlorene Vertrauen bei wichtigen Be-
zugsgruppen zurückzugewinnen. Es wird zukünftig immer dringlicher, im Internet an den rich-
tigen Stellen mit den richtigen Kontakten konstruktiv zu kommunizieren. Social Media eröffnet
die Chance zur direkten Kommunikation mit den Interessengruppen des Unternehmens. Und
nur über Kommunikation ist eine positive Außendarstellung zu gewährleisten. Viele problema-
tische Entscheidungen von Unternehmen leiden an einem Kommunikationsdefizit. Fehlendes
Hintergrundwissen und unsichere Informationen führen dazu, dass unternehmerische Handlun-
gen besonders kritisch betrachtet werden. Häufig hat Unternehmenskommunikation in solchen
Momenten ein „Vermittlungsproblem". Dies mündet schließlich in einer sinkenden Unterneh-
mensreputation und in einem Vertrauensverlust. Social Media kann hier eine Brücke schlagen
und den angesprochenen Kommunikationsdefiziten vorbeugen. Der unmittelbare Dialog mit
den relevanten Stakeholdern rückt immer mehr in den Mittelpunkt, wenn ein Unternehmen
langfristig erfolgreich operieren will. Ergreift ein Unternehmen die Chance zum Dialog nicht,
so finden die Gespräche ohne das Unternehmen statt.
Wenngleich Social Media stets auch das Risiko von Kontrollverlust für ein Unternehmens mit
sich bringt, so sind die Gefahren einer Nichtkommunikation ungleich höher einzuschätzen. Der
falsche Umgang mit den neuen Medien birgt eine wachsende Skandalisierungsgefahr und einen
drohenden Reputationsverlust. Durch die neuen Möglichkeiten des Internets kommt es immer
mehr zu einem Wettbewerb der Kommunikation, statt zu einem reinen Produktwettbewerb.
Dieser Wettbewerb ist zudem von größer werdender Transparenz und einer Omnipräsenz der
Stakeholder geprägt. Der Ausspruch des Kommunikationswissenschaftlers Watzlawick „Man
188
Vgl. Haeusler (Jamba Kurs, 2004)
189
Vgl. Pomrehn (Pannenserie in Vattenfall-AKWs, 2007)
190
Vgl. Tagesschau.de (Vattenfall verliert fast 200.000 deutsche Kunden, 2007)
4.4 Vom Monolog zum Kundendialog 73

kann nicht nicht kommunizieren"191 gewinnt dadurch immer mehr an Bedeutung.


Unternehmen müssen sich dieser Herausforderung stellen, denn besonders für die Online-
kommunikation im Internet gilt ein klassischer Marketing-Grundsatz: „Wer Kommunikation
beeinflussen will, muss Teil von ihr werden." Diese Aussage gewinnt in Zeiten von Social Me-
dia zusätzlich an Bedeutung. Dieser Grundsatz spiegelt sich auch im so genannten „Cluetrain
Manifest" wider.192 Dabei handelt es sich um eine Sammlung von 95 Thesen über das Verhält-
nis von Unternehmen und ihren Kunden im Zeitalter des Internets, das 1999 von vier Marke-
tingexperten veröffentlicht wurde. Eine Kernaussage dieser Arbeit war die These: „markets are
conversations", also „Märkte sind Gespräche". Die Autoren sagten voraus, dass die vernetzten
Konversationen des Internets, den Konsumenten mit einer neuen Macht ausstatten, sogar mit
einer Überlegenheit bezüglich des Produktwissens. Die Konsumenten wüssten mehr als das
Unternehmen über dessen Produkte und sie tauschten sich schonungslos aus. Für Unterneh-
men sind daher Strategien, Instrumente und Maßnahmen gefragt, die es auf authentische Art
und Weise ermöglichen, Teil der Kommunikation im Zielmarkt zu werden. Social Media bietet
Unternehmen die Möglichkeit zur Teilnahme an diesen Gesprächen.

4.4 Vom Monolog zum Kundendialog


Welche Macht und Dynamik der regen Nutzung von Social Media innewohnt, wurde im vor-
angegangenen Abschnitt angedeutet. Die geschilderten, aus Unternehmenssicht sehr negativen
Beispiele, sind jedoch eher die Ausnahme. In 99 Prozent der Fälle sind die entstehenden Dis-
kussionen im Netz konstruktiv oder harmlos. Allerdings: „Das restliche 1 Prozent wird [... ]
zum Sprengsatz, wenn sie falsch reagieren oder es (arrogant) ignorieren."193
Die direkte Kommunikation mit Kunden und Geschäftspartnern via Weblogs, Twitter etc.
birgt vielfältige Potenziale der Geschäftsanbahnung, Kundenbeeinflussung und -bindung sowie
der Bewältigung von Krisensituationen.
In seinen Anfangsjahren wurde das Web von Unternehmen vorrangig als weiterer Distribu-
tionskanal für Leistungen, Produkte, PR- und Werbebotschaften genutzt. Die Kommunikation
entsprach einer Massenkommunikation, die von möglichst vielen Empfängern bemerkt und an-
schließend befolgt werden soll. Auch heute ist diese Methode noch gängige Praxis. Allerdings
hat in den Kommunikationsabteilungen mittlerweile ein Umdenken eingesetzt. So steht in Zei-
ten des Social Media der Dialog mit wichtigen Bezugsgruppen im Vordergrund. 194
Eine Voraussetzung für einen funktionierenden Dialog ist Glaubwürdigkeit. Offene und ehr-
liche Inhalte werden vonseiten der Nutzer gefordert und ein wesentliches Ziel der Unterneh-
menskommunikation sollte ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit sein. Lügen, Verschleiern, Ma-
nipulieren und Schönwetter-Kommunikation schaden der Glaubwürdigkeit von Unternehmen
bekanntermaßen, was auch Studien unterstreichen.195 Entscheidend für die Glaubwürdigkeit
sind demnach Wahrheit, Transparenz und Übereinstimmung von Reden und Handeln. Eine

191
Watzlawick/Beavin/Jackson (Menschliche Kommunikation, 2003), S. 53
192
Vgl. http://cluetrain.de, Seitenaufiuf am 28.10.2009
193
Pohlmann (Im Dialog mit dem Kunden: Wie eingreifen?, 2006)
194
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 346ff.
195
Vgl. Huck/Hytrek/Kupczyk/Stehle (Glaubwürdigkeit, 2005)
74 4 Einflüsse von Social Media auf die Untemehmenskommunikation

authentische Kommunikation kann die Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinen Be-
zugsgruppen nachhaltig verbessern und intensivieren.
Nach Pleil hat sich die externe Unternehmenskommunikation von einer digitalisierten PR -
die sich im Web überwiegend auf Einwegkommunikation beschränkte - zu einer Cluetrain-PR
entwickelt, die die Chance zur Konversation nutzt, etwa durch den Einsatz von Social Media.196
Die Internetnutzer werden hier nicht mehr als reine Empfänger von Botschaften und Informa-
tionen betrachtet, sondern als Kommunikationspartner, die sich in Netzwerken organisieren.
Dieser neue Ansatz eröffnet vielfaltige Möglichkeiten von Marketing von neuen Geschäftsmo-
dellen bis hin zu einer Identifikation des Kunden mit dem Unternehmen, die mit klassischer
Kommunikation nur schwer möglich ist.
Die klassische Werbung und PR stößt, wie bereits erläutert, immer mehr an ihre Grenzen.
Die gängigen Strategien und Taktiken der Werbebranche werden von den Verbrauchern regel-
mäßig durchschaut. Werbebotschaften werden immer weniger wahrgenommen und beachtet
und die Skepsis gegenüber den vermittelten Botschaften steigt. Und je intensiver die Werbung
auf die Abnehmer einprasselt, umso stärker ausgeprägt sind die Vermeidungstendenzen.197 Zur
Wirksamkeit von klassischer Werbung äußerte sich Maurice Lévy, Vorstandsvorsitzender der
internationalen Werbeagentur Publicis wie folgt: „In der Tat verstehen Verbraucher heute mehr
und mehr die Mechanismen des Marketings. Wenn wir künftig nicht als Eindringlinge empfun-
den werden wollen, ist intelligentere, humorvollere Ansprache gefragt."198
Die Nutzer bestimmen heute selbst, wann sie mit wem über welchen Kanal kommunizieren
möchten. In hohem Maße bewegen sich Konsumenten heutzutage im Internet und sind in Blogs,
Wikis und Social Networking-Plattformen etc. aktiv. Unternehmen müssen auf diese Entwick-
lung reagieren. Dabei eignet sich Social Media in idealer Weise dazu die Glaubwürdigkeit und
Integrität von Unternehmen unter Beweis zu stellen und Vertrauen zu schaffen.
Hierfür ist ein strukturiertes Vorgehen auf der Grundlage eines systematischen Social-Media
Monitorings gefordert. Unternehmensbezogene Äußerungen von Bezugsgruppen und Mei-
nungsmachern sollten regelmäßig beobachtet und analysiert werden. Es sollte auch versucht
werden, die Beweggründe für entsprechende Aktivitäten zu deuten. Schließlich gilt es über at-
traktive Inhalte die Aufmerksamkeit der Bezugsgruppen zu wecken und über die Feedback- und
Dialogmöglichkeiten von Social Media stabile Beziehungen zu den Kommunikationspartnern
aufzubauen.199
Aus Kunden sind im Social-Media-Zeitalter auf einmal Inhalte-Produzenten geworden, die
Kontakt mit dem Unternehmen suchen und aufnehmen. Wenn ein Unternehmen sich nicht auf
diese Form der Kommunikation einlassen will, so besteht zum einen die Gefahr, dass es jegliche
Kontrolle über die im Internet stattfindenden Gespräche verliert. Und zum anderen verpasst es
damit die Chance, zu erfahren, welche Bedürfnisse und Wünsche Kunden und andere wichtige
Bezugsgruppen haben. Wer auf den Kundendialog via Social Media verzichtet, verschenkt ein
enormes Kommunikationspotenzial und gibt Marktvorteile aus der Hand, die eventuell dann
von anderen Konkurrenten genutzt werden.200
Das Verhalten von Verbrauchern, insbesondere ihr Kaufverhalten und die Entscheidungs-
196
Vgl. Pleil (Online-PR, 2007), S. 16ff.
197
Vgl. Oetting (Wie Web 2.0 das Marketing ruiniert, 2006), S. 179f.
198
Lévy, zitiert in: Recke (Absturz unvermeidlich, 2007)
199
Vgl. PleiVZerfaß (Internet und Social Software, 2007), S. 522
200
Vgl. Eck (Corporate Blogs, 2007), S. 22f.
4.5 Von der Push- zur Pull-Kommunikation 75

grundlagen für die Wahl ihrer Anbieter und das gesamte Kommunikationsverhalten haben sich
geändert. Verbraucher sind insgesamt kritischer und auch wählerischer geworden. In Anbe-
tracht der schier unerschöpflichen Vielfalt von Angeboten sind sie aber auch häufig mit einer
Orientierungslosigkeit konfrontiert. Viele potenzielle Käufer fühlen sich mit ihren ganz in-
dividuellen Bedürfnissen und Anforderungen allein gelassen und nicht ernst genommen. Sie
befürchten, in der breiten Masse als Individuum unterzugehen. In vielen Branchen sind heu-
te also wieder Anbieter gefragt, die ihren Kunden Orientierung bieten, die mit absoluter Zu-
verlässigkeit und Glaubwürdigkeit in der Lage sind, mit ihren Kunden eine vertrauensvolle
Geschäftspartnerschaft einzugehen. Instrumente wie Weblogs und Wikis bieten den Unterneh-
men die Chance, über eine ungefilterte und authentische Kommunikation die Bedürfnisse ihrer
Kunden kennenzulernen und durch eine möglichst individuelle und kundenorientierte Informa-
tionsversorgung Orientierungsanker zu setzen und Vertrauen aufzubauen.

4.5 Von der Push- zur Pull-Kommunikation


Traditionelle Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen bleiben gerade aus dem Grund häu-
fig wirkungslos, weil sie an den Bedürfnissen der Zielperson vorbeigehen. Klassische Wer-
bung funktionierte jahrzehntelang nach dem Stimulus-Response-Prinzip: Man sendet Reize
aus und die Empfänger reagieren entsprechend oder nicht. Eine verstärkt senderlastige Kom-
munikation geht nicht auf den Empfänger ein und vernachlässigt damit den sozialen Aspekt
von Kommunikation. Im Ergebnis wird diese Art der Kommunikation auch mehrheitlich abge-
lehnt. Zielgerichtete und damit erfolgreiche Kommunikation sieht anders aus: Man muss sich
in die Zielperson hineinversetzen können und die Bedürfnisse der Zielperson ansprechen. Vor
diesem Hintergrund beschreibt Altenbach ein neues Kommunikationsmodell, welches er das
„Zwei-Ebenen-Beziehungsmodell des Dritten Weges" nennt.201 Altenbachs Ansatz ist: Der so
genannte Sender vollzieht in seinem Kopf einen Dreh um 180° zum so genannten Empfänger.
Demnach gehen die ersten Anstöße zur Kommunikation von der Zielperson aus. Die Zielperson
sagt dem Unternehmen, was sie von ihm will. Das Unternehmen koppelt daraufhin lediglich
zurück: Der Zielperson wird mitgeteilt, was sie bekommt. Die Zielperson entschließt sich nun
bestenfalls zu dem vom Unternehmen gewünschten Handeln.
Jahrzehntelang setzten Firmen jedoch eher auf Lautstärke und auf Penetranz, um Kunden zu
erreichen. Kommunikation in ihrem eigentlichen Sinne wurde weitestgehend ignoriert. Doch
das Internet erfordert eine neue Tugend: Zuhören wird immer wichtiger. Denn Marketing ist
Reden - und Zuhören. 202 Dies muss jedoch nach Jahrzehnten des Monologs via Massenme-
dien von den meisten Unternehmen erst wieder gelernt werden. Das Internet bietet hierzu den
idealen Raum: „Das Internet schafft die Möglichkeit, den Kunden zuzuhören."203
Dabei bietet sich insbesondere Social Media an, um mit dem Kunden zu kommunizieren,
zu kooperieren oder den Kunden zu einem Teil der eigenen Wertschöpfungskette werden zu
lassen. Die Unternehmensstrategie in der Kundenansprache verschiebt sich mit den Möglich-
keiten von Social Media immer mehr von Push- zu Pull-Methoden. Push-Werbung ist, wie
bereits im Kapitel 2.2.2 angesprochen, durch eine aggressive Informationsüberflutung der Ziel-
201
Vgl. Altenbach (Der dritte Weg zur Zielperson, 2006), S. 19ff.
202
Vgl. Treichl (Marketing ist Reden, 2006)
203
Sixtus (Zuhören, bitte!, 2007)
76 4 Einflüsse von Social Media auf die Untemehmenskommunikation

grappe gekennzeichnet, vorzugsweise durch die traditionellen Massenmedien. Durch die stetig
steigende Informationsüberflutung der Zielgruppe sinken die Effektivität und das Aufwand-
Nutzen-Verhältnis dieser Werbemethoden. Dies ist vor allem den enormen Streuverlusten sol-
cher Werbemaßnahmen geschuldet, das heißt die mit der Werbemaßnahme erreichten Adres-
saten gehören nicht zur eigentlichen Zielgruppe. Viele Werbebotschaften verfehlen so ihr Ziel
oder werden bewusst ausgeblendet. Der Konsument entzieht sich der Auseinandersetzung mit
der Marke und ihrer Botschaft.
Ziel der Pull-Kommunikation hingegen ist es, dass die Zielkunden aktiv werden und selb-
ständig angebotene Informationen und Services abfragen und nutzen. Werbebotschaften und
-inhalte müssen für den Kunden so interessant sein, dass er eine Kommunikation von sich aus
initiiert. Rückmeldungen des Kunden werden zur Gestaltung des Marketings und auch der
angebotenen Leistungen selbst mit einbezogen. 204
Social Media eignet sich zur Unterstützung des Wandels der Marketingkommunikation vom
Informations-Push zum Informations-Pull. Deren Möglichkeiten erlauben es, eine Marke und
ein Unternehmen fühlbar und transparent zu machen, individuelle Dialoge zwischen dem Un-
ternehmen und seinen Bezugsgruppen zu führen sowie Räume zur Mitgestaltung der Marken-
kommunikation zu öffnen.
Die Anpassung der Unternehmenskommunikation klassischer Prägung an die neuen Gege-
benheiten ist jedoch nicht einfach und erfordert ein Umdenken in vielfaltiger Richtung, das
nicht zuletzt auch die Unternehmenskultur tangiert: „weg vom streng geregelten Umgang mit-
einander und der auf Hochglanz polierten Außendarstellung, hin zu einer fehlertoleranten, dia-
logorientierten und offenen Kultur, innen wie außen." 205 Nicht mehr die eingleisige, mono-
logisierende Massenansprache einer mehr oder weniger anonymen Klientel führt zum Erfolg,
sondern der individuelle, auf die genauen Bedürfnisse ausgerichtete Dialog mit dem Kunden
über vielerlei verschiedene Social-Media-Kanäle.

4.6 Verlust der Kommunikationshoheit


Der Gedanke, Internetnutzer aktiv am Marketing und der Produktentwicklung zu beteiligen,
lässt viele Unternehmen vor der Einführung und Nutzung von Social Media zurückschrecken.
Viele Führungskräfte von Unternehmen wollen die Hoheit über ihre Marken nicht aus der
Hand geben und fürchten einen Kontrollverlust. Allerdings lässt sich im digitalen Zeitalter
des Web 2.0 die Partizipation von Kunden, Mitarbeitern und weiteren Interessensgruppen nicht
verhindern. Und gerade die Beteiligungsmöglichkeiten von Social Media führen dazu, dass
Marketing im Internet funktioniert. Letztlich entscheidet immer der Kunde, was funktioniert
und was nicht. Klassische Werbung wird unter anderem auch deshalb von Kunden abgelehnt,
weil sie keinen Einfluss auf sie haben. 206
Die Konfrontation mit einem möglichen Verlust der Kommunikationskontrolle ist eine der
nachdrücklichsten Auswirkungen, die Social Media auf die Unternehmenskommunikation hat.
Teten/Allen äußern dies zugespitzt: "Businesses can't control the dialogue." 207 Allerdings ist
204
Vgl. Göhring/Happ/MüUer (Web 2.0 im Kundenmanagement, 2006), S. 56
205
Silicon.de (Das Web 2.0 zwingt Unternehmen zum Dialog, 2007)
206
Vgl. Silicon.de (Das Web 2.0 zwingt Unternehmen zum Dialog, 2007)
207
Teten/Allen (10 cultural implications, 2006)
4.7 Digitale Mundpropaganda und Viralmarketing 77

der Verlust der Kommunikationskontrolle eigentlich nichts Neues: Kommunikation kann man
nicht kontrollieren. Auch vor dem Zeitalter des Internets konnten Organisationen bestenfalls
beeinflussen, was über sie und ihre Produkte „herumerzählt" wurde. Neu am Internet und
Web 2.0 ist allerdings, dass diese Gespräche so drastisch sichtbar werden und über Jahre hinweg
abrufbar sind. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft teilt diese Einschätzung: „Unternehmen
werden sich mittelfristig darauf einstellen müssen, dass sie die Kontrolle über ihr öffentliches
Bild nicht behalten können. Sie können lediglich Plattformen anbieten, um den Überblick zu
behalten und sich in die Kommunikation von Kunden, potentiellen Kunden oder Nicht-Kunden
einzuklinken."208 Unternehmen können im Web 2.0-Zeitalter die Diskussion über ihre Produkte
oder Dienstleitungen zwar anstoßen und damit einen gewissen Rahmen setzen, im weiteren
Verlauf aber kann diese Diskussion nicht mehr kontrolliert, sondern bestenfalls noch graduell
beeinflusst werden:"The marketer doesn't get to run the conversation. It's not really brand
journalism that's happening, you see. It's brand cocktail party! You get to set the table and
invite the first batch of guests, but after that the conversation is going to happen with or without

4.7 Digitale Mundpropaganda und Viralmarketing


Die Kultur des Austausche und Dialogs im Rahmen von Social Media hat zur Folge, dass sich
besondere Neuigkeiten und bemerkenswerte Ereignisse häufig wie das sprichwörtliche Lauf-
feuer im Internet verbreiten.210 Dazu tragen insbesondere Mikroblog-Dienste wie Twitter aber
auch klassische Blogs bei, da viele Blogger andere Blogs lesen, verlinken und kommentieren
und so für eine schnelle Verbreitung von Informationen sorgen.
Gleichzeitig bewirken die vielen Verlinkungen von Blogs, dass deren Inhalte gut durch Such-
maschinen wie Google erfasst werden und bei der Trefferanzeige auf vorderen Positionen plat-
ziert sind - ganz ohne dass die Blogbetreiber Ahnung von Suchmaschinen und der Suchma-
schinenoptimierung haben müssen.
In Zeiten von Social Media eröffnen sich für Mundpropaganda neue Dimensionen. Es stehen
nun Instrumente zur Verfügung, Empfehlungen dauerhaft mit einem weltweiten Publikum zu
teilen. Mundpropaganda in der Offline-Welt hat demgegenüber nur eine begrenzte Reichweite
und Haltbarkeit. Sie betrifft nur den Austausch mit einem begrenzten Personenkreis und sie ist
zudem relativ flüchtig.
Mund-zu-Mund-Propaganda über das Internet, häufig auch als digitale Mund-zu-Mund-Pro-
paganda bezeichnet, richtet sich an viele. Einmal veröffentlichte Inhalte sind auch noch nach
Jahren in den Treffern von Suchmaschinen präsent. Social-Media-Kanäle fördern digitale
Mundpropaganda maßgeblich und helfen dabei, Nachrichten über Unternehmen, Produkte,
Events oder Marken innerhalb einer Community weiterzutragen.
Bereits aus der Offline-Welt ist die Macht der Mund-zu-Mund-Propaganda in ihrer negativen
und positiven Wirkung bekannt. Marketing-Faustregeln gehen davon aus, dass ein zufriedener
Kunde weitaus weniger oft positive Informationen über ein Produkt oder ein Unternehmen an
andere weitergibt, verglichen mit negativen Information bei einer Unzufriedenheit. Schlüssel-
208
BVDW (Web 2.0-Anwendungen, 2006), S. 1
209
Godin (Brand Journalism?, 2004)
210
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 53ff.
78 4 Einflüsse von Social Media auf die Untemehmenskommunikation

aufgabe der Unternehmenskommunikation ist es folglich, positives Feedback zu erleichtern und


negatives Feedback zu vermeiden, was insgesamt durch zufriedene Kunden gefördert werden
kann. Nach einer Umfrage unter den 500 der am schnellsten wachsenden Unternehmen der
USA ist die digitale Mundpropaganda bei 82 Prozent der Unternehmen die beliebteste Werbe-
form. 211 Investitionen in digitale Mundpropaganda rangieren in den Nennungen bei Ausgaben
für Werbung weit vor E-Mail-Marketing (58 Prozent) und Suchmaschinen-Marketing (51 Pro-
zent). Eine direkte Kausalität zwischen digitaler Mundpropaganda und Unternehmenserfolg
herzustellen, ist aufgrund dieser Informationsbasis zwar nicht zulässig. Dennoch ist es offen-
sichtlich, dass erfolgreiche, in diesem Fall schnell wachsende Unternehmen sich der Wirkung
von Mundpropaganda bewusst sind und versuchen darauf gezielt Einfluss zu nehmen.
Dass Mundpropaganda generell einen starken Einfluss auf Kaufentscheidungen hat, belegen
die bereits angeführten Studien. Auch das Marktforschungsinstitut Nielsen unterstreicht dies
durch seine Studie „Online Global Consumer Study 2007". 212 Danach besitzen Empfehlungen
von anderen Konsumenten die höchste Glaubwürdigkeit und sind damit am relevantesten für
Kaufentscheidungen. "Even so, the recommendation of someone else remains the most trusted
sources of information when consumers decide which products and services to buy." so David
McCallum vom Nielsen-Institut. Mit 78 Prozent ist Mundpropaganda dem entsprechend die
glaubwürdigste Werbeform.
Mit der wachsenden Bedeutung von digitaler Mundpropaganda gewinnen Individuen Me-
dienmacht und nutzen sie, um Meinungen zu Produkten, Marken und Dienstleistungen zu
streuen. Auf Social-Media-Portalen loben und kritisieren Nutzer nach Belieben. Und so fin-
det im Internet immer mehr Marketing statt, das von Unternehmen nur ansatzweise gesteuert
und geplant werden kann. Verbraucher produzieren heute mehr Marketing-Informationen als
Unternehmen selbst. 213
Der Versuch, auf digitale Mundpropaganda steuernd Einfluss zu nehmen und damit das En-
gagement von vielen für die eigenen Marketingbelange nutzbar zu machen, ist ein Kernin-
halt des Viralmarketings. Viralmarketing beschreibt das gezielte Auslösen und Kontrollieren
von Mund-zu-Mund-Propaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren
Leistungen. Dabei sind für Viralmarketing vor allem Gelegenheitsempfehlungen relevant, also
Empfehlungen, die sich kurzfristig und situativ ergeben. Viralmarketing basiert auf den glei-
chen Mechanismen der Verbreitung von Inhalten, die auch bei der digitalen Mundpropaganda
gegeben sind. Durch das Engagement vieler Einzelner werden Informationen immer weiterge-
tragen, so dass sie sich im Idealfall epidemisch, ähnlich wie bei einer Virusinfektion verbreiten.
Ansonsten unterscheidet sich Viralmarketing aber von der normalen digitalen Mundpropagan-
da.
Viralmarketing will in einer überschaubaren Zeit ein bestimmtes Kommunikationsziel errei-
chen, zum Beispiel die Erzielung möglichst vieler Markenkontakte. Es hat von daher einen
Kampagnencharakter und ähnelt dem Vorgehen einer terminierten Werbekampagne. Man ge-
neriert mittels attraktiver, meist emotional ansprechender Inhalte (lustige Videoclips, nützliche
Applikationen, aufsehenerregende Informationen etc.) Anreize, diese weiterzuempfehlen, um
Bekannten etwas Gutes zu tun. Die Verbreitung der entsprechenden Inhalte wird gezielt ange-
stoßen, indem man zum Beispiel ausgewählte Meinungsführer beim Kampagnenstart kontak-
21
'Vgl. Inc. Magazine (The Big Picture, 2006)
212
Vgl. Nielsen (Word-of-Mouth the Most Powerful Selling Tool: Nielsen Global Survey, 2007)
2l3
V g l . Oetting (Wie Web 2.0 das Marketing ruiniert, 2006), S. I83f.
4.7 Digitale Mundpropaganda und Viralmarketing 79

tiert. Es erfolgt zudem in der Regel ein Kampagnentracking bzw. eine laufende Erfolgskontrol-
le. Viralmarketing ist per se an kein spezifisches Medium gebunden. Aber gerade das Internet
bietet sich als ideales Verbreitungsmedium an, weil sich Informationen damit sehr einfach und
sehr schnell verbreiten lassen und es zudem eine fast unbegrenzte Rechweite aufweist.
Viralmarketing lässt sich nach Art der Konsumentenbeteiligung in eine aktive und passive
Variante unterteilen. Das aktive Viralmarketing basiert auf der natürlichen Form der Weiter-
empfehlung. Hierbei wird der Konsument selbst aktiv und leitet einer anderen Person zum
Beispiel einen nützlichen Link per EMail weiter. Bei der passiven Variante wird die Marken-
botschaft über die Nutzung eines bestimmten Dienstes, zum Beispiel eines bestimmten EMail-
Programmes verbreitet. Diese Art des Viralmarketings wurde vor allem durch das Internet
geprägt.214 Als Pionier und klassisches Beispiel für passives Viralmarketing gilt der EMail-
Service Hotmail?15 Seit seiner Gründung 1996 waren alle E-Mails am Ende mit einem Emp-
fehlungslink versehen: "Get Your Private: Free Email at http://www.hotmail.com". Vor allem
diese Verlinkung verhalf Hotmail allein in den ersten 1,5 Jahren zu 12 Millionen Abonnenten.
Außerdem gab Hotmail vom Start bis zum zwölfmillionsten Nutzer weniger als 0,5 Millionen
US-Dollar für Werbung und Marketing aus - nur ein Bruchteil dessen, was andere Konkurren-
ten von Hotmail für Marketing einsetzten. Bezeichnend war auch die Entwicklung in Indien:
Nachdem der erste Hotmail-Nutzer aus Indien eingetreten war, folgten 100.000 weitere inner-
halb von drei Wochen - obwohl es damals in Indien nie eine Marketingkampagne für Hotmail
gegeben hat.216
Auch mit dem kostenlos angebotenen, und sich schnell verbreitenden Moorhuhn-Spiel von
Johnny Walker wurden gezielt virale Effekte genutzt. Sie förderten letztendlich die Marken-
Bekanntheit und führten zu einem Imagegewinn des Whisky-Herstellers.217
Ein weiteres Erfolgsbeispiel stellte die virale Kampagne des Films The Blair Witch Project
dar. Diese trug dazu bei, dass mit einem Filmbudget von 2,5 Millionen USDollar und einem
Marketing-Etat von 25 Millionen USDollar durch den medialen Hype an der Kinokasse letztlich
über 250 Millionen USDollar erzielt wurden. Damit ist The Blair Witch Project einer der Filme
mit den höchsten Einnahmen im Verhältnis zu seinen Kosten, der je gedreht wurde.218
Die Gründe für den Erfolg solcher viralen Kampagnen liegen in der besonderen Charakte-
ristik von Mund-zu-Mund-Propaganda. Diese unterscheidet sich auf vielfache Weise von der
klassischen werblichen Kommunikation. Mundpropaganda ist sehr gezielt und hat nicht mit
den Streu Verlusten von klassischer Werbung zu kämpfen. Denn Empfehlungen in Form von
Mundpropaganda werden in der Regel nur gegeben, wenn man davon ausgehen kann, dass die
Informationen dem Gegenüber - seien es Bekannte oder Freunde - auch einen Nutzen bringen.
Des Weiteren genießt Mundpropaganda eine sehr hohe Glaubwürdigkeit, da Privatpersonen,
wenn sie über Marken, Produkte und Dienstleitungen sprechen, gewöhnlich keine finanziellen
Interessen damit verbinden.
Das Auslösen von viralen Effekten mittels digitaler Mundpropaganda und gezielten Viral-
Marketing-Kampagnen, die jeweils ein unterschiedliches Vorgehen erfordern und auch auf un-
terschiedliche Ergebnisse abzielen, kann eine effektive und effiziente Möglichkeit zur Errei-
2U
Vgl. Langner (Viral Marketing, 2005), S. 28f.
215
Vgl. http://www.hotmail.com, Seitenaufruf am 18.10.2010
2!6
Vgl. Recklies (Viral-Marketing, 2001)
217
Vgl. Biirkle (Was hat das Moorhuhn Johnnie Walker gebracht?, 2003)
218
Vgl. Wikipedia (Blair Witch Project, 2007)
80 4 Einflüsse von Social Media auf die Un tem ehmen skomm un ika tion

chung von Kommunikationszielen sein. Es müssen aber bestimmte, an späterer Stelle noch
erläuterte Voraussetzungen vorliegen und man sollte sich von vornherein von der Vorstellung
verabschieden, dass diese Art der Zielerreichung einfach zu realisieren sei.

4.8 Bedeutungsgewinn der internen


Unternehmenskommunikation
Momentan ist nicht nur die externe Kommunikation mit umgreifenden Änderungen konfron-
tiert, auch die innerbetriebliche Kommunikation steht durch den Einsatz von Social Media vor
neuen Herausforderungen und Chancen. Denn obgleich Social Media momentan vor allem
im öffentlichen Raum stattfindet, eröffnet es auch für den ausschließlich internen Einsatz im
Unternehmen verschiedene Einsatzmöglichkeiten und -potenziale.
Diese Einschätzung wird inzwischen von mehreren Untersuchungen bestätigt.219 Nach einer
Studie von McKinsey bezüglich des Einsatzes von Web 2.0-Diensten im Unternehmen waren
die Befragten überwiegend zufrieden mit den Investitionen. Nur 13 Prozent gaben an, ihre
Erwartungen seien nicht erfüllt worden. 220
Auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft bestätigte, dass Web2.0-Anwendungen ein be-
achtliches Potenzial für Unternehmen haben können. „Web2.0-Anwendungen bieten den Un-
ternehmen ein hervorragendes Potenzial, ihre Prozesse zu optimieren und in der Außenkom-
munikation und im Marketing dialogorientierter vorzugehen, als das bisher der Fall ist."221
Dabei dürfen jedoch bestimmte Erfolgsfaktoren nicht außer Acht gelassen werden. Das bloße
Bereitstellen von Web2.0-Services und Social Media im Unternehmen genügt nicht, um die
angestrebten Ziele zu erreichen.
Der Einsatz von Web2.0-Paradigmen im Unternehmensumfeld wird häufig unter dem Ober-
begriff „Enterprise 2.0" zusammengefasst, für den noch keine einheitliche Definition existiert.
McAfee, der den Begriff zuerst geprägt hat, fasst ihn folgendermaßen zusammen: "Enterprise
2.0 is the use of emergent social software platforms within companies, or between companies
and their partners or customers."222 Eine knappe aber treffende Beschreibung des Begriffs lie-
fert Cavazza in seinem Blog. Er umschreibt Enterprise 2.0 als "using inside an enterprise the
successful tools of web 2.O."223

219
Vgl. Berlecon Research (Web 2.0 in Unternehmen, 2007)
220
Vgl. The McKinsey Quarterly (How businesses are using Web 2.0, 2007)
221
BVDW (Web 2.0-Anwendungen, 2006), S. 1
222
McAfee (Enterprise 2.0, Version 2.0, 2006)
223
Cavazza (What is Enterprise 2.0?, 2007)
5 Social Media als Instrument der
Marktforschung
5.1 Begriffliche Grundlagen
Die Fülle der an die Öffentlichkeit gerichteten nutzergenerierten Inhalte in Weblogs, Kommen-
taren, auf Produktbewertungsseiten etc. und der beobachtbare Austausch in sozialen Netzwer-
ken und anderen Social-Media-Anwendungen eröffnen der Marktforschung neue, hervorragen-
de Möglichkeiten der Informationsgewinnung. Die Marktforschung zielt darauf ab, Marketin-
gentscheidungen durch die systematische Beschaffung, Aufbereitung und Analyse von mark-
trelevanten Informationen zu unterstützten. Die Informationsgewinnung kann dabei methodisch
zum einen durch die Auswertung bereits erhobener Daten oder vorliegender Veröffentlichungen
und Ergebnisse erfolgen. Das wird als Sekundärforschung oder als „desk research" bezeichnet.
Falls das verfügbare Material keinen hinreichenden Erkenntnisgewinn sicherstellt, besteht zur
Beantwortung eigener Fragestellungen zum anderen die Möglichkeit, neue, bisher nicht erfass-
te Marktdaten im Rahmen einer Primärforschung zu erheben. Eine Primärerhebung, auch als
„field research" bezeichnet, ist beispielsweise dann erforderlich, wenn es darum geht, Userein-
schätzungen zu einer bestimmten Marke in Online-Foren zu identifizieren, hierzu liegen aber
keine zugänglichen Veröffentlichungen vor. Die eigene Erhebung von im Internet verfügbaren
Daten und damit die Feldforschung kann heute mittels eines PC vom Schreibtisch aus erfol-
gen. Dies verdeutlicht, dass klassische Begriffe und Schemata der Marktforschung, wie zum
Beispiel die Abgrenzung von desk und field research, durch neue Möglichkeiten der Online-
kommunikation ihren Sinn verlieren.
Im Rahmen der Primärforschung werden üblicherweise folgende Erhebungsarten unterschie-
den, die noch danach differenziert werden können, ob sie herkömmlich, bzw. offline oder online
erfolgen. Die Online-Marktforschung weist folgende grundlegende Methoden der Primärerhe-
bung auf:

• Befragung: zum Beispiel Online-Interview, Online-Fragebogen oder kurze Abstimmun-


gen bzw. Votings

• Beobachtung: zum Beispiel Verfolgung thematischer Äußerungen, Diskussionen und so-


zialer Interaktionen in Blogs, Foren, sozialen Netzwerken etc.

• Panelerhebung: zum Beispiel Onlinekunden-Panel

Das größte Potenzial für Erhebungen eröffnet Social Media für die Beobachtung. Die Fülle
der bereits vorliegenden und laufend neu hinzukommenden Text-, Bild- und Videobeiträge ver-
schiedenster Zielgruppen stellen einen historisch einmaligen Fundus für die Erfassung von Ge-
gebenheiten und Verhaltensweisen dar. Das Besondere der Beobachtung in Abgrenzung zur
82 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

Befragung ist, dass keine Kommunikation zwischen Erhebenden und Auskunftspersonen durch
Fragen und Antworten stattfindet. 224 Gegenstand von Beobachtungen im Netz können zum
Beispiel schriftliche Äußerungen, verbales Verhalten in Podcasts, nonverbale Signale in Video-
beiträgen, soziale Beziehungen und Verhaltensweisen in virtuellen Gemeinschaften und vieles
mehr sein.
Nach dem Umfang der einbezogenen Erhebungseinheiten und dem Erkenntnisziel kann noch
zwischen quantitativer und qualitativer Marktforschung unterschieden werden. Quantitative
Verfahren der Marktforschung zielen auf eine objektive Messung und mengenmäßige Ermitt-
lung von direkt erfassbaren Sachverhalten, wie zum Beispiel explizit formulierte Äußerungen,
ab. Die Aussagengüte steigt dabei durch standardisierte Befragungs- und Beobachtungsformen
und die Verwendung möglichst großer Stichproben. Eine typische Fragestellung einer quantita-
tiven Erhebung wäre beispielsweise, wie viele Äußerungen im Social Web zu einer bestimmten
Marke in einem bestimmten Zeitraum prozentual als negativ anzusehen sind.
Das Erkenntnisziel der qualitativen Marktforschung reicht über die Messung von direkt er-
hebbaren Sachverhalten hinaus. Es geht hier vielmehr um das Beschreiben, Interpretieren und
Verstehen von verhaltensbestimmenden, dahinter liegenden Zusammenhängen und Faktoren
wie zum Beispiel von Wünschen, Erfahrungen, Motivationen, Einstellungen und Wahrnehmun-
gen der Erhebungspersonen. „Qualitative Forschung ist in ihrem Wesen exploratorisch oder dia-
gnostisch. Sie bedient sich kleinerer Zahlen von Personen, die normalerweise nicht nach den
Prinzipien der Stichprobentheorie ausgewählt werden. [... ] Bei qualitativer Forschung wird
nicht der Versuch unternommen, harte und schnelle Schlüsse zu ziehen. Sie ist eher impressio-
nistisch als definitiv." 225 Bezogen auf das Beispiel der mittels einer quantitativen Erhebung im
Social Web ermittelten prozentualen Häufigkeit von negativen Äußerungen zu einer bestimm-
ten Marke würde man nun bei einem qualitativen Untersuchungsansatz die Hintergründe für
das schlechte Abschneiden ergründen wollen. Hierbei besteht eine zentrale Erfolgsvorausset-
zung darin, die Datenerhebung und tiefer gehende Identifikation von Zusammenhängen von
(möglichst psychologisch) geschultem Fachpersonal durchführen zu lassen.
Social Media eignet sich sowohl für quantitative als auch für qualitative Primärerhebungen.
Zur Vervollständigung der terminologischen Grundlagen sollen darüber hinaus noch folgende
Arten von Untersuchungen unterschieden werden.

Explorative Untersuchungen sind dann angezeigt, wenn zur Ausgangssituation weni-


ge Informationen zu einem bestimmten Erkenntnisbereich vorliegen und zum Teil noch nicht
einmal ein Untersuchungsproblem präzisiert werden kann. Es geht deshalb bei diesem Untersu-
chungsansatz zuerst darum, eine Vertrautheit mit dem Untersuchungsgegenstand entstehen zu
lassen und eine erste Aufhellung und Strukturierung von Problembereichen zu erreichen. Auch
zielt man darauf ab, komplexe Fragestellungen auf besser zugängliche Einzelfragen herunter-
zubrechen, um anschließende deskriptive oder kausale Untersuchungen vorzubereiten. 226 Die
Beschäftigung mit Social Media kann im Rahmen von explorativen Untersuchungen helfen,
ein Problemfeld zu umreißen, erste Zusammenhänge zu erfassen und tiefer gehende Einsich-
ten zu gewinnen. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass man Diskussionen in Foren

224
Vgl. Kuß (Marktforschung, 2007), S. 131
225
Samson, P., zitiert in Kuß (Marktforschung, 2007), S. 44
226
Vgl. Kuß (Marktforschung, 2007), S. 34
5.2 Erkenntnisziele des Social Media Monitorings 83

verfolgt und sich mit einzelnen individuellen Äußerungen in Blogs und Mikroblogs vertiefend
auseinandersetzt.

Deskriptive Untersuchungen zielen darauf ab, Markt- und Umfeldgegebenheiten quan-


tifiziert und exakt zu erfassen und Zusammenhänge zwischen Variablen zu analysieren. Um zu
gesicherten Aussagen zu kommen, sollte die Datenbasis möglichst hoch und die Untersuchung
repräsentativ angelegt sein. Deskriptive Studien, für die man Äußerungen im Social Web heran-
ziehen kann, betreffen quantifizierbare Sachverhalte, die sich in einer möglichst großen Stich-
probe erfassen lassen. Beispielsweise können hier beobachtende Erhebungen genannt werden,
die im Rahmen des Social Media Monitorings zum Einsatz kommen.

Kausale Untersuchungen zielen darauf ab, Zusammenhänge zwischen Variablen in me-


thodisch anspruchsvollen Verfahren auf die Existenz von Kausalbeziehungen zu analysieren.
Aufgrund des methodischen Aufwandes sind sie für Standarduntersuchungen der Marktfor-
schung unter Einbeziehung von Social Media nur begrenzt geeignet. Sie werden deshalb hier
nur der begrifflichen Vollständigkeit halber genannt.

5.2 Erkenntnisziele des Social Media Monitorings


Für die systematische Beobachtung von interessanten Sachverhalten im Social Web im Rah-
men deskriptiver Untersuchungen wird häufig der Begriff des Social Media Monitorings ge-
braucht. Man kann es als eine auf bestimmte Kanäle ausgerichtete Form des Web-Monitoring
bezeichnen. Das Social Media Monitoring muss, um der hohen Dynamik der Netzkommuni-
kation Rechnung zu tragen, und um wichtige Entwicklungen und Trends nicht zu verpassen,
schnell Antworten auf Fragestellungen liefern, wie sie im Folgenden beispielhaft ohne An-
spruch auf Vollständigkeit dargestellt sind: 227

• Ermittlung der Außenwirkung eines Unternehmens oder einer Marke


- Wird über ein Unternehmen oder eine Marke im Netz gesprochen und wenn ja, wie
häufig und in welchem Tenor?

• Identifikation von Meinungen zu Produkten, Dienstleistungen und Marken


- Wie bewerten Nutzer einen bestimmten Service?
- Welche Eigenschaften werden mit einem Produkt verbunden?
- Welche Stärken, welche Schwächen werden gesehen?
- Wie ist die Erwartungshaltung potenzieller Kunden?

• Reputations-Frühwarnsystem
- Welche Nachrichten, Meinungen und Gerüchte werden im Netz geäußert, die sich
negativ auf die eigene Reputation auswirken können?
- In welchen Kanälen werden sie verbreitet?
227
Vgl. Leisenberg (Soziale Netze und Web 2.0, 2008); TNS Infratest (Marktforschung im und mit Web 2.0, 2008)
84 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

• Identifikation neuer Themen, Issue Management


- Welche neuen Themen werden in der Öffentlichkeit diskutiert?
- Welche Diskussionen und Entwicklungen formen sich zum Trend?

• Ermittlung von Meinungsführern


- Welche Personen können als Meinungsführer ausgemacht werden?

• Wettbewerberbeobachtung
- Welche Informationen sind im Social Web über wichtige Wettbewerber im Umlauf?

• Wahrnehmung von Neuprodukteinführungen


- Sind Neuprodukteinführungen Thema einer Diskussion?
- Kommen die Produktpositionierung und die Produktvorteile an?

• Erfassung von kommunikativen Wirkungen


- Wie werden Kampagnen wahrgenommen und bewertet?
- Wie ist das Weiterempfehlungsverhalten einer Kampagne in einem frühen Stadium
bzw. sind „epidemische Effekte" beobachtbar?

Social Media Monitoring kann bis zu einem gewissen Niveau in Eigenregie mittels frei verfüg-
barer Werkzeuge und Internetdienste durchgeführt werden, wobei man sich der Grenzen und
des damit verbundenen Aufwandes bewusst sein sollte. Es werden auch zunehmend spezifische
Dienstleistungen von tradierten Marktforschungsunternehmen angeboten, die sich verstärkt in
diesem Wachstumsmarkt engagieren. Darüber hinaus bieten auch Unternehmen der Kommuni-
kationsbranche sowie neu gegründete Start-up-Unternehmen spezialisierte Lösungen und Ser-
viceleistungen an.

5.3 Monitoring mittels freier Dienste


5.3.1 Allgemeine Suchmaschinen
Die einfachste Möglichkeit, sich einen Überblick über die Repräsentanz der eigenen Marke
im Web zu verschaffen, besteht über den Einsatz von Suchmaschinen wie Google, Yahoo oder
Bing. Auf die Keywordsuche mit dem entsprechenden Markennamen werden die insgesamt
gefundenen Treffer und die Ergebnisrangfolge angezeigt, wobei diese nicht nach bestimmten
Medientypen bzw. Kanälen differenziert ist. Somit werden eigene Internetveröffentlichungen
mit Social-Web-Einträgen, Nachrichten der Offline-Medien und sonstigen Keywordnennungen
vermengt. Veröffentlichungen im Social Web, beispielsweise in Form von Weblogbeiträgen,
finden sich in Suchmaschinen zwar häufig auf vorderen Plätzen, dies ändert aber nichts an der
Problematik des insgesamt undifferenzierten Ergebnisausweises. Durch den Gebrauch einer
„Erweiterten Suche" beispielsweise bei Google kann die Trefferzahl nach bestimmten Kriterien
gefiltert werden. Die Auswahl von bestimmten Internetkanälen, zum Beispiel die Reduzierung
der Treffer auf Blogeinträge oder Social-Network-Einträge, ist jedoch noch nicht möglich.
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 85

althaus skihelm

News ιβΙε.ΌΓΚβ volume

Abbildung 24: Darstellung der Suchhäufigkeit der Begriffe „Althaus" und „Skihelm" in Google
Trends230

Wenn man über neue Veröffentlichungen auf Webseiten bezogen auf Suchbegriffe automa-
tisch per E-Mail zu bestimmten Zeiten (bei Veröffentlichung, einmal täglich, wöchentlich) be-
nachrichtigt werden will, kann man dies über die Einrichtung des Dienstes Google Alerts228
realisieren. Hierbei ist zu beachten, die Suchbegriffe unverwechselbar und eng zu fassen, um
nicht von zu vielen Meldungen mit unrelevanten Informationen überschüttet zu werden.
Allgemeine Suchmaschinen erfassen nur einen Teil des Social Web. Will man auf ganz be-
stimmten Social-Media-Kanälen suchen, stoßen allgemeine Suchmaschinen zum Teil an ihre
Grenzen und es ist deshalb erforderlich, Spezialsuchmaschinen einzusetzen.
Wenn es darum geht, sich über die Verwendung eines bestimmten Suchbegriffes bei einer
allgemeinen Suchmaschine wie zum Beispiel Google im Zeitablauf zu informieren, kann man
sich das bei Google Trends229 graphisch darstellen lassen. Das kann für Unternehmen sinnvoll
sein, die für ihre Produkte und Marken oder für Marken des Wettbewerbs analysieren wollen,
wie sich das öffentliche Interesse gemessen an der Verwendung der Begriffe in Suchabfragen
widerspiegelt. Mithilfe dieses Werkzeuges, das direkte Vergleiche von Suchbegriffen ermög-
licht, können sehr einfach Trends erkannt und Zusammenhänge zwischen Begriffen abgeleitet
werden.
Wie sich Zusammenhänge von Begriffen darstellen, zwischen denen eine Verbindung nur
über Veröffentlichungen in Medien zu erklären ist, kann am Beispiel des Skiunfalls des thü-
ringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus verdeutlicht werden, bei dem eine Skifahrerin
starb, die keinen Helm trug. Althaus überlebte den Unfall nach Ansicht der Ärzte nur, weil er
einen Helm trug. Als Folge der nach diesem Ereignis sprunghaft ansteigenden Diskussion um
228
Vgl. http://www.google.de/alerts?hl=de, Seitenaufruf am 02.11.2009
229
Vgl. http://www.google.com/trends, Seitenaufruf am 02.11.2009
230
http://www.google.com/trends, Seitenaufruf am 02.11.2009
86 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

den Nutzen von Skihelmen schnellten die Verkaufszahlen von Skihelmen in die Höhe, was dazu
führte, dass Skihelme binnen weniger Tage im Fachhandel ausverkauft waren. Hersteller von
Skihelmen orderten daraufhin stellenweise Mitarbeiter aus dem Urlaub zurück und legten Son-
derschichten ein, um der überraschend hohen Nachfrage Rechnung zu tragen. Ein laufendes
Monitoring der Suchanfragen bzgl. „Skihelm" hätte aufseiten der betreffenden Hersteller als
ein Indikator für eine wachsende Nachfrage nach dem Produkt angesehen werden können. Die
Darstellung der Suchhäufigkeit kann man sich mit Google Trends auch regional differenziert
anzeigen lassen, um für die Verkaufsprognose Häufigkeiten in Bezug auf einzelne Bundeslän-
der festzustellen (siehe Abbildung 24).
Ein gegenüber Google Trends weiterführendes Werkzeug stellt Google Insights for Search231
dar. Damit kann man auch nach der Suchhäufigkeit von bestimmten Begriffen suchen und sich
das Ergebnis in einer vergleichenden graphischen Darstellung anzeigen lassen. Zusätzlich be-
kommt man auf einer Weltkarte angezeigt, in welchen Ländern am häufigsten nach einem
bestimmten Begriff gesucht wird. Klickt man auf ein bestimmtes Land oder eine namentlich
ausgewiesene Region, bekommt man die Verteilung der Suchhäufigkeit auf einer tieferen re-
gionalen Differenzierung, zum Beispiel in Deutschland nach Bundesländern und dann wieder
für relevante Städte, angezeigt.
Dies soll am Beispiel der Suchhäufigkeit nach führenden sozialen Netzwerken verdeutlicht
werden. Vergleicht man die Suchbegriffe „Facebook", „Myspace" und „Orkut", erkennt man
in dem in Abbildung 25 dargestellten Screenshot, dass die Suchhäufigkeit nach „Facebook" im
Frühjahr 2008 sprunghaft in die Höhe geschnellt ist und sich bis Ende des Jahres fast verfünf-
facht hat. Die Manager von Facebook könnten diese Beobachtung als Indikator für ein gestiege-
nes Interesse ihrer Plattform gegenüber ansehen, wobei insbesondere die Frage im Vordergrund
stehen dürfte, in welchen Ländern und Regionen dieses Suchinteresse darstellt. Mithilfe von
Google Insights for Search erkennt man nun, dass im Ländervergleich die höchste Nachfrage
aus der Türkei stammt. Diese Erkenntnis könnte ein erster Impuls dafür sein, sich mit tiefer
gehenden länder- und produktspezifisehen Fragestellungen zu beschäftigen.
Vorteil von Google Insights for Search im Vergleich zum einfacheren Google Trends besteht
darin, dass man für Begriffe, für die es mehrere Bedeutungen gibt, als Filter Kategorien vor-
geben kann. Wenn man sich beispielsweise für die Suchhäufigkeit nach dem Reiseland Java
interessiert, kann man dies über den Filter „lokale Suche" genauer definieren. Somit können
Suchanfragen getrennt werden, die im Kontext einer Suche nach der Software Java erfolgen.

5.3.2 Benutzerdefinierte Suchmaschinen


Allgemeine Suchmaschinen lassen sich nur begrenzt an bestimmte Suchbedürfnisse anpassen.
Weiterführende Möglichkeiten der spezifischen Ausrichtung eröffnen personalisierbare Such-
maschinen. Die benutzerdefinierte Suchmaschine von Google232 erlaubt es beispielsweise, die
Suche auf definierte Domains zu beschränken. Somit können zum Beispiel die Domains von
reichweitenstarken Online-Verlagen und bekannten Bloggern festgelegt werden, in denen dann
nach Veröffentlichungen zu bestimmten Begriffen gesucht werden kann. Es ist zwar auch mit
der allgemeinen Suchmaschine von Google möglich, die Suche auf eine ausgewählte Seite zu
23
'Vgl. http://www.google.com/insights/search/?hl=de#, Seitenaufruf am 02.11.2009
232
Vgl. http://www.google.de/cse, Seitenaufruf am 02.11.2009
233
http://www.google.com/insights/search/?hl=de#, Seitenaufruf am 02.11.2009
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 87

Google insights for Search


Vergleichen mit Suchbegriffe

Φ Suchbegnffen ganrw» nm¡&g»g*n fr«


© Standorten
Ö Zeiträumen myspace
2004 - heute
IH
Suçfttxflriff h.nzufaflgn A l e Kategorien 1 .Suction :

Gesamt §
W e b - S u c h e i n t e r e s s e : facebook. myspace, orkut •ir
facebook mtmmKmm
Weltwelt 2004 - heute
myspace mttmm?
Kategonen: Soziale Netzwetke und Online-Communilvs. Unterhaltung Computer und Elektronik, mehr
orkut «*3

Interesse im zeitlichen Verlauf ® Progncse ' [-J- Nachnchtenschlagieten

Ι - ι · » ? - Zar»· ι j Zeigen Sie die weltweit am stärksten zunehmenden Suchanfragen an,


" indem Sie die Suchbegriffe loschen,
a ¡ Facebook McAfee teem on Facebook security effort
Β Want orwicv on facebook?
c 'Facebook privacy 'improved·
d; Facebook Privacy
ι Vietnam internet user* fear Facebook blackout
F1 racer to oav USO 500 000 for fake OrtnitP
IGlf acebook. Google to offer music

Κ 2006 2008 2010


Prognostizierte Werte basieren lediglich w t einer Fortschreibung bisheriger Werte.
•Veitfte lrtfom>jtiOfien
Neu! O ï m ï t Neu: Dieses Diagramm ewibetten

Regionales Interesse »J ffl R e g i o n Stadt

1 Tùrkei " Ί-Γ*·".

ill
2. Tunejjso tyg
3. Kroatien •
< »alien "
5. Venezuela
β. Kolufffcìen ·
7 Albanien — — —

9. Großbritannien
10. Frankreich

Suchvpiumenmdex
0 MWMM

Abbildung 25: Ergebnis der Suche in Google Insights for Search nach den Begriffen „Face-
book", „MySpace" und „Orkut"233
88 5 SociaJ Media als Instrument der Marktforschung

beschränken. Durch die Speichermöglichkeit von vordefinierten Suchschemata der benutzerde-


finierten Suchmaschine kann man jedoch sehr viel mehr Domains einbeziehen und die Suche
durch die Platzierung des Suchfensters auf einer gewünschten Website sehr viel einfacher und
komfortabler durchführen. Die fokussierte Suche bei Meinungsführern kann ein erster Ansatz
zur Erkennung von markenbezogenen Diskussionen, Stimmungen und Trends sein.
Als Frühwarnsystem ist der Einsatz von benutzerdefinierten Suchmaschinen aber nur bedingt
geeignet, da zum einen die Suche nur auf vorab festgelegte Domains beschränkt ist und zum
anderen keine automatisierte Suche über die Zeit hinweg möglich ist.

5.3.3 Online-Nachrichten
Eine Weiterführung der breiten, medial undifferenzierten Suche der allgemeinen Suchmaschi-
nen stellen Suchmaschinen dar, die wie Google News234 eine Suche in Veröffentlichungen der
Online-Presse, differenziert nach einzelnen Ländern, erlauben. Durch die Suche nach einem
bestimmten Begriff, zum Beispiel dem eigenen Markennamen, können die jeweiligen Verlags-
publikationen, nach Relevanz oder nach Datum sortiert, angezeigt werden. Nach dem Neuig-
keitsgrad der Veröffentlichung kann in der erweiterten Suche noch zwischen „letzte Stunde",
„Gestern", „In der letzten Woche", „Im letzten Monat" gewählt werden. Ferner hat man die
Möglichkeit, die Suche auf ein definierbares Zeitintervall zu beschränken.
Man kann darüber hinaus bestimmte Suchabfragen, zum Beispiel bezüglich interessanter
Produkte, Dienstleistungen oder Marken, abspeichern und als eigene Rubriken mit aufnehmen.
Hierdurch lässt sich relativ einfach die digitale Medienrepräsentanz von Wettbewerbern beob-
achten. Definierte Abfragen lassen sich ferner über RSS-Feeds in andere Webseiten einbinden.
Man kann dies insbesondere in auf die Beobachtung ausgerichteten Aggregationsseiten nutzen,
um themenspezifisch laufend aktualisierte Nachrichten auf einen Blick angezeigt zu bekom-
men.
Darüber hinaus ist es möglich, sich neue Nachrichten zu definierten Keywords über News
Alerts an seine EMail-Adresse senden zu lassen.

5.3.4 Mikroblog-Suchdienste am Beispiel von Twitter


Nach einer Studie der Penn State University enthalten heute etwa 20 Prozent aller Tweets
Produktinformationen in Form von Fragen, entsprechenden Antworten und Meldungen von
Unternehmensverantwortlichen.235 44 Prozent aller Twitter-Nutzer haben schon einmal eine
Marke auf Twitter empfohlen und 39 Prozent haben an Diskussionen über eine Marke teilge-
nommen. 236 Die gezielte Auswertung markenbezogener Veröffentlichungen in Twitter hat vor
diesem Hintergrund eine große Bedeutung.
Neben Blog-Suchanbietern haben sich heute auch verschiedene Dienste auf die Suche der
maximal 140 bis 200 Zeichen umfassenden Mikroblog-Nachrichten spezialisiert. Für die Su-
che in Twitter benötigt man aber erst einmal keinen speziellen Zusatzdienst, da im Programm
selber über das eingeblendete Suchfeld eine Volltextsuche angeboten wird. Diese Suchfunktion
234
Vgl. http://news.google.de, Seitenaufruf am 02.11.2009
235
Vgl. PennState (Tweeting, 2009)
236
Vgl. Keane (Brand tweets sends twitterers searching, 2009)
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 89

Blocs MicroMogs Bootmarts Comments Events Images News Video Augia Q&A Networks M
BMW Advance? S^atifi
socialmeniion' Search

Mentions about BMW


69% 11:1
strength sentiment
Sort By Date Β Results: ÍAnytTm. Ξ Results 1 -15 of 379 mentions.

45% 45% * What! Holy crap, photo dude photo! RT http://bit.ly/7efa5x : A


passion reach bmw z4 got pwnd by a nano. http://bit.ly/5hQBsO
twitter com/BMVS .: ; statt ses/8119723216
27 seconds avg. per mention 40 seconds ago - by 8 B BMW ZJ on twitter

last mention 40 seconds ago


1993 Bmw 320 ISeGreen MsdlfledMol'P And Taxed With
194 unique autliors Personal Reg Number (wokingham. Price: £850): bmw 320ise
str... http7/bit.ly/7L4MKA
13retweets
t«ter.conVlondonBnrfan/statuses/8119702Q08
Sentiment 1 minute ago - by LondonBmwFan on twitter

positive 9 37
neutral Η 335 2004 8rnw 525d With jdrjye (Çamberley, Price: £9,40.0); Midnight
negative I 7 Blue w Qrey-Biack interior, idrive Business e d i t i o n

Abbildung 26: Ergebnisanzeige mit „Sentiment-Verhältnis " bei der Suche nach „BMW" in So-
cialmention. com237

hat jedoch den Nachteil, dass keine spezifischen Einschränkungen für die Suche vorgenom-
men werden können. Über die Eingabe der URL http://search.twitter.com/advanced kann man
auf weiterführende Suchfunktionalitäten zugreifen. Zu der Suche nach bestimmen Keyword-
Kombinationen und für definierbare Zeiträume kann als Besonderheit ausgewählt werden, ob
der Beitrag eine positive oder negative Haltung widerspiegeln soll. Für das Monitoring von un-
ternehmensbezogenen Beiträgen im Rahmen eines Frühwarnsystems oder Dialogmanagements
kann das eine wertvolle Hilfestellung sein.
Eine automatisierte Sentiment-Analyse, also das maschinelle Ermitteln von Einschätzungen
zu Tweets und Retweets, die überwiegend positiv oder negativ sind, bietet auch der Such-
dienst von Socialmention.com an. Neben der Auflistung der gefundenen Beiträge mit dem
Suchbegriff wird das Verhältnis zwischen positiven und negativen Einschätzungen angezeigt.
Die am 9.11.2009 durchgeführte Suche nach ,Apple" führte in diesem Zusammenhang bei-
spielsweise zu einem Verhältnis von 3:1. BMW wies demgegenüber ein Verhältnis von 11:1
auf, was auf ein deutliches Übergewicht der positiven Erwähnung der Marke schließen lässt
(siehe Abbildung 26). Für weiterführende Aussagen empfiehlt es sich, die Leistungsfähigkeit
des Sentiment-Algorithmus des Anbieters anhand einer manuellen Kategorisierung von Tweets
in positiv, negativ und neutral zu überprüfen, was durch das direkte Aufrufen der jeweiligen
Tweets vereinfacht wird. Sollte die automatisierte Kategorisierung in etwa stichhaltig sein, kann
diese als Frühwarnfunktion verwendet werden und es lassen sich damit Stimmungsbilder über
die Zeit hinweg vergleichen.
Der Anbieter ermittelt ferner einen Prozentwert für die Wahrscheinlichkeit, dass die eigene
Marke in Social Media diskutiert wird („strength"), die Wahrscheinlichkeit, dass Individuen, die
237
http://socialmention.com/search?t=microblogs&q=BMW&btnG=Search, Seitenaufruf 09.11.2009
90 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

über eine Marke sprechen, dies auch wiederholt tun („passion"), sowie ein Maß für den eigenen
Einfluss („reach"). Mittels dieser Maße können zusätzliche Erkenntnisse in Zeitvergleichen
generiert werden.
Auch die Suchmaschine PeopleBrowsr238 bietet die Möglichkeit an, in spezifischen Social-
Media-Kanälen wie zum Beispiel Twitter eine Volltextsuche durchzuführen und danach zu
differenzieren, ob man Treffer mit positiven oder negativen emotionalen Färbungen („Senti-
ments") angezeigt bekommen möchte. In der erweiterten Suche kann man die Suche ferner auf
eine frei wählbare Entfernung von vorgegebenen oder selber festgelegten Orten beschränken.
Das kann bei der Erfolgsmessung von lokal begrenzten Marketingaktionen sinnvoll sein.
Eine Mikroblog-Suchmaschine, die neben Twitter noch andere Mikroblog-Dienste, wie Iden-
tica, Jaiku, Bleepet239 und andere durchsuchen kann, ist Twingly.com. Sie bietet eine Standard-
suche an, die aber im Vergleich zur spezifischen Suche bei Twitter nur rudimentär ausgeprägt
ist. Auch hier kann man eine Suchanfrage als RSS-Feed exportieren oder sich als E-Mail-Alert
ausgeben lassen.
Ein graphischer Vergleich der Nutzung von bestimmten Begriffen in den letzten 30 Tagen
in Twitter kann über den Service von Twist140 durchgeführt werden. Am Beispiel der im Ka-
pitel 5.3.5 angesprochenen Abmahnung eines Bloggers durch die Deutsche Bahn belegt das
mittels Twist ermittelte Suchergebnis, dass das Thema am 3. und 4. Februar 2009 in Twitter
eine deutliche Resonanz fand - mit einer parallelen Entwicklung damit in Zusammenhang ste-
hender Begriffe (Abbildung 27). Twist bietet ferner die Möglichkeit, die Darstellung definierter
Suchbegriffe für automatisch aktuell gehaltene Zeitabstände in eine Website einzubinden. Nutzt
man dies im Rahmen einer speziell für das Monitoring geschaffenen Aggregationsseite, kann
man sich die neuesten Entwicklungen graphisch vor Augen halten und verfügt somit über ein
einfaches optisches Frühwarnsystem.
Die Möglichkeit eines graphischen Vergleichs nach der Suchhäufigkeit von Begriffen bietet
auch Tweetvolume.com. Bis zu fünf Wörter oder Ausdrücke können damit nach der Häufigkeit
des Vorkommens in Tweets verglichen werden. Die Ergebnisdarstellung erfolgt durch ein Bal-
kendiagramm. Vielseitige Vergleiche sind denkbar. Vergleicht man beispielsweise Konkurrenz-
marken mit der eigenen Marke, kann die eigene Ausstrahlung in Form der Berücksichtigung in
Twitter-Konversationen abgeleitet werden.
Auch mittels des Dienstes Ubervu.com kann man sich die Suchhäufigkeit nach einem be-
stimmten Begriff innerhalb der letzten vier Wochen mittels einer Grafik anzeigen lassen, wobei
die Häufigkeit der Treffer in verschiedenen Social-Media-Kanälen angezeigt wird. Es werden
darüber hinaus so genannte „Top stories" bzw. Pressemitteilungen angeboten, auf die sich be-
sonders viele Tweets als Reaktionen beziehen. Bei der Suche nach „Opel" waren im November
2009 beispielsweise 174 Tweets zu verzeichnen, die im Zusammenhang mit diesem Begriff
auf eine Veröffentlichung in Spiegel-Online.de verwiesen. Die in Abbildung 28 dargestellten
Ergebnisse der „Top stories" sind ein Indikator für die Relevanz von Nachrichtenanbietern. Es
können femer auch gewisse Schlüsse gezogen werden, inwiefern die Art und der Stil einer
Mitteilung deren Resonanz beeinflusst.
238
Vgl. http://brands.peoplebrowsr.com, Seitenaufruf am 09.11.2009
239
Vgl. http://identi.ca/, http://www.jaiku.com/, http://bleeper.de, Seitenaufruf am 02.11.2009
240
Vgl. http://twist.flaptor.com/freq?gram=bmw&submit=Show+trends&tz=l, Seitenaufruf am 02.11.2009
241
http://twist.flaptor.com, Seitenaufruf am 4.3.2009
242
http://www.ubervu.com/search/?q=Opel, Seitenaufruf am 09.11.2009
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 91

Abbildung 27: Häufigkeit der Erwähnung der Suchbegriffe „Bahn ", „Mehdorn " und „Abmah-
nung" im Mikroblog-Dienst Twitter, dargestellt mit dem Dienst Twist241

Top stories

Abbildung 28: Anzeige von Pressemitteilungen, die auf eine Suche nach „Opel" in Ubervu.com
besonders viele Reaktionen in Form von Tweets ausgelöst haben242
92 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

5.3.5 Blog-Konversation
Wenn man über eine Blog-Suchmaschine einen als wichtig empfundenen Blog-Eintrag zu wich-
tigen Schlüsselbegriffen gefunden hat und man will nun wissen, welche anderen Blogger auf
diesen Beitrag verlinken, kann man sich dies mittels des Dienstes Blogpulse conversation tra-
cker243 anzeigen lassen. Somit ist einfach zu erkennen und chronologisch nachzuverfolgen, auf
welche Resonanz die Blogger mit ihren Beiträgen in der Blogosphäre stoßen.
Das soll an einem praktischen Beispiel verdeutlicht werden. Am 31.01.09 kurz vor Mit-
ternacht veröffentlichte der Blogger Markus Beckedahl auf seinem Blog Netzpolitik.org244 ein
internes Memo zur Mitarbeiter-Rasterfahndung bei der Deutsche Bahn AG, woraufhin ihm vom
betreffenden Unternehmen eine Abmahnung zur Beseitigung bzw. Unterlassung der Veröffent-
lichung zugestellt wurde. Die Suche im Blogpulse conversation tracker mit der Adresse des
Blogs ab dem Veröffentlichungsdatum ergab, dass bereits in den darauf folgenden zwei Tagen
59 Blogbeiträge auf den Ausgangsbeitrag verlinkten. Das zeigt, dass interessante Blogbeiträge
schnell ein beträchtliches Echo in der gesamten Blogosphäre hervorrufen können. Als Ergeb-
nis gab die Deutsche Bahn AG klein bei und verzichtete auf juristische Schritte, wohl um den
Imageschaden nicht noch größer werden zu lassen.
Hätten sich die Verantwortlichen der Bahn im Vorfeld über den Stellenwert des Blogs Netz-
politik.org informiert, wäre die Reaktion vielleicht anders ausgefallen. Nach derTop-100-Rang-
folge der deutschen Blogcharts befand sich der betreffende Blog in der Woche vor Veröffentli-
chung des beanstandeten Bahn-Dokuments auf Platz 4 der Blogs, auf die am häufigsten verlinkt
wurde.245 Nach den Top-100-Blogs von Twingly.com war der Blog etwa vier Wochen nach der
Diskussionswelle, die er ausgelöst hat, bereits auf Platz 3 der deutschsprachigen Blogs.246
Wenn man an einer graphischen Darstellung der Häufigkeit der Erwähnung von bestimmen
Schlagwörtern in Blogs für definierbare Zeitintervalle interessiert ist, kann man sich das mit
dem Dienst Trend Search von Blogpulse247 anzeigen lassen. Bezogen auf das Beispiel der ver-
suchten Abmahnung eines Bloggers durch die Deutsche Bahn kann man erkennen, dass die Dis-
kussion in der Bloggosphäre Anfang Februar sprunghaft nach oben schnellte (Abbildung 29).
Die Parallelität der drei Graphen weist darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang nicht um
allgemeine Aspekte der Bahn, sondern insbesondere um das Vorgehen des Bahnvorsitzenden
Mehdorn im Zuge der Aufklärung der Bespitzelung von Mitarbeitern sowie um die Abmah-
nung, ging.
Ein graphischer Vergleich der Nutzung von bestimmten Begriffen in den letzten 30 Tagen
kann auch für den Mikroblog-Dienst Twitter über den Service von Twist248 durchgeführt wer-
den. Das in der Abbildung 27 dargestellte Beispiel mit den gleichen Suchbegriffen belegt, dass
auch in Twitter das Thema am 3. und 4. Februar 2009 virulent wurde - mit ähnlichen Parallelen
der Darstellung bezogen auf die Suchbegriffe.
Twist bietet die Möglichkeit, die Darstellung mit den definierten Suchbegriffen für automa-
tisch aktuell gehaltene Zeitabstände in eine Website einzubinden. Nutzt man dies im Rahmen
einer speziell für das Monitoring geschaffenen Aggregationsseite, kann man sich die neues-
243
Vgl. http://www.blogpulse.com/conversation, Seitenaufruf am 02.11.2009
244
Vgl. Beckedahl (Das Memo zu der Rasterfahnung, 2009)
245
Vgl. Technorati (deutsche blogcharts, 2008)
24é
Vgl. Twingly (Top 100 - German, 2009)
247
Vgl. http://www.blogpulse.com/trend, Seitenaufruf am 02.11.2009
248
Vgl. http://twist.flaptor.com/freq?gram=bmw&submit=Show+trends&tz=l, Seitenaufruf am 02.11.2009
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 93

Trend Results
CeneiMtdfryCtogPuti« Cofweht 200Î Kelsen 8u::M*trm.
0 050
M 0 045
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Abbildung 29: Häufigkeit der Erwähnung der Suchbegriffe "Bahn ", "Mehdorn " und "Abmah-
nung " in Blogs, dargestellt mit dem Dienst Trend Search von Blogpulse249

ten Entwicklungen graphisch vor Augen halten und verfügt somit über ein einfaches optisches
Frühwarnsystem.

5.3.6 Internetforen
Fachbezogene Diskussionen finden oft nicht in Blogs, sondern in Internetforen statt. Sie set-
zen sich schwerpunktmäßig mit einem bestimmten Thema auseinander, das zum Teil noch in
Unterthemen bzw. Unterforen untergliedert ist. Das Themenangebot für Internetforen ist riesig
und spiegelt letztendlich die Breite des menschlichen Interessensspektrums wider. Besonderer
Beliebtheit erfreuen sich Internet-Hilfe-Foren, die Benutzerratschläge geben, angefangen vom
Wickeln von Säuglingen über die Behebung von Softwareproblemen bis hin zum Füttern von
Wellensittichen. Typisch für Foren ist, dass die Teilnehmer Diskussionsbeiträge, so genann-
te Postings, verfassen, auf die geantwortet werden kann. Foren setzen oft eine Registrierung
voraus, was die Teilnehmer zu Mitgliedern einer Online-Community macht. Internetforen sind
häufig in Webseiten eingebunden, wo sie eine besondere Funktionalität (neben anderen) ausma-
chen. Sie sind auch in sozialen Netzwerken wie zum Beispiel XING sehr populär. XING wies
Anfang 2009 über 22.000 verschiedene Interessensgruppen aus, die über zentrale Funktionali-
täten von Foren verfügen.
249
http://www.blogpulse.com/trend, Seitenaufhif am 02.11.2009
94 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

Forenbeiträge für bestimmte Suchbegriffe können einmal über allgemeine Suchmaschinen


gesucht werden, was aber wegen deren undifferenzierter Ausrichtung meist zu einer unüber-
schaubaren Zahl von Treffern führt. Beiträge in bestimmten Foren werden von Suchmaschinen
auch nicht erfasst. Es kann deshalb für ein bestimmtes Spezialthema sinnvoll sein, in wichtigen
Foren direkt zu suchen, was natürlich mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden ist.
Alternativ kann man Suchmaschinen wie zum Beispiel Board. Tracker oder Board Reader250
nutzen, die sich auf die Suche in Foren spezialisiert haben, wobei die Suche bei diesen beiden
Diensten vornehmlich auf Foren des angloamerikanischen Sprachraums beschränkt ist.

5.3.7 Social Bookmarking


Beiträge auf Internetseiten, in Online-Nachrichten, Blogs oder in Bild- und Videoportalen,
die andere Internetusern als nützlich erachten, können auf Social-Bookmarking-Plattformen in
Form eines Lesezeichens öffentlich gemacht werden. Diese Lesezeichen können von Nutzern
ergänzt, bewertet, gelöscht und mit Schlagwörtern, so genannten Tags, versehen werden. Auf
Social-Bookmarking-Plattformen entstehen somit aggregierte Ordnungs- und Bewertungssche-
mata, welche die Nutzeneinschätzungen der vielen einzelnen Beitragenden widerspiegeln.
Social-Bookmarking-Anbieter bieten häufig eine Suche nach Kategorien und immer eine
Volltextsuche an, über die im Rahmen des Monitorings nach relevanten Begriffen gesucht wer-
den kann. Die Einbeziehung von Social-Bookmarking-Diensten in das Monitoring kann Auf-
schluss darüber geben, ob produkt- oder unternehmensbezogene Veröffentlichungen im Web
von anderen als erwähnenswert erachtet werden. Das kann einmal Inhalte der eigenen Website
betreffen. Wichtiger ist es zu sehen, ob produkt- und unternehmensrelevante Informationen, die
von Dritten in Online-Nachrichten oder im Social Web veröffentlicht werden, den Eingang in
Social-Bookmarking-Dienste finden. Da sich die Wirkung von negativen und positiven Web-
Äußerungen in Form von vielen Lesezeicheneinträgen oder Bewertungen in Bookmarking-
Diensten potenzieren kann, eignet sich das Social Bookmarking als Gradmesser von sozial
geteilten Einschätzungen und damit als Frühwarnindikator im Rahmen des Monitorings.

5.3.8 Audiovisuelle Seiten


Fotos Im Internet verbreitete Fotos von bekannten Persönlichkeiten in unvorteilhaften Posen
und diskussionswürdigen Darstellungen erfahren oft sehr viel schneller eine große Aufmerk-
samkeit und provozieren in stärkerem Maße emotional geladene Diskussionen als Veröffentli-
chungen in Textform. Hiervon können zum Beispiel in der Öffentlichkeit bekannte Führungs-
kräfte einer Organisation betroffen sein. Das zu Zeiten des US-Wahlkampfes 2007 über das
Internet in Umlauf gebrachte und auf dem Fotoportal Flickr dargestellte Foto von Barack Oba-
ma verursachte beispielsweise eine beträchtliche öffentliche Diskussion (siehe Abbildung 30).
Die Google Bildersuche weist zu dem Suchbegriff „Obama muslim garb" 309.000 gefundene
Ergebnisse auf. Diese beinhalten im Wesentlichen wenige, vielfach verwendeten Fotos einer
Aufnahmesituation, wie in Abbildung 30 in Form einer Ergebnisseite der Google Bildersuche

250
Vgl. http://www.boardtracker.com, http://boardreader.com, Seitenaufruf am 05.03.2009
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 95

Google fObema Musttm oerb Suche t^auhn


s Λ',»»';- Moa»« ν
«as, eu*. rnrniimM^m 5>ιΐίιιΐι Ι?»-»»»<•«»< ΤΜΒΙΟ«·«··*» μ* JMHOIH»)

4 Gooooooooooogie •
teil* 1 » 3 4 S I 1 i t u n trau

Abbildung 30: Suchergebnisse der Google Bildsuche nach „Obama muslim garb"251

dargestellt. 252 Mitarbeiter des Wahlkampfteams von Obama hatten damals dem konkurrieren-
den Clinton-Team vorgeworfen, das Foto gezielt in Umlauf gebracht zu haben, was die Clinton
Wahlkampfmanager jedoch bestritten. 253
Auf einem im Internet veröffentlichten Foto muss nicht einmal die betreffende Person sel-
ber abgebildet sein. Es können auch auf eine Person gemünzte Aussagen in Textform oder
Karikaturen abgelichtet sein. Auf einer in Flickr hochgeladenen Fotoserie des Mitglieds des
SPD-Parteivorstandes Björn Böhning, die sich gegen den Chef der Deutsche Bahn AG Meh-
dorn richtet, werden beispielsweise Fotos von verschiedenen Personen mit Plakaten mit der
Aufschrift: „www.MEHDORN-MUSS-WEG.de" gezeigt, ohne dass ein Bild des Kritisierten
enthalten ist (siehe Abbildung 31). Fotos können ferner auch Produkte, Firmengebäude und
Unternehmenssymbole beinhalten, die in einem Kritik beinhaltenden Zusammenhang mit ei-
nem Unternehmen stehen.
Die Beispiele unterstreichen, dass es wichtig ist, auch Fotos in das Social Media Monitoring
mit einzubeziehen: zum einen als Frühwarnindikator, um negative Stimmungen und Entwick-
lungen schnell zu erkennen, und um noch Zeit zu haben, entsprechend zu reagieren. Zum an-
251
http://www.google.de/images?hl=de&gbv=2&tbs=isch: 1 &q=ObamaMusIimgarb&sa=N&start= 18&ndsp= 18,
Seitenabruf 15.04.10
252yg] http://www.google.de/images?hl=de&gbv=2&tbs=isch:l&q=ObamaMuslimgarb&sa=N&start=18&ndsp=18,
Seitenabruf 15.04.10
253
Vgl. Spiegel-Online (Streit um Obama-Foto mit Turban, 2008)
96 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

f l i c k r , νΛ*** ™
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Iinkswende09 mehdorn muss weg 019


A great place to be a photo!

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Aui^sietBiilenfl* Canon EOS Î5Q0 Dç«af


'Λ etere EigeMOaîter

Abbildung 31: Foto-Kampagne "Mehdorn muss weg" im Flickr Fotostream von Björn Böh-
ning 254

deren sind viele nutzergenerierte Ablichtungen der eigenen Produkte und Marken auch Belege
einer positiven Beziehung zum betreffenden Objekt. Durch ein entsprechendes Unternehmens-
feedback in der Foto-Community kann diese Beziehung gegebenenfalls noch bekräftigt wer-
den, beispielsweise wenn ein besonders gelungenes Foto eines Autos auf einem Fanclubtreffen
der betreffenden Marke durch einen positiven Kommentar der Markenverantwortlichen gelobt
wird.
Für die Suche von Bildern nach Schlüsselbegriffen kann man einmal spezielle Bildsuchma-
schinen, wie sie zum Beispiel bei Yahoo oder Google angeboten werden, einsetzen.255 Bei Ya-
hoo ist es möglich, die Suche auf bestimmte Domains zu beschränken. Google erlaubt es in der
erweiterten Suche nach bestimmten Bildtypen wie zum Beispiel Bilder in Online-Nachrichten
zu suchen. Eine Suchfunktion nach Bildveröffentlichungen in Blogs und sonstigen Kanälen des
Social Media wird aber nicht angeboten. Da sich die Bildsuche der großen Suchmaschinen über
alle Webseiten und damit zum Beispiel auch die Bilder der eigenen UnternehDenswebsite er-
streckt, werden oft sehr viele Treffer generiert. Somit kann es mitunter recht aufwändig sein,
254
http://www.flickr.com/photos/bb09/3263737266/, Seitenaufiruf am 11.04.2010
255
Vgl. http://de.images.search.yahoo.com/images, http://images.google.de/imghp?hl=de&tab=wi, Seitenaufruf am
03.11.2009
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 97

speziell nutzergenerierte Fotos zu einem bestimmten Suchbegriff zu finden.


Es ist dann oft zielführender, wenn man direkt in Fotoportalen und -communities wie Flickr,
Fotocommunity, Locr, Stern view256 etc. sucht. Das populäre Portal Flickr bietet beispielsweise
die Möglichkeit, nach Volltext oder auch nur nach nutzergenerierten Schlagworten, so genann-
ten Tags, zu suchen. Findet man ein bestimmtes Foto, wird angezeigt, wie häufig es angesehen
wurde. Darüber hinaus sind Fotos oft mit Kommentaren versehen. Beides gibt Hinweise auf
die Resonanz des Fotos und ist deshalb für das Monitoring aufschlussreich. Flickr erlaubt es
auch, nach Gruppen bzw. Communities zu suchen, die Fotos zu einem bestimmten Interes-
sensgebiet veröffentlichen und sich in Diskussionen darüber austauschen. So werden in Flickr
beispielsweise allein zum Begriff Vespa 604 verschiedene Gruppen aufgeführt, die Fotos der
Motorrollermarke aus unterschiedlichen thematischen Perspektiven fotographisch inszenieren.
Die Existenz von markenbezogenen Foto-Communities kann als ein Indikator der Markenaffi-
nität bzw. der Neigung, eine Bindung zur Marke aufzubauen, angesehen werden. Die jeweiligen
Diskussionsbeiträge in den Gruppengesprächen können zudem helfen, weiterführende Informa-
tionen über Vorlieben und Interessen der beteiligten Gruppenmitglieder zu sammeln.

Audio Geht es um die Suche nach in Audioform veröffentlichten Medien im Social Web,
bieten Podcastverzeichnisse wie Podster.de und Podcast.de hilfreiche Einstiegsmöglichkeiten.
Über eine Volltext- und Schlagwort-Suche können Beiträge gesucht und dann über die betref-
fenden Links von der Originalquelle heruntergeladen werden. Die Inhaltssuche ist aber bei
audiovisuellen Medien auf den beschreibenden Text zu den jeweiligen Beiträgen beschränkt.
Wenn unternehmensbezogene Inhalte im Hörbeitrag vorkommen, jedoch im Begleittext nicht
erwähnt werden, können sie nicht gefunden werden. Man hat deshalb auch beim Scannen von
Podcast-Veröffentlichungen nie die Sicherheit, alle Veröffentlichungen mit dem betreffenden
Produkt- oder Markenbezug zu identifizieren. Ein regelmäßiges Abhören aller neu angebotenen
themenspezifischen Podcasts ist aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands zudem nicht
möglich. Ein gangbarer Weg im Rahmen des Monitorings könnte darin liegen, sich auf die Be-
obachtung von relevanten Podcasts zu konzentrieren, die aufgrund von vielen eingeschriebenen
Hörern auch über eine entsprechende Reichweite verfügen. Die selektierten Podcasts können
als RSS-Feeds abonniert und mittels spezieller Programme, so genannter „Feedreader", auto-
matisch aktualisiert ausgegeben werden.
Podcast-Anbieter bieten zu den Audio-Files häufig auf ihrer Website auch noch umfangrei-
ches Begleitmaterial wie zum Beispiel Linklisten, weiterführenden Erläuterungen etc. an. Die-
se zusätzlichen Inhalte sind in den Podcastverzeichnis-Diensten meist nicht enthalten. Durch
eine Volltextsuche direkt auf den Seiten der Podcast-Anbieter, zum Beispiel durch eine indivi-
dualisierte Suchmaschine, die nur auf definierten Seiten sucht, hat man somit zum Teil mehr
Möglichkeiten, interessante Hörbeiträge zu finden, als durch eine direkten Suche in den Pod-
castverzeichnissen.

Video Für eine Suche nach im Internet veröffentlichten Videos bieten die führenden Such-
maschinenanbieter Google, Yahoo und MSN257 jeweils eigene spezialisierte Suchfunktionen,
256
Vgl. http://www.flickr.com/, http://www.fotocommunity.de/, http://de.locr.com/, Seitenaufruf am 03.11.2009
257
Vgl. http://www.google.de/, http://de.yahoo.com/, http://de.msn.com/, Seitenaufruf am 03.11.2009
98 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

wobei Google Video258 als am mächtigsten anzusehen ist. Dies hängt zum einen mit der engen
Verknüpfung mit dem zur Muttergesellschaft Google gehörenden Video-Portal YouTube zu-
sammen. Nach einer im Jahr 2008 durchgeführten Studie erfolgen 73 Prozent aller Besuche auf
US-Videoportalseiten auf YouTube. Das eigene Videoangebot des Google Mutterkonzerns um-
fasste zu dieser Zeit 8,4 Prozent der Besuche, so dass Google insgesamt über 80 Prozent aller
Besucher auf sich vereinigt.259 Das führende Videoportal YouTube beinhaltet selbst gedrehte
Filme, Musikvideos sowie Film- und Fernsehausschnitte. Ende 2006 wurden täglich werden
etwa 65.000 neue Beiträge hochgeladen und 100 Millionen angesehen.260
Sucht man gezielt nach nutzergenerierten Videobeiträgen, kann man einmal direkt in Vi-
deoportalen wie YouTube, MyVideo, clipfish, HAUSGEMACHT.TV261 etc. recherchieren. Eine
Übersicht mit über 100 Videoportalen differenziert nach einzelnen Ländern bietet beispielswei-
se der Anbieter www.all-video-sites.com an. Die direkte Suche in den Videoportalen ist aber
aufwändig und zum Teil wird, wie bei YouTube, nur eine sehr einfache Suchfunktionalität an-
geboten. Es ist deshalb einfacher, mittels spezieller Videosuchmaschinen zu suchen, die einen
Großteil des Webs nach Videobeiträgen regelmäßig durchsuchen. Auch sind die Suchfunktio-
nalitäten beispielsweise bei der Suchmaschine Google Video sehr viel leistungsfähiger als bei
der Google-Tocher YouTube. Man kann in YouTube die Suche hinsichtlich verschiedener Pa-
rameter filtern und sich mittels RSS-Feeds neue Videobeiträge auf einer beliebigen Webseite
anzeigen lassen.
Will man die Suche nur auf Videoportalseiten beschränken, um zum Beispiel Videobeiträge
auf Unternehmenswebseiten und Nachrichtenportalen auszuschließen, kann der Einsatz einer
individualisierten Suchmaschine wie Google Custom Search sinnvoll sein. Der genannte An-
bieter mit der Auflistung der weltweiten Videoportale bietet eine angepasste Suchmaschine, die
nur auf den Webseiten dieser Anbieter nach Videos sucht.262

5.3.9 Soziale Netzwerke


Soziale Netzwerke wie Facebook, Myspace und andere vereinen heute immer mehr Funktio-
nen, die bislang von spezialisierten Online-Dienstleistern angeboten wurden. Das weltweit po-
pulärste Netzwerk Facebook bietet beispielsweise eine mit Twitter vergleichbare Mikroblog-
Funktionalität an, mit dem man sich mit Freunden in Echtzeit austauschen kann. Ferner können
wie auf Flickr Fotos hinterlegt und Videos wie in YouTube hochgeladen und angesehen wer-
den. Folglich sind auch soziale Netzwerke für das Social Media Monitoring prädestiniert, weil
sie zu den am häufigsten genutzten Seiten im Netz zählen und mehrere Medientypen in einer
Anwendung integrieren.
Der Zugriff auf diese Medientypen wird jedoch im Vergleich zu den genannten „solitären"
Diensten aus Datenschutzgründen erschwert, so dass dem Monitoring von sozialen Netzwerken
enge Grenzen gesetzt sind. Facebook, das von vielen wegen seiner weitreichenden Kontroll-
möglichkeiten über persönliche Informationen geschätzt wird, erlaubt beispielsweise nur einen
Zugriff auf Daten, die ausdrücklich für die Ansicht und Nutzung von Freunden autorisiert wur-
258
Vgl. http://video.google.de/?hl=de&tab=wv, Seitenaufruf am 03.11.2009
259
Vgl. Heise Online(YouTube boomt weiter, 2008)
260
Vgl. Wikipedia (YouTube, 2009)
261
Vgl. http://www.myvideo.de/, http://www.clipfish.de/, http://www.hausgemacht.tv/, Seitenaufruf am 03.11.2009
262
Vgl. http://www.all-video-sites.com/, Seitenaufruf am 03.11.2009
5.3 Monitoring mittels freier Dienste 99

den. Großflächige Beobachtungen setzen folglich zahlreiche Freundschaftsbeziehungen voraus,


über die Unternehmen in der Regel kaum verfügen dürften. Für das breit angelegte Monitoring
des Nutzerverhaltens und der Kommunikationsinhalte ist deshalb - vor dem Hintergrund der
bekannten Beschränkungen - die Nutzung allgemeiner Suchmaschinen, zum Beispiel über die
Sucheinschränkung auf die Domain des betreffenden sozialen Netzwerkes, das Mittel der Wahl.
Interessiert man sich für die Häufigkeit, mit der bestimmte Begriffe in Facebook in per-
sönlichen Veröffentlichungen auf so genannten „Pinnwänden" in wählbaren Zeitabschnitten
verwendet wurden, kann man sich dies im Facebook Wörterbuch263 graphisch anzeigen las-
sen. Im zusätzlich angebotenen neuen Facebook Wörterbuch hat man mit der Einschränkung
einer kleinen Auswahl von vorgegebenen Begriffen mehr Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der
Darstellungsformen.264

5.3.10 Informations-Aggregations-Seiten
Social Media Monitoring ist am einfachsten zu realisieren, wenn wichtige Informationen nicht
im Rahmen eines Pull-Prozesses gesucht, sondern im Rahmen eines Push-Prozesses ausge-
wählt vermittelt werden. Als wichtige Wegbereiter in Bezug auf die automatische Selekti-
on und Aufbereitung von Informationen können Anbieter von Online-Nachrichten-Diensten
wie zum Beispiel Google News angesehen werden. Sie selektieren Nachrichten in Online-
Presseveröffentlichungen automatisch und präsentieren sie strukturiert nach Rubriken zusam-
mengefasst, wobei sie auf eine journalistische Aufbereitung verzichten. Nachrichten-Aggrega-
tionsdienste befördern somit einen Paradigmenwechsel im Informationsverhalten, der nach der
New York Times treffend durch folgendes Zitat zum Ausdruck gebracht werden kann: "If the
news is that important, it will find me."265 Man sucht nicht mehr aktiv selber in vielen verschie-
denen Medien, sondern wartet ab, bis sich Nachrichten als relevant herausstellen und einem
empfohlen bzw. präsentiert werden. Empfehlungen können durch Algorithmen der Suchma-
schinen und durch soziale Einflussfaktoren, wie zum Beispiel von vielen geteilte Empfehlungen
(Social Bookmarking) beeinflusst werden.
Nachrichten-Aggregationsseiten wie zum Beispiel Google News bieten gewisse, bereits an-
gesprochene Individualisierungsmöglichkeiten, die für das Monitoring von Online-Verlagsver-
öffentlichungen nützlich sein können. Die Möglichkeiten der übersichtlichen Darstellung von
Informationen sind aber begrenzt. Darüber hinaus ist es im Rahmen des Social Media Mo-
nitorings ratsam, verschiedene Onlinekanäle einzubeziehen und sich nicht nur auf den Pres-
sebereich zu beschränken. Es ist von daher empfehlenswert, sich für das Monitoring eigene,
breit ausgerichtete und übersichtlich gestaltete Informations-Aggregationsseiten zu erstellen.
Wenn man im Rahmen von Recherchen sowieso viel mit der führenden Suchmaschine Google
arbeitet, bietet iGoogle hierfür nützliche, einfach zu realisierende Möglichkeiten (siehe Abbil-
dung 32). Man benötigt hierfür einen Google-Account, mittels dem man sich über einen Link
auf der Google Startseite anmeldet. iGoogle erlaubt es für bestimmte Suchbegriffe, zum Bei-
spiel bestimmte Produkte, Marken, differenziert nach Ländern und Sprachen eigene Seiten zu
schaffen, die sich über Reiter schnell öffnen lassen. Über die Funktion „Gadgets hinzufügen"
lassen sich dann pro Seite RSS-Feeds zum Beispiel von ausgewählten Webangeboten, Blogs,
263
Vgl. http://www.facebook.com/lexicon/index.php?q=, Seitenaufruf am 03.11.2009
264
Vgl. http://www.facebook.com/lexicon/new/, Seitenaufruf 03.11.2009
265
Schräder (Die neue Welt der Nachrichten, 2008)
100 5 Sodai Media als Instrument der Marktforschung

/Google
Google-Suche Auf gut Gluck!

Such« Das Web r Seiten auf Deutsch r Seiten aus Deutschland


'm-Qfldflgtt hintti. um Aktualisierungen zu veröffentlichen und Spiele mit Freunden zu spielen. ""•• Fuftbalthinterqrunde | Design Klassisch andern | Gadgets hinzufügen »
Search YouTube ethonty weblog '' PR Blorjge:
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Abbildung 32: Beispiel einer mit iGoogle erstellten Informations-Aggregationsseite zum Thema
Social Media266

Podcasts sowie gespeicherte Suchabfragen auf Blog- und Nachrichtensuchmaschinen hinzufü-


gen. Die Darstellung der Inhalte erfolgt in Text-Containern, die man mittels Maus einfach hin-
und herschieben und an unterschiedlichen Positionen der Seite platzieren kann. Die Größe der
Textcontainer kann noch über die Anzahl der anzuzeigenden Überschriften variiert werden.
Mittels dieser Art der Darstellung wird es, wie in der Abbildung 32 zu sehen ist, möglich,
sich zu einem bestimmten Suchbegriff auf einer Seite geordnet nach Informationsanbietern eine
Vielzahl von relevanten Textmeldungen, Videos und Bilder an einem Ort anzeigen zu lassen.
Man muss nicht mehr auf verschiedenen Seiten suchen, sondern bekommt die Nachrichten
und Social-Media-Beiträge laufend aktualisiert dargestellt, so dass man sich einen schnellen
Überblick verschaffen kann.
Wenn es um die Zusammenfassung verschiedener RSS-Feeds und die Organisation von Tags
und Inhalten nach individuellen Lesepräferenzen geht, bietet sich alternativ der Einsatz des heu-
266
Vgl. http://www.google.de/ig?hl=de&t=6, Seitenabruf am 29.01.10
5.4 Bewertung des Social Media Monitorings mittels freier Dienste 101

te weltweit führenden Feedreaders Google Reader267 an. Die Darstellung neuer Inhalte ist zwar
bei diesem Werkzeug nicht so übersichtlich wie mit iGoogle, es ermöglicht aber weiterreichen-
de Funktionen hinsichtlich der Bewertung, Organisation und der Empfehlung von Beiträgen in
einer Community. Die Stärken des Google Reader liegen somit in den der Suche von Inhal-
ten nachgelagerten Phasen, in denen es vor allem um die Strukturierung und Verwaltung von
vielfältigen Informationsquellen geht.
Unabhängig vom verwendeten Webdienst für die Aggregation ist zu beachten, dass die Re-
levanz der angezeigten Inhalte wesentlich davon abhängt, wie hoch die Unverwechselbarkeit
des Suchbegriffes von anderen Begriffen ist. Darüber hinaus müssen auch wichtige Kanäle ein-
bezogen sein, wie zum Beispiel maßgebliche Blogs, Social-Bookmarking-Seiten sowie Blog-,
Video-, Bild-, Nachrichten- und sonstige Suchmaschinen, um ein möglichst großes Feld des
Social Media abscannen zu können.

5.4 Bewertung des Social Media Monitorings mittels


freier Dienste
Social Media Media Monitoring mit einfachen, unentgeltlich nutzbaren Webdiensten bietet fol-
gende Vorteile:

• Man kann sich schnell einen aktuellen Überblick über themenrelevante Veröffentlichun-
gen im Netz verschaffen. Auf das gezielte Auswerten von Veränderungen im Zeitverlauf
zielen diese ad hoc nutzbaren Analysen nicht ab. Als Frühwarninstrument eingesetzt kann
man damit negative Äußerungen und Stimmungen schon in einem durchaus aussagekräf-
tigen Maße erkennen. Auch zur Bewertung des Erfolgs von Werbekampagnen und all-
gemein zur Sichtung und Strukturierung von produkt- und, markenbezogenen Aussagen
kann es brauchbare Erkenntnisse liefern.

• Die Dienste können unentgeltlich, ohne technologische Zugangsbarrieren und große Vor-
kenntnisse genutzt werden.

Die Beschäftigung mit den Werkzeugen kann helfen, deren Potenziale auch in weiteren Marke-
tingfeldern, zum Beispiel in der Wettbewerbsbeobachtung, zu nutzen. Darüber hinaus kann es
hilfreich für die Verhandlung mit kommerziellen Monitoring-Anbietern sein. Folgende Nach-
teile und beschränkende Faktoren müssen jedoch ebenfalls beachtet werden:

• Social Media Monitoring ist zeitintensiv und bindet Arbeitskapazität. Allein schon die
Identifikation der als geeignet erscheinenden Dienste ist aufwändig. Im Bereich der be-
treffenden Webdienste herrscht eine hohe Marktdynamik. Es kommen neue Anbieter hin-
zu, Anbieter scheiden aus, Funktionalitäten verändern sich. Ein aktueller Angebotsüber-
blick erfordert somit eine fortlaufende Beschäftigung mit der Materie.

• Die Auswahl der relevanten Quellen erfordert zudem Erfahrung und eine kontinuierliche
Beobachtung ihrer jeweiligen Reputation und inhaltlichen Passgenauigkeit.
267
http://www.google.com/reader/view/#overview-page, Seitenaufruf am 03.11.2009
102 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

• Wenn man viel Zeit mit der Funktionalität von diversen Werkzeugen und mit der Suche
von interessanten Informationsangeboten verbringt, besteht die Gefahr, dass man sich
nicht mehr in dem erforderlichen Maße auf die inhaltliche Auswertung konzentrieren
kann.
• Neben dem quantitativen Erfassen von „Treffern", zum Beispiel wie oft ein Markenname
in Foreneinträgen erwähnt wird, setzt ein Erkenntnisgewinn meist weiterführende qua-
litative Aussagen voraus, etwa, ob die betreffenden Inhalte positiv, negativ oder neutral
zu werten sind, mit welcher Intensität die Aussagen vertreten werden und welche Folgen
daraus abgeleitet werden können. Hätten die Verantwortlichen der Firma Kryptonite bei-
spielsweise mittels Social Media Monitoring das Nutzervideo, in dem ein Fahrradschloss
mit einem Kugelschreiber geknackt wird, aufgespürt, hätten noch die entsprechenden
Konsequenzen auf die wahrgenommene Leistungsfähigkeit des Produktes prognostiziert
werden müssen. Die Erfassung und Bewertung der konkreten Bedeutungsinhalte von nut-
zergenerierten Veröffentlichungen ist somit ein erfolgsentscheidender Punkt, der bei vie-
len Nennungen der interessanten Suchbegriffe im Social Web schnell sehr arbeitsintensiv
werden kann.
• Aufwändig gestaltet es sich auch, dass die meisten Dienste sich hinsichtlich der Erhe-
bung oft nur auf bestimmte Social-Media-Kanäle, zum Beispiel nur auf Blogs, nur auf
Blogkommentare, nur auf Beiträge in Foren etc. beschränken. Will man ein breites Feld
von Kanälen abdecken, muss man mit verschiedenen Diensten arbeiten. Die Ergebnisse
lassen sich aber mittels RSS-Feeds, wie beschrieben auf Aggregationsseiten zusammen-
fassen, was sich wieder vereinfachend auswirkt.
• Für auf bestimmte Kanäle ausgerichtete Dienste ist es häufig schwer in Erfahrung zu
bringen, ob der Großteil der relevanten Informationsquellen auch erfasst wird. Da es sich
bei den angesprochenen Diensten um kostenlos nutzbare Leistungen handelt, darf man
von den Anbietern selber auch nicht immer allzu viele Informationen hinsichtlich des
Umfanges der einbezogenen Datenquellen erwarten.
• Die einschlägigen Webdienste beschränken sich auf bestimmte Sprachkreise und Länder,
so dass man mit einer international agierenden Marke in Abhängigkeit des Betrachtungs-
raumes unterschiedliche Werkzeuge einsetzen muss.
Die Grenzen freier Werkzeuge und einfacher Clipping-Dienste sieht auch der Direktor der Mi-
chelin Reifenwerke AG Thomas Hermann: „Wir haben uns bisher auf Clippingdienste gestützt,
die uns elektronisch täglich und postalisch wöchentlich zugehen. Daneben haben wir auf goo-
gle.news für gewisse Suchworte „Alerts" eingerichtet. Allerdings konzentrieren sich Clipping-
dienste auf traditionelle Suchwörter, Firmen- und Produktnamen. Als Unterstützung für ein
Issues Management, das losgelöst von einzelnen Schlagwörtern auf komplexen Themenfeldern
basiert, stößt dieses System allerdings an seine Grenzen. Weder quantitativ noch qualitativ er-
laubt diese Vorgehensweise aussagekräftige, strukturierte und zeitnahe Analysen."268
Arbeitserleichterungen und gegenüber den einfachen Beobachtungsansätzen höherwertige
Aussagen versprechen sich Anbieter von kommerziellen auf das Social Web ausgerichtete
Monitoring-Angeboten.
268
Hermann/Nies (Maßgeschneiderte Web-Analysen, 2008), S. 63
5.5 Social Media Monitoring mittels kommerzieller Angebote 103

5.5 Social Media Monitoring mittels kommerzieller


Angebote
Im Zuge der verbreiteten Akzeptanz von Social Media ist ein wachsendes Angebot von kom-
merziellen Monitoring-Angeboten zu beobachten. Die Herangehensweise der Anbieter erfolgt
dabei meist nach folgendem Muster269:

1. Datenerhebung: Daten werden in der Regel mithilfe eines Webcrawlers erhoben, der
Weblogs, Foren und andere Formen des Social Media nach vereinbarten Kriterien auto-
matisiert, durchsucht und den Inhalt über eine Indexierung auswertet und speichert.

2. Verarbeitung und Filtern von Daten: Der gesammelte Text wird zum Teil aggregiert,
sortiert, gefiltert, klassifiziert sowie mit Kategorien versehen, um schneller durch die ein-
gesetzte Suchmaschine gefunden werden zu können.

3. Analyse der Daten: Die Daten werden nach Maßgabe des jeweiligen Auswertungsinter-
esses analysiert.

4. Kommunikation der Ergebnisse: Die Ergebnisse werden in eine präsentierbare Form


gebracht. Dies erstreckt sich häufig auf graphisch zusammengefasste Darstellungen, zum
Beispiel so genannte „Dashboards", die online einen schnellen Überblick gewähren. Er-
gebnisse können jedoch auch Berichte, bestehend aus Bild- und Textinformationen um-
fassen, die regelmäßig geliefert werden. Über bestimmte Ereignisse kann man sich eben-
falls über Alert-Systeme vom Anbieter informieren lassen.

Marktübersichten und vergleichende Analysen von angebotenen Leistungen existieren bislang


nur in Ansätzen.270 Die aktuellen kommerziellen Monitoringangebote unterscheiden sich hin-
sichtlich zahlreicher Punkte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, sind fol-
gende zentrale Unterscheidungsgrößen von Angeboten auszumachen:

• Art und Zahl der analysierten Quellen

• Art der Datenerhebung


- Einsatz von Webcrawlern
- Abonnement von RSS-Feeds

• Häufigkeit der Datenerhebung und Indexierung

• Möglichkeiten der Kundeneinflussnahme auf die Erhebung und Auswertung


- Hinzufügen, entfernen von Quellen
- Gewichtung von Quellen

• Anzahl der einbezogenen Sprachen und Länder


269
Vgl. Berkmann (The Art of Strategie Listening, 2009), S. 80f.
270
VgI. Sheldrake (The Social Web Analytics, 2008), S. 57; Berkmann (The Art of Strategie Listening, 2009), S. 86ff.
104 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

• Leistungsfähigkeit der Datenanalyse


- Entfernung von Mehrfacheingaben und Spameinträgen
- Semantische Analysemöglichkeiten
- Erkennung des gesprochenen Wortes in Audio- und Videobeiträgen
- Identifikation von Themengebieten
- Ermittlung von Stimmungen, zum Beispiel positiven oder negativen Einschätzun-
gen
- Ermittlung der Reputation von Personen, zum Beispiel von Vorständen
- Ermittlung von Issues, die mit Personen in Verbindung gebracht werden
- Ermittlung des Einflusses und der Reichweite von Autoren
- Ermittlung der Relevanz von Beiträgen
- Segmentierung von Autoren nach bestimmten Merkmalen
- Analyse von Veränderungen im Zeitablauf

• Darstellungsmöglichkeiten der Ergebnisse


- Graphische Übersichten, zum Beispiel in Form von Dashboards
- Berichte
- Alerts
- Drill-down-Möglichkeiten auf einzelne Beiträge
- Filter zur Ergebnisdarstellung

• Weiterführendes Marketing und Beratung

• Dokumentierte APIs

• Zugriff auf Softwarebibliotheken

• Datenexport in andere IT-Systeme

• Erreichbarkeit für Kundensupport

• Geforderte Leistungsentgelte und Vergütungsmodalitäten

Welche Monitoringleistungen im Detail in Erwägung gezogen werden sollen, hängt davon ab,
welchen Stellenwert Social Media für ein Unternehmen hat und welche Inhalte nach Kosten-
Nutzenerwägungen zu vertreten sind. Dass die Nutzung von anspruchsvollen Angeboten auch
mit entsprechenden Kosten verbunden ist, die jedoch hinsichtlich ihrer Wirkungen durchaus
gerechtfertigt sein können, bringt Berkman anschaulich zum Ausdruck. "Most of these vendor-
based solutions are not cheap and typically run five or even six figures and up per year. But if
you happen to be a Fortune 1000 firm, and you already have allocated millions of dollars per
year in your marketing budget, then subscribing to a blog-monitoring vendor may not represent
5.5 Socia1 Media Monitoring mittels kommerzieller Angebote 105

a significant new expenditure. And if you want to be sure your're covering all your bases, then
taking this route and looking at it as extra insurance might not be a bad idea."271
Anbieter im Bereich des Social Media Monitorings zielen zunehmen darauf ab, ihr Leis-
tungsangebot nicht nur auf die Erhebung von Tatsachen zu beschränken, die sich beobachten
lassen, sondern darüber hinaus Erkenntnisse zu generieren, die bei der Umsetzung von konkre-
ten Marketingmaßnahmen helfen können. Brad Brodigan, CEO des Informationsdienstleisters
Biz360 äußerte sich diesbezüglich: "Two years ago, people were buying media analysis for
defensive purposes - they wanted to know when people were saying bad things. But now com-
panies want to know how to compete better. What's driving someone to buy one digital camera
over another or one car over another? We believe there's a big shift from defensive to offensive
tools."272
Das vorliegende Werk will keine Bewertung der Leistungen kommerzieller Anbieter des So-
cial Media Monitorings vornehmen, zumal diesbezüglich keine Vergleichsstudien vorhanden
sind. Dass es geboten ist, diverse Leistungsangebote kritisch zu prüfen und sich nicht von vor-
dergründigen Versprechungen blenden zu lassen, versteht sich in diesem Marktumfeld von
selbst, das noch stark in der Entwicklung begriffen ist. Der folgende Blogeintrag von Jörg
Hoewner, dem Geschäftsführer der Agentur K12 - Agentur für Kommunikation und Innova-
tion - vom 11.08.08 lässt erkennen, dass die Suche nach einem leistungsfähigen Anbieter kein
einfaches Unterfangen darstellt.
„Im Rahmen unseres Beratungsproduktes Social Media Audit suchen wir ständig nach Mög-
lichkeiten zur Verbesserung bzw. zu [!] Arbeitserleichterung. Arbeitserleichterung in dem Sin-
ne, dass wir ein Tool suchen, das die Datensammlung und das Mining erleichtert, so dass wir
uns auf die eigentliche inhaltliche Auswertung fokussieren können.
Letztendlich arbeiten wir mit einem Mashup unterschiedlicher Datenquellen, die zu sehr
brauchbaren Ergebnissen führen, allerdings eine Menge Recherchevorarbeit voraussetzen. Aber
immerhin nutzen eine Reihe von Kunden diesen Service, am intensivsten wir selbst, weil es für
uns ein Tool für die inhaltliche Beratung ist (Themen finden, Einstellungen und Argumente
aufdecken).
In diesem Zusammenhang haben wir uns sehr viele Dienstleister in dem Bereich Daten-
sammlung/Mining angeschaut, z.T. [ !] teuer bezahlt und müssen sagen, dass wir bisher nirgends
irgendwo [!] richtig glücklich geworden sind - weder bei deutschen noch bei nordamerikani-
schen Services.
Bei den amerikanischen Anbietern wie SocialRadar, Techrigy und Radianó wirken die Ober-
flächen vielversprechend, Radianó macht sogar richtig Spaß. Schwächen finden sich bei der
Auswahl deutschsprachiger Quellen, Erfassung von Foren (bei SocialRadar und Techrigy) und
ganz einfach bei der prohibitiven Preisgestaltung, die für den deutschsprachigen Markt unrea-
listisch ist: 1.000 US $/Monat für 20 Such-Queries (SocialRadar) - und dann nur Suche in
RSS-Feeds von Quellen, die von der Datenqualität denen von Technorati entsprechen ...Sorry...
In Deutschland scheint die Datenauswahl ebenfalls ein Schwachpunkt: Entweder werden
Blogs erfasst oder Foren. Und wenn, dann nur eine Biogauswahl. Und bei Forenergebnissen
erhält man zwar (wie kürzlich für einen Kunden von uns) 10.512 Treffer, aber davon sind ca.
40 Prozent Spam und Ausschuss.
271
Berkmann (The Art of Strategie Listening, 2009), S. 74
272
Brodigan, Β., zitiert in: Sheldrake (The Social Web Analytics, 2008), S. 57
106 5 Sodai Media als Instrument der Marktforschung

Fazit: We are still examining." 273


Wichtig ist, dass Ergebnisse des Social Media Monitorings in richtig aufbereiteter und kon-
zentrierter Form an Entscheidungsträger und interessierte Mitarbeiter weitergeleitet werden.
Bei der BASF schildert Ulrich Nies, wie das Monitoring von Themen abläuft, die sowohl
Chancen als auch ein Risikopotenzial bergen. „Die Informationen, die ein internes Issue-Team,
unterstützt von Freelancern, sammelt, laufen bei Koordinatoren zusammen und fließen in re-
gelmäßige Berichte ein, die wiederum auch in Blog-Form in unserem Intranet bereitgestellt
werden." 274 Will man Anstöße von Nutzern ernst nehmen, muss neben der zielgerichteten, un-
ternehmensinternen Weiterleitung auch ein anschließender Dialog organisiert werden, auf den
in Kapitel sechs noch eingegangen werden soll.

5.6 Social Media als Instrument der qualitativen


Marktforschung
Der Fokus des bisher dargestellten Social Media Monitorings liegt auf einer kontinuierlichen
Beobachtung von nutzergenerierten Äußerungen, um Entwicklungen und Tendenzen frühzeitig
erkennen und erforderliche Reaktionen möglichst zeitnah einleiten zu können. Das Monitoring
ist von der Abdeckung her großflächig anzulegen und zunächst geht es dabei um die quantitati-
ve Erfassung von nutzergenerierten Beiträgen im Rahmen von deskriptiven Analysen. Einzelne
Veröffentlichungen können jedoch auch in weiterführenden Analysen gezielt qualitativ ausge-
wertet werden.
Ein vornehmlich qualitativer Ansatz der Onlinemarktforschung, der nicht auf Befragungen,
sondern auf die Beobachtung des Kommunikationsverhaltens von Gruppen, deren einzelner
Mitglieder sowie der Kommunikation im Web abzielt, ist die Netnography. In diesem von Ko-
zintet geprägten Kunstwort werden die Begriffe „Net" und „Ethnography" verknüpft. 275 Fun-
dament dieses Begriffes ist die „Ethnolografie", welche das Ziel verfolgt, das Leben und die
Sozialstruktur fremder Kulturen zu beschreiben und aus deren Sichtweise zu verstehen.276 Die
Erhebung von Erkenntnissen erfolgt dabei vornehmlich mithilfe der Beobachtung. Angewen-
det auf neue Möglichkeiten der Informationsgewinnung im Internet, will die Netnography den
Kommunikationsfluss von Einzelnen und Gruppen im natürlichen Umfeld des Social Web auf
der Basis von Textdokumenten auswerten. Dies unterscheidet sie von anderen Verfahren der
Onlineerhebung, wie Onlinebefragungen und Online-Fokusgruppen, die in einem Kontext statt-
finden, der von einem Forscher konstruiert wurde.277 Konversationen und soziale Interaktionen
in Onlinecommunities sollen bei der Netnography bewusst unaufdringlich und unbeeinflussend
beobachtet werden. Dabei wird der Anspruch erhoben, sowohl explizit formulierte als auch im-
plizit vorhandene Bedürfnisse, Wünsche, Erfahrungen, Motivationen, Einstellungen und Wahr-
nehmungen im Hinblick auf interessante Produkte, Marken und sonstige Themenfelder einzu-
beziehen.278
273
Hoewner (Social Media Monitoring: Erfahrungsberichte, 2008)
274
Hoewner (Social Media Monitoring: Erfahrungsberichte, 2008)
275
Vgl. Netnography (The Field Behind the screen, 2008)
276
Vgl. Wikipedia (Ethnografie, 2009)
277
Vgl. Janowitz (Netnographie, 2009)
278
Vgl. Β arti (Netnography, 2007), S. 83ff.
5.6 Socia] Media als Instrument der qualitativen Marktforschung 107

Qualitative Auswertungen von User-generated-Content können ad hoc vor dem Hintergrund


konkreter Fragestellungen gestartet werden. Diese beinhalten zum Beispiel Fragen der Produkt-
und Markenwahrnehmung sowie -Verwendung. Auch Zielgruppenmerkmale und Fragen zur
Anwendung und Wirkung des absatzpolitischen Instrumentariums können im Fokus stehen.
Eine Netnography-Analyse der Hochschule Genf zielte beispielsweise darauf ab, Erkenntnis-
se darüber gewinnen zu wollen, welche für die Entwicklung von innovativen Distributions-
und Servicekonzepten von Luxusuhren eingesetzt werden können. Hierzu wurden verschiede-
ne Blogs ausgewertet, die sich mit hochwertigen Uhren auseinandersetzen.279 In einer anderen
Studie wurde eine Netnography-Analyse verwendet, um Einflüsse der Suche nach Designinfor-
mationen auf Kaufentscheidungsprozesse zu identifizieren.280
Die Vielzahl der unterschiedlichen Interessensgemeinschaften, Foren und Veröffentlichun-
gen, die kaum ein Themengebiet menschlicher Reflexion aussparen, eröffnet der qualitativen
Marktforschung ein breites Feld der explorativen Recherche. Um zu verwertbaren Erkennt-
nissen zu gelangen, muss diese methodisch sauber aufgesetzt sein. Bartl beschreibt in seinem
Beitrag fünf Schritte, die hier nur zusammengefasst wiedergegeben werden281:

1. Definition des Erhebungsziels: Es ist erforderlich, das Erhebungsziel möglichst detail-


liert zu formulieren und zentrale inhaltliche Dimensionen des Untersuchungsthemas ab-
zustecken.

2. Auswahl von Onlinequellen: Werkzeuge des Social Media Monitorings können helfen,
relevante Quellen zu identifizieren, welche anschließend einer tieferen, qualitativ hoch-
wertigen Analyse unterzogen werden können.

3. Beobachtung, Speicherung und Datenanalyse: Im Kern geht es darum, die Datener-


hebung und Analyse auf der Wissensbasis qualitativer Inhalts-, Diskurs- und Konversa-
tionsanalysen durchzuführen. Unterstützend können Hilfsmittel, wie zum Beispiel eine
Software zur qualitativen Datenanalyse, für die Kodierung und Verwaltung von Beiträgen
eingesetzt werden.

4. Hineinversetzen in die Lage der Beitragenden, Ableitung von Bedürfnissen, Wün-


schen, Motivationen und weiteren qualitativen Zusammenhängen: Die Erkenntnisse
sollen hierbei als möglichst direkte Handlungsempfehlungen für die weitere Umsetzung
nutzbar sein, zum Beispiel in der Produkt- und Kommunikationspolitik.

5. Projektüberführung: Die gewonnenen Handlungsempfehlungen werden in konkrete


Maßnahmen transferiert und es erfolgt die Projektierung, wobei durch Rückkopplungen
sicherzustellen ist, dass Nutzer- und Kundenanforderungen auch entsprechend berück-
sichtigt werden.

Wenngleich das methodische Vorgehen einem einfachen Schema folgt, erfordert der Umgang
mit qualitativen Verfahren der Marktforschung Erfahrung, Einfühlungsvermögen und fachliche
Expertise. Robert Kozinets meint hierzu: "It takes an experienced and adept ethnographer to be
a good netnographer. Without detailed cultural knowledge and an ability to follow a cultural
279
Vgl. Heg (Analyzing Web 2.0, 2008)
280
Vgl. Kyung-Jin (Study, 2009)
281
Vgl Baiti (Netnography, 2007), S. 83ff.
108 5 Social Media als Instrument der Marktforschung

investigation through to all of the touchpoints that matter (both F2F and virtual), a etnography
[!] is not going to have the impact or reliability that it needs to have in order to inform important
decisions or build valid understanding."282 Während man im Rahmen des Social Media Monito-
rings aussagekräftige Ergebnisse schon ohne große Vorkenntnisse durch die Nutzung von freien
Diensten ableiten kann, ist dies im Rahmen der qualitativen Marktforschung zur Gewinnung re-
liabler und valider Erkenntnisse an Erfahrung und fachliche Voraussetzungen geknüpft. Ohne
Hinzuziehung spezialisierter Experten sind deshalb der qualitativen Marktforschung unter der
Nutzung von Social Media Grenzen gesetzt.

282
Kozinets (Onwards neurography, 2008) S. 9
6 Social Media im Rahmen der
reaktiven Kommunikation und
Dialogorganisation

6.1 Ansatzpunkte der Dialogführung


Die Herangehensweise des Marketings ist von seinem Grundverständnis her ,reaktiv" auszu-
richten. Nach der Maxime des Marketings hat man von Märkten her auf Märkte hin zu agieren,
das heißt, Dreh- und Angelpunkt von Marketingaktivitäten sind formulierte oder abgeleitete
Bedürfnisse und Wünsche potenzieller Kunden auf die entsprechende Reaktionen durch die
Anpassung des absatzpolitischen Instrumentarium zu erfolgen haben.
Durch Social Media haben sich die Möglichkeiten der Meinungsgenerierung über Produkte
und Marken für Endverbraucher sprunghaft erhöht. Mitteilungswillige haben die Möglichkeit
Meinungen spontan zu äußern und zeitgleich eine große Öffentlichkeit daran teilhaben zu las-
sen. Viele Äußerungen sind zudem über das Web nachvollziehbar dokumentiert. Waren früher
Kunden mit einem Produkt unzufrieden und wollten das andere wissen lassen, konnten sie nur
eine begrenzte Anzahl von Personen erreichen. Es war auch für Dritte nicht einsichtig, was
konkret kommuniziert wurde. Dies hat sich durch Social Media geändert. Reaktives Verhalten
auf im Web geäußerte Meinungen, Wünsche und Erwartungen bekommt durch die öffentliche
Reichweite von Nutzerbeiträgen und darauf bezogene Antworten vonseiten des Unternehmens
einen ganz neuen, zentralen Stellenwert, der im Rahmen des Marketings genutzt werden kann.
Um von Unternehmensseite überhaupt Dialoge führen zu können, gibt es folgende grund-
sätzlichen Herangehensweisen:

1. Erfassung von nutzergenerierten Botschaften im Web über Methoden des Social


Media Monitorings und Ansprache der Nutzer: Die Dialogführung wird möglich, in
dem unternehmensbezogene Beiträge in den verschiedensten Social-Media-Kanälen mit-
tels Social Media Monitoring aufgespürt und darauf hin Reaktionen auf diese Beiträge
hin vonseiten des Unternehmens generiert werden. Eine weiterführende Konversation
kann sich dann anschließen. Die Initiative für die Ansprache der Einzelnen, die sich zum
Beispiel über Produkte, Führungskräfte und sonstige Unternehmensaspekte mittels So-
cial Media äußern, loben oder beschweren, geht dabei vonseiten des Unternehmens aus.
Die betroffenen Personen, die nicht selten überrascht sind, von Unternehmensvertretern
eine Reaktion auf ihre Äußerung zu erhalten, werden im Grunde „outbound" angespro-
chen, beispielsweise um Kritik im Keim zu ersticken.

2. Aufbau von Social-Media-Kontaktpunkten in relevanten Kanälen zur Realisierung


von persönlichen Anlaufstellen: Für Unternehmungen kann es sinnvoll sein, Social-
110 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

Media-Kontaktpunkte zu unterhalten, um zum Beispiel als Außenposten des Kunden-


service oder als verlängerter Arm der Produktentwicklung persönliche Anlaufstellen bei
Problemen, Kritik, Produktideen, Anregungen etc. zu gewährleisten. Bei diesen Kom-
munikationsangeboten geht die Initiative der Kontaktaufnahme vonseiten der Nutzer des
jeweiligen Social-Media-Kanals aus. Die Ansprache erfolgt vergleichbar mit „inbound"
Anrufen bei Callcentern und von der ausgewiesenen Kontaktperson des Unternehmens
wird in der Regel eine Reaktion erwartet, die dann in eine weiterführende Konversation
münden kann.

3. Generierung von eigenem Content auf Social Media Plattformen als Anstoß für die
Dialogführung: Diese Herangehensweise, bei der die Kommunikation nicht reaktiv, wie
die ersten beiden Punkten sondern proaktiv (siehe nächstes Kapitel) erfolgt, wird hier
nur zur Vervollständigung der Ansatzpunkte der Dialogführung dargestellt. Unterneh-
men schaffen bei diesem Vorgehen Inhalte und streuen jene mittels Social Media in Form
von Blogs, Podcasts, Gruppen in sozialen Netzwerken, Foreneinträgen etc. Sie gehen in
die Vorleistung und versuchen proaktiv bestimmte Botschaften zu vermitteln. Die gesen-
deten Informationsinhalte eignen sich dann als Anknüpfungspunkte für entsprechende
Nutzerreaktionen und eines daraus erwachsenden weiterführenden Dialogs. Jener steht
aber gegenüber der Verbreitung der eigentlichen Botschaft nur an zweiter Stelle der Ver-
wertung.

In diesem Kapitel sollen die beiden erst genannten Herangehensweisen der Dialogführung als
Reaktion auf inhaltliche Anstöße vonseiten der Nutzer thematisiert werden. Dieses Vorgehen
ist im Vergleich zur Generierung von eigenem Content nicht an Vorbedingungen geknüpft. Es
entspricht von daher dem idealtypischen Verhalten, ein marketingbezogenes Engagement als
Reaktion auf eine Kundenaktivität oder einen dahinterstehenden Kundenwunsch zu entfalten.

6.2 Zuhören und Kundendialog am Beispiel von Dell


6.2.1 Die Anfänge der Nutzung von Social Media
Die Firma Dell, die mit dem Direktvertrieb von PCs und verwandten Produkten heute zu den
größten Anbietern in diesem Marktsegment gehört und weltweit über 82.000 Mitarbeiter be-
schäftigt, war im Jahr 2005 mit einer lautstarken Kritik an dessen Kundendienst konfrontiert.
Dell hatte schon im Jahr 2001 begonnen, den technischen Support nach Indien zu verlagern
und Servicekosten, zum Beispiel den Kundenbesuch von Ingenieuren bei Kunden konsequent
zu reduzieren. Durchschnittliche Wartezeiten in Servicehotlines von 9 Minuten,283 technische
Probleme und eine Reihe weiterer Kritikpunkte haben zu einer Menge von Beschwerden ge-
führt, die jedoch erst richtig publikumswirksam wurden, nachdem sie der US-Blogger Jeff Jar-
vis in seinem Blog BuzzMachine aufgriff. In seinem Blog sammelten sich tausende Postings von
verärgerten, frustrierten Dell-Kunden. Die mit ,J)ell hell" betitelten Blogbeiträge284 entwickel-
ten sich zum Katalysator einer negativen Stimmung gegenüber Dell, die nationale Bekanntheit
erlangte, nachdem auch die klassischen Medien in den USA darüber eifrig berichteten.
283
Vgl. Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.5
284
Vgl. http://www.buzzmachine.com/archives/cat_dell.html, Seitenaufruf am 03.11.2009
6.2 Zuhören und Kundendialog am Beispiel von Dell 111

Nach der Missachtung grundlegender Serviceerwartungen der Dell-Kunden, die der eigent-
liche Auslöser für die negativen Einflüsse auf die Unternehmensreputation von Dell war, ver-
säumte es Dell auf das von Jeff Jarvis aufgeworfene Thema öffentlichkeitswirksam adäquat
zu reagieren. Das Unternehmen verkannte den Stellenwert und das Echo, den ein einzelner
Blogger, der zum Kristallationspunkt einer breit gestreuten unzufriedenen Stimmung geworden
war, einnehmen konnte. Ein Unternehmen muss und kann gar nicht auf jeden einzelnen nega-
tiven Blogbeitrag reagieren. Wenn aber bekannte Blogger Aspekte thematisieren, die das Herz
der unternehmerischen Reputation treffen und die auch noch auf öffentliche Resonanz stoßen,
dann kann sich ein Stillhalten fatal auswirken.285 Hierdurch verspielt man Chancen der Ein-
flussnahme, die man durch die Darstellung einer „offiziellen" Sichtweise zum Beispiel durch
Reaktionen auf entsprechende Blogbeiträge oder durch eigen initiierte Veröffentlichungen in
verschiedenen Social-Media-Kanälen eventuell hätte.
Nach einem Jahr ohne nennenswerte Reaktionen und anhaltender Unternehmenskritik traf
Dell dann zwei Entscheidungen. Einmal investierte das Unternehmen in den Ausbau des Kun-
dendienstes. Darüber hinaus startete es den Service Blog Direct2Dell.286 Zu dieser Zeit war Dell
gerade mit einer neuen negativen Geschichte in den Schlagzeilen, nachdem ein Dell Laptop auf
einer Konferenz in Japan explodierte und das Unternehmen darauf hin eine Rückrufaktion der
betreffenden Akkus einleiten musste. Die Existenz des neuen Blogs mit den sich bietenden
Dialogmöglichkeiten bot nun jedoch eine neue Möglichkeit auf das Thema direkt öffentlich-
keitswirksam einzugehen. Der Blog entwickelte sich zur ersten Anlaufstelle für verunsicherte
Nutzer, die Fragen zur Sicherheit ihres Laptops hatten. Der Block führte auch dazu, dass die
Telefonhotline entlastet wurde und dass Dell Kosten im Customer Support einsparen konnte.287
Im Februar 2007 eröffnete Dell die Seite zur Generierung von Nutzervorschlägen IdeaS-
torm, die sehr gut angenommen wird und die zu einer ganzen Reihe von produktbezogenen und
sonstige Verbesserungen als Reaktion auf die Kundenanregungen geführt hat. Weitere spezielle
Social-Media-Seiten folgten, um mit Kunden zu verschiedenen Themen in einen konsequenten
Dialog zu treten.
Insgesamt ist die Neuausrichtung der Kommunikation mit Kunden mittels Social Media
mehrheitlich positiv wahrgenommen worden, was zu Kundenreaktionen und Blogeinträgen
führte, wie zum Beispiel:
"Dell is making a good effort to engage with bloggers, take care of problems, and improve
its customer service."288
"I don't know if that will make Dell's lousy service any better, but it shows they want to listen,
and that's where recovery can begin." 289
Als eine weitere positive Konsequenz konnte in einer Studie festgestellt werden, dass die
negativen Kommentare über den Dell Kundenservice nachgelassen haben. 290 Als zu Beginn des
Jahres 2007 erneut negative Beiträge über den Kundenservice in Foren und Blogs aufkamen,
konnte das durch positive Beiträge von jenen konterkariert werden, die Erfreuliches zu Dell
und positiven Erfahren mit dem Dell Kundenservice zu berichten hatten. Ende 2007 stellte Dell
285
Vgl. Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.4
286
Vgl. http://en.community.dell.eom/blogs/direct2dell/archive/2006/07/l 1/117.aspx, Seitenaufruf am 03.11.2009
287
Vgl. Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.6
288
Scoble (Bad PR for Dell, 2007)
289
Ochman, B., zitiert in Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.l 1
290
Jarvis, J., zitiert in Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.l 1
112 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

fest, dass der Anteil der Online-Kundenbeiträge mit negativem Anteil von über 50 Prozent in
2006 auf 23 Prozent gefallen sei. Menchaca von Dell äußerte hierzu: "Dell doesn't attribute all
its blogging efforts to stemming the negative online conversation, but they are confident that
blogging has helped." 291
Nach der Social-Media-Initiative von Dell rechtfertigte sich der Auslöser der Dell-Hell-
Kampagne und damalige Hauptkritiker Jeff Jarvis: „Anyone who doesn't listen to their cus-
tomers talking is a fool. A lot of people clearly had similar problems to the ones I had. It just
happened that I was at the head of the mob with pitchforks, storming castle Dell." Er sagte
darüber hinaus anerkennend: "Now they have admitted they have a problem, they have invested
money in solving the problem, and that's good. Your customers can talk and you can listen. It's
an opportunity to grasp you can win. [Company executive] John Blane reached out to me [...]
and now I hear Michael Dell's going to blog. It's all good." 292
Die Erfahrung, die Dell mit der Einführung und konsequenten Nutzung von Social Media
gesammelt hat, kann unter Einbeziehung von Aussagen des Dell Managers Lionel Menchaca293
folgendermaßen zusammengefasst werden:

• Unternehmen müssen ihren Kunden zuhören und das setzt ein wirkungsvolles Social
Media Monitoring voraus.

• Unternehmen können damit schnell Produktprobleme und aufkommende Themen der


öffentlichen Diskussion in Erfahrung bringen.

• Unternehmen können mittels Social Media zusätzliche Kommunikationskanäle zur Ver-


besserung des Kundenservice nutzen.

• Unternehmen können Blogs und andere Social Media-Kanäle für die Krisenkommunika-
tion einsetzen.

• Unternehmen sollten ehrlich sein und zugeben, wenn sie Fehler gemacht haben.

6.2.2 Stellenwert und Ziele von Social Media


Aufgrund der positiven Erfahrungen die Dell mit Social Media gesammelt hat, baute das Un-
ternehmen ein Social-Media-Team auf, das heute über 40 Mitarbeiter in den USA umfasst, die
das Dell Community Netzwerk betreuen.294 Das beinhaltet täglich hunderte von Kundeninter-
aktionen über Blog-, Twitter-, Facebook- und Forumbeiträge, Antworten über Yahoo etc.295Dell
erhält zum Beispiel allein in seinem Direct2Dell Blog über 400 Kommentare in einer Woche,
in der viel los ist. 90 Prozent dieser Kommentare können schnell durch ein positives Feedback
beantwortet werden, das darin bestehen kann,

• in die Konversation einzutreten und dem Beitragenden bloß dafür zu danken, dass er
seine Meinung abgegeben hat, oder
29
'Menchaca, L. in Brand Autopsy (Dell and Social Media, 2007), S. 11
292
Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.12
293
Vgl. Marketsentinel (Responding to crisis using social media, 2007), S.12
294
Vgl. Morrissey (Dell Loses Social Media Chief, 2009)
295
Vgl. Longhopper (Social Media Marketing at Dell, 2008)
6.2 Zuhören und Kundendialog am Beispiel von Dell 113

• auf negative Beiträge mit einer Klarstellung der Fakten zu reagieren, welche die negativen
Aspekte in den Hintergrund treten lassen.296

Michael Dell, der Gründer der Firma, unterstreicht die Bedeutung einer konsequenten Dialog-
orientierung mittels Social Media: „These conversations are going to occur whether you like it
or not... do you want to be part of that or not? My argument is you absolutely do. You can learn
from that. You can improve your reaction time. And you can be a better company by listening
and being involved in that conversation."297 Der Leiter des Marketings von Dell bringt es noch
deutlicher zum Ausdruck: " By listening to our customers," he says, "that is actually the most
perfect form of marketing you could have."298
Richard Binhammer, einer der Verantwortlichen im Social Media-Team von Dell äußert zu
den neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion mit Kunden:
„Connecting and communicating with customers is about more than merely meeting cus-
tomers' expectations today. Social media is an ideal tool to reach customers more quickly,
efficiently, frequently and cost effectively.
Even more importantly than its efficiency and cost-effectiveness, social media is an ideal
tool to listen, learn and engage in real conversations with customers. Does someone need to
justify that?
Here is an example: If a conversation occurs in a Minneapolis Starbucks about the new Dell
mini, I can't hear it, nor be informed by it. On the other hand, if that same conversation starts
in Minneapolis (or China) with a post on a blog, Twitter, Friendfeed, Facebook or wherever,
not only can I listen and learn, I can act and join the conversation.
We can immediately take the information and do what we need to - fix something, thank
the customer for positive feedback, correct misinformation, whatever might be relevant. It's
like having Dell customers from anywhere in the world walking the halls of our offices in
Round Rock, TX. How cool is that? But the result is better than cool. The immediacy of
online listening means we can continuously build a better business based on real time customer
input."299
Zur Steuerung des anwachsenden Social Media-Teams werden von Dell folgende Zielvorga-
ben erhoben:

• Aufnahme von Konversationen mit Kunden jeden Tag, in den wichtigsten Sprachen.

• Direkte Reaktion auf jede Form von Kundenunzufriedenheit, wissend, dass nicht alle
Probleme gelöst werden können und bestimmte Schwächen von Dell offen gelegt werden.

• Förderung des Crowd Sourcing als nächste Stufe des Zuhörens von Kunden.

• Verwendung von Videos, um die Geschichte von Dell zu personalisieren.300

Interessant ist, dass Dell neben dem Zuhören zum Erkennen und schnellen Reagieren auf Kun-
denprobleme die Dialogkommunikation auch nutzt, um Kunden im Sinne eines Crowdsourcing
296
Pope, J. in Brand Autopsy (Dell and Social Media, 2007)
297
Busniness Week (Dell Leams to Listen, 2007)
298
Busniness Week (Dell Leams to Listen, 2007)
299
Binhammer, R., in Online Marketing Blog (Dell Social Media Interview with Richard Binhammer, 2008)
300 Vgl p 0 p e j i n grand Autopsy (Dell and Social Media, 2007)
114 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

in verschiedener Weise zu beteiligen und für sich „arbeiten" zu lassen. Zur Ermöglichung die-
ser Austauschprozesse hat Dell spezielle Kommunikationskanäle und Plattformen ins Leben
gerufen, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

6.2.3 Realisierung von Kontaktpunkten


Dell hat erkannt, dass es für die Förderung eines Kundendialoges und wechselseitigen Infor-
mationsaustausches mit und zwischen Kunden der Informationskanäle bedarf, die dem Anlass
der Kommunikation Rechnung tragen. Die Links auf diese Kanäle werden in der englischspra-
chigen Ausgabe der Dell Community301 dargestellt und reichen von Foren über Blogs, Media
Galerien, Wikis, thematische Gruppen bis hin zur Ideengenerierungsplattform IdeaStorm. Ein-
zelne Kanäle, zum Beispiel Blogs, differenzieren sich noch nach verschiedenen Themengebie-
ten, um dem Leser inhaltlich eine schnelle Orientierung zu ermöglichen. So bietet beispiels-
weise der Corporate Blog Direct2Dell Informationen zu verschiedenen unternehmensspezifi-
schen Vorhaben von Dell. Im Educational Blog beschäftigen sich die Dell-Mitarbeiter dage-
gen mit Aspekten des IT-unterstützten Lernens. Nach dem Erwerb eines Nutzer-Accounts der
Dell-Community können, wie üblich in diesem Medium, Kommentare zu den Blog-Beiträgen
abgegeben werden, die öffentlich angezeigt werden. Die Anzahl entsprechender Kommentare
liegt jedoch bei vielen Beiträgen auf einem sehr überschaubaren Niveau. Deutlich mehr Nut-
zerbeiträge finden sich naturgemäß in den verschiedenen angebotenen Foren, in denen Nutzer,
geordnet nach Themenfeldern, untereinander Lösungen diskutieren, hauptsächlich hinsichtlich
technischer Problemstellungen rund um Dell-Produkte. Durch diese Art des Engagements hel-
fen sich Nutzer untereinander und leisten hierdurch einen Beitrag zur Entlastung von Unterneh-
menskapazitäten im Kundensupport. Bop Pearson, Vice President Communities & Conversa-
tions bei Dell, unterstreicht diesbezüglich in einem Videointerview, dass sich Dell mit seinem
Informationsangebot der Dell-Community in erster Linie als Facilitator sehe, der Interessen-
ten die entsprechenden Informationskanäle und -räume zur Verfügung stelle und, dass es nicht
darum gehe, Inhalte zu liefern.302
Das Angebot Wikis war vielleicht einmal als nutzergeneriertes Wiki zu verschiedenen vorge-
gebenen Themenfeldern gedacht. Hinsichtlich der Beiträge unterscheidet es sich jedoch nicht
wesentlich von Foreneinträgen und wird zum Teil zweckentfremdet als Anlaufstelle für persön-
liche Beschwerden verwendet, auf die dann jedoch von Mitarbeitern des Social Media Teams
von Dell öffentlichkeitswirksam reagiert werden kann.
Die Dell-Community weist auch eine Mediengalerie mit verschiedenen audiovisuellen Me-
dien auf, die von Dell generierte Beiträge, wie zum Beispiel Erläuterungen zum Gebrauch von
Produkten, Interviews etc. umfasst, darüber hinaus aber auch Bilder und Videos von Nutzern
beinhaltet. Diese erstrecken sich über ein bunt zusammengewürfeltes inhaltliches Spektrum,
das von Fragen zu abgelichteten Dell-Komponenten, Screenshots mit Fehlermeldungen bis hin
zu Hundefotos von Communitymitgliedern reicht.
Ein Beispiel der Nutzerintegration, das vom Unternehmen als erfolgreich angesehen wird,
stellt die seit 2007 angebotene Plattform IdeaStorm dar, die darauf abzielt, Ideen und Produkt-
vorschläge von Mitgliedern der Community zu sammeln, um sie für die eigene Produktent-
wicklung nutzen zu können. Nach einer Registrierung können Nutzer Beiträge erstellen, Kom-
301
Vgl. http://en.community.dell.com/, Seitenaufruf am 04.11.2009
302yg[ Pearson, Β., in Owyang (Executive Video Interview, 2008)
6.2 Zuhören und Kundendialog am Beispiel von Dell 115

mentare dazu schreiben und Beiträge bewerten, indem sie hinsichtlich der Wichtigkeit höher
eingestuft oder abwertet werden. Durch die Bewertungsfunktionalität, die ein Spiegelbild der
Weisheit der vielen darstellt, ist mittels einer Sortierfunktion leicht zu ersehen, wie wichtig
einzelne Vorschläge insgesamt genommen werden. Hieraus lassen sich dann wiederum leich-
ter Prioritäten für die Auswahl von Projekten im Rahmen der Produktentwicklung ableiten.
Zur Kanalisierung der Ideen werden 22 Themenbereiche vorgegeben, die zum Teil rege mit
ernst gemeinten Vorschlägen bestückt werden. Insgesamt umfasste die Plattform im September
2008 über 10.000 Ideen, wovon über 200 realisiert wurden. Die Anzahl der Ideen entspricht
zwar noch nicht ganz der Dimension, die sich Michael Dell als ideal vorstellt, sie weist je-
doch in eine Erfolg versprechende Richtung. "A company this size is not going to be about
a couple of people coming up with ideas. It's going to be about millions of people and har-
nessing the power of those ideas."303Die populärsten Ideen bezogen sich auf ein vorinstalliertes
Open-Source-Betriebssystem auf Dell-Computern. Aufgrund der hohen Resonanz setzte Dell
den Vorschlag um und stattete Rechner mit dem vorinstallierten Linux Betriebssystem Ubuntu
aus.
Über die Seite "Ideas in Action" ist es in IdeaStorm möglich, sich umgesetzte Ideen auf der
Plattform anzeigen zu lassen. Inhalte dieser Seite ändern sich nur, wenn der Status einer Idee
intern auf „implementiert" gesetzt wird. Keine Informationen werden jedoch darüber gegeben,
welche Ideen umgesetzt werden und bis wann Umsetzungen zu erwarten sind.
Aufgrund der positiven Resonanz von De/Z-Kunden und interessierten Endverbrauchern, die
unentgeltlich ihr Wissen in den Dienst der Firma stellen, hat die Firma zusätzlich die Platt-
form EmployeeStorm ins Leben gerufen, um auch den über 80.000 weltweiten Mitarbeitern des
Unternehmens eine Möglichkeit zur Generierung und Bewertung von Ideen und Vorschlägen
zu bieten. Eine mit dieser Anwendung gewonnene Erfahrung war die, dass Mitarbeiter durch
diese Art des offenen gemeinsamen Austausche lernen, Ideen leichter mit anderen zu teilen.
Dies habe nach Aussage der Dell Managerin Dietz dazu geführt, dass sie nun auch in stärkerem
Maße bereit seien, sich über die Plattform IdeaStorm mit Endverbrauchern auszutauschen. Das
beeinflusse zudem die Unternehmenskultur, was Dietz folgendermaßen zum Ausdruck bringt:
"While there have been many successes with IdeaStorm, Dell is still adapting to how this ini-
tiative is changing the culture at the company. Being more transparent and sharing company
information isn't a cornerstone of the Dell corporate culture. However, IdeaStorm requires a
certain comfort level with being open and forthcoming that Dell employees are adjusting to.
Clearly, Dell's participation in the online social media world is having an impact on its com-
pany culture."304
Insgesamt stellt das Social-Media-Angebot auf der Community-Website von Dell eine wich-
tige Voraussetzung dar und spornt zur Kontaktaufnahme und wechselseitigem Austausch an.
Die Kanäle werden durch die Realisierung spezieller Kontaktstellen auf Plattformen ergänzt,
wie Twitter, Facebook, Linkedln, YouTube und Flickr. Das Unternehmen folgt somit seinen
Kunden und richtet sein Kontaktangebot auf ein breit gefächeltes Social-Media-Angebot aus,
um Kunden das Kommunikationsumfeld zu geben, in dem sie sich gerne bewegen. Dell ver-
sucht bewusst mehrgleisig zu agieren und vielseitige Möglichkeiten anzubieten, Kritik, Verbes-
serungsvorschläge und Ideen mit Unternehmensvertretern und anderen Teilnehmern auszutau-
schen. Auch wenn manche Kanäle nicht so funktionieren wie angedacht, so zeichnen sich doch
303
Dell, M., zitiert in Jarvis (BuzzMachine: Dell story, o. J)
304
Dietz, C , in Brand Autopsy (Dell and Social Media, 2007)
116 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

schon Erfolg versprechende Anwendungen ab, die dem Unternehmen, das gelernt hat zuzuhö-
ren, die Fortführung des Weges erleichtern, über den Dialog in eine offenere Kommunikation
mit ihren Kunden und Mitarbeitern zu treten.

6.3 Ziele des aktiven Zuhörens


Eine konsequente Beobachtung (hier aus Gründen der Anschaulichkeit mit „Zuhören" um-
schrieben, wobei es in der Mehrzahl der Fälle um ein konzentriertes Lesen geht) und eine
angepasste Reaktion auf Nutzerbeiträge in Social-Media-Anwendungen kann helfen die unten
aufgeführten Ziele zu verfolgen:

Informationsgewinnung Durch eine gezielte Beschäftigung mit Kundenmeinungen be-


kommt man tiefere Einsicht in deren Bedürfniswelt, Hinweise auf Probleme bezüglich des ei-
genen Leistungsangebotes, Ideen und Verbesserungsvorschläge. Das Interesse an Belangen des
Kunden und deren Beziehungen zum eigenen Unternehmen stellt den Ausgangspunkt des Soci-
al Media Monitorings dar und ist gewissermaßen der Einstieg in den Kundendialog. Die Vorteile
eines Unternehmens im Rahmen von Social Media nicht mehr alles in Eigenregie durchzufüh-
ren und andere, zum Beispiel im Hinblick auf die Gewinnung von Anregungen für sich agieren
zu lassen, bringt Richard Binhammer von Dell anschaulich in folgender Metapher zum Aus-
druck: "One of my colleagues likes to say, 'we used to host, prepare and serve the dinner par-
ty. Social media allows us to come to the party, join the conversation in a more relaxed manner
and be part of it.'" 305

Verbesserung des Kundenservice Immer mehr Unternehmen nutzen Social Media, um


ihren Kundenservice zu verbessern. Firmen wie Dell, Comcast oder Netgear verwenden bei-
spielsweise personalisierte Kontaktadressen in Twitter, an die sich Kunden bei Fragen oder Pro-
blemen wenden können. Das hat für Kunden den Vorteil, dass sie nicht lange in Warteschleifen
von Telefonhotlines verweilen müssen, um ihr Anliegen loswerden zu können. Wenn Twitter
ohnehin im täglichen Alltag verwendet wird, kann man daraus spontan, rund um die Uhr, eine
Kurznachricht an die Untemehmensvertreter versenden. Vorausgesetzt ein kompetentes Ser-
vicepersonal nimmt diese Kundenanstöße zeitnah auf und geht individuell auf die jeweiligen
Bedürfnisse ein, dann kann sich dieser zusätzliche Servicekanal förderlich auf die Kunden-
bindung und Kundenzufriedenheit auswirken. Stellenweise wird schon von Fällen berichtet,
bei denen der Kundenservice via Social Media sehr viel besser abgeschnitten hat, als bei der
herkömmlichen, telefonbasierten Offlinebetreuung.306 Zur Ausschöpfung des vollen Potenzials
eines funktionierenden Kundendienstes ist deshalb darauf zu achten, dass alle vom Unterneh-
men angebotenen Kommunikationskanäle, unabhängig ob offline oder online, ein gleich hohes
Serviceniveau bieten. Ansonsten kann der Fall auftreten, dass Kunden, die sich über eine unzu-
reichende Offlinebetreuung ärgern, ihren Ärger über Social Media multiplizieren und dabei den
Kundendienst insgesamt in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Der Stellenwert, den ak-
tive Internetnutzer einem funktionierenden Kundendienst beimessen, wurde mit einer Studie307
305
Binhammer, R., in: Odden (Dell Social Media Interview with Richard Binhammer, 2008)
306
Vgl. Nelles (Social Media setzt neue Standards, 2009)
307
Vgl. New Communications Review (New SNCR Study, 2009)
6.3 Ziele des aktiven Zuhörern 117

der Society for New Communications Research unterstrichen. Danach informieren sich 72,2
Prozent der Befragten zumindest manchmal vor dem Kauf von Produkten und Dienstleistungen
über die Qualität des Kundendienstes. Die Informationsquelle Social Media spielt dabei eine
besondere Rolle. 81 Prozent sehen Blogs, Onlinebewertungssysteme und Diskussionsforen als
geeignete Instrumente an, um ihre Einschätzungen bezüglich des Kundenservice' bestimmter
Unternehmen öffentlich zu machen. Weniger als 33 Prozent glauben jedoch, dass sich Unter-
nehmen für diese Nutzereinschätzungen interessieren. Dies sollte für Unternehmen, die das
Zuhören im Social Web als wichtig erachten, ein Ansporn sein, die jeweiligen Beitragsersteller
durch ernst gemeinte Reaktionen und Dialogbemühungen positiv zu überraschen.

Steigerung der Kundenbindung und Kundenzufriedenheit Empirische Studien be-


legen, dass das Interesse an Kundenbedürfnissen sowie bestimmte Verhaltensweisen, wie zum
Beispiel Freundlichkeit im Rahmen der Kommunikation, die Kundenzufriedenheit bzw. -loya-
lität positiv beeinflussen. 308 Wenn sich beispielsweise ein unzufriedener Kunde in irgendeinem
Social-Media-Kanal negativ über eine Firma oder ein Produkt äußert, ohne dabei diese Kri-
tik direkt an Unternehmensverantwortliche zu adressieren, wird er wahrscheinlich erst einmal
überrascht sein, vonseiten des in der Kritik stehenden Unternehmens eine unmittelbare Reakti-
on zu erhalten. Man vermittelt dem Kunden damit, dass man sich als Unternehmen für dessen
Belange interessiert, sonst hätte man den Suchaufwand nach unternehmensbezogenen Kunden-
beiträgen nicht praktiziert. Durch eine individuell auf den Kunden eingehende und möglichst
nutzenstiftende Antwort belegt man zudem, dass einem der Kunde wichtig ist, dass man des-
sen Problem ernst nimmt und man sich zumindest Gedanken gemacht hat, wie man darauf
reagieren könnte. Dale Carnegie beschreibt die positiven Folgen des Zuhörens und Eingehens
auf Personen sehr anschaulich: "You can make more friends in two months by becoming in-
terested in other people than you can in two years by trying to get other people interested
in you." 309 Bezogen auf das angesprochene Social-Media-Engagement von Dell meint die Dell-
Kundin und Bloggerin Trottier hierzu: "As a Dell owner, I love knowing that I can connect with
@richardatDell on Twitter or on his blog. He's listening to the online chatter, product questions
and service concerns. This takes not only my opinion of Dell and its customer service to new
heights, but it makes me, as a customer feel appreciated. And when I feel appreciated by your
brand, I will not only choose to continue our relationship, but I will tell my friends about it." 310

Steigerung der Markenpräsenz im Netz Durch die Interaktion von Unternehmen mit
Internetnutzern auf Blogs, Twitter, sozialen Netzwerken und Webseiten werden diese häufiger
mit dem Firmennamen konfrontiert, was sich positiv auf die Markenpräsenz auswirkt. Da die
Antworten oder Kommentare vonseiten des Unternehmens auf einen bestimmten Nutzerbeitrag
hin in einem gewissen Rahmen oder auch unbeschränkt öffentlich zugänglich sind, ist es mög-
lich, dass die Information vom Beitragsersteller und darüber hinaus auch von vielen weiteren
Teilnehmern gelesen werden kann. Die Ausstrahlungseffekte in die Öffentlichkeit potenzieren
somit die Wirkung des individuellen Dialogs.
Die Bekanntheit der betreffenden Marke kann durch die Kommunikation in folgender Weise
308
Vgl. Homburg/Bucerius (Kundenzufriedenheit, 2006), S. 78
309
Camegie (How to Win Friends, 1990), S. 54
31
"Trottier (Your Customers' Hierarchy of Needs, 2009)
118 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

gesteigert werden: Die am Dialog teilnehmenden Unternehmensvertreter kommunizieren zwar


häufig unter eigenem Namen, zum Teil jedoch mit einem Zusatz, der auf die Firmenmarke
hinweist, wie zum Beispiel bei Twitter, RichardatDell, Alicia_at_Honda, oder sie geben auf
ihrer Twitterseite klare Hinweise, für welche Firma sie arbeiten, wie zum Beispiel Scott Mon-
ty, der Leiter des Social-Media-Teams von Ford. Zudem wird auch, um beim Beispiel Twitter
zu bleiben, direkt die Firmenmarke im Twitternamen verwendet, was den Absender eindeutig
identifizierbar macht. Dies lässt sich beispielsweise bei den Twitternamen SouthwestAir, Com-
castCares, SunMicrosystems, MarriottlntL oder Starbucks beobachten.
Je mehr Mitarbeiter eines Unternehmens sich am Kundendialog beteiligen, umso stärker tra-
gen sie zur Onlinepräsenz der Marke bei. Beim US-amerikanischen Onlineschuhhändler Zap-
pos twittern zum Beispiel schon über 200 Mitarbeiter, bei welchen der Firmenname Zappos
stets in irgendeiner Form im Twitternamen enthalten ist. Ein reges Engagement von „gewöhnli-
chen" Mitarbeitern, die gar nicht dem Team der offiziell für die Social-Media-Kommunikation
vorgesehenen Experten angehören müssen, kann somit dazu beitragen, den share of voice einer
Marke im Netz zu erhöhen. Voraussetzung ist jedoch, dass ersichtlich wird, in welcher Bezie-
hung die Personen zur Firmen- oder Produktmarke stehen.

Bindung von Meinungsführern Wenn es darum geht, Meinungsführer, wie zum Beispiel
bekannte Pressevertreter oder einflussreiche Biogautoren, auf die hinter der eigenen Person ste-
henden Unternehmensbelange aufmerksam zu machen, kann ein reaktives Verhalten, beispiels-
weise in Form eines Kommentars auf einen Blogbeitrag hin, mitunter wirkungsvoller sein als
eine direkte Kontaktaufnahme. Wenn eine bestimmte Person einen Blogbeitrag erstellt, ist sie
üblicher Weise daran interessiert Feedback von anderen Nutzern zu erhalten, um die Resonanz
ihres Beitrages ermessen zu können. Infolge der Fülle von Blogveröffentlichungen, die tagtäg-
lich im Internet neu publiziert werden, lassen sich freilich, sogar bei namhaften Bloggern, keine
oder nur wenige Kommentare bezüglich einzelner Beiträge beobachten. Die Wahrscheinlich-
keit, dass ein Kommentar zu einem Blogbeitrag von dessen Verfasser gelesen wird, ist folglich
relativ hoch.
Die Wahrscheinlichkeit wiederum, auf eine direkte Anrede hin Beachtung zu finden, dürfte
dagegen häufig geringer sein. Meinungsführer als Adressaten erhalten beispielsweise von Pres-
severteilern täglich eine Vielzahl unternehmensbezogener E-Mails und Postsendungen, welche
in Bezug auf die abzuarbeitende Menge gar keine intensive Beschäftigung mit jedem einzelnen
Beitrag erlauben. Der Informationsverbreitungskontext im Fall der direkten Anrede entspricht
dabei der bereits thematisierten Push-Kommunikation, bei der eine Vielzahl miteinander kon-
kurrierender Sender um die Aufmerksamkeit eines einzelnen Rezipienten, in diesem Fall eines
namhaften Meinungsführers oder Gatekeepers, konkurrieren. Bei der reaktiven Kommunika-
tion auf einen Social-Media-Beitrag sucht der Beitragsersteller genau nach dieser einzelnen
Reaktion, um eine Bestätigung seiner Position oder überhaupt nur eine Rückmeldung aus dem
Social Web zu erhalten. Dieses aktive Suchverhalten des potenziellen Informationsempfängers
entspricht somit der Pull-Kommunikation. Zieht man die höhere Wahrscheinlichkeit der Be-
achtung von vornherein mit ins Kalkül, eröffnen sich mithilfe der reaktiven Kommunikation
große Chancen zur Einflussnahme. Diese werden heute jedoch kaum genutzt, wie der verant-
wortliche Herausgeber einer Zeitschrift und Blogger David Scott zum Ausdruck bringt: "I'm a
contributing editor at EContent magazine, as a result of which I receive hundreds of broadcast
e-mail press releases per week from well-meaning PR people who want me to write about their
6.3 Ziele des aktiven Zuhörens 119

widets. Guess what? In five years, I have never written about a company because of a nontar-
geted broadcast release that somebody sent me ... In five years, I can count on one hand the
number of PR People who have commented on my blog or reached out to me as a result of a
blog post or story I've written in a magazine. How difficult can it be to read the blogs of the
reporters your're trying to pitch?"311

Vermenschlichungs-Effekt Social Media kann dazu beitragen, einem Unternehmen ein


menschliches Gesicht bzw., besser gesagt, viele menschliche Gesichter geben. Unternehmen
stellen sich nach außen meist als eine erfolgreich agierende Einheit dar, von der man über die
klassischen Medien allenfalls Top-Führungskräfte und Unternehmenssprecher in der Öffent-
lichkeit kennt. Ein Unternehmen kann von außen betrachtet gewissermaßen als eine mit einem
Firmenimage aufgeladene Black-Box betrachtet werden, die mit einer entsprechenden Zahl von
anonymen Mitarbeitern gefüllt ist. Mit den Mitarbeitern der herstellenden Industrie kommt man
beispielsweise als Endverbraucher selten in Berührung, und wenn, dann durch einen Kontakt
über eine Servicehotline, bei der man jedoch oft auch nicht sicher sein kann, ob diese von Mit-
arbeitern des Unternehmens oder von Kräften eines Outsourcingdienstleisters geführt wird. Von
dem Kontaktpartner weiß man allenfalls den Namen, ansonsten hat man meist keine weiterfüh-
renden Informationen. Als Kunde im Dienstleistungsbereich oder im Bereich B2B ist man zwar
eher mit Unternehmensvertretern konfrontiert, die Anzahl der interagierenden Personen ist je-
doch auch da meist sehr begrenzt und das Unternehmen als solches oft ein mehr oder weniger
anonymes Gebilde.
Social Media kann nun einen maßgeblichen Beitrag zur Personalisierung und Öffnung dieses
anonymen Gebildes leisten. Mitarbeiter, die im Namen des Unternehmens auf Social-Media-
Kanälen kommunizieren, treten als Individuen auf, von denen man meist durch ein beigefügtes
Foto weiß, wie sie aussehen. Durch die entsprechende Pose, die Art der Ablichtung, den Ge-
sichtsausdruck (zum Beispiel betont freundlich oder eher reserviert) oder die Kleidung (frei-
zeitmäßig leger oder betont förmlich mit Anzug und Krawatte) kann ein Foto dazu beitragen
weitere Assoziationen zu wecken und es sagt zugleich mehr über eine bestimmte Person aus.
Zusätzliche personenbezogene Informationen über die Mitarbeiter, die im Social Web kom-
munizieren, kann man bei Interesse häufig deren Profilen entnehmen, in denen sie zum Teil viel
über die eigene Person preisgeben.
Zur „Vermenschlichung" der Kommunikation mit Unternehmen im Rahmen von Social Me-
dia tragen natürlich auch insbesondere der Kommunikationsstil und die inhaltliche Argumen-
tation des jeweiligen Kommunikationspartners bei. Dies gilt insbesondere dann, wenn man das
Gefühl hat, dass der Kommunikationspartner einem zuhört und individuell auf die eigenen Ge-
fühle und Belange eingeht, ohne dabei vorgestanzte Floskeln und Standardtextbausteine zu
verwenden. Die gefühlsbetonte Reaktion eines Kommunikationspartners auf die Botschaft ei-
nes Senders kann man als aktives Zuhören beschreiben. Aktives Zuhören heißt, dass man als
Informationsempfänger versucht Empathie auszuüben und sich in die Situation des Senders
hineinzuversetzen. Es muss nicht bedeuten, dass man alle empfangenen Inhalte gut heißt. Will
man diesen beispielsweise widersprechen, so sollte das in einem einfühlsamen Ton und unter
Nennung nachvollziehbarer Argumente geschehen.
Der Stellenwert der Zielsetzung, die Unternehmenskommunikation „breit aufzustellen" und
31
'Scott (The New Rules of Marketing & PR, 2007), S. 9
120 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

mittels Social Media auf die Schultern vieler unternehmensinterner und -externer Personen zu
verlagern, die sich persönlich identifizierbar als empathische Dialogpartner und Botschafter
betätigen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Scott Monty, der Leiter des Social-
Media-Teams von Ford unterstreicht dies: "And there's the very core of our social media goals
at Ford - to humanize the brand by having real people interacting in communities online."312
Der persönliche Faktor von Social Media beeinflusst nicht nur den unmittelbaren Dialog.
Nach der Prognose von Richard Binhammer von Dell führt sie zu umwälzenden Auswirkungen
in Bezug auf die Wahrnehmung und Akzeptanz von Inhalten. "I personally believe social me-
dia is contributing to a significant change that take us from what I call the 'traditional, rational,
objective, institutional' perspective to a more 'subjective, emotive, personalized and human'
perspective. The move from 'objective', fact-based, third party reporting and commentary (tra-
ditional media/advertising/controlled messages/interruptions) to individual, 'subjective', and
'crowd sourced' perceptions is very powerful. Perceptions are no longer just reality. They are
real. The 'new facts' are based on real interactions and experiences that people share with each
other. Perceptions ('my real experience and my views') gain legitimacy and value and become
a part of the larger community's 'facts'." 313

Schadensbegrenzung und Verhinderung von negativen multiplikativen Effekten


Das bewusste Zuhören und die sich daran anschließende zeitnahe Reaktion auf Kritik und Be-
anstandungen können unter Umständen verhindern, dass Wellen im Netz hochschlagen und
weite Kreise ziehen. Äußerungen unzufriedener Kunden können nämlich gerade im Social
Web, wenn sie von anderen Personen geteilt werden, epidemische Effekte auslösen, welche
die negative Wirkung potenzieren. Aus der Zufriedenheitsforschung weiß man, dass Äußerun-
gen unzufriedener Kunden in ihrem sozialen Umfeld einen stark vervielfältigend wirkenden
Einfluss entfalten können. Negative Informationen über Anbieter multiplizieren sich hier bis zu
elfmal (positive hingegen durchschnittlich nur dreimal).314 Diese Multiplikatorwirkung dürf-
te sich durch die zunehmende Nutzerakzeptanz von Social Media eher noch erhöhen. Durch
ein frühes Gegensteuern und den Versuch, Fehlinformationen zurechtzurücken, zeigt man dem
Kommunikator, dass man sich für sein Anliegen interessiert, ihn ernst nimmt, was schon einen
ersten Schritt zur Schadensbegrenzung darstellt.
Die Firma Comcast, ein großer Anbieter von Telekommunikationsdiensten in den USA, be-
treibt beispielsweise ein konsequentes Social Media Monitoring, um frühzeitig auf Unzufrie-
denheitsäußerungen über die Firma reagieren und damit Gefahren vonseiten negativer Mund-
propaganda rechtzeitig begegnen zu können. Als Reaktion auf ein sehr schlechtes Image bezüg-
lich ihrer Serviceleistungen begann Comcast ein Serviceprogramm aufzubauen, welches auf
Social Media basiert. Im Rahmen dieses Programms werden laufend Probleme und Beschwer-
den in Form von Blogs, Foren, Twitterbeiträgen etc. gesammelt, die sich an Comcast richten.
Der Leiter des Programms Frank Eliason sucht darin schließlich nach jenen Beiträgen, die eine
unmittelbare Reaktion im Sinne einer individuellen persönlichen Antwort verlangen. Die größte
Priorität bei der Bearbeitung haben die Botschaften, die ein hohes Diffusionspotenzial negati-
ver Stimmungen beinhalten, welche jedoch auf der Basis ernst gemeinter Lösungen die Chance
bieten, aus unzufriedenen Kunden zufriedene zu machen. Eliason, der in fünf Monaten mit über
312
Monty (The Business of Social Media, 2009)
313
Binhammer, R. in: Odden, Odden (Dell Social Media Interview with Richard Binhammer, 2008)
314
Vgl. Helmke/Uebel/Dangelmaier (Effektives Customer Relationship Management, 2008), S. 96
6.3 Ziele des aktiven Zuhörern 121

1.000 Kunden auf diese Weise in Kontakt getreten ist, äußert sich zu den positiven Auswirkun-
gen des individuellen Dialogs folgendermaßen: "When you're having a two-way conversation,
you really get to clear the air." 315 Die dämpfende Wirkung einer direkten, persönlichen Reakti-
on auf eine öffentlich geäußerte Kritik bringt Lyza Gardner treffend zum Ausdruck, Vizepräsi-
dentin eines Softwareentwicklungsunternehmens und unzufriedene Comcast-Kundin, die sich
mittels Twitter beschwerte: "It's one thing to spit vitriol about a company when they can't hear
you, it's another, when the company replies. I immediately backed down and softened my tone
when I knew I was talking to a real person." 316
Ein Beispiel für ein erfolgreiches Zuhören und ein beherztes Eingreifen der Dialogverant-
wortlichen zur Verhinderung eines Flächenbrandes im Social Web lieferte Ford. Ausgangspunkt
der Aktion war ein Abmahnungsschreiben, das Ford an privat betriebene Ford-Fansites sand-
te. In dem Schreiben wurden Markenrechtsverletzungen des Ford-Logos angeprangert und von
den Betreibern der Fanseiten entweder 5.000 US-Dollar oder die Schließung der Seite gefordert.
Diese Aktion fand rasch einen Widerhall im Netz. Noch am gleichen Tag griffen zwei große
US-Blogs für Autobegeisterte das Thema auf. Gleichzeitig wurde sie in Twitter mit äußerst
scharfen Worten kommentiert. Das Social-Media-Team von Ford und dessen Verantwortlicher
Scott Monty bemerkten diese Beiträge jedoch sofort. Monty kontaktierte die Kritiker unver-
züglich in Twitter und versprach, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Wenige Stunden
später folgte der nächste Tweet mit einem Link zu einer offiziellen Stellungnahme von Ford,
welche die Gemüter beruhigen konnte. Der öffentliche Aufschrei ebbte somit schnell ab und
ein größerer Schaden der Onlinereputation von Ford konnte verhindert werden. 317
Neben dem reaktiven Verhalten auf Kritik, die mittels Social Media Monitoring aufgespürt
wird, sollte man den Verbraucher im Rahmen des Social Media Marketings auch dazu auffor-
dern, seine latente, nicht artikulierte Unzufriedenheit gegenüber einem Unternehmensvertreter
direkt zu äußern. Hierfür ist es hilfreich, wenn die Onlinepräsenz des Unternehmens in vielen
Social-Media-Kanälen hoch ist. Wenn man als Nutzer von Twitter beispielsweise im Idealfall
schon den Tweets eines Unternehmensvertreters folgt, dürfte die Hürde, Kritik loszuwerden
und direkt zu adressieren, weniger hoch sein. Wenn man nicht unmittelbar im Kontakt mit Un-
ternehmensbotschaftern steht, dann ist es zumindest für das Adressieren von Kritik förderlich,
wenn man potenzielle Austauschpartner im präferierten Social-Media-Kanal auf einfache Wei-
se finden kann.

Demonstration einer offenen Haltung Die bewusste, möglichst öffentlich nachvoll-


ziehbare Auseinandersetzung mit geäußerter Kritik und das daran anknüpfende Bemühen um
Antworten und Lösungsmöglichkeiten bringt eine offene unternehmerische Haltung zum Aus-
druck. Man zeigt, dass man als Unternehmen erhobenen Hauptes an Diskussionen teilnimmt
bzw. dass man sich nicht aus Angst, eventuell negative Meinungen nicht parieren zu können,
davor drückt. Das sollte auch beinhalten, Fehler zugeben zu können, auf jeden Fall solche, die
in der Arena der öffentlichen Diskussion sowieso schon als evident angesehen werden. Diese
Offenheit und Ehrlichkeit kann sich für die Anbahnung künftiger Interaktionen mit Nutzern
sehr förderlich auswirken. Wenn man von Social-Media-Aktivisten ein Engagement in Bezug
auf die Generierung von Ideen, Verbesserungsvorschlägen, konstruktiver Kritik etc. erwartet,
315
Eliason, F. in: Soüs (Comcast Cares, 2008)
316
Stelter (Griping Online, 2008)
317
Vgl. Nelles (Ford, 2008)
122 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

muss man auch einen vertrauensvollen Umgang mit den Interaktionspartnern pflegen und dies
setzt eine gewisse Offenheit im Austausch voraus.

6.4 Aufbau eigener Dialogplattformen


6.4.1 Grundlagen
Wie bereits angesprochen, können Dialoge im Web reaktiv als Antwort auf Beiträge von Nut-
zern geführt werden, die vorab mittels Social Media Monitoring identifiziert wurden. Diese Art
der Kommunikation kann einige positive Effekte erzielen, die im vorigen Abschnitt in den Zie-
len des aktiven Zuhörens zum Ausdruck gebracht wurden. Allerdings ist zu berücksichtigen,
dass die Ausstrahlungseffekte in die Öffentlichkeit durch das Abgeben von Kommentaren auf
weit verstreute Nutzerbeiträge, die zum Teil nur wenige Leser haben, sehr gering sein kön-
nen. Außerdem setzt dieses Vorgehen ein leistungsfähiges Social Media Monitoring voraus,
das dann zu Problemen führen kann, wenn sehr viele Beiträge zu einem Unternehmen, einer
bestimmten Marke oder namhaften Unternehmensvertretern gefunden werden. Bei einer be-
schränkten Personalkapazität des Social-Media-Teams ist eine reaktive Kontaktaufnahme mit
allen unternehmensgerichteten Beitragserstellern oft gar nicht möglich und es müssen Prio-
ritäten hinsichtlich der Abgabe von Kommentaren gesetzt werden. Kriterien zur Wichtigkeit
von potenziellen Kommunikationspartnern können zwar definiert werden, die Überprüfung im
konkreten Einzelfall lässt sich jedoch im Dialogalltag nicht ohne weiteres realisieren.
Einfacher ist es deshalb, die Dialogkommunikation auf eigens generierte Kontaktpunkte in
Social-Media-Kanälen zu lenken, die als Dialogplattformen einem konzentrierten Austausch
mit möglichst vielen Nutzern dienen. Diese Dialogplattformen können Nutzer als virtuelle
Außenstellen des Unternehmens zur ersten Kontaktaufnahme motivieren. Es können hier bei-
spielsweise persönliche Anliegen vorgebracht, Fragen gestellt, Ideen geäußert oder Vorschläge
unterbreitet werden. Darüber hinaus können diese Plattformen auch für die gezielte Informa-
tionsversorgung der Ansprechgruppe genutzt werden, indem man verschiedenartigen Content,
zum Beispiel im Rahmen von Social-Media-Kampagnen, präsentiert und sich mit den Nutzern
darüber in öffentlich sichtbaren Dialogen austauscht.
Die Konzentration des Nutzerdialoges auf selbstverantworteten Internetseiten vereinfacht
zum einen das Monitoring und multipliziert zum anderen die Außenwirkung, vorausgesetzt
es gelingt für die betreffenden Angebote auch eine hinreichende Nutzerfrequenz zu erzielen.
Eigene Beiträge des Unternehmens und der Unternehmensvertreter, aber auch Kommentare zu
Nutzerbeiträgen können dann von einer größeren Öffentlichkeit verfolgt werden, da die Zahl
der Leser bzw. der Traffic auf der Plattform durch selbst gesteuerte Aktivitäten, zum Beispiel
durch akquisitorische Maßnahmen und Mehrwert erzeugende Inhalte, beeinflusst werden kann.
Wenn es gelingt, Anwender der Dialogplattform zu einer Community zusammenzufassen,
die bestimmte Unternehmens- oder markenspezifische Interessen eint, kann auch der Austausch
der Kommentatoren untereinander einen großen Nutzen erbringen. Kommentieren und bewer-
ten beispielsweise Mitglieder der Community ernst gemeinte Vorschläge zu Neuprodukten von
Dell in der Dialogplattform IdeaStorm, so können schon aus der Dynamik der Diskussion und
den inhaltlichen Argumentationslinien wertvolle Schlussfolgerungen gezogen werden. Die In-
teraktionen auf der Dialogplattform ersetzen dann eigene Erhebungen, die man sonst zum Bei-
spiel über Fokusgruppen aufwendig im Rahmen der Marktforschung hätte durchführen müssen.
6.4 Aufbau eigener Dialogplattformen 123

6.4.2 Dialogplattformen Barack Obamas


Die Einbeziehung eines verschiedenartigen Nutzerengagements hat beispielsweise auch Ba-
rack Obama durch die Realisierung eines fortwährenden Dialoges mit seinen Unterstützern
konsequent verfolgt. Während seit Lyndon Johnson jede US-Administration auf die Strategie
des Permanent Campaigning gesetzt hat, deren Erfolg darauf beruht, dass zur Bestätigung des
politischen Programms und zur Gestaltung von fortlaufender Wahlwerbung regelmäßig Fokus-
gruppen befragt werden, konnte Obama darauf verzichten. Das Team von Obama setzt vielmehr
auf die Strategie des Permanent Dialogue mit Unterstützern und politisch Interessierten durch
den gezielten Einsatz von Social Media. 318 Schon während des Wahlkampfes fokussierte er
sich darauf, seine Zielgruppen in jenen Social-Media-Kanälen abzuholen, in denen sie sich
bevorzugt aufhielten.
Obama-Berater Scott Goodstein unterstrich dies folgerndermaßen: "Some people only go to
MySpace. It's where they're on all day. Some only go to Linkedln. Our goal is to make sure that
each supporter online, regardless of where they are, has a connection with Obama." 319 Obama
unterhielt Profile in über 15 sozialen Netzwerken, inklusive der großen Anbieter Facebook,
MySpace und Linkedln. Darüber hinaus war er jedoch auch auf AsianAve.com, MiGente.com
und BlackPlanet.com vertreten, einflussreichen sozialen Netzwerken für asiatische, lateiname-
rikanische und afroamerikanische Wähler. Auch in Twitter betrieb er ein Profil, das wie alle
anderen Online-Auftritte auf die zentrale Wahlkampf-Website my.barackobama.com hinwies.
Diese Seite fungierte als Knotenpunkt, der von den weiteren Social-Media-Plattformen mit Sei-
tenzugriffen versorgt wurde. Auf der zentralen Website liefen somit die Fäden zusammen, um
Menschen für ihren Einsatz für Obama zu motivieren, mit den notwendigen Ressourcen und
Kommunikationsmöglichkeiten zu versorgen und um Wahlkampfspenden zu sammeln. Abbil-
dung 33 verdeutlicht das System der Gruppierung verschiedener Kommunikationsplattformen
um die zentrale Kampagnendrehscheibe my.barackobama.com.
Obama verfügte mit dieser Onlinepräsenz, die beispielsweise auch 13 Millionen E-Mail-
Listen sowie drei Millionen Mobilfunk- und SMS-Listen enthielt, über eine leistungsfähige
Dialog- und Kooperationsbasis, die ihm im Wahlkampf mit McCain entscheidende Vorteile
verschaffte. Auch McCain versuchte im Social Web präsent zu sein, der Einsatz der Instrumen-
te war jedoch weniger konsequent. Das ist nicht zuletzt auch daran zu ermessen, dass Obama
zehnmal mehr Personal für den Online-Dialog und -austausch eingesetzt hat als McCain. Die
folgende einfache Übersicht der Tabelle 2 veranschaulicht die Unterschiede im Onlineengage-
ment und den resultierenden quantitativen Vorsprung von Obama.
Die doppelt so hohe Anzahl der Besucher von Obamas Wahlkampfwebsite ist, um Vorteile
des Informationsverbundes mehrerer Onlinepräsenzen zu verdeutlichen, neben einem konse-
quenten Suchmaschinenmarketing auch auf die Zusammenführung bzw. Verlinkung der ver-
schiedenen Social-Media-Auftritte mit der zentralen Kampagnenseite zurückzuführen. Es kann
davon ausgegangen werden, dass diese Kanalisierung sich förderlich für den Traffic der zen-
tralen Seite ausgewirkt hat. Zusätzlich verwies diese Seite wiederum auf die verschiedenen
Social-Media-Präsenzen, so dass insgesamt das ganze Geflecht der Onlineauftritte hiervon pro-
fitieren konnte.
Nach dem Einzug ins Weiße Haus wollte Obama die Strategie des Permanent Dialogue mit
318
Vgl. Nelles (Was Marketer von Barack Obama lernen können, 2009)
319
Vargas (Obama's Wide Web, 2008))
124 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

SOURCE: Edelman

Abbildung 33: Obama Campaign 's Hub and Spoke Mode320

seinen Unterstützern und interessierten Internetnutzern konsequent fortführen. Um dies sicher-


zustellen, wurde die vormalige Wahlkampfseite my.barackobama.com unter das Motto "Or-
ganizing for America" gestellt. Mit der Bitte um Mithilfe werden Leser dazu animiert, sich
in bestimmten öffentlichen und sozialen Bereichen zu engagieren, um das Wahlkampfthema
"Change" wahr werden zu lassen. "When you create an account on My.BarackObama.com,
you're joining the online community of organizers who helped elect the President and now
are working to bring real change on critical issues, including healthcare, education and en-
ergy reform."321 Aktiviert man den Link "Organizing for America" gelangt man auf die Seite
barackobama.com, auf der Blogbeiträge des Präsidenten mit aktuellen Text- und Videobeiträ-
gen sowie öffentlich zugänglichen Leserkommentaren publiziert werden. Die Kommentare, die
wiederum Anstöße für weitere Textbeiträge und einen Austausch der Interessenten erlauben,
eignen sich als Stimmungsbarometer der Bevölkerung. Darüber hinaus ermöglichen sie, ne-
ben Funktionalitäten der Seite, die auf die Generierung von Vorschlägen abzielen, ein direktes
Crowdsourcing. Auch der Internetauftritt des Weißen Hauses enthält Blogbeiträge von Obama
sowie eine auf 5.000 Zeichen beschränkte Funktionalität zur Schaffung von Rückkopplungs-
möglichkeiten mit dem Wortlaut "Submit Your Ideas and Comments".322 Die Vorschläge und
Kommentare werden jedoch nicht für die Öffentlichkeit sichtbar angezeigt, so dass sich diese
Seite nur als eine eingeschränkte Form einer Dialogplattform darstellt.

320
Lutz (The Social Pulpit, 2009), S. 8
321
Organizing for America (Because It's About You, 2009)
322
http://www.whitehouse.gov/StrongMiddleClass, Seitenaufruf am 25.05.2009
6.5 Verantwortung für die Dialogführung 125

Tabelle 2: Vorsprung von Obama bzgl. ausgewählter Onlineaktivitäten323

Obama vs. McCain


2 χ mehr 4 χ mehr 5 χ mehr 10 χ mehr
Website-Besuche YouTube-Betrachter Facebook-Freunde Online-Personal

Der von Obama initiierte direkte Dialog mit seinen Wählern und interessierten Bürgern über
Social-Media-Kanäle wird, wie eine Studie belegt, mehrheitlich geschätzt. Die Vorbildfunktion
des Präsidenten hat über die Politik hinaus starke Ausstrahlungseffekte in die Wirtschaft, wie
es Pete Snyder in seinem Blog auf den Punkt bringt: "In a Pew post-election study, 51 percent
of respondents said they expect the President and his administration to communicate with them
'directly'. Not through broadcast speeches to the nation. Not through the media. Not through
the briefings by the White House Press Secretary. If the majority of the coalition that elected
Barack Obama expects him to directly speak and consult with them, what do you think they
will expect of their mobile phone service, automaker or cable/broadband provider? What will
this mean for what employees and shareholders expect from CEOs? It will be awfully hard to
hide behind spokespeople, exec VPs and assistants blocking calls if the President of the United
States has more contact with your employees than you do." 324
Natürlich ist es bei emotionsgeladenen Wahlen einfacher, Menschen zu mobilisieren und
einen regen Austausch über Social-Media-Plattformen zu initiieren als beispielsweise für An-
bieter von nüchternen technischen Produkten. Nichtsdestoweniger kann es sich auch für diese
Anbieter als lohnend erweisen, Anlaufstellen im Social Web zu generieren und über diese ein
systematisches Zuhören und angepasstes Reagieren sicherzustellen.

6.5 Verantwortung für die Dialogführung


Wer in einem Unternehmen mit dem Zuhören und der Dialogführung beauftragt werden soll,
ist nicht einfach zu beantworten. Da es von Haus aus Aufgabe des Marketings ist, sich in Kun-
den hineinzuversetzen und deren Bedürfnislage tiefgehend zu ergründen, müsste man eigent-
lich Marketingverantwortliche mit dieser Aufgabe betrauen. In der Praxis ist es jedoch so,
dass diese Aufgabe meist auf Spezialisten übertragen wird. Die systematische Erhebung von
Kundenwünschen erfolgt in der Regel durch Funktionsträger der Marktforschung, die Marke-
tingverantwortliche auftragsbezogen mit den relevanten Informationen versorgen.
Durch das arbeitsteilige Vorgehen mit der Beauftragung von Marktforschungsspezialisten
haben Marketingmanager selten direkten, unmittelbaren Kontakt mit ihren Zielgruppen, der
dazu genutzt werden könnte, sich auch persönlich ein Bild von der Kundensituation zu ma-
chen. Marketingmanager, deren Aufgabe es ist zielgerichtete Entscheidungen zu treffen und
die Realisierung voranzutreiben, sind aufgrund der Arbeitsfülle ihres Alltagsgeschäfts auch
in zeitlicher Hinsicht oft gar nicht in der Lage, sich detailliert mit individuellen Kundenan-
liegen zu beschäftigen. Das kann dazu führen, dass Entscheidungsträger im Marketing nicht
nur räumlich, sondern auch mental weit weg von den Alltagsproblemen ihrer Kunden sind.
323
Vgl. Lutz (The Social Pulpit, 2009)
324
Snyder (Obama's Permanent Dialogue, 2009)
126 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

Der nun mittels Social Media ermöglichte einfachere Zugriff auf Meinungen von Kunden und
Interessenten könnte dazu beitragen, die Kundennähe von Entscheidungsträgern zu erhöhen,
vorausgesetzt die neuen Informationskanäle und Dienste werden von diesen auch entsprechend
angenommen und genutzt.
Man müsste annehmen, dass noch vor Marketingmanagern Marktforschungsexperten für
das Zuhören prädestiniert sein sollten. Im klassischen Marktforschungsumfeld, in dem Befra-
gungen als Erhebungsart überwiegen, werden Reaktionen von Kunden jedoch meist auf die
Vorgabe von gezielten Fragen hin ermittelt. Auskunftspersonen antworten auf Fragen, die vor-
ab festgelegt wurden und beispielsweise auf das Produkt- und Leistungsangebot, die Preis- oder
die Werbemittelgestaltung abzielen. Die Datenerhebung erfolgt in der Regel nur zu bestimm-
ten Zeitpunkten. Ein fortwährender Kundenkontakt, bei dem häufig auf Anstöße von Kunden
zu reagieren ist, entspricht somit nicht den traditionellen Arbeitsprozessen und -gewohnheiten
der Marktforschung. Außerdem ist es fraglich, ob Marktforschungsexperten die notwendigen
kommunikativen Fähigkeiten eines öffentlich nachvollziehbaren Dialoges mitbringen.
Bleibt die Frage, inwieweit man Mitarbeiter des Kundenservice mit diesen Aufgaben be-
trauen kann. In Unternehmen werden in der Regel Anstrengungen unternommen, Kunden-
anregungen und Beschwerden über eigene Kontaktpunkte systematisch zu erfassen. Mit her-
kömmlichen Medien war die Aktivierung von Kundenbeiträgen, deren Sammlung sowie der
anschließende Prozessdurchlauf relativ aufwendig durchzuführen. Vielfach wurde das damit
in Zusammenhang stehende Potenzial der Informationsgewinnung und Kundenbindung des-
halb nicht hinreichend genutzt. Die Kommunikation mit Servicemitarbeitern erfolgte zudem
im Rahmen eines persönlichen Dialogs, der nicht öffentlich wurde. Fragen des Kommunikati-
onsstils musste deshalb keine herausragende Beachtung geschenkt werden. Dies hat sich durch
den öffentlichen Charakter der Kommunikation in Social-Media-Kanälen geändert. Antwor-
ten auf Serviceanfragen, beispielsweise in Twitter, können heute von anderen Twitter-Nutzern
beobachtet werden. Unangemessene Reaktionen in der Argumentation oder im Stil von Un-
ternehmensvertretern können somit schnell negative Ausstrahlungseffekte auf andere haben.
Setzt man Mitarbeiter aus dem Kundenservice für die Dialogkommunikation in Sozialen Medi-
en ein, sollte man berücksichtigen, dass diese bislang keine Erfahrung als Kommunikatoren in
der Öffentlichkeit haben sammeln können. Es ist von daher im Einzelfall sehr genau zu prüfen,
ob die entsprechenden Mitarbeiter auch das notwendige Fingerspitzengefühl für diese Art der
Kommunikation mitbringen.
Kommunikationsexperten für den Bereich der Werbung waren bislang in der Ansprache
von Zielgruppen hauptsächlich unidirektional ausgerichtet und haben im übertragenen Sinn
meist geredet und selten zugehört. Als Vertreter klassischer Push-Kampagnen ohne Rückkanal
ist von ihnen per se wenig spezifisches Know-how in der Dialogkommunikation zu erwarten.
Kommunikationsverantwortliche für den Bereich der klassischen PR agierten bislang ähnlich
mittels Push-Kommunikation, die auf das Streuen von Presseveröffentlichungen und die Ver-
sorgung von Journalisten mit unternehmensbezogenen Informationen konzentriert ist. Die Aus-
richtung und das Eingehen auf einzelne interessierte Nutzer von Social Media im Rahmen einer
offenen Dialogkommunikation erfordert eine grundlegende Umorientierung, die alteingesesse-
nen PR-Mitarbeitern nicht leicht fallen dürfte. Diese betrifft auch Fragen nach dem Grad der
Offenheit und Authentizität, die man Mitarbeitern für die bidirektionale Kommunikation mittels
Social Media zubilligen will. Klaus Eck veranschaulicht die Herausforderung für die Neuaus-
richtung der PR in seinem Blog klar: „Welcher Chef erlaubt seinem Praktikant[en], einfach mal
6.5 Verantwortung für die Dialogführung 127

zu twittern, Kommentare zu schreiben und in einen Dialog zu treten. Wird heute nicht noch
viel zu oft 'draufgeschaut', 'korrigiert' und 'verbessert' und bleibt dann zum Schluss das 'doch
eigentlich wertvolle Branding' der Jung-PRler auf der Strecke?"325
Die Eignung von unternehmerischen Fachvertretern für die Dialogführung ist nur ein Er-
folgsbaustein, der wenig nützt, wenn er nicht durch die entsprechende Unterstützung der ver-
antwortlichen Führungskräfte untermauert ist. Führungskräften fehlt jedoch häufig noch die
Bereitschaft, dem Feedback von Kunden die notwendige Aufmerksamkeit zu zollen. Eine Stu-
die zum Beschwerdemanagement in deutschen Großunternehmen belegt, dass sich die große
Mehrheit der Führungskräfte über Art und Umfang des Beschwerdeaufkommens informieren
kann, doch nur eine Minderheit davon auch regelmäßig Gebrauch macht. Auch innerbetrieblich
werden wenige Anstrengungen zur Unterstützung des Beschwerdemanagements unternommen.
„Mehrheitlich planen Führungskräfte kaum Zeit für die Lektüre und Beantwortung von Be-
schwerden ein."326 Eine Studie zur Umsetzung des Beschwerdemanagements in der Schweiz
weist darauf hin, dass das Top-Management Mitarbeiter bei der Nutzung dieser Art der Kun-
denreaktion nur unzureichend unterstützt. „Kaum ein Unternehmen fördert bspw. kundenorien-
tiertes Problemlösungsverhalten durch ein Anreizsystem. Lediglich bei 2,1 Prozent ist das voll
und ganz und bei knapp 73 Prozent eher nicht bis gar nicht der Fall."327 Schon daran, dass das
„überschaubare" Beschwerdemanagement klassischer Prägung von Führungskräften oftmals
nur stiefmütterlich behandelt wird, lässt sich die Größe der Herausforderung zur Einführung
einer Dialogkommunikation mittels verschiedener Social-Media-Kanäle leicht ermessen.
Da, wie die Diskussion hinsichtlich der Eignung von Vertretern bestimmter Funktionsberei-
che gezeigt hat, von tradierten Aufgaben im Bereich Marketing, Kommunikation und Service
nicht auf die Eignung für die Dialogkommunikation im Social Web geschlossen werden kann,
bedarf es anderer Kriterien für die Auswahl. Diese sind vor allem an den persönlichen Kommu-
nikationsfähigkeiten und weniger an der fachlichen Zugehörigkeit festzumachen. Fähigkeiten,
die als förderlich für die Dialogkommunikation anzusehen sind, umfassen ein bestimmtes Ge-
spür für die wahren Beweggründe von Meinungsäußerungen bzw. die Begabung auch zwischen
den Zeilen lesen zu können. Gepaart mit Empathie, ist es dann leichter möglich, sich in die
Situation des Kommunizierenden hineinzuversetzen. Darüber hinaus ist ein gutes Ausdrucks-
vermögen hilfreich, mit dessen Hilfe die richtigen Aussagen prägnant und große Ausschweifun-
gen in der richtigen Tonalität und im erwarteten Kommunikationsstil vermittelt werden können.
Der Kommunikationsstil ist dabei auf die jeweilige Zielgruppe und die entsprechenden Medien
hin anzupassen. Im Rahmen eines Dialogs mittels Twitter sind nämlich andere stilistische Ge-
pflogenheiten zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Verwendung von Abkürzungen, als in
Antworten auf Blog- oder Forenbeiträge.
Neben persönlichen Fähigkeiten erfordert eine wirkungsvolle Kommunikation auch eine Ein-
stellung, die sich für den Erfolg der Beziehung interessiert. Denn nach der Kommunikations-
theorie von Paul Watzlawick gilt: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Bezie-
hungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt."328 Der Beziehungsaspekt bringt unter-
schwellig zum Ausdruck, wie die emotionale Beziehung vom Sender gesetzt wird und dieser
eine Botschaft vom Empfänger verstanden haben möchte. Wenn die am Dialogprozess Be-
325
Eck (Auf der Suche, 2009)
326
Stauss/Schöler (Beschwerdemanagement Excellence, 2003), S. 9
327
Firmenpresse (Studie der ZHW, 2007)
328
Watzlawick/Beavin/Jackson (Menschliche Kommunikation, 1967), S. 53
128 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

teiligten nicht von der Nützlichkeit ihrer Arbeit überzeugt sind und mit einer hilfsbereiten,
nach wirklichen Problemlösungen suchenden Einstellung an ihre Arbeit gehen, dann hat dies
negative Auswirkungen auf den Kommunikationserfolg. Das emotionale Beziehungsgeflecht
strahlt nämlich auch bei rein schriftlichem Austausch auf die inhaltliche Ebene und die sach-
liche Argumentation aus. Von daher ist es äußerst wichtig, dass die Mitarbeiter , die mit der
Dialogkommunikation mittels Social Media beauftragt werden, eine positive Grundeinstellung
und besser noch eine Begeisterung für ihre Arbeit mitbringen, bei der Kundenbeziehungspflege
und die Sicherstellung wirklicher Hilfestellungen im Vordergrund stehen sollten. Charlene Li
bringt dies anschaulich zum Ausdruck: "One of the key recommendations we have in our book,
Groundswell, is to find the spark, champion, and evangelist within the company - the person
who is most passionate about forming a relationship with your audience, be it customers or
employees. You probably already know who this person is within your organization. It may be
the technie who brags that she's been blogging since 1999, or the corporate communications
person who loves to talk with customers on external bulletin boards. This person is probably
also a bit a thorn in the side of management, constantly agitating for under-represented cus-
tomers who are suffering some sort of injustice at the hands of management that just 'doesn't'
get it."329

Diese beziehungsorientierte Grundhaltung setzt prinzipiell kein Sendungsbewusstsein vor-


aus, wie es Social-Media-Aktivisten mitbringen, die viele eigene Beiträge erstellen und einen
hohen Output an Content produzieren. Diese tendenziell eher extrovertierten Persönlichkeiten
sollten, sofern sie das entsprechende kommunikative Geschick mitbringen, vielmehr im Rah-
men der proaktiven Kommunikation eingesetzt werden, bei der sie sich bei der Gestaltung von
Inhalten verwirklichen können. Für das Einsatzgebiet der reaktiven Dialogkommunikation, bei
der es insbesondere um aktives Zuhören und das Eingehen auf Kundenprobleme zum Aufbau
und zur Verstärkung von positiven Kundenbeziehungen geht, sind diese persönlichen Antriebs-
kräfte nicht maßgeblich.

Berücksichtigt man diese erwähnten Grundvoraussetzungen, sollte man sie von Forderungen
trennen, wie sie zum Beispiel Charlene Li vertreten werden: "Everyone becomes a marketer."330
Es ist zwar richtig, dass man einerseits alle Mitarbeiter bekräftigen sollte, an der Social-Media-
Kommunikation aktiv mitzuwirken, auf der anderen Seite ist es aus Gründen der Effektivität
und Effizienz ratsam, für die reaktive Dialogkommunikation Spezialisten einzusetzen, welche
das geschilderte Know-how und die erforderliche Einstellung mitbringen. Sollte in der Reakti-
on auf Beschwerden oder unternehmensbezogene Kritik vertiefendes Fachwissen erforderlich
sein, können die Dialogexperten in ihrem ersten Schreiben auf die Einholung weiterführender
Informationen verweisen und dieses an Fachexperten weiterreichen und mit der Antwort be-
trauen. Durch die Möglichkeit, die Reaktionen der Fachexperten im Web nachvollziehen zu
können, lässt sich von zentraler Stelle leichter kontrollieren, wie das Qualitätsniveau dieses
Second-Level-Supports ausfallt.

329
Li (Turning radicals into revolutionaries, 2008)
330
Li (Predictions for 2009, 2008)
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 129

6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung


Neben den bereits im vorigen Abschnitt zum Ausdruck gebrachten persönlichen Voraussetzun-
gen, wie Interesse am anderen, Empathie, gutes Ausdrucksvermögen und eine beziehungsori-
entierte Grundhaltung, erfordert eine gelungene zwischenmenschliche Kommunikation weitere
Erfolgsfaktoren, die im Anschluss vorgestellt werden.

6.6.1 Dialogbereitschaft
Wie bereits beschrieben, kann die Dialogführung erfolgen, indem unternehmensbezogene Bei-
träge in den verschiedensten Social-Media-Kanälen mittels Social Media Monitoring aufge-
spürt und darauf Antworten oder Kommentare vonseiten des Unternehmens generiert werden.
Dieses Vorgehen setzt per se ein aktives Dialogengagement voraus. Wenn dies nicht vorhanden
ist, wird es wohl auch nicht vermisst werden, zumal die wenigsten erwarten, dass sie auf eine
Meinungsäußerung im Social Web hin, welche nicht an das Unternehmen adressiert war, von
einem Unternehmensvertreter angesprochen werden.
Ein Unternehmen kann verschiedene Kontaktpunkte im Social Web unterhalten, um bei-
spielsweise als Außenposten des Kundenservice oder als verlängerter Arm der Produktentwick-
lung persönliche Anlaufstellen für Probleme, Kritik, Produktideen, Anregungen etc. zu gewähr-
leisten. Wenn ein Unternehmen sich für die Einrichtung von Kontaktpunkten entscheidet, ist si-
cherzustellen, dass diese durch zielführende Nutzerdialoge zum Leben erweckt werden. Kaum
etwas ist für die digitale Reputation schädlicher als verlassene, ignorante oder inkompetente
„Außenstellen" im öffentlichen Raum des Social Web.
Wenn Unternehmen proaktiv Content generieren und mittels Social Media zum Beispiel
in Form von Blogs, Podcasts, Gruppen in sozialen Netzwerken, Foreneinträgen etc. streuen,
ist nicht von vornherein sichergestellt, dass der daran eventuell anschließende Dialog gewollt
ist und Dialogmöglichkeiten generell auch konsequent genutzt werden. Auch wenn die heu-
tigen Social-Media-Anwendungen üblicherweise Kommentarfunktionen beinhalten, heißt das
nicht, dass die Reaktionen von Nutzern auch adäquat aufgegriffen werden und daraus ein bezie-
hungsfördernder Austausch erwächst. Das nachfolgend dargestellte Praxisbeispiel von Vatten-
fall zeigt, dass Marketingverantwortliche, auch wenn sie bemüht sind Social Media zu nutzen,
die Kommunikation zum Teil noch als Einbahnstraße verstehen und nicht auf wirklichen Dia-
log aus sind. Hierfür bedarf es einer konsequenten Ausrichtung auf die Dialogführung sowie
qualifizierter und in zeitlicher Hinsicht verfügbarer Personalressourcen.
Der Energiegigant Vattenfall startete im Herbst 2008 mit der Aktion Klimaunterschrift, um
sich über die Aufforderung zur Unterzeichnung der eigens herausgegebenen Klimaerklärung
als ein klimaschutzfreundliches Unternehmen zu positionieren und das eigene umweltpoliti-
sche Image zu verbessern. Auf der Corporate-Website des Unternehmens wurde die Aktions-
website „http://klimaunterschrift.vattenfall.de" als Angebot zum Dialog mittels Web 2.0 be-
worben, wozu das Unternehmen anfangs jedoch nicht bereit war.331 So verzichtete die Seite
zu Beginn der Aktion auf jegliche Form von Kommentierungsmöglichkeiten. Als Folge der
einsetzenden Entrüstung und der im Netz aufkeimenden Kritik wurde dann später eine Kom-
mentarfunktionalität auf der Seite integriert. Vattenfall hat zum Start der Aktion auch eine of-
fizielle Facebook-Gmppe eröffnet, in der jeder Kommentare, Fotos und Videos veröffentlichen
33
'Vgl. Stieber (Was Markenartikler von Barack Obama lemen, 2008); Vgl. Eck (Social-Media-Gefahren, 2008)
130 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

konnte. Auf Nutzerinhalte, die dort eingestellt wurden, hatte das Unternehmen jedoch bis zum
15.11.2008 wochenlang nicht reagiert. Die Chance auf kritische Inhalte öffentlichkeitswirksam
einzugehen wurde nicht genutzt. Das Unternehmen hätte zeigen können, dass ihm die Ausein-
andersetzung mit Kritikern wichtig ist. Eigene Stellungnahmen hätten zudem dazu beitragen
können, negative Bewertungen zu entkräften und Positionen zurechtzurücken. Als eine Folge
dieser Dialogunwilligkeit war dann zu beobachten, dass Greenpeace-Aktivisten und andere Kri-
tiker diese Plattform gewissermaßen „entehrten" und für ihre Zwecke nutzen. Sie überhäuften
die Gruppe mit negativen Stellungnahmen und wiesen zudem auf die „getürkte" Greenpeace-
Seite „www.klimaunterschrifi-vattenfall.de" hin. In dieser drehte sich alles um die Kernkritik:
„Vattenfalls Kampagne ist eine perfide Greenwashing-Aktion."332 Als Reaktion hierauf erfolg-
te weiterhin keine nennenswerte inhaltliche Debatte vonseiten Vattenfalls auf der Facebook-
Gruppe. Diese musste im Frühsommer 2009 aufgelöst werden, da sich in ihr, nach Stand Juni
2009, kaum noch nennenswerte Einträge befanden.
Weitere Beispiele für ernsthaftes und weniger ernsthaft praktiziertes Dialogmanagement via
Social Media liefern die US-amerikanischen Fluggesellschaften JetBlue und Delta Airlines.333
Im Fall der Billig-Fluglinie JetBlue twitterte eine Reisende, dass die Fluggesellschaft ver-
gessen habe, ihren Rollstuhl mit ins Flugzeug zu nehmen - und dies gerade an ihrem Ge-
burtstag. Sieben Minuten später erhielt sie vom Social-Media-Team der Gesellschaft einen
Entschuldigungs-Tweet, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass die Crew an einer Lösung ihres Pro-
blems arbeite. Delta Airlines verhielt sich im Vergleich hierzu in einem konkreten Fall weni-
ger dialogfreudig. Das Unternehmen unterhält unter anderem eine Facebook-Fanseite, auf der
ein Reisender vorgeschlagen hat, die Kosten für den W-LAN-Service an Bord dem regulären
Ticketpreis zuzuschlagen. Auf diesen Vorschlag hin gab es keinerlei Reaktion vonseiten des
Unternehmens. Wenn man, wie eine Forrester-Studie ergab, weiß, dass 68 Prozent der Frei-
zeitreisenden, die im Internet aktiv sind, Fluggesellschaften an ihre Familienmitglieder und
Freunde empfehlen, kann man sich das aufmerksame Dialogverhalten von Fluggesellschaften,
wie zum Beispiel von JetBlue, gut erklären, das von Delta Airlines hingegen weniger.

6.6.2 Persönliche Kommunikation


Eine Konversation, bei der die Stellungnahmen vonseiten der Unternehmensvertreter nur vom
„Social-Media-Team" oder der „Redaktion" abgegeben werden und die eigentliche Kontakt-
person anonym bleibt, ist weniger wirkungsvoll als ein Austausch, bei welchem die Reprä-
sentanten des Unternehmens persönlich in Erscheinung treten. Charlene Li fordert in diesem
Zusammenhang: "You are not speaking as 'the company', but as a person. Most companies
don't know how to do this, and it takes a lot of practice to find that voice and feel com-
fortable with it." 334 Eine persönliche Kommunikation mit einem direkt von Person zu Person
gerichteten Informationsaustausch eröffnet gegenüber der unpersönlichen Variante Vorteile ei-
ner größeren Glaubwürdigkeit sowie stärkerer sozialer Kontrollmöglichkeiten des Kommunika-
tors, wenn beispielsweise durch wiederholte Kontakte die Konstanz der Verhaltensweisen des
Kommunizierenden geprüft werden kann. Ferner erlaubt sie eine bessere (selektive) Informa-
tionsaufnahme, die sich näher an den individuellen Bedürfnissen der Kommunikationspartner
332
Vgl. http://www.klimaunterschrift-vattenfall.de/signmanifesto, Seitenaufruf am 15.06.2009
333
Vgl. Holtz (New examples of social media's, 2009)
334
Online Marketing Blog (25 Must Read Social Media Marketing Tips, 2009)
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 131

orientiert. Durch Rückkopplungen beim Informationsaustausch ist es darüber hinaus möglich,


Missverständnisse zu vermeiden und den Dialog so zu führen, dass er auf die individuelle In-
formationsnachfrage zugeschnitten wird.335 Rückkopplungen und ein längerer wechselseitiger
Austausch, bei welchem die Kommunikationspartner voneinander lernen und ihre Botschaf-
ten danach ausrichten, sind nur schwer möglich, wenn man mit anonymen Kontaktadressen
kommuniziert, hinter denen sich im schlimmsten Fall verschiedene zum Einsatz kommende
Personen verbergen.
Zu fordern ist deshalb, dass die Dialogverantwortlichen des Unternehmens namentlich in Er-
scheinung treten und durch ein Portraitbild und weiterführende persönliche Profilinformationen
der Konversation einen menschlichen Anstrich geben. Bei der Kommunikation über identifi-
zierbare Personen sollte jedoch stets klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Mitarbeiter
im Auftrag des Unternehmens handeln und sie von daher auch ihrem Arbeitgeber und ent-
sprechenden Verhaltensrichtlinien verpflichtet sind. Sie sollten dennoch über Spielräume, bei-
spielsweise für persönliche Wertungen oder Herangehensweisen zur Problemlösung verfügen,
die sich nachverfolgen lassen. Denn gerade diese Freiräume, ein besonderes Engagement und
die Individualität sind der Nährboden, auf dem persönliche Bindungen gedeihen. Dass solche
Bindungen bis zu einem schlechten Gewissen reichen können, wenn beim Kauf einer Marke
nicht die Marke des bekannten Unternehmensvertreters präferiert wird, mit dem man in Kon-
takt stand, schildert Robert Scoble: "At Ford Motors there's Scott Monty. Last weekend we
bought a Toyota, but I feel guilty for not buying a product from Scott. This is a dude I've never
met and only know from dealing with him on my blog and over on Twitter. Yet I feel guilty for
not buying from him. (To be fair, Toyota has a bunch of people on Twitter too, but Scott was
visible a long time before I knew Toyota was there)."336

6.6.3 Authentizität und Offenheit


Was in den Dialogen in den jeweiligen Social-Media-Kanälen inhaltlich vermittelt wird, soll-
te auch zur kommunizierenden Person und zum dahinterstehenden Unternehmen passen. So
wirken zum Beispiel übertriebene Floskeln, anbiedernde Ausdrucksweisen oder unrealistische
Versprechungen künstlich, aufgesetzt und letztlich wenig authentisch. Die Glaubwürdigkeit
schmälert es auch, wenn kritische Aspekte schöngeredet oder bewusst verschwiegen werden.
Für den Vertrauensaufbau ist es eher förderlich, wenn man vonseiten des Unternehmens evi-
dente Probleme eingesteht und stellenweise auch eine dosierte Selbstkritik an den Tag legt. Es
entspricht nämlich der menschlichen Erfahrung, dass es stets zwei Seiten der Medaille gibt und
mit einem Sachverhalt neben positiven in der Regel immer auch negative Aspekte verknüpft
sind. Eine bloße Schönfärberei, zum Beispiel der eigenen Marken und unternehmerischen Ver-
haltensweisen, ohne daneben auf gewisse Schwächen einzugehen, kann schnell als verdecktes
Verkaufsgespräch gedeutet werden, bei dem nur einseitig die Interessen des Unternehmens im
Vordergrund stehen. Eine wirkungsvolle Dialogkommunikation erfordert somit auch ein gewis-
ses Maß an Offenheit bezüglich des Eingestehens von Problemen oder verbesserungsfahigen
Aspekten.
Authentisch und offen zu sein heißt auch, sich nicht hinter einer falschen Identität zu verste-
cken. Beispielsweise besteht bei der Abgabe von Kommentaren auf Produktbewertungsseiten
335
Vgl. Esch/Herrmann/Sattler (Marketing, 2006)
336
Scoble (My Web 2.0, 2009)
132 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

oder in bestimmten Themenforen die naheliegende Versuchung, sich als „normaler" user auszu-
geben, um Belege einer sozialen Bestätigung und positiven Einschätzung zu generieren. Einige
Beispiele dieser Täuschungsmanöver mit sehr negativen Folgen für die Reputation der dahin-
terstehenden Organisation wurden bislang bekannt.
Das Kosmetikunternehmen Vichy unterlag beispielsweise der Versuchung und schuf für die
Vermarktung einer Anti-Aging-Creme den Blog einer frei erfundenen Person mit dem Namen
Ciaire. Sie, die mehr einem professionellen Fotomodell ähnlich sah als einer Person, die mit
Alterungsproblemen zu kämpfen hat, ließ sich in einer ziemlich aufgesetzten Sprache über
das Älterwerden aus. Kommentare des Blogs, welcher von einer Werbeagentur geschaffenen
worden war, wurden gefiltert und weder RSS noch Permalinks wurden erlaubt. Die Agentur
wies darüber hinaus in einer Presseveröffentlichung auf den Blog hin, was eingeweihte Kreise
misstrauisch machte. Der Schwindel flog relativ schnell auf und verschiedene Blogger stellten
das Unternehmen öffentlich an den Pranger. Wenige Tage später berichteten zwei führende
Werbezeitschriften und Le Monde, die größte nationale Zeitung Frankreichs, über den Vorfall.
Der Tenor der Kritik an Vichy wurde auf den Punkt zugespitzt: Marken, die sich hinter falschen
Identitäten verbergen sind nicht länger vertrauenswürdig.337
In einem anderen Fall wählte sich ein leitender Mitarbeiter des Dienstleistungsunternehmens
ID-Media, der für die Betreuung der deutschen eBay-Foren verantwortlich war, mit seinem
privaten Account bei eBay ein und griff Kritiker der eBay-Foren persönlich an, wie beispielhaft
in den folgenden Postings gezeigt:
„f... ] Das interessiert keine Sau[,] ob das hier funktioniert oder nicht. Und noch viel weniger,
ob ihr [!] das gut findet oder nicht. Das ist alles optional. EBay gibt sicher nicht tausende Dollar
im Monat dafür aus, Euch Pfeifen eine Plattform zum hirnlosen Pöbeln zur Verfügung zu stellen
[··.]"
Eine andere Aussage von ihm: "[... ] Ja klar ist die neue Community und das Forum nicht
optimal. Aber was ist schon optimal? Irgendjemand mault immer. Und was erwartet ihr [!]?
eBay ist ein Wirtschaftsunternehmen und will/muss Geld verdienen. Ihr seid alle freiwillig hier
und niemand zwingt Euch die Community zu benutzen." 338
Die vorgeschobene Identität des „normalen" Nutzers wurde enttarnt und der Urheber der per-
sönlich verletzenden und in der Form unakzeptablen Äußerungen als Führungskraft des Foren-
betreibers ausgemacht. Die Reputation dieses Unternehmens wurde dadurch stark beschädigt,
was auch dazu beigetragen haben mag, dass es mittlerweile insolvent ist.

6.6.4 Mit Kritik konstruktiv umgehen


Ein bereits erwähntes, zentrales Ziel des Dialogmanagements besteht darin, geäußerte negative
Kritik aufzugreifen und adäquat darauf zu reagieren, um möglichst frühzeitig zu einer Besänf-
tigung beizutragen und um negative Multiplikationseffekte im Netz erst gar nicht entstehen
zu lassen. Der Umgang mit Kritik ist folglich aufs Engste mit dem Dialogmanagement ver-
knüpft und sollte von daher immer einen konstruktiven Umgang mit dieser Thematik pflegen.
Auch wenn es im konkreten Einzelfall häufig des Fingerspitzengefühls bedarf, sollte man doch
grundsätzliche Umgangsweisen damit festschreiben. Prinzipiell empfiehlt es sich, sachliche ne-
gative Kritik ernst zu nehmen und sie nicht von vornherein öffentlich abzutun. Man sollte alles
337
Vgl. Israel (CASE STUDY, 2005)
338
Bubu (ID-Media, 2009)
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 133

versuchen sie zu entkräften, Lösungsvorschläge zu unterbreiten und deeskalierend zu agieren.


Sofern Kritik persönlich und unangemessen geäußert wird, sollte man nur knapp zum Ausdruck
bringen, dass man sich auf dieser Ebene nicht auseinandersetzen wolle, gerne aber bereit sei,
auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren. Das impliziert natürlich auch, dass man im Rahmen
der eigenen Reaktionen diese Regeln für sich anwendet und nicht emotional oder gar persönlich
verletzend handelt.
Negative Kommentare auf eigenen Plattformen sollte man vor dem Hintergrund der geforder-
ten Offenheit und Transparenz prinzipiell nicht löschen. Das impliziert auch, dass man keine
Zwangsmaßnahmen für die Löschung bei Social-Media-Angeboten von Dritten unternimmt.
Selbst bei geschäftsschädigenden Inhalten kann es sich als kontraproduktiv erweisen, eine Lö-
schung zu erwirken. Aufmerksamkeit, die mit dem Sperren von Beiträgen verbunden ist, kann
dazu führen, dass der Inhalt noch eine stärkere Beachtung findet. Wie an dem Beispiel der
Deutschen Bahn in Kapitel 7.3.5 gezeigt wurde, in dem ein Blogger durch ein Abmahnungs-
schreiben dazu gezwungen werden sollte kritische Inhalte aus seinem Blog zu entfernen, war
der Imageschaden durch die Öffentlichkeitswirksamkeit der Zwangsmaßnahme wahrscheinlich
deutlich höher, als wenn man den Beitrag akzeptiert hätte - wozu die Bahn sich aufgrund des
hohen Medienechos letztlich auch durchgerungen hat.
Etwas anders stellte sich der Sachverhalt bei Domino's Pizza dar. Hier drehten zwei Mitar-
beiter des Unternehmens ein Video, das bei YouTube hochgeladen werden konnte, in welchem
sie kurz vor dem Servieren Ausscheidungen aus der Nase auf Sandwichs verteilten. Dieses Vi-
deo verbreitete sich mittels Twitter sehr schnell und wurde in kürzester Zeit über eine Million
Mal angesehen.339 Das Unternehmen reagierte rasch, entließ die Mitarbeiter und ließ das Video
sperren. Darüber hinaus antwortete es mit einem Beitrag auf dem Corporate Blog und drehte
ein Video, das auf YouTube eingestellt wurde, in dem der oberste Vertreter des Unternehmens
sich für den „Scherz" seiner Mitarbeiter entschuldigte.340 Sucht man in YouTube nach Domino 's
Pizza, ist dieses Video prominent an zweitoberster Stelle platziert. Auch wenn die Sperrung des
Videos nicht den hohen Abruf verhindern konnte, der vor dieser Maßnahme lag, wurde damit
doch sichergestellt, dass nun keine ekelerregenden Bilder mehr direkt mit dem Unternehmen
in Verbindung gebracht werden können. Der Vorfall als solcher wird durch die hohe Platzie-
rung des eigenen „Entschuldigungs-Videos" jedoch weiterhin präsent gehalten, was sich nach
dem Abebben der ersten Welle der Aufmerksamkeit für das Unternehmen auf längere Sicht als
kontraproduktiv erweisen könnte. Sofern man sich mit Blick auf die zu fordernde Offenheit
nicht zu einer Elimination des eigenen Beitrags nach einer bestimmten Zeit entschließt, sollte
man zumindest dafür Sorge tragen, dass untemehmensbezogene Beiträge mit positiver Aussa-
ge bei einer Suche nach dem Unternehmensnamen im entsprechenden Social-Media-Angebot
erscheinen.

6.6.5 Positive Kritik mit einem positiven Feedback beantworten


Empfehlungen, Lob, Anerkennung und sonstige förderlichen Signale im Social Web vonsei-
ten der Kunden sollten direkt mit einer positiven Rückmeldung beantwortet werden.341 Diese
339
Vgl. Clifford (Video Prank at Domino's Taints Brand, 2009)
340
Vgl. http://www.YouTube.com/watch?v=716AJ49xNSQ, Seitenaufruf am 09.11.2009
341
Nelles (Regeln für den Dialog, 2009)
134 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

kann dazu beitragen, die Bindung von Fürsprechern an das Unternehmen oder die Marke zu
verstärken.
Man zeigt dem betreffenden Sender, dass man ihn wahrnimmt und dass man ihn an der eige-
nen Freude über ein Lob oder einen besonderen Zuspruch teilhaben lässt. Eventuell bedient man
hierdurch auch eine gewisse, von Überbringern von „Geschenken" gehegte Erwartungshaltung,
hierfür ein „Danke schön" zu bekommen.

6.6.6 Informationsempfängern einen Mehrwert bieten


Die Konversation mit Austauschpartnern über Social-Media-Kanäle sollte immer einen nutzen-
stiftenden Effekt für die Angesprochenen haben. Das kann das Angebot von Verbesserungen
und neuen Lösungsansätzen bei Beschwerden und Kritik beinhalten. Es kann ebenso begründe-
te Stellungnahmen und das Vertreten von eigenen, abweichenden Positionen umfassen. Auch
wenn dies eventuell nur in wenigen Fällen zu einer Revision von kritischen Haltungen beim
Dialogpartner führt, zeigt es doch der angesprochenen Person, dass sie einem wichtig ist und
dass man sich bemüht, auf sie einzugehen. Diese Wertschätzung kann allein schon einen nutz-
bringenden Effekt zeigen. Am einfachsten dürfte ein Mehrwert bei Informationsempfängern zu
erzielen sein, wenn schnelle Hilfestellungen bei Problemen angeboten werden.
Unbedingt zu vermeiden sind Dialoge, die im Grunde nur verkappte Verkaufsgespräche dar-
stellen und darauf ausgerichtet sind, im Zuge eines „hard selling" Gesprächspartner zu einem
Verhalten zu nötigen, welches dem Unternehmen dient. Das soll nicht heißen, dass in Dialogen
nicht auch Werbung für die eigene Sache gemacht werden kann. Sofern das werbliche Handeln
unaufdringlich, eingebettet in ein aufmerksames Zuhören und eine am Kundennutzen ausge-
richtete Argumentation, erfolgt, ist dies sogar zu begrüßen. Man sollte sich jedoch davor hüten,
Dialoge nur als vorgeschobene Pflichtübung zu praktizieren, um die eigentlichen Ziele sehr
direkt, analog zum Vorgehen der herkömmlichen Push-Kommunikation zu erreichen. David
Nelles wirft zur Wirksamkeit dieses Vorgehens folgende Frage auf: „Was passiert mit Party gas-
ten, die ständig versuchen andere Partygäste in Verkaufsgespräche zu verwickeln? Richtig - sie
werden zur nächsten Party nicht mehr eingeladen. Das Gleiche gilt für Brands, die in ihren So-
cial Media Bemühungen User offensichtlich nur zum Kauf zu bewegen. Solche Brands werden
demnach keinen nachhaltigen Erfolg in Social Media haben, da ihnen niemand mehr zuhört."342
Wenn Unternehmen den Aufwand einer konsequenten Dialogführung im Social Web auf sich
nehmen, dann sollte in erster Linie der Aufbau von Vertrauen und tragfähigen Beziehungen im
Vordergrund stehen. Eng daran geknüpft ist ein gewünschtes Weiterempfehlungsverhalten, das
jedoch in Bezug auf eigene Unternehmensmarken nur funktioniert, wenn Vertrauen in die Leis-
tungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens vorhanden ist. Absatz- oder umsatzorientierte
Messgrößen des Marketingerfolges helfen in diesem Zusammenhang nicht weiter und müssen
durch neue Ansätze der Erfolgsmessung ergänzt werden.

6.6.7 Bereitstellung der notwendigen Personalressourcen


Eine entschiedene und ernsthafte Dialogführung setzt voraus, dass auch genügend Personalka-
pazität zur Durchführung der damit verbundenen Aufgaben vorhanden ist. Wie bereits erwähnt,
342
Nelles (Die 5 Großen Fehler, 2009)
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 135

umfasst das Social-Media-Team der Firma Dell für die USA über 40 Mitarbeiter. Von solchen
Zahlen sind viele Unternehmen, die heute überhaupt erst mit zaghaften Gehversuchen in der
Dialogführung mittels Social Media beginnen, noch weit entfernt. Dies unterstreicht eine 2008
durchgeführte Erhebung von Deloitte, in der es unter anderem um die Frage ging, wie viele Mit-
arbeiter in Unternehmen gewöhnlich für das Management einer Online-Community eingesetzt
werden. Über ein Drittel setzen hierfür nur Teilzeitkräfte ein. 27 Prozent nur einen Mitarbei-
ter. Da zum Management einer Community, neben anderen Aufgaben auch der Austausch mit
deren Mitgliedern gehört, stehen hierfür, laut der Erhebung, in der Mehrzahl der Fälle nur re-
lativ knappe Personalressourcen zur Verfügung. Auf die Frage nach den größten Hindernissen
wurde von knapp der Hälfte der Befragten geklagt, nicht genug Zeit für das Management der
Community zu haben. 343 Auch wenn sich diese Fragestellung nicht direkt auf das Dialogma-
nagement bezieht, verdeutlicht sie doch ein Engagement, das noch überwiegend zurückhaltend
in der bewussten Beziehungspflege ist und damit letztlich auch im kommunikativen Austausch
mit den Mitgliedern der betreffenden Gemeinschaft.

6.6.8 Aufstellung von Verhaltensrichtlinien


Unternehmen erkennen zunehmend Möglichkeiten, die sich eröffnen, wenn sich Mitarbeiter
aktiv an der Kommunikation mittels Social Media beteiligen. Das kann im Rahmen der re-
aktiven Kommunikation erfolgen, in der beispielsweise Mitglieder eines Social-Media-Teams
auf Meldungen mit Unternehmensbezug reagieren, die im Web verbreitet werden, oder sich in
virtuellen Außenstellen als Ansprechpartner bei Fragestellungen und Problemen anbieten. Es
können jedoch auch „gewöhnliche" Mitarbeiter, die nicht auf die Kommunikation spezialisiert
sind, betroffen sein, die beispielsweise in Blogs oder Fachforen eigene Beiträge veröffentlichen
oder Beiträge von anderen kommentieren. Die große Chance liegt darin, dass die persönlich
Kommunizierenden einer Marke bzw. einem Unternehmen ein Gesicht und eine Stimme verlei-
hen, mit der Kunden, je nach Situation, beruhigt, besänftigt, überzeugt oder beeindruckt werden
können. Möglich ist jedoch auch, dass dieser kommunikative Austausch weniger erfolgreich ab-
läuft und Kunden damit vor den Kopf gestoßen, verärgert und enttäuscht werden können. Die
weitreichenden Chancen der Social-Media-Kommunikation bergen gleichzeitig beträchtliche
Risiken. Chancen und Risiken potenzieren sich dabei durch die hohe Öffentlichkeitswirksam-
keit des Mediums Internet.
Durch die revolutionäre Neuartigkeit der Social-Media-Kommunikation wissen Unterneh-
men zum Teil noch nicht, wie sie mit der Verbreiterung der Außenwirkung umgehen sollen,
die sich auf viele Köpfe verteilt. War man früher gewohnt, dass sich eine überschaubare Zahl
autorisierter Unternehmensvertreter im Rahmen einer One-Voice-Politik zu Unternehmensbe-
langen öffentlich äußerten, tauschen sich nun viele Einzelpersonen während ihrer Arbeitszeit
sowie auch in ihrer Freizeit über Aspekte des Unternehmens aus. Dies birgt naturgemäß Gefah-
ren einer Verwischung formal ermächtigten Sprechens für das Unternehmen und des Vertretens
einer Privatmeinung eines einzelnen Mitarbeiters. Dieses Spannungsfeld zwischen dem Auftritt
einer identifizierbaren Person, die authentisch ihre eigene Persönlichkeit zum Ausdruck brin-
gen, andererseits aber auch als dem Unternehmen zugehörig erkennbar sein sollte und damit als
deren Sprachrohr (ob formal autorisiert oder nicht) angesehen wird, kann nur durch die Vorgabe

343
Vgl. Scribd (Studie, 2008)
136 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

von klaren Regeln und Verhaltungsempfehlungen aufgelöst werden.


Fehlen diese, kann es zu unbedarftem Handeln mit negativen Folgen kommen. So twitterte
beispielsweise eine FBI-Praktikantin über eine Untersuchung, die bei einem großen Konzern
durchgeführt werden sollte, lange bevor dies öffentlich bekannt gemacht wurde. 344 Die Bundes-
tagsabgeordneten Ulrich Kelber, SPD, und Julia Klöckner, CDU, verbreiteten über denselben
Mikrobloggingdienst den Wahlsieg von Horst Köhler vor der offiziellen Bekanntgabe in der
Bundesversammlung. Letztere handelten zwar nicht als Mitarbeiter eines Unternehmens, den-
noch standen sie bei ihren Parteikollegen bezüglich der formal nicht berechtigten Veröffentli-
chung von vertraulichen Informationen mittels Social Media in der Kritik.
Ein Fehlen von Regeln und fehlendes Wissen im Umgang mit neuen Kommunikations-
möglichkeiten kann auch dazu führen, dass Mitarbeiter aus Angst vor Fehlern und negativen
Konsequenzen die Teilnahme am kommunikativen Austausch verweigern. Neben dem explizi-
ten Hinweis auf Social-Media-Verhaltensrichtlinien sollten deshalb Schulungen und konkrete
Hilfestellungen für interessierte Mitarbeiter angeboten werden. Die Firma Intel empfiehlt bei-
spielsweise in ihren sehr anschaulich beschriebenen Social Media Guidelines die Teilnahme
an einem angebotenen Training und weiterführende Hilfe durch ihr "Social Media Center of
Excellence". Die Voraussetzung einer Schulung für das Erstellen eigener Inhalte, auf welche
das Unternehmen im Vorfeld keinen kontrollierenden Einfluss nimmt, wird klar zum Ausdruck
gebracht: "We do not moderate content we publish. This means we allow our blog authors to
post directly without approval, as long as they have taken the required trainings." 345 Die Firma
weist ferner daraufhin, dass man durch eine Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Regeln den
Entzug einer weiteren Teilnahme an der Social-Media-Kommunikation riskiert.
Der Umfang von Social-Media-Verhaltensrichtlinien kann variieren, von sehr kurz bis aus-
führlich. Die knappe Empfehlung, die Microsoft an seine bloggenden Mitarbeiter gibt, lautet
schlicht: "Blog/Be Smart." 346 Lionel Menchaca von Dell betont bezüglich der Erstellung von
Kommentaren im Direct2Dell Blog die Anwendung von Common-Sense-Regeln, die Folgen-
des im Kern beinhalten:347

• Keine Respektlosigkeit und verbalen Ausfälle

• Keine direkten Angriffe auf Leser

• Keine Veröffentlichung von Inhalten, die Rechte verletzen können.

Einfache und in verständlichen Worten geschriebene Regeln, die an den gesunden Menschen-
verstand appellieren, können der Anfang sein. Will man der Breite der verschiedenen Kommu-
nikationsanlässe und Qualitätsdimensionen des Austausches in Social Media Rechnung tragen,
kommt man um weiterführende Regelwerke, die am besten noch durch Schulungen ergänzt
werden, nicht herum. Diese sollten nicht nur gegenüber rechtlichen Risiken absichern, son-
dern auch Empfehlungen zu einer wirkungsvollen Kommunikation enthalten. Die Richtlinien
von IBM und Intel praktizieren das in einer sehr anschaulichen Weise, wobei zuerst eine über-
sichtliche Zusammenfassung präsentiert wird, deren einzelne Punkte dann noch weiterführend
344
Vgl. Langwasser (Ein Plädoyer für Social Media, 2009)
345
Intel (Intel Social Media Guidelines, 2009)
346
Allemann (Corporate Blogging, 2007)
347
Vgl. Brand Autopsy (Dell and Social Media, 2007)
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 137

explizit erläutert werden. Intel fordert übersetzt die Einhaltung folgender grundlegender Aspek-
te:348
• Beschränken Sie sich auf das Gebiet, in dem Sie sich auskennen, und schreiben Sie in
einer individuellen Perspektive was bei Intel und sonst in der Welt los ist.

• Veröffentlichen Sie bedeutungs- und respektvolle Kommentare, in anderen Worten kein


Spam und keine deplatzierten oder angreifenden Bemerkungen.

• Halten Sie erst inne und denken Sie nach, bevor Sie schreiben. Beantworten Sie Kom-
mentare zeitnah, wenn eine Erwiderung angebracht ist.

• Respektieren Sie geheime Informationen und Inhalte und gehen Sie vertrauensvoll damit
um.

• Wenn Sie nicht mit der Meinung anderer übereinstimmen, reagieren Sie angemessen und
höflich.

• Eigenen Sie sich die Intel Verhaltens- und Datenschutzrichtlinien an und handeln Sie
danach.

Diese Merksätze für den ersten Einstieg werden noch um ausführlichere Empfehlungen zur
effektiven Kommunikation erweitert, wie zum Beispiel:

• "It's a conversation. Talk to your readers like you would talk to real people in profes-
sional situations. In other words, avoid overly pedantic or 'composed' language. Don't
be afraid to bring in your own personality and say what's on your mind. Consider content
that's open-ended and invites response. Encourage comments. You can also broaden the
conversation by citing others who are blogging about the same topic and allowing your
content to be shared or syndicated.

• Are you adding value? There are millions of words out there. The best way to get
yours read is to write things that people will value. Social communication from Intel
should help our customers, partners, and co-workers. It should be thought-provoking and
build a sense of community. If it helps people improve knowledge or skills, build their
businesses, do their jobs, solve problems, or understand Intel better - then it's adding
value."349

Auch IBM gibt, wie nachfolgend in Form des "IBM Social Computing Guidelines: Executive
Summary" dargestellt, umfangreiche Empfehlungen vor, in denen einzelne Punkte zusätzlich
ausführlich beschrieben werden:

1. "Know and follow IBM's Business Conduct Guidelines.

2. IBMers are personally responsible for the content they publish on blogs, wikis or any
other form of user-generated media. Be mindful that what you publish will be public for
a long time - protect your privacy.
348
Vgl. Intel (Intel Social Media Guidelines, 2009)
349
Intel (Intel Social Media Guidelines, 2009)
138 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

3. Identify yourself - name and, when relevant, role at IBM - when you discuss IBM or
IBM-related matters. And write in the first person. You must make it clear that you are
speaking for yourself and not on behalf of IBM.
4. If you publish content to any website outside of IBM and it has something to do with work
you do or subjects associated with IBM, use a disclaimer such as this: 'The postings
on this site are my own and don't necessarily represent IBM's positions, strategies or
opinions.'

5. Respect copyright, fair use and financial disclosure laws.


6. Don't provide IBM's or another's confidential or other proprietary information. Ask
permission to publish or report on conversations that are meant to be private or internal
to IBM.
7. Don't cite or reference clients, partners or suppliers without their approval. When you do
make a reference, where possible link back to the source.
8. Respect your audience. Don't use ethnic slurs, personal insults, obscenity, or engage in
any conduct that would not be acceptable in IBM's workplace. You should also show
proper consideration for others' privacy and for topics that may be considered objection-
able or inflammatory - such as politics and religion.

9. Find out who else is blogging or publishing on the topic, and cite them.
10. Be aware of your association with IBM in online social networks. If you identify yourself
as an IBMer, ensure your profile and related content is consistent with how you wish to
present yourself with colleagues and clients.
11. Don't pick fights, be the first to correct your own mistakes, and don't alter previous posts
without indicating that you have done so.
12. Try to add value. Provide worthwhile information and perspective. IBM's brand is best
represented by its people and what you publish may reflect on IBM's brand."350
Auch der Versandhändler OTTO nimmt das Thema Social Media ernst. Das Unternehmen hat
mit seinen Social Media Guidelines der Otto Group sehr anschauliche Regeln formuliert, wel-
che das Aktionsfeld von Mitarbeitern sehr klar umreißen:
1. „Gehen Sie bei jeder Veröffentlichung im Internet sorgsam mit unternehmensbezogenen
Informationen um. Als Mitarbeiter/in von OTTO oder der Otto Group haben Sie sich
arbeitsvertraglich verpflichtet, Stillschweigen über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
zu wahren. Sollten Sie Zweifel haben, wenden Sie sich an Ihre Führungskraft.
2. Bitte denken Sie daran, dass Vorträge und Veröffentlichungen der vorherigen schriftli-
chen Einwilligung des Unternehmens bedürfen, wenn die Interessen von OTTO oder der
Otto Group berührt werden. Stimmen Sie sich mit Ihrem Bereichsleiter und dem Direk-
tionsbereich Unternehmenskommunikation ab. Geben Sie sich bei einem Vortrag oder
einer Veröffentlichung mit Namen und Funktion zu erkennen.
350
ffiM (IBM Social Computing Guidelines, 2009)
6.6 Erfolgsfaktoren der Dialogführung 139

3. Private Online-Veröffentlichungen auf Social Sites, in Communities, Foren, Blogs, Wikis


und andere[n] Formen der Online Kommunikation sollten Sie stets als privat kennzeich-
nen. Für diese Äußerungen sind Sie persönlich verantwortlich. Seien Sie sich bewusst,
dass ihre Äußerungen im Web öffentlich sind und für einen langen Zeitraum bleiben.
Schützen Sie Ihre Privatsphäre.

4. Als Mitarbeiter/in haben Sie das Recht, sich privat und auch öffentlich über das Unter-
nehmen zu äußern - positiv wie negativ. Wenn Sie dies tun, sollten Sie in Ihrem eigenen
Interesse und aus Respekt gegenüber der Community möglichst deutlich machen, dass
Sie nur aus Ihrer persönlichen Sicht schreiben.

5. Wenn Sie einen eigenen Blog betreiben und die Inhalte mit dem Unternehmen zu tun
haben, nutzen Sie bitte einen Disclaimer wie: „Die Postings auf dieser Site sind meine
persönliche Meinung und repräsentieren nicht die Positionen, Strategien oder Meinung
von OTTO oder der Otto Group."

6. Denken Sie daran, Urheberrechte anderer - auch die von OTTO oder Otto Group - nicht
zu verletzen.

7. Respektieren Sie die Netz-Community. Verzichten Sie auf obszöne Äußerungen, persön-
liche Beleidigungen, Verunglimpfungen wegen Rasse, Religion, Geschlecht oder Her-
kunft. Respektieren Sie die Privatsphäre anderer.

8. Zitieren oder verweisen Sie möglichst nicht auf Geschäftspartner.

9. Erfahrungen zeigen, im Netz sollten Sie auf Streit und Besserwisserei verzichten. Wenn
Sie einen Fehler machen, korrigieren Sie diesen schnellstmöglich. Und wenn Sie frühere
Postings ändern, dann kennzeichnen Sie diese nachträglichen Änderungen.

10. Ob auf Ihrer Website, einer Social Site, in Blogs, Foren oder in Twitter: Seien Sie stets
authentisch!"351

Beachtenswert in den Verfahrensanweisungen von OTTO ist insbesondere Punkt vier, welcher
private Äußerungen über Firmenbelange erlaubt, die explizit auch kritisch sein können, sofern
man dies als persönliche Meinung kenntlich macht. Negative Kommentare zu verbieten würde
nach Ansicht von Klaus Eck keinen Sinn ergeben, was er anschaulich zum Ausdruck bringt:
„Wer sich negativ äußern will, wird dies tun. Ein anonymer Blog oder ein Twitteraccount ohne
Bezug zur Person machen es möglich. Daher wäre ein derartiges Verbot ohnehin ein Kampf
gegen Windmühlen, der im Zweifel negative Reaktionen auf Seiten meiner Mitarbeiter auslöst.
Diese nämlich könnten den Eindruck bekommen, mit solch einer Regelung mundtot gemacht
zu werden." 352
Grundsätzlich sollte die konkrete Ausgestaltung und Ausformulierung einzelner Social-
Media-Verhaltensempfehlungen unternehmensspezifisch nach Maßgabe der geplanten Social-
Media-Strategie erfolgen. Die Inhalte der jeweiligen Guidelines stellen Grundpfeiler der Er-
folgswirksamkeit der Kommunikation im Social Web dar und sollten auf jeden Fall Richtschnur
des Handelns sein.
35
'Otto Group, ο. V., zitiert in: Eck (Social Media Policy, 2010)
352
Eck (Social Media Policy, 2010)
140 6 Social Media im Rahmen der reaktiven Kommunikation und Dialogorganisation

Die konkrete Ausgestaltung und Ausformulierang einzelner Empfehlungen sollte individuell


nach Maßgabe der geplanten Herangehensweise des jeweiligen Unternehmens in der Social-
Media-Kommunikation erfolgen. Zentrale Inhalte, wie sie sich in den auszugsweise darge-
stellten Richtlinien von Intel und in der Kurzzusammenfassung von IBM wiederfinden, stel-
len Grundpfeiler der Erfolgswirksamkeit der Kommunikation im Social Web dar und sollten
unbedingt eine Leitlinie der Handlungsweise bilden.
Unabhängig davon, ob diese Maßstäbe von Mitarbeitern bereits verinnerlicht sind oder ob sie
durch Vorgaben und Schulungen erst vermittelt werden müssen, sollte die Kommunikation von
Mitarbeitern im Web auf jeden Fall Gegenstand eines laufenden Monitoring sein. Durch die
öffentliche Nachvollziehbarkeit der Äußerungen ist es relativ einfach möglich, die Einhaltung
der aufgestellten Regeln zu überprüfen. Primär sollten jedoch der Appell an die eigene Verant-
wortung und das individuelle Streben nach hohen Qualitätsmaßstäben im Vordergrund stehen.
Intel bringt dies klar zum Ausdruck: "What you write is ultimately your responsibility. Partici-
pation in social computing on behalf of Intel is not a right but an opportunity, so please treat it
seriously and with respect." Mitarbeiter sollten sich aber der Möglichkeit eines zentralen Ein-
schreitens bei ungenügenden Inhalten und Ausdrucksformen bewusst sein. Hierbei ist deutlich
zu machen, dass dies nicht zur Sicherstellung einer geschönten Darstellung von Unternehmens-
belangen erfolgt, sondern nur, um schwere Entgleisungen zu vermeiden. Intel unterstreicht dies
mit der Forderung: "If the content is positive or negative and in context to the conversation, then
we approve the content, regardless of whether it's favorable or unfavorable to Intel However
if the content is ugly, offensive, denigrating and completely out of context, then we reject the
content."353

353
Intel (Intel Social Media Guidelines, 2009)
7 Social Media im Rahmen der
proaktiven
Unternehmenskommunikation

7.1 Möglichkeiten und Grenzen des Viralmarketings


Zur Streuung von Botschaften genügt es heute nicht, einfach nur ein paar Clips auf populären
Videoplattformen einzustellen und darauf zu warten, dass sich diese von selbst verbreiten. Wie
jede Werbeform müssen auch virale Kampagnen behutsam mit Blick auf die Erreichung kon-
kreter Kommunikationsziele vorausgeplant werden. Am Anfang jeder viralen Kampagne steht
die gezielte Verbreitung der Inhalte auf ausgesuchten Plattformen und Portalen sowie in Com-
munities. Zuerst gilt es, Meinungsmacher zu erreichen, die zur Weiterverbreitung der Inhalte
in Blogs, Social Networks, Videoportalen oder auch per E-Mail beitragen. Am Ende soll mög-
lichst ein sich selbst tragender, epidemisch wachsender Kommunikationsprozess geschaffen
werden.
Eine zentrale Entscheidung betrifft die Art und Weise der Kampagne: Soll die Verbreitung
der Inhalte beispielsweise durch eine witzige oder spannende Microsite, lustige oder provo-
kante Videoclips, das kostenlose Bereitstellen von Gütern, wie zum Beispiel Online-Games
Applikationen, Downloadmöglichkeiten von E-Books und Veröffentlichungen oder weitere Ge-
staltungsformen, geschehen?
Erfolgversprechende virale Kampagnen enthalten meist überraschende, unterhaltende oder
witzige Botschaften. Nach einer Studie weisen 88 Prozent aller weitergeleiteten E-Mails lus-
tige Inhalte auf. 354 Ein klassisches Beispiel für eine humorvolle virale Kampagne ist die von
Volkswagen USA für ihre neuen G77-Modelle, die ihren Weg im Jahre 2006 bis nach Deutsch-
land fand. Mit Unpimp your Ride platzierte der Automobilhersteller nicht nur verschiedene
Clips auf Videoplattformen und Webportalen, in denen aufgemotzte Autos auf spektakuläre
Weise verschrottet wurden. Parallel wurde auch ein Kult um die blonde Miss Helga aus den
Spots entfacht, unter anderem mit einem eigenen Profil in MySpace.355 Einen Beleg für die
Erfolgsträchtigkeit lustiger Inhalte liefert das wöchentliche Ranking der AdAge Top 10 der am
häufigsten geklickten viralen Videowerbespots.356 In der Woche des 17.08.09 befand sich als
Spitzenreiter der Videos, die auf YouTube am häufigsten angesehen werden, ein Werbespot
der Firma Evian (über 1,4 Millionen Views pro Woche), in dem rappende Babies erstaunliche
Kunststücke auf Rollerskates vollbrachten. In einer Szene umkurvten sie mit atemberauben-
der Technik eine Flasche Evian, die gut sichtbar in der Bildmitte platziert war. Alle 10 der
354
Vgl. Sharpe Partners (Nearly 90 %, 2006)
355
Vgl. Eck (Un-Pimp my Auto, 2006)
356
Vgl. Klaassen (What's Going Viral, 2009)
142 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

beliebtesten Markenspots enthielten lustige oder spektakuläre Inhalte, in denen beispielsweise


Notebooks mit dem Gesäß gefangen wurden, ein Mensch über eine Rampe ca. 30 Meter durch
die Luft in ein Kinderplanschbecken flog, ein Fahrradfahrer Bäume hochfuhr und auf Zäunen
unterwegs war oder brave Kinder ihre Augenbrauen synchron tanzen ließen. Weitere wöchent-
liche Beliebtheitsergebnisse von AdAge unterstreichen die Erfolgsträchtigkeit von humorvollen
und Aufsehen erregenden Inhalten.
Erfolgreiche Spots in den AdAge Charts sind in der Regel konzeptionell ausgefeilt und meist
technisch anspruchsvoll produziert. Babies, die spielerisch auf Rollerskates fahren und dabei
einen täuschend echten Eindruck vermitteln, sind ohne aufwendige Spezialeffekte nicht zu rea-
lisieren. Häufig wird die zum Einsatz kommende komplizierte Produktionstechnik auch be-
wusst kaschiert, indem man zum Beispiel bei der Kameraführung den Eindruck vermittelt, bei
dem Video handele es sich um eine Handaufnahme eines gewöhnlichen Nutzers. Dieser Live-
Charakter wurde beispielsweise beim lustigen und spektakulären Ray Ban-Spot "Guy Catches
Glasses with Face" (4.410.696 Aufrufe in YouTube)357 oder der erfolgreichen Levis-Kampagne
"Guys backflip into jeans" (5.657.205 Aufrufe in YouTube)358 praktiziert.
Die zentrale Voraussetzung für eine Weiterverbreitung ist, dass die Botschaft den Empfän-
gern einen Nutzen bringt. Die Empfänger sollten beispielsweise etwas Interessantes erfahren,
sich amüsieren oder sich über etwas Brauchbares freuen können. Sie sollten ferner zur Wei-
tergabe angeregt werden. Die Antizipation der zu erwartenden Freude und des potenziellen
Nutzens anderer und eventuell die Hoffnung auf eine gewisse Art von Dankbarkeit für die Über-
mittlung kann in diesem Zusammenhang ein wichtiger Motivator sein. Pingel unterstreicht dies,
bezogen auf virale Werbespots, anschaulich: „Der Erfolg von Viral Clips beruht im Grunde auf
einem ureigenen menschlichen Reflex: Eindrücke, die unsere Gefühle auf außergewöhnliche
Weise ansprechen, möchten wir als soziale Wesen mit anderen teilen. Dabei ist es zweitran-
gig, welche Gefühle angesprochen werden. Skatende Babys und Kinder, die Gesichtsakrobatik
aufführen, erfreuen uns gleichermaßen wie sie uns faszinieren. Ist ein Spot faszinierend ge-
nug, verbreitet er sich sogar viral, wenn er ganz offensichtlich ein Werbespot ist, der ein neues
Produkt bewirbt [,..]"359
Virale Kampagnen können, ökonomisch betrachtet, sehr erfolgreich sein. Die Berliner Firma
K-fee hat zum Beispiel mit mehreren Werbespots, in denen jeweils ein Überraschungseffekt
nach Art eines Horrorfilms zum Tragen kam, ihr Produkt - kalter Kaffee in hohen Dosen -
bekannt gemacht. Die Clips verbreiteten sich in Deutschland millionenfach und sie erreich-
ten auch die USA. Gleichzeitig erzielte die Kampagne eine große mediale Aufmerksamkeit in
auflagenstarken Magazinen und Zeitungen.360 Infolge der Kampagne konnte die Marke K-fee
auf die zweite Position des noch relativ kleinen Marktes der Ready-to-drink-Kaffeegetränke
vorstoßen. Dieses Beispiel zeigt, dass man mit Viralmarketing sogar Weltfirmen Paroli bieten
kann. Obwohl die Clips zu Beginn der Kampagne noch vornehmlich über E-Mail und nicht über
Social-Media-Tools verbreitet wurden, sind sie mittlerweile auch in gängigen Videoportalen zu
finden und verzeichnen hier immer noch regelmäßige Abrufe.
Die Firma Dove setzte im Rahmen ihrer Kampagne „Initiative für echte Schönheit"361 fast
357
Vgl. http://www.YouTube.com/watch?v=-prfAENSh2k, Seitenaufruf am 28.09.2009
358
Vgl. http://www.YouTube.com/watch?v=pShf2VuAu_Q&feature=related, Seitenaufruf am 28.09.09
359
Pingel (Erfolgsrezepte von Viral Clips, 2009)
360
Vgl. Langner (2005), S. 120ff.
361
Vgl. http://www.initiativefuerwahreschoenheit.de, Seitenaufruf am 28.09.2009
7.1 Möglichkeiten und Grenzen des Viralmarketings 143

ausschließlich auf die Verbreitung mittels Social Media. Auf YouTube wurde dazu ein Clip
eingestellt, der das gängige Schönheitsideal der Kosmetikindustrie und Werbung kritisch hin-
terfragt. 362 Über neun Millionen Views generierte das Video mittlerweile auf YouTube, knapp
33.000 angemeldete Nutzer registrierten das Video als „Favorit". Nach Angaben der Werbe-
agentur Ogilvy, die für die Produktion des Werbeclips zuständig war, konnten durch die Ver-
breitung auf YouTube 150 Millionen Dollar an Werbeausgaben gespart werden.363
Dass Viralmarketing auch ohne einen Videospot nur über Anstöße durch eine Website und
die Einbeziehung verschiedener Social-Media-Kanäle funktionieren kann, belegt die Anfang
2009 gestartete Kampagne des Tourismusbüros von Queenland. Man suchte unter dem Slogan
"The Best Job in the World" nach einem „Insel-Ranger", der im Great Barrier Reef ein halbes
Jahr die Inseln erforschen sollte, es sich dabei gut gehen lassen konnte und dafür als Gegenleis-
tung mittels Blog über seine Erlebnisse zu berichten hatte. Als Entgelt für seine Mühen sollte
er 12.000 Euro Monatslohn sowie einen kostenlosen Aufenthalt in einem Strandhaus mit Pool
bekommen. Dieses reizvolle Angebot sprach sich im Web schnell herum und führte dazu, dass
die Website364 kurz nach dem Start durch die mehr als zwei Millionen Besuche vorübergehend
zum Absturz gebracht wurde. Mehr als 34.000 Menschen aus der ganzen Welt bewarben sich
in einem 60-Sekunden-Video, das sie zum Teil auch in YouTube einstellten. Schnell griffen
auch Tageszeitungen, Magazine und TV-Sender das Thema auf und berichteten von der Traum-
destination Great Barrier Reef. Der Gewinner des Wettbewerbs, Ben Southall, ein 34-Jähriger
Engländer, lässt nun die weltweiten Interessenten an den Schönheiten der Inseln und Unter-
wasserwelt des Riffs durch seine regelmäßigen Blogeinträge teilhaben, wie in Abbildung 34
auszugsweise dargestellt. Die Kampagne soll insgesamt 1,2 Millionen australische Dollar ge-
kostet haben. Der weltweit erzielte Publicity-Gegenwert wird von Experten auf mehr als 100
Millionen australische Dollar geschätzt.365
Positive Effekte einer viralen Kampagne lassen sich nur schwer in konkrete Zahlen fassen.
Um überhaupt eine Erfolgsmessung ermöglichen zu können, müssen zu Beginn der Kampagne
die zu erreichenden Ziele definiert werden. Beispielsweise, wie hoch die Zahl der Kunden-
kontakte sein soll oder welche Umsatzentwicklung man durch die Aktion anstrebt. Der unmit-
telbare Verlauf einer Kampagne kann heute gemessen werden. Spezialisierte Anbieter stellen
Online-Tracking-Instrumente bereit, die nicht nur die Erstübertragung einer viralen Botschaft
ermitteln, sondern auch deren weiteren Weg verfolgen können. Das ermöglicht es, das Nut-
zerverhalten zu begleiten und daraus zu lernen. Es erleichtert auch die Einschätzung der Er-
folgsaussichten viraler Kampagnen. Flankierend sollte ein Social Media Monitoring eingesetzt
werden, um Fragen zu klären, wie: Gewinnt die virale Kampagne eine gewisse Aufmerksam-
keit in der Blogosphäre, in Twitter sowie in den Statusmeldungen von Facebook und anderen
sozialen Netzen? Fallen die Reaktionen auf die Inhalte positiv oder negativ aus? Wie entwi-
ckeln sich die Zugriffszahlen auf die Clips in gängigen Videoportalen und wie ist der Tenor
der dort produzierten Kommentare? Die Beantwortung dieser und anderer Fragen bietet eine
zusätzliche Hilfestellung für die Erfolgsbeurteilung. Im Bedarfsfall kann somit noch in der ak-
tiven Verbreitungsphase steuernd durch das Aussenden von zusätzlichen Impulsen eingegriffen
werden.
362
Vgl. http://www.YouTube.com/watch?v=iYhCn0jf46U, Seitenaufruf am 22.09.2009
363
Vgl. Jones (Dove-Evolution, 2006)
364
Vgl. http://www.islandreefjob.com.au/about-the-best-job, Seitenaufruf am 01.10.2009
365
Vgl. Kaminski (Wie weit ist Social Media, 2009), S. 066 (S. 66-67)
144 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

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The S.S. Yofigala - my best dive
yet...probably!

Abbildung 34: Blogpost des Gewinners von "The best job in the world"366

Viralmarketing weist, wie jedes Kommunikationsinstrument, wirkungsbezogene Beschrän-


kungen auf und birgt ferner gewisse Gefahren. Wer einen Film weiterleitet oder begeistert davon
erzählt, wird nicht automatisch ein neuer Kunde. Man spricht vielleicht über die empfangenen
Inhalte, oft wird aber die Marke vergessen oder falsch zugeordnet. Während die virale Wazzup-
Kampagne für Budweiser um die ganze Welt lief, ging der Absatz der US-Biermarke zurück.
Viele haben sich über die albernen Spots gefreut, sogar eigene Varianten gedreht und in Um-
lauf gebracht. Mehr Budweiser wurde jedoch nicht gekauft. 367 Was der millionenfach gesehene
Stuntman Ron Hammer368 der Baumarktkette Hornbach gebracht hat, ist ähnlich ungewiss.
Hinzu kommt, dass nach einer Studie von Jupiter Research im Jahr 2006 nur 15 Prozent
der Viralmarketing-Kampagnen das Ziel erreichten, den Konsumenten dazu zu veranlassen,
eine Werbebotschaft weiterzutragen. Allerdings kann diese Ineffektivität auch in unzureichend
geplanten Kampagnen begründet liegen.
Der Erfolg des Viralmarketings hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die es bei der Pla-
nung und Durchführung einer Kampagne zu berücksichtigen gilt. Aber auch, wenn alle Even-
tualitäten bedacht werden und eine Aktion sorgfältig geplant wird, besteht keine Garantie, dass
die Botschaft weitergegeben wird. Weiterempfehlungen werden bekanntermaßen nur getätigt,
wenn der persönlich empfundene Nutzen einer Empfehlung entsprechend hoch eingeschätzt
wird. Wird die Werbung als zu vordergründig empfunden und Einzelne fühlen sich instrumen-
356
http://www.islandreefjob.com.au, Seitenaufruf am 20.09.2009
367
Vgl. Oetting (Deutlich mehr Kommerz, 2007)
368
Vgl. Schilling (Ron Hammer, 2006)
7.1 Möglichkeiten und Grenzen des Viralmarketings 145

talisiert, wird Viralmarketing im Keim erstickt.369


Darüber hinaus muss bedacht werden, dass die populären Videoplattformen mittlerweile von
vielen Unternehmen für Werbezwecke entdeckt wurden. Viralmarketing auf Basis dieser Platt-
formen bedeutet eine enorme Konkurrenz durch eine Vielzahl anderer, zum Teil inhaltlich ähn-
licher Werbeclips. Auf YouTube überwiegen heute die Abrufe des "business generated content",
also von Inhalten, die von Unternehmen produziert wurden, im Vergleich zu Videos, die von
Privatpersonen gedreht wurden.370 Um für ein Video eine signifikante Aufmerksamkeit zu er-
regen, müssen die Beiträge besonders kreativ, interessant, provokant oder unterhaltsam sein,
um sich von der Masse abzuheben und um für eine virale Verbreitung als wertvoll erachtet zu
werden.
In dem Bestreben besonders ausgefallene Werbespots produzieren zu müssen, bewegen sich
Unternehmen auf einem schmalen Grad zwischen Top oder Flop. Auch der Autohersteller Ford
hat erfahren müssen, dass diese Werbeform nicht immer wie gewünscht funktioniert. Der Ford
Sportka sollte mit kleinen Viralclips als der „böse Zwilling" des Ford Κ positioniert und be-
kannt gemacht werden. In einem dieser Filme klettert eine Katze auf einen geparkten Sportka
und steckt neugierig den Kopf durch das offene Schiebedach. Dass dieses sich dann selbsttätig
schließt und dabei die Katze enthauptet, begeisterte natürlich nicht jeden. Aufgrund der Em-
pörung und der Kritik in Teilen der Zielgruppe wurden verständlicherweise nicht die besten
Abstrahleffekte auf die Marke erzielt. Solche Fehltritte lassen sich jedoch nicht einfach wieder
rückgängig machen. Der Spot verbreitet sich trotzdem weiter, auch wenn das längst nicht mehr
im Sinne des Urhebers ist. Mittels der Statistik von YouTube lässt sich gut verfolgen, dass der
am 05.07.2007 eingestellte Spot über die Zeit hinweg ein nahezu konstantes Wachstum an Ab-
rufzahlen aufzuweisen hat. Im August 2009 lässt sich sogar noch ein Anstieg der Abrufe auf
insgesamt 446.592 beobachten.371
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der anfängliche Hype, der mit viralem Marke-
ting die letzen Jahre verbunden war, zunehmend einer nüchternen Einschätzung dieses Ansatzes
weicht. Man kann zwar von einzelnen Erfolgsbeispielen berichten, der Durchbruch zum groß-
flächigen Erfolg ist diesem Ansatz jedoch noch nicht gelungen. Es stellt sich auch die Frage,
ob dies aufgrund der Wesensmerkmale des Viralmarketings jemals möglich sein wird. Insbe-
sondere, weil Viralmarketing stark von der herausragenden, Aufsehen erregenden Besonderheit
der zu verbreitenden Inhalte abhängt, deren Schöpfung in der Regel ein hohes Maß an Kreati-
vität erfordert. Die Anwendung der Herangehensweise für eine Vielzahl von Marken ergibt im
Grunde wenig Sinn, da der durchgehende Einsatz von kreativen Feuerwerken in einem Massen-
einsatz nicht zu realisieren ist. Und sollte er verwirklicht werden, verschwindet die Differen-
zierungseignung einzelner Beiträge, wenn sich die Ideen der Konkurrenten auf einem ähnlich
hohen Qualitätsniveau befinden. Dann wären keine Anreize mehr für eine Weiterempfehlung
gegeben, weil das Besondere fehlt.
Darüber hinaus funktioniert Viralmarketing nur, wenn es gelingt, Menschen zu instrumentali-
sieren und im Kampagnenzeitraum dazu zu bewegen, als Botschafter und Multiplikatoren tätig
zu werden. Dies ist jedoch nur zum Teil von Erfolg gekrönt. Bei einer Häufung dieser Heran-
gehensweise ist zu erwarten, dass die Mechanismen, die zumindest in Ansätzen auf Elementen
der Push-Kommunikation basieren, durchschaut werden und Widerstände und Verweigerungs-
369
Vgl. Langner (Viral Marketing, 2005), S. 36ff.
"°Vgl. Oetting (Web 2.0 wirkt - offline!, 2007)
371
Vgl. http://www.YouTube.com/watch?v=5dzi_8Rscfs, Seitenaufruf am 28.09.2009
146 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

haltungen zunehmen. Die Zielstellung des Viralmarketings, in temporären Aktionen eine be-
stimmte Zahl von Kontakten mit Kampagneinhalten zu erzielen, die im Grunde Werbemittel
darstellen, entspricht der Denkrichtung klassischer Werbekampagnen. Insbesondere der artiku-
lierte Anspruch auf die Streuung der Inhalte steuernd einwirken zu müssen, setzt eine Steu-
erbarkeit der Verhaltensweisen anderer voraus, die, wie die empirischen Ergebnisse zur Wir-
kungsweise des Viralmarketings belegen, häufig nicht gelingt. Viralmarketing ist aufgrund des
Kampagnencharakters, der im Vordergrund steht, kein idealtypisches Instrument des Social Me-
dia Marketings, auch wenn es sich zur Verbreitung von Inhalten einzelner Social-Media-Kanäle
bedient. Im Rahmen des Social Media Marketings kommt der ansteckenden Beziehungspflege,
im Rahmen derer, wie beim Viralmarketing, Mundpropaganda zum Tragen kommt, eine wich-
tigere Bedeutung zu. Um dies zu erläutern, soll die bereits im Grundlagenteil vorgenommene
Abgrenzung zwischen Viralmarketing und digitaler Mundpropaganda im folgenden Abschnitt
vertieft werden.

7.2 Ansteckende Beziehungspflege


Digitale Mundpropaganda basiert, wie Viralmarketing, auf dem Weitertragen von Informatio-
nen von Mensch zu Mensch unter der Nutzung von sozialen Beziehungen.372 Im Unterschied
zum Viralmarketing, bei welchem die Verbreitung der Inhalte im Rahmen einer temporären
Kampagne erfolgt und die Streuung der Inhalte über Multiplikatoren von der werbenden Orga-
nisation gezielt angestoßen und gefördert wird, geht die Primärinitiative der Verbreitung einer
bestimmten Botschaft im Rahmen der digitalen Mundpropaganda von einzelnen (neutralen)
Teilnehmern aus. Diese stehen natürlich häufig schon in einer emotionalen Beziehung zum Un-
ternehmen mit dessen Produkten und Marken, auf das sich die digitale Mensch-zu-Mensch-
Kommunikation bezieht. Unternehmen versuchen diese Informationsverbreitung zu fördern
und einen günstigen Nährboden hierfür zu schaffen. Die einzelnen Akteure handeln jedoch
mehr aus Eigeninitiative heraus und werden, um es bildlich auszudrücken, nicht mit der Nase
darauf gestoßen, Inhalte zu verbreiten, wie das beim Viralmarketing der Fall ist.
Der Grad des Involvements und des Engagements ist bei digitaler Mundpropaganda höher,
da die Akteure zum Teil selber Inhalte recherchieren oder persönliche Erfahrungen aufarbeiten.
Sie flechten in ihren Äußerungen oftmals eigene Erlebnisse, Vorschläge und Ideen ein. Aufge-
griffene Informationen von anderen werden dabei in ihrer inhaltlichen und formalen Ausprä-
gung häufig variiert. Sie werden gekürzt, umgeschrieben, vertieft oder mit weiteren Mehrwer-
ten wie zum Beispiel Links, Grafiken, Fotos, Videos etc. versehen und dadurch angereichert.
Bei der reinen Weiterleitung eines lustigen Links im Rahmen einer Viralmarketing-Kampagne
stellt sich im Vergleich hierzu der persönliche Aufwand in einem sehr viel geringeren Maße
dar. Für das Funktionieren der Weiterverbreitung wird kein großes Involvement vorausgesetzt,
da beispielsweise nur neue Empfänger aus der eigenen E-Mail-Adressenliste gesucht werden
müssen und die Botschaft 1:1 mit dem bestehenden Inhalt versendet werden kann. Das Invol-
vement muss auch nicht hoch sein, wenn die Informationsinhalte ein hohes Attraktivitätsniveau
aufweisen. Diese versprechen eine zeitnahe soziale Belohnung durch die adressierten Informa-
tionsempfänger.

372
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 59ff.
7.2 Ansteckende Beziehungspflege 147

Für den schnellen Aufbau von Reichweite genügt eine attraktive Verpackung der eigentlichen
Botschaft, zum Beispiel in Form eines spektakulären Spots oder kostenlos nutzbarer, mit Mar-
ken in Zusammenhang stehender Games und Applikationen. Die Inhalte des Viralmarketings
kann man sich somit sinnbildhaft als trojanische Pferde vorstellen, die durch die Freude der
Nutzer angetrieben, schnell durchs Netz von einem zum anderen galoppieren. Der eigentliche
Inhalt dieser weitergereichten „Geschenke" entfaltet sich mehr oder weniger unterschwellig,
beispielsweise durch die Wahrnehmung der jeweils dahinterstehenden Marken und eventuell
damit in Verbindung stehenden Botschaften. Dieser Ansatz der kommunikativen Beeinflussung
entspricht in hohem Maße den Wirkungsprinzipien der Werbung, die auf ein niedriges Invol-
vement der Betrachter ausgerichtet ist. Von daher weist das Viralmarketing, mit Ausnahme der
Mechanismen der sozialen Verbreitung, mehr Überschneidungen mit der Werbung auf, als mit
der Herangehensweise des Social Media Marketings.
Social Media Marketing bedient sich auch der Online-Mundpropaganda, die hier jedoch zur
Abgrenzung vom Viralmarketing als digitale Mundpropaganda und, noch kennzeichnender, als
ansteckende Beziehungspflege beschrieben wird. Die Unterschiede beider Ansätze werden in
Tabelle 3 zusammengefasst.
Während Viralmarketing eine besondere Form der Onlinewerbung darstellt, die in einer mög-
lichst kurzen Zeit durch die Einbeziehung der Nutzer ihre Ziele erreichen soll, kann die digitale
Mundpropaganda bzw. die ansteckende Beziehungspflege ihre Wirkungen im Wesentlichen nur
längerfristig erreichen. Es gilt Anhänger und insbesondere aktive Unterstützer einer Marke zu
gewinnen, die bestenfalls ohnehin schon positive Mundpropaganda betreiben oder die ein be-
sonderes Sendungsbewusstsein erwarten lassen. Unternehmens- und markenaffine Anhänger
sollten möglichst emotional gebunden sowie mit Informationen und neuen Inhalten versorgt
werden, so dass sie etwas zu erzählen und zu verbreiten haben. Das setzt voraus, dass man
Kunden und Fans zuhört und sich mit ihnen austauscht. Eine weitere Ebene der Intensivierung
der Beziehungen kann häufig erreicht werden, wenn man potenzielle Unterstützer in bestimm-
te Prozesse, beispielsweise die Produktentwicklung und Marketingkommunikation, miteinbe-
zieht, sie mitreden und mitentscheiden lässt. Das kann nicht nur die nutzergenerierte Kommu-
nikation beeinflussen, sondern man kann aus der Partizipation der Kunden auch interessante
Ideen für die Produktentwicklung oder weitere unternehmensbezogene Prozesse gewinnen.
Das Angebot zum Austausch und Dialog im Rahmen der ansteckenden Beziehungspflege
sollte auf Gleichberechtigung setzen sowie Kunden und Anhänger als gleichwertig interagie-
rende Partner auf Augenhöhe ansehen. Man sollte ihnen zu verstehen geben, dass sie wichtig
sind, dass das Geschick des Unternehmens auch von ihnen abhängt. Beispielsweise bietet es
sich bei besonders wichtigen Kunden an, diesen eine besondere Funktion oder Stellung ein-
zuräumen, sie vielleicht als Berater fungieren zu lassen. Als Peter Jackson begann, Herr der
Ringe zu drehen, wurden die wichtigsten Vertreter der riesigen Herr-der-Ringe-Fangemeinde
nach Neuseeland eingeladen, um sich Drehort und Kulissen für den Film ansehen zu können.
Sie kehrten nachhause zurück und verbreiteten ihre Begeisterung, indem sie sagten: „Wir dürfen
zwar nicht darüber reden, aber es war großartig."373 Es gilt, bestimmte Personen auszuwählen,
die Beziehung zu ihnen zu pflegen und sie zu Insidern zu machen, damit sie etwas zu erzählen
haben.

Eine Reihe von Studien belegen, dass Mitwirkung, persönliche Beziehung und Anteilnahme

373
Albrecht (Viral Marketing, 2007)
148 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Tabelle 3: Unterschiede in der Ausrichtung von Viralmarketing und digitaler Mundpropaganda

Merkmale Viralmarketing Digitale Mundpropaganda


Primärinitiative der
werbende Organisation neutrale Teilnehmer
Verbreitung
Kommunikationspolitischer
Fokus der besondere Form einer
Public-Relations-Charakter
unternehmerischen Online-Werbekampagne
Nutzung
Zeitlicher Rahmen temporäre Aktion langfristige Ausrichtung
indirekte Förderung der
Versuch einer kurzfristigen
Steuerung der Verbreitung durch den
Streuung von Inhalten über
Informations-Verbreitung Aufbau und die Pflege von
Multiplikatoren
Beziehungen
die Botschaft an sich steht
das Objekt als solches bzw.
im Vordergrund, Inhalte
die attraktive Verpackung
werden häufig persönlich
Austauschobjekt der eigentlichen Botschaft
interpretiert, bewertet,
steht im Vordergrund
verändert, gekürzt oder
(Trojanisches Pferd)
angereichert
höher, durch teilweise
gering, häufig nur
Aufwand für den eigenes Formulieren,
Weiterleiten von Inhalten
Empfehler Bewerten, Variieren von
oder Links
Inhalten
Zeitraum einer möglichen
Aussicht auf zeitnahe zeitnahe soziale Belohnung
Belohnung für die
soziale Belohnung ist nicht sicher
Empfehlung

der Kunden - also eine insgesamt intensive Beziehung und Bindung - für positive Mundpro-
paganda sorgen.374 Social Media bietet eine hervorragende Basis, um Kunden und Fans eine
aktive Partizipation zu ermöglichen. Ein richtig eingesetzter Blog ist letztlich nichts anderes als
ein Fenster mit Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens. Und zwar nicht allein ein Fens-
ter, durch das man schauen kann, sondern durch das man vor allem auch mit den Menschen im
Unternehmen reden kann. Wer einen Blog liest, Kommentare hinterlässt, Antworten auf seine
Fragen erhält, der baut eine persönliche Beziehung auf, ist involvierter, nimmt mehr Anteil am
Unternehmen und macht mehr positive Mundpropaganda. Und zwar nicht allein im Netz, son-
dern auch und vor allem offline, in der „realen Welt". Die Beziehung wird zwar über das Netz
aufgebaut, die Kommunikation die weitergetragen wird, geht jedoch darüber hinaus.
Gerade die Kommunikation in der Offlinewelt darf keineswegs unterschätzt werden. Denn
trotz der zunehmenden Relevanz des Internets regiert noch immer das direkte Gespräch. Ei-
ne Studie besagt, dass alleine in den USA täglich 3,5 Milliarden Gespräche geführt werden,

374
Vgl. Oetting (Wie Virales Marketing funktioniert, 2007)
7.2 Ansteckende Beziehungspflege 149

in denen Produkte vorkommen. Häufig werden dabei konkrete Erfahrungen mit Filialen, Call
Centern, den Themen und Kampagnen kommuniziert.375 Dabei wird in fast der Hälfte aller Ge-
spräche eine Markenpräferenz genannt - Kunden haben ein konkretes Bild über Marken und
geben dieses auch weiter. Das unterstreicht einmal mehr, dass nicht das Unternehmen, sondern
der Kunde die Markenbotschaft kontrolliert. Schließlich ist er es, der Botschaften empfängt
und weiterträgt - allerdings in seinen Worten, mit seinen Themen und letztlich auch mit seiner
eigenen Wertung. Um trotzdem einen möglichst großen Einfluss auf diese Gespräche nehmen
zu können, sollten Unternehmen über alle möglichen Kanäle und Medien kommunizieren.
Unternehmen, die mit modernen Formen des Onlinedialogs arbeiten, erreichen möglicher-
weise noch nicht allzu viele Menschen direkt. Dafür tätigt man jedoch eine wichtige Investition
in die Zukunft. Denn diese Dialoge, dieser Austausch, diese Beziehungspflege helfen mit, eine
stetig wachsende Gruppe von loyalen Fans zu gewinnen. Diese haben dadurch, dass sie im di-
rekten Austausch mit den Mitarbeitern stehen, über Insider-Informationen verfügen und mehr
wissen als andere, einen intensiveren Bezug zum Unternehmen. Dies zahlt sich in Form von
Loyalität sowie von Empfehlungen bzw. digitaler Mundpropaganda aus.
Der Aufbau von tragfähigen Beziehungen erfordert Zeit und ist mit dem Denkschema von
kurzfristigen Kampagnen nicht vereinbar. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass eine indi-
viduelle Beziehungspflege überhaupt Früchte tragen kann, ist die positive Wahrnehmung des
Unternehmens und seiner Marken in der Öffentlichkeit. Um auf diese hinzuwirken, ist eine
laufende Beziehungspflege mit der Öffentlichkeit bzw. der Einsatz von Public Relations (PR)
erforderlich. Nach dem Motto „tue Gutes und rede darüber" hat die PR dafür zu sorgen, dass
sich das Unternehmen in der Öffentlichkeit positiv darstellt und in der Folge auch entsprechend
wahrgenommen wird. Im Unterschied zur Werbung, die stärker auf die gezielte Beeinflussung
von Marktpartnern ausgerichtet ist, die sie mit der Schaltung von Werbemitteln erreichen will,
die in der Regel zu vergüten sind, hat die PR stärker die Allgemeinheit im Fokus, die sie über
die (unentgeltliche) Versorgung mit Informationen - bislang hauptsächlich via Presse - für sich
einnehmen will. Der Unterschied zwischen Werbung und PR kann anschaulich durch folgende
Anekdote gezeigt werden, die ein ehemaliger Pressesprecher von Mercedes-Benz augenzwin-
kernd von sich gegeben haben soll:
„Ein junger Mann interessiert sich für ein junges Mädchen, er baut sich vor seiner Angebe-
teten auf und hält ihr einen Vortrag über seine Vorzüge: 'Schau her, ich sehe gut aus, habe eine
Yacht am Starnberger See, einen Mercedes SLK und einen tollen Job [...]' Das ist klassische
Werbung.
Die andere Möglichkeit:
Der junge Mann schaltet die Freundin der Angebeteten ein. Die lenkt das nächste Gespräch
ganz zufällig auf den Verehrer: 'Du, der Sowieso ist übrigens ein netter Typ. Der sieht nicht
nur gut aus, sondern hat auch einen tollen Job, eine Yacht am Starnberger See und einen Mer-
cedes SLK [... ] hast Du eigentlich gemerkt, dass der auf Dich steht?' Das ist klassische PR-
Arbeit."376
Dieses Beispiel veranschaulicht die Wirkungsweise von Empfehlungen Dritter als zentrales
Arbeitsprinzip der PR. Als indirekt Empfehlende wurden bislang hauptsächlich Pressevertreter
mit gezielten Informationen versorgt. Durch die beschriebene sinkende Reichweite der Presse

375
Vgl. Keller (World-of-mouth, 2006)
376
Marketing tip (Unterschied zwischen Werbung und PR, 2004)
150 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

und das Aufkommen neuer Multiplikatoren durch die wachsende Akzeptanz von Social Me-
dia verliert das Erfolgsprinzip der PR nichts an seiner Gültigkeit. Es muss lediglich an neue
Gegebenheiten angepasst werden. Die bisher im Vordergrund stehende Beziehungspflege mit
Pressevertretern muss durch den Aufbau und die Pflege von Beziehungen mit den neuen Multi-
plikatoren und Aktivisten der digitalen Mundpropaganda ergänzt werden. Das langfristig aus-
gerichtete, gezielte Hinwirken auf die Schaffung eines entsprechenden Nährbodens, der positive
digitale Mundpropaganda erst möglich macht, ist also relativ nah am bisherigen Arbeitsprinzip
der PR. Es muss lediglich eine Umorientierung unter Beachtung neuer Zielgruppen erfolgen.

7.3 Ziel- und Strategieplanung


Mit den vorstehenden Ausführungen zu Grenzen des Viralmarketings und der Notwendigkeit
positive Mundpropaganda in einem auf längere Sicht angelegten Prozess des Beziehungsauf-
baus zu nutzen, wurde für die proaktive Social-Media-Kommunikation schon ein gewisser stra-
tegischer Handlungsrahmen umrissen, der eigentlich erst nach der Auseinandersetzung mit den
Zielen des Social Media Marketings zu thematisieren gewesen wäre. Der Grund, warum dies
vor der Zieldiskussion erfolgt, liegt darin, dass mit diesen Ausführungen der Blick dafür ge-
schärft werden soll, was für die Social-Media-Kommunikation überhaupt möglich bzw. sinn-
voll ist, um auf dieser Basis über realisierbare Ziele zu sprechen. Wenn Social Media Marketing
so verstanden wird, dass damit über gezielte Kampagnen kurzfristige Erfolge verbucht werden
sollen, dann ist dieser Marketingansatz von vornherein zum Scheitern verurteilt. Charlene Li,
Peter Kim und Jeremiah Owyan, maßgebliche Vordenker des Social Media Marketings, äußer-
ten sich auf die Frage, was zu tun sei, damit Social-Media-Kampagnen funktionieren, dahinge-
hend, dass es falsch und irreführend sei, diese Erwartungshaltung mit Social Media Marketing
zu verbinden. Li bringt es klar zum Ausdruck: "[... ] that attitude is the biggest problem, be-
cause social media is not a campaign."377Social-Media-Kommunikation erfordert die Abkehr
von der gewohnten Einwegkommunikation hin zur Interaktion, Dialogführung, dem Aufbau
und der Pflege von tragfähigen Beziehungen. Das heißt, entschieden Abstand vom herkömm-
lichen, auf kurzfristige Erfolge abzielenden Kampagnendenken der klassischen Werbung zu
nehmen. Auch Scott Monty, Chef des Social Media Teams von Ford äußerte sich auf die Frage,
ob Ford Werbung in sozialen Netzwerken in Betracht ziehe: "We're not interested in advertising
on social networks; we're interested in getting in there and interacting with people."378
Social-Media-Kommunikation ist klar von Maßnahmen der Onlinewerbung zu trennen. Li
formuliert es, bezogen auf soziale Netzwerke recht deutlich: "[...] advertising on social net-
work is a bad idea and it doesn't work."379 Auch wenn sich heute Belege für die Wirkung
von bezahlter Anzeigenwerbung in sozialen Netzwerken oder auch anderen Formen von Social
Media finden lassen, Onlinewerbung auf Social-Media-Kanälen ist kein Instrument des Social
Media Marketings. Von daher werden hier inhaltliche Aspekte bezahlter Onlinewerbung nicht
thematisiert, was Auswirkungen auf die im Vordergrund stehende Zieldiskussion der Social-
Media-Kommunikation hat.
Der bislang abgesteckte Handlungsrahmen für die Social-Media-Kommunikation soll durch
377
Kim (Why Social Media Fails at Web 2.0 Expo, 2009)
378
Monty (The Business of Social Media, 2009)
379
Monty (The Business of Social Media, 2009)
7.3 Ziel- und Strategieplanung 151

das Adjektiv „proaktiv" zusätzlich präzisiert werden. Als ein Element der Social-Media-Kom-
munikation wurden im vorigen Kapitel Aspekte der reaktiven Kommunikation angesprochen,
die wichtig werden, will man auf Äußerungen von Nutzern adäquat reagieren. Das Adjektiv
„proaktiv" aus dem Lateinischen übersetzt mit „voraushandeln", soll auf die Kommunikation
bezogen zum Ausdruck bringen, dass diese einer frühzeitigen Planung bedarf. Es ist eine anti-
zipative Einschätzung erforderlich, welche Wirkungen die jeweiligen Kommunikationsinhalte
auf die Zielpersonen haben werden, welche Inhalte angebracht sind und welche nicht. Diese
weitsichtige und in der Regel einen langen Atem erfordernde Ausrichtung soll explizit von der
„aktiven" Kommunikation abgegrenzt werden, um sich bewusst von jeder Form des (blinden)
Aktionismus und der kurzfristigen Kampagnenorientierung zu distanzieren. Folgende inhaltli-
che Ziele können mit der proaktiven Social-Media-Kommunikation verbunden sein:

• Erzielung einer hohen Markenpräsenz, Markenbekanntheit und häufigen Thematisierung


der Marke in der öffentlichen Diskussion

• Vermittlung von produkt- und unternehmensbezogenem Wissen, zum Beispiel im Hin-


blick auf Produktneuheiten, Werte des Unternehmens, gesellschaftliches und sonstiges
Engagement

• Vermittlung der eigenen Produkt-, Dienstleistungs- und/oder Fachkompetenz

• Erzielung einer positiven digitalen Reputation und eines intendierten Markenimages,


Schaffung von Verständnis, Vertrauen, Verankerung von Emotionen, wie zum Beispiel
Sympathie, Menschlichkeit, Verlässlichkeit

• Gewinnung von Führsprechern und Unterstützern des Unternehmens, beispielsweise für


ein Engagement im Rahmen von Fan-Communities, digitale Mundpropaganda oder ein-
zelne Crowdsourcing-Aktivitäten

Diese Ziele sollen nicht zuletzt dazu beitragen, die Erreichung folgender Oberziele zu fördern:

• ins relevant Set potenzieller Käufer zu kommen und Präferenzen für die eigenen Produkte
und Marken entstehen zu lassen,

• neue Kunden zu gewinnen,

• Kunden an das Unternehmen zu binden,

• um letztendlich Umsatz zu erzielen und zum ökonomischen Erfolg des Unternehmens


beizutragen.

Man muss sich jedoch klar vor Augen halten, dass es schwer möglich ist, einen unmittelbaren
Beitrag der proaktiven Kommunikation für die Erreichung zentraler ökonomischer Oberziele
des Unternehmens zu erwarten. Eine stark verkaufsorientierte Sichtweise kann sich vielmehr
kontraproduktiv auswirken und die Wirkung der Social-Media-Kommunikation gefährden. Die-
ser Aspekt soll mittels eines Beispiels des gesellschaftlichen Lebens verdeutlicht werden.
Erfolg versprechendes Kommunikationsverhalten im Kontext von Social Media wird im
übertragenen Sinn häufig mit dem Verhalten auf einer Cocktail Party gleichgesetzt. Wenn man
152 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

beispielsweise Gast einer Party ist und gerade angekommen den Raum betritt, sucht man üb-
licherweise zuerst nach bekannten Gesichtern, um sich zu ihnen gesellen zu können. Ange-
nommen, die eigenen Freunde, Kunden oder sonstigen Bekannten sind (noch) nicht anwesend,
wird man üblicherweise unaufdringlich umhergehen und versuchen Teile von Gesprächsinhal-
ten wahrzunehmen. Findet man ein interessantes Themengebiet, wartet man eine günstige Ge-
legenheit ab, in das Gespräch einzusteigen. Bringt man etwas Zeit und kommunikatives Ein-
fühlungsvermögen sowie eigene Kompetenz im vorherrschenden Themengebiet mit, kann sich
ein spannendes Gespräch entwickeln, das dazu beitragen kann, andere kennenzulernen und un-
ter Umständen für sich einzunehmen. Sollte letzteres das Ziel sein, wird es mit aufdringlichen
Monologen und prahlendem Verhalten, das nur die eigenen Superlative betont, kaum gelingen.
Noch weniger wird es zum Erfolg führen, wenn man versucht, die Gunst der Stunde für ein
Verkaufsgespräch zu nutzen. Kaum etwas nervt auf einer Party so sehr, wie Personen, die dort
ein durchsichtiges Verkäufergebaren an den Tag legen. Solche aufdringlichen Gesprächspartner
stehen oft sehr schnell alleine da.
Diese weithin akzeptierte Verhaltensetikette lässt sich auf die Erzielung einer erfolgreichen
Social-Media-Kommunikation übertragen. Diese erfordert ein aufmerksames Zuhören, bspw.
mittels eines Social Media Monitorings, und das gezielte Eingehen auf den oder die Gesprächs-
partner im Rahmen der dialogorientierten Kommunikation. Die Vermittlung von eigenen Stär-
ken und der Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen lassen sich mit offensivem, markt-
schreierischem Verkaufsverhalten kaum in Einklang bringen. Die Einforderung von Beiträgen
des Social Media Marketings für die Erzielung von Umsätzen und ökonomischen Erfolgen ist
nur über den Umweg der Schaffung von Vertrauen, Good Will und weitere der genannten Ziele
der Kommunikation zu realisieren.
Welche Zielgruppen es mit Blick auf die Erreichung dieser Ziele anzuvisieren gilt, hängt
vom jeweiligen Geschäftsinhalt ab, für den sich in der Regel bereits genaue Zielgruppendefi-
nitionen aus Marketingplänen entnehmen lassen. Diese spezifizieren bestimmte Personengrup-
pen, die aus potenziellen Kunden, Marktpartnern, Pressevertretern, öffentlichen Entscheidungs-
trägern und weiteren Merkmalsträgern zusammengefasst werden. Nicht zu vergessen sind die
eigenen Mitarbeiter, die eine wichtige Zielgruppe für das Social-Media-Engagement darstellen
können. Vertreter dieser Zielgruppen sind nicht immer webaffin und nutzen das Medium Inter-
net unter Umständen gar nicht. Sollte der Großteil der Zielgruppen (noch) kein oder nur ein ge-
ringes Onlineengagement an den Tag legen, bedarf es auch vonseiten des Unternehmens, wenn
überhaupt, nur eines sehr maßvollen Einsatzes der proaktiven Social-Media-Kommunikation.
Es kann in diesem Fall sinnvoll sein, Instrumente, wie zum Beispiel einen Corporate Blog, für
die PR zu nutzen, um über die nicht zu erreichende eigene Zielgruppe hinaus, über ein Sprach-
rohr mit Rückkanal zur Kommunikation mit der allgemeinen Öffentlichkeit zu verfügen. Man
kann damit Erfahrungen im Umgang mit einzelnen Social-Media-Instrumenten sammeln, die
spätestens dann Früchte tragen, wenn ein größerer Teil der Zielgruppe, gemäß dem Trend der
zunehmenden Internetnutzung in Social-Media-Kanälen aktiv ist.
Die Social-Media-Kommunikation eignet sich in besonderem Maße zum Ansprechen von
Zielgruppen, deren Vertreter bereits heute in Social-Media-Kanälen aktiv sind, sowie von we-
baffinen Personen, die eventuell nicht zu den eigentlichen Zielgruppen gehören, deren Engage-
ment als Fan, Führsprecher, Meinungsführer, Multiplikator oder Beitragswilliger sich jedoch
für das Unternehmen nutzen lässt. Dabei können auch internetaktive Vertreter der Zielgrup-
pe anvisiert werden, die sich bestimmter Social-Media-Kanäle bislang noch nicht in einem
7.3 Ziel- und Strategieplanung 153

nennenswerten Umfang bedienen. Auch diese Personen können durch die gute Suchmaschi-
nenpräsenz, beispielsweise von Blogeinträgen, Nutzerkommentaren, Bild- und Videobeiträgen,
zum Teil mit Inhalten konfrontiert werden, die in Social-Media-Kanälen lanciert werden. Diese
Erreichbarkeit hängt davon ab, ob die einzelnen Social-Media-Plattformen einen Zugang von
Suchmaschinenspidern erlauben oder ob sie, in sich geschlossen, Informationen nur den jewei-
ligen Plattformmitgliedern zur Verfügung stellen.
Bei sozialen Netzwerkplattformen ist häufig zu beobachten, dass der Zugriff auf erstellte
Inhalte nur angemeldeten Nutzern und unter diesen auch nur im begrenzten Maße ausgewiese-
nen Freunden oder bestätigten Kontaktpartnern ermöglicht wird. In diesen Fällen erzielen die
kommunizierten Inhalte außerhalb der jeweiligen Plattform keine Reichweite. Auch bestimmte
Foren und weitere Formen von Communities im Rahmen von Social Media sind zum Teil in
sich geschlossen.
Für die Formulierung einer Strategie zur Sicherstellung der Erreichung der Social-Media-
Kommunikationziele, können aus den vorstehenden Äußerungen folgende zentralen Leitlinien
abgelesen werden:

• Ein Unternehmen sollte in solchen Social-Media-Kanälen kommunizieren, die auch von


eigenen Zielgruppen verhältnismäßig stark genutzt werden. Will man über die eigentli-
chen Zielgruppen hinaus weitere Kreise der digitalen Öffentlichkeit erreichen, kann ein
Engagement auf zusätzlichen populären Plattformen sinnvoll sein. Die häufig zu beob-
achtende breitflächige Präsenz von Zielgruppen in verschiedenen sozialen Netzwerken
und weiteren Social-Media-Plattformen lässt ermessen, dass es zur Erzielung einer ge-
nügenden Reichweite des Aufbaus verschiedener Kontaktpunkte bedarf.

• Die Kommunikation sollte klar auf die Informationsbedürfnisse der Zielgruppe ausge-
richtet sein. Das setzt voraus, proaktiv zu agieren und die Bedürfnislage im Vorfeld genau
zu ergründen.

• Im Zentrum der Kommunikation sollten Inhalte stehen, welche den Informationsemp-


fängern einen Nutzen bieten. Dieser kann sich auf verschiedenste Aspekte beziehen und
zum Beispiel von Hilfen bei Kaufentscheidungen, Inhalten, die zur Unterhaltung beitra-
gen, bis hin zu Unternehmensinterna reichen, die besonders Interessierten einen tieferen
Einblick in die Organisation und die Ansichten ihrer Vertreter gewähren. Die Ausrich-
tung auf den Nutzen der Informationsempfanger gebietet, keine Inhalte zu verbreiten, die
einen aufdringlichen und vordergründigen Werbe- und Verkaufscharakter aufweisen.

• Der Nutzen sollte für die Informationsempfanger im Idealfall so hoch sein, dass daraus
Weiterempfehlungen resultieren.

• Die kommunizierten Inhalte sollten neben der Berücksichtigung des Empfängernutzens


immer auch zur Förderung der eigenen Kommunikationsziele beitragen. In diesem Zu-
sammenhang sollen beispielsweise die eigene Kompetenz und eigene Stärken zum Aus-
druck gebracht werden, wobei positive Aspekte in Ergänzung von nutzenorientierten
Inhalten tendenziell eher unauffällig „untergeschoben" und nicht lautstark und markt-
schreierisch verkündet werden sollten.
154 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

• Die vermittelten Informationen sollten immer Anknüpfungspunkte für Feedback beinhal-


ten, um den Einstieg in einen weiterführenden Dialog und ein Beziehungsmanagement
zu ermöglichen.

• Die kommunizierten Inhalte sollten ferner Identifikationsanker aufweisen, um durch die


Vermittlung der eigenen Mission, Philosophie und gelebten Werte Kommunikationspart-
ner und potenzielle Anhänger an sich zu binden und den Aufbau von Communities zu
fördern. Das setzt voraus, dass man auf den Kundennutzen ausgerichtet und bestrebt
ist, gute Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Ferner kann die Identifikation mit
einem Unternehmen auch durch das Praktizieren von verantwortungsvollem, ethischem
Verhalten, das in Einklang mit der Corporate Identity steht und eine offene und ehrliche
Kommunikation mit den Bezugsgruppen beinhaltet, gefördert werden.

• Die Bindung von Zielgruppen durch nutzenorientierte Informationen, geteilte Werte und
Einstellungen erfordert ein langfristiges Engagement, das durch Beharrlichkeit und Kon-
stanz und nicht durch Aktionismus geprägt sein sollte, der auf schnelle Erfolge ausge-
richtet ist.

Zusammenfassend kann die Strategie der proaktiven Social-Media-Kommunikation als lang-


fristig ausgerichtete, ansteckende Beziehungspflege formuliert werden, die auf die Erwirkung
von Bindungskräften mit eigenen Zielgruppen durch ein unaufdringliches Einflechten eigener
Stärken in eine nutzenorientierte Informationsversorgung und einen offenen Austausch auf Au-
genhöhe abzielt.

7.4 Erstellung von Informationsinhalten


Das wichtigste Vehikel der proaktiven Kommunikation zur Beeinflussung und Bindung von
Rezipienten sind nutzenbringende Informationsinhalte. Egal ob Inhalte in schriftlicher Form,
als Bild, Hörbeitrag, Bewegtbildsequenz oder Applikation präsentiert werden, zentrale Richt-
schnur der inhaltlichen Gestaltung sollte der Wert des Beitrages für die Informationsempfänger
sein. Dieser wird wesentlich von den Wünschen der jeweiligen Rezipienten bestimmt, die sich
aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen, Konsum- und Lebensgewohnheiten stark unter-
scheiden können. Unabhängig von divergierenden Einzelerwartungen kann man bei der Gestal-
tung von Inhalten übergreifende Wertschätzungsmuster nutzen, die bei einer überwiegenden
Zahl von Menschen ihre Gültigkeit haben. Nach dem Knappheitsprinzip steigt der empfunde-
ne Wert eines Gutes mit dessen quantitativer Begrenzung. In unserer Informationsgesellschaft,
die durch einen Überfluss von Informationsangeboten gekennzeichnet ist, welcher durch Social
Media noch weiter anwächst, sind einzelne Angebote als solche alles andere als knapp und da-
mit per se immer weniger wertvoll. Es existieren andererseits jedoch digitale Informationsgüter,
die üblicherweise nur gegen Entgelt vertrieben und somit gezielt verknappt werden. Verinner-
licht ist, dass man, um beispielsweise in den Besitz von aufwendigen Studien, Artikeln in hoch-
wertigen Zeitschriften, White Paper, E-Books, nützlichen Applikationen und anspruchsvollen
Hör- und Videoproduktionen zu gelangen, meist einen finanziellen Aufwand tätigen muss. Kos-
tenlos nutzbare Angebote dieser Informationsgüter haben deshalb einen „natürlichen" Wert, der
sich auch meist in einer höheren Beachtung und digitalen Weiterempfehlung dieser Angebote
7.4 Erstellung von Informationsinhalten 155

widerspiegelt. Von daher empfiehlt es sich, einzelne Beiträge in einer Form zu veröffentlichen,
die dem verinnerlichten Wertäquivalent des Medientyps entspricht, wobei natürlich inhaltlichen
und qualitativen Ansprüchen der potenziellen Zielgruppen Rechnung getragen werden muss.
Es müssen nicht immer eigene generierte Beiträge sein, die angeboten werden, sondern die
Informationen können beispielsweise auch Zusammenstellungen von Links und Applikatio-
nen beinhalten, die für ein Fachgebiet, bei bestimmten Problemstellungen und Interessenslagen
besonders nützlich sind. Auch Zusammenfassungen und weitere Formen der Informationsag-
gregation können für bestimmte Rezipienten durchaus wertvoll sein.
Der vorab eingeschätzte Wert von Beiträgen lässt sich zum Teil schon dadurch erhöhen, dass
sie von einem Adressaten stammen, der durch umfangreiche Informationsangebote zu einem
bestimmten Themengebiet den Eindruck vermittelt, einen bestimmten Sachbereich zu überbli-
cken und diesbezüglich eine hohe fachliche Kompetenz zu besitzen. Die angezeigte Fülle der
ausgewiesenen Beiträge und Informationen kann dann wie ein Qualitätsindikator wirken, der
auf einzelne Beiträge ausstrahlt und diese per se aufwertet. Wenn der positive Eindruck durch
die hohe Quantität von Veröffentlichungen und Links einer Internetseite in den Beiträgen selber
keine qualitative Entsprechung findet, wird dieser Vertrauensvorschuss freilich schnell aufge-
braucht sein.
Letztlich zählt immer die Qualität von Inhalten und nicht die Quantität von Veröffentlichun-
gen. Dies gilt auch beispielsweise für Blogpostings, deren Ersteller sich häufig der Verpflich-
tung der Regelmäßigkeit ihrer Beitragserstellung unterwerfen. Diese kann hilfreich für die Dis-
ziplinierung des Schreibers und Impuls für die Schaffung neuer Inhalte sein. Die Einhaltung ei-
nes rigiden Veröffentlichungsturnus kann jedoch auch dazu verleiten, Content um seiner selbst
zu produzieren, was den Nutzen der Rezipienten rasch ins Hintertreffen geraten lässt. Obers-
te Maxime der Contenterstellung sollte der Empfängernutzen und das Erreichen der eigenen
Kommunikationsziele sein und nicht das Einhalten von selbstgesteckten quantitativen Output-
vorgaben.
Dass guter Content kein Selbstzweck und in den Dienst der eigenen Marketing- und Kom-
munikationsziele zu stellen ist, unterstreicht Gary Vaynerchuk, ein erfolgreicher Social-Media-
Vermarkter seines eigenen Onlineweinhandels und „Vielproduzierer" von Inhalten in diversen
Social-Media-Kanälen: "Content is king, but marketing is the queen (and we know who rules
the castle)."380 Es sollte also vor der Schöpfung von Inhalten immer im Hinterkopf behalten
werden, was man mit diesen bezwecken will und wie der jeweilige Beitrag eventuell auf die
Marketingziele einzahlen kann. Konkrete Ursache-Wirkungszusammenhänge sind zwar schwer
von vornherein abzuschätzen, dies sollte jedoch nicht als Ausrede dafür gelten, dass man ein
zielgerichtetes Vorgehen ganz aus den Augen verlieren darf.
Zu den konkreten Inhalten, die Zielgruppen ansprechen sollen, können aufgrund jeweils di-
vergierender Interessen und Wunschvorstellungen keine allgemeinen Aussagen getroffen wer-
den. Einzelne Beispiele zu erfolgreicher Gestaltung von Informationsinhalten werden bei der
Vorstellung einzelner Social-Media-Instrumente in diesem Kapitel erörtert. Unabhängig von
den jeweiligen Erfolg versprechenden Inhalten gilt, dass durch die Möglichkeit des unmittel-
baren Nutzerfeedbacks schneller sichtbar wird, was ankommt und was nicht. Man kann sich
durch die sozialen Rückkopplungen viel leichter an die wahren Interessenslagen der anvisier-
ten Zielgruppe herantasten, Erfahrungen sammeln und im Laufe der Zeit qualitativ wachsen,
380
Vaynerchuk, G., zitiert in Drapeau (Proactive Social Media, 2009)
156 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

als dies bei der Erstellung von Inhalten für klassische Medien der Fall ist.
Das aktive Kommunizieren und Publizieren wird, gemessen am Anteil der Personen, die
im Bereich Social Media Inhalte produzieren, häufig von mentalen Barrieren und Aussagen
von Kritikern beeinflusst. So hört man oft, es sei doch bereits alles gesagt (nur eben nicht von
uns) und bestimmte Themen würden von vielen ja schon zu Tode strapaziert. Was sollen dann
noch zusätzliche Veröffentlichungen vonseiten des kommunizierenden Unternehmens? Diesen
kritischen Fragen kann entgegengehalten werden, dass die Auseinandersetzung mit Inhalten
für eine Veröffentlichung schon als solche helfen kann, den Blick für Kundenerwartungen zu
schärfen. Ferner kann es ein Anlass sein, die eigene Unternehmens-, Markt- und Wettbewerbs-
situation kritisch zu reflektieren und eine gedankliche Verortung des eigenen Angebotes im
entsprechenden Umfeld vorzunehmen. Das allein kann hilfreich sein, sich eigene Stärken und
Know-how-Felder wieder klarer vor Augen zu führen. Das genauere Hinsehen fördert dann
auch das Erkennen von berichtenswerten Inhalten, die ein Differenzierungspotenzial im ver-
meintlich übergroßen Informationsangebot eröffnen. Das gilt insbesondere dann, wenn für die
proaktive Social-Media-Kommunikation nicht nur offizielle PR-Verantwortliche in die Pflicht
genommen werden, sondern der Gedanke prinzipiell an alle Mitarbeiter des Unternehmens her-
angetragen und die Kommunikation auf breite Füße gestellt wird.
Die Angst vor der Erstellung neuer Inhalte kann zum Teil dadurch gemindert werden, wenn
man sich vor Augen führt, dass Veröffentlichungen nicht immer Neues aus eigener Feder ent-
halten müssen. Auch die Art der Zusammenstellung von Informationsangeboten, die über das
Netz verstreut sind, kann, wenn sie maßgeschneidert auf spezifische Interessenslagen ausge-
richtet sind (wie zum Beispiel Linklisten, Downloadlisten, ToplO-Rankings) einen informativen
Mehrwert und damit einen berichtenswerten Anlass bieten, an den man vielleicht ursprünglich
nicht gedacht hat.
Ferner können weiterführende Brancheninformationen, fachliche Einschätzungen und Re-
geln, die man als geschäftliche Basis voraussetzt und die nicht als besonderes hervorhebenswert
eingestuft werden, unter Umständen für Rezipienten, die sich für ein Fachgebiet interessieren,
die in der Materie jedoch noch nicht so tief drinstecken, durchaus wertvoll sein.
Ein naheliegendes Vorgehen für den Einstieg in die Social-Media-Kommunikation kann
beinhalten, dass von den vertrauten Themenfeldern der PR ausgegangen und zum Beispiel über
neue Produkte, Produktfunktionalitäten, Dienstleistungen und besondere Unternehmensanlässe
berichtet wird. Man sollte hierbei stets darauf achten, die Besonderheiten und Möglichkeiten
der Social-Media-Kanäle konsequent zu nutzen und nicht bisherige PR-Ansätze 1:1 auf das So-
cial Web zu übertragen. Ansätze zur Transformation von klassischen Presseveröffentlichungen
auf Social Media werden im Abschnitt Social Media Release dieses Kapitels thematisiert. Für
die gestalterische Ausrichtung von Informationsinhalten auf spezifische Social-Media-Kanäle
werden in diesem Kapitel Beispiele im Zusammenhang mit einzelnen Instrumenten vorgestellt.
Ferner ist bei der Contentproduktion ein Augenmerk darauf zu richten, die Möglichkeiten der
bidirektionalen Kommunikation unter Einbeziehung des entsprechenden Rückkanals zu nutzen.
Inhalte sollten so gestaltet sein, dass sie Impulse zu einem Feedback geben, um einen Einstieg
in den Beziehungsaufbau zu ermöglichen.
Über die gängigen Themenfelder eigener Produkte, Dienstleistungen und Unternehmens-
nachrichten hinaus, wird bei der Gestaltung eigener Informationsbeiträge häufig nicht bedacht,
dass Kunden sich zum Teil auch für weiterführende Informationen einer Marke und das In-
nenleben der Organisation mit ihren Mitarbeitern interessieren. Klaus Eck unterstreicht dies
7.5 Streuung von Inhalten 157

anschaulich: „Schließlich will ich vielleicht als Käufer auch einmal mehr über die Marke erfah-
ren und fühle mich gut unterhalten, wenn diese entsprechend inszeniert wird. Selbst die Köpfe
hinter einer Marke können von Interesse sein, weil sie ein persönliches Vertrauensverhältnis
aufbauen helfen. Schließlich will ich als Kunde durchaus wissen, für welche Werte eine Mar-
ke steht. Dafür muss ich nicht unbedingt einen ganzen CSR-Bericht lesen. Oft genügt es mir
bereits, einen kleinen Eindruck von der Unternehmenskultur zu erhalten."381
Für Kunden und Interessenten einer Marke kann es in diesem Zusammenhang durchaus auf-
schlussreich sein, eine gewisse Vielfalt von persönlichen Profilen, Ansichten und fachbezo-
genen Einschätzungen aktiv kommunizierender Mitarbeiter zu erleben. Für Unternehmen, die
eigene Mitarbeiter dazu einladen, sich aktiv an der Social-Media-Kommunikation zu beteiligen,
bedeutet das eine Abkehr von der One-Voice-Policy. Die Vergrößerung der Zahl der unterneh-
mensinternen Botschafter kann dazu beitragen, ein breiteres Spektrum von Informationsinhal-
ten hervorzubringen, das wiederum geeignet ist, Interessenten zu beeindrucken, die man mit
Standardthemen oder der Wortwahl von „offiziellen" Unternehmensstatements nicht erreichen
würde. Man schafft durch die Erhöhung der Zahl von Kommunizierenden gewissermaßen einen
Long Tail des eigenen Informationsangebotes, der durch die inhaltliche Vielfalt breit gefächer-
te Nischeninteressen bedient und insgesamt wahrscheinlich zu mehr Rezipienten führt, als bei
einer Bündelung der Kommunikation auf wenige Spezialisten.
Will man Informationsinhalte, egal ob von wenigen oder vielen Unternehmensvertretern pro-
duziert, mittels Social Media in Umlauf bringen, bedarf es eines gezielten Vorgehens. Gute
Inhalte, einmal in einem bestimmten Social-Media-Kanal bereitgestellt, erleichtern zwar die
Weiterverbreitung durch digitale Mundpropaganda, man kann jedoch über die inhaltliche Ge-
staltung hinaus zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Reichweite der eigenen Botschaften
und die Social-Media-Präsenz zu erhöhen. Diese Botschaften und Informationsinhalte können
durchaus auf herkömmliche Webseiten und Offlineangebote (Printpublikationen, Messeauftrit-
te, Informationsveranstaltungen, Interviews etc.) verweisen. Wie Social-Media-Kanäle dazu
genutzt werden können, auf diese Angebote aufmerksam zu machen und Interesse bei Inter-
netnutzern zu wecken, wird im folgenden Kapitel erläutert.

7.5 Streuung von Inhalten


Hinsichtlich der Art und Weise der Verbreitung von Informationsinhalten mittels Social Media,
könnte eingangs die kritische Frage gestellt werden, ob dieser Ansatz nicht vor dem Hinter-
grund der großen Bedeutung der Informationssuche mithilfe von Suchmaschinen überhöht dar-
gestellt wird. Nach der noch vielseitig vertretenen Ansicht, dass ein Internetnutzer in der Regel
nur auf das stößt, was er sucht, würde Social Media im Vergleich zu Suchmaschinen höchs-
tens eine Nebenrolle in der Informationsverbreitung einnehmen, die bestenfalls einen Beitrag
zur Verbesserung des Suchmaschinenrankings zu leisten vermag. Dass dem nicht so ist, belegt
kein anderer als Eric Schmidt, CEO von Google. In einem Interview zu künftigen Herausfor-
derungen des Suchmaschinenbetreibers relativiert er den Stellenwert der traditionellen Suche
im Vergleich zur wachsenden Bedeutung von Social Media: "„It's because of this fundamental
shift towards user-generated information that people will listen more to other people than to

38
'Eck (Vertrauen aufbauen durch mehr Kommunikation, 2009)
158 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

traditional sources. Learning how to rank that 'is the great challenge of the age.'" 382 Durch die
Vernetzung von Menschen, die in ihrem digitalen sozialen Umfeld in einem laufenden infor-
mellen Lifestream stehen, ist eine Wende in der Informationsversorgung zu beobachten. Es gilt
nicht mehr nur „der Nutzer findet die Information[, die er sucht]", sondern durch die digitale
Mundpropaganda lässt sich in immer stärkerem Maße feststellen: „die Information findet den
Nutzer." Oder, wie es Mathew Ingram pointiert ausdrückt: "If the news is important, it will find
me." 383
Wie man diese neue Art der Kommunikation zur Verbreitung eigener Inhalte zielgerichtet
und systematisch nutzt, ist zentraler Inhalt der Social Media Optimization.

7.5.1 Social Media Optimization


Gebraucht man Social Media, um die Präsenz und Reichweite von Inhalten im Web zu erhö-
hen, kann man das unter Social Media Optimization zusammenfassen. Diese Inhalte können
einerseits Informationsangebote auf herkömmlichen Webseiten umfassen, die es zu „optimie-
ren" bzw. so zu gestalten gilt, dass sie mittels Social Media eine bessere Verbreitung finden,
andererseits jedoch auch für Social-Media-Kanäle eigens geschaffen werden. Mit deren Opti-
mierung versucht man den Auftritt als solchen mit noch größerer Wirkung zu versehen.
Social Media Optimization (SMO) unterscheidet sich vom Ansatz her von der Suchmaschi-
nen-Optimierung bzw. der Search Engine Optimization (SEO). Letztere zielt darauf ab, die
Anzahl der Zugriffe auf eine einzelne Webseite durch eine gute Suchmaschinen-Repräsentanz
zu erhöhen. Der Inhalt befindet sich hierbei an einem zentralen Ort und Suchmaschinen führen
potenzielle Interessenten zu diesem Inhalt hin. Social Media Optimization verfolgt demgegen-
über den Ansatz, dass Inhalte über verschiedene Social-Media-Kanäle breit gestreut werden,
um möglichst viele Nutzer, die spezielle Kanäle präferieren, damit zu konfrontieren. Die mul-
tiple Gestaltung und Mehrverwendung von Inhalten, angepasst auf den jeweiligen Kanal und
die plattformspezifischen Ausdrucksmöglichkeiten, nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein.
So kann eine speziell aufbereitete Produktinformation beispielsweise im Mikrobloggingdienst
Twitter, dem eigenen Corporate Blog, dem sozialen Bookmarkingdienst Mister Wong, über
XING, Facebook und andere soziale Netzwerke sowie Foren und Communities verbreitet wer-
den.
Social Media Optimization kann dazu beitragen, dass sich unternehmensbezogene Infor-
mationen in Suchmaschinen auf vorderen Plätzen wiederfinden, da bestimmte Social-Media-
Instrumente, wie zum Beispiel Blogeinträge in Suchmaschinen eine bevorzugte Beachtung fin-
den. Darüber hinaus können ausgehende Links von Social-Media-Kanälen und Beiträgen, die
auf eigene Webseiten verweisen, deren Ranking in Suchmaschinen verbessern. Somit kann So-
cial Media Optimization auch die Suchmaschinen-Optimierung positiv beeinflussen.
Für eine erfolgreiche Umsetzung der Social Media Optimization wurden schon 2006 von
Rohit Bhargava Regeln aufgestellt, die im Laufe der Zeit von verschiedenen Autoren immer
wieder aktualisiert, verbessert und ergänzt wurden.384 Folgende zentrale Regeln sollten beachtet
werden.
382
Schmidt, E., zitiert in Kolbrück (Wer braucht Google, wenn er Social Media hat?, 2009)
383
Ingram (If the news is important, it will find me, 2008)
384
Vgl. Bhargava (5 Rules of Social Media Optimization, 2006)
7.5 Streuung von Inhalten 159

facebook Startseite Profil freunde Postfach U«e Hetzer ErateÉjngcn Abmelden

Iin Profi posten

Ά Corporate Social H e d u : PR und Marktforschung -


ethontv weblog
Λ http:,•••l.ethor¿Y,áe/rKtíoQfXiMlf27...
PR:SoodMe<i**«dwnv*lenaiserwArtTe*isS(jfcnderPRund
Kamxi*abon verstanden. Oese Relation «t tmfwji nadizuvolííehen,
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Faeetxwk φ 201G Oeutadt Über uns Werbung Entsadder Kameren lirpressunA*jbMngtfiedngungen a Freunde finden Datanediutz Handy Hüe

Abbildung 35: Facebook-Funktion zum Reposten eines Ethority-Blogbeitrags nach der Aktivie-
rung des Facebook-Icons im Blog385

Verbessere deine Chancen, verlinkt zu werden. Von anderen als wertvolle Adresse
angesehen bzw. verlinkt zu werden ist die zentrale Erfolgsvoraussetzung für die Erzielung einer
Resonanz im Social Web. Der Dreh- und Angelpunkt sind hierbei gute Inhalte, die möglichst
häufig aktualisiert werden sollten, um in Suchmaschinenrankings gute Positionen einzunehmen.
Neben dem Inhalt als solchem ist auch darauf zu achten, dass die Aufmerksamkeit auf diesen
gelenkt wird, zum Beispiel anhand eingängiger Titelzeilen und markanter Formulierungen.

Vereinfache Bookmarking, Tagging und das Reposting von Beiträgen in Τwit-


ter und sozialen Netzwerken Eigener Inhalt sollte zum schnellen Speichern in möglichst
vielen sozialen Bookmarkingdiensten und auf weiteren Social-Media-Plattformen mit den je-
weiligen Buttons bzw. Bookmark Icons versehen werden. Über diese Icons sollten Rezipienten
den eigenen Beitrag in ihrem bevorzugten sozialen Bookmarkingdienst (zum Beispiel Deli-
cious, com, Mister Wong.de, Digg.com, google.com/bookmarks) als Lesezeichen ablegen kön-
nen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit dass die eigenen Inhalte Beachtung finden. Ferner soll-
ten relevante und den eigenen Inhalt gut beschreibende Schlüsselbegriffe bzw. Tags verwendet
werden, um sicherzustellen, dass der eigene Beitrag bei einer Suche im entsprechenden Book-
markingdienst auf vorderen Plätzen angezeigt wird. Es ist ferner hilfreich, wenn man eigene
Beiträge als Erster bei Bookmarkingdiensten speichert, um Beschreibungen und initiale Tags
selber vergeben zu können.
Wichtiger als die Verbindung zu Bookmarkingdiensten ist es heute, einen ReTweet-Button
anzubieten, welcher dem Leser per Knopfdruck einen vorformulierten ReTweet in Twitter er-
385
http://www.facebook.com/share.php?u=http://www.ethority.de/Seitenabruf 15.01.10
160 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

stellt, der eine Weiterverbreitung von Inhalten bei den eigenen Twitter Followern ermöglicht.
Twitter ist derzeit ein sehr populäres, wenn nicht das populärste Medium zum schnellen Mit-
teilen von nützlichen Links. Auch bestimmte soziale Netwerk-Plattformen, wie zum Beispiel
Facebook und MySpace, ermöglichen das Streuen eines bereits verkürzt dargestellten Inhalts
im eigenen Freundeskreis durch die Aktivierung des jeweiligen Icons. Für einen angemelde-
ten Facebook-Nutzer öffnet sich nach der Betätigung des Facebook-Icons beispielsweise die
Seite „Im Profil posten" mit einer Zusammenfassung des Originalbeitrags, dem Logo des Bei-
tragserstellers sowie einem zusätzlichen Kommentarfeld für eigene Anmerkungen, wie in der
Abbildung 35 dargestellt. Betätigt man nun den Button „Teilen", wird die Nachricht bei den
eigenen Freunden unter der Rubrik „Neuigkeiten" angezeigt. Mit dieser Funktionalität können
Rezipienten per Knopfdruck digitale Mundpropaganda in ihren Communities betreiben. Von
daher ist es höchst empfehlenswert, das Weiterverbreiten zu erleichtern, indem die eigenen
Beiträge mit den jeweiligen Buttons versehen werden.

Belohne eingehende Links und hilfreiches Engagement Fremde Links auf eigene
Veröffentlichungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass man im Social Web mit den eigenen
Inhalten konfrontiert wird. Sie tragen ferner zu einer Verbesserung des Suchmaschinenranking
bei. Wie im vorigen Beispiel dargestellt, können eingehende Links bereits in einem gewissen
Rahmen durch das Hinzufügen von entsprechenden Buttons in eigenen Beiträgen gefördert wer-
den. Darüber hinaus kann man eingehende Links besonders „belohnen", indem zum Beispiel
in eigenen Blogbeiträgen auch ausgehende Links oder Permalinks auf Adressaten, die auf den
Absender verweisen, eingefügt werden. Hieraus sollte jedoch kein Automatismus entstehen, da
als oberste Prämisse immer der Nutzen des Rezipienten gelten sollte und nicht die Maßgabe der
Gegenseitigkeit bzw. des „Verpflichtetseins". Das heißt, wenn die verlinkende Adresse inhalt-
lich und vom Renommee her wenig zu bieten hat, ist es kaum sinnvoll, einen verweisenden Link
darauf zu setzen. Wenn eingehende Links augrund der Qualität der eigenen Beiträge vergeben
werden, kann man diese als berechtigte Belohnung ansehen, die per se zu keiner Gegenleistung
verpflichten.
Anders verhält es sich, wenn eingehende Links von namhaften Autoren, Meinungsführern
und Erstellern von qualitativen Beiträgen gesetzt werden. Grundsätzlich sollte man nach al-
len Veröffentlichungen einen Identifikationsprozess von eingehenden Links durchführen. Zum
einen, um sich einen Überblick über die eigene Resonanz im Web zu verschaffen, und zum an-
deren, was viel bedeutsamer ist, um qualifizierte Links aufspüren zu können. Dafür kann man
sich dann geeignete „Gegenleistungen" überlegen, wie zum Beispiel das Setzen eigener aus-
gehender Links oder die direkte Beteiligung an der Konversation auf der fremden Seite, zum
Beispiel durch das Abgeben eigener Kommentare.
Das Engagement von anderen für die eigenen Belange kann neben dem Setzen von Links
aber auch weitere Aktivitäten beinhalten, die eine Belohnung rechtfertigen oder von vornherein
voraussetzen. In Kampagnen, wie zum Beispiel der Aktion Fiesta Movement386, bei der 100
aus über 4.000 Bewerbern ausgewählt wurden, die vor dem offiziellen Verkaufsstart einen Ford
Fiesta zur Verfügung gestellt bekommen sollten, ist die Aufgabe klar umrissen: Die selektierten
Gewinner müssen regelmäßig ein halbes Jahr lang in Social-Media-Kanälen über ihre Erfah-
rungen berichten und dürfen als Leistungsäquivalent dafür den neuen Ford Fiesta kostenlos
386
Vgl. http://fiestamovement.com, Seitenaufruf 25.10.2009
7.5 Streuung von Inhalten 161

Shel Holtz
- J Digg/sMbdtz
· · Flickr/shethottz
Β Facebook/shei Hoitz
ü3 Linkedin/sheihote
Twitter/shei
& YouTube/shelhota
J 1 Del. ¡CÍO. US/shelholtz
Skype/shelholtz
IG) GMail/Shel Hota
^S Techno ra ti/sheihoitz
M MyBIogLog/sbeihoitz
β utterz/shel
Get your own Widget

Abbildung 36: Linkliste auf weitere Informationsangebote im Blog von Shel Holtz387

nutzen. Belohnungen können jedoch auch so aussehen, dass man bestimmte Personen für de-
ren Engagement in der eigenen Marken-Community namentlich hervorhebt, ihnen bestimmte
Rechte einräumt oder sie mit Informationsmaterialien unterstützt. Auch das Entgegenbringen
von Aufmerksamkeit kann eine Form der Entlohnung sein. User, die sich beispielsweise positiv
in Bewertungsseiten zu Unternehmensbelangen geäußert haben, oder Blogger mit unterneh-
mensbezogenen Beiträgen freuen sich meist schon über ein kurzes Dankeschön, das durchaus
auch in Form einer E-Mail erfolgen kann. Man gibt gewissermaßen die selber erfahrene Auf-
merksamkeit in gleicher Münze zurück, beispielsweise durch ein positives Feedback, ein Lob
oder einen inhaltlichen Kommentar, was häufig den Einstieg in einen weiterführenden Dialog
darstellt.

Fördere die Weiterverbreitung und die Verfügbarkeit eigener Inhalte auf vielen
Kanälen Der Ansatz zur Erleichterung der Verbreitung des eigenen Content durch verwei-
sende Buttons auf Social-Bookmarking-Sites, Mikroblogging-Dienste und soziale Netzwerk-
plattformen wurde bereits vorgestellt. Es werden hierbei Auszüge des eigentlichen Inhalts als
Teaser und im Wesentlichen Links auf die Originalquelle durch die jeweiligen Nutzer publik
gemacht. Rezipienten sollte darüber hinaus grundsätzlich die Möglichkeit angeboten werden,
Beiträge mittels eines einfach zu aktivierenden RSS-Feed-Buttons zu abonnieren, um neue Ver-
öffentlichungen regelmäßig im eigenen Feedreader angezeigt zu bekommen.
Zusätzlich sollten Icons dargestellt werden, um Nutzern den Bezug von Informationen in
einem anderen Social-Media-Kanal zu ermöglichen. Es ist beispielsweise sinnvoll, im eige-
nen Blog Icons mit einen Link zu Twitter sowie zu Facebook und anderen sozialen Netzwer-
ken vorzusehen. Über diesen Link können angemeldete Nutzer in Twitter einfach die Funktion
"Follow" aktivieren, um zusätzlich Twitterposts des Blogbetreibers zu erhalten. Icons mit einer
Verknüpfung zu sozialen Netzen erlauben das schnelle Aktivieren einer„Freundschaftsbekun-
381
http://blog.holtz.com, Seitenaufruf am 19.01.2010
162 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

dung", was wiederum die eigene Einfluss-Sphäre in einem weiteren Medium vergrößert.
Wenn über den eigenen Blog hinaus auch eigene Videos in YouTube angeboten werden, sollte
im eigenen Blog ein entsprechendes Icon mit einem Verweis auf den eigenen YouTube-Kanal
enthalten sein. Im Kanal selber können dann angemeldete YouTube-Nutzer mit einem Klick
eigene Videobeiträge abonnieren und einen als „Freund" hinzufügen.
Wie breit das Spektrum eigener Darstellungen in verschiedenen Social-Media-Kanälen sein
kann, soll am Beispiel der Linkliste im Blog von Shel Holtz, einem namhaften Social-Media-
Experten, gezeigt werden. Wie in Abbildung 36 dargestellt, ermöglicht diese Liste direkt vom
jeweiligen Blogbeitrag des Autors aus in weitere Kanäle zu wechseln.
Diese Querverbindungen zwischen Social-Media-Kanälen erleichtern es den Nutzern, quali-
tativ als wertvoll erachtete Informationen in den Kanälen in Anspruch zu nehmen, in denen sie
sich hauptsächlich aufhalten. Sie setzen jedoch voraus, dass man im jeweiligen Medium auch
mit einem adäquaten Informationsangebot präsent ist.
Ein Ansatz, der sich in Bezug auf die Verbreitung etwas anders darstellt, beinhaltet, die ei-
genen Beiträge so zu gestalten, dass der Inhalt in Form von Text-, Bild-, Audio- oder Videoda-
teien komplett weitergegeben werden kann. Das erschließt Nutzern die Möglichkeit, besondere
Publikationen, zum Beispiel ein eigens erstelltes E-Book, mittels PDF im Freundeskreis per
E-Mail weiterzureichen. Das direkte Weiterverteilen von Inhalten wird jedoch durch große Da-
teigrößen erschwert, die sich bei audiovisuellen Dateiformaten schnell einstellen. Es empfiehlt
sich von daher, diese portablen Inhalte direkt in den Plattformen anzubieten, die auf die Präsen-
tation der jeweiligen Formate spezialisiert sind. Eigene Videos können beispielsweise direkt
in Videoportale, wie zum Beispiel YouTube, Fotos in Bildportale, wie beispielsweise Flickr,
und Podcasts in Portale, wie Podster.de, eingestellt werden. Man distribuiert die Inhalte dann
in möglichst vielen, häufig genutzten Social-Media-Kanälen und vergrößert damit die Zahl der
potenziellen Kontaktpunkte. Hierbei müssen natürlich die jeweiligen kanalspezifischen Beson-
derheiten beachtet werden, um sicherzustellen, dass die eigenen Beiträge auch gefunden wer-
den können und um weiterführende Funktionalitäten, wie den Austausch mit Abonnenten, in
Anspruch nehmen zu können.
Grundsätzlich sollte der Content, der in verschiedenen Social-Media-Anwendungen satelli-
tenartig verstreut ist, immer auf die zentrale Webseite verweisen und möglichst darauf verlin-
ken. Zum einen, um Nutzerströme dorthin zu kanalisieren, und zum anderen, um das Suchma-
schinenrankingdes zentralen Angebotes positiv zu beeinflussen.

Fördere die Einbindung eigener Inhalte in fremde Seiten (Mashups) Die Verbrei-
tung der eigenen Inhalte lässt sich auch dadurch fördern, dass man andere dazu ermuntert, diese
in die eigene Seite einzubetten. Das kann mittels so genannter Mashupserfolgen, die heute oft
in Form von Widgetsrealisiert werden. Unter Widgets versteht man Fenstersysteme, die in eine
Anwendungsumgebung grafisch eingebunden sind und die häufig keine komplexen Funktiona-
litäten bieten, sondern lediglich Informationen aus anderen Quellen einblenden. Wenn Nutzer
beispielsweise ein in Κο«7ί< ¿^eingestelltes Video als so gut erachten, dass sie es auf ihrer ei-
genen Website, in ihrem eigenen Blog oder in ihrem Facebookprofil einbinden wollen, agieren
sie in direkter Form als Multiplikatoren. Durch die Verknüpfung mit der eigenen Präsentation
bringt man zugleich zum Ausdruck, dass man sich stark mit den Inhalten identifiziert. Der mit-
tels Mashups eingebundene Content kann dadurch unter Umständen noch zusätzlichen Wert ge-
winnen, vorausgesetzt, die jeweiligen Co-Publizisten weisen eine hohe digitale Reputationauf.
7.5 Streuung von Inhalten 163

The Hobson &


Holtz Report -
Podcast #521:
J a n u a r y 28, 2010

FIR Interview:
Seth Godin on
Linchpin

Social media
policies needn't be
d r a c o n i a n . But y o u
do n e e d one.

FIR Cut: We can't


handle m o r e than
150 f r i e n d s

The Hobson &


Holtz Report -
Podcast #520:

Abbildung 37: Widget im Blog von Shel Holtz als Angebot zur Einbindung in die eigenen Onli-
nepublikationen388

Inhalte für Mashups können verschiedenste Inhalte umfassen. Shel Holtz bietet beispielswei-
se in seinem Blog ein eigenes Widget mit den Headlines seiner letzten Blogposts an, wie in
Abbildung 37 dargestellt.
Das Fenster mit den Themen der letzten Blogveröffentlichungen kann über die Funktion
"Get Widget" und den dann angezeigten Code relativ einfach in die eigene Website oder den
eigenen Blog eingebunden werden. Diese fremden Inhalte auf der eigenen Seite, die natürlich
immer die Gefahr der Ablenkung und des direkten Verlinkens auf die Angebote bzw. des Sei-
tenausstiegs beinhalten, können für Rezipienten dann einen Nutzen bieten, wenn sie in einem
inhaltlichen Zusammenhang mit dem eigenen Informationsangebot stehen, dieses ergänzen und
es letztlich insgesamt qualitativ aufwerten. Da man sich durch die Akzeptanz von Widgets in
eine fremde Abhängigkeit begibt, ist die Akzeptanz eigener Widgets durch beeindruckte Nut-
zer von daher schon ein besonderer Vertrauensbeweis, der beispielsweise über das bloße Setzen
eines ausgehenden Links weit hinausreicht. Nutzer zu dieser Einbindung zu motivieren, dürfte
im Allgemeinen nicht einfach sein. Ob es gelingt, hängt letztlich von der Qualität der eige-
nen Inhalte und der eigenen Reputation ab. Wenn Nutzer jedoch dazu bereit sind, stellen sie
sich unmittelbar in den Dienst der eigenen Kommunikation und vergrößern damit die eigene
Außenwirkung.

388
http://blog.holtz.com, Seitenaufruf am 19.01.2010
164 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Lesern des eigenen Content sollte ferner die Möglichkeit angeboten werden, Beiträge mit-
tels RSS zu beziehen, um in ihrem Feedreader immer die neuesten eigenen Veröffentlichungen
angezeigt zu bekommen. Diese Standardfunktionalität ermöglicht zwar keine weitere Ausstrah-
lung von Inhalten, über die Empfänger hinaus, doch sichert sie die laufende Präsenz der eigenen
Publikationen in der Zielgruppe bei einer regelmäßigen Nutzung des Feedreaders.

Beteilige dich an Konversationen Eine Möglichkeit, auf eigene Inhalte aufmerksam zu


machen, kann über den Umweg der Reaktion auf die Beiträge anderer genutzt werden. Man
reagiert beispielsweise auf Blogposts renommierter Meinungsführer in Form von durchdachten
Kommentaren, die den Einstieg in einen weiterführenden Dialog eröffnen und ein Interesse an
der eigenen Person wecken. Unter Umständen erfordert dieses Vorgehen mehrmalige Anläufe
über einen längeren Zeitraum hinweg, um bekannt zu werden und um sich ein positives Renom-
mee zu erarbeiten. Es kann dann jedoch im Idealfall dazu führen, dass die Zielperson auf einen
verlinkt und damit zum Ausdruck bringt, dass sie das eigene Informationsangebot schätzt. Man
kann ferner im Laufe der Konversation weitere Personen erreichen, die beispielsweise an einem
Blog oder Forum für öffentliche Kommentare interessiert sind. In den eigenen Beiträgen kann
darüber hinaus auf persönliche Publikationen verwiesen werden, wenn sie thematisch mit den
Kommentaren, auf die man reagiert, in einem sinnvollen und weitsteigernden Zusammenhang
stehen.
Die Beteiligung an Konversationen im Rahmen des reaktiven Kommunikationsverhaltens
kann somit eine wichtige Hilfestellung zur Vorbereitung und Förderung der aktiven Kommu-
nikation darstellen. Lee Odden unterstreicht die Bedeutung der Partizipation in Abgrenzung
zu einem bloßen, auf das Senden eigener Botschaften ausgerichteten Vorgehens: "[...] many
marketers have made the mistake of dumping content, links and other advertising content with
social networks to find their efforts fruitles for marketing and very productive when it came to
being called a social media spammer. Participation is central to effective social media marketing
and is probably the most important." 389

7.5.2 Social Media Release


Eine bestimmte Ausprägungsform der Social Media Optimization bezieht sich auf die Kom-
munikation mit Journalisten und neuen Multiplikatoren des Social Web. Auf Pressevertreter
als Repräsentanten einer überschaubaren Zahl von Multiplikatoren, die man bislang meist über
Pressemitteilungen zu erreichen versuchte, ist die PR im Wesentlichen ausgerichtet. Wie be-
reits in den Ausführungen des Kapitels 2.3 zu den Grenzen der klassischen PR zum Ausdruck
kam, stößt die vorherrschende Push-Kommunikation der PR als Ausprägungsform einer One-
Voice-Policy, die fern von Authentizität und Dialogbereitschaft agiert, heute an ihre Grenzen.
Zum einen, weil neben Presseverantwortlichen, als zentrale Gatekeeper der Informationsver-
breitung, im Zuge von Social Media neue Mechanismen der Weiterverbreitung von Inhalten
und neue Meinungsführer an Bedeutung gewinnen. Zum anderen verändern sich mit dem All-
tagsmedium Internet die Ansprüche an die Bereitstellung und Aufbereitung von Informationen.
Vor diesem Hintergrund und der Begrenztheit herkömmlicher Pressemitteilungen ist es nahe-
liegend, Social Media zur Informationsversorgung von Presseverantwortlichen und neuer pu-

389
Odden, L„ zitiert in Singer (16 Rules For Social Media Optimization Revisited, 2009)
7.5 Streuung von Inhalten 165

blizierender Akteure des Web 2.0 einzusetzen. In dem Zusammenhang wurden Begriffe wie
Social Media News Release, Social Media Press Release oder Social Media Release geprägt.
Timo Lommatzsch umschreibt letzteren so: „Der Social Media Release ist eine neue Art[,]
Nachrichten und Informationen Online zu veröffentlichen und zu verbreiten, welche den verän-
derten Informations-, Medienrezeptions- und Kommunikationsbedingungen im Internet gerecht
werden will. Ihm zu Grunde liegt die Annahme, dass klassische Pressemitteilungen im Internet
nicht die bestmögliche Form der Nachrichten- und Informationsverbreitung sind."390
Die Arbeit von Journalisten und Social-Media-Publizisten ist heute zunehmend dadurch ge-
prägt, für die Informationsgewinnung selber im Internet zu recherchieren. Für diese Suche soll-
ten Unternehmen eigene, in Form von Social Media Releases veröffentlichte Nachrichten so
bereitstellen, dass sie möglichst leicht gefunden werden können. Sie werden immer häufiger im
so genannten Social Media Newsroom, einer Weiterentwicklung des klassischen Onlinepresse-
bereiches angeboten391. Ein Newsroom ist eine zentrale Plattform für Neuigkeiten, Nachrich-
ten, Informationen und weiterführende Ressourcen. Eine jüngst durchgeführte Erhebung bei
Journalisten, Reportern und Redakteuren ergab, dass 78 Prozent von diesen Online Newsrooms
von Unternehmen zu Recherchezwecken „sehr oft" oder „oft" besuchen. Nur zwei Prozent
nutzen diese Form der Informationserhebung nicht.392 Eigene Veröffentlichungen bzw. Social
Media Releases werden im Newsroom mit einer permanenten URL dargestellt, auf die dau-
erhaft verlinkt werden kann. Die Inhalte können von allen interessierten Nutzern und nicht
nur von „offiziellen" Journalisten eingesehen und kommentiert werden und stehen ferner für
die Suchmaschinen-Indexierung zur Verfügung. Interessenten an einer regelmäßigen Informa-
tionsversorgung können Beiträge im Newsroom mittels RSS-Feed abonnieren und in ihrem
eigenen Feedreader mit einem Klick auch eigenständig wieder beenden. Sie wahren somit die
Informationshoheit und müssen nicht um die Aufnahme in einen Presseverteiler bitten bzw.
dort vorstellig werden, um wieder ausgetragen zu werden. Nach einer Studie schätzt ein konti-
nuierlich wachsender Teil von Journalisten den Nachrichtenempfang via RSS-Feed. 62 Prozent
sehen diese Art der Informationsversorgung als wichtig an. 393
Ein zentraler Aspekt des Social Media Release betrifft die Art der Darstellung der ange-
botenen Informationen. Da die Inhalte zumindest in Teilen Eingang in potenzielle Onlinever-
öffentlichungen finden, sind in viel stärkerem Maße multimediale Inhalte gefordert, als das
bei herkömmlichen, textformbasierten Pressemitteilungen der Fall ist. Die Inhalte zielen ferner
auf verschiedene Adressaten mit unterschiedlichen Informationsbedürfnissen ab und sollten
von daher auch bezüglich der angebotenen inhaltlichen Tiefe hierarchisch strukturiert sein. Sie
sollten so gestaltet sein, dass die zentralen Nachrichten, gemäß des Prinzips der umgekehrten
Pyramide von Nachrichtenmeldungen, an erster Stelle genannt werden und die Informations-
tiefe dann sukzessive zunimmt - soweit die Darstellungsform des betreffenden Social-Media-
Kanals es erlaubt. Über die Headline sowie die Subheadline, die zusätzliche, kurz zusammen-
gefasste Kernbotschaften liefert, kann der Inhalt im eigentlichen Text, beispielsweise struktu-
riert durch Aufzählungszeichen, auf die relevanten Aspekte heruntergebrochen werden. Links
verweisen darüber hinaus auf zusätzliche Medienformate und weiterführende Informationsan-
gebote und Hintergrundinformationen, um unterschiedlichen Präsentations- und Auswertungs-
390
Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009)
391
Vgl. Eck (28. Nachgebloggt, 2008)
392
Vgl. Mediaquell (Studie, 2009)
393
Vgl. Mediaquell (Studie, 2009)
166 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

S O C I A L MEDIA N E W S R E L E A S E T E M P L A T E , V E R S I O N 1.8
SHIFT
communications httpY/www company comisocialinedianewsroonvtodaysnews fcr

CONTACT Cfcerrf Catect Spokesperson Ayeocy Conti«


INFORMATION PtorwWskype Phone Wskypfe
brnad Lmarf trat
BKX¡ BWQ
vveüste

NEWS R E L E A S E HEADLINE TO
Λ
Subhead
CORE NEWS FACTS
• Bullet-points or narrative

U N K » R S S F E E D T O P U R P O S E - B U I L T DEL.ICIO.US P A G E MODERATED
IS The det.icio.us page otters hyperlinks (and annotation COMMENTS
MPS FILE O R in "Notes" field) to relevant content sources, providing Offer R S S
P O D C A S T LINK context and on-going updates. j· and email
e.g., sound bytes by update option»
various stakeholders PRE-APPROVED QUOTES FROM C O R P O R A T E EXECUTIVES,
A N A L Y S T S , C U S T O M E R S ANDfOR P A R T N E R S
Recommendation; up to 2 quotes per contact. Be prepared to offer
additional quotes to content publishers who desire exclusive info.
GRAPHIC
e g , product " Í L I N K S THAT M A T T E R " (OPTIONAL) T»· tow <flniw* he«...
schematics; market
Provide more info without overwhelming the reader Links should highlight
size graphs, logos
relevant data that add context to the news (eg., blog posts, white papers).
IP A URL "snipping1 service like TinyURL is recommended

BOILERPLATE STATEMENTS
VIDEO TRACKBACKS/
e g. C E O ' s view R S S Feed to " S H A R E THIS" B L O G S THAT
of the news, brief
product demo
Corporate
News Releases G Universal
bookmark widgel l a * TECHNORATI
TAG8
LINK TO THIS
NEWS
OPML t-eed " S P H E R E IT"
to Corporate Context related
Blogs s p r w r * ,.veb search

Abbildung 38: Struktur und Inhalte des Social Media News Release (Template Version 1.5),394

interessen Rechnung zu tragen. Nach einer empirischen Erhebung ist es für 93 Prozent der
Journalisten und Reporter wichtig, Zugang zu Hintergrundinformationen zu haben.395
Der Social Media Release sollte zudem Links zu Bookmarking-Diensten, sozialen Netwer-
ken und Mikroblogging-Diensten, wie Twitter, beinhalten, um
• Informationen selber weiterleiten zu können,

• um auf verschiedenen Kanälen auch gefunden zu werden und

• um zusätzlichen Traffic für das eigene Informationsangebot zu generieren.


Brian Solis drückt diese funktionalen Anforderungen zusammengefasst so aus: "A Social Me-
dia Release should contain everything necessary to share and discover a story in a way that
is complementary to your original intent; but, the difference is, how they find it and the tools
they use to share and broadcast."396 Eine Vorstellung über die inhaltliche Struktur eines Social
Media Releases vermittelt das in Abbildung 38 zum Ausdruck gebrachte Template von Todd
Defren.
394
http://www.shiftcomm.com/downloads/smr_vl.5.pdf, Seitenaufruf am 19.01.2010
395
Vgl. Mediaquell (Studie, 2009)
396
Solis (The Definitive Guide to Social Media Releases, 2008)
7.5 Streuung von Inhalten 167

S3 Electrolux Newsrac Bíctroto: H«wsroOTB «round the werW * : Swct» ; ífrk¿

About etectrohix About Electrolux Design l a b fact Sheets News Contact

Categories New Roberto Cavalli Club in Dubai áü p "nt

m Awards & Recognition


y* Consumer Instght powered by Electrolux Professional Follow Electrolux
« Design 29 October 20CS i T a ^ Cooking Pesor, Outaai Eleo900 Etectrclux ProtemonH Hotel Fermoni
Design Lab Electrolux news
Roberto Cavasi SwarovsKv Postea«: Design People & Management Products for ProfeM*onat>
Innovato« products O Via RSS
By feflMLSSfc
Marketing & branding Φ Via Google Reader
•• People & Management A thousand guests w a l k e d the red carpet w h e n
»»· Products tor Professionals S 3 Via e-mail
Roberto Cavalli· the r e n o w n e d Italian designer Photos
»• S u s t a i n e d /
recently o p e n e d its r e s t a u r a n t - b a r b o u t i q u e a t Videos
m Trends in the homes
the Fairmont, one of the most exclusive hotels in Electrolux Group via
Dubai. YouTube
A new Roberto Cavalli Club recently opened In Dubai. © Electrolux Group via RSS
Tags United Arab Emirates, following the ones already
Design Lab via YouTube
Kitchen Innovation established m Milan and Florence, Italy
Electrolux Design l a b O Oesign Lab via RSS
toggtpd pn Sheikh foyed rpad in the dynamic core
Hans Straberg Relrioerator of the city the two-floor and 2 600 square meters Ail activities
V a c u u m c leaner
restaurant-bar-boutique is 'a unique place where Ρ Via RSS
energy consumption
climate change finalist people mingle shop and dine in an extravagant and
% Via Twitter
opulent milieu £ proudly explains Roberto Cavali). "The
Sustaínabiüty Design interior effuses luxury as each area creates an
H iFnendFeed
Environment atmosphere rich in exciting shapes, structures, and ÊP Via Google Reader
Design Lab electrolux precious materials' S Via e-mail
energy efficiency Award
Exclusivity supported by backstage quality •• What is RSS?
While the venue surprises customers with wails
Archives completely covered by Swarovsky crystals, the 500
square meters restaurant's kitchen, marvels for its Photos at Flickr
»> January 2010 Links
high-quality solutions
w December 2009 Roberto Cavalli website
November 2009 The Elco900 cooking range by Electrolux >• Hotel Fairmont. Dubai
»> October 2009 ** Electrolux Professional
Professional supports Chef Francesco Brocca, a
» September2009
»> August 2009 famous Venetian Michelin Star Chef, and his kitchen
»• July 2009 staff m the preparation of refined meals specially chosen by the Italian fashion

Abbildung 39: Ausschnitt eines Social Media Release der Firma Electrolux397

Ein gelungenes Beispiel einer Umsetzung des Social Media Release liefert die Firma Elec-
trolux. Neue Veröffentlichungen werden als Teaser im Newsroom übersichtlich angezeigt.398
Einzelne Beiträge kann man unter einer eigenen URL abrufen. Wie in Abbildung 39 anhand ei-
ner am 29.10.09 veröffentlichten Meldung dargestellt, werden neben dem Textinhalt auch Fotos
und sofern vorhanden, zugehörige Videobeiträge angezeigt. Für das Finden von Hintergrundin-
formationen und verwandten Themenfeldern werden verschiedene Tags und Links angeboten.
Weitere Inhalte kann man in thematisch geordneten Kategorien und einem Monatsarchiv re-
cherchieren. Damit trägt man dem Tatbestand Rechnung, dass laut einer Studie 98 Prozent von

397
S e l e (New Roberto Cavalli Club in Dubai, 2009)
398
Vgl. http://newsroom.electrolux.com, Seitenaufruf am 29.10.2009
168 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

informationssuchenden Journalisten und Reportern in Archiven recherchieren wollen.399 Der


Social Media Release von Electrolux bietet darüber hinaus an, sich über E-Mail, RSS, Twitter
und andere Kanäle neue Informationen zusenden lassen. Es finden sich ferner Links, um an-
deren Inhalte im gewünschten sozialen Netz, über Social-Bookmarking-Plattformen oder über
Twitter mitzuteilen.
Als nennenswerter Unterschied gegenüber dem dargestellten Social Media News Release
Template fällt im Social Media Release von Electrolux die fehlende Kommentarfunktion auf.
Das Zulassen von Kommentaren beinhaltet immer das Risiko, dass sinnfreie, destruktive oder
vulgäre Äußerungen abgegeben werden. Von daher sollte eine Kommentarfunktion, wenn sie
angeboten wird, immer moderiert sein.400 Auf der anderen Seite liefern Kommentare, wenn
sie konstruktiv verfasst sind, ein direktes Stimmungsbild, beispielsweise zur Nützlichkeit der
angebotenen Information oder darüber, welche Inhalte sich User noch erhofft hätten. Positive
Rückmeldungen können das Informationsangebot aufwerten und eventuell die Aufmerksamkeit
weiterer Leser darauf lenken. Durch das Fehlen einer Kommentarfunktion verzichtet das Un-
ternehmen auf die Chance zum Einstieg in einen unmittelbaren Nutzerdialog. Die Firma bietet
zwar einfach auffindbare Kontaktmöglichkeiten zu Unternehmensvertretern per E-Mail an, ein
direkter Kontakt zum Autor eines Beitrags war im gewählten Beispiel jedoch nicht möglich.
Gerade durch die sich eröffnenden Dialogmöglichkeiten unterscheidet sich der Social Media
Release von einer um multimediale Inhalte erweiterte Pressemeldung. Solis und Defren un-
terstreichen das: "Social Media Releases may look similar to today's multimedia releases in
format, structure and design, but depending on a series of factors, they have the ability to open
up dialog in a way not possible with traditional or multimedia releases [... ] It all starts with
thinking about what you want to say and figure out why it's important to those you want to
reach. A crappy press release is still a crappy press release regardless of multimedia or social
bling. Writing the news in a way that's helpful, informative, and relative is a critical starting
point for any release [... ] SMRs are much more than bulleted text and links to multimedia
content in social networks. It's much more than simply sharing information [... ] SMRs are a
starting point for the socialization of news."401
Zur Art der Verbreitung einer Pressemitteilung via Social Media Release hat Lommatzsch
in einer Grafik wesentliche Wege zusammengefasst, die in Abbildung 40 dargestellt sind. Für
die Distribution des Social Media Release sollten verschiedenste Social Media Kanäle genutzt
werden. Dies kann auch die Versorgung von Journalisten mit E-Mails oder den Versand von
Pressemitteilungen über Presseservices umfassen, bei denen mit einem Link auf die Veröf-
fentlichung des Social Media Release im einen Onlinenewsroom hingewiesen wird. Meldun-
gen sollten ferner in angepasster Form in Twitter, auf Profilseiten in sozialen Netzen, sozialen
Bookmarking Seiten, Videosharingportalen usw. eingestellt werden, um möglichst viele Social-
Media-Kontaktmöglichkeiten zu generieren. Die gegenseitige Verlinkung der Informationsan-
gebote auf die zentralen Inhalte im Newsroom, die Indexierung in Suchmaschinen sowie die
dortige strukturierte Darstellung der Informationen tragen zusätzlich dazu bei, dass die Inhalte
auch in Eigeninitiative von Interessierten im Rahmen der Pull-Kommunikation relativ einfach
gefunden werden.
Wie die Verteilung von eigenen Nachrichten im Web funktioniert, belegt ein Beispiel von Me-
399
Vgl. Mediaquell (Studie, 2009)
"""Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009), S. 25
401
Defren, T., Solis, B., zitiert in Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009)
7.5 Streuung von Inhalten 169

Pressemitteilung oder Social Media Release


im Online Newsroom Social Media
Dienste 1

RSS
Email
Suchmaschinen usw.

Journalisten, Blogger, Online Multiplikatoren

Fach-, Massen- und


sonstige Online Medien

Ziel- und Bezugsgruppen V n O J


CO O
Abbildung 40: Wege zur Distribution und zum Auffinden einer Pressemitteilung in Form eines
Social Media Releases402

diaquell, einem Anbieter von Online bzw. Social Media Newsrooms. Das Unternehmen stellte
einen Artikel zum Thema „Hotel-Reputation im Internet" in seinen neu geschalteten (noch re-
lativ unbekannten) Newsroom ein. Kurz nach der Publikation verbreitete sich der Link zum Ar-
tikel durch User über Twitter, Facebook, XING und andere Social-Media-Kanäle. Schon nach
kurzer Zeit waren vierstellige Leserzahlen, sowie Feed- und Newsletter-Abonnenten in drei-
stelliger Höhe zu verzeichnen. „Weitergeleitet und gelesen wurde der Artikel vor allem in B2B
relevanten Branchen wie Hotels und PR-Agenturen. Google findet den Artikeltitel mittlerweile
auf über 1.100 Seiten."403
Ein weiteres Beispiel des Unternehmens verdeutlicht den Effekt der Darstellung von Inhalten
in einem Newsroom und dessen Multiplikatorwirkung durch die Verbreitung mittels klassischer
Medien. „So landete z.B. [!] ein Artikel von unserer Brasilien Nachrichtenseite bei 20 Minuten
(Artikel auf 20min.ch). Der aus dem Medien-Netzwerk von mediaquell aufgegriffene Artikel
brachte der Brasilien-Seite auch hier mehrere Tausend neue Leser (B2C). Darunter auch neue
Abonnenten, sowie neue Bewerbungen von Autoren/Journalisten." [ohne angegebene Hyper-
links]404
Insgesamt können die vorgestellten Maßnahmen der Social Media Optimization, wozu auch
die Ansätze des Social Media Release zu rechnen sind, dazu beitragen, die Außenwirkung von
guten, auf die Informationsbedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe gerichteten Informationsin-
halten zu erhöhen. Für die Verbreitung von unrelevantem, suboptimalem Content sind durch
diese Art der Optimierung, zumindest auf längere Sicht hin, keine nennenswerten Erfolge zu er-
warten. Dreh- und Angelpunkt des Erfolges der proaktiven Kommunikation sind Inhalte, für die

^Lommatzsch (Der Social Media Release, 2009), S. 6


403
Mediaquell (Hotel-Check, 2009)
"^Mediaquell (Hotel-Check, 2009)
170 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommimikation

Social-Media-Kanäle unterschiedliche Darstellungs- und Verbreitungsmöglichkeiten eröffnen.


Zur Erhöhung der Wirksamkeit der Verbreitung spielen Multiplikatoren eine wichtige Rolle.

7.5.3 Gewinnung von Multiplikatoren


Social Media erfordert, wie bereits erwähnt, das Überdenken traditioneller Ansätze der unidi-
rektionalen 1 :n-Massenkommunikation und eröffnet Chancen zur Einbeziehung von Nutzern in
den bidirektionalen Austausch im Rahmen einer n:n-Kommunikation. Durch das Engagement
einer stetig wachsenden Zahl von Teilnehmern im Mitmachweb haben auch die Fülle und die
Vielseitigkeit des Informationsangebotes enorm zugenommen. Dieses Wachstum der Informa-
tionsmenge erfolgte (r)evolutionär, ohne dass klassische Ordnungsinstanzen, wie zum Beispiel
Nachschlagewerke, Zeitungen und Bibliotheken ordnend darauf einwirken konnten. Vor dem
Hintergrund der sich breit machenden digitalen Unordnung, steigt der Orientierungsaufwand
für Einzelne, sich in dessen Informationsdickicht zurechtzufinden. Empirische Beobachtungen
bestätigen, dass eine Dauerselektion aller vorhandenen Optionen der Informationsversorgung
nicht stattfindet. Einzelne wollen ein überschaubares "relevant Set" von Informationen, die re-
gelmäßig genutzt werden.405 Nach der Rationality of avoiding choice will streben Menschen
danach ihren Aufwand in Bezug auf Wahlentscheidungen zu minimieren.406 Man will es sich
möglichst einfach machen und nicht ständig überlegen und Informationen auswählen.
Social Media kann vor diesem Hintergrund Orientierung bieten und den eigenen Suchauf-
wand verringern. Informationen, die für einen selber hilfreich sein könnten, werden einem von
den Mitgliedern des eigenen sozialen Netzwerks vorgeschlagen. In dieses Netzwerk integriert
man, beispielsweise bei Twitter, neben Freunden und Bekannten gerne auch Autoritäten, Ex-
perten und Meinungsführer, die zum eigenen vorherrschenden Interessensgebiet etwas zu sagen
haben. Durch deren Tweets werden einem täglich Inhalte und Fundstücke im Netz präsentiert,
die man nur aufzurufen braucht. Die Inhalte kommen somit zum Empfänger, ohne dass es ei-
ner Suchmaschine bedarf. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Informationsversorgung
über den eigenen RSS-Feedreader, in welchem die neuen Veröffentlichungen der Blogbeiträge,
Podcasts etc. der selbst gewählten Autoritäten angezeigt werden.
Social Media eröffnet allen Teilnehmern die Möglichkeit, eigenen Content zu erstellen. Nach
der erwähnten Social Technographis Ladder machen jedoch die aktiven Inhaltsproduzenten nur
einen Bruchteil der gesamten Social-Media-Nutzer aus. Aufgrund dieser Relation erfährt eine
im Verhältnis zu den reinen Lesern relativ überschaubare Zahl von Sendern bei letzteren eine
größere Beachtung. Diese Beitragsersteller, und dabei vor allem die besonders aktiven und den
Geschmack der Rezipienten treffenden Vertreter, können schnell eine große Aufmerksamkeit
erlangen und mit ihren Inhalten Reichweite erzielen. Da die Aufmerksamkeit heute als knappes
Gut anzusehen ist, steigt der Wert von aktiven Inhaltsproduzenten in Bezug auf die Beeinflus-
sung von Meinungen. Sie konkurrieren zunehmend mit klassischen Multiplikatoren, wie zum
Beispiel Journalisten und lösen sie im Zuge des Bedeutungsverlustes von Zeitungen zum Teil
sogar ab.
Auch Suchmaschinen als neue Ordnungsinstanzen orientieren sich am Vernetzungsgrad der
neuen Informationsinstanzen im Web und werten Multiplikatoren als soziale Hubs, die in Netz-
werken wichtiger als andere sind, durch erste Plätze im Suchmaschinenranking auf.
405
Vgl. Jäckel (Medienwirkungen, 2007), S. 312ff.
^ V g l . Collins (The Rationality of Avoiding Choice, 1993), S. 58ff.
7.5 Streuung von Inhalten 171

Zur Erhöhung der Reichweite und Wirksamkeit eigener Botschaften sollte man gezielt Mei-
nungsführer kontaktieren und versuchen, diese für eine Weiterverbreitung der Inhalte zu ge-
winnen. Hierzu sind zuerst die richtigen Adressaten zu ermitteln, deren Rezipienten so weit
wie möglich der eigenen Zielgruppe entsprechen sollten. Ausgangspunkt der Identifikation von
Meinungsführern sollte ein gerichtetes Social Media Monitoring sein, in dem man zuerst in
verschiedenen Kanälen nach themenrelevanten Veröffentlichungen des eigenen Produkt- und
Markenumfelds sucht und die Sender mit den meisten Publikationen identifiziert. Zur Einschät-
zung der sozialen Relevanz bzw. der Reichweite dieser Inhalteproduzenten auf andere ist auch
zu berücksichtigen, wie groß deren Anhängerschaft ist bzw. wie viele Rezipienten sie ungefähr
erreichen. Als Indikatoren hierfür könnten beispielsweise folgende Wertungen herangezogen
werden:

• die Anzahl der Follower in Twitter

• die Anzahl der Freunde, Fans und Inhaltsabonnenten in sozialen Netzwerken

• die Anzahl der Verlinkungen anderer Blogger auf den entsprechenden Blogbeitrag

• die Häufigkeit der Weiterverbreitung von Inhalten des jeweiligen Autors in der Presse

• die Anzahl der Kommentare auf Postings

• die Anzahl von weitergeleiteten Inhalten, zum Beispiel von ReTweets oder der Inhalte,
die in Facebook mit „Teilen" verbreitet werden

• Bewertungen des Inhalts, wie zum Beispiel „gefällt mir"

• die Position in Suchmaschinen

• die Bewertung in Social-Bookmarking-Diensten


Hat man relevante Multiplikatoren identifiziert, sollte man sich erst einmal mit deren Postings
befassen, eventuell Kommentare zu ihren Beiträgen abgeben, und sich an Diskussionen betei-
ligen. Hierdurch bringt man die eigene Marke ins Spiel und zeigt den betreffenden Adressaten,
dass man sich für sie interessiert.
Vor der Kontaktaufnahme mit Multiplikatoren sollte man sich über den informellen Mehr-
wert der eigenen Inhalte für Dritte im Klaren sein. Fällt es einem schwer diesen zu benen-
nen, ist von vornherein von einer Kontaktierung abzusehen. Ganz eindeutig sollte man vermei-
den, Social-Media-Influencer, wie zum Beispiel bekannte Blogger, regelmäßig mit Standard-
Pressemeldungen einzudecken. Blogger sind in der Regel als Privatpersonen tätig und haben
von daher mehr Freiheiten und sind Dritten weniger verpflichtet als professionelle Journalisten.
Sie verdienen mit ihrem Blog in der Regel wenig oder gar kein Geld und genießen nicht zuletzt
aufgrund dieser Unabhängigkeit als Peers Ansehen in ihrer Zielgruppe. Sie reagieren vielleicht
noch allergischer auf Pressemitteilungen in ihrem Postkasten, als Journalisten, die im Umgang
mit Presseverteilern geübt sind, da dies im Grunde das Eindringen in ihre Privatsphäre bedeutet.
Das bloße Versenden von Pressemitteilungen an Blogger, unter Umständen nicht einmal perso-
nalisiert und mit einem Anschreiben versehen, dürfte bei den meisten Informationsempfängern
als Spam betrachtet werden und anstelle von positiven eher negative Multiplikatorwirkungen
zur Folge haben.
172 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Der Dreh- und Angelpunkt der Gewinnung von Social-Media-Influencern liegt in nutzen-
stiftenden Inhalten, die Multiplikatoren selber Kredit bei ihren Rezipienten verschaffen und
darüber hinaus in einem vertrauensvollen und tragfähigen Beziehungsverhältnis zu diesen ste-
hen. Gute persönliche Beziehungen fördern die Wahrnehmung von Informationsinhalten in der
Masse der Informationsangebote. Sie können zudem, sofern die Inhalte, einen Wert für Dritte
erwarten lassen, der eigenen Motivation einen zusätzlichen Antrieb verschaffen, selber redak-
tionell und damit weiterverbreitend tätig zu werden. Fragen der Beziehungspflege mit Bloggern
und insbesondere Regeln des korrekten Umgangs bzw. der Etikette der Kontaktaufnahme mit
ihnen werden unter dem Schlagwort der Blogger-Relations erörtert. Im Kern wird zur Herstel-
lung von guten Blogger-Beziehungen meist ein offener und transparenter Umgang mit diesen
Meinungsführern gefordert, der die Basis für den Aufbau von Vertrauen darstellt.
Für den Aufbau von persönlichen Beziehungen mit Bloggern kann es hilfreich sein, selber
einen Corporate Blog zu unterhalten. In diesem kann man, sofern inhaltliche Bezüge bestehen,
auf Blogs oder Beiträge von anderen Bloggern verlinken und somit die Wertschätzung den Mul-
tiplikatoren gegenüber zum Ausdruck bringen. Stellenweise kann dort auch eine direkte inhalt-
liche Konversation geführt werden, die sich förderlich auf die Beziehung auswirken kann. Gute
Beziehungen zu Bloggern können meist noch weiter gefestigt werden, wenn diese um Rat ge-
fragt oder gar in bestimmte unternehmerische Entscheidungen einbezogen werden. In den USA
werden schon Blogger Advisary Boards diskutiert, die beispielsweise vor der Einführung eines
neuen Produktes oder bei wichtigen Veröffentlichungen zu Rate gezogen werden.407 Bekannte
Blogger bekommen zunehmend auch Gratisprodukte zu Testzwecken zur Verfügung gestellt
und werden, ähnlich wie Journalisten, zu exklusiven Unternehmensveranstaltungen, wie zum
Beispiel Präsentationen von neuen Produkten an attraktiven Orten eingeladen. Wie am Beispiel
der Einladung von Meinungsführern der Herr-der-Ringe-Fangemeinde zum Drehort nach Neu-
seeland bereits erwähnt wurde, können sich diese Investitionen als sehr sinnvoll erweisen, um
Multiplikatoreffekte auszulösen.
Bei der Kontaktaufnahme mit Bloggern, insbesondere beim Erstkontakt, sollte man Antwor-
ten auf die folgenden Fragen geben, die sich ein angesprochener Blogger wahrscheinlich stellt:

• Warum werde gerade ich kontaktiert?


• Werde nur ich als Biogautor angesprochen oder neben mir noch viele andere Blogbe-
treiber, Journalisten und sonstige Adressaten bzw. sind die angebotenen Informationen
exklusiv für mich?
• Welchen Nutzen haben meine Blogleser von den angebotenen Nachrichten (zum Beispiel
brandneue Informationen, spannende Inhalte, Insiderberichte, Making-of, Interviews,
Studienergebnisse etc.)?

• Welche redaktionelle Leistung wird von mir gewünscht?

• Gibt es weiterführende Informationen, zum Beispiel Hintergrundinformationen, audiovi-


suelles Material in einem Social Media Newsroom?
• Welche materielle Unterstützung erhalte ich für Recherchezwecke, zum Beispiel über-
lassene Produkte zu Testzwecken, Übernahme von Reisekosten, Einladungen zu Events?
407
Vgl. Livingston (Six Steps to Better Blogger Relations, 2008)
7.5 Streuung von Inhalten 173

• Wie steht das Unternehmen zu einem kritischen und offenen Umgang mit der Thematik?
Ist es eventuell an einem offenen Dialog interessiert?

Man sollte sich jedoch auch nicht vor einer gezielten Ansprache scheuen. Nach einer Studie
der PR-Agentur TextlOO408 stehen beispielsweise Blogger einer Ansprache von PR-Agenturen
durchaus sehr positiv gegenüber. Über 90 Prozent der befragten 449 Blogger sind Kontaktauf-
nahmen von PR-Beratem gegenüber aufgeschlossen. Die meisten erklärten, häufig und regel-
mäßig von PR-Beratern kontaktiert zu werden. Bei den befragten Bloggern in den USA gaben
96 Prozent, in Europa 65 Prozent an, mindestens einmal pro Woche angesprochen bzw. an-
geschrieben zu werden. Die Studie brachte ferner zu Tage, dass über 80 Prozent der Blogger
gesponserte Blogbeiträge kenntlich machen, was belegt, dass auch Zuwendungen in verschie-
denster Form heute als Mittel anzusehen sind, um Multiplikatoren zu interessensbezogenen
Beiträgen zu bewegen.
Die Art der Zuwendungen kann die kostenlose Bereitstellung von Produkten oder die unent-
geltliche Nutzung von Dienstleistungen beinhalten. Beispielsweise, wie bei der bereits erwähn-
ten Aktion Ford Fiesta Movement, bei der 100 gut vernetzte und einflussreiche Kandidaten
ermittelt wurden, die sechs Monate lang das neue Modell des Ford Fiesta gestellt bekamen und
über ihre Produkterfahrungen regelmäßig in Blogveröffentlichungen und Twittermeldungen be-
richten mussten.
Der Elektronikgerätehersteller LG hat sich zum Test seines Handymodells LG Secret mit
folgender E-Mail an ausgesuchte Weblogs gewandt:
„Mein Name ist Christoph und ich bin für den LG Blog (www.lgblog.de) verantwortlich. Ich
würde dir gerne anbieten, unser aktuelles Tophandy das LG Secret (http://secret.lgmobile.com/
uk/en/) zu testen. Wir sind hierbei an deiner ehrlichen Meinung interessiert. Das Gerät darfst
du anschließend gerne behalten, [!] oder auf deinem Blog verlosen. Einzige Bedingung ist, dass
du zusagst, den Test bis Ende Juli auf deinem Blog zu veröffentlichen."409
In dieser E-Mail wird ein Gratisprodukt in Aussicht gestellt, lediglich an die Bedingung
geknüpft, dass über das Produkt berichtet wird. Eine positive Stellungnahme wird nicht voraus-
gesetzt, was einer freien und unbeeinflussten Meinungsäußerung auch widersprechen würde.
Manche Kritiker sehen schon in dem Versenden von Gratisprodukten eine Beeinflussung.
Coca-Cola führte 2008 in Brasilien das neue Getränk i9 ein und kooperierte für die Förde-
rung des Absatzes mit neun prominenten Bloggern. Im Zuge der Promotion beteiligte sich
Coca-Cola an der Gestaltung der Blogseiten und schenkte jedem von ihnen einen Miniatur-
Kühlschrank mit einer darin enthaltenen Flasche i9. Diese Aktion löste bei anderen Bloggern
ein negatives Echo aus, weil die Unabhängigkeit von Autoren bezweifelt wurde, die Gratispro-
dukte erhalten 410
In Deutschland stand die bekannte Bloggerin Ute Hamelmann, die sich mit ihrem Onli-
neauftritt Schnutinger.de einen Namen gemacht hat, in der Kritik eine Zusammenarbeit mit
dem Unternehmen Vodafone durch einen für Vodafone positiven Blogbeitrag zu belohnen. Die
Bloggerin und der bekannte Blogger Sascha Lobo wurden zusammen als Darsteller in einem
Vodafone-TV-Spot engagiert. Sie hat sich später auf dem Vodafone-Blog zu dem folgenden
Beitrag hinreißen lassen, in dem ein Vodafone-Handy sehr positiv beschrieben wurde:
^ V g l . Handelsblatt (Sterben derBlogs, 2009)
^Christoph, zitiert in: Media-Agentur (LG, 2008)
410
Vgl. Hall (Coke's i9 Blogger, 2008)
174 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

...und was muss ich bitte dafür machen?

Ganz einfach, der Weg ins Produktglück:

Blogbeitrag in dem Du über storeöird.de mit folgendem Link schreibst: <a


^^ href=http.7/www.storebird.de>Trend Produkte</a> und Trackback sendest

Die Produkte, die Du kostenlos haben mochtest (maximal vier), mit dem richtigen Keyword in Deinem
Φ Beitrag verlinken! ACHTUNG: Bitte die Links in einen sinnvollen und lustigen Text einbinden, nicht
einfach untereinanderschreiben - danke!

^^ E-Mail an hotblogging@storebird.de gemäß dieser Vorlage schicken: klick!

Wann bekomme ich die Ware und was mache ich damit?

Wir versuchen die Ware so schnell es geht zu versenden, sodass Du diese noch vor Weihnachten hast Ob Du
den Kram dann für Dich behälst oder wem auch immer schenkst kannst Du Dir überigen - Geschenkpapier gibt
's nicht dazu ©
Teilnahmebedingungen

1. Du darfst als eine Person mit bis zu 3 Blogs teilnehmen und somit maximal 12 Produkte einsacken, Du
darfst kein Produkt 2x einsacken!

2. Die Blogs müssen mindestens 1 Monat existieren und über 3 Beiträge haben!

3. Edit! Da wir den Ansturm nicht abschätzen konnten, können wir Dein Wunschprodukt nicht zu 100%
garantieren, bieten aber Alternativen - Du kommst auf Deine Kosten!

Und hier die Produktliste, aus der du 4 Produkte bekommst:

Abbildung 41 : Angebot von vier Gratisprodukten für einen entsprechenden Link im eigenen
Blogbeitrag411

„Seit drei Monaten habe ich ein neues Handy, das HTC Magic mit Internetanschluss. Tolles
Ding, mit wenig Knöpfen dran, das ist äußerst praktisch. Mein altes Handy hatte viel zu viele
Knöpfe. Zu viele Knöpfe sind nicht gut, da gibt es für mich zu viele Möglichkeiten, versehent-
lich an ein Knöpfchen zu kommen. Mit dem neuen Handy geht das alles zum Glück leichter, ich
erwische immer das richtige Knöpfchen und ich kann die Fotos sogar direkt auf die Plattform
Flickr ins Internet hochladen und in mein Blog stellen. So geht mir nichts mehr verloren und
meine Handyrechnung beschert mir seitdem auch keine böse Überraschung mehr." 412
Als Folge der Diskussion über ihre bezweifelte Unabhängigkeit hat die Bloggerin ihren Ab-
schied aus dem Netz angekündigt mit den Worten: „[...] wenn mir persönlich nicht mehr ge-
glaubt wird, dann geht nichts mehr, dann bleibt nur eins: Der Rückzug." 413
Diese Beispiele zeigen, dass Blogger und sonstige Social-Media-Influencer, die im Verdacht
stehen, käuflich zu sein bzw. die sich private Vorteile durch interessengefärbte Meinungen er-
kaufen, sehr schnell ihre Reputation bei ihren Rezipienten verlieren können. Da anzunehmen
ist, dass namhafte Multiplikatoren sich dieser Gefahr bewusst sind, sollte man ihnen gegen-
4U
http://www.storebird.de/start/allgemein/hot-blogging/, Seitenaufruf am 30.12.2009
412
Hamelmann (Twittermom, 2009)
413
Hamelmann (Schnutinger: Tja, 2009)
7.6 Überblick über zentrale Instrumente 175

über mit offenen Karten spielen und dies auch von ihnen für den Umgang mit ihren Lesern
einfordern. Von dem Ausloben direkter materieller oder finanzieller Vergütungen für das Ver-
fassen von Blogbeiträgen, wie sie zum Beispiel von storebird.de angeboten werden (siehe Ab-
bildung 41), sollte man Abstand nehmen.
Seriöse Autoren dürften sich von dieser plumpen Art der Meinungsmache wahrscheinlich
angewidert abwenden und im schlimmsten Fall den Manipulationsversuch noch öffentlichkeits-
wirksam kundtun, wodurch nicht nur das Ansehen des Unternehmens beim Blogger, sondern
auch in der Zielgruppe beschädigt sein dürfte. Von daher erfordert gerade der Umgang mit
Social-Media-Multiplikatoren sehr viel Sensibilität, weil es sich zum Teil nicht vermeiden lässt,
Gratisprodukte zu Testzwecken, Einladungen zu Events etc. anzubieten, die für die Meinungs-
bildung oft unvermeidbar sind. Wenn man als Unternehmen jedoch diese Umstände gegenüber
Biogautoren klar zum Ausdruck bringt und diese auch zur Transparenz ihren Lesern gegenüber
ermuntert, reduziert man von vornherein mögliche Konfliktpotenziale. Darüber hinaus sollte,
wie in der zitierten E-Mail von LG explizit zum Ausdruck gebracht, darauf hingewiesen wer-
den, dass einem an der Unabhängigkeit der Autoren gelegen ist.
Aus organisatorischer Sicht ist es hilfreich, wenn für den Aufbau und die Pflege von persön-
lichen Beziehungen mit Social-Media-Influencern nur ausgewählte, namhafte Unternehmens-
vertreter, die auch im Bereich Social Media öffentlichkeitswirksam aktiv sind, benannt werden.
Da der Aufbau tragender Beziehungen mit Social-Media-Aktivisten nur langfristig Früchte tra-
gen kann und dabei die persönliche Reputation der beteiligten Person(en) eine zentrale Rolle
spielt, sollte diesbezüglich auch in der Personalpolitik ein längerer Atem gewahrt werden.

7.6 Überblick über zentrale Instrumente


Nach der Erörterung von allgemeinen Aspekten der Gestaltung und Verbreitung von Inhalten
soll es nun darum gehen, die Möglichkeiten einzelner Social-Media-Kanäle als Instrumente der
proaktiven Kommunikation zu analysieren. Tabelle 4 gewährt einen Überblick über zentrale
Wesensmerkmale möglicher Instrumente, die ein eigenverantwortliches, aktives Gestalten un-
ternehmensseitig kommunizierter Inhalte gemäß verschiedener Zielstellungen in Social-Media-
Kanälen erlauben. Eine Zielstellung kann darin bestehen, Informationsinhalte zu streuen, um ei-
ne hohe Markenpräsenz und Markenbekanntheit im Social Web zu erreichen. Ziele können auch
die Vermittlung von produkt- oder unternehmensbezogenem Wissen und die emotionale Auf-
ladung der eigenen Marke beinhalten, was sich insgesamt in einem vorteilhaften Markenima-
ge und positiver digitaler Reputation niederschlagen sollte. Die Social-Media-Kommunikation
sollte ferner darauf hinwirken Fürsprecher und Unterstützer des Unternehmens zu gewinnen.
Damit Nutzerengagement wirkungsvoll zum Tragen kommen kann und Nutzer zum Beispiel
in eigene Onlineauftritte integriert werden können, bedarf es bestimmter Voraussetzungen, die
nicht von allen Social-Media-Instrumenten gleich gut erfüllt werden.
Wenn es um die Streuung von Informationsinhalten geht, ist heute ein Auftritt in Twitter das
Instrument der Wahl. Auch Unternehmenspräsenzen in sozialen Netzwerken und die gezielte
Einbeziehung von Social-Bookmarking-Aktivitäten eignen sich zur Erreichung dieser Ziele.
Podcasts bieten sich demgegenüber aufgrund ihrer relativ geringen Reichweite weniger an.
Steht die Vermittlung von ausführlichen Informationen im Vordergrund, eignet sich insbe-
sondere der Einsatz eines Corporate Weblogs, eines Corporate Podcasts, die Einstellung von
176 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

Tabelle 4: Vergleich ausgewählter Social-Media-Instrumente zur Erreichung des Zieles der


proaktiven Kommunikation

Instrumente Zielstellung
Streuung von Tiefergehende Vermittlung Nutzerenga-
Informations- Informations- von gement und
inhalten vermittlung Emotionen -integration
Mikroblog,
z.B. eigener ++ + + + + +
Twitter-Account
Weblog, ζ. B.
eigener Corporate + + + + + + + +
Blog
Soziale Netzwerke,
z.B. eigene + + + + + + + +
Marken-Fanseite
Podcast, z. B.
eigener Corporate + ++ + + + + +
Podcast
Inhalte auf
audiovisuellen
Plattformen, + ++ + + + + + +
z. B. eigener
YouTube-Kanal
Social
Bookmarking, z. B.
Weiterleitung ++ + + + + +
eigener Inhalte
mittels Icons
Wiki, z. B. Doku-
mentationsplattform + + + + + + + +
eigener Produkte

+ : möglich; ++ : gut möglich; +++ : sehr gut möglich


7.7 Weblogs als Instrument 177

Inhalten auf audiovisuellen Plattformen, zum Beispiel in Form eines eigenen YouTube-Kanals,
oder die Einrichtung eines Wikis.
Will man mit den kommunizierten Inhalten vor allem Emotionen und atmosphärische Reize
auslösen, ist der Einsatz der Bewegtbildkommunikation beispielsweise mittels eigener Video-
Podcasts oder die Nutzung von audiovisuellen Plattformen zu empfehlen. Auch eigene Hörbei-
träge im Rahmen eines Audio-Podcasts können durch sympathische Sprecher sehr gut positive
Gefühle zum Ausdruck bringen. Diese können dazu beitragen, menschliche Nähe zu vermitteln
und Bindungen an die Kommunikatoren und die Marke zu fördern.
Die Wirksamkeit der Social-Media-Kommunikation lässt sich nicht zuletzt auch in beträcht-
lichem Maße durch das Engagement und die Integration von Nutzern erhöhen. Nutzer können
beispielsweise in Twitter eigene Kurzinformationen erstellen oder erhaltene Tweets an ihre Fol-
lower weiterleiten. Ansonsten sind die Betätigungsmöglichkeiten in Mikroblogging-Diensten,
aber auch in Weblogs, Podcasts und Social-Bookmarking-Diensten, was die Bandbreite mög-
licher Aktivitäten betrifft, relativ begrenzt. Die weitreichendsten Möglichkeiten der kreativen
Entfaltung ergeben sich in sozialen Netzwerken, zum Beispiel auf Marken-Fanseiten. Nutzer
können hier je nach eingeräumten Rechten beispielsweise Textbeiträge erstellen, eigene Fotos
und Videos hochladen, Beurteilungen abgeben und sich untereinander austauschen. Auch Wikis
eröffnen ähnlich gute Möglichkeiten des Nutzerengagements und -austausches.
Welche inhaltlichen Ausprägungsformen bei einzelnen Instrumenten im Detail möglich sind,
soll im Folgenden bei der Vorstellung von potenziellen Anwendungsfeldern in der Kommuni-
kation und konkreten Gestaltungsfaktoren gezeigt werden.

7.7 Weblogs als Instrument


Weblogs gewinnen in der Unternehmenskommunikation an Bedeutung. Nach der Studie ,,£«-
roBlog 20071,414 gehen von den 409 befragten PR-Verantwortlichen 85 Prozent davon aus, dass
sich die Kommunikation durch Weblogs und Social Media deutlich verändern wird. Nur jeder
fünfte erkennt bislang keinen Nutzen von Social Media für seine tägliche Arbeit. Auch als In-
strument der Unternehmenskommunikation erfreuen sich Weblogs, insbesondere bei innovati-
ven, wachstumsstarken Unternehmen, zunehmender Beliebtheit. Nach einer Langzeitstudie der
University of Massachusetts and Dartmouth verfügten 2007 acht Prozent der 500 umsatzstärks-
ten Unternehmen der Welt über Unternehmensweblogs bzw. so genannte Corporate Blogs, wäh-
rend es bei den 500 am schnellsten wachsenden Unternehmen des Inc. Magazine bereits 19
Prozent waren. Unterhielten im Jahr 2008 11,6 Prozent der Fortune-500-Unternehmen einen
Corporate Blog, bloggten bei den wachstumsstärksten Unternehmen des Inc. Magazin bereits
schon 39 Prozent.415 In Deutschland ist die Anzahl der großen Unternehmen, die Unterneh-
mensweblogs konsequent nutzen, noch sehr überschaubar. Auch hierzulande ist zu beobachten,
dass gerade innovative kleine und mittlere Unternehmen sowie Freiberufler sich dieses Medi-
ums bedienen, wobei eine breite, zielführende Nutzung des Instruments auf Unternehmensseite
insgesamt noch nicht zu verzeichnen ist.

414
Vgl. Zerfass/Young/Sandhu (Euroblog 2007 Social Software, 2007) http://euroblog2007.org, Seitenaufruf
17.01.2010
415
Vgl. Munkelt (Müssen Marken „twittem"?, 2009)
178 7 Socia1 Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

Information Persuasion Argumentation

Wissen Themen Image Vertrüge Beziehungen Konflikte


vermitteln besetzen bilden unterstützen pflegen lösen

Interne Knowfedge-
Kommunikation Blogs / Kollaborations-/
\ Themen- Projekt- Blogs
Kampagnen- Blogs
Markt- Blogs --
kommunikation Produkt-/ Krisen-
Customer/Voter
Marken-Blogs Blogs
Relationship·
Blogs
Public
Relations
www.roemungsmachwiil OA ¿*4«3 3X»

Abbildung 42: Arten und Einsatzmöglichkeiten von Corporate Blogs416

7.7.1 Arten der Weblog-Kommunikation


Die vielfaltigen Erscheinungsformen der Weblog-Kommunikation können verschiedenartig zu-
geordnet werden. Zerfaß und Boelter nennen als Möglichkeiten der Differenzierung die Ein-
ordnung in Einflussarten417 und Zielgruppen der Kommunikation.418
Die Einflussarten werden danach unterschieden, ob sie persuativ, argumentativ oder informa-
tiv wirken sollen.419

• Persuative Kommunikation dient der Durchsetzung eigener Interessen durch die Nut-
zung von emotionalen Bindungen und bestehenden Präferenzen.

• Die argumentative Kommunikation zielt in erster Linie darauf ab, einen gemeinsamen
Klärungsprozess in Gang zu setzen, dessen Ausgang eine Entscheidung aufgrund einer
Überzeugung ist.

• Bei der informativen Kommunikation bleibt die Einflussnahme weitestgehend unbe-


stimmt. Sie dient hauptsächlich der unabhängigen Informationsvermittlung.

Mit Blick auf bestimmte Zielgruppen, auf welche die verschiedenen Biogarten schwerpunktmä-
ßig ausgerichtet sind, soll hier zwischen interner Kommunikation, Marktkommunikation und
Public Relations untergliedert werden. Die Zuordnung der verschiedenen Ausprägungsarten
von Weblogs veranschaulicht Abbildung 42.
Diese Kategorisierung ist nicht abschließend zu verstehen, es gibt noch weitere Einsatzmög-
lichkeiten sowie eine Reihe von Zwischenformen. Die Flexibilität des Mediums ermöglicht
viele Einsatzformen. Einige der abgebildeten Weblog-Typen der Marktkommunikation und der
Public Relations sollen an dieser Stelle thematisiert werden.
416
Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 127
417
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 72
4I8
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 124f.
419
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 72
7.7 Weblogs als Instrument 179

7.7.2 Typen von Weblogs


Öffentliche Unternehmensweblogs, auch als Corporate Blogs bezeichnet, bieten Unternehmen
die Möglichkeit, neue Produkte vorzustellen, auf aktuelle Unternehmensgeschehnisse einzu-
gehen, Zielstellungen, Strategien und Entscheidungen der Allgemeinheit bekannt zu machen
und vieles mehr. Gemäß der in Abbildung 42 gezeigten Arten und Einsatzmöglichkeiten von
Weblogs werden in diesem Abschnitt folgende Corporate-Blogs vorgestellt: 420

• Produkt-/Marken und Serviceblogs

• Customer-Relationship-Blogs

• Kampagnen-Blogs

• Krisen-Blogs

• CEO-Blogs

• Themen-Blogs

Zu beachten ist jedoch, dass die hier aus Gründen der Veranschaulichung vorgenommene klare
inhaltliche Trennung zwischen verschiedenen Biogarten in der Unternehmenspraxis nicht im-
mer anzutreffen ist und häufig Mischformen innerhalb eines Corporate Blogs zu beobachten
sind.

Produkt-/Marken und Serviceblogs Mithilfe von Produkt- und Markenblogs können


Unternehmen Informationen über ihre Produkte und Dienstleitungen anbieten. Sie können die
Etablierung einer Marke und die Bindung einer Community an diese Marke oder ein Produkt
aktiv unterstützen. Dies bietet sich speziell für Firmen an, deren Kunden das Internet aktiv nut-
zen. Dabei kann man auf Mundpropaganda und positive Resonanz in Beiträgen fremder Blogs
setzen, die eigene Veröffentlichungen aufgreifen. Durch gegenseitige Verflechtungen der Blogs
untereinander können Netzwerkeffekte entstehen, die Viralmarketing ermöglichen. In diesem
Zusammenhang stellen Zerfaß und Boelter fest: „Grundsätzlich sollte der Einsatz von Marken-
blogs immer dann geprüft werden, wenn Produkte ohnehin mit viralen Kampagnen beworben
werden. Dies gilt insbesondere bei der Ansprache von kaufkräftigen Trendsettern und Szene-
gängern, die sich mit herkömmlichen Medien nur schwer erreichen lassen." 421 Gleichzeitig
können durch Marken- und Produktblogs Crowdsourcing-Effekte angestoßen werden, indem
das Kundenfeedback für Produkt- und Prozessoptimierungen genutzt wird.
Mercedes-Benz nutzt beispielsweise mit ihrem Corporate Blog „www.blog.daimler.de" die
Möglichkeiten, eigene Produkte und Marken zu thematisieren, sehr ausführlich. Als eine der
wenigen großen deutschen Aktiengesellschaften, die dieses Kommunikationsinstrument kon-
sequent einsetzt, gewährt sie Einblicke in die Produkt- und Markenwelt und weitere inhaltliche
Kategorien des Konzerns. Die Blogbeiträge werden von Mitarbeitern erstellt und vom Auszu-
bildenden bis zum leitenden Angestellten sind alle Arten von Unternehmensangehörigen aktiv
vertreten. Das Unternehmen betont, dass das, was die Autoren im Daimler-Blog veröffentli-
chen, deren persönliche Ansichten und nicht unbedingt die offizielle Unternehmensmeinung
420
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 91ff.
421
Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 148
180 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

repräsentiert.422 Nach der Link-Analyse von Google verlinken weltweit 573 Webseiten auf den
Daimler-Blog und 977 auf die Webseite www.daimler.com. Das unterstreicht die Resonanz,
welche der im Oktober 2007 eröffnete Blog mittlerweile erfahren hat.
Produkt-Blogs können auch zur Kommunikation mit Kunden bei Fragen und Problemen zu
Produkten des Unternehmens dienen. Gemäß der Typologie von Zerfaß und Boelter handelt es
sich dann um einen so genannten Service-Blog. Es können Probleme diskutiert und Erfahrun-
gen im Umgang mit dem Produkt ausgetauscht werden. Kunden erhalten so einen schnellen
Überblick über aktuelle Probleme und Lösungen und können mithilfe der Kommentarfunktion
aktiv an Problemlösungen teilhaben. Ein solcher Service-Blog stellt eine Ergänzung oder auch
einen Ersatz für herkömmliche Support-Formen, wie FAQ-Seiten oder Telefon-Hotlines dar.423
Als Beispiel für einen Service-Blog kann der bereits im Rahmen der Dialogaktivitäten von Dell
beschriebene Blog Direct2Dell angeführt werden.

Customer-Relationship-Blogs Beim Kundenbeziehungsmanagement (CRM: Customer


Relationship Management) wird daran gearbeitet, die Beziehungen zu bestehenden Kunden
zu pflegen und zu verbessern.424 Dahinter steht die simple Überlegung, dass es einfacher und
kostengünstiger ist, vorhandene Kontakte aufrechtzuerhalten als neue aufzubauen.
Ein CRM-Blog bietet neben Informationen zu eigenen Produkten, weitere Informationen
zum Markt, Weiterentwicklungen, Designstudien, Nachrichten etc. Ohne den Umweg über Me-
dien wie Zeitungen, Magazine oder Radio können Mitteilungen direkt verbreitet werden. Durch
interessante Beiträge versucht ein CRM-Blog Kunden zu binden und eine Community aufzu-
bauen. Stakeholder haben die Möglichkeit, die Beiträge zu kommentieren und in eigenen Blogs
zu verlinken.
CRM-Blogs zielen auf den Aufbau von Kundenbeziehungen ab und unterstützen damit den
schon beschriebenen Paradigmenwechsel vom Push- zum Pull-Marketing.

Kampagnen-Blogs Kampagnen-Blogs bestehen meist nur temporär und begleiten den Ver-
lauf einer Marketing-Kampagne im Internet. So nutzen inzwischen zahlreiche Veranstalter
einen Kampagnen-Blog, um auf einen Kongress, eine Messe oder ein anderes Event hinzu-
weisen. Ein Beispiel ist der Weblog zum Kinofilm „King Kong"425, welcher bereits über ein
Jahr vor dem offiziellen Filmstart von den Dreharbeiten berichtete. Viele Interessierte konnten
so bereits für einen langen Zeitraum über das entsprechende Produkt informiert und langfristig
gebunden werden. Damit leisten Kampagnen-Blogs einen Beitrag zur Kundengewinnung und
können den Grundstein für die öffentliche Aufmerksamkeit legen. Davon ausgehend kann die
Kommunikation dann auf die klassischen Massenmedien ausgedehnt werden.426
Kampagnen-Blogs eignen sich außerdem besonders für Unternehmen, die erste Erfahrungen
mit Weblogs sammeln wollen, da ihre Existenz auf die Dauer einer Kampagne begrenzt ist.

Krisen-Blogs Bei Produktmängeln oder Störfällen beanstanden Stakeholder oft nicht das
Problem als solches, sondern die ungenügende Kommunikation mit der Öffentlichkeit. So hat-
422
Vgl. http://www.blog.daimler.de/hier-bloggen-mitarbeiter, Seitenaufruf am 04.09.2009
423
Vgl. Garcia (Enterprise 2.0, 2007), S. 95
424
Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 57
425
Vgl. http://www.kongisking.net, Seitenaufruf am 19.01.2010
426
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005) S. 134
7.7 Weblogs als Instrument 181

te es beispielsweise nach den Zwischenfallen in den AKWs Krümmel und Brunsbüttel des
Vattenfall-Konzerns harsche Kritik an der Krisenkommunikation gegeben, die schließlich auch
in der Entlassung von mehreren Verantwortlichen mündete.
Krisen-Blogs erlauben eine schnelle, umfassende und direkte Kommunikation mit den Be-
troffenen und können so zur Entschärfung einer Unternehmenskrise beitragen. Da es schwierig
ist, im Fall eines Problems kurzfristig einen Weblog zu etablieren, kann diese Funktion auch
von einem Service- oder Produkt-Weblog übernommen werden.
Weblogs eignen sich als Instrumente der Krisenkommunikation, da sie relativ einfach und
schnell erstellt werden können und man mit ihnen über die Kommentarfunktion Dialoge initi-
ieren kann. Die offene, dialogorientierte und argumentative Kommunikation via Weblog kann
somit ein Mittel darstellen, um Krisen zu entschärfen. 427 Wenn möglich sollte die Kommuni-
kation mittels Weblog jedoch schon im Vorfeld, möglichst kurz nach dem Bekanntwerden von
Problemen, stattfinden, um Krisen durch ein beherztes öffentlichwirksames Reagieren erst gar
nicht entstehen zu lassen.

CEO-Weblogs Wie empirische Befunde zeigen, wird von Topmanagern heute gefordert,
dass sie „schnell, direkt, dialogorientiert, authentisch und reichweitenstark kommunizieren." 428
Denn das Top-Management „wird mehr und mehr nicht nur an seiner betriebswirtschaftli-
chen und fachlichen Kompetenz, sondern auch an seiner kommunikativen Performance ge-
messen." 429 In der heutigen Wirtschaftswelt unterliegt die Untemehmenskommunikation den
Einflussfaktoren von vielfältigen Veränderungsprozessen. Mögliche Veränderungen in einem
Unternehmen können beispielsweise sein:

• Fusionierung,

• Kauf oder Verkauf von Unternehmen,

• Veränderung von Unternehmensstrukturen,

• Besonderer Personalabbau oder Personaleinstellungen,

• Neue Produkt- und Unternehmensstrategien

• Rechtliche Tatbestände, zum Beispiel neue Patente

Für die Kommunikation ist es entscheidend, dass klar und deutlich zum Ausdruck gebracht
wird, welche Chancen und Risiken diese Veränderungen im Unternehmensumfeld haben, wel-
che Beweggründe zu den Schritten der Unternehmensführung beitragen und was von den Mit-
arbeitern erwartet wird. Die beste Möglichkeit dies mitzuteilen bietet sich in Form der direkten
Rede, zum Beispiel in persönlichen Gesprächen und Mitarbeiterversammlungen, da hier das
gesamte Spektrum menschlicher Kommunikationsmöglichkeiten ausgeschöpft werden kann.
Da dies in einem großen Unternehmen nur begrenzt möglich ist, kann als Alternative ein öf-
fentlicher Corporate-Blog eingesetzt werden, oder ein rein interner Corporate-Blog, der sich
427
Vgl. Zerfaß/Boelter (Die neuen Meinungsmacher, 2005), S. 154f.
428
Zerfaß/Sandhu (CEO-Blogs, 2006), S. 51
429
Zerfaß/Sandhu (CEO-Blogs, 2006)), S. 54
182 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

ausschließlich an die eigenen Mitarbeiter richtet. Als Autor eines CEO-Blogs als Ausprägungs-
form eines Corporate-Blogs der obersten Führungsebene eines Unternehmens sollte der Ge-
schäftsführer bzw. Vorstandssprecher selbst aktiv werden. In bestimmten Fällen kann auch ein
Mitglied der Geschäftsleitung bzw. des Vorstands zu Wort kommen.
Wichtiger noch, als die Darstellung von aktuellen Fakten, sind in einem CEO-Blog die per-
sönlichen Sichtweisen und Wertungen der schreibenden Führungskraft. Sie können Authentizi-
tät vermitteln und dem Unternehmen ein menschliches Antlitz verleihen. Ein CEO-Blog sollte
auch dazu beitragen die Philosophie des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen und Werte
und Visionen zu transportieren, die identitätsstiftend wirken können. 430
CEO-Blogs fanden in Deutschland durch den CEO-Weblog des damaligen Vorstandsvorsit-
zenden der Siemens AG, Klaus Kleinfeld, erstmalig eine nennenswerte Beachtung. In seinem
Weblog, der sich ausschließlich an Mitarbeiter von Siemens wandte, berichtete Kleinfeld über
neue Technologien, Trends und Innovationen. Laut Unternehmensangaben besuchten den We-
blog bis zu 30.000 Mitarbeiter pro Monat. Mit rund 1.000 Zugriffen pro Tag erreichte Kleinfeld
damit mehr Leser als viele nach außen gerichtete Corporate Blogs. Bis zu 70 Kommentare
verzeichnete beinahe jeder Weblogeintrag, wobei Kleinfeld auf Kommentare direkt antwortete,
was den Stellenwert dieser Kommunikationsform unterstreicht.431
Dabei löste der Kleinfeld-Blog zum Teil auch sehr kritische Kommentare aus, die ebenfalls
im Internet ihr Echo fanden. Denn obgleich der Blog ausschließlich im Intranet betrieben wurde
und damit von außen nicht einsehbar war, wurden einige Kommentare des Blogs von einem
Mitarbeiter an die Presse, wie zum Beispiel den Spiegel, weitergeleitet.432 Hintergrund dieses
Vorfalls war die Erhöhung der Vorstandsbezüge, die in den Augen der Belegschaft maßlos
überzogen war. Kleinfeld selbst kommentierte den Vorfall damit, dass kein Mitarbeiter negative
Folgen eines abschlägigen Blog-Eintrages zu fürchten hätte. Er selber lege sehr viel Wert auf
offene und transparente Kommunikation und wolle den Blog weiterführen 433
Ein Beispiel für einen CEO-Blog, der von einem Unternehmensleiter geführt wird, der nicht
gerade als Vertreter der digital Natives anzusehen ist, stellt der Blog von Bill Marriott dar.
Mit seinen 76 Jahren berichtet der Chief Executive Officer der Hoteldynastie Marriott unter
www.blogs.marriott.com mehrmals im Monat über persönliche Erlebnisse und Einschätzun-
gen, vornehmlich zur Hotelbranche, aber auch über seine privaten Kinobesuche. Seine Artikel
schreibt er nicht selber nieder, sondern diktiert sie und lässt sie von seinen Mitarbeitern transkri-
bieren. Durch das Angebot der diktierten Audiofiles im Blog kann man sich die gesprochenen
Texte im Originalwortlaut anhören. „Einen Blog zu starten, war für mich ein großer Erfolg",
brachte er übersetzt zum Ausdruck. „Ich kann mit unseren Gästen und Geschäftspartnern re-
den, worüber ich will, und sie können mit mir sprechen. Ich finde, Bloggen bringt Menschen
zusammen." 434 Der Blog, dessen Besucher sich zu ca. 20 Prozent aus den tausenden, welt-
weit verstreuter Marriott-Mitarbeiter rekrutieren, hatte 2008 durchschnittlich 6.000 Besucher
pro Woche. Neben den Vorteilen, mithilfe des Blogs das Unternehmen näher an Kunden und
Mitarbeiter heranführen und eigene Werte und Sichtweisen vermitteln zu können, hat das Enga-
gement des Firmenleiters auch zu messbaren ökonomischen Vorteilen geführt. Marriott konnte
430
Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 57f.
431
Vgl. Eck (CEO-Blogs oder Blopaganda?, 2006)
432
Vgl. Seith (30 Prozent mehr für Vorstände, 2006)
433
Vgl. Wallon/Warth (Siemens, 2007), S. 69f.
434
Knüwer (Deutsche Firmen hinken US-Konzemen hinterher, 2008)
7.7 Weblogs als Instrument 183

über die von der Blogseite aus erfolgenden Klicks auf die Reservierungsseite zusätzliche fünf
Millionen USD an Hotelbuchungen erzielen.435
Ein Beispiel für einen CEO-Blog eines mittelständischen Unternehmens stellt auch die säch-
sische Saftkelterei Walther mit ihrem Saftblog dar.436 Jener zielt auf eine öffentliche Kommu-
nikation mit einem breiten Publikum ab. Der Saftblog rangierte im Mai 2007 nach der letzten
Aktualisierung der Rangliste der Top-100-Business-Blogs auf Platz 25 437
Die Geschäftsführerin Kristin Walther verfasst in ihrem Blog die meisten Beiträge selber und
das in einer sehr persönlichen und authentischen Art. Der Blog trug dazu bei, die wachsende
Zahl von E-Mail-Anfragen an das Unternehmen zu reduzieren. Auch konnte eine Vielzahl von
neuen Kunden gewonnen werden. Hatte die Kelterei vor dem Start ihres Blogs ihren Kunden-
stamm ausschließlich im Großraum Dresden, so gelang es mithilfe des Saftblogs, die Bekannt-
heit der Firma auf ganz Deutschland auszudehnen. Hierzu trug auch die positive Mundpropa-
ganda der Blogosphäre bei. Nach Google verlinken Anfang September 2009 58 Unternehmen
auf die offizielle Webseite des Unternehmens www.walthers.de, wohingegen auf den Saftblog
899 Webseiten und damit über fünfzehnmal so viele Seiten verweisen.438 Der Blog ist somit
ein guter Türöffner für die Förderung des Kerngeschäfts. Die Kelterei Walther erfuhr durch den
Saftblog auch eine beachtenswerte Medien-Resonanz. Es gab beispielsweise Erwähnungen in
der Wochenzeitschrift ,JDie Zeit", im ZDF und im MD/?.439Laut Kristin Walther ist der Saft-
blog das wirksamste und kostengünstigste Marketing-Tool des Unternehmens. Der Dialog mit
Bloggern, Kunden und Interessenten über den Saftblog hat die Kelterei Walther bekannter und
erfolgreicher gemacht.
CEO-Blogs können ein wirkungsvolles Instrument einer PR-Strategie sein. Voraussetzung
ist jedoch, dass der CEO auch eine gewisse „Weblog-Tauglichkeit" mitbringt, denn nur wer
authentisch ist, gerne bloggt und hinter seinem Blog steht, wird in der Blogosphäre akzeptiert
und erzielt mit diesem Instrument eine positive Wirkung.440

Themen-Weblogs Themen-Blogs konzentrieren sich auf ein spezielles inhaltliches Gebiet.


Unternehmen haben in der Regel eine oder mehrere Kernkompetenzen oder auch Anwendungs-
felder, in denen sie sich öffentlich positionieren und auf sich aufmerksam machen möchten.
Dazu kann ein Weblog zu einem bestimmten Thema beitragen, welcher der Öffentlichkeit an-
geboten wird. Unternehmen haben so die Möglichkeit, ein Thema zu besetzen und sich durch
kompetente Beiträge zu profilieren. Dadurch kann die eigene Position im Markt gestärkt wer-
den. Dabei müssen die Inhalte des Weblogs nicht zwingend auf die eigenen Produkte verweisen.
Eine Untersuchung der Hochschule Darmstadt hat gezeigt, dass mehr als die Hälfte der 100
analysierten Unternehmensblogs als Themenblogs bezeichnet werden können. Aus der großen
Bedeutung von Themenblogs kann geschlossen werden, dass diese bei den Bezugsgruppen ei-
ne relativ breite Akzeptanz finden. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass gerade ein redak-
tionelles Konzept, das Fachthemen in den Vordergrund stellt, genügend Stoff für die notwen-
dige regelmäßige Aktualisierung bietet. Und da ein solches Konzept nur mit entsprechendem
435
Vgl. Haizack (Marketing Moves to the Blogosphere, 2008)
436
Vgl. http://www.saftblog.de, Seitenaufruf am 19.10.2010
437
Vgl. http://www.topl00-business-blogs.de/topl00/tops, Seitenaufruf am 04.11.2007
438
Vgl. Suche nach eingehenden Links in google.de [link:www.saftblog.de] am 04.09.2009
439
Vgl. Sulzer (Bekannt durch das Saftblog, 2007), S. 13lf.
^Vgl. Krämer/Kurztusch (AOL, 2007), S. 107
184 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Fachwissen verwirklicht werden kann, lässt sich die eigene Kompetenz auf diese Weise gut
dokumentieren. 441

7.7.3 Nutzenpotenziale und Herausforderungen


Im Bereich der externen Kommunikation bieten Weblogs eine Reihe von Nutzenpotenzialen
und Herausforderungen. 442
Durch einen externen Blog ist eine offene und ungefilterte Kommunikation mit den Stake-
holdern möglich. Blogs können helfen Vertrauen zu schaffen und zu zeigen, dass man gewisse
Einblicke in Interna gewährt und die Informationsvermittlung nach außen ernst nimmt. Das
Maß an Vertrauen, das Bloggern entgegengebracht wird, kann man gemäß einer internationalen
Studie von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten unternehmerischen Statusgruppe ableiten.
CEOs bzw. Unternehmensleitern wird weniger Vertrauen entgegengebracht (36 Prozent) als
gewöhnlichen Mitarbeitern (39 Prozent) und diese liegen wiederum mit deutlichem Abstand
hinter dem Vertrauen, das „Personen wie Du und Ich" (58 Prozent) mit gleichen Interessen
und Einstellungen genießen. 443 Daraus lässt sich schließen, dass Corporate Blogs, in denen
Mitarbeiter des Unternehmens zu Wort kommen, glaubhafter und damit wirkungsvoller sind
als Blogs der Unternehmensspitze bzw. CEO-Blogs. Ungeachtet dieser Differenzierungen kön-
nen Corporate Blogs insgesamt dazu beitragen Innenansichten des Unternehmens zu vermitteln
und die zentralen unternehmerischen Akteure, die sich sonst hinter anonymen Firmenfassaden
verstecken, als Menschen stärker ins öffentliche Blickfeld zu rücken.
Blogs können als zentrale Anlaufstelle für Problemlösungen bei Kundenanfragen eingesetzt
werden. Durch das Verknüpfen von eigenen und fremden Inhalten kann ein Mehrwert für alle
Nutzer entstehen. Es können sowohl problemorientierte Nutzertipps und Erfahrungen, genau-
so wie Techniker-, Vertriebs-, Service- und Supporthinweise gebündelt werden. Unternehmen
können sich über bestimmte Themen als Fachexperten positionieren, was zu einer erhöhten Re-
putation des Unternehmens und damit auch zu einem Imagegewinn von Marke und Produkt
beitragen kann.
Daneben liefert das Kundenfeedback wichtige Hinweise für Neuerungen und Verbesserungs-
vorschläge von Produkten und Prozessen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen des Innovations-
managements genutzt werden, was in Kapitel 8 noch vertiefend erörtert wird.
Blogs eignen sich zudem für die Verbreitung von Marketingbotschaften. Wird ein Beitrag
eines Blogs von vielen anderen Weblogs referenziert, dann steigt dieser Beitrag in der Be-
kanntheit und erscheint an höherer Stelle in der Trefferliste von Suchmaschinen. Denn Such-
maschinen beziehen in ihre Rankings vor allem die Aktualität von Suchergebnissen und deren
Vernetzung ein. Somit erhöht sich wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Menschen den
Blog lesen. Durch die nahezu unbegrenzte Reichweite des Internets können Blogs daher als
Ausgangspunkt für virale Kampagnen dienen.
Eine zentrale Herausforderung für das Erstellen von Corporate Blogs besteht im relativ hohen
Aufwand, der mit dem regelmäßigen Verfassen von lesenswerten Texten verbunden ist. Da von
Unternehmensseite nicht immer Top-Ereignisse zu vermelden sind, eine bestimmte Regelmä-
ßigkeit von Veröffentlichungen eines Blogs jedoch einzuhalten ist, kann es mitunter schwierig
441
Vgl. Pleil (Online-PR, 2007), S. 24
ul
V g \ . Eck (Corporate Blogs, 2007), S. 85ff.
^ V g l . Edelman (Trust Barometer, 2008)
7.7 Weblogs als Instrument 185

Tabelle 5: Chancen, Herausforderungen und Risiken von Corporate Blogs,444

Vorteile Herausforderungen
Einfache, schnelle und kostengünstige Kon- Laufende Betreuung des Blogs ist erforder-
zeption und Inbetriebnahme lich
Interessante Inhalte für Leser sind oft nicht
Aktuelle Meldungen und sofortige Kom-
einfach zu finden; Zeitaufwand, Texte zu er-
mentare können abgegeben werden
stellen
Zeitnahe Kommunikation nicht immer mög-
Unverzerrte und ungefilterte Kommunikati-
lich und Authentizität nicht immer vermit-
on mit den Rezipienten ist möglich
telbar
Einfache Möglichkeiten für Feedbacks und Leserkommentare werden oft nicht beachtet,
Kommentare Notwendigkeit eines Monitorings
Besonders glaubwürdige Kommunikation Rechtliche Rahmenbedingungen müssen
durch persönliche Ansprache eingehalten werden
Blogs sind prinzipiell jederzeit und weltweit Zielvorgaben und Einbindung in den Kom-
erreichbar munikationsmix sind erforderlich
Enorme Reichweite durch virale Multiplika- Rolle des Autors (als Privatperson oder als
toreffekte der Blogosphäre Firmenangestellter) muss deutlich werden
Struktur und Inhalte können jederzeit edi- Personengebundene Blogs verlieren evtl. an
tiert, gelöscht und angepasst werden Glaubwürdigkeit, wenn der Autor wechselt
Im Suchmaschinenranking häufig auf vorde- Gewinnung und Bindung von Lesern kann
ren Plätzen dargestellt sich als schwierig erweisen
Verkörperung eines modernen und offenen Regelmäßige Erfolgskontrolle ist erforder-
Kommunikationsstils lich

werden, interessante Inhalte zu finden, welche die Leser auch interessieren. Der Einsatz von
Corporate Blogs ist zudem nicht risikolos. Der mögliche Missbrauch der Kommentarfunktion
birgt eine Gefahr. Um dies verhindern zu können, ist eine kontinuierliche Kontrolle und Pflege
von Blogkommentaren erforderlich.
Vorteile und Herausforderungen von Corporate Blogs sollen in Tabelle 5 zusammengefasst
zum Ausdruck gebracht werden, wobei die meisten der genannten Aspekte auch für die anderen
Arten der Unternehmensweblogs gelten.
Die ökonomische Bewertung eines Blogs fallt, wie bei den meisten Tätigkeiten der Un-
ternehmenskommunikation, außerordentlich schwer. Ob ein Blog zur Umsatzsteigerung eines
Unternehmens beiträgt, lässt sich nur bedingt ermitteln. Inzwischen existieren allerdings ver-
schiedene Konzepte zur Messung des ROI beim Bloggen. So beschäftigt sich beispielsweise
eine Studie von Forrester Research mit dem Titel "The ROI Of Blogging".445 Darin wird eine
stärkere Markenwahrnehmung einer verbesserten Suchmaschinenplatzierung, welche durch das
Bloggen bedingt ist, den Kosten einer Suchmaschinen-Optimierung gegenübergestellt. Ein ex-

"^Vgl. Zerfaß/Sandhu (CEO-Blogs, 2006), S. 62


^Stromberg/Li (The ROI Of Blogging, 2007)
186 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

akter Return on Investment von Blogs ist jedoch nicht messbar, wie die Analysten von Forrester
Research zum Ausdruck bringen. 446
Darüber hinaus kann man den Erfolg eines Blogs auch an weiteren Messgrößen festmachen.
Es ist sinnvoll zu erfassen, ob der Blog in traditionellen Medien wahrgenommen wird und ob
er Erwähnung in Funk, Fernsehen, Zeitungen und Magazinen findet. Des Weiteren bieten sich
Blog-Statistiken an, wie Views oder Page Loads, sowie die wirkliche Anzahl an Besuchern.
Darüber hinaus sollten noch weitere Kennziffern benutzt werden, wie zum Beispiel die Anzahl
der Kommentare, Trackbacks und Pings. Auch das Suchmaschinenranking ist eine wichtige
Erfolgsgröße. Die Relevanz eines Blogs kann ferner auch über ein systematisches Monitoring
der Blogosphäre eingeschätzt werden.

7.7.4 Gestaltungskriterien
Die Nutzung von Weblogs in der Unternehmenskommunikation muss sorgfältig geplant und
umgesetzt werden, denn vereinfachte technische Möglichkeiten der Biogerstellung alleine ga-
rantieren noch keinen Erfolg.
Bevor die Entscheidung für die Kommunikation mittels eines Corporate Blogs getroffen
wird, sollten vorab die damit erreichbaren Kommunikationsziele und die anvisierten Zielgrup-
pen definiert werden.
Die Nutzung von Weblogs setzt zunächst ein prinzipielles Verständnis von Blogs, der Blo-
gosphäre und beispielsweise auch von Newsfeeds voraus. Hierfür ist eine gezielte Auseinan-
dersetzung mit den genannten Technologien erforderlich. Dazu gehört auch ein systematisches
Blogmonitoring über einen gewissen Zeitraum, um die Resonanz und die Bedeutung der Blo-
gosphäre für das Unternehmen erkennen zu können. 447
Im Vorfeld sollten ebenso das konkrete Format und die möglichen Inhalte des Corporate
Blogs bereits festgelegt werden. So ist es durchaus bedeutsam, ob das Weblog von einem ein-
zelnen Entscheider bzw. Mitarbeiter betrieben, ob eine Vielzahl von Mitarbeiter-Blogs zentral
zugänglich gemacht oder ob ein Corporate Blog von einem internen bzw. externen Redaktions-
team betreut wird.
Ein wesentlicher Punkt für den Erfolg eines Weblogs sind dessen Inhalte. Hier sind ins-
besondere Aktualität, Qualität und die Anzahl der Beiträge entscheidend. Ein Weblog sollte
regelmäßig neue Beiträge enthalten. Nur so erreicht und/oder bindet man die Leserschaft. Je
aktueller und exklusiver die Texte eines Weblogs sind, desto attraktiver ist es für den Leser.
Nach Möglichkeit sollten in regelmäßigen Zeitabständen (zum Beispiel mehrmals in der Wo-
che, wöchentlich, alle zwei Wochen, einmal im Monat) neue Beiträge veröffentlicht werden,
um die Aufmerksamkeit der Leser zu erhalten. Außerdem wirkt sich das regelmäßige Publizie-
ren positiv auf die Wahrnehmung der Blogs in den Suchmaschinen aus. Allerdings sollte man
es auch vermeiden, zu viel zu schreiben und damit seine Leser eventuell zu überfordern. 448
Weblogs sollten zudem inhaltlich nicht in Form von „geschlossenen" Texten verfasst werden,
wie man es von Pressemitteilungen kennt. Letztere zielen darauf ab, möglichst alle Fragen von
Lesern vorwegzunehmen und erschöpfend zu beantworten. Weblogs sollten stattdessen stets
eine Aufforderung oder Motivation zur Interaktion enthalten. Dies kann durch das Aufwerfen
^ V g l . Schaffry (Der ROI von Firmen-Blogs ist nur schwer ermittelbar, 2007)
^ V g l . Schaffry (Der ROI von Firmen-Blogs ist nur schwer ermittelbar, 2007), S. 7
448
Vgl. Eck (Corporate Blogs, 2007), S. lOOf.
7.7 Weblogs als Instrument 187

von Fragen oder durch das Formulieren von deutlichen, mitunter provokativen Haltungen erfol-
gen. 449 Ist dies nicht der Fall, muss man sich nicht wundern, wenn Blogs keine oder nur wenige
Kommentare verzeichnen.
Wesentliche Punkte, gerade für Corporate Weblogs, die nicht nur für das Intranet des Un-
ternehmens gedacht sind, betreffen die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Denn Unehrlichkeit
wird häufig sehr schnell entlarvt. Dies musste auch der amerikanische Handelskonzern Wal-
Mart erfahren. Wal-Mart heuerte zwei Blogger an, die positive Kommentare über den Konzern
in ihren Tagebüchern verbreiteten. Als bekannt wurde, dass die Blogger von Wal-Mart bezahlt
waren, wurde das Unternehmen mit Negativkommentaren in anderen Blogs überzogen. Der
Imageschaden war groß.450 Dagegen baut man beim Leser Vertrauen auf, wenn man auch bei
kontroversen Themen einen ehrlichen Tonfall anschlägt oder sogar ein tatsächlich besseres Pro-
dukt eines Konkurrenten lobt.
Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang auch, dass die von einer Person vermit-
telten Inhalte dem eigenen Stil entsprechen sollten, damit sie ungekünstelt das eigene Selbst
widerspiegeln und auf diese Weise Authentizität ausstrahlen. Das beinhaltet in bestimmten Fäl-
len auch, dass man eigene Fehler zugeben sollte, was meist sehr viel glaubwürdiger und daher
wirkungsvoller ist, als durch übertriebene Inszenierungen und leicht zu durchschauende Schön-
färberei eigene Schwächen verdecken zu wollen. Authentizität setzt voraus, dass hinter den
Beiträgen die ausgewiesenen realen Personen stehen, um eine persönliche Sicht der Dinge in
einem persönlichen Ton zu vermitteln. Daher erscheint es als wenig hilfreich, wenn die Inhalte
eines CEO-Blogs von der PR-Abteilung verfasst werden.451
Um ein Blog zu betreiben, sind klare Regeln für jeden Mitwirkenden erforderlich, damit
keine rechtlichen Grauzonen und Missverständnisse entstehen. So genannte Blog-Policies oder
auch Blog-Guidelines können dazu beitragen, dass die beteiligten Mitarbeiter den speziellen
Anforderungen dieser neuen Kommunikationsform gerecht werden und einen adäquaten Kom-
promiss zwischen authentischer Meinungsäußerung und übergeordneten Unternehmenszielen
finden. Ein Unternehmen kann nämlich nicht daran interessiert sein, dass über einen öffent-
lichen Blog sensible Unternehmensinterna oder Firmengeheimnisse publiziert werden. Sogar
wenn ein Unternehmen keine eigenen Corporate Blogs einsetzt, kann eine Blog-Policy sinn-
voll sein. Denn es ist durchaus möglich, dass sich ein Mitarbeiter auch in einem privaten Blog
über berufliche Aspekte äußert.452 Und das nicht immer im Interesse des Unternehmens. Bei-
spiele für Konflikte zeigen die Entlassungen von bloggenden Mitarbeitern bei Google453 und
Microsoft,454
Neben den genannten Punkten sind des Weiteren auch technische Voraussetzungen zu klären,
auch wenn das Aufsetzen eines Weblogs grundsätzlich keine große Hürde darstellt. So muss die
zu verwendende Blog-Software festgelegt und entschieden werden, ob der Blog auf dem eige-
nen Server betrieben werden soll oder ein Weblog-Service im Internet in Anspruch genommen
wird. Auch rechtliche Aspekte muss man bedenken, falls von den Weblog-Nutzern strafbare
oder rechtswidrige Inhalte veröffentlicht werden. Hier müssen Haftungsfragen ins Kalkül ge-

^"Vgl. Eck (6 der größten Fehler, 2009)


450
Vgl. Schmidt (Blogger sind schneller als jede PR-Abteilung, 2006)
45
'Vgl. Raabe (Social Software im Unternehmen, 2007), S. 68
452
Vgl. Eck (Corporate Blogs, 2007), S. 124
453
Vgl. Schwan (Google enüässt Blogger, 2005)
454
Vgl. Worthington (Ex-Microsoft Employee Michael Hanscom, 2003)
188 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

38,1 Twitternach richten pro Woche


Angaben in
durchschnittlicher Stückzahl
pro Woche

Bahn Kodak
Daimler
Ii Í f M
Vodafone
Plus
S

LC
i

Otto
Microsoft Lufthansa
ι Τ I1

GLS Bank
Allianz Nokia
Sony
8,4 8,0

1 » 11 «. «
IBM
eBay
70

Air Berlin
Datev Xing
Cisco

ñ
2,3
m
Messe
Google Ffm
1,6
m

Abbildung 43: Twitter-Nachrichten deutscher Unternehmen, die pro Woche verschickt wer-
den455

zogen werden, die durch nutzergenerierte Inhalte entstehen könnten. Beim rein internen Einsatz
ist, wie auch für die Wiki-Nutzung, die Mitarbeitermotivation ein kritischer Faktor für den Er-
folg eines Weblogs. Hier kann es hilfreich sein, Mitarbeitern den Umgang damit im Rahmen
eines Workshops näher zu bringen.

7.8 Mikroblogs als Instrument


Nutzungsmöglichkeiten von Mikroblogging-Diensten im Rahmen der proaktiven Social-Media-
Kommunikation sollen hier am Beispiel des populären Dienstes Twitter verdeutlicht werden. Es
wurden bereits Werkzeuge vorgestellt, die auf die Nutzung von Twitter im Rahmen des Social
Media Monitorings als Seismographen für die Stimmung des Marktes und der Kunden sowie
als Frühwarninstrument abzielen. Twitter eignet sich auch sehr gut als Anknüpfungspunkt der
reaktiven Kommunikation für die Dialogführung und als Serviceinstrument. Der Telekommu-
nikationsprovider Comcast hat beispielsweise über seinen Twitter-Account Comcastcares456
bis Anfang 2009 bereits über 13.000 Anfragen im direkten Kundenkontakt bearbeitet.457
Hier soll nun die Frage im Vordergrund stehen, wie man Twitter für die Durchsetzung ei-
gener Kommunikationsziele nutzen kann. Dass Twitter vielseitige Möglichkeiten bietet, fassen
Fitton et al. treffend zusammen: "You can use Twitter as a fantastic public-relation channel,
whatever kind of business you work for. It offers global reach, endless connections, networking
opportunities, a promotion platform, and immediate event planning and feedback. Best of all,
if you float your ideas out there in genuine, valid, and interesting ways, other can pick them
up and spread them around. Many Twitterers - from individuals to large corporations - report
scoring numerous press opportunities as a result of engaging other Twitterers and sharing on
the Twitter platform." 458

455
V g l . Schwarz (Twitter-Strategien deutscher Unternehmen, 2009)
456
Vgl. http://twitter.com/comcastcares, Seitenaufruf am 19.01.2010
457
V g l . Heine (Marketing mit Twitter, 2009)
458
Fitton/Gruen/Poston (Twitter For Dummies, 2009), S. 180
7.8 Mikroblogs als Instrument 189

Grund, einer Marke auf Twitter zu folgen

Anderes j 0,4 Angaben in Prozent


der befragten Nutzer
Kundendienst/Produktinfos MÜÜÜ 3,5

Interessante Inhalte S 22,7

Bekannte sind Fans 6,3

Exklusive Angebote 43,5

Befragter ist Kunde 23,5

Abbildung 44: Gründe, einer Marke auf Twitter zu folgen,459

7.8.1 Informationsverbreitung
Twitter ist ein hervorragender Kanal zur schnellen Verbreitung von Informationen über ein
Unternehmen sowie dessen Produkte und Marken. Gewissermaßen in der Funktion eines New-
stickers können auf Twitter Pressemitteilungen in Kurzform verbreitet werden, deren Inhalt von
Unternehmensmeldungen, Neuheiten im Produktangebot bis hin zu Sonderangeboten reicht.
Auch Tweets zu besonderen Events, die das eigene Engagement besonders hervorheben, wie
zum Beispiel eigene Vorträge auf Konferenzen oder spezielle Kundenveranstaltungen, können
sinnvoll sein, um dadurch das eigene Leistungsspektrum zu verdeutlichen. Beiträge können
sich auch mit branchen- oder fachbezogenen Inhalten beschäftigen, um beispielsweise das ei-
gene Know-how zu unterstreichen und sich hierdurch fachlich zu profilieren. Jedoch lassen
sich auch persönliche Sichtweisen, zum Beispiel über Aspekte des Arbeitsalltags bis hin zu
Informationen aus der Privatsphäre, zum Teil kommunikationspolitisch vertreten, wenn es gilt,
dem Unternehmen ein persönliches Gesicht zu verleihen und Nähe durch Authentizität und
Offenheit zuzulassen. Letztlich sind dem inhaltlichen Spektrum für die externe und interne
Kommunikation keine Grenzen gesetzt, wobei auch bei Twitter stets der Nutzen der versandten
Information für die eigenen Leser bzw. Follower als oberste Prämisse im Auge behalten werden
sollte.
Die Häufigkeit der via Twitter versandten Nachrichten deutscher Unternehmen unterscheidet
sich zum Teil erheblich. Den Ergebnissen einer Studie von Absolit (siehe Abbildung 43) zufol-
ge veröffentlicht beispielsweise die Deutsche Bahn täglich etwa fünf Tweets pro Tag, meistens
automatisch generierte Verkehrsmeldungen. Google und die Messe Frankfurt publizieren hin-
gegen nur etwa zwei Tweets pro Woche, was deren Wahrscheinlichkeit erhöht, Aufmerksamkeit
zu erlangen.
Nach einer Studie von Razorfish schätzen Personen, die einer Marke auf Twitter folgen, den
Wert von interessanten Inhalten jedoch fast nur halb so hoch ein, wie den Informationswert von
exklusiven Angeboten. Abbildung 44 belegt, dass 43,5 Prozent der Nutzer direkte ökonomische
Vorteile als Triebfeder ihres Informationsinteresses in Bezug auf die Marke einstufen. 460 Auch
das Vorhandensein einer Kundenbeziehung wird bei fast einem Viertel der Personen als Grund
eines Folgeverhaltens genannt. Service- und Produktinformationen haben demgegenüber bei

4 5 9 VgI. Razorfish (Digital Brand Experience Report, 2009), S. 26


" ^ V g l . Razorfish (Digital Brand Experience Report, 2009), S. 2 6
190 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

Followern einen relativ niedrigen Stellenwert.


Der hinsichtlich seines Umfangs begrenzte Inhalt von Twitter muss sich nicht unbedingt
nachteilig auswirken. Einer Studie zufolge haben sich 48 Prozent der untersuchten Personen
mithilfe einer Suchmaschine weiterführende Informationen über einen Markennamen einge-
holt, den sie zuvor in Twitter gesehen hatten.461
Im Hinblick auf die Informationsbreite sollte man die eigenen Leser nicht mit zu verschie-
denartigen Themenbereichen in den veröffentlichten Tweets überfordern. Wenn das unterneh-
merische Betätigungsfeld interessanten Stoff für multiple Themenbereiche bietet, kann eine
inhaltliche Spezialisierung mittels verschiedener Twitter-Profile sinnvoll sein. Nutzerinteres-
sen an einem bestimmten Genre können somit zielgerichteter bedient werden. Auch bestimmte
Sprachversionen und länderbezogene Veröffentlichungen sind bei multinational tätigen Unter-
nehmen angebracht. Die Firma Dell betreibt vor diesem Hintergrund 35 Twitter-Accounts, die,
wie in Abbildung 45 zu ersehen, auf der zentralen Website www.Dell.com/Twitter dargestellt
werden. Jeder Twitter-Account verlinkt auf eine inhaltlich korrespondierende Website mit wei-
terführenden Informationen. Das inhaltliche Spektrum der Twitter-Repräsentanzen von Dell
reicht von Sonderangeboten (DellOutlet), die noch differenziert für kleine und mittelständische
Unternehmen (DellSmBizOjfers) angeboten werden, neuesten Vorschlägen des eigenen Ideen-
gewinnungsportals (IdeaStorm), Veranstaltungen des technologischen Entwicklungszentrums
(DellTechCenter), Veröffentlichungen von Mitarbeitern des Dell-Teams (TeamDelt) bis hin zu
verschiedenen Blogbeiträgen von Dell (zum Beispiel Direct2Dell, DelllnsidelT, DellSmallBiz).
Diese Accounts werden zum Teil zusätzlich in eigenen Sprachversionen angeboten.
Einen anderen Ansatz in Bezug auf Tw/fier-Repräsentanzen wählt Zappos, ein erfolgreicher
Onlinehändler in den USA, der sich auf den Vertrieb von Schuhen im Internet spezialisiert hat.
Neben dem CEO des Unternehmens twittern auch viele Mitarbeiter in Form von eigenen Ac-
counts. Im Frühjahr 2008 konnten 198 twitternde Mitarbeiter gezählt werden. 462 Jeder der ein-
zelnen Accounts enthält die Firmenbezeichnung „zappos" im Twitternamen, in Verbindung mit
einem Personennamen oder einer Sachbezeichnung. Der CIO des Unternehmens, Tony Hsieh,
kann bereits über 1,535 Million Follower für sich verbuchen.463 Informationen, die auf Twitter
angeboten werden, findet man hierbei, im Vergleich zu Dell, nur in sehr geringem Maße nach
Themenfeldern vorsortiert (zum Beispiel zapposjtelpdesk, zappos_service). Eine Bündelung
zentraler Informationen erfolgt über das Unternehmen im Wesentlichen in den Tweets des CIO,
die jedoch durch die beachtenswerte Zahl von Followern durchaus eine wirkungsvolle Öffent-
lichkeitswirkung erwarten lassen. Die Followerzahlen der Tweets der einzelnen Mitarbeiter des
Unternehmens liegen dagegen weit darunter, zum Teil im niedrigen dreistelligen Bereich. Der
Ansatz der Bündelung zentraler Unternehmensinformationen bei Zappos über den Account des
CIO ist, im Vergleich zu Dell, ein gangbarer Weg, da die Bandbreite der Informationen des
Onlineschuhverkäufers nicht die Dimensionen erreicht wie bei Dell mit dessen umfangreichem
Sortiment an IT-Produkten. Die vielen Twitter-Repräsentanzen der einzelnen Mitarbeiter von
Zappos tragen zu einem gewissen Teil zur „Vermenschlichung" des Unternehmens bei. Sie si-
gnalisieren, dass das Unternehmen von einer One-Voice-Policy abrückt und es stattdessen den
zahlreichen Äußerungen seiner Mitarbeiter Vertrauen schenkt. Dies kann sich förderlich auf
461
Vgl. Keane (Brand tweets sends twitterers searching, 2009)
462
Vgl. Kirkpatrick (Zappos Shows How Social Media Is Done, 2008)
463
Vgl. http://twitter.com/zappos, Seitenaufruf am 22.11.2009
464
http://www.DeU.com/Twitter, Seitenabruf 15.12.2009
7.8 Mikroblogs als Instrument 191

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Abbildung 45: Ausschnitt des Spektrums der Twitter-Repräsentanzen von Dell auf
www. Dell. com/Twitter464
192 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

die Arbeitsmotivation dieser Twitterer auswirken. Durch die vielen persönlichen Netzwerke
der Mitarbeiter können wichtige Unternehmensinformation in bestimmten Fällen zudem relativ
weitflächig verbreitet werden und somit zusätzlich dazu beitragen, die Reichweite von Nach-
richten auszudehnen. Das kann im Fall von Informationen mit elementarer Bedeutung für das
Unternehmen, beispielsweise in einer Krise, hilfreich sein. Die Multiplikation zentraler Bot-
schaften durch die Mitarbeiter bedarf jedoch eines koordinierten Vorgehens.
Die Informationsverbreitung mittels Twitter und auch in anderen sozialen Netzwerken steht
und fällt mit der Zahl der eigenen Follower. Ansätze zur Gewinnung von Rezipienten werden
aufgrund des hohen Stellenwerts dieser Thematik in Kapitel 7.12 erläutert.

7.8.2 Twitter als Werkzeug der Social Media Optimization


Wie bereits im Kapitel zum Thema Social Media Optimization angedeutet, ist Twitter ein her-
vorragendes Medium zur Weiterverteilung und Kanalisierung von Informationsströmen. Twitter
kann als Verteilstation diverse Onlinerepräsentanzen mit Informationen versorgen. Dies kann in
verschiedene Richtungen erfolgen. Twitter kann ein Schaufenster sein, um mit knappen Infor-
mationen Appetit auf Seiten mit weiterführendem Inhalt zu generieren und damit beispielswei-
se Traffic auf eine zentrale Website zu lenken. Die Wirkung erklärt sich durch die wachsenden
Teilnehmerzahlen bei Twitter, die komfortablen Funktionalitäten zur Weiterleitung von Tweets
auf diverse Endgeräte und andere Dienste sowie die relativ gute Repräsentanz von Twittermel-
dungen in Suchmaschinen, wie zum Beispiel Google. Durch die Einführung der Echtzeitsuche
von Google in Deutschland werden Twitternachrichten nun auch in der weltweit bedeutendsten
Suchmaschine Sekunden nach ihrem Erscheinen gefunden und erhöhen somit ihre öffentliche
Ausstrahlungswirkung noch weiter.465 Die beschriebene ReTweet-Funktion erlaubt es ferner,
empfangene Nachrichten, die man als Leser für interessant hält, sehr leicht an die eigenen Fol-
lower weiterzuverbreiten. Das vereinfacht die Durchführung von digitaler Mundpropaganda
und begünstigt virale Effekte.
Empfehlungen können mittels Twitter auch in andere Netzwerke hineingetragen werden.
Diese Crossover-Effekte von einem Netz in das andere potenzieren die Reichweite von Nach-
richten. Twitter verfolgt die Strategie Status-Updates bzw. Tweets mit anderen Netzwerken
auszutauschen und diese nicht nur im eigenen Netzwerk zu belassen. So synchronisiert Twit-
ter beispielsweise Status-Updates mit den sozialen Netzwerken MySpace, Linkedln, den WZ-
Netzwerken sowie mit AOL. Auch im persönlichen Facebookprofil sowie auf XING kann man
sich Tweets anzeigen lassen, ein Informationsaustausch in umgekehrter Richtung findet jedoch
nicht statt.466 Das automatische Weiterleiten von Facebook-Inhalten funktioniert bislang nur für
die Administratoren von Facebook-(Fan-)Seiten. Durch Quervernetzung der Statusmeldungen
verschiedener sozialer Netzwerke kann Twitter eine wichtige Drehscheibenfunktion wahrneh-
men, welche die strategische Bedeutung dieses Dienstes unterstreicht.
Da sich traditionelle Medien und Onlinemagazine zunehmend auf 7vvi'tter-Meldungen in
ihrer Recherche stützen, können Nachrichten in Twitter auch in Presseveröffentlichungen ih-
re Fortsetzung finden und auch darüber insgesamt deren Ausstrahlung erhöhen. Der Kodak-
Manager Jeff Hyzlett unterstreicht diese Auswirkung: „Es ist beeindruckend, wie effektiv Twit-
ter ist. Als ich neulich in New York war, twitterte ich, dass ich mich mit einer neuen Agentur
465
Vgl. Google Blog (Relevance meets the real-time web, 2009)
^ V g l . Cutler (Twitter, 2009)
7.8 Mikroblogs als Instrument 193

treffe. Plötzlich riefen alle Agenturen an, mit denen wir bereits zusammenarbeiten und wollten
wissen, was los ist. Wir wissen, dass die Leute unsere Nachrichten beachten. Aber wir ha-
ben die Verkäufe auch erhöht, indem wir über unsere Produkte getwittert haben. Zum Beispiel
fotografierte Malia, die Tochter des Präsidenten Obama, während der Inauguration mit ihrer
Kamera das Konzert der Jonas-Brothers. Sofort bekam ich 30 oder 40 Nachrichten, dass Malia
eine unserer Kameras benutzte. Wir fingen sofort an, diese Nachricht über Twitter weiterzuver-
breiten - und die Story landete sogar in der 'New York Times'. Die Verkäufe gingen sofort in
die Höhe."467
Immer mehr Medienunternehmen erkennen die Chance, die Twitter bietet, als Promotionsin-
strument für ihre Artikel und ebenso als Recherchequelle. Sie stellen ihre Veröffentlichungen
in Kurzversion ein und profitieren dabei von Twitterern, die ihre Publikationen entweder wei-
terverbreiten oder die eigene Geschichten aufbringen. Nach einer Studie des Marktforschungs-
unternehmens Comscore können Twitter-Nutzer als Nachrichten-Junkies beschrieben werden,
die überproportional häufig Nachrichtenseiten aufsuchen. Wenn ein gewisser Teil der Leser das
Gelesene auf Twitter weiterempfiehlt, kann dies zu einem sich selbst verstärkenden Prozess der
Weiterverbreitung von Inhalten führen.468 Auch im Rahmen der Unternehmenskommunikation
kann dieses Prinzip genutzt werden, nämlich dann, wenn man interessante Veröffentlichungen
in verschiedenen Social-Media-Kanälen verknüpft und Zielgruppen in den Medien abgeholt, in
denen sie sich am liebsten bewegen.
Die Weiterverbreitung in Form von ReTweets kann durch folgende Faktoren gefördert wer-
den:469

• Wertvoller Inhalt: Zentrales Erfolgskriterium zur Förderung der Weiterverbreitung sind


nutzenstiftende Informationen für die primären Informationsempfänger und deren Nut-
zeneinschätzungen für die eigenen Follower

• Links: Nach einer Untersuchung enthalten fast 70 Prozent aller weitergeleiteten Tweets
Links. Dies unterstreicht deren Bedeutung nicht zuletzt als Instrument der Social Media
Optimization.

• Bitte um Weiterleitung: Eine Analyse der Wortinhalte von ReTweets hat ergeben, dass
das Wort „Bitte" in diesen elfmal so häufig vorkommt, wie in zufällig ausgewählten
Tweets. Gezielte Handlungsaufforderungen, wie zum Beispiel „bitte RT", „folgt bitte
dieser Person", „helft bitte", „bitte bewertet in Digg: http://tinyurl.com" etc. an die eige-
nen Follower, können von daher motivierende Impulse zur Beteiligung von anderen und
damit zur Erhöhung der Reichweite der eigenen Botschaften auslösen.

• Nachahmungseffekt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ReTweets weitergeleitet werden ist


im Vergleich zu normalen Tweets höher. Dies lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass
sich Menschen am Verhalten von anderen orientieren. Wenn eine Nachricht von ande-
ren als weiterleitungswürdig erachtet wird, ist man vielleicht eher geneigt, es anderen
nachzumachen und die eigenen Follower durch ein erneutes ReTweet des ReTweets zu
informieren.
^ H a y z l e t t (Twitter ist erstaunlich effektiv, 2009)
^ V g l . Schmidt (Twitterer sind Nachrichten-Junkies, 2009)
^ ' V g l . Zarrela (5 Steps to Going Viral on Twitter, 2009)
194 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

• Timing: Untersuchungen haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit der Erzielung von
ReTweets von der Tageszeit beeinflusst wird. Demnach sind ReTweets tagsüber häufiger
zu beobachten als abends und nachts. Die meisten ReTweets erfolgen zwischen 12:00
und 15:00 Uhr. Auch der Wochentag determiniert die Weiterleitungsfreude. Die Wahr-
scheinlichkeit ist von Montag bis Mittwoch höher als am Ende der Geschäftswoche.

Die genannten Faktoren sind nur ein Aspekt zur Erhöhung der Wirksamkeit von Twitter als
Instrument der Social Media Optimization. Sie unterstreichen jedoch, dass die Nutzung dieses
Instrumentes eines zielgerichteten, planvollen Vorgehens bedarf, in welchem auch Faktoren
Bedeutung erlangen, die über die Gestaltung des reinen Inhalts hinausgehen.

7.8.3 Markenpositionierung durch Aktualität


Informationen über eigene Marken via Twitter tragen auch dazu bei, diese Marken aktuell zu
halten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Markenname des Unternehmens, wie beispiels-
weise bei Zappos, immer Teil des Twitternamens der Mitarbeiter ist. Er sticht dann mit jeder
Veröffentlichung über den abgesetzten und gut sichtbaren Twitternamen besonders ins Auge.
Das setzt voraus, dass man die eigene Marke auch rechtzeitig als Twittername anmeldet, um
zu verhindern, dass der Name von anderen Nutzern belegt wird. Sucht man in Twitter mit
"Find People" beispielsweise die Marke Pampers von Procter & Gamble, findet man unter dem
gleichlautenden Twitternamen nur einen einzigen Nonsense-Tweet mit dem gesamten Textin-
halt "hi".470 Bei den Suchtreffern erscheint auch der Twittername PampersCoupons. Hier wird,
noch problematischer für die Markenführung von Pampers, als Absenderbild eine Packungs-
gestaltung von Huggies, des Konkurrenten Kimberly Klark dargestellt.471 Tweets von Pampers
findet man unter dem Twitternamen Pampersvillage. Über diese Adresse läuft auch eine rege
Kommunikation. Der Markenname Pampers kommt im Twitternamen zwar nicht in seiner ur-
sprünglichen Form zum Ausdruck, er ist dennoch in der Wortzusammensetzung an erster Stelle
enthalten und vermittelt sich auch gut über das Absenderbild mit dem Markenlogo.
Verbirgt sich der Markenname hinter einem Pseudonym, kann die Markenaktualität nicht
so einfach mit einzelnen Tweets aufrechterhalten werden. Kirstin Walther, die Firmencheffin
der Kelterei Walther, die mit ihrem Safiblog bekannt wurde, tritt in Twitter beispielsweise mit
dem Pseudonym SaftTante auf.472 Als Bildelement wird in den Tweets ein Portraitfoto von
Frau Walther verwendet. Ein direkter Bezug zum Markennamen der Kelterei Walther und zum
Markenlogo ist somit für Leser nicht möglich. Der Bezug zum wirtschaftlichen Betätigungsfeld
kann nur indirekt über den selbstironischen Twitternamen abgeleitet werden. Zur Sicherstellung
der Aktualität der Marke müssen bei einem solchen Vorgehen die inhaltlichen Verweise in den
einzelnen Tweets erfolgen.
Die explizite Nennung der eigenen Marke im Twitternamen, im Absenderbild oder direkt
in den Tweets ist eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für die Erzielung ei-
ner Markenaktualität. Um wahrgenommen zu werden, bedarf es auch der möglichst häufigen
Erstellung von Tweets. Dies, weil Status-Updates in der Regel in relativ kurzen Zeitabstän-
den abgegeben werden und man sonst als einer von vielen, denen die eigenen Leser insge-
470
http://twitter.com/pampers, Seitenaufruf am 24.11.2009
471
Vgl. http://twitter.com/PampersCoupons, Seitenaufruf am 24.11.2009
472
Vgl. http://twitter.com/SaftTante, Seitenaufruf am 11.01.2010
7.8 Mikroblogs als Instrument 195

samt nachfolgen, nicht wahrgenommen wird. Die erzwungene Umfangsbeschränkung einzel-


ner Nachrichten kann jedoch als Anlass genommen werden, längere Beiträge zum Beispiel in
Blogs oder eigene Presseseiten aufzusplitten und auf mehrere Tweets zu verteilen. Dabei ist
zu beachten, dass einzelne Veröffentlichungen geschlossene Informationseinheiten darstellen
und für sich genommen einen Informationswert haben. Der Versuchung, nur um der Häufigkeit
willen Belanglosigkeiten zu verbreiten, dass man beispielsweise gerade im Taxi von A nach Β
fährt oder welches Wetter im Augenblick herrscht, sollte man möglichst widerstehen. Dennoch
ist es durchaus legitim, wird von manchen Lesern auch geschätzt und eröffnet zudem Identifi-
kationspotenziale, wenn Kommunikationsverantwortliche von Unternehmen gelegentlich auch
persönliche Informationen von sich preisgeben, weil diese menschliche Nähe zum Ausdruck
bringen. Diese Inhalte sollten jedoch in einem angemessenen Verhältnis zum zentralen The-
menbezug der jeweiligen Kernkompetenz des eigenen Angebotsspektrums stehen.

7.8.4 Imagepflege, Reputationsaufbau


Die vermittelten Informationen sollten dazu beitragen die eigene Reputation zu stärken und
positiv auf das eigene Markenimage zu wirken. In diesem Zusammenhang können in Tweets
durchaus Inhalte in subtiler Form eingestreut werden, die zum Ausdruck bringen, wie fach-
lich kompetent und umtriebig man ist, mit welchen wichtigen Playern man in der jeweiligen
Fachszene und Branche verkehrt, auf welchen wichtigen Events man zugegen ist und welche
Erfolge man für sich oder die eigene Marke verbuchen kann. Gary Vaynerchuk, ein erfolg-
reicher Promoter seines New Yorker Weingeschäfts, der schon früh stark auf Social-Media-
Kommunikation gesetzt hat, erstellt häufig Tweets im Stundentakt, in denen er Informationen
zum Thema „Wein" übermittelt, dabei jedoch im Wesentlichen auch sich selbst vermarktet. Er
hatte bis zum 24.11.2009 14.181 Tweets verfasst und ist mit 849.771 Followern473 ein Beleg
dafür, dass die Häufigkeit seiner Tweets, die oft lustig und originell sind, seine Leser nicht ab-
schrecken. Sein Social-Media-Engagement hat ihm mittlerweile mehrere nationale TV-Auftritte
und Vorträge auf namhaften internationalen Konferenzen, zum Beispiel der Web 2.0 Expo ver-
schafft. Das hat sich wiederum förderlich auf seinen Bekanntheitsgrad ausgewirkt und beflü-
gelte nicht zuletzt sein eigenes Weingeschäft, das sich inzwischen nach seinen persönlichen
Angaben zu einem Markführer in den USA entwickeln konnte.474
Wird man in Twitter als natürliche Person in der Funktion eines Markenbotschafters aktiv,
sollte man darauf achteten, dass man eine Balance zwischen persönlichem Selbstmarketing und
dem Engagement für das Unternehmen, in dessen Auftrag oder mit dessen Billigung man die
Kommunikation betreibt, findet. Mitarbeitern, die im Auftrag des Unternehmens twittern, soll-
ten immer klar die Kommunikationsziele vor Augen haben und es sollten auch Erfolgskriterien
für ihre Arbeit vereinbart werden.

7.8.5 Beziehungspflege
Twitter ist als Mikroblog-Dienst und soziales Netzwerk nicht zuletzt auch ein Instrument zur
Beziehungspflege mit seinen Followern. Im Unterschied zu sozialen Netzen setzt das Lesen von
Veröffentlichungen der eigenen Follower voraus, dass man diesen auch selber nachfolgt. Eine
473
Vgl. http://twitter.com/garyvee, Seitenaufruf am 24.11.2009
474
Vgl. Vaynerchuck (About Gary, 2009)
196 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

aktive Beziehungspflege ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen und erfordert beispielsweise
eine aktive Auseinandersetzung mit den gesendeten Tweets der Personen des eigenen Netz-
werkes. Dies beinhaltet ebenfalls, gelegentlich in Form von Feedbacks auf erhaltene Tweets
zu reagieren, Tipps oder Hilfestellungen bei Fragen zu geben, aber auch selber Fragen zu for-
mulieren, um weiterführende Dialoge zu initiieren. Besonders förderlich für die Bindung von
Followern ist zwar, dass diese exklusive Vorteile, wie zum Beispiel besondere Preisnachlässe,
Sonderangebote etc. erhalten (siehe Abbildung 44), diese Nutzenerwartungen können jedoch
im Rahmen der aktiven Auseinandersetzungen mit eigenen Followern aufgegriffen und durch
besondere Leistungen noch zusätzlich öffentlichkeitswirksam unterlegt werden.
Nach einer Studie von Absolit über die Twitternutzung unterscheiden sich deutsche Unter-
nehmen hinsichtlich des Einsatzes dieses Instruments für das Dialogmanagement.475 Unterneh-
men, wie Google, die Messe Frankfurt oder Daimler beschränken sich auf die Bereitstellung re-
levanter Informationen in Twitter. Firmen wie OTTO, eBay, Kodak und Vodafone setzen dieses
Instrument jedoch darüberhinaus für die Unterstützung des Kundendialogs ein. Fast 90 Prozent
der Inhalte im Twitter-Profil von OTTO bestehen beispielsweise aus Antworten auf Fragen von
Twitternutzern. Diese werden von drei Mitarbeitern betreut, die zeitversetzt für die Kunden da
sind. Das US-Telekommunikationsunternehmen Comcast beantwortet in Twitter täglich etwa
zwanzig differenzierte Antworten auf Fragen, die an dieses gerichtet werden, und unterstreicht
damit öffentlichkeitswirksam seine Serviceorientierung.

7.8.6 Twitter als Verkaufskanal


Twitter eignet sich auch als Kanal zum Auslösen von Kaufimpulsen. Die Firma Dell, deren 35
Twitter-Profile bereits thematisiert wurden, konnte mit DellOutlet bis Mitte 2009 einen Umsatz
von insgesamt zwei Millionen US-Dollar realisieren.476 Das Profil, das im Wesentlichen Son-
derangebote und Preisnachlässe veröffentlicht, ist so attraktiv, dass zum Stand der Erhebung im
November 2009 bereits 1.430.752 Follower diese Veröffentlichungen lesen. Abbildung 46 un-
terstreicht dabei das beachtenswerte Wachstum der Followerzahl im Herbst 2009. Die Tweets
enthalten meist einen Link zum ausgewählten Produkt sowie eine Rabatt-Nummer. Diese Num-
mer muss vor dem Kauf eingeben werden und man erhält dann den Preisnachlass. Dell nutzt
neben DellOutlet weitere 9 Verkaufsprofile, wie zum Beispiel DellSmBizOffers, DellHomeOf-
fers. Der mit Twitter erzielte Umsatz ist zwar in Relation zum Konzern-Gesamtumsatz in Höhe
von 81 Milliarden US-Dollar gering. Aufgrund der relativ hohen Followerzahlen tragen die
Twitter-Profile neben der Generierung von wachsenden Umsätzen jedoch auch dazu bei, Leser
regelmäßig mit der Marke zu konfrontieren, was sich positiv auf die Markenaktualität auswirkt.
Dass Twitter auch zur Generierung von Umsätzen lokal tätiger Unternehmen beitragen kann,
belegt die Firma Naked Pizza, die als Pizza-Service in New Orleans Kunden im Umkreis von
ca. drei Kilometern bedient. Ihre Ende 2009 zu verzeichnenden 6.659 Follower versorgt das
Unternehmen mit ein bis fünfzehn Tweets am Tag. Gute 20 Prozent des Tagesumsatzes führen
das Management auf ihre Twitter Postings zurück. Eine spezielle Werbeoffensive auf Twitter
erbrachte sogar zusätzliche 69 Prozent der üblichen Tageseinnahmen. Die Firma war von den
positiven Auswirkungen der Twitternutzung so begeistert, dass sie vor dem Gebäude ein großes
Werbeplakat hat anbringen lassen, auf welchem die Twitter-URL „twitter.com/nakedpizza" groß
475
Vgl. Schwarz (Twitter-Strategien deutscher Unternehmen, 2009)
476
Vgl. Basic Thinking Blog (Erfolgreich verkaufen via Twitter, 2009)
7.8 Mikroblogs als Instrument 197

DellOutlet twitter statistics

De« Outlet I «;
Bio. Refurbished Dell'" computers, electronics. Question/comment? Contact Stefanie Nelson at @StefanieAtOell. More Dell
Twitter accounts at www Dell.com/Twitter

1532k Folowers Followers Following Tweets


"»»'"«•«r <—r 1,582,391 26 171

DellOutlet
.615 383'.

31-10 09-11 19-11 29-11 09-12 19-12 29-12 08-01 18-01 28-01

Abbildung 46: Entwicklung der Follower des Twitter-Profils "DellOutlet" Ende 2009477

sichtbar dargestellt wurde, wie in Abbildung 47 gezeigt. Die Relevanz von Twitter für das
Unternehmen kommt ferner dadurch zum Ausdruck, dass in Mailings nur noch der Twitter-
Kontakt und keine Telefonnummer mehr dargestellt wird.478

7.8.7 Twitter als Instrument des Personalmarketings


Twitter wird zunehmend auch für die Jobsuche und vonseiten der Unternehmen für das Perso-
nalmarketing genutzt. Unternehmen, wie das Versandhaus OTTO, der Autokonzern Daimler,
die Allianz-Versicherung und der Pharmakonzern Bayer, schalten Stellenanzeigen in Form von
Tweets. Die angebotenen Stellen haben zwar noch häufig einen direkten Bezug zur IT, das
inhaltliche Angebotspektrum verbreitet sich jedoch laufend. Interessant ist diese Art des Stel-
lenmarktes mittlerweile auch für Freiberufler, PR- und Marketingexperten.
Auf der Suche nach angebotenen Stellen bietet sich die Möglichkeit an, sich als Follower bei
einem der Wunscharbeitgeber einzutragen, um die Stellenanzeige direkt als 7vviiter-Mitteilung
zu erhalten. Einfacher ist es spezielle Suchdienste, wie zum Beispiel twitterjobsearch.com oder
das deutsche Angebot jobtweet.de zu nutzen. Bei twitterjobsearch werden, wie in Abbildung 48
dargestellt, bei einer Volltextsuche übersichtliche Filter angeboten, mittels derer man die Such-

477http://twittercounter.com/DellOutlet/all/followers, Seitenaufruf am 24.11.2009


4 7 8 Vgl. Social Media Optimization (How Naked Pizza is using Twitter, 2009)
198 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

ergebnisse zum Beispiel nach betreffenden Ländern, Berufsbezeichnungen, Einkommensklas-


sen, des Umfangs des Twitter-Engagements und vielem mehr sehr komfortabel reduzieren kann.
Die Suche nach „Social Media Marketing" ergab im Januar 2010 beispielsweise an einem Tag
116 Stellenangebote und am darauf folgenden nur 16. Bei ersteren per Tweet publizierten Stel-
lenangeboten kamen 25 aus dem Vereinigten Königreich und 19 aus den USA.479 Der Dienst
„jobtweet.de" kann neben der Suche nach Stellenangeboten auch zur Suche von Bewerbern mit
einem bestimmten Profil genutzt werden.
Dass diese Suche neue Möglichkeiten bietet, persönliche Stärken und Interessen aufzuspü-
ren, erläutert Personalberater Jacobsmühlen am Beispiel eines Tischlers, der ein Jobangebot als
Fahrstuhldesigner erhielt. Die Firma wurde über eine 7vv¡rter-Suchmaschine auf dessen Profil
aufmerksam, in welchem er über seine Sammelleidenschaft für Fahrstühle und sein Interesse
an Aufzügen berichtete.480
Bewerber auf Jobsuche sollten das eigene Twitter-Profil so gestalten, dass daraus möglichst
viele wichtige Informationen zur eigenen Person hervorgehen, zum Beispiel in Bezug auf Aus-
bildungstand, Fachbereich etc. Es sollte im Profil auch ein weiterführender Link auf eine per-
sönliche Website, den eigenen Blog oder das eigene Profil in einem anderen sozialen Netzwerk
enthalten sein. Es ist dann ratsam in regelmäßigen Abständen Tweets zu veröffentlichen, in
denen der Wunsch nach einem bestimmten Stellenangebot zum Ausdruck gebracht wird.
Wenn sich ein Unternehmen dafür entscheidet, über Twitter Mitarbeiter zu gewinnen, gibt
es verschiedene Wege, dies durchzuführen. So können Tweets zu offenen Stellen mit entspre-
chenden Links platziert werden, die dann auf die direkte Personalanzeige verlinken. Bewerber
können sich darauf entweder ganz regulär bewerben oder über Twitter mit dem Personalver-
antwortlichen in Kontakt treten. Ein indirekter Weg der Werbung für Mitarbeiter kann auch so
erfolgen, dass in Tweets Hinweise zu Veranstaltungen wie Karrieremessen, Konferenzen oder
Unternehmensmessen geben werden, auf denen sich das Unternehmen präsentieren will. Dem
Unternehmen steht zudem die Möglichkeit offen, gezielt nach Stellengesuchen in Twitter Aus-
schau zu halten. Der Personalberater Thorsten Jacobsmühlen unterstreicht die Chancen dieser
Möglichkeiten: „Twitter ist ein Eldorado für Personaler, hier haben sie Zugriff auf unglaublich
viele potenzielle Mitarbeiter."481
Die Stellenausschreibung via Twitter hat den Vorteil, dass sie sehr rasch realisiert werden
kann und dass keine Schaltkosten entstehen. Das Unternehmen bleibt mit seinen Followern
auch dann in Kontakt, wenn akut keine Stelle zu besetzen ist. Man kann unter Umständen
auch das soziale Netzwerk der Follower nutzen, wenn diese Suchanfragen zum Beispiel per
ReTweet-Funktion an die persönlichen Follower weitergeleitet werden. Oder, indem man ge-
zielt Bekannte kontaktiert, die eventuell ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle haben
könnten. Ein weiterer Vorteil ist, dass man mit Personen verbunden bleibt, die aktiv gar keinen
Job suchen, die sich jedoch durch den entsprechenden Tweet möglicherweise angesprochen
fühlen. Nicht zuletzt belegt man mit der Jobsuche via Twitter, dass man sich auf der Höhe der
Zeit befindet und mit modernen Medien zu arbeiten gewohnt ist.482

479
Vgl. http://www.twitteijobsearch.com/search?q=Social+Media+Marketing&tweeted_on=yesterday, Seitenaufruf am
25.01.2010
480
Vgl. Jacobsmühlen, T., zitiert in Tutmann (Jobsuche via Twitter, 2009)
48
'Jacobsmühlen, T., zitiert in Tutmann (Jobsuche via Twitter, 2009)
482
Vgl. Tutmann (Jobsuche via Twitter, 2009)
483
Infrogmation (NakedPizzaTwitterNOLAJan2010.jpg, 2010)
7.8 Mikroblogs als Instrument

com/nakedpiz2a

Abbildung 47: Twitter-Außenwerbung von Naked Pizza


200 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Sign tri with Twitter

W h a t do you want to do?


Social Media Marketing

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Saturday 16 January 2010 02 3'
Tweeted On

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Sunday 24 January 2010 09:57
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Sunday 24 January 2010 02:15
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Abbildung 48: Suchtreffer mit Stellenangeboten zum Thema "Social Media Marketing " in Twit-
terJobSearch. corri484

Stellenanbieter und Stellensuchende sollten jeweils auf die Gestaltung ihres Profils achten.
Selbstredend sollte man die positive Außenwirkung des eigenen Profils inklusive der weiter-
führenden Informationen im Blick behalten, um möglichst schon über den ersten Eindruck bei
den jeweiligen Rezipienten punkten zu können.

484
http://www.twitteijobsearch.com/search?q=Social+Media+Marketing, Seitenaufruf 25.01.2010
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 201

7.9 Soziale Netzwerke als Instrument


7.9.1 Unternehmensprofile als Voraussetzung der Kommunikation
Wie bereits bei der Erläuterung von sozialen Netzwerken zum Ausdruck gebracht, sind zwei
zentrale Aspekte Bedingung für den Einsatz dieser Kanäle in der proaktiven Kommunikation.
Zunächst wird ein Nutzeraccount benötigt, der zur Erstellung eines Nutzerprofils sowie entspre-
chender Mitteilungen, zum Beispiel in Form von Statusmeldungen befähigt. Darüber hinaus
bedarf es der Personen, die mit dem Ersteller des Nutzerprofils in Beziehung treten wollen und
dadurch automatisch dessen generierte Informationen erhalten. Das Augenmerk soll im Folgen-
den zuerst auf das Unternehmensprofil gelegt werden. Soziale Netzwerke wurden ursprünglich
schwerpunktmäßig zur Vernetzung von natürlichen Personen angelegt. Heute erlauben sie es
jedoch oftmals auch Unternehmensprofile zu erzeugen.
Bei XING werden Unternehmensprofile, wie bereits erwähnt, mittlerweile automatisch gene-
riert, deren individuelle Anpassung ist allerdings gebührenpflichtig. In Publikationsnetzwerken
kann der Profilname häufig frei gewählt werden, wie es zum Beispiel bei Twitter der Fall ist, so
dass hinsichtlich der Profilseiten von Unternehmen und Marken keine Besonderheiten beachtet
werden müssen.

Unternehmensprofile am Beispiel von Facebook-Seiten Der weltweit größte Netz-


werkanbieter Facebook ermöglicht es Unternehmen und Marken so genannte Facebook-Seiten,
anzulegen, mit denen man als Interessent eine Fanbeziehung eingehen kann. Der Aufbau ei-
ner Facebook-Seite, meist als Fanseite bezeichnet, ähnelt der persönlichen Profilseite, mit Foto
oben links, gefolgt von unterschiedlichen Reitern, wie „Pinnwand", „Info", „Fotos", „Diskus-
sionen", „Links", „Veranstaltungen", „Notizen", „Video" und anderen Rubriken. Ähnlich den
Einstellungen des eigenen Facebook-Profils, können auch bei der Fanseite gewisse Einstellun-
gen vorgenommen werden. So kann man unter anderem als Administrator entscheiden, in wie-
weit Fans auf der Seite aktiv werden können. Ob sie beispielsweise an die Pinnwand schreiben
und Fotos, Videos und Links posten dürfen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Fanseite mit dem eigenen Twitter-Account zu
verknüpfen. Neue Pinnwandeinträge im Textfeld „Was machst Du gerade?" können somit auch
als Tweet veröffentlicht werden. Abbildung 49 zeigt beispielhaft die Pinnwand der Fanseite von
Starbucks mit den letzten dargestellten Unternehmenseinträgen. Textbeiträge können zusätzlich
mit Anhängen, wie Fotos, Videos oder Umfragen versehen werden. Nach der Eingabe der In-
formationen in das Textfeld kann zusätzlich ausgewählt werden, ob man die Information mit
allen Fans teilen oder ob man sie nur für Fans in einem bestimmten Land oder einer bestimm-
ten Sprache sichtbar machen will. Man kann somit multinationale Informationsempfänger mit
Informationen in eigenen Sprachkreisen gezielter ansprechen und zusätzlich mit landesspezi-
fischen Neuigkeiten aufwarten, ohne die Empfänger mit unrelevanten Veröffentlichungen zu
langweilen.
Fans bekommen diese Pinnwandeinträge immer auf ihrer Startseite unter der Rubrik „Neu-
igkeiten" als Live-Meldungen angezeigt. Die Einträge können natürlich auch auf der Pinnwand
der Unternehmensseite eingesehen werden, Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich Fans dort-
hin begeben. Eine höhere Kontaktwahrscheinlichkeit besteht, wenn die Unternehmensinforma-
tion als Live-Meldung Eingang in die Fan-Startseite finden.
202 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

facebook Startserte Pro« freunde Postfach 2 UweMettte' Bnsfcelungen Aixnekjen


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Abbildung 49: Pinnwand mit neuesten Meldungen der Fanseite Starbucks485

Live-Meldungen können direkt kommentiert und pauschal danach beurteilt werden, ob ei-
nem die Nachricht gefällt. Kommentare von anderen lassen sich zudem direkt einsehen. Bei
empfangenen Neuigkeiten hat man darüber hinaus die Möglichkeit, sie mit anderen zu teilen.
Dies unterstützt Crossover-Effekte vom Kreis der eigenen Fans in die persönlichen Netze der
weiterleitenden Freunde.
Die Kommunikation mithilfe von Fanseiten ermöglicht es einer Marke, im Kreis der Fans
direkt in Erscheinung zu treten. Dies wäre auf der Basis von persönlichen Profilen, zum Beispiel
über den Umweg von Facebook-Profilen der eigenen Mitarbeiter nicht in dieser Form möglich.
Facebook-Fanseiten haben gegenüber den personenbezogenen Profilseiten zudem den Vorteil,
dass mehrere Administratoren für deren Pflege benannt werden können, wobei deren Namen
nach außen hin nicht sichtbar werden.
Unternehmens- und Markenprofile bzw. Corporate Sites auf sozialen Netzwerken können
485
http://www.facebook.com/Starbucks, Seitenaufruf am 21.12.2009
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 203

G r u n d , Fan e i n e r M a r k e auf F a c e b o o k zu sein

Anderes I 0,7 Angaben in Prozent


der befragten Nutzer
Kundendienst/Produktinfos flHHHi 5,0

Interessante Inhalte 18,2

Bekannte sind Fans 6,2

Exklusive Angebote 36,9

Befragter ist Kunde 32,9

Abbildung 50: Grund, Fan einer Marke auf Facebook zu sein,486

heute zum Teil schon beachtliche Zahlen von Folgewilligen auf sich vereinigen. Die Face-
book-Seite von Coca-Cola weist Anfang Dezember 2009 beispielsweise über vier Millionen
Fans auf.487 Starbucks folgen bereits über 5,1 Millionen Fans.488 Facebook-Seiten deutscher
Marken mit emotionalem Appeal, wie zum Beispiel Porsche (551.000 Fans)489 und BMW
(403.789 Fans)490, liegen zwar deutlich unter diesen Zahlen, sie wachsen jedoch relativ stark.
Eine reichweitenstarke Fanseite ist jedoch kein Selbstläufer. Gemäß einer Studie haben 77 Pro-
zent der Facebook-Fanseiten unter 1.000 Fans und weniger als ein Prozent davon weisen mehr
als 100.000 Fans auf.491
Nach einer Studie von Razorfish werden die Argumente, die in Abbildung 50 dargestellt sind,
als Gründe angeführt, Fan einer Marke auf Facebook zu sein. Das Vorhandensein einer Kun-
denbeziehung wird in fast einem Drittel der Fälle genannt, Fan der betreffenden Marke werden
zu wollen geben 32,9 Prozent an. Einen noch stärkeren Anreiz stellen ökonomische Vorteile
durch exklusive Angebote dar (36,9 Prozent). Interessante Inhalte werden nur in 18,2 Prozent
der Fälle als Anlass gesehen, eine Fanbeziehung eingehen zu wollen.492 Dies untermauert die
Vermutung, dass die Häufigkeit der Aktualisierung von Inhalten kein zentrales Erfolgskriterium
für das Eingehen einer Fanbeziehung ist. Während nämlich bei einer Durchschnitts-Facebook-
Fanseite alle 15,7 Tage ein neuer zentraler Beitrag veröffentlicht wird, erfolgt dies bei Seiten
mit mehr als einer Million Fans alle 16,1 Tage.493

Markenkommunikation mithilfe einer Facebook-Gruppe Eine mögliche Basis für die


Kommunikation mit Markeninteressierten stellt auch die Einrichtung einer Facebook-Gruppe
dar. Facebook erläutert den Unterschied zwischen einer Fanseite und einer Gruppe folgender-
maßen: „Seiten können erstellt werden, um tatsächliche Personen der Öffentlichkeit, Künstler,
Marken oder Organisationen darzustellen. Sie dürfen nur von einem offiziellen Vertreter dieser
486
Vgl. Razorfish (Digital Brand Experience Report, 2009)
487
Vgl. http://www.facebook.com/cocacola, Seitenaufruf am 04.12.2009
488
Vgl. http://www.facebook.com/Starbucks, Seitenaufruf am 04.12.2009
489
Vgl. http://www.facebook.com/porsche, Seitenaufruf am 04.12.2009
490
Vgl. http://www.facebook.com/BMW, Seitenaufruf am 04.12.2009
491
Vgl. Sysomos (Inside Facebook Pages, 2009)
492
Vgl. Razorfish (Digital Brand Experience Report, 2009)
453
Vgl. Sysomos (Inside Facebook Pages, 2009)
204 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Person bzw. der Rechtsperson erstellt werden. Gruppen können von jedem Benutzer über ein
beliebiges Thema gegründet werden. Sie dienen als Bereich für die Gruppenmitglieder zum
Austausch von Meinungen und Interessen zu dem Thema. Seiten können mit Rieh Media und
interaktiven Anwendungen gestaltet werden, um den Besuchern der Seite eine interessante Er-
fahrung zu bieten. Anwendungen können nicht zu Gruppen hinzugefügt werden. Seiten dienen
dazu, den Seitenadministratoren eine persönliche bzw. berufliche Plattform zur Präsenz auf Fa-
cebook zu ermöglichen, während Gruppen ein Teil deiner persönlichen Facebook-Erfahrung
sind."494
Facebook-Gruppen sind von daher dafür prädestiniert, Anwendern, Befürwortern und Be-
wunderern einer Marke eine Austauschplattform zu geben. Auf dieser können eigene Erfah-
rungen, Anwendertipps, Empfehlungen und markenbezogene Kritik ausgetauscht werden, man
kann Treffen organisieren und vieles mehr. Nachrichten von Nutzern können auf der Pinnwand
dargestellt, kommentiert und anschließend bewertet werden, wie in Abbildung 51 auf der Pinn-
wand der Audi-Gruppe zu ersehen ist. Dieser Gruppe gehören Anfang Dezember 2009 22.204
Mitglieder an und sie wird von zwei Administratoren aus Saudi Arabien betreut.495
Mitglieder können in Facebook-Gruppen Bilder und Videos hochladen und Links einstellen,
sofern man das als Administrator erlaubt. Alternativ kann über die Einstellungsoptionen auch
geregelt werden, dass nur die Administratoren über diese Rechte verfügen. Interaktive Anwen-
dungen, wie es sie bei Fanseiten gibt, können Gruppen nicht zugeordnet werden.
Der Fokus von Gruppen liegt insgesamt eher in der Förderung einer Interaktion der Gruppen-
mitglieder untereinander, als in der großflächigen Kommunikation der Marke. Die Facebook-
Gruppen bieten nämlich kein eigenes RSS an, so dass man als Mitglied einer Gruppe nicht
automatisch über neue Informationen und Statusänderungen auf der Gruppenseite benachrich-
tigt wird. Die Versorgung der Gruppenmitglieder mit neuesten Markennachrichten setzt voraus,
dass sich diese möglichst oft zur Gruppenseite begeben und dort mit den Informationen kon-
frontiert werden. Alternativ hat man als Administrator noch die Kommunikationsmöglichkeit:
„Nachricht an alle Mitglieder schicken". Diese Nachrichten werden in deren Postfächern an-
gezeigt. Diese Funktion steht allerdings nicht mehr zur Verfügung, wenn die Gruppe mehr als
5.000 Mitglieder hat 4 9 6
Für das öffentlichwirksame Publizieren von Nachrichten und neuen Inhalten sind Facebook-
Fanseiten viel besser geeignet. Facebook-Gruppen können jedoch in der Funktion von Mar-
kenforen wirkungsvolle Hilfsmittel zur Bindung von markenaffinen Käufern und Interessenten
sein. Die eigene Marke kann in verschiedenen multimedialen Darstellungen von den eigenen
Nutzern thematisiert werden und diesen durch soziale Rückkopplungen eine entsprechende Be-
kräftigung und Bestätigung bieten.
Ein zentraler Vorteil von Facebook-Gruppen ist, dass sie die verschiedenartige Gestaltung
von Zugangsrechten ermöglichen. Neben offenen Gruppen, zu denen jeder beitreten kann,
sind auch geschlossene Gruppen sowie geheime Gruppen möglich. Bei geschlossenen Gruppen
müssen Anfragen neuer Mitglieder erst durch die Administratoren bestätigt werden. Geheime
Gruppen werden in Suchergebnissen nicht angezeigt und der Gruppenbeitritt ist nur über ei-
ne Einladung möglich. Die Inhalte von geschlossenen sowie von geheimen Gruppen können
494
http://www.facebook.com/help.php?page=903&hloc=de_DE, Seitenaufruf am 08.12.2009
495
Vgl. http://www.facebook.com/group.php?gid=2253356989&ref=search&sid=1553500106.1697201568..1, Seiten-
aufruf am 08.12.2009
496
Vgl. http://www.facebook.com/help.php?page=903&hloc=de_DE, Seitenaufruf am 08.12.2009
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 205

facebook Startseite Prof« Freunde Postfach 2 Uwe HettJtf Snstafangen Abmelden

ÖGQD
Auöi
Audi

Pinnwand
ü

Info Fotos Diskussionen


Jemanden einladen
Werbeanzeige erstehen
Gruppe verlassen
Schreib e t w a s . . .
Facebook-Seiten
Anhängen: ' | | ¡ S?*

KatßgOfe:
5portÄFreizeit-Motorsport
Uwe H e t t i e r Die Farbe meines neuen A4 Avant sieht nach einem Jahr ta
Beschriftung: schon ziemlich verwaschen a u s
Αυά <5 the best vor 2 Stunden Kormentseren · Gefaft nw Meiden Facebook-Settert helfen de·
car dabei. neueKunsÜer,
Aft der Pnvatas#we: Unternehmen und Marken zu
Vasifis Tsiavos ι love my a6 entdecken. Du kannst dich
Offen: Ale Inhalte and offentich
vor »G Stunden Kommentieren • Gefeilt nw Meiden rudern rr»t denen vernetzen,
zugangkh.
á e du bereits magst.

wertere Werbeanzeigen

S
Administratoren L u c * DisKito l u k à s ô Audi A4, TT a RS = *
Gestern un 23:22 - KOfnmenüeren Gefeilt m Meiden
< Onvy Al Nahe» (Saud Araba)
• Pifiad Afearse gaudi Arabía)
Guido Alessi A6 3.0 TFSI Quattro TipTronic SlmePack. fantastic
Gestern un 12:02 • Kexmwnöeren Gefeit m Meiden
6 von 22.20* Mtgisdem Ale anzagen

aap
Panagwös
Katsoyäs
Caner
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Abbildung 51: Pinnwand der Facebook-Gruppe „ Audi «497

nur von den Gruppenmitgliedem eingesehen werden. Nichtöffentliche Gruppen eignen sich für
den internen Austausch mit Unternehmensmitarbeitern. So unterhält die Firma Siemens bei-
spielsweise eine geschlossene Gruppe "For All Employees of Siemens Worldwide", die 5.772
Mitglieder zusammenfasst und welcher ausschließlich Siemensmitarbeiter beitreten dürfen.498
Geschlossene Gruppen sind auch als Ideengewinnungsplattformen denkbar, um Interessenten,
die an einer ernsthaften Mitarbeit an Produktverbesserungen und -neuheiten interessiert sind,
im eigenen sozialen Netzwerk eine entsprechende Plattform zu bieten.

497
V g l . http://www.facebook.com/group.php?gid=2253356989&ref=search&sid=l553500106.1697201568.. 1, Seiten-
aufruf am 08.12.2009
498
V g l . http://www.facebook.com/group.php?gid=2226189760&ref=search&sid=l553500106.1146800705.. 1, Seiten-
aufruf am 08.12.2009
206 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

7.9.2 Nutzungsmöglichkeiten von sozialen Netzwerken am


Beispiel von Facebook
Corporate Sites auf sozialen Netzwerken bieten Unternehmen weitreichende Möglichkeiten zur
proaktiven Kommunikation. Es können hier bereits viele Aspekte der Einsatzmöglichkeiten von
Twitter angeführt werden, die im vorigen Kapitel genannt wurden, da der Kurznachrichten-
dienst gleichzeitig auch als Publikationsnetzwerk bzw. soziales Netzwerk i. e. S. anzusehen ist.
Die bereits gemachten Ausführungen sollen hier um spezifische Gesichtspunkte ergänzt wer-
den, die bei Kommunikations- und Beziehungsnetzwerken bzw. Netzwerken im engeren Sinn
zu beachten sind. Als Referenzobjekt soll wiederum der Marktführer Facebook dienen.

Informationsverbreitung, Social Media Optimization Die Erzielung von Reichweite


setzt bei sozialen Netzwerken i. e. S. das Vorhandensein einer im gegenseitigen Einverständ-
nis vereinbarten Beziehung voraus. Diese ist bei einem persönlichen Profil bei Facebook eine
Freundschaftsbeziehung, bei einer Unternehmensseite eine Fanbeziehung und bei einer Grup-
pe eine Mitgliedschaft. Ansatzpunkte für den Aufbau von Beziehungen werden im Abschnitt
„Gewinnung von Rezipienten und Multiplikatoren" genannt.
Grundsätzlich könnte man für die markenbezogene Kommunikation Personenprofile der ei-
genen Mitarbeiter nutzen. Dies hat jedoch den Nachteil, dass durch die anwendungsseitig vor-
gegebenen Felder des Personenprofils relativ eingeschränkte Möglichkeiten für eine explizite
unternehmensbezogene Darstellung und die Kommunikation der eigenen Marke bestehen. Au-
ßerdem dürfte es für „einfache" Angestellte nicht leicht sein, genügend Freunde zu finden, um
über diesen persönlichen Umweg entsprechend Aufmerksamkeit für das Unternehmen zu ge-
nerieren. Facebook-Profile eigener Mitarbeiter eignen sich sehr gut, um als Multiplikatoren zu-
sätzlich tätig zu werden, interessante Unternehmensinformationen auf privater Basis zu streuen
und digitale Mundpropaganda zu betreiben. Als offizielles Aushängeschild und zentrale Kon-
taktadresse des Unternehmens kommen sie in der Regel weniger in Frage, es sei denn, es han-
delt sich um das Profil eines bekannten Unternehmensvertreters, zum Beispiel eines namhaften
CEO, welcher das Unternehmen gewissermaßen verkörpert. Ein Auftritt als Unternehmen oder
als Marke erfolgt am besten über eine unternehmensbezogene Fanseite, da, wie bereits erwähnt,
auch entsprechende Facebook-Gruppen in diesem Zusammenhang gewisse Nachteile aufwei-
sen.
Firmen, wie zum Beispiel Coca-Cola, belegen, wie markenbezogene Informationen über
Facebook-Seiten an die große Zahl von über vier Millionen Fans zielgerichtet gestreut werden
können. Einträge seitens des Unternehmens auf der Pinnwand von Coca-Cola erfolgen meist
nur alle drei bis vier Tage. Ein Großteil der über 100 täglichen Pinnwandeinträge kommt von
Fans, die ihre Inhalte häufig mit Links und Fotos versehen. Die Seite weist 3.705 Fan-Fotos und
85 Fan-Videos auf. Der Seiteninhalt des Reiters „Fotos" wird in Abbildung 52 gezeigt.
Die Fanseite von Coca-Cola wurde ursprünglich in privater Initiative von zwei Begeisterten
der Marke betrieben, die für die Seite bereits 2,5 Millionen Fans gewinnen konnten. Aufgrund
der geänderten Facebook-Politik, die vorgibt, dass Markenseiten von einem offiziellen Vertreter
administriert werden müssen, war die Seite von der Schließung gefährdet. Vor diesem Hinter-
grund lud der Group Director-Worldwide Interactive von Coca-Cola, Michael Donnelly, die
beiden bisherigen Administratoren nach Atlanta in die Zentrale ein und einigte sich mit diesen
darauf, dass sie den neuen Administrator von Coca-Cola künftig als Co-Administratoren un-
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 207

facebook Startserte Profrf freunde Postfach Bnstelungen Abmelden

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Kommentare anzeigen 1 ; ι * 5 Weiter Letzte Seite

Abbildung 52: Inhalt der Rubrik „Fotos " der Facebook-Seite von Coca-Cola499

terstützen sollten. Im Gegenzug sollten sie direkt in Marketing-Aktivitäten des Unternehmens


mit einbezogen werden. Seitdem hat das Wachstum der Fans dieser Seite stetig zugenommen,
was als Erfolg für die Herangehensweise zu werten ist.500
Die Facebook-Fanseite von Coca-Cola mag vielleicht die größte Präsenz in einem sozialen
Netzwerk sein, sie ist jedoch nicht die einzige. Die Strategie des Unternehmens in der Errei-
chung von Zielgruppen besteht nicht darin, alle Personen auf eine zentrale Markenseite ziehen
zu wollen, sondern entsprechende Angebote dort zu platzieren, wo sich die Fans aufhalten. Das
heißt, dass es eindeutig mehrerer Auftritte in verschiedenen populären Social-Media-Kanälen
bedarf. Michael Donnelly äußert sich hierzu folgendermaßen: '"For years brands built [web]
pages and expected people to come to them' he said. 'Then you had Second Life and brands
499
Vgl. http://www.facebook.com/cocacola, Seitenabruf 4.12.09
500
Vgl. Klaassen (Media Mavens, 2009)
208 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

went out and built islands and expected people to come to them. Well, people don't actually do
that. Whatever they're doing on the web, they're not there to be hijacked and taken to wherever
you want to take them.' Today, Coke 'fishes where the fish are.'" 501
Durch die Verknüpfungsmöglichkeit von Facebook mit Twitter und dem damit verbundenen
Crossover-Effekt der Darstellung eigener Neuigkeiten, auch für die Follower und in der öf-
fentlich einsehbaren Twitter-Timeline, eignet sich dieser Kanal ferner in hervorragender Weise
für das Social Media Optimization. Es erweitern sich hierbei die Möglichkeiten der Streuung
von Informationsinhalten, die bereits bei der Vorstellung von Twitter thematisiert wurden. Die
Einführung der Echtzeitsuche von Google, in Deutschland im Frühjahr 2010 geplant, wird öf-
fentliche Einträge in Facebook, MySpace oder Friendfeed unmittelbar nach ihrer Erstellung
in der Suchmaschine zugänglich machen und damit deren Verbreitungswirkung noch weiter
erhöhen. 502
Facebook bietet, wie in Abbildung 53 gezeigt, zudem Applikationen, so genannte Widgets
an, um Informationen des persönlichen Profils in Form von Bannern auch auf anderen Inter-
netseiten, zum Beispiel dem eigenen Blog oder der eigenen Website, ausschnittartig zu präsen-
tieren. Darüber hinaus können Widgets auch auf jenen Seiten dargestellt werden, die Besuchern
ermöglichen, Fan der eigenen Marke zu werden oder die eigenen Inhalte in ihrem persönlichen
Freundeskreis in Facebook zu verteilen.
Ein weiterer Vorteil einer Facebook Corporate Site für das Social Media Optimization ist,
dass diese durch Suchmaschinen sehr gut indiziert wird. Eine Marke schafft sich damit eine zu-
sätzliche Möglichkeit, im Netz gefunden zu werden, und erhöht die Wahrscheinlichkeit, Traffic
für die zentrale Markenpräsenz zu generieren.
Die Nennung der Adressen eigener Facebook-Seiten in externen Web-Auftritten kann zusätz-
lich durch folgendes Detail positiv beeinflusst werden: Ab 100 Fans darf ein Unternehmen die
URL „www.facebook.com/ihrwunschname" selber definieren. Dies sollte man rechtzeitig tun,
um zu vermeiden, dass andere einem diesbezüglich zuvorkommen. 503

Förderung der Markenbindung im Rahmen einer branded Community Marken-


bezogene Informationen müssen, wie die umfangreichen Fanbeiträge auf der Coca-Cola-Seite
zeigen, von daher nicht allein in Eigenregie des Unternehmens generiert werden. Fans tragen,
wenn sie von einer Marke begeistert sind, maßgeblich zur Contentproduktion und Thematisie-
rung der Marke bei. Die eigene Fanseite ist jedoch, wenn man die Einstellung von Inhalten
auf der Pinnwand freigibt und auch das Hochladen von Multimediabeiträgen erlaubt, mehr als
nur ein ins Internet verlängertes Sprachrohr des Unternehmens. Die Seite erfüllt gleichzeitig die
Funktion einer Fan-Community, auf welcher man die Inhalte des Unternehmens von denjenigen
der Fans optisch elegant trennen kann. Wie in Abbildung 49 gezeigt, kann man auf der Pinn-
wand der Facebook-Seite von Starbucks zwischen zwei Inhaltsarten navigieren. Einmal können
Informationen ausgewählt werden, die von Starbucks stammen und einmal Einträge von Fans.
Die Einrichtung einer Fan-Community lässt sich natürlich noch besser mit dem Aufbau einer
Facebook-Gruppe realisieren, wobei hier, wie beschrieben, der Austausch der Gruppenmitglie-
der im Vordergrund steht und die Möglichkeiten zur Streuung eigener Informationen beschränkt
sind. Das Engagement von Markenfans wirkt sich, unabhängig davon, ob sie sich auf einer Fa-
501
Donnelly, M., zitiert in: Klaassen (Media Mavens, 2009)
502
Vgl. Google Blog (Relevance meets the real-time web, 2009)
503
Vgl. Ganriel (20 Griinde, 2009)
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 209

facebook St artrite Prof« Freunde Postfach Brtstefejngen Abmelden

Facebook-Widgets
Teile Informationen im g e s a m t e n Internet

Persönliches Profi Webseite oder Unternehmen ¡Q Entwickler

Profilbanner • Teilen » Auf Facebook


Teile deine Facebook-
322 Gestatte Besuchern deiner veröffentlichen »
inforrnationen auf anderen Seite deine Inhalte auf II E m a t i c h e Nutzem ihre
Webseiten. Facebook zu teilen. Handlungen und Inhalte auf
Facebook zu
Fotobanner • Facebook Con Fanfeld » veröffentlichen.

Teile deine Facebook-Fotos


G Ermögliche Nutzern Fans
auf anderen Webseiten. von dir zu werden und Kommentarfeld >
ITI deine Facebook-Seite in Ermögliche Nutzem deine
ihren Nachrichtenstromen Inhatte ganz einfach zu
Fanbanner » zu sehen. kommentieren.

Stelle deine Uebltngsserten


auf deiner Webseite oder in
Seitenbanner • Uve Stream •
deinem Blog zur Schau. Veröffentliche Ermögliche Facebook-
Informationen über deine Nutzern sich m Echtzeit zu
Facebook-Serte auf vernetzen, Seitrage zu
anderen Webseiten. teilen und Aktualisierungen
zu posten.
Twitter-link •
Poste deine Facebook·
Statusmeldungen
automatisch auf Twitter.

Abbildung 53: Angebot von Facebook-Widgets zur Förderung der Informationsverbreitung von
Inhalten im Internet bzw. der Social Media Optimization504

cebook-Seite oder innerhalb einer Facebook-Gruppe aufhalten, in psychologischer Hinsicht för-


derlich für die individuelle Markenbindung aus. Der Umfang des persönlichen Commitments
in Form des eigenen Aufwandes, der im Kontext einer Marke erbracht wird, erhöht die Bindung
an eine Marke, vorausgesetzt die Marke bzw. deren Manager enttäuschen die an sie gerichteten
Erwartungen nicht.

Anknüpfungspunkte für Dialoge Die beschriebene Kopplungsmöglichkeit der Schau-


fensterfunktion einer Marke und einer Austauschplattform für Fans ermöglicht ebenso sehr
gute Anknüpfungspunkte für den Eintritt in einen Dialog mit eigenen Anhängern. Dies setzt
ein regelmäßiges Monitoring der Fan-Postings voraus. Aufwendige Beiträge von Fans sollten
beispielsweise von Unternehmensseite aus besonders gewürdigt werden, um eine Bekräftigung
zu geben und für ein weiteres Engagement zu motivieren. Auch aus dem Rahmen fallende kri-
tische Nachrichten von Fans sollte man aufgreifen und darauf reagieren, nicht zuletzt um zu
zeigen, dass man als Unternehmen einzelne Fans ernst nimmt. Dadurch, dass Kommentare zu
504
http://www.facebook.com/facebook-widgets/, Seitenaufruf 25.01.2010
210 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

einzelnen Nachrichten in Facebook für alle gut einsehbar angezeigt werden, kann man der Fan-
Gemeinde auch dann signalisieren, wenn man nur zu einer Auswahl von Beiträgen Stellung
bezieht, dass man sich als Unternehmen für ihre Belange interessiert und um einen direkten
Austausch bemüht ist.

Nutzer unterstützen den Markenauftritt und sorgen für Reichweite Nutzt man die
dargestellten Möglichkeiten der Einbeziehung von Fans zur Erstellung von markenbezogenen
Inhalten, sollte einem bewusst sein, dass man hierdurch auch in gewisser Weise die Gestaltung
des Markenauftritts und der Markenidentität in fremde Hände legt. Hiermit löst man sich vom
klassischen Paradigma der Markensteuerung in Eigenregie. Die Herausforderung, die damit
verbunden ist, wird gerade durch die beschriebene Doppelfunktion evident, zum einen Möglich-
keiten der Unternehmenspräsentation nutzen zu können und zum anderen einen Darstellungs-
und Austauschraum für Fans anzubieten. Fan-Communities, die in Eigenregie ihrer Produkt-
oder Markenleidenschaft Ausdruck verleihen, gibt es schon sein langem und da sie meist los-
gelöst von unternehmerischen Einflüssen agieren, wurden sie von Unternehmensseite oft nur
wenig beachtet. Nun jedoch muss sich eine Marke, die im Rahmen einer Facebook-Seite öf-
fentlichkeitswirksam in Erscheinung treten will, bei der Konfiguration dieser Seite konkret ent-
scheiden, wieviele Beiträge von Nutzern sie zulassen will. Abbildung 54 zeigt Einstellungen,
die man auf zentraler Ebene und in Bezug auf die Pinnwand-Einstellungen festlegen kann.
Wie die Abbildung 54 verdeutlicht, kann bestimmt werden, ob eigene Beiträge nur Personen
in bestimmten Ländern zu sehen bekommen und ob man sie erst ab einer bestimmten Alters-
gruppe freigibt. Bei den Pinnwand-Einstellungen müssen die Rechte zum Erstellen von Bei-
trägen festgelegt werden. Auch bei weiteren Einstellungen zu Kategorien wie Fotos, Notizen,
Videos etc., die in der Abbildung nicht dargestellt sind, müssen Entscheidungen zum Grad der
Nutzerbeteiligung getroffen werden.
Durch diese systemseits zu treffende Auswahl werden Unternehmen nun zwangsweise mit
Entscheidungen konfrontiert, die einen maßgeblichen strategischen Bezug aufweisen und nicht
nur das Instrument Facebook betreffen. Sie haben weitreichende Auswirkungen und sollten
nicht ohne ein zugrunde liegendes Marketingkonzept getroffen werden.
Die Beteiligung von Nutzern an der Gestaltung der Markenidentität birgt Risiken, eröffnet
jedoch auch weitreichende Chancen. Die Risiken bestehen freilich unabhängig von einer Ein-
bindung im Rahmen eigener Auftritte. Markenfans, jedoch auch Markenhasser, können sich
im Zeitalter von Social Media sehr einfach in verschiedenen Kanälen auf selber betriebenen
Communities zusammenfinden, ohne dass ein Unternehmen hiervon erfährt und direkt dar-
auf Einfluss nehmen kann. Hierdurch sowie durch die vielen weiteren Möglichkeiten eigener
Contentproduktion von Nutzern mittels Social Media verlieren Unternehmensverantwortliche
sowieso ihre markenbezogene Gestaltungshoheit. Die enge Kopplung von offiziellen Marken-
auftritten mit eigenständigen Fanaktivitäten, wie Coca-Cola sie erfolgreich auf der Facebook-
Fanseite vormacht, eröffnet Unternehmen zumindest eine gewisse Einflussmöglichkeit, indem
man Nachrichten und hochgeladenes Multimediamaterial von Fans mit destruktivem Inhalt und
Nonsenseinträge als Administrator löschen kann. Außerdem erleichtert die Konzentration der
Fanbeiträge auf einer zentralen Seite den Dialog mit eigenen Markenanhängern. In diesem kann
beispielsweise die eigene Social-Media-Policy in Bezug auf den Umgang mit destruktiven Bei-
trägen erläutert werden.
505
http://www.facebook.com/pages/edit/, Seitenaufruf am 25.01.2010
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 211

Einstellungen
Verbergen

Ländereinschränkungen (Was ist das?)


Gib ein Land ein

Aftersbeschränkungen (Was ist das?)


Alle (13+) Ξ
Veröffentlichter Status
Unveröffentlicht (nur sichtbar für Administratoren) | τ

Änderungen speichern

Abbrechen

Pinnwand-Einstellungen
Verbergen

Einstellungen anzeigen

Standardansicht fur die


Nur Beiträge der Seite
Pinnwand:
Reiter, der allen anderen
Pinnwand i •
Nutzern standardmäßig
angezeigt wird:
Kommentare automatisch HQ Kommentare zu Meldungen werden standardmäßig erweitert
vergrößern:
Fan-Genehmigungen

Möglichkeit zum Posten: ($3 Fans können an die Pinnwand schreiben und dort Beiträge posten
¡§] Fans können Fotos posten
py] Fans können Videos posten
[y] Fans können Links posten

Abbildung 54: Zu treffende Einstellungen beim Anlegen einer Facebook-(Fan-)Seite auf zentra-
ler Ebene und bezogen auf die Pinn wand305
212 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Die gezielte Förderang der Nutzerbeteiligung auf persönlich betriebenen Plattformen, wie
zum Beispiel Facebook-Seiten oder -Gruppen bietet mehrere Chancen. Marken werden zu
Freunden bzw. Markenveröffentlichungen werden wie Postings von Freunden auf der eige-
nen Startseite angezeigt. Man kann sich Marken offiziell als zugehörig erklären und selber
aktiv werden, beispielsweise als Befürworter, Ersteller von Verbesserungsvorschlägen und Kri-
tik, Beitragender zur Unterstützung anderer Markenfans oder als Markenbotschafter durch die
Weiterverbreitung von Inhalten im eigenen Netzwerk.
Durch einfach zu realisierende Crossover-Effekte des Fan-Netzwerkes ins eigene Netzwerk
können Markenfans als Multiplikatoren schnell Reichweite von Inhalten erzielen. Die Starlet
und Glamor-Unterhaltungsseite Perezhilton.com realisiert heute zum Beispiel mehr Traffic über
Facebook als über Google. Soziale Netzwerke etablieren sich zunehmend als neue Variante der
Informationsversorgung. Statt in Suchmaschinen, wie Google, oder in Onlinemagazinen zu re-
cherchieren, bekommt man die Inhalte von seinen Freunden des sozialen Netzwerks empfohlen.
Marcel Weiss erläutert die Wirksamkeit dieser Art der Informationsversorgung sehr anschau-
lich: „Um die enorme Wirkung der Netzwerke zu verstehen, hilft eine einfache Frage: Wann
fühlen sich Menschen eigentlich gut informiert? Für die meisten trifft in etwa diese Antwort
zu: Wenn sie das Gefühl haben, mindestens den gleichen Informationsstand zu haben wie jene
Menschen, die ihnen wichtig sind. Früher lasen Kollegen und Freunde in der Regel die gleiche
Zeitung oder sahen die gleichen Sendungen. Also war es nötig, diese Medien zu kennen, um
mitreden, also im sozialen Netzwerk bestehen zu können." 506 Wenn Marken nun mithilfe von
Fanseiten Eingang in die persönlichen Netzwerke finden und Teil dieser Informationsversor-
gung werden, erhöht das ihre Reichweite und ihre Markenaktualität.
Die Konzentration der Äußerungen von Fans an einem Ort eröffnet zudem die Möglichkeiten,
Stimmungen und Trends zu erfahren sowie gezielt Fragen zu stellen und damit über ein eigenes
Panel zu verfügen, das direkt zur persönlichen Marktforschung genutzt werden kann.

Verkaufsförderung Facebook-Seiten können auch direkt zur Verkaufsförderang eigener


Produkte verwendet werden. Die Firma Adobe zielt beispielsweise mit der eigenen Fanseite
"Adobe Students" darauf ab, für die preisreduzierte Studentenversion ihres Produktes "Crea-
tive Suite 4" zu werben. Wie in Abbildung 55 dargestellt, werden sowohl der Preisvorteil des
zielgruppenspezifischen Angebotes auf der Seite deutlich herausgestellt als auch Links zu län-
derspezifischen Kaufmöglichkeiten geboten. Adobe achtet darauf, den zum 12.12.2009 festge-
stellten Bestand von 34.325 Fans über die kommerziellen Angebote hinaus zusätzlichen Mehr-
wert bereitzustellen. So werden auf der Seite kostenlose Gratisproduktangebote und nützliche
Applikationen angezeigt. Auch auf Design-Wettbewerb, der sich speziell an Studierende rich-
tet, wird hingewiesen, indem besonders kreative Einzel- oder Grappenprojekte in bestimmten
Gestaltungskategorien, deren Realisierung mit dem Softwareangebot des Unternehmens ausge-
führt wird, prämiert werden. Als Preise winken 3.000 US-Dollar, eine Reise zur Ehrang nach
Los Angeles, kostenlose Produkte sowie eine Mentorenbetreuung einer Design-Koryphäe für
ein Jahr. 507
Mehrwert mit nützlichen Informationen für Studierende vermittelt die Seite auch in ihren
Nachrichteneinträgen auf der Pinnwand, die allen Fans automatisch zugehen. Adobe beteiligt
506
Weiss (Soziale Netzwerke, 2009)
507
Vgl. https://adaa.adobe.com/us/content/prizes, Seitenaufruf am 12.12.2009
7.9 Soziale Netzwerke als Instrument 213

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Abbildung 55: Facebook-(Fan-)Seite von Adobe Students508

sich ebenfalls, wie in Abbildung 56 belegt, an einem Dialog mit Fans, um beispielsweise Fragen
zu Produktkäufen direkt zu beantworten. Auf spezifische individuelle Produktfragen werden in
der Regel über die Kommentarfunktion ausführliche Antworten gegeben.
Umsatzsteigernde Auswirkungen von verkaufsfördernden Aktivitäten auf dessen Fanseite
weiß der US-Kosmetikhändler Sephora zu berichten. Das Unternehmen startete auf seiner Fa-
cebook-Seite eine Kampagne, bei welcher eine Applikation einer virtuellen Einkaufstasche von
einem Facebook-Freund zu einem anderen gesandt werden konnte. Die teilnehmenden Per-
sonen wurden mit Rabatt-Codes belohnt, die sich im Onlineshop von Sephora.com einlösen
ließen. Die Kampagne zielte darauf ab, die eigene Markenwahrnehmung zu erhöhen und zu-
sätzliche Fans zu gewinnen. Das ist dem Unternehmen auch gelungen. Die Fangemeinde stieg
im Zeitraum von einem halben Jahr nach Beginn der Aktion um über 10.000 Mitglieder auf
508
http://www.facebook.com/Adobe, Seitenaufruf am 12.12.2009
214 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

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Abbildung 56: Pinnwand der Facebook-(Fan-)Seite Adobe Students mit direkten Antworten auf
Fragen zu Kaufmodalitäten509

295.939 Personen Anfang Dezember 2009 an. 510 Durch die Weiterverbreitung der Informa-
tion mithilfe der Fans konnte die Reichweite der Marke um 440 Prozent gesteigert werden.
Der Traffic auf der eigenen Website und, noch gewichtiger, das Auftragsvolumen des eigenen
Onlineshops hat sich während der Kampagne verdoppelt. 511

Perso nal marketing Soziale Netzwerke werden zu einem immer bedeutenderen Instrument
bei der Personalsuche. Laut XING nutzen dessen Netzwerk Ende September 2009 bereits 70.000
HR-Manager in Deutschland. Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Personalmanager, die bei XING
509
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510
Vgl. http://www.facebook.com/Sephora#/Sephora?v=wall, Seitenaufruf am 12.12.2009
511
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Neben attraktiven Arbeitsbedingungen und modernster Infrastruktur bieten wir »inen die "

Abbildung 57: Jobangebote auf der Facebook-Seite der Tectum Group5,2

registriert sind, betätigen sich täglich im Netzwerk. 39 Prozent suchen auf der Plattform selbst
nach Mitarbeitern und sprechen diese aktiv an. 513 Neben der Recherche in persönlichen Pro-
filen nach geeigneten Kandidaten können soziale Netzwerke auch sehr gut dafür genutzt wer-
den, sich selber als attraktiver Arbeitgeber darzustellen und eigene Stellenangebote auszulohen.
XING bietet mit den neuen, automatisch generierten Unternehmensprofilen nun die Möglich-
keit, auf dem jeweiligen Profil eigene Stellenangebote zu präsentieren und mit den zentralen
Jobangeboten von XING zu verknüpfen. Die Inanspruchnahme dieser Funktionalität im Rah-
men der Anpassung der individuellen Unternehmenspräsenz ist jedoch kostenpflichtig.
Mithilfe von Facebook-Seiten können Jobangebote des eigenen Unternehmens kostenlos prä-
sentiert werden. Die Tectum Group, ein deutsches Callcenter-Unternehmen, hat beispielsweise
5l2
http://www.facebook.com/TectumGroup?v=app_l 7037175766, Seitenaufruf am 25.01.2010
513
Vgl. Xing.com (Mehr als 70 Tausend Personalmanager, 2009)
216 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

auf der eigenen Facebook-Seite eine Rubrik „Jobs" geschaffen, in der eigene Stellenangebo-
te, wie in Abbildung 57 gezeigt, aufgelistet sind. Das Unternehmen nutzt die Facebook-Seite
auch, um sich aufgrund von verschiedenartigen Informationen als interessanter Arbeitgeber zu
präsentieren. Das Unternehmen verwendet den Auftritt jedoch ausschließlich als Medium der
Informationsverbreitung in eine Richtung. Den bislang zu verzeichnenden 78 Fans wird keine
Möglichkeit geboten, eigene Beiträge zu posten, Fragen zu stellen oder über eigene Erfahrun-
gen zu berichten. Das Unternehmen verzichtet damit auf wertvolle Dialogmöglichkeiten und
es stellt sich die Frage, welchen Mehrwert Fans dieser Seite erwarten können. Da neue Joban-
gebote nicht automatisch über Pinnwandeinträge des Unternehmens in den Profilen der Fans
angezeigt werden, müssen Fans zur Suche jedes Mal das Jobangebot der Facebook-Seite auf-
rufen. Zu den ausgeschriebenen Jobs sind ferner keine Kommentare möglich, welche zum Bei-
spiel Interessenten das Stellen von Fragen erlauben, weshalb sie keinen öffentlichen Austausch
mit dem Unternehmen eröffnen können.
Ein Vorteil von Facebook-Seiten in der Verbreitung von Jobangeboten kann darin liegen,
dass sich neue Jobausschreibungen, die als Nachrichten auf der eigenen Pinnwand veröffent-
licht werden, automatisch als Neuigkeiten in den Fan-Profilen anzeigen lassen. Das kann für
Fans interessant sein, die sich zwar für ein Stellenangebot eines bestimmten Arbeitgebers inter-
essieren, jedoch nicht regelmäßig auf den Jobangebotsseiten der entsprechenden Firma suchen
wollen. Kommentarfunktionen ermöglichen zudem den Einstieg in einen weiterführenden öf-
fentlichen Dialog, der Interessenten beispielsweise über bestimmte Fragen aufklären kann, die
eventuell für mehrere Personen aufschlussreich sein können. Durch die Verknüpfungsmöglich-
keit der Jobausschreibungen als Nachrichten auf der eigenen Pinnwand mit Twitter finden die
Nachrichten zudem über die eigenen Fans hinaus ein weltweites Publikum. Mithilfe der bereits
erwähnten Suchmaschinen für Jobveröffentlichungen in Twitter haben alle interessierten Nut-
zer dieser Recherchemöglichkeiten die Chance die eigenen Angebote zu finden, ohne gleich
eine Follower-Beziehung eingehen zu müssen.
Im Umfeld von Jobangeboten können auf Facebook-Seiten ferner ergänzende Unterneh-
mensinformationen dargestellt werden, die verschiedene Fragestellungen im Umfeld neuer Be-
tätigungsfelder beleuchten. Um Stellensuchenden diesbezüglich spezifische Informationen an-
bieten zu können, kann es sinnvoll sein, hierfür eine eigene Facebook-Seite zu generieren. Man
kommt dadurch nicht in den Konflikt, auf einer Seite zwischen den Informationsinteressen von
allgemeinen Markenfans und Jobsuchenden auf der anderen Seite abwägen zu müssen. Job-
interessierte auf der Facebook-Markenseite können beispielsweise via Link auf die Facebook-
Jobangebotsseite hingewiesen werden und umgekehrt. Dies gilt sinngemäß auch für entspre-
chende Präsenzen auf anderen sozialen Netzwerken, die insgesamt dazu beitragen, Nutzern die
gewünschten Informationen in den Plattformen anzubieten, in denen sie sich am liebsten auf-
halten.

7.10 Podcasting als Instrument


Inzwischen erkennen zunehmend mehr deutsche Unternehmen die Bedeutung von Podcasting-
Angeboten. Vor allem bei einigen Großkonzernen ist dieses Medium mittlerweile fester Be-
standteil der Unternehmenskommunikation. Tabelle 6 stellt eine Auswahl aktueller deutscher
Corporate Podcasts vor, die entweder als Audio- oder Video-Podcast angeboten werden. Man
7.10 Podcasting als Instrument 217

Tabelle 6: Auswahl deutscher Unternehmens-Podcasts, aufgelistet in podcast.de Anfang 2010

ARAL AG (Audio) 30 Episoden


Bahn TV Video Podcasts über 170 Episoden
BASF - Experten-Interviews (Audio) 13 Episoden
BASF - Chemie der Innovationen (Audio) 24 Episoden
BASF - Der Chemie Reporter (Audio) 97 Episoden
Bayer - Audio update - Der Nachrichtenpodcast von Bayer 156 Episoden
Bayer TV update - Der Nachrichtenpodcast von Bayer 38 Episoden
Bayer TV research - der Wissenschaftspodcast 15 Episoden
Gesamtmetall Podcast (Audio) 25 Episoden
Hombach Radioshow (Audio) 36 Episoden
Mercedes-Benz Podcast (Audio) 79 Episoden
Opel Podcasts (Video) 78 Episoden
SAP TV Video Podcast (Deutsch) 78 Episoden
Wacker - Faszination Chemie (Audio) 16 Episoden

sieht, dass sich Unternehmen aus verschiedensten Branchen dieses Mediums bedienen. Es über-
wiegen Podcast-Angebote von Unternehmen, deren Leistungsspektrum nicht in erster Line mit
faszinierenden Lifestyle- und technischen Trendprodukten in Verbindung gebracht wird. Che-
mieunternehmen, wie die BASF oder die Wacker Chemie AG, sind hier aktiv vertreten, genauso
wie das Pharmaunternehmen Bayer (siehe Abbildung 58), das Handelsunternehmen Hornbach
oder der Arbeitgeberverband der Metallindustrie. Podcasts werden häufig auch von freiberuf-
lich tätigen Personen und Beratern bereitgestellt, die damit ihre Fachkompetenz unterstreichen
wollen. So unterhält beispielsweise die Heilpraktikerin Silke Cronauge ihren ,JHeilpraxis Pod-
cast"514, in welchem sie über verschiedene Gesundheitsthemen referiert, und der Marketingbe-
rater Alexander Wunschel informiert in seinem Podcast ,ßlick über den Tellerrand" regelmäßig
über aktuelle Marketingthemen.515
Die Aufstellung enthält nur Podcast-Angebote, die regelmäßig aktualisiert werden und bei
denen vor kurzer Zeit vor der Erhebung im Januar 2010 eine neue Episode erstellt wurde. Wie
bereits bei der Erläuterung von Podcasts beschrieben, erfordert ein entsprechendes Angebot ein
durchdachtes inhaltliches Konzept. Es sollten regelmäßig Podcasts offeriert und über einen län-
geren Zeitraum bereitgestellt werden, damit Anreize für interessierte Rezipienten geschaffen
werden, die Inhalte abonnieren zu wollen. Angebote auf Podcast-Verzeichnissen, wie zum Bei-
spiel das von Henkel mit seinem Henkel-Lifetimes-Podcast, von welchem nur zwei Ausgaben
erschienen, oder des IKEA-Podcasts „Deine Möglichkeiten" mit insgesamt nur fünf Episoden,
deren jüngste Episoden zudem aus dem Jahr 2007 stammen, verdienen die Bezeichnung Pod-
cast eigentlich nicht.
Zum Teil finden sich für bestimmte Produktypen auch nur temporäre Podcasts, wie bei-
spielsweise der Video-Podcast von Siemens zum Handy Gigaset oder die Video-Podcasts von

514
Vgl. http://heilpraxis.podspot.de/, Seitenaufruf am 19.01.2010
515
Vgl. http://www.pimpyourbrain.de/, Seitenaufruf am 19.01.2010
7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Podcast Center Bayer

Multiple Sklerose verstehen


Nach wie vor ist die Auloimmunerkrartkung MS unheilbar Biotechnologisch
hergestellte vVirVstotfe Tonnen d a s Fortschreiten ö& Krankheit jedoch
verzögern

»Empfehlen ΤAbortTunes E 3 Newsletter


Video Αίκίο
Wissenschaft Nachrichten Wissenschaft Nachrichten Q,

Stantìa atemtos · Bayer e r f o r s c h t neuen Ansati bei Lungenhochdruck Ol 6*2 16. Oe Ein Team von Bayer-f orschetr Τ
l i c h t in einer neuen Qrmenslon ÖJ5;44 19.0k Flexible Beschtchhmgen von 8 Τ
Neuer Pflanzenschutz gegen schädliche Insekten 0*5:50 3. S e p Em neuer varfrstoe verte« situ τ
Erstes Pflaster zur Behandlung von Hautkrebs 01*17 17. J u Bei Oer Bayer-Tochter intendis τ
Neue Technologien helfen Krebspatienten 0 3 7:20 15. M? Auf der Janrestaouns amenfca τ
f o r s c h e r enträtselt Chemie d e s L e b e n s 614:57 12. Fei P f « Dr Patrick Cramer von de τ
Zukunftsvision Carbon Nariotubes O l 5:18 20. Mo C a r t o n Nanotubea m a c h e n M τ
Heimtückischer Pilz bedroht Kartofleternten Ö J 5:46 24, Se Ein ΡΛ2 mit dem Namen Phyto τ
Multiple Sklerose v e r s t e h e n CM 6:22 21. Ap Nach wie vor ist die Autoimmu τ

Abbildung 58: Podcast-Angebot von Bayer516

Mercedes-Benz zur Ε-Klasse, R-Klasse oder der CLS-Klasse. Die genannten Angebote umfas-
sen insgesamt nur relativ wenige Episoden und zumindest letztere wurden zeitlich konzentriert
als zusätzliche Unterstützung von Produktkampagnen eingesetzt. Auch in diesem Zusammen-
hang lässt sich die Frage stellen, ob diese Angebote tatsächlich als Podcast bezeichnet werden
können, da man mit dem Begriff eine bestimmte Regelmäßigkeit der Veröffentlichung von Epi-
soden in Verbindung bringt.
Die Rezipienten von Podcasts in Deutschland machen, wie bereits erwähnt, bislang nur zwei
Prozent der Internetnutzer aus. Die Podcast-Fans schenken dem Medium jedoch eine erhöhte
Aufmerksamkeit, da sich die Klientel zu fast 50 Prozent aus Heavy Usern zusammensetzt. Da
Audio-Podcasts zum Teil unterwegs, zum Beispiel auf der Fahrt zur Arbeit, konsumiert werden,
ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass sich Rezipienten längere Zeit einem Handlungs-
strang uneingeschränkt zuwenden. Das Ablenkungspotenzial dürfte bei der Podcast-Rezeption
in Routinesituationen geringer sein als beim Lesen einer Veröffentlichung auf einer Website
oder eines Blogs, bei welchen man eventuell dazu neigt, angebotenen Links zu folgen, die un-
ter Umständen vom Ausgangsthema wegführen. Die Linearität der Audioinhalte erschwert das
Überspringen von Inhalten, was hingegen beim Lesen von Texten auf dem Bildschirm leicht
möglich ist. Eine selektive Inanspruchnahme von Audioinhalten lässt sich nur relativ unkom-
fortabel durch ein Vorspulen auf dem MP3-Player oder der Standardaudiosoftware des PC be-
516
http://www.podcast.bayer.de/de/homepage.aspx, Seitenabruf am 28.01.10
7.10 Podcasting als Instrument 219

werkstelligen. Von daher dürfte man als Podcasthörer auch bei weniger interessanten Inhalten
im Zweifel dennoch eher dranbleiben, es sei denn, man hat Zweifel daran, dass noch anregen-
dere Inhalte folgen könnten und beendet den Beitrag sofort.
Audio-Podcasts kommt zudem zu Gute, dass die hierfür aufgewendete Mediennutzungszeit
relativ hoch ist. Wie bereits angeführt, wünschten sich 52 Prozent der Podcasthörer Audio-
Podcasts in einer Länge von 20 Minuten und darüber hinaus, wie aus einer Studie hervorgeht.
Es ist kaum anzunehmen, dass diese Zeiten mehr oder weniger uneingeschränkter Nutzung für
das Lesen eines üblichen Onlinetextbeitrags, beispielsweise eines Blogpostings aufgewendet
werden.
Ersteller von Podcasts sollten diesen locked-in-Effekt der Aufmerksamkeit nutzen, um ein
Thema ausführlicher und eventuell tiefgehender zu erläutern, als das mit der Darstellung in
Textform möglich ist. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Inhalte so präsentiert werden,
dass ein Spannungsbogen gewahrt bleibt, der ein Abflachen des Interesses verhindert. Gera-
de bei längeren Hörbeiträgen sollten abwechselnd verschiedene Audiogestaltungsmittel zum
Einsatz kommen, wie zum Beispiel die Einspielung von Musik, wechselnde Sprecher oder
der Gebrauch von O-Ton-Sequenzen, um damit den Beitrag aufzulockern. Für gut gemachte
Hörbeiträge genügt es nicht, Bildschirmtext 1:1 in ein MP3-Format zu überführen. Um der
Mehrfachverwendung von Content für die immer anspruchsvolleren Hörgewohnheiten der an-
visierten Nutzer Rechnung zu tragen, bedarf es einer inhaltlichen Adaption der Textbeiträge mit
entsprechender Dramaturgie sowie eines geplanten Einsatzes von verschiedenen auditiven Ge-
staltungsmitteln. Die Herausforderungen, die mit diesen konzeptionellen Anforderungen ein-
hergehen, sind im Vergleich zur relativ einfach praktizierbaren technischen Umsetzung deutlich
höher.
Noch sind Podcasts in der Wahrnehmung vieler Menschen etwas Fortschrittliches. Nach einer
Studie des Berliner Medienforschungsinstituts House of Research werden Unternehmen, die
Podcasts offerieren, als besonders interessant, innovativ und kreativ eingestuft. 517 Eine Firma,
die diese neue Kulturtechnik regelmäßig professionell einsetzt, zeigt Kompetenz im Hinblick
auf Neuerungen. Man erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden diese Einschätzung auf das
eigene Geschäft übertragen.
Die Zeit von der Idee bis zum hörfertigen Beitrag kann bei Audio-Podcasts in der Regel
relativ kurz gehalten werden, so dass man auf aktuelle Themen meist schnell mit einem Bei-
trag reagieren kann. Aufgrund der niedrigen technischen Hürden und des überschaubaren Zeit-
aufwands der Podcasterstellung wird das Medium gerade auch für Freiberufler sowie kleine
und mittelständische Unternehmen interessant, die sich positiv darstellen wollen. In den USA
machen kleine und mittelständische Unternehmen bereits regen Gebrauch von Podcasts. Ei-
ne Studie von Access Markets International ermittelte, dass etwa 260.000 kleine und mittlere
Unternehmen in den USA ihren Kunden einen Podcast offerieren. 518
Unabhängig von der Unternehmensgröße bietet Podcasting eine Reihe von Vorzügen. Ein
großer Vorteil von Podcasts sind die geringen Streuverluste. Mit Podcasting wird die anvisier-
te Zielgruppe zu nahezu 100 Prozent erreicht, denn nur wer sich für ein betreffendes Thema
interessiert, lädt sich auch die Audio- oder Videodatei herunter oder abonniert die Beiträge in
seinem Podcatcher.
517
Vgl. Breßler/Martens (Podcast in Deutschland 2007, 2007), S. 11
518
Vgl. AMI-Studie (AMI Studies show U.S., 2007)
220 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Zusätzlich kann eine emotionale Ansprache relativ einfach erzielt werden, da das gesproche-
ne Wort deutlich emotionaler und authentischer wirkt als geschriebene Meldungen oder Infor-
mationen.519 Anders als bei schriftlichen Texten ist die Nähe zum Autor des Audio-Podcasts
sehr viel stärker ausgeprägt. Durch Stimme, Sprachstil und Inhalt lassen sich manche Zusam-
menhänge oft sehr viel besser erklären als in langen Texten. Sind die Inhalte gut, werden die
Kunden oft sogar zum Botschafter der Marke, indem sie den Podcast weiterempfehlen. Aller-
dings sind virale Verbreitungseffekte bei Audio-Podcasts kaum zu beobachten.520
Video-Podcasts bieten im Vergleich zu Audio-Podcasts noch mehr Möglichkeiten, Emo-
tionen zu vermitteln. Reize der Bewegtbildkommunikation können im menschlichen Gehirn
schneller und ganzheitlicher verarbeitet werden als reine Text- oder Hörbeiträge. Durch die
multimediale Kopplung mit akustischen Reizen lassen sich atmosphärische Stimmungen und
Gefühle sehr gut zum Ausdruck bringen, zugleich können jedoch auch Sachaussagen anschau-
lich in Szene gesetzt werden. Man hat Raum fundierte Informationen über eine Marke zu ver-
mitteln und diese gleichzeitig noch emotional in Richtung der gewünschten Positionierung auf-
zuladen. Zu beachten ist freilich, dass bei Video-Podcasts für einzelne Episoden weniger Zeit zu
Verfügung steht, da die Mehrzahl der Rezipienten Beitragslängen von weniger als 10 Minuten
präferieren.
Podcasts bieten durch die Einbettung in eine Webseite mit Kommentarfunktion, beispiels-
weise einen begleitenden Weblog oder die Ergänzung durch einen speziellen Twitter-Account,
auch die Möglichkeit, Dialoge zu initiieren. Für die „SAP TV Video Podcasts" bietet das Unter-
nehmen beispielsweise den eigenen Blog „blog.sap-tv.com" sowie die Twitter-Accounts „twit-
ter.com/saptv" und „twitter.com/Making_of_SAPTV" an. Dadurch haben die Rezipienten auch
bei Podcasts die Möglichkeit zu reagieren und für Unternehmen bietet sich die Chance der
Dialogführung, die helfen kann, Kunden noch enger an das Unternehmen oder die Marke zu
binden.
Der Erfolg eines Podcasts hängt vor allen Dingen von dessen Inhalt ab, was ebenfalls von
Studien unterstrichen wird. Thema, Aktualität und Unterhaltungswert sind zentrale Kriterien
bei der Auswahl eines Angebotes.521 Langweilige Inhalte werden nicht besser, nur weil sie
gesprochen oder in Form von Bewegtbildern vermittelt werden. Erwartungen der Nutzer kön-
nen zudem rasch enttäuscht werden, zum Beispiel durch unsympathische Stimmen, unpassen-
de musikalische Untermalungen oder eine insgesamt schlechte technische Umsetzung. Wie bei
allen Social-Media-Formaten ist auch beim Podcasting eine authentische Kommunikation un-
entbehrlich. Die persönliche Meinung, ein subjektiver Kommentar oder auch ein Podcast mit
Dialogcharakter, beispielsweise in Form eines Interviews, transportieren Authentizität und Of-
fenheit. Sie tragen zu einer differenzierten Eigenständigkeit bei und schärfen die Profilbildung
und Persönlichkeit einer Marke.
Am Beginn einer Podcasting-Aktivität sollte eine umfassende Planung stehen.522 Im Vor-
feld müssen dabei auch rechtliche Aspekte bedacht werden, beispielsweise Urheberrechte, wie
etwa GEMA-Gebühren. 523 Generell sollte sich ein Unternehmen überlegen, welche Kommu-
nikationsziele es mit Podcasting verfolgt und welche Zielgruppen es ansprechen will. Über-
519
Vgl. Fechner (Podcast, 2006)
520
Vgl. Pleil (Online-PR, 2007), S. 23
521
Vgl. ARD.de (ARD-Studie zu Podcasts, 2007)
522
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 107
523
Vgl. Podcast-Wiki (GEMA, 2007)
7.10 Podcasting als Instrument 221

legungen hinsichtlich des konkreten Formats (Audio- oder Videocast), der Häufigkeit des Er-
scheinens oder auch bezüglich der optimalen Länge einer Podcast-Episode müssen in die Kon-
zeption einfließen. 524 Schließlich kommt es auf eine sinnvolle Kombination mit den weiteren
Kommunikations- und Marketinginstrumenten an. Erster Anspruch eines Corporate Podcasts
sollte stets der Mehrwert für den Nutzer sein, der sehr oft in einer interessanten Unterhaltung
liegt. Über die Unterhaltung können auch gezielt Inhalte transportiert werden. Die Erfolgs-
messung mithilfe von Klickraten und Downloadzahlen ist bei Podcasts nur bedingt geeignet.
Denn die Reichweiten sind gegenüber klassischen Medien (zum jetzigen Zeitpunkt) noch rela-
tiv niedrig. Die Qualität der Kontakte ist jedoch aufgrund der geringen Streuverluste ungleich
höher.
Mit einem eigenen Podcast haben Unternehmen die Möglichkeit, sich regelmäßig direkt an
Kunden und Interessenten zu wenden. Podcasts dienen zur Außendarstellung sowie als Marke-
tinginstrument und fördern die Kundenbindung, Kundengewinnung und Imagebeeinflussung.
Die Nutzerbindung ist bei gut produzierten Podcasts so intensiv wie bei keinem anderen On-
linemedium. Podcasts können daher einen idealen zusätzlichen Kanal in der Kommunikation
zwischen Unternehmen und Kunden darstellen. 525
Jedoch nicht nur die Außenkommunikation kann von Podcasts profitieren, auch in der in-
ternen Kommunikation können sie nützliche Dienste für den Wissenstransfer und Mitarbeite-
rinformation leisten. So können mittels Podcasts Neuigkeiten zu Produkten oder Leistungen
des Unternehmens oder auch Einblicke in die Arbeit anderer Abteilungen und Standorte ver-
mittelt und so das Verständnis für die Tätigkeit von Kollegen geweckt werden. Im Rahmen des
Changemanagements ist beispielsweise auch ein persönlicher Podcast des CEO oder Geschäfts-
führers denkbar, um Unternehmensveränderungen, wie neue Partnerschaften oder anstehende
Projekte zu kommunizieren. In der Regel wird diese Art der CEO-Kommunikation von Mitar-
beitern begrüßt, da sich besonders in großen Unternehmen häufig weite Teile der Belegschaft
nicht ausreichend informiert fühlen. Mitarbeiter können über Podcasts schnell, einfach, emoti-
onsgeladen und mit relativ geringem Kostenaufwand informiert werden.
Podcasts eignen sich auch für Mitarbeiterschulungen und zur Unterstützung von E-Learning-
Programmen. So können beispielsweise im Anschluss an eine Seminarveranstaltung wichtige
Inhalte noch einmal im Podcast für die Teilnehmer zusammengefasst werden. Podcasts können
jedoch auch als Vorbereitungsmedium für anstehende Veranstaltungen dienen. Mit deren Hilfe
lässt sich in Seminaren auf dem vorhandenen Wissen aufbauen und schließlich Zeit einsparen.
Einen vollständigen Ersatz klassischer Schulungsmethoden stellen Podcasts allerdings nicht
dar, da auch hier Rücksicht auf die unterschiedlichen Lerntypen genommen werden muss, was
für alle Formen des Lehrens gilt. Daher sollten Podcasts zweckmäßig in den Lernmix integriert
werden.
Unabhängig davon, ob der Fokus der Podcast-Nutzung auf der internen oder externen Kom-
munikation liegt, ist ein zentrales Merkmal von Podcasts deren Mobilität. Diese Beweglichkeit
ist zugleich auch ein entscheidender Vorteil. Audio-Podcasts können mittels des MP3-Formats
beliebig auf mobile Abspielgeräte, wie Handys oder MP3-Player übertragen werden. Dadurch
besteht die Möglichkeit, Podcasts unterwegs hören zu können. Mitarbeiter können sich auf die-
se Weise auf ihrem Weg zur Arbeit Wissen aneignen, Kunden hören Podcasts im Auto oder
beim Sport. Podcasts sind damit in hohem Maße zeit- und ortsunabhängig. Allerdings sind
524
Vgl. Zoll (Wie lange darfeine Podcast-Episode?, 2007)
525
Vgl Eck (Erfolgreich die Transparenz nutzen, 2007), S. 174
222 7 Socia] Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

mobile Abspielgeräte, die auch unterwegs den direkten Download von Podcasts ermöglichen,
heute noch nicht weit verbreitet. Sobald sich diese durchsetzen werden und durch günstige Kos-
ten den direkten Download von Inhalten auf das Handy erlauben, ist damit zu rechnen, dass sich
das Potenzial von Podcasts noch erhöhen wird.526

7.11 Wikis als Instrument


In der externen Kommunikation dienen Wikis vor allem der Kundenbindung und dem Produkte-
Feedback. So können Wikis als Informationsportale eingerichtet werden und damit eine zen-
trale Anlaufstelle für Kunden und Interessierte sein. Wikis können beispielsweise Tipps und
Tricks zu Produkten, sowie aktuelle Informationen enthalten. Sie können somit eine Alternative
zu FAQ-Bereichen auf Webseiten darstellen.527 Der elementare Unterschied zu FAQ-Bereichen
von traditionellen Webseiten besteht darin, dass Wikis auch das Wissen von anderen einbezie-
hen, typischerweise von Kunden oder Interessenten.528
Gelingt es, diese in die Generierung von neuen Inhalten einzubinden, so können daraus über-
aus wertvolle Informationen resultieren. Unternehmen können auf diese Weise Kundenwünsche
und -anregungen viel genauer, schneller und unmittelbarer erfassen, als dies beispielsweise mit
herkömmlichen Befragungsinstrumenten möglich ist. Gleichzeitig können sich die Kunden ge-
genseitig bei der Lösung von aufgetretenen Produktproblemen unterstützen. Dabei ist es hilf-
reich, wenn das Wiki von einem Unternehmensmitarbeiter laufend beobachtet und Anfragen
zeitnah und regelmäßig beantwortet werden. Dadurch fühlen sich die Nutzer in ihren Anlie-
gen ernst genommen, was die Kundenbindung und die Gewinnung neuer Kunden fördert. Ein
Unternehmen demonstriert mit dem Einsatz eines Wikis Transparenz und kann von den beige-
steuerten Informationen und Hinweisen profitieren, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Ein
Verkaufsleiter eines Softwareanbieters und Nutzer eines Kunden-Wikis bringt dies anschaulich
zum Ausdruck: "No doubt there are benefits to the company as well - we do not have to the ex-
pense and overhead of recruiting, training and supporting a room full of 'support engineers' ,"529
Neben dem Einsatz als Produkt-FAQ kann ein Wiki auch der eigentlichen Produktentwick-
lung dienen. So kann man Internetnutzer über Aspekte vorhandener und zukünftiger Produkte
entscheiden lassen. Interessenten können ihre Ideen vorstellen sowie diese von anderen bewer-
ten lassen, was einem aktiven Eingriff in den Produktentstehungsprozess gleichkommt. Auf
diese Weise können unter Umständen kostenintensive Marktforschungsaktivitäten eingespart
werden. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes steht und fällt jedoch mit der Motivation und aktiven
Mitarbeit der Beteiligten. Grenzen der Einbeziehung können freilich durch die Beachtung von
Geheimhaltungszwängen entstehen.530
Die Integration von Kunden oder Nutzern in Innovationsprozesse folgt dem Cowdsourcing-
Konzept und wird aktuellen Erkenntnissen aus Usability-Tests gerecht. Kunden bringen neue
Denkweisen und Perspektiven ein, wodurch es möglich wird, Geräte und Produkte nach Kun-
denwünschen zu gestalten und nicht nur aus der Sicht von Entwicklungsingenieuren. Dies führt
526
Vgl. Fechner (Podcast, 2006), S. 12
527
Vgl. Ziener (Social Software in der Untemehmenspolitik, 2007), S. 78ff.
528
Vgl. Pleil/Zerfaß (Internet und Social Software, 2007), S. 528
529
Wainewright (Customer success is integral to SaaS, 2006)
530
Vgl. Komus (Social Software als organisatorisches Phänomen, 2006), S. 40
7.12 Gewinnung von Rezipienten 223

in der Regel zu einer deutlich höheren Kundenzufriedenheit. Wissenschaftliche Studien unter-


streichen, dass bessere Lösungen entstehen, wenn man Kunden, Abnehmer und Nutzer in die
Produktentwicklung und Innovationsprozesse einbindet. 531
Neben dem Austausch mit Kunden eignen sich öffentliche Wikis auch zum Austausch mit
und zwischen externen Mitarbeitern. Sie können, wie bereits erwähnt, als Dokumentations-
plattform für die eigenen Produkte eingerichtet werden. Gleichzeitig kann man Entwicklern,
Zulieferern, Partnern und sonstigen Mitarbeitern Editierrechte einräumen, so dass beispiels-
weise Spezifikationen eines Produkts in der Entstehungsphase zunehmend konkretisiert und
verfeinert werden können. Diese Vorgehensweise ist dem Einsatz von Wikis im Kundenma-
nagement sehr ähnlich. Grundsätzlich kann man beide Ideen verbinden und eine Abgrenzung
zwischen Mitarbeitern und Kunden über unterschiedliche Schreibrechte realisieren.
Betrachtet man die hier dargestellten Anwendungsfelder von Wikis, so lässt sich zusam-
menfassend festhalten, dass sich Wikis für viele Bereiche von Teamarbeit eignen. Vor allem,
wenn Kreativität zur Bewältigung der Aufgabe erforderlich ist, oder auch, wenn die Aufgaben-
stellung zunächst recht unscharf ist, kann sich der Einsatz von Wikis lohnen. In diesem Fall
können Wikis helfen, das notwendige Wissen zu generieren und zusammenzutragen. Darüber
hinaus bietet sich der Einsatz an, wenn die beteiligten Mitarbeiter räumlich und zeitlich getrennt
arbeiten, also beispielsweise in internationalen Unternehmen.
Weniger geeignet sind Wikis zur Unterstützung von Standardprozessen. Bei Abläufen, die
in gleicher Struktur mehrfach wiederholt werden, ist die Nutzung einer kollektiven Kreativität
weniger bedeutsam. Zudem birgt der Einsatz von Wikis im Rahmen von Routineaufgaben die
Gefahr, dass ein Wiki zu einer reinen Dokumentenablage verkommt. Auch, wenn sicherheitsre-
levante Aspekte eine Rolle spielen oder Inhalte einer Geheimhaltung bedürfen, sind öffentliche
Wikis selbstredend nicht geeignet. Eventuell können hierbei geschützte Wikis im Intranet einen
adäquaten Ersatz bieten.
Im Vorfeld einer möglichen Nutzung von Wikis ist deshalb stets zu klären, ob deren Ein-
satz im Einzelfall sinnvoll erscheint. Darüber hinaus müssen einige Voraussetzungen für deren
erfolgreiche Einführung in das Unternehmen erfüllt sein.

7.12 Gewinnung von Rezipienten


Die Kommunikation in Social-Media-Kanälen kann nur eine entsprechende Wirkung entfachen,
wenn möglichst viele Personen der anvisierten Zielgruppen die eigenen Inhalte wahrnehmen.
Die Voraussetzungen zur Erzielung einer qualitativen Reichweite und die Wege dorthin un-
terscheiden sich in einzelnen Kanälen nicht wesentlich, so dass die folgenden Ausführungen
zugleich für mehrere Social-Media-Kanäle gelten. Der Fokus soll hier auf die Gewinnung von
Rezipienten bei Mikroblog-Diensten und sozialen Netzwerken am Beispiel von Twitter und
Facebook sowie eigener Blogs und Podcasts gelegt werden, da diese Kanäle einen zentralen
Stellenwert für die Streuung eigener Botschaften und Inhalte haben.
Von vornherein sollte in Bezug auf die Gewinnung von Rezipienten berücksichtigt werden,
dass die bloße Zahl von Followern, Fans, Lesern, Hörern und Betrachtern allein noch kein
hinreichendes Erfolgskriterium ist. Follower ist nicht gleich Follower und Personen, die zum
531
Vgl. Ziihlke (Der intelligente Versager, 2005), S. 25
224 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Relevanz von Twitter-Nachrichten für die jeweiligen Follower

6,8
6,3

Lufthansa Google Otto Microsoft Vodafon Xing Kodak eBay Daimler Bahn G L S Bank IBM Sony Allianz

Abbildung 59: Relevanz der Twitter-Nachrichten deutscher Unternehmen, errechnet aus Re-
Tweets und dem Anteil von Weiterempfehlem im Abonnentenstamm532

Beispiel anderen Personen bei Twitter nur deshalb nachfolgen, um nach dem Prinzip der Ge-
genleistung selber Nachfolger zu generieren, die sich ansonsten jedoch nicht für die eigenen
Nachrichten interessieren, sind als Informationsadressaten ohne großen Nutzen. Einen gewis-
sen Zweck können sie jedoch in folgender Hinsicht erfüllen: Auch, wenn sie an den einzel-
nen Tweets des Unternehmens oder der Marke im Detail kein besonderes Interesse zeigen, ist
doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben, dass sie beim Überfliegen aller eingegangenen
Tweets zumindest die Marke im Profilbild neben dem Text wahrnehmen. Die Marke wird dann
aktuell gehalten, wenn die Rezipienten sich in Twitter regelmäßig einloggen, was wiederum bei
einer späteren Kaufentscheidung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die betreffende Marke bei
der Auswahl der wahrgenommenen Alternativen eine Rolle spielen wird.
Die absolute Followerzahl ist auch ein Indikator der sozialen Akzeptanz, der beispielsweise
bei der Frage, ob man einem Unternehmen nachfolgen sollte, von Bedeutung sein kann. Wenn
man unsicher ist, ob man eine Follower-Beziehung eingehen soll, das Unternehmen jedoch
schon relativ viele Follower hat, kann das mit ausschlaggebend dafür sein, dass man sich für
eine Nachfolge entscheidet. Wenn viele andere eine Nachfolge als wertvoll erachten, liegt der
Schluss nahe, dass es dafür einen Grund geben muss, der einem auch selber zu Gute kommen
könnte. Eine relativ hohe Zahl von öffentlich erklärten Rezipienten kann von daher indirekt
helfen, neue Follower zu gewinnen. Das gilt analog auch für Fans, Freunde und andere Be-
zeichnungen sozialer Beziehungen.
Mit der Qualität der Follower deutscher Unternehmensrepräsentanzen in Twitter hat sich eine
Studie von Absolit beschäftigt. Die Studie ermittelte einen Index des Interesses an Twittermel-
dungen von Unternehmen, zu dessen Berechnung die weiterempfohlenen Unternehmensnach-
richten sowie der Anteil von Befürwortern im Abonnentenstamm herangezogen wurden. Nach
den Ergebnissen (siehe Abbildung 59) ist das Interesse an Tweets von Lufthansa, Google und
OTTO am größten und das von Sony und Allianz am geringsten. Als Beleg für ein Interesse
werden weiterempfohlene Nachrichten gesehen, die Anhaltspunkte für die inhaltliche Ausein-
andersetzung der Rezipienten mit den Informationsangeboten und dem Maß an Lebendigkeit
der eigenen Community sein können.

532
Vgl. Schwarz (Twitter-Strategien deutscher Unternehmen, 2009)
7.12 Gewinnung von Rezipienten 225

Tabelle 7: Mögliche persönliche Daten im Profil von Facebook?33

Allgemeines Persönliches Kontakt Ausbildung und Beruf


Geschlecht
Geburtstag Aktivitäten E-Mail-Adresse(n) Hochschule
Derzeitiger Wohnort Interesse IM-Nutzername(n) Hauptfach
Heimatstadt Lieblingsmusik Handy Schule
Stadtteil Lieblings-TV- Festnetz Arbeitgeber
Familienmitglieder Sendungen Anschrift Stelle
Beziehungsstatus Lieblingsfilme Stadt/Ort Beschreibung
Interessiert an Lieblingsbücher Nachbarschaft Stadt/Ort
Auf der Suche nach Lieblingszitate Postleitzahl momentaner Arbeitsort
Politische Einstellung Über mich Webseite Zeitraum
Religiöse Ansichten

Überprüfung der Zielgruppenadäquanz von Followern und Fans Social Media -


und innerhalb dieser Kanäle insbesondere soziale Netzwerke - eröffnen relativ gute Möglich-
keiten zur Überprüfung der Passgenauigkeit aktueller Rezipienten und der anvisierten Ziel-
gruppe. Da die eigenen Follower und Fans über eigene Profile verfügen, in denen, zum Teil öf-
fentlich einsehbar, persönliche Daten, Vorlieben und Verhaltensweisen zum Ausdruck gebracht
werden, können daraus direkt persönliche Merkmale abgeleitet sowie Personen beschrieben
und klassifiziert werden. Bei überschaubaren Fan- und Follower-Zahlen kann die Datenermitt-
lung manuell durchgeführt werden, um Aussagen zur Qualität der eigenen Anhänger treffen
zu können. In Twitter steht neben dem Namen und Ort an persönlichen Daten im Wesentlichen
nur die Kurzbiografie mit maximal 160 Zeichen zur Verfügung, wobei diese Angaben freiwillig
sind und somit nur zum Teil davon Gebrauch gemacht wird. Sofern ein persönliches Profilfoto
angegeben ist, kann jedoch in der Regel das Geschlecht und das Alter identifiziert werden. Na-
türlich muss man bei dieser Art der Merkmalsermittlung auch gewisse Verfälschungen durch
unkorrekte Angaben und Identitäten einkalkulieren. Facebook ermöglicht für mitteilungswilli-
ge Personen schon sehr viel umfangreichere Profilangaben, wie in Tabelle 7 dargestellt.
Am Umfang der persönlichen Daten, die ein Facebook-Nutzer freiwillig in seinem Profil
preisgibt, erkennt man die theoretischen Möglichkeiten der qualifizierten Beschreibung von
Personen des eigenen Beziehungsnetzwerks. Praktisch hängen diese davon ab, welche vorge-
gebenen Felder mit Daten gefüllt und welche Freigaberechte in den Privatsphäre-Einstellungen
eingeräumt werden. Häufig ist zu beobachten, dass nur in einem kleinen Teil der Merkmalsfel-
der auch Angaben gemacht werden. Die Privatsphäre-Einstellungen sind standardmäßig so vor-
belegt, dass bestimmte persönliche Informationen nur Freunden zur Verfügung gestellt werden
(siehe Abbildung 60). Jedoch sind Informationen über „Familie und Beziehung", „Ausbildung
und Beruf' sowie auch „Beiträge von mir" so vorbelegt, dass die allgemeine Öffentlichkeit da-
von erfährt. Werden diese Rechte individuell nicht verändert, können die Profilinformationen
durchaus interessante persönliche Merkmale erkennen lassen.
Für Betreiber einer Facebook-Seite gilt es jedoch zu beachten, dass man keinen Freund-
533
Vgl. http://www.facebook.com, Seitenaufruf am 18.12.2009
226 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

facebook Startseite Profil Freunde


Ή
Privatsphäre-EinsteHungen • Profilinformationen

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Interessen, Aktivitäten, Favoriten

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Geburtstag und -jähr

Rertgiöse Ansichten und politische Einstellung

Familie und Beziehung fi Nur Freunde -<


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Ausbildung und Beruf ] fi Nur F r e u n d e "


Schulen, Hochschulen und Arbeitsplätze

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Bestimme, wer die von dir erstellten Beiträge kommentieren kann

Abbildung 60: Standardmäßig vorbelegte Facebook-Privatsphäre-Einstellungen,534

schaftsstatus mit den eigenen Markenfans hat. Es stehen einem nur die Informationen zur Ver-
fügung, die von einem Profilinhaber allen mitgeteilt werden bzw. öffentlich sind. Will man
sich diesbezüglich weitere Daten erschließen, müssten persönliche Vertreter des Unternehmens
Freundschaftsbeziehungen mit den jeweiligen Markenfans eingehen, was bei einer großen Fan-
gemeinde schwer möglich sein dürfte.
Neben den öffentlichen Profilinformationen können auch aus verhaltensbezogenen Daten
von Fans interessante Informationen gewonnen werden. Zum Beispiel kann analysiert wer-
den, wie aktiv sich die Personen am sozialen Austausch der eigenen Fanseite beteiligen. Aus
Kommentaren, Diskussionen, gestellten Fragen, abgegebenen Tipps, hochgeladenen Fotos oder
Videos, lässt sich auf Themen schließen, die als Aufhänger der eigenen Seite dienen können.
Auch inhaltliche Äußerungen oder Zustimmungen in Form eines „Gefällt mir" können ausge-
wertet und hinsichtlich bestimmter Interessensgebiete kategorisiert werden. Zudem erlauben
die gewählten Facebook-Seiten und Gruppen Schlussfolgerungen auf Interessensgebiete. Die
verhaltensbezogene Datenauswertung für die Qualifizierung eigener Fans und Follower ist zwar
aufwendig, sie kann jedoch die Mühe wert sein, weil sie Einsichten eröffnet, die man bislang im

534
Vgl. http://www.facebook.com/settings/?tab=privacy&section=profile, Seitenaufhif a m 18.12.2009
7.12 Gewinnung von Rezipienten 227

Rahmen der anonymen Massenkommunikation nicht erhalten konnte. Dass speziell für diesen
Anwendungsbereich künftig Unterstützung angeboten wird, ist anzunehmen.

Inhalte mit Mehrwert anbieten Mehrfach wurde bereits unterstrichen, dass die zentrale
Erfolgsvoraussetzung für die Rekrutierung und Bindung von Fans und Followern nutzenstiften-
de Inhalte sind. Diese sollten, bezogen auf die Darstellungsform (Textnachricht, Links, Fotos,
Videos, Audios) und die Häufigkeit der Verbreitung, so gestaltet sein, dass sie der anvisier-
te Zielgruppe einen möglichst hohen Informations-, Unterhaltungs-, ökonomischen Wert etc.
bieten. Im Rahmen der Vorstellung einzelner Social-Media-Kanäle wurden die entsprechenden
Zusammenhänge bereits ausgeführt. Inhalte sollten ferner dergestalt angeboten werden, dass
man sich im Kanal seiner Wahl neue Veröffentlichungen durch RSS-Feeds automatisch aktua-
lisiert anzeigen lassen kann.

Werbung für eigene Inhalte in anderen Kanälen Zur Gewinnung von Followern und
Fans können auch Anstöße von eigenen Onlinerepräsentanzen, zum Beispiel der zentralen Web-
site oder dem eigenen Blog aus erfolgen. Durch die Integration von Widgets in die Seite, wie
„Follow me on Twitter" oder das „Facebook-Fanbanner", das es Nutzern ermöglicht, Fan ei-
ner Marke zu werden und deren Facebook-Seite in ihren Nachrichtenströmen anzusehen (siehe
Abbildung 35), können Beziehungen direkt von anderen Seiten aus eingegangen und Inhal-
te verteilt werden. Das kann dabei helfen, sich für gut befundene Inhalte in dem präferierten
Social-Media-Kanal anzeigen zu lassen und dies spontan über einen Klick auf das Widget, das
auf der Seite sichtbar ist, in die Tat umzusetzen. Die Verlinkung auf den eigenen Blog, Vi-
deokanal und weiteren Content sollte auch von Mikroblog-Diensten und sozialen Netzwerken
aus erfolgen. Zum einen über Links im persönlichen Profil und zum anderen bei Twitter, wo
nur ein Link erlaubt ist, über die visuelle Darstellung der Internetadressen im Hintergrundbild.
Neue Veröffentlichungen in einem bestimmten Kanal sollten möglichst automatisch generiert
und auch in anderen Kanälen mit transferiert werden, wie das beispielsweise durch die Kopp-
lung von Neuigkeiten auf Facebook-Fanseiten mit Twitter möglich ist. Das erhöht die eigene
Präsenz im Netz und bereichert zudem das Informationsangebot in den einzelnen Kanälen, was
sich wiederum förderlich auf die kanalspezifische Gewinnung von Anhängern auswirken kann.
Auch in der E-Mail-Signatur, auf der eigenen Visitenkarte sowie in klassischen Werbemit-
teln sollte auf persönliche Social-Media-Repräsentanzen hingewiesen werden. Zudem ist es
möglich, die eigene Geschäftskontaktliste zu verwenden und Kunden direkt auf Veröffentli-
chungen, zum Beispiel den eigenen Blog oder die eigene Fanseite, anzusprechen. Dabei sollten
die Vorteile der eigenen Informationsangebote und die Austauschmöglichkeiten der jeweiligen
Plattformen verdeutlicht werden.

Anderen nachfolgen Ein Verfahren zur Gewinnung von Followern, das bei Twitter beob-
achtet werden kann, besteht darin, mehr oder weniger beliebig ausgewählten Personen nach-
zufolgen, in der Hoffnung, dass diese als „Gegenleistung" Follower von einem selbst werden.
Dieser Ansatz, auch als Spam-and-cull-Approach bezeichnet, funktioniert ebenfalls deswegen,
weil sich manche Twitter-Nutzer eines Auto-Follow-Skript bedienen. Diese Twitter-Accounts
folgen automatisch jemandem nach, der eine Follower-Beziehung mit ihnen eingegangen ist.
Mit Diensten, wie zum Beispiel socialtoo.com, ist die Einstellung der automatisierten Nachfol-
228 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

geregelung sehr einfach. Accounts, die einem nicht nachfolgen, löscht man schließlich wieder
aus der eigenen Following-Liste, weshalb diese Vorgehensweise durchaus zu neuen Followern
führen kann, wenn man dieses Procedere bei tausenden von Twitter-Nutzern anwendet. Es ist
jedoch höchst fraglich, ob mit dieser Art der Gewinnung von Anhängern auch Personen der
eigenen Zielgruppe angesprochen werden können. Je spezifischer die eigene Zielgruppe ist,
umso weniger Erfolg versprechend wird dieser Ansatz sein, der durchaus Elemente von Spam
beinhaltet. Will man mit seiner Marke eine allgemeine Öffentlichkeit erreichen und geht es ei-
nem vor allem darum, die eigene Markenaktualität zu erhöhen, kann dieses Vorgehen jedoch
zu vertreten sein. Auch, wenn nicht zu erwarten ist, dass die eigenen Tweets von den persön-
lichen Followern im Einzelnen gelesen werden, wird das Markenlogo im Profilbild dennoch
unter Umständen wahrgenommen, wodurch die Marke präsent gehalten wird.

Bestehende Rezipienten darum bitten, neue zu gewinnen Betreiber von Facebook-


Seiten haben nicht die Möglichkeit, Fan- oder Freundschaftsbeziehungen mit einzelnen Per-
sonen einzugehen, um hierdurch, nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit, zusätzliche Fans ge-
winnen zu können. Sobald eine Markenseite jedoch Fans hat, kann sie mit diesen über die
Neuigkeitseinträge der Pinnwand kommunizieren. Hierbei kann man Fans auch in regelmäßi-
gen Abständen darum bitten, selber weitere Fans zu werben. Dasselbe kann auch in Mikroblog-
Diensten wie Twitter praktiziert werden. Darüber hinaus kann man in Blogeinträgen, Videopos-
tings oder eigenen Audiopodcasts darauf verweisen, dass potenzielle Interessenten im eigenen
Freundeskreis gewonnen werden sollen.

Direkte Anreize ausloben Eine wirkungsvolle Möglichkeit zur Rekrutierung von Rezipi-
enten besteht darin, diese durch exklusive ökonomische Anreize an sich zu binden. Das kann
zum Beispiel in Form von speziellen Preisnachlässen, ausgewählten Produktangeboten, kosten-
losen Leistungen oder Gewinnspielen praktiziert werden.
Die Drogeriekette dm hat bspw. zur Rekrutierung von Followern des Twitter-Accounts ihrer
Eigenmarke Alverde in der Vorweihnachtszeit täglich ein Gewinnspiel veranstaltet. Wollten die
Twitter-Follower an dieser Verlosung teilnehmen, mussten sie, in Anlehnung an einen virtuel-
len Adventskalender, das Datum des entsprechenden Tages sowie „#alverde" und „#Tweetka-
lender" in ihrem Tweet verwenden. Aus allen Tweets der Alverde-Follower, die damit bei ihren
Anhängern Mundpropaganda für die Marke betrieben, wurden täglich die Gewinner ermittelt
und ab 17:00 Uhr per Twitter-Meldung verkündet. Wie auf der Startseite des Alverde-Accounts
vom 21.12.09 abzulesen und in Abbildung 61 dargestellt, konnten für die Marke 2.307 Follower
gewonnen werden. Klaus Eck hat einen Verantwortlichen des Social-Media-Teams von Alverde
über dessen Zufriedenheit mit den Ergebnissen befragt und folgende Antwort erhalten: „Ja, ich
bin sehr zufrieden, denn durch Twitter habe ich die Möglichkeit, direkt mit unseren Kunden zu
kommunizieren (ohne mich in eine dm-Filiale stellen zu müssen) und sie in meine Markenarbeit
einzubinden. Es macht mir viel Spaß, wenn z.B. [!] über die neuen Farben des Gel-Eyeliners
abgestimmt wird oder aber auch, wenn ich konstruktive Kritik zu Produkten bekomme. So habe
ich z.B. [!] vielfach getwittert bekommen, dass die Rezeptur des Augen-Make-up Entferners in
den Augen brennt [!]. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, diese zu verbessern und seit drei
Wochen steht die verbesserte Qualität im Regal. Und so gibt es X Beispiele [...]" 535

535
Al verde-Vertreterin, zitiert in: Eck (Twitter im Unternehmen, 2009)
7.12 Gewinnung von Rezipienten 229

Startseite Profil Leute finden Emstetlungen Hilfe Abmelden

Name acerete
Ort Karlsruhe

alverde dm alverde Web http ¡?bit ty/dma


Biografie alverde ist die
führemie Naturkosmetik-Marfce
von dm· dro gerle markt Hier
twittertdieafverde-
Pioduktmanagenn dfreH aus
dem dm-ProduMmanagemenl

«91 2.306 55
FotoWing Fofcnver Geistet

Wir wünschen allen einen schönen Tweets 2,247


Feierabend! :-) Favoriten
#alverde #Tweetkalender
Aktionen
dm_ahierde blocken
@Kittyaiea_76 Ja bitte sende uns deine Anschnft via Direct Ais Sp3m meider.
Message Danke und viele Gruße
Following

@traumheidin @xVerox Päckchen verschickt und ebenso an alte


U
anderen die soeben ihre Adressen geschickt haben -)


@Cryp«cEif @Mizechats verschickt :-) mmL· r a
Tägliche Überraschungen M i t das
atverde-Team m der Advents«« für
wwr* mm
Sie bereit. Liebe Gewinner des Valverde »tweetkalenders am 21 12 sendet
doch bitte Eure Adresse via DirectMessage Danke und viele κ m WM
Einfach falvertít «Tweetk*!ender Grüße
#21.12. tm Tweet verwenden.
Jeden Abend geben w»r ab 17 Uhr Q J R S S ^ e e d mit Tweets von
die Gewinner ocHannt. dm_a)ver(te
#aiverde Wildrosen gibt es heute für http //brt ly/6rXdVq Valverde
#Tweetkatender #2112.

Das taglierie Ritual beginnt' unsere heutige #Tweetfee ist die

Abbildung 61: Gewinnspiel der dm-Eigenmarke Alverde zur Rekrutierung von Twitter-
Followem536

Andere deutsche Unternehmen, wie zum Beispiel der bereits erwähnte Saftkelterei Walt-
her, werben auf der Firmenwebsite mit einem Follower-Rabatt in Form eines 3-Euro-Rabatt-
Gutscheins für Bestellungen im Onlineshop. Die entsprechenden Informationen erhält man über
den Link, der im Twitter-Account „SaftTante" angegebenen ist.
Der Onlinehändler Sitepoint.com konnte mit seiner Giveaway-Aktion zur Rekrutierung von
Followern, in einer Woche über 13.000 Fans für den eigenen Twitter-Account „Sitepointdot-
com" gewinnen. Für diese Aktion wurde in Anlehnung an „Twitter" und „giveaway" der eigene
Namen „Twitaway" mit entsprechender Website kreiert. Dort wurde, wie in Abbildung 62 ge-
zeigt, für die zeitlich befristete Aktion geworben, in der als Anreiz für eine Twitter-Nachfolge
oder die alternative Angabe der eigenen E-Mail-Adresse ein kostenloser Download des Buches
„The Art & Science of CSS" im Wert von 29,95 US-Dollar angeboten wurde. Um auf die Aktion
aufmerksam zu machen, wurden gemäß einer Vertreterin des Unternehmens folgende Maßnah-
men gestartet: "Once our giveaway had launched, we did everything we could to get the word
out - we emailed customers who had purchased the print book or who had downloaded sample
chapters from sitepoint.com; we blogged about it, posted in our forum, modified our email sig-
natures [... ] everything short of screaming from the rooftops (although I'm pretty sure I saw

536
http://twitter.com/dm_alverde, Seitenaufruf am 21.12.2009
230 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Unternehmenskommunikation

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Abbildung 62: Werbebanner zur Rekrutierung von Followern des Twitter-Accounts "Sitepoint-
dotcom""537

our marketing manager doing that, too!). Most importantly, our download link encouraged the
recipient to help spread the word, so retweets formed a huge part of the viral momentum that
gathered." 538
Die Auslobung von direkten Anreizen bietet sich natürlich auch an, um Anhänger von Mar-
kenaccounts in sozialen Netzwerken zu gewinnen. Der US-Kosmetikhändler Sephora wirbt
beispielsweise auf seiner gleichlautenden Facebook-Seite neue Fans mit Gratisprodukten und
exklusiven Angeboten, wie in Abbildung 63 gezeigt.
Mit der Gewinnung von Anhängern und Rezipienten der eigenen Informationsinhalte ist
die Arbeit nicht getan. Unternehmen sollten sich der Planung von Maßnahmen eines geziel-
ten Beziehungsmanagments befassen, um eine möglichst lange Bindung der Rezipienten an
den Marken-Account des betreffenden Social-Media-Kanals oder an andere Onlinerepräsen-
tanzen sicherzustellen. Diese Maßnahmen sollten ein personenbezogenes Monitoring unter der
Einbeziehung und Auswertung von Kommentaren, Empfehlungen und anderen Formen indi-
vidueller Äußerungen beinhalten. Auch gezielte Fragen zur Zufriedenheit, verbunden mit dem
Wunsch nach Verbesserungsvorschlägen, das konstante Arbeiten am Wert der eigenen Informa-
tionsbeiträge sowie ökonomische Anreize können helfen, die Bindung an die entsprechenden
Informationskanäle und insgesamt die Marke aufrechtzuerhalten.

7.13 Integrative Maßnahmenplanung


Mit Social Media Marketing werden zunehmend Hoffnungen verbunden, damit Nachteile klas-
sischer Werbung in Bezug auf hohe Produktions- und Schaltkosten, hohe Streuverluste und eine
537
Rowse (How to Grow Your Follower Numbers, 2008)
538
Rowse (How to Grow Your Follower Numbers, 2008)
7.13 Integrative Maßnahmenplanung 231

facebook Startseite l'roíll freunde Postfach 2 Uwe He Ote? Enstelungefi Abmdcîen


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Abbildung 63: Werbung für Fans auf der Facebook-Seite von Sephora539

tendenziell abnehmende Werbewirkung überwinden zu können. Nach einer Ende 2008 durch-
geführten Studie setzen insbesondere kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern
stark auf den Ausbau von nutzergenerierten Inhalten und Weblogs und reduzieren dafür ihr
Engagement bei teuren Banner- und Suchanzeigen. 540 Große Unternehmen nutzen gemäß die-
ser Studie bereits Instrumente des Online-Marketings, sie erhöhen jedoch ihr Engagement am
deutlichsten im Ausbau von Weblogs.
Trotz der geäußerten Kritik am Einsatz von Push-Werbung in 1 :n-Medien kann Social Me-
dia Marketing deren Funktion nicht ersetzen. Geht es beispielsweise darum, für die Einführung
neuer Markenartikel im Konsumgüterbereich rasch eine hohe Markenbekanntheit aufzubauen,
wird man weiterhin primär auf Massenkommunikation und klassische Werbung setzen. Diese
Zielstellung ist kurzfristig nur zu erreichen, wenn man die Zielgruppe, die nicht immer webaf-
fin ist, mit der Werbebotschaft konfrontiert, wozu es häufig (noch) klassischer Kommunikati-
onskanäle bedarf. Auch zur Sicherstellung einer gleichbleibend hohen Markenaktualität wird
man auf ein gewisses Maß eines konstanten Werbedrucks über das Engagement in verschie-

539
http://www.facebook.com/Sephora#/Sephora?v=app_10442206389, Seitenaufruf a m 2 5 . 0 1 . 2 0 1 0
540
V g l . Absolit (Studie 2009, 2 0 0 9 )
232 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

denen Kommunikationskanälen nicht verzichten können. Der Einsatz von Social Media kann
diesbezüglich nur flankierend über einen längeren Zeitraum wirken. Wenn jedoch die gezielte
Beeinflussung eines bestimmtes Firmen- oder Markenimages im Vordergrund steht, kann der
Einsatz von Social Media zu einem wichtigen Instrument werden, das tradierten Formen der
Werbung und Öffentlichkeitsarbeit ergänzt und teilweise auch ersetzt. Es geht also nicht um
ein Entweder-oder zwischen klassischer und Social-Media-Kommunikation, sondern um ein
Sowohl-als-auch, in welchem in Abhängigkeit der jeweiligen Ausgangssituation und der vor-
herrschenden Ziele die jeweiligen Akzente zu setzen sind.
Auch im Aktionsfeld der Public Relations wird man nicht Hals über Kopf tradierte Hand-
lungsmuster über Bord werfen, zum Beispiel Formen der Ansprache von Pressevertretern und
sonstigen Multiplikatoren. Vielmehr gilt es auch hier den Austausch mit Multiplikatoren her-
kömmlicher Massenmedien auf neue technische Möglichkeiten hin anzupassen und daneben
die gezielte Ansprache und die Interaktion mit neuen Zielgruppen durch neue Kommunikati-
onswege und Formen voranzutreiben.
Für die Maßnahmenplanung der Social-Media-Kommunikation sind vor diesem Hintergrund
zwei verschiedene Integrationsebenen zu beachten. Zum einen gilt es die zum Einsatz kom-
menden Social-Media-Instrumente untereinander abzustimmen, zum anderen müssen diese mit
weiteren Kommunikationsinstrumenten zielgerichtet gekoppelt werden. Zentrales Ziel sollten
vollintegrierte Kommunikationsmaßnahmen sein, möglichst differenziert nach verschiedenen
Zeithorizonten.
Es wurde bereits unterstrichen, dass der Einsatz von Social Media Marketing einer langfris-
tigen Ausrichtung bedarf. Die Pflege von Nutzer-Beziehungen, der Aufbau einer gewünschten
digitalen Reputation und die Verankerung eines klaren Markenprofils erfordern ein längerfris-
tiges Wirken, dessen Eckpfeiler im Rahmen einer strategischen, langfristigen Planung fest-
zulegen sind. Entscheidungen in diesem Zusammenhang sollten Folgendes umfassen:

• das Aktivitätsniveau, das man für Social Media vorsieht, zum Beispiel das Social-Me-
dia-Marketing-Budget, welches mehrere Perioden zur Verfügung steht, in Relation zu
anderen Marketing-Budgets,

• die daraus abgeleitete Personalkapazität für Social-Media-Maßnahmen, zum Beispiel


für den Einsatz eines Social-Media-Teams,

• die zentrale Unternehmensrepräsentanzen im Social Web, zum Beispiel die Realisie-


rung eines Corporat Blogs, eines eigenen Podcasts, eines internen Wikis sowie der Auf-
bau von Unternehmensseiten in populären sozialen Netzwerken etc. Es kann hier jedoch
nur um eine Grobplanung gehen und nicht darum, wieviele Twitter-Accounts im Detail
vorgesehen werden und in wievielen sozialen Netzwerken man konkret präsent sein will.

• die Organisation arbeitsteiliger Prozesse in verschiedenen Funktionsbereichen, z.B.


Marktforschung, F&E, Marketing, Public Relations, Social-Media-Team, CRM/Kunden-
service etc. zur Umsetzung von Social-Media-Maßnahmen
Die mittelfristige und kurzfristige Maßnahmen-Planung der Social-Media-Kommunikation
sollten darauf abzielen, die ins Auge gefassten Aktivitäten mit weiteren Online- und Offline-
Kommunikationsinstrumenten zu einer integrierten Gesamtplanung zusammenzuführen. Ein
intelligenter Verbund von verschiedenen Instrumenten potenziert nämlich die Wirksamkeit von
7.13 Integrative Maßnahmenplanung 233

Einzelinstrumenten. Sinnvolle Kombinationen von Social-Media-Aktivitäten mit Maßnahmen


anderer Instrumente können beispielsweise sein:

• Werbung in Offline-Werbemitteln (Werbeplakate, Anzeigen, Visitenkarten, Prospekte,


Events, TV- und Radiospots etc.) für Social-Media-Repräsentanzen (siehe Abbildung 46
am Beispiel der Außenwerbung für Twitter) oder für besondere Aktionen, zum Beispiel
für zeitlich befristete Preisnachlässe für eingetragene Fans der Markenseite in einem be-
stimmten sozialen Netzwerk.

• Information in Social-Media-Kanälen, beispielsweise dem eigenen Blog, Podcast etc.


über besondere Veranstaltungen, wie etwa Vorträge, Hausmessen, gesponsorte kulturelle
Events, journalistische Beiträge über die eigenen Produkte.

• Anmeldung für (exklusive) Events, zum Beispiel über die Markenseite eines sozialen
Netzwerks, Abstimmung über die Zufriedenheit während der laufenden Veranstaltung in
Twitter, Präsentation von begleitenden und zusammenfassenden Unterlagen für einge-
schriebene Fans.

• Auslobung von Wettbewerben in klassischen Medien, zum Beispiel zu den besten nut-
zergenerierten Beiträgen, eingestellt in einem bestimmten Social-Media-Kanal. Nutzer
wählen die Gewinner, die dann wiederum in der herkömmlichen Werbung gezeigt wer-
den.

Diese Beispiele, die nur ein kleines Feld der vielen Kombinationsmöglichkeiten von Social-
Media-Marketing-Maßnahmen mit herkömmlichen Kommunikationsinstrumenten darstellen,
unterstreichen die Notwendigkeit einer integrierten Gesamtplanung, die natürlich auch die Ab-
stimmung von Maßnahmen in verschiedenen Social-Media-Kanälen beinhalten sollte. Im Rah-
men der Feinplanung ist dabei zum Beispiel zu entscheiden, in wievielen sozialen Netzwerken
man als Unternehmen präsent sein will, welche Funktionalitäten man im einzelnen vorsieht und
welche Rechte man Nutzern einräumen will. Wie bereits bei der Zielstellung der Social Media
Optimization zum Ausdruck gebracht wurde, ist auch eine Quervernetzung der Angebote erfor-
derlich, um den Traffic auf zentralen Seiten zu erhöhen, indem man Nutzer dort abholt, wo sie
sich im Social Web am liebsten aufhalten.
Ferner sollte man bei der Planung von Maßnahmen in verschiedenen Social-Media-Kanälen
darauf achten, einer bestimmten Botschaft und einem roten Faden in der Argumentation kon-
sistent zu folgen, ohne dabei die Besonderheiten einzelner Plattformen aus den Augen zu ver-
lieren. Auch Leitlinien der Corporate Identity, zum Beispiel Vorgaben des Corporate Design
sollten sich in den verschiedenen Auftritten und im unmittelbaren Austausch mit Nutzern als
Konstanten wiederfinden.
Darüber hinaus sollte man aus Gründen der Effizienz konsequent auf eine Mehrfachverwen-
dung von Content setzen, dabei jedoch berücksichtigen, dass medienspezifische Besonderhei-
ten und Stärken zum Tragen kommen sollten und deshalb einzelne Inhalte nicht eins zu eins
in ein anderes Medium übertragen werden dürfen. Aufgrund der Tatsache, dass das Lesen am
Bildschirm anstrengender ist als das Lesen von Offlinetexten, sollten Onlinetexte, wie zum Bei-
spiel Veröffentlichungen eines Blogs, deutlich kürzer ausfallen als der Inhalt einer produktbe-
zogenen Veröffentlichung in einem Fachjournal. Mikroblog-Dienste erfordern darüber hinaus
eine zusätzliche Reduzierung des Inhalts. Vorhandene Informationen für die Erstellung eines
234 7 Social Media im Rahmen der proaktiven Untemehmenskommunikation

Video-Podcasts müssen jedoch noch um visuelle Inhalte angereichert werden, was unterstrei-
chen soll, dass sich eine wirkungsvolle Mehrfachverwendung nicht ohne einen zusätzlichen,
maßgeschneiderten Gestaltungsaufwand bewerkstelligen lässt.

7.14 Erfolgsgrößen und Messansätze der


Kommunikation
Social Media Marketing lässt sich nur zum Teil mit den klassischen Erfolgsmetriken des On-
line-Marketings bewerten, da es auf einem Paradigmenwechsel der Kommunikation beruht. Es
sollte nicht darum gehen, Social Media nur als zusätzlichen Kanal der Einwegkommunikation
zu nutzen, sondern darum, mit usern der Zielgruppe in Dialog zu treten, sich mit diesen ausein-
anderzusetzen und bestenfalls dafür gewinnen zu können, markenbezogene Botschaften weiter-
zutragen und/oder durch nutzergenerierte Beiträge zu bereichern. Hinsichtlich der proaktiven
Kommunikation ist es ratsam, wie bereits im Rahmen der Zieldiskussion unterstrichen wur-
de, Abstand von einer kurzfristigen Kampagnenorientierung und langfristige Ziele ins Visier
zu nehmen, wie im Bereich der Public Relations und der strategischen Markenführung üblich.
Beispielsweise können in diesem Zusammenhang Ziele genannt werden, wie die Erreichung ei-
nes positiven Markenimages, die Vermittlung der eigenen Produkt-, Dienstleistungs- und/oder
Fachkompetenz sowie die Vermittlung von produkt- und unternehmensbezogenem Wissen. Die
Maßgrößen dieser Ziele unterscheiden sich dabei nicht wesentlich von jenen des klassischen
Marketings und der PR, so dass hier nicht speziell darauf eingegangen werden muss.
Messansätze für spezifische Social-Media-Ziele, wie die Erreichung einer hohen Markenprä-
senz und einer häufigen Thematisierung der Marke im Social Web zur Steigerung der Marken-
bekanntheit und die Gewinnung von Führsprechern und Unterstützern des Unternehmens im
Rahmen von digitaler Mundpropaganda oder im Bereich von nutzergenerierten Inhalten, ge-
stalten sich weniger einfach. Es fehlen hier noch allgemeingültige Standards und Definitionen.
Es zeichnen sich zwar schon bestimmte Kennzahlen ab, die erste Aussagen in der Erfolgsbeur-
teilung erlauben, diese müssen sich jedoch, auch im gegenseitigen Zusammenspiel, noch in der
Praxis bewähren. Erste Ansatzpunkte der Erfolgsbeurteilung liefern die folgenden, von Peter
Kim genannten Dimensionen und daran geknüpften Kennzahlen:541

• Aufmerksamkeit, die eigene Inhalte in einer bestimmten Zeitperiode erfahren, zum Bei-
spiel gemessen an Seitenaufrufen oder Videoabrufen.

• Partizipation der Nutzer mit dem eigenen Inhalt in einem bestimmten Kanal, zum Bei-
spiel gemessen an der Anzahl der Kommentare, Ratings, Weiterempfehlungen, oder an
inhaltlichen Überarbeitungen

• Autorität der eigenen Inhalte im Web, zum Beispiel gemessen an der Zahl von Emp-
fehlungen in Social-Bookmarking-Diensten, externen Links auf eigene Inhalte, wie zum
Beispiel eigene Blogbeiträge oder YouTube-Videos.

• Einfluss auf Anhänger, zum Beispiel gemessen an der Anzahl der Twitter-Follower,
der Fans der eigenen Facebook-Seite, der Anhänger des YouTube-Video-Kanals, der
Blogbeitrag- oder der Podcast-Abonnenten.
541
Vgl. Peter (A framework for measuring social media, 2008)
7.14 Erfolgsgrößen und Messansätze der Kommunikation 235

Die Erfolgsdimensionen von Kim erlauben eine grundlegende Erfolgsbeurteilung der Social-
Media-Kommunikation. Zu beachten ist, dass die jeweiligen Dimensionen nicht für jede Kam-
pagne als gleichwertig zu betrachten sind und nicht für jeden einzelnen Kunden als Indikator
zur Erfolgsmessung genutzt werden können. 542 Manche Unternehmen legen eventuell größeren
Wert darauf, eine hohe Anzahl von Anhängern oder Fans für ihre Marke zu erreichen, andere
schätzen viele Kommentare zu ihren Blogeinträgen und wieder andere präferieren, dass eigene
Inhalte im Netz mithilfe von Links verbreitet werden und sich viele Besucher auf der eigenen
Website einfinden. Daher müssen die einzelnen Erfolgsgrößen in der entsprechenden Gewich-
tung immer an die vorherrschenden Ziele angepasst werden.
Die angeführten Erfolgsdimensionen beinhalten durchaus auch Reichweitenmaße, beispiels-
weise zur Abschätzung der erfahrenen Aufmerksamkeit. Die Arbeitsgemeinschaft Social Media
fordert, diese noch zu erweitern. Dort wurde ein kombiniertes Reichweiten- und Intensitätsmaß
entwickelt, um dem besonderen Vernetzungsgrad und Engagement von Social Media besser
entsprechen zu können. Dieses Maß „.besteht aus zwei Komponenten: einer Konversations-
Reichweite, die nicht nur die primäre Reichweite von Werbeträgern in Social Media beinhaltet,
sondern zusätzlich auch noch Abstrahl- und Mundpropagandaeffekte berücksichtigt. Dieses er-
weiterte Reichweitenmaß wird kombiniert mit einem Intensitätsmaß, das abbildet, wie hoch
der jeweilige Share-of-Voice bzw. Share-of-Buzz eines Kanals in Bezug auf ein bestimmtes
Thema ist."543 Hinsichtlich der technischen Umsetzung dieses Maßes blieb es bislang jedoch
ausschließlich bei Ankündigungen seitens der Arbeitsgemeinschaft.
Neben quantitativen Messgrößen erfordert die Leistungsbeurteilung in Social Media auch
qualitative Maße. Da die Kommunikation nicht nur in eine Richtung stattfindet und ferner
die Qualität der Beziehungen zu den eigenen Anhängern einen wichtigen Wert darstellt, soll-
ten auch die Qualität des Zuhörens, das kommunikative Eingehen auf Kundenbedürfnisse und
letztendlich die Beziehungsqualität, die Zufriedenheit und der erzielte Vertrauensaufbau einer
Beurteilung unterzogen werden. Social Media bietet durch die Möglichkeit des direkten Feed-
backs die Chance, Meinungen von Nutzern in die Beurteilung qualitativer Leistungsaspekte
unmittelbar miteinzubeziehen. Ein leistungsfähiges Social Media Monitoring eröffnet in die-
sem Zusammenhang durch die Transparenz der geäußerten Kommentare und Meinungen sowie
abgeleiteten Stimmungsanalysen einen reichhaltigen Fundus von Auswertungsmöglichkeiten
qualitativer Daten. Diese Analysemöglichkeiten standen bislang für die Beurteilung klassi-
scher Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen und Kunden über verschiedene Kunden-
Kontaktpunkte nicht in diesem Umfang und einer entsprechenden kontextbezogenen Tiefe zur
Verfügung.
Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung, die operationale Verknüpfung und praxistaug-
liche Erhebung dieses Messansatzes müssen Unternehmen und übergreifende Verbände jedoch
noch Erfahrungen sammeln. Auf jeden Fall sollte man individuell maßgeschneidert mit der
Benennung von Zielgrößen für Socia-Media-Aktivitäten beginnen. Die Schwierigkeit der Fest-
legung auf aussagekräftige Messkonzepte, schildert Lena West anschaulich: "[...] Web/social
media metrics are very much like a dance [...] you know where you started on the dance floor,
but where you'll end up when the song is over? Who knows?" 544

542
Vgl. Nelles (Erfolgsmessungmessung, 2008)
543
AG Social Media (Measurement Summits, 2009)
544
West (The Social Media Measurement Hustle, 2009)
8 Social Media im
Innovationsmanagement
8.1 Crowdsourcing
Die aktive Partizipation von Kunden und Interessenten kann neben dem Einsatz im Rahmen
der externen Unternehmenskommunikation auch im Innovations- und internen Wissensmana-
gement sowie im Rahmen der Projektkoordination genutzt werden. Im Folgenden wird schwer-
punktmäßig der Frage nachgegangen, wie das Engagement von Onlineaktivisten zur Förderung
von Produkt- und Verfahrensneuheiten eingesetzt werden kann.545
Für die Nutzung der Energie von Beitragswilligen ist im Jahre 2006 ein Begriff geprägt
worden, der sich im Zusammenhang mit Web 2.0 etabliert hat: Crowdsourcing. Der Begriff
ist ein Kunstwort aus Outsourcing, für das Auslagern, und Crowd für die Masse der Kunden
oder Nutzer. Crowdsourcing setzt auf die schon beschriebene „Weisheit der vielen". Aufgaben
und Arbeitsplätze werden wie beim Outsourcing aus dem Unternehmen heraus verlagert. Diese
erfolgt jedoch nicht in ein kostengünstigeres Offshore-Land, sondern an viele beteiligte im In-
ternet. Die Crowd, also eine beliebige, möglichst große Menge von Menschen, die ein Interesse
am Mitmachen haben, sorgt für Ideen und Vorschläge, verfasst Beiträge, gibt Empfehlungen
und Bewertungen ab und wird damit zu einem, meist kostenlos agierenden Stab von „Mitarbei-
tern". Crowdsourcing setzt auf die kollektive Intelligenz und die Arbeitskraft einer Masse von
surfenden Freizeitmitarbeitern, was zwar zu sinkenden Kosten, jedoch auch zu einem hohen
Maß an Unverbindlichkeit und möglichen Qualitätsschwankungen führen kann.546
Obwohl der Begriff erst im Jahr 2006 geprägt wurde, wird diese Vorgehensweise schon seit
längerer Zeit von mehreren Firmen erfolgreich praktiziert. Populäre Vorreiter sind etwa das
Onlineversandhaus Amazon oder das Auktionshaus eBay. Der Erfolg von eBay beruht fast aus-
schließlich auf der aktiven Partizipation seiner Mitglieder. Das Auktionshaus stellt lediglich
den Onlinemarktplatz bereit. Den Rest erledigen die eBay-Nutzer selber. Andreas Weigend,
ehemaliger Mitarbeiter bei Amazon, bezeichnet diesen Mechanismus ein wenig despektierlich
als AAL-Prinzip. AAL steht für: andere arbeiten lassen.547 Auch Wikipedia funktioniert nicht
ohne Crowdsourcing. Tausende aktiver Nutzer generieren ohne Bezahlung Artikel und Inhalte
und arbeiten gemeinsam am Aufbau einer umfassenden Wissensbasis.
Eckpfeiler des Crowdsourcing ist, dass der Kunde nicht zu seiner Mitarbeit gezwungen wird,
sondern dies freiwillig tut, häufig ohne erkennbaren Gegenwert, auf Basis von intrinsischer
Motivation, wie Reputation, Anerkennung und Spaß an der Aufgabe. Insbesondere die Moti-
vation ist in vielen Fällen von Crowdsourcing entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg des
Projekts.
545
Vgl. Ziener (Social Software in der Unternehmenspolitik, 2007), S. 60ff.
54é
Vgl. Gehrke/Gräßer (Neues Web, neue Kompetenz?, 2007), S. 26
547
Vgl. Rickens (Web 2.0, 2006)
238 8 Social Media im Innovationsmanagement

Eine bereits seit längerem existierende Variante des Crowdsourcing findet sich auch in der
Open-Source-Bewegung: Zahlreiche Softwareentwickler nutzen ihre Freizeit, um verschiedens-
te Programme zu entwickeln, ohne finanzielle Gegenleistungen. Das Erfolgsbeispiel auf diesem
Feld ist das Betriebssystem Linux, das für jeden interessierten Nutzer prinzipiell kostenlos ver-
fügbar ist.
Crowdsourcing kann auch in anderen Branchen, beispielsweise der Modebranche beobach-
tet werden. Threadless, ein im Jahre 2000 in Chicago gegründetes Modeunternehmen, verkauft
mit großem Erfolg ein einfaches Produkt: modisch bedruckte T-Shirts, pro Monat mehr als
50.000 Stück. Das Besondere dabei ist, dass alle zentralen Aufgaben eines klassischen Mo-
deunternehmens an die Kunden ausgelagert sind: Manche Kunden designen die T-Shirts, an-
dere schlagen Verbesserungen zu den Entwürfen vor. Die Mehrheit der Kunden bewertet le-
diglich die Entwürfe anderer und wählt diejenigen aus, die aus der Konzeption in die Produk-
tion gehen sollen. Die Kunden übernehmen dabei das Marktrisiko, da sie sich zum Kauf ei-
nes Wunsch-T-Shirts moralisch verpflichten, bevor dieses in Produktion geht. Sie übernehmen
auch die Werbung, posieren als Models und fungieren als Fotografen für die Katalogfotos. Für
fast alle dieser Aktivitäten bekommen sie keine monetäre Gegenleistung, lediglich die weni-
gen Hobby-Designer, deren Motive tatsächlich produziert werden, erhalten eine Pauschale von
2.000 US-Dollar für einen Entwurf. 548
Einen ähnlichen Ansatz wie Threadless verfolgt das Leipziger Unternehmen Spreadshirt.
Spreadshirt wurde 2002 ursprünglich als Zwei-Mann-Unternehmen gegründet und ist seitdem
wie kaum ein anderer deutscher Mittelständler gewachsen. Inzwischen arbeiten weltweit meh-
rere hundert Menschen für Spreadshirt. Ein Jahr nach dem Start machte die Firma bereits einen
Umsatz von 60.000 Euro, mittlerweile bewegt sich dieser im zweistelligen Millionenbereich.549
Spreadshirt bedruckt Textilien, vor allem T-Shirts, in verschiedenen Farben und Formen, für
Privatleute, Vereine, Firmen. Diese können die Motive aus dem Angebot auf der Spreadshirt-
Homepage wählen, sie jedoch auch mithilfe von Spreadshirt-Software oder vollkommen selbst-
ständig entwerfen. Logos, Bilder und Sprüche werden via Internet an die Firma geschickt, die
innerhalb von 48 Stunden produziert und versendet. Spreadshirt ermöglicht es Nutzern auch
mittels eines speziellen Werkzeugs auf deren eigener Homepage kostenlos einen Onlineshop
einzurichten und eigene Waren zu verkaufen. Spreadshirt sorgt so für neue Geschäfte, über-
nimmt Produktion, Versand und Zahlungsabwicklung. Je nach Aufwand ergibt sich ein be-
stimmter Betrag, welchen der Käufer bezahlt und den der Onlineshop-Betreiber an Spreadshirt
abtreten muss - jedoch erst, wenn ein Shirt auch verkauft ist.
Crowdsourcing existiert in unterschiedlichsten Ausprägungen. Amazon nutzt beispielsweise
die Energie seiner Kunden inzwischen nicht nur für Rezensionen, Empfehlungen und Bewer-
tungen. Mittlerweile bietet der Onlinehändler auch so genannte "Human Intelligence Tasks",
d. h. Aufgaben an, die besser von einem Menschen als von einem Computer bewältigt wer-
den können. Dies soll an dem öffentlichkeitswirksamen Beispiel des Abenteurers Steve Fossett
verdeutlicht werden, der nach einem Alleinflug über der Wüste von Nevada vermisst wurde.
Die US-Nationalgarde suchte mit Flugzeugen, Hubschraubern, Infrarot- und Wärmekameras
nach dem Verschollenen, jedoch vergebens. Wo Experten versagen oder nicht mehr weiterwis-
sen, sollen tausende Amateure helfen. Über Mechanical Turk550, der von Amazon betriebenen
548
VgI. Heinze (Threadless, 2006)
549
Vgl. Sywottek (Das Ende der Pubertät, 2007)
550
http://www.mturk.com/mturk/welcome, Seitenaufruf am 11.11.2009
8.2 Innovationen durch interaktive Wertschöpfung 239

Crowdsourcing-Plattform, konnte sich jeder Interessierte an der Suche nach Fossett beteiligen,
und via Google Earth mehr als 20.000 Satellitenbilder nach Wrack- und Flugzeugteilen durch-
suchen.551 Die Suche war letztlich zwar nicht erfolgreich, da die Überreste von Fossett nach
über einem Jahr seines Verschwindens zufällig von einem Wanderer gefunden wurden, jedoch
trotzdem eine Erfolg versprechende Möglichkeit. Amazon entlohnt die konkrete Arbeitsanfor-
derung, die aus tausenden von gestellten Aufgaben ausgewählt wird, stellenweise mit (gerin-
gen) Beträgen, die man sich dem eigenen Konto gutschreiben lassen kann.
Ein generelles Einsatzfeld des Crowdsourcing findet sich auch in einem Bereich, der zum Teil
mit dem Begriff Social Commerce beschrieben wird. Von Social Commerce spricht man, wenn
im Rahmen von E-Commerce die aktive Partizipation von Kunden beispielsweise durch Ein-
schätzungen und Erfahrungen genutzt wird. Bewertungen und Empfehlungen eines Produkts
durch andere Nutzer können, wie bereits angeführt, die Kaufentscheidung signifikant beein-
flussen. Das Bewertungssystem bei eBay hilft beispielsweise beim Ausfiltern unzuverlässiger
Verkäufer, Rezensionen bei Amazon tragen dazu bei, sich für den Kauf geeigneter Lektüre zu
entscheiden, Empfehlungen durch Wunschlisten in Blogs lenken das Interesse auf bestimmte
Produkte. Der Kunde hat ferner die Möglichkeit, auf Einkaufs- oder auch auf Kommunikati-
onsplattformen, wie Blogs und Social Networks, Bewertungen vorzunehmen und so Einfluss
auf das Renommee eines Produktes oder einer Firma zu nehmen.552
Je nachdem wie breit oder eng man den Begriff Crowdsourcing fasst, lassen sich unterschied-
lichste Aspekte darunter subsumieren. Im Falle einer breiten Definition schließt Crowdsourcing
jegliche aktive Partizipation der Kunden mit ein, wobei die enge Definition sich nur auf tat-
sächliche Wertschöpfung zu konkreten Aufgaben oder Problemen beschränkt. Im Rahmen der
vorliegenden Publikation wird eher der weiter gefassten Definition gefolgt. Denn zentrales und
bestimmendes Merkmal von Crowdsourcing ist stets der Dialog und Austausch zwischen Un-
ternehmen und Kunden.
Jeder Corporate Blog und jedes Firmen-Wiki ist letztlich eine Form von Crowdsourcing,
wenn es gelingt, die von den Nutzern gelieferten Ideen und Anregungen aufzugreifen und in
konkrete Maßnahmen einfließen zu lassen.

8.2 Innovationen durch interaktive Wertschöpfung


Grundsätzlich gilt die Fähigkeit eines Unternehmens zur laufenden Erneuerung von Produk-
ten und Prozessen seit jeher als wesentlicher Erfolgsfaktor. Innovationen tragen zur Sicherung
die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens entscheidend bei. Trotz der unbestritten hohen Be-
deutung von Innovationen stehen Unternehmen immer wieder vor Schwierigkeiten, erfolgreich
neue Produkte und Leistungen zu entwickeln und im Markt einzuführen. So sind, abhängig von
der jeweiligen Branche, bei neu eingeführten Produkten oft Flopraten von über 50 Prozent zu
verzeichnen. Das heißt, dass zum Teil mehr als die Hälfte aller Produktneueinführungen nicht
den in sie gesetzten Erwartungen entsprechen und schließlich wieder vom Markt genommen
werden. Hersteller übersehen gemäß verschiedener Studien oft die wahren Kundenwünsche
und investieren Forschungsgelder in die falschen Produkte. Vor diesem Hintergrund besteht
ein zentraler Ansatz des Innovationsmanagements darin, systematisch und so früh wie möglich
551
Vgl. Schindler (SAR@Home, 2007)
552
Vgl. Richter/Koch/Krisch (Social Commerce - Eine Analyse des Wandels im E-Commerce, 2007), S. 5
240 8 Social Media im Innovationsmanagement

Quellen kreativen Potenzials zu erschließen, um das Risiko von unbrauchbaren Innovationen


zu minimieren. Wie die Innovationsstudie 2009 belegt, werden jedoch die Kreativität und die
schöpferische Kraft von Mitarbeitern im Unternehmen nicht ausreichend gefördert. 88 Prozent
der an der Studie teilnehmenden deutschen Führungskräfte sind der Meinung, dass das krea-
tive Potenzial der Mitarbeiter deutlich intensiver genutzt werden könnte. Hinderlich in diesem
Zusammenhang wirkt sich eine beklagte, nicht sehr innovationsförderliche Kultur aus. Nur je-
des zweite Unternehmen steht Innovationsanstößen von Mitarbeitern „eher offen" gegenüber.
Ideenreichtum und kreative Entwicklungen werden leider noch viel zu häufig ausschließlich als
Domäne der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gesehen. 553
Eine zentrale Aufgabe des Marketingss besteht darin, darauf hinzuwirken, dass neue Produk-
te den Anforderungen der potenziellen Kunden gerecht werden. In diesem Zusammenhang gilt
es auf Innovationsprozesse einzuwirken, was über die Einbeziehung von Marktforschungsun-
tersuchungen oder bestenfalls gleich direkt über die Integration von potenziellen Kunden und
Interessenten erfolgen kann. Der Grad der Herausforderung, der sich aus dieser Aufgabe des
Marketings ermessen lässt, wird deutlich, wenn man sich die fehlende Offenheit gegenüber
Innovationsanstößen der eigenen Mitarbeiter vor Augen führt, welche in der angeführten Inno-
vationsstudie beklagt wurde. Wenn sich deutsche Unternehmen schon in einem beträchtlichen
Maß gegenüber einer konsequenten Nutzung des unternehmensinternen Kreativitätspotenzials
verschließen, wieviel schwerer ist dann die Hürde, das Potenzial von externen Mitarbeitern zu
nutzen, beispielsweise mittels Crowdsourcing?
Dabei wird die Notwendigkeit zur Integration des Kunden in Produktentwicklung und Ge-
schäftsprozesse bereits seit vielen Jahren gefordert. Die Idee, Kunden in Innovationsprozesse
und die Produktentwicklung einzubeziehen, findet sich beispielsweise schon im Quality Func-
tion Deployment (QFD), das Ende der 1960er Jahre in Japan konzipiert wurde. QFD beschreibt
eine durchgängige Methodik zur künden- und marktorientierten Entwicklung von Produkten
und Dienstleistungen.
Auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur wird die Zusammenarbeit von Kunden und
Unternehmen schon seit längerem diskutiert. Reichwald und Piller gebrauchen dafür den Aus-
druck „interaktive Wertschöpfung" und fassen die Varianten Open Innovation und Mass Cu-
stomization darunter. 554 Gemeint ist in beiden Fällen das Phänomen, dass Unternehmen Teile
ihrer Aufgaben, also der Wertschöpfung, an ihre Kunden auslagern. Open Innovation verkör-
pert dabei die Öffnung des Innovationsprozesses und die Integration von externen und inter-
nen Ideen, beispielsweise durch Kunden oder eigene Mitarbeiter. 555 Mass Customization, auch
als kundenindividuelle Massenproduktion übersetzt, bezieht sich auf die Zusammenarbeit im
Produktionsprozess, in welchem individualisierte Produkte nach Kundenwünschen hergestellt
werden, wobei Kosten jenen der Massenproduktion vergleichbar sind.
Die Öffnung des Innovationsprozesses im Rahmen von Open Innovation kann für alle be-
teiligten von Vorteil sein. Nutzer mit Problemstellungen, die mit existierenden Produkten nicht
gelöst werden können, bringen eigene Ideen ein, die im Idealfall von Entwicklern des Unter-
nehmens aufgegriffen werden und in Form von neuen Erzeugnissen zur Lösung des Kunden-
problems beitragen. Unternehmen wiederum verbessern durch innovative und wirkungsvolle
Produkte ihre Marktstellung. Das Engagement von Kunden durch das Erstellen von Vorschlä-
553
Vgl. Innovationsstudie 2009, PresseEcho.de (Unternehmen verschwenden Innovationspotenzial, 2009)
554
Vgl. Reichwald/Piller (Arbeitsteilung, 2006), S. 45
555
Vgl. Chesbrough (Open Innovation, 2003)
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 241

gen kann helfen, die Bindung des Kunden an das Unternehmen zu erhöhen, was in der Folge
ebenfalls positive ökonomische Auswirkungen haben kann. Wenn einzelne Beitragende, die
sich mit neuen Produktfunktionen und Lösungen einer Marke beschäftigen, sich mit anderen
Nutzern austauschen, können zudem positive virale Effekte entstehen. Das öffentliche Kundtun
des persönlichen Einsatzes für eine Marke ist schon ein Vertrauensbeweis für den betreffenden
Anbieter und die Interaktion mit anderen im Rahmen der Lösungssuche kann dazu führen, dass
sich auch weitere Nutzer davon anstecken lassen. Eine breite Beteiligung verschiedenster Nut-
zer eröffnet ferner die Chance, neue Impulse zu erhalten, die bei einem rein internen Vorgehen
durch interne F&E-Mitarbeiter, die immer der Gefahr der Betriebsblindheit unterliegen, nicht
in dem Maße gegeben ist. Zudem sind Einsparungsmöglichkeiten denkbar, wenn durch externe
Anstöße keine eigenen Personalressourcen dafür aufgewendet werden müssen.
Um diese Vorteile in Anspruch nehmen zu können, bedarf es eines gezielten Einsatzes von
Social-Media-Anwendungen im Rahmen des Crowdsourcings. Wie diese für die Ideengenerie-
rung genutzt werden können, zeigt das folgende Kapitel.

8.3 Ideengewinnung durch Social Media


Die Erkenntnis, dass Kunden meist besser über die Produkte eines Unternehmens Bescheid
wissen und somit ein wertvolles kreatives und innovatives Wissenspotenzial aufweisen, ist nicht
neu und wurde bereits im Cluetrain Manifest beschrieben. „Es gibt keine Geheimnisse. Der
vernetzte Markt weiß mehr als die Unternehmen über ihre eigenen Produkte. Und egal ob die
Nachricht gut oder schlecht ist, sie erzählen es jedem." 556
Inzwischen wird diese Einschätzung auch von vielen Unternehmen geteilt. Dies drückt sich
in einer stark gestiegenen Wertschätzung des Wissens- und Erfahrungspotenzials der eigenen
Kunden aus. Kunden werden in die Produktentwicklung einbezogen und zwar direkt und unmit-
telbar über Kommunikationskanäle des Webs, ohne den Umweg über Marktforschungsinstitute
und Meinungsumfragen.
Man entwickelt ein Produkt bis zur Fertigstellung nicht mehr für eine Zielgruppe, deren Be-
dürfnisse und Vorstellungen vorerst mit aufwendigen Verfahren der Marktforschung evaluiert
worden sind, sondern bezieht Kunden an einem bestimmten Punkt mit in den Entwicklungspro-
zess ein.
Das erspart natürlich nicht eine grundlegende Bedürfnisanalyse im Vorfeld, vermindert je-
doch ganz enorm das Risiko, Produkte am Markt vorbei zu entwickeln und erhöht die Chance
im Dialog mit dem Kunden Produktinnovationen zu kreieren, auf welche die Forschungs- und
Entwicklungsabteilung eines Unternehmens, vielleicht alleine gar nicht gekommen wäre.
Social Media eignet sich aufgrund der beschriebenen Charakteristika ausgesprochen gut für
die Kollaboration einer Vielzahl von Nutzern. Das Internet bietet hervorragende Möglichkei-
ten der Zusammenarbeit, um Wissen zu generieren und damit Werte zu schaffen. Ziel muss
die Nutzbarmachung der kollektiven Intelligenz der vielen Internetnutzer sein, denn ansonsten
werden Unternehmen in Zukunft spürbare Wettbewerbsnachteile erleiden.
Ein Beispiel unterstreicht diesen Ansatz. Das kanadische Bergbauunternehmen Goldcorp,
das auf Goldminen spezialisiert ist, hatte im Jahre 2000 große Probleme neue Gold vorkommen
zu entdecken und stand kurz vor der Insolvenz. Um zu ermitteln, was noch an Rohstoffen aus
556
Levine/Locke/Searls/Weinberger (Das Cluetrain Manifest, 1999)
242 8 Social Media im Innovationsmanagement

einer 50 Jahre alten Goldmine herauszuholen sei, entschied sich der damalige CEO Rob McE-
wen dafür, einen Wettbewerb mit einem Preisgeld in Höhe von einer halben Million Dollar
auszulohen. Zu diesem Zweck stellte er alle geologischen Daten des Unternehmens ins Inter-
net. Ein gewagter Versuch, gehören diese Daten doch eigentlich zum bestgehüteten Geheimnis
eines Unternehmens. Schließlich ermöglichte man dadurch auch der Konkurrenz einen Einblick
in diese Daten. Doch der Erfolg gab McEwen Recht: Mehr als 1.000 Geologen und Hobbyfor-
scher beteiligten sich an der digitalen Suche. Die Hälfte der Vorschläge verwiesen auf Stellen,
welche die hauseigenen Geologen bisher nicht entdeckt hatten. Dank des Wettbewerbs konnte
das Unternehmen Gold im Wert von bislang knapp dreieinhalb Milliarden Dollar aus dem Bo-
den holen. Der Börsenwert des Unternehmens stieg von 100 Millionen auf rund 18 Milliarden
Dollar und Goldcorp gehört heute zu den größten Goldproduzenten weltweit.557
Auch der italienische Fiai-Konzern setzt inzwischen intensiv auf Crowdsourcing und bindet
seine Kunden aktiv in die Produktentwicklung ein. Mit einer groß angelegten Aktion zur Mo-
delleinführung des neuen Fiat 500 Cinquecento ließ man Kunden und Interessenten bereits an
der Entwicklung des Autos im Internet mitarbeiten. Auf einer speziellen Internetseite558 konn-
ten diese ab September 2006 das Design des Kleinwagens mitbestimmen. Die Resonanz war
überwältigend: Allein in den ersten 50 Tagen haben die Italiener mehr als 500.000 Zugänge ge-
zählt, nach wenigen Monaten waren zehn Millionen Klicks zu registrieren, fast 400 Menschen
haben ein Foto zu den „500 Faces" auf die Website gestellt, und mehr als 170.000 Entwürfe
zeigen, wie sich die Fans den neuen Cinquecento vorstellen. Fiat Markenchef Luca De Meo
sieht die Internetarbeit vor allem als moderne Marktforschung und eine Risikoversicherung für
die Investitionen: „Wenn wir auf das hören, was uns die Kunden sagen, dann können wir relativ
sicher sein, dass unser Auto später auch gut ankommen wird."559
Auch der Onlinehändler Amazon intensiviert den Austausch mit Kunden und Interessierten.
Nachdem Amazon schon immer auf Kunden-Feedback setzte, von Buchkritiken bis zu Empfeh-
lungen für verwandte Produkte, versucht Amazon nun mit „Amapedia" die größte unabhängige
Produktdatenbank der Welt zu schaffen. Amapedia ist gewissermaßen eine Verschmelzung aus
Wikipedia und Amazon. Jeder Kunde kann sich hier einloggen und Beiträge zu jedem beliebi-
gen Artikel verfassen und alle möglichen Quellen verlinken. Amazon gewinnt auf diese Weise
eine Fülle von Informationen zu den verschiedensten Produkten. Mit diesen Angaben lassen
sich die Produktbeschreibungen von vielen Artikeln bei Amazon ergänzen. Denn hinsichtlich
vieler exotischer Produkte sind diese bislang eher bescheiden. So werden beispielsweise bei
vielen ausgefallenen Fachbüchern lediglich Titel und Autor angegeben. Ein Produktwiki wie
Amapedia kann somit einem Universalanbieter wie Amazon dabei helfen, seine Produktbe-
schreibungen zu verbessern, indem interessierte Nutzer die Texte eigenständig ergänzen. So
lassen sich auch sehr spezielle Produkte besser verkaufen und der "Long Tail" wächst. Hinzu
kommt, dass für Amazon die Informationen kostenlos sind, da die Kunden für ihre Mitwirkung
nicht bezahlt werden.560
Solche Crowdsourcing-Wikis stellen eine Möglichkeit dar, sich Informationen zu erschlie-
ßen, die innerhalb eines einzelnen Unternehmens nicht erhalten werden könnten - zumeist aus
logistischen Gründen. Letztendlich zieht nicht nur Amazon seine Vorteile aus solchen Produkt-
557
Vgl. HR Info (Wikinomics, 2007)
558
Vgl. http://www.fiat500.com, Seitenaufruf am 11.11.2007
559
Grün weg (Fiat 500, 2006)
560
Vgl. Kleinz (Online-Enzyklopädie, 2007)
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 243

datenbanken. Internetspezialisten wie der Wikipedia-Mitgründer Larry Sanger sehen in solchen


gigantischen Informationspools die Zukunft des Wissensmanagements.561 Voraussetzung ist al-
lerdings, dass sie verlässlich und neutral sind. Dann ist der Nutzen solcher Datenpools unbe-
stritten. Denn häufig nimmt die Suche und Organisation von Informationen überproportional
viel Zeit in Anspruch. Mithilfe solcher Informationspools kann man sich dagegen verstärkt der
tatsächlichen Bewertung und Nutzung der Daten widmen.
Crowdsourcing bietet enorme Potenziale. Der Unternehmer und Blogger Matias Roskos ana-
lysiert dies in seinem Blog: „Ich bin mir sicher, dass ein Teil der Zukunft des Internets] im
Crowdsourcing (bzw. usergenerierter Produkt- und Handlungs-Konfiguration), [!] liegt. User
erstellen Designs für Klamotten, CD-Cover, Logos, Layouts für Webseiten, Farbkombinationen
für Fahrräder, Handlungsstränge für Sitcoms, Etiketten für Getränke, Fortsetzungsstränge von
Kino-Filmen (ich glaube, jede Online-Community hätte eine bessere Fortsetzung von Matrix
zustande gebracht wie diejenige, die im Kino zu sehen war) oder gleich komplette Kampagnen-
Ideen für neue Produkte. Sie liefern Illustrationen, Storyboards, Video-Dummys für Werbespots
usw. Eine Community ist meist kreativer als ein einzelner Grafiker. Was nicht heißen soll, dass
Grafiker, Webdesigner, Fotografen, Werbeagenturen dadurch arbeitslos werden sollen. Ganz im
Gegenteil. Sie müssen und werden sich einbringen. In dem [!] sie natürlich mitmachen, aber
auch Ideen aufgreifen und professionell umsetzen. In dem [!] sie Contests und Aktionen initi-
ieren und mit lenken. In dem [!] sie ihre Kreativität verschmelzen lassen mit der Kreativität der
Community."562
Das Einbeziehen der Kunden in die eigene Produktentwicklung, wird heutzutage durch die
Kommunikationsmöglichkeiten des Internets stark vereinfacht. Jedoch nicht nur der inhaltliche
Input ist dabei von größtem Wert, sondern auch die Wertschätzung dieser Menschen und die
wahrscheinlichen Chancen, dass diese daraufhin kostenlose PR für das Unternehmen machen
werden. Crowdsourcing wird folglich zum Marketing- und PR-Instrument.
Wichtig ist es, Crowdsourcing als offenen Prozess zu begreifen, der auf einer Unternehmens-
kultur fußt, die in einen aktiven Dialog mit ihren Kunden treten möchte und darum bemüht ist,
die Beziehungen zu diesen zu stärken. Crowdsourcing ist dabei eine Möglichkeit, diesen Dialog
zu initiieren und diese für beide Seiten eher ungewöhnliche Beziehung aufzubauen.

8.3.1 Ideengenerierende Communities


Unabhängige Ideenportale Als eine erste Möglichkeit, Ideen von anderen zu verwerten,
ohne den Aufwand für die Einrichtung einer eigenen Ideencommunity schultern zu müssen,
kann sich die Nutzung von unabhängigen Ideenportalen anbieten. Diese zielen darauf ab, eine
produkt- und herstellerunabhängige Sammlung, Kommentierung und Bewertung von Ideen zu
verwirklichen. Das Portal Thoughtblend563, umschrieben als die "„good idea community" arbei-
tet beispielsweise nach diesem Prinzip. Zur Teilnahme als Ideenlieferant ist eine Anmeldung
erforderlich, die mittels eines Benutzernamens, eines Passworts und einer gültigen E-Mail-
Adresse in kürzester Zeit vollzogen werden kann. Nach dem Login kann man in verschiedenen
Kategorien, die sich von Kunst über Fahrzeuge und Transport, Gesundheit, Erfindungen bis hin

56
'Vgl. Postinett (Amazon startet Produkt-Wikipedia, 2007)
562
Rosko (Crowdsourcing, 2006)
563
Vgl. http://www.thoughtblend.com, Seitenaufruf am 11.11.2009
244 8 Social Media im Innovationsmanagement

zur Philosophie erstrecken, eigene Ideen zum Ausdruck bringen und andere Ideen kommen-
tieren oder bewerten. Der allgemeine Charakter dieser Art von Ideensammlung und die relativ
grobe und schwer nachzuvollziehende Differenzierung der einzelnen Kategorien lassen erken-
nen, dass diese Art des Crowdsourcings für Unternehmen, wenn überhaupt, nur sehr allgemeine
Anregungen im Hinblick auf Innovationen bieten kann. Sucht man nach Vorschlägen, die sich
stärker auf das eigene Produktangebot fokussieren, bietet sich die Einrichtung eines eigenen
Ideenportals an.

Unternehmenseigene Ideenportale Mit den Unternehmen Threadless und Spreadshirt


wurden bei der Erläuterung des Prinzips des Crowdsourcings bereits zwei Erfolgsbeispiele für
unternehmenseigene Ideenportale genannt. Die Ideengewinnungsplattform IdeaStorm von Dell
wurde ebenfalls schon im Kontext der Kontaktpunkte dieses Unternehmens thematisiert.
Auch in der Gastronomie finden sich Beispiele. Die Kaffeehauskette Starbucks bietet mit
"my Starbucks Idea" eine Ideencommunity an, mit deren Hilfe bereits viele Ideen zu verschie-
denen Leistungsaspekten des Anbieters gesammelt werden konnten, obwohl keine materielle
Belohnung für das Engagement in Aussicht gestellt wird. Die Kategorien für die Ideensamm-
lung betreffen die klassischen Produkte, wie Kaffee (18.387 Ideen), Tee und andere Geträn-
ke (5.668 Ideen), sie beziehen sich jedoch auch auf die Auftrags- und Zahlungsabwicklung
(4.550 Ideen), auf Atmosphäre & Locations (7.767 Ideen) sowie auf das Communitymanage-
ment (2.425 Ideen) des Unternehmens. Durch die Anregungen der Kunden konnten u. a. ver-
schiedene neue Getränke eingeführt, die Kaffeebecherbeschaffenheit verbessert und ein eigenes
Rabattkartensystem angeboten werden.564
Als deutsches Handelsunternehmen mit Kaffeevergangenheit betreibt Tchibo seit Sommer
2008 die Ideenplattform "Tchibo Ideas". Dort werden Kunden aufgefordert, Probleme zu lösen
bzw. ihre Ideen für Produkte und Lösungen mitzuteilen. Die besten Ideen werden von der Com-
munity ausgewählt und mit maximal 2.000 Euro entlohnt. Seit dem 15.07.2009 konnten bereits
die ersten umgesetzten Ideen in das Sortiment des Tchibo Shops aufgenommen werden, bei-
spielsweise ein drehbares Schneidbrett mit zweigeteilter Auffangschale, wie in Abbildung 64
dargestellt, eine Fahrradsattelbox mit einem Schutzbezug, damit diese trocken bleibt, oder ein
Auto-Handtaschenhalter.565
Einige Betreiber von eigenen Ideencommunity-Portalen fördern das Engagement der Nutzer
mit materiellen Anreizen in durchaus umfangreichem Ausmaß. So bietet beispielsweise der
T-Shirthersteller Threadless eine Entlohnung für den T-Shirt-Designer des Jahres {"Peoples's
Choice Bestee Award!') in Höhe von 10.000 US-Dollar an, ausgewählt nach dem Votum der
Communitymitglieder. Zusätzlich werden mehrere Preise in Höhe von jeweils 1.000 US-Dollar
für verschiedene Leistungen angeboten, vom "Slogan of the Year", dem "Best Use of Critique"
bis zur "Collaboration of the Year". Mit den letztgenannten Preisen wird ganz bewusst die
erfolgreiche Interaktion der Community honoriert. Beispielsweise die Nutzung konstruktiver
Kritik ("the most effective and constructive use of the Critique Section by a designer in a design
chosen for print") oder besondere Bemühungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit ("the
best overall collaborative effort chosen for print").566
564
Vgl. http://mystarbucksidea.force.com/ideaList?c=09a5000000001hiAAA&lsi=2, Seitenaufruf am 11.11.2009
565
Vgl. https://www.tchibo-ideas.de, Seitenaufruf am 11.11.2009
5β6
Threadless.com (The 2008 Bestees Official Rule, 2008)
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 245

Abbildung 64: Umgesetzte Produkt-Idee „Schneidbrett mit Auffangschale", generiert mithilf e


der Plattform "Tchibo Ideas"567

Auch die Communities von Spreadshirt oder Tchibo loben Preise als besonderen Anreiz für
herausragende Vorschläge aus. Andere Anbieter, wie Dell oder Starbucks, verzichten darauf,
was als ein Beleg dafür zu werten ist, dass das Einbringen von eigenen Ideen mit der Aussicht
auf eine Umsetzung in Produkte oder die Erzielung einer positiven Resonanz durch die Commu-
nity bereits als Motivatoren ausreichen können. Als positive Resonanz der Community können
beispielsweise unterstützende Votings und Kommentare gewertet werden. Voraussetzung, für
eine lebhafte Beteiligung an einer eigenen Ideenplattform ist grundsätzlich zunächst deren Be-
kanntheitsgrad. Zudem sollte den Produkten ein entsprechendes Involvement entgegengebracht
werden. Für weltweit bekannte Marken, wie Dell, die Berührungspunkte für internetaffine Nut-
zer bieten und die, wie Starbucks, Repräsentanten eines mobilen Urbanen Lebensgefühls sind,
ist die Gewinnung von Ideengebern sehr viel einfacher als für Plattformbetreiber von Marken,
die relativ unbekannt sind, die wenig Identifikationspotenzial bieten oder deren Produkte ge-
nerell wenig Interesse hervorrufen. Die letztgenannten Anbieter sind eher darauf angewiesen
dem eigenen Antrieb potenzieller Beitragswilliger durch zusätzliche materielle Anreize auf die
Sprünge zu helfen.
Unternehmen mit Interesse an der Gründung einer eigenen Ideenplattform müssen sich vor
Augen halten, dass mit der Inanspruchnahme des Nutzens externer Ideengenerierung auch ein
Aufwand vonnöten ist, der nicht unterschätzt werden sollte. Dieser umfasst zum Beispiel die
Betreuung der Community, die Bereitstellung und den Betrieb der Austauschplattform sowie
Benennung von Verantwortlichen zur Ideenbewertung und Kommentierung. Zusätzlich sind
Moderatoren erforderlich, die sinnlose oder regelwidrige Ideen filtern und löschen.
Für den Betrieb eigener Ideenplattformen stellen mittlerweile Softwareanbieter, wie Sales-
force.com oder Ideatorrent.org spezialisierte kommerzielle Softwarelösungen zur Verfügung.
Salesforce unterstützt beispielsweise Starbucks und Dell in diesem Zusammenhang mit seiner
Software "Idea Exchange",568
Es ist denkbar, dieses Modell als Ergänzung oder als Ersatz einer Internet-Community für die
Ideengenerierung exklusiv auch eigenen Mitarbeitern anzubieten. In diesem Fall könnten sich
Abteilungen oder Personengruppen an der Erstellung von kreativen Lösungen beteiligen. Rea-
lisiert wurde dies beispielsweise, wie bereits erwähnt, bei Dell. Mitarbeitern wurde im Intranet
eine Lösung, ähnlich dem öffentlichen Portal IdeaStorm, zur Verfügung gestellt. Mit dem Portal
567
Vgl. https://www.tchibo-ideas.de, Seitenaufruf am 11.11.2009
568
Vgl. Roskos (Crowdsourcing, 2008)
246 8 Social Media im Innovationsmanagement

EmployeeStorm konnten bis Mitte 2008 bereits 2.700 Ideen gesammelt werden und 22 Prozent
der Mitarbeiter beteiligten sich daran.569 Seit dem 01.08.09 betreibt auch Mercedes-Benz eine
Plattform zur Generierung von Geschäftsideen für Mitarbeiter. Seit dem Start der so genann-
ten "Business Innovation Community" haben sich über 10.000 Mitarbeiter des Unternehmens
als Community-Mitglied angemeldet, 860 Ideen eingereicht, 5.800 Kommentare zu Ideen ver-
fasst und über 6.900 Bewertungen abgegeben. Michael Kuhn vom Unternehmen hierzu: „Diese
'Weisheit der Masse' nehmen wir sehr ernst."570 Eine Onlineumfrage, an der sich 1.000 Mit-
arbeiter der Ideencommunity beteiligt haben, brachte zu Tage, dass 95 Prozent der Befragten
diese Art der Einbeziehung für die Gewinnung von Geschäftsideen gut finden. 85 Prozent sehen
ferner einen Mehrwert darin, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Bereiche miteinander diskutie-
ren können.
Interne Crowdsourcing-Lösungen weisen neben der Verbreiterung des Ideenpools und einer
Entlastung von F&E-Mitarbeitern den Vorteil auf, dass Ideen durch das Vorhandensein von
Detailkenntnissen unter Umständen spezifischer formuliert werden können, was insbesondere
für Prozessinnovationen bzw. für Neuerungen interner Abläufe vorteilhaft ist. Anreize für her-
ausragende intern generierte Ideen können beispielsweise betriebsinterne Hervorhebungen, die
Anerkennung bei der persönlichen Leistungsbeurteilung oder gar eine finanzielle Prämierung
sein.
Eine einfachere Variante im Vergleich zur Gründung einer eigenen Ideencommunity besteht
darin, einen eigenen Corporate Blog für die Ideengewinnung zu nutzen. Ein Corporate Blog
kann sich auf viele Themen beziehen. Von daher ist es leicht möglich, Produkt- und Prozessin-
novationen zu thematisieren und die eigene Leserschaft um konkrete Anregungen und Ideen zu
bitten. Die eigenen Blogleser sind zwar nicht in dem Maße auf Ideen fixiert, wie dies bei einer
reinen Ideencommunity der Fall ist, es ist jedoch durchaus möglich, dass auch Leser mit ei-
nem allgemeinen Unternehmensinteresse Vorschläge mithilfe der Kommentarfunktion generie-
ren. Im Daimler-Blog, der bereits Erwähnung fand, wurde beispielsweise in einem Artikel ein
Techniktest vorgestellt, in dem LED-Scheinwerfer mit Xenon-Scheinwerfern verglichen wur-
den. In den Kommentaren fand die LED-Technologie anerkennenden Zuspruch und es wurde
der Wunsch geäußert, diese schnellstmöglich für alle Mercedes-Modelle einzusetzen.571
Auch das Unternehmen Dell nutzt Blogs, um Anstöße für Innovationen zu erhalten. Im Blog
Ideas informiert es beispielsweise über Neuigkeiten von IdeaStorm. Auch weitere Blogs, wie
zum Beispiel das TechCenter Blog, das Education Blog oder das Inside Enterprise IT Blog
beziehen sich auf Themenfelder, welche durch das Feedback der Leser Anstöße für Neuerungen
ermöglichen.572
Die Unterstützung der eigenen Blogleser nimmt auch die norwegische Agentur Vizeum in
Anspruch, die im Auftrag von IKEA eine Social-Media-Plattform aufbauen soll, auf der sich
Interessierte über die Marke IKEA austauschen und Ideen verbreiten können. Um Anregungen
für diese Aufgabe zu erhalten, stellt die Agentur ihren Bloglesern folgende Fragen, die jeweils
einzeln kommentiert werden können:

• "Do you have any other sites, platforms and brands that can inspire us?
569
Vgl. Point Of Origin (Dell Community, 2008)
570
Kuhn (Business Innovation Community, 2009)
571
Vgl. Moisel (Scheinwerfertests zur Sommer-Sonnenwende, 2009)
572
Vgl. http://en.community.dell.com/blogs/, Seitenaufruf am 11.11.2009
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 247

• What is the most important success criteria?

• What role should IKEA play in social media and what role would their presence in social
media play for you?

• How can IKEA and you inspire each other mutually trough social media?

• In what way would you connect with the IKEA brand and other IKEA fans?

• What functions and applications would you like to have on the platform?

• What kind of content would you like to have on the platform?"573

Die einsehbaren Blogkommentare halten sich zwar noch in einem überschaubaren Rahmen, sie
sind jedoch fast alle ernst gemeint, durchdacht und bieten nützliche Anregungen.

Open Innovation Portale Unternehmen, die den Aufwand scheuen, eine eigene Ideen-
plattform mit der hierfür erforderlichen Community aufzubauen, können zur Ideenfindung auch
auf Angebote spezialisierter Dienstleister zurückgreifen. Ein deutscher Anbieter, der eine Ide-
encommunity betreibt und Unternehmen für eine entsprechende Vergütung Zugang zu Ideenge-
bern verschafft, ist beispielsweise brainfloor.com. Es können sich dort kreative Nutzer kostenlos
als BrainWorker anmelden und Kunden, die nach Anregungen suchen, so genannte BrainUser,
ihre Lösungen zur Verfügung stellen. Anschließend bewertet das ideensuchende Unternehmen
die Vorschläge und entlohnt den Ideengeber finanziell. Zum Zeitpunkt der Recherche, Ende
2009, sind auf der Plattform über 2.117 user angemeldet gewesen, die für drei verschiedene
Auftraggeber Vorschläge erstellen und für jede gute Idee mindestens einen Euro erhalten. Top-
Ideen erzielen häufig eine Prämie des Auftraggebers. Zudem werden die besten Ideengeber na-
mentlich erwähnt. Insgesamt wurden auf Brainfloor.com bis zum 15.09.2009 über 16.057 Ideen
abgegeben.574
Die Anmeldung eines Brain Workers bedarf lediglich einer E-Mail-Adresse und eines Pass-
worts. Für auftraggebende BrainUser wird für jedes Unternehmen eine eigene Preisregelung
vorgenommen. Diese richtet sich nach Anzahl der gewünschten Ideen, Anzahl der gestellten
Fragen und dem Honorar für die Brain Worker. Nicht erwerbswirtschaftlich tätige Kunden, wie
zum Beispiel wohltätige Organisationen, können ihre Fragen kostenlos stellen. Ist ein Auftrag-
geber angemeldet, kann er seine Problemstellung zum Ausdruck bringen. User antworten mit
Vorschlägen, wobei diese dann nur das suchende Unternehmen zu sehen bekommt.
Dem suchenden Unternehmen bietet dieses Geschäftsmodell eine Möglichkeit, recht schnell
zu Ideen zu kommen, wobei über den Umfang und die Qualität der konkreten Anregungen auf-
grund der fehlenden öffentlichen Darstellung keine Aussagen möglich sind. Diese verhindert
eine Kommentierung und Bewertung durch andere user und man verschenkt damit ein nützli-
ches Potenzial des Crowdsourcings. Brauchbare Ideen werden so jedoch davor geschützt, von
Konkurrenten abgekupfert zu werden.

573
Vizeum (Social Media Platform, 2009)
574
Vgl. http://www.brainfloor.com, Seitenaufruf am 15.09.2009
248 8 Social Media im Innovationsmanagement

Das Modell hat insgesamt eher den Charakter eines Online-Fragebogens als den eines Onli-
ne-Brainstormings, wie vom Anbieter dargestellt, da die sonst üblichen Interaktionen des Brain-
stormings fehlen, wie das Aufgreifen und Weiterspinnen von Ideen anderer. Kritisch hinsicht-
lich des Erfolges ist die Größe der Community, da nur auf der Basis einer hinreichend großen
Zahl ernsthaft mitarbeitender Ideengeber mit nützlichen Ideen zu rechnen ist. Dies betrifft je-
doch auch unternehmenseigene Innovationsportale und Communities.

8.3.2 Internetforen und Gruppen von sozialen Netzwerken


Unternehmen, welche den finanziellen Aufwand für die Einschaltung einer kommerziellen Ide-
encommunity scheuen, bleibt die Möglichkeit, spezielle Interessensvereinigungen im Internet
zu suchen, die sich direkt oder indirekt mit den eigenen Produkten beschäftigen. Es existiert
heute eine kaum zu überschauende Fülle unterschiedlichster Foren und interessensbezogener
Communities, die zum Beispiel mithilfe der bereits angesprochenen Suchwerkzeuge im Rah-
men des Social Media Monitorings hinsichtlich der Relevanz für eigene Erzeugnisse identifi-
ziert werden können. Ist man fündig geworden, kann man in einem ersten Schritt die betref-
fenden Gespräche und Diskussionen beobachten, ohne als Unternehmen direkt in Erscheinung
zu treten. Darüber hinaus kann es jedoch, um tiefer gehende Einschätzungen und Werturteile
zu erhalten, angebracht sein, einen fachlichen Dialog mit der Community zu beginnen. Um
das Potenzial eines solchen Vorgehens zu veranschaulichen, sollen nun einzelne Communities
vorgestellt werden.
Das Mazda-Forum575 ist eines der größten deutschsprachigen Foren für Fahrzeuge des ja-
panischen Herstellers Mazda und verfügt über 9.832 Mitglieder. In diesem Forum wurden bis
zum 17.09.2009 über 25.050 Themen gestartet und über 210.692 Beiträge dazu registriert. Für
nahezu jedes Mazda-Modell existiert eine eigene Kategorie, in der sich Autobesitzer über ih-
re Erfahrungen austauschen können. Für die Firma Mazda, jedoch auch für andere Automo-
bilhersteller mit vergleichbarem Produktspektrum, könnte die Auswertung der Nutzerkonver-
sation interessante Anregungen im Hinblick auf Produktinnovationen eröffnen. Recherchiert
man beispielsweise mithilfe der Suchfunktion der Seite nach dem Wort „Geräusche", werden
250 Ergebnisse angezeigt, bei denen bestimmte Defekte, Klappergeräusche und diverse andere
Schwachstellen gemeldet wurden. Erstreckt sich die Suche beispielsweise auf Kritik zum und
Änderungswünsche hinsichtlich des Mazda 2, werden 393 Nutzereinträge angezeigt, in denen
zum Beispiel Funktionsstörungen an Kupplungen, Waschdüsen und Lichtsensoren beklagt wer-
den. Diese Art einer produktbezogenen Auswertung kann helfen, Schwachstellen an Modellen
zu entdecken und Anregungen für Verbesserungen zu erhalten.
Um den Effekt einer weiterführenden Interaktion mit Forenmitgliedern zu testen, wurde ein
Beitrag erstellt, in dem user aufgefordert werden, ihre Wünsche und Ideen gegenüber Mazda
zu äußern. Innerhalb eines Tages wurde das Thema 117 Mal angeklickt und acht Antworten
gegeben, die zum Teil qualifizierte Inhalte aufwiesen. Beispielsweise wurde vorgeschlagen,
Karosserieteile aus Kunststoff zur Gewichts- und Rostreduzierung einzusetzen, die Entwick-
lung von alternativen Antrieben wie Elektromotoren voranzutreiben und auf eine Verbesserung
der Kompatibilität der Werkradios mit anderen Medien hinzuarbeiten, wie zum Beispiel USB-
Sticks und Speicherkarten. Auch variablere Ausstattungspakete, eine direkte Hotline zu Mazda
575
http://www.mazda-forum.info, Seitenaufruf am 17.09.2009
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 249

selbst, um Probleme unverzüglich klären zu können, sowie eine bessere Servicequalität wur-
den gewünscht.576 Hätte man die Fragestellung spezifischer gestellt, wären die Vorschläge der
Community wahrscheinlich inhaltlich konkreter ausgefallen.
Der Wert der Foreneinträge und eines möglichen Mitgliederdialogs sollte nicht unterschätzt
werden, da die Mitglieder der betreffenden Foren das Produkt häufig selber nutzen und dies-
bezüglich „Dauertester" sind, die sich intensiv mit den produktbezogenen Fragestellungen be-
schäftigen. Es ist auch davon auszugehen, dass Sie sich als Mitglieder einer "Branded Com-
munity" mit der Marke identifizieren und mit ihr emotional verbunden sind. Von daher kann
die Aufnahme von gezielten Dialogbemühungen vonseiten des Unternehmens einen zusätzli-
chen Nutzen haben, der über denjenigen der reinen Informationsgewinnung hinausgeht. Mit
der Kontaktaufnahme demonstriert das Unternehmen, dass es sich mit den Anliegen des Fo-
rums auseinandersetzt und dass es die fachlichen Einschätzungen der Forenmitglieder ernst
nimmt. Es signalisiert Nutzern eine Wertschätzung, aus welcher positive Folgen in Bezug auf
die Kundenbindung und die Erzielung viraler Effekte resultieren können.
Welch große Resonanz fachbezogene Foren haben können, die auf ein konkretes Produkt
ausgerichtet sind, belegt beispielsweise das DSLR-Forum. Es beschäftigt sich mit der Thematik
rund um digitale Spiegelreflexkameras und beispielsweise mit bestimmten Herstellermarken,
Kamerazubehör, Fotografietipps, dem Handel bis hin zu Fotowettbewerben und gestohlenen
sowie verlorenen Fotoausrüstungen. Der Umfang dieses Forums ist mit 192.429 angemeldeten
Nutzern, 512.647 Themen und 5.556.238 Beiträgen weitaus größer als der des zuvor erwähnten
Forums.577 Die Funktionalität der Seite ist im Prinzip derjenigen des Mazda-Forums und jenen
der meisten der existierenden Foren ähnlich. Es werden zu verschiedenen Kategorien Themen
mit Unterthemen angeboten und einzelne Camerahersteller können bezüglich einzelner Model-
le zum Teil auf eine Vielzahl von Foreneinträgen zurückgreifen und diese nach Anregungen für
Produkt- und Prozessinnovationen durchforsten.
Austauschmöglichkeiten, die sich am Prinzip eines Forums orientieren und in welchen zum
Teil produktbezogene Themen im Vordergrund stehen, werden auch von einigen sozialen Netz-
werken angeboten. So kann man sich zum Beispiel als Nutzer des deutschen Businessnetzwerks
XING verschiedensten Gruppen anschließen und in diesen über die jeweils im Vordergrund ste-
henden Themenkomplexe diskutieren. Mitarbeiter von Unternehmen können Nutzergruppen
beobachten sowie solche gründen. Gruppen haben den Charakter von Foren, wie am Beispiel
der Gruppe „Audi - Vorsprung durch Technik", die derzeit 6.710 Mitglieder und 47.241 Artikel
beinhaltet (siehe Abbildung 65), nachgewiesen werden kann.578 Jedes angemeldete Mitglied
darf im Forum der Seite Artikel schreiben und lesen. Die betreffende Kategorie, um Anstö-
ße für Innovationen zu erhalten, heißt „Meine Erfahrungen mit [...]". Sie wird von folgendem
Text begleitet: „Hier könnt Ihr Eure Erfahrungen, Erlebnisse und Geschichten mit Autohänd-
lern, Dienstleistern, Ausrüstern ect. pp. loswerden. Lob oder Tadel, aber immer schön fair blei-
ben!" 579 In den betreffenden 18 Beiträgen schildern Fahrer von Audi-Modellen ihre Erlebnisse
und gehen auf ein breites Themenspektrum ein. Die Zahl der Beiträge ist zwar relativ gering,
die Recherchebasis lässt sich jedoch über die Einbeziehung weiterer existierender Gruppen des
Herstellers im gleichen sozialen Netzwerk sowie in anderen sozialen Netzwerken verbreitern.
576
Vgl. Pätzold (Möglichkeiten der Nutzung von Social Media, 2009), S. 21
577
Vgl. http://www.dslr-forum.de, Seitenaufruf am 17.09.2009
578
Vgl. http://www.xing.com/net/audi/, Seitenaufruf am 13.01.10
579
http://www.xing.com/net/audi/, Seitenaufruf am 18.09.2009
250 8 Socia1 Media im Innovationsmanagement

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Vorsprung durch Technik

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Finden Beratung?- oöer vertrieostatig^eit

Externer RS S Feed

Abbildung 65: Startseite der XING-Gruppe AUDI-Vorsprung durch Technik580

Das soziale Netzwerk Facebook weist beispielsweise infolge einer Suche unter dem Stichwort
„Audi" am 18.09.2009 über 500 Gruppeneinträge auf.
Das Prinzip des Vorgehens, Foreneinträge und eine daran anknüpfende Konversation als An-
regung für Innovationen zu verwenden, ist im Wesentlichen immer ähnlich unabhängig davon,
welches Forum konkret betrachtet wird. Als zentrale Erfolgsvoraussetzung gilt, dass genügend
Forenmitglieder vorhanden sein müssen, die aktiv im Forum Beiträge erstellen, kommentieren
und sich untereinander austauschen.

8.3.3 Auswertung von Erfahrungsberichten auf Bewertungsseiten


Während Foren nicht immer einen direkten Produkt- oder Markenbezug aufweisen und deshalb
als Ideenquellen für Produktinnovationen nicht in jedem Fall geeignet sind, bieten Shopping-
580
http://www.xing.com/net/audi/, Seitenaufruf am 18.09.2009
8.3 Ideengewinnung durch Social Media 251

Portale Markenanbietern direkte Anknüpfungspunkte zur Erkennung von Schwachstellen, posi-


tiven Produkteigenschaften und gewünschten -funktionen. Es existiert heute eine schwer über-
schaubare Vielzahl von Onlineshops, die ein und dieselbe Marke sowie vergleichbare Produkte
zu unterschiedlichen Konditionen offerieren. Shoppingportale, wie zum Beispiel Geizhals, at,
Guenstiger.de oder Ciao.de helfen, die verschiedenen Angebote und Konditionen zu verglei-
chen. Zusätzlich zu den Preisvergleichen können bei den meisten dieser Portale Produktbe-
wertungen abgegeben werden. Potenzielle Käufer können sich nicht nur darüber informieren,
wo sie die gesuchten Marken am günstigsten erwerben können, sondern auch, was Benut-
zer von dem jeweiligen Produkt halten und wie sie es einschätzen. Die Analyse der Nutzer-
Bewertungen kann eine hervorragende Informationsquelle für die Neuproduktplanung oder die
Planung von Produktmodifikationen sein.
Das Potenzial solcher Portale soll nun am Beispiel von Ciao.de erläutert werden, einer der
größten Anbieter dieser Art in Deutschland. Im Portal selbst sind mehrere Millionen Produkte
und Produktbewertungen in mehr als 20 Kategorien registriert.581 Über verschiedene Katego-
rien, wie Autos, Bücher, Computer, Elektronik, Fernseher, Finanzen, Internet und andere kann
sehr einfach zum gewünschten Produkt navigiert werden. Alternativ kann auch ein direkter Zu-
griff auf den Angebotsvergleich über die Suche in einer Suchmaschine und die Aktivierung
des Treffers von Ciao erfolgen. Zusätzlich zu den jeweiligen Preisvergleichen bietet Ciao einen
Reiter mit Erfahrungsberichten an, die interessante Informationen für Hersteller enthalten kön-
nen. Für den Drucker Canon Pixma ÌP2600 wurden beispielsweise vier detaillierte Erfahrungs-
berichte abgegeben, welche das Gerät insgesamt im Durchschnitt mit drei von fünf möglichen
Sternen bewertet haben. 582 Nahezu alle Autoren der Berichte sind unzufrieden mit dem Gerät
und dessen Druckqualität. Besonders stark wird der Tintenverbrauch des Druckers kritisiert,
wodurch Entwickler einen ersten Hinweis für Optimierungsansätze erhalten.
Einzelne Erfahrungsberichte können in Ciao von Lesern danach beurteilt werden, wie hilf-
reich sie waren. Das kann als Regulativ gegenüber oberflächlichen und wenig differenzierten
Stellungnahmen dienen. Es kann somit auch helfen, die Aussagen von Teilnehmern zu gewich-
ten. Die Anzahl der Erfahrungsberichte variiert in Abhängigkeit der Popularität eines Produk-
tes. Für das Handy Nokia 6310i wurden beispielsweise 180 Erfahrungsberichte abgegeben, wie
auszugsweise in Abbildung 66 dargestellt, die aufgrund der größeren Beteiligungsrate aussa-
gekräftigere Urteile zu verschiedensten Produktfunktionen erlauben.583 Da auch andere Shop-
pingportale häufig Erfahrungsberichte ausweisen, stehen für gängige Produkte und Marken zu-
sätzliche Recherchemöglichkeiten zur Verfügung.
Durch die Möglichkeit, mit den Erstellern von Beiträgen in Kontakt zu treten, kann man
als Hersteller versuchen, tiefergehende Fragen zu stellen und so in einen Dialog mit Kunden
einzutreten. Kunden, die sich die Mühe machen, ihre Markenerfahrungen öffentlich kund zu
tun, dürften ein Feedback des Markenherstellers wahrscheinlich aufmerksam registrieren. Ne-
ben der Gewinnung von produktbezogenen Einsichten für das Innovationsmanagement kann
diese Art der Konversation auch dabei helfen, die Kundenbindung zu erhöhen und unzufriede-
ne Kunden durch das Angebot entsprechender Maßnahmen eventuell von einem Wechsel zur
Konkurrenz abzuhalten.

581
Vgl. PresseBox (HP und ciao.de , 2009)
582
Vgl. http://www.ciao.de/Canon_PIXMA_IP2600_7812083, Seitenaufruf am 17.09.2009
583
Vgl. http://www.ciao.de/Nokia_6310i_Handy_silber_1067718, Seitenaufruf am 17.09.2009
252 8 Social Media im Innovationsmanagement

8.4 Voraussetzungen und Risiken der interaktiven


Wertschöpfung
Jede aktive Partizipation von Kunden in Form des Crowdsourcing ist an bestimmte Herausfor-
derungen geknüpft, die vonseiten des Unternehmens zu leisten sind. Eine davon erscheint auf
den ersten Blick nicht als besonders bedeutsam: Offenheit.
Unternehmen, die im Rahmen des Crowdsourcing davon profitieren, dass ihre Kunden sich
„öffnen" und eine Teilhabe an ihren eigenen Gedanken und Empfindungen erlauben, sollten sel-
ber einem bestimmten Grad an Offenheit an den Tag legen. Ein ehrlicher Dialog mit Kunden,
in dem Kunden als gleichgewichtige Partner angesehen werden, ist eine Grundvoraussetzung
für eine erfolgreiche Kundeninteraktion. Die notwendige Offenheit beinhaltet jedoch auch, dass
Firmen bestimmte Unternehmensinformationen mit ihren Kunden teilen. Gerade das lässt Fir-
men vor Crowdsourcing-Aktivitäten zurückschrecken. Durch die Thematisierung von Verbesse-
rungsbemühungen könnten einerseits eigene Schwächen offengelegt werden und das Produkt-
und Unternehmensimage Schaden nehmen. Darüber hinaus könnten Firmengeheimnisse verra-
ten und Konkurrenten infolge der Ideensuche, die in eine bestimmte Richtung zielt, frühzeitig
auf den Plan gerufen werden. Auf der anderen Seite lassen sich produktbezogene Schwächen
über kurz oder lang sowieso nicht verbergen, auch wenn sie von der Unternehmensseite her
bewusst verschwiegen werden. Durch ein offenes Angehen von Problemen gewinnt man zu-
mindest Zeit und kann dadurch das Potenzial des Crowdsourcing eventuell noch rechtzeitig
nutzen, bevor gravierende Folgen eintreten.
Als weiterer kritischer Erfolgsfaktor muss die Motivierung derjenigen eingestuft werden, die
ihre Ideen beitragen sollen. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, ein Mindestmaß an
möglichst hochwertigen Beiträgen zu erhalten. Verfasser qualitativer Inhalte sind nämlich in
der sozial vernetzen Welt immer noch rar gesät. Auch wenn, wie beschrieben, nach Forrester
einerseits neun Prozent der Nutzer von Social Media Content produzieren, findet man auf der
anderen Seite immer noch Stimmen, die weiterhin die „Ein-Prozent-Regel" vertreten. Danach
erstellt einer von 100 Besuchern einer Community neuen Content, mit dem vielleicht neun
weitere Anwender interagieren (zum Beispiel durch Kommentare). Die restlichen 90 sehen
sich die Sache bestenfalls stillschweigend an.584
Es gilt somit, Nutzer für ein Crowdsourcing-Projekt zu gewinnen und zu begeistern und
darüber hinaus die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme zu steigern. Wichtig ist es grundsätzlich,
eine Win-win-Situation zu schaffen. Die Beitragenden dürfen sich nicht ausgenutzt fühlen, son-
dern müssen für sich einen Mehrwert aus der aktiven Partizipation ableiten können. Je größer
der Nutzen einer Interaktion für den Anwender ist, umso leichter wird es sein, ihn und da-
mit auch andere zu einer publizierenden Teilnahme zu bewegen. Mehrwert für Nutzer entsteht
beispielsweise durch eine steigende soziale Anerkennung oder eine exponierte Darstellung in-
nerhalb der virtuellen Gemeinschaft, wie einer Ideencommunity. Im einfachsten Fall erkennt
der Teilnehmer den Mehrwert im Spaß, welchen er an einem besonders spannenden oder in-
teressanten Projekt hat. Daneben können Motivationsanreize natürlich auch über Geld- und
Sachpreise, bestimmte Rechte oder besondere Erlebnisse erzeugt werden.
Erfolgskritisch für Crowdsourcing-Projekte können auch rechtliche Risiken sein. Da die kol-
584
Vgl. Arthur (What is the 1% rule?, 2006)
585
http://www.ciao.de/Nokia_6310i_Handy_silber 1067718, Seitenaufruf am 13.01.2010
8.4 Voraussetzungen und Risiken der interaktiven Wertschöpfung 253

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