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Enzyklopädie der Neuzeit Online

Augsburger Religionsfriede
(640 words)

Der A. R., Teil des Augsburger Reichsabschieds vom 25. 9. 1555 [1. 343–347, §§ 7–30], zählt zu
den grundlegenden Verfassungsgesetzen des frühnzl. Alten Reichs. Nach Jahrzehnten schwerer
Kon ikte um die wahre Religion und um die Religionsverfassung des Reiches verständigten
sich die aus der Glaubensspaltung der Reformationszeit hervorgegangenen Religionsparteien
röm.-katholischen und Augsburgischen Bekenntnisses im A. R. auf einen
Verfassungskompromiss, der dem Bedürfnis beider Konfessionen nach dauerhafter
reichsrechtlicher Absicherung bzw. Anerkennung Rechnung trug und die beiden Parteien in
eine Ordnung äußerlich friedlicher Koexistenz einband; die Konkurrenz der Theologien und
Wahrheitsansprüche bestand unverändert fort. Als bis zur angestrebten einvernehmlichen
Wiederherstellung der Glaubenseinheit unbefristete Interimsregelung (§ 25) verfestigte der A. 
R. den Trend zu einem dauerhaft bikonfessionellen Reich; als weltlich-rechtliche
Koexistenzordnung für konträre Bekenntnisse brachte er ein Element staatlicher Distanz zur
religiösen Wahrheitsfrage in die Reichsverfassung ein ( Säkularisierung). Möglich machte den
A. R. v. a. die Konsenspolitik König Ferdinands, der im Auftrag des Kaisers die Augsburger
Verhandlungen führte; religionspolitisch exibler als Karl V., fand sich Ferdinand mit einem die
Augsburgische Konfession dauerhaft legalisierenden Frieden ab [4. Kap. 1].

Der A. R. gewährte den Reichsständen Augsburgischer und katholischer Konfession – für alle
übrigen Bekenntnisse galt der Friede nicht (§ 17) – den Schutz des Reichsrechts und des
Landfriedens gegen religionsbedingte Rechtsbeeinträchtigungen und alle Übergri fe des
Konfessionsgegners in ihre religiösen und (landes-)kirchlichen Angelegenheiten (§§ 15–16 und
23). Die Ausübung der (kath.) geistlichen Jurisdiktion wurde hinsichtlich der Augsburgischen
Konfessionsverwandten und ihrer Kirchentümer entsprechend beschnitten (§ 20). Die
Resultate reichsständisch-protest. Einziehung nicht-reichsunmittelbaren Kirchenguts wurden
für Güter, die zur Zeit des Passauer Vertrages (1552) »oder seithero« nicht im Besitz der alten
geistlichen Eigner gewesen waren, im Wesentlichen anerkannt (§§ 19, 21).

Die Frage der Selbst- und Fremdbestimmung des Bekenntnisses war im A. R. in komplizierter
Abstufung und z. T. nur indirekt reguliert. Den weltlichen Reichsständen sowie den
Reichsrittern (§ 26) erlaubte der A. R. dem Sinne nach die Wahl zwischen den beiden
anerkannten Konfessionen. Die weltlichen Reichsstände erhielten – jedenfalls der impliziten
/
Sachlogik nach – auch das Recht zur Bestimmung der in ihrem Territorium verbindlichen
Konfession, wofür später der Terminus Ius reformandi und die Formel Cuius regio, eius religio
geprägt worden sind [5]. Der A. R. sanktionierte im Reich zwar eine insgesamt duale
Konfessionsstruktur; in den weltlichen Reichsfürstentümern ermöglichte er jedoch die
Herstellung konfessioneller Uniformität – im Ergebnis zugunsten des Ausbaus territorialer
Staatlichkeit. Geistliche Reichsfürsten, die etwa zum Augsburgischen Bekenntnis wechselten,
zwang der »Geistliche Vorbehalt«, von Ferdinand mangels Konsens kraft eigener Vollmacht in
den Frieden aufgenommen, zur Aufgabe von Amt und Herrschaft (§ 18). Eine separate
Declaratio Ferdinandea[2. 52–54] beschränkte zudem die Religionshoheit der geistlichen
Reichsfürsten; deren Ritter- und Stadtbürgerschaft durfte, sofern schon länger Augsburgischer
Konfession, dabei bleiben. In bislang bikonfessionellen Frei- und Reichsstädten garantierte der
A. R. den Status quo (§ 27). Die Untertanen unterlagen in den Territorien – mit den besagten
Ausnahmen – dem obrigkeitlichen Ius reformandi, durften sich, außer in des Kaisers
Erblanden, der konfessionellen Fremdbestimmung jedoch durch Auswanderung entziehen (§ 
24; Glaubens üchtlinge; Auswanderungsfreiheit). Mit dem kanonischen Recht war der A. R.
unvereinbar, doch verzichtete Rom auf einen Protest.

Ein dauerhaftes Ende der großen Konfessionskon ikte bewirkte der A. R. selbst noch nicht; in
vielen Punkten kompromissbedingt unklar und lückenhaft, wurde er vielmehr bald
Gegenstand heftigen Auslegungsstreits. Im Dreißigjährigen Krieg scheiterte der Kaiser mit dem
Versuch, eine dezidiert »kath.« Interpretation verbindlich zu machen ( Restitutionsedikt
Ferdinands II., 1629). Bestand hatte erst das Religionsverfassungsrecht des Westfälischen
Friedens von 1648; es baute auf dem A. R. auf und entwickelte ihn modi zierend und
präzisierend fort [3. 198–207].

Verwandte Artikel: Bekenntnis | Konfessionalisierung | Reformation | Reichsverfassung |


Religionsfriede | Säkularisierung

Thomas Brockmann

Bibliography

Quellen

[1] Augsburger Reichsabschied vom 25. September 1555, in: K. Z (Hrsg.),


Quellensammlung zur Geschichte der Dt. Reichsverfassung in MA und Nz., 21913, 341–370

[2] K. B (Hrsg.), Der Augsburger Religionsfriede vom 25. September 1555, 21927.

Sekundärliteratur

[3] M. H , Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 1983

[4] E. L , Ferdinand I. als Kaiser. Politik und Herrscherau fassung des Nachfolgers Karls
V., 2001 /
[5] B. C. S , Ius Reformandi. Die Entwicklung eines Staatskirchenrechts von seinen
Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches (Jus ecclesiasticum 68), 2001.

Cite this page

Brockmann, Thomas, “Augsburger Religionsfriede”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen)
und in Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl
Ernst Poeschel Verlag GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-
0248_edn_SIM_243147>
First published online: 2019

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