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[OMPA[T Editorial 9

Panikmache vor der zweiten Welle


Sie wollen in diesem Sommer noch verreisen?
Mein Tipp: Fahren Sie nach Ischgl in Tirol. Dort war
fast jeder Zweite mit Corona infiziert, und kaum
einer hat etwas davon gemerkt. Deshalb werden die
Einheimischen Sie nicht mit Panik nerven, denn sie
haben es ja selbst erlebt: Covid-19 ist keine Seuche,
sondern höchstens eine Art Grippe, bei den aller­
meisten nicht einmal das. Auch eine Grippe kann
tödlich sein, aber nur in sehr seltenen Fällen. Des­
wegen muss man keine Pisten und keine Strände
sperren, ganz im Gegenteil: Das Vitamin-D, das man
mit der Sonne tankt, stärkt das Immunsystem und
schützt wirksamer vor Ansteckung als die verkeim­
ten Gesichtsmasken.

Aber selbst wenn uns die viel beschworene


zweite Corona-Welle erreichen würde, hätte das
nichts zu bedeuten. Es kann nämlich nicht genug
betont werden: Wer sich das Virus eingefangen
hat, ist noch lange nicht krank. Deswegen sind die
Horrorstatistiken, die die Lügenpresse über Brasi­
lien, Schweden, die USA und andere «Schurken­ geht auf das Demonstrationsgeschehen am 1. Mai Chefredakteur Jürgen Elsässer.
staaten» verbreitet, überhaupt nicht aussagekräf­ zurück, als sich tatsächlich tausende Linke wieder Foto: marn/COMPACT
tig. Der Anstieg der lnfiziertenzahlen beweist nur, einmal im Revoluzzen versuchten, natürlich ohne
dass vermehrt getestet wird - nicht, dass eine Abstandsregeln und Mundschutz (außer den ver­
Pandemie grassiert. Das zeigt die Ischgl-Studie: 80 mummten Gewalttätern). Noch spektakulärer war
Prozent der Bewohner des Ski-Paradieses wurden es Anfang Juni: In der Hauptstadt drängelten sich
untersucht, das war die repräsentativste Erhebung 15.000 Multikulti-Freunde zur Unterstützung der
auf unserem Kontinent. Ergebnis: Fast jeder Zweite Bewegung Black Lives Matter, und die Polizei schritt
(42,4 Prozent) hat schon Antikörper im Blut. Das nicht ein-anders als bei den Protesten gegen den
heißt, er hatte sich infiziert und die Sache gut über­ Corona-Notstand in den Vorwochen. Die berechtigte
standen. Der Clou: Satte 85 Prozent hatten über­ Empörung von unsereins, dass der Staat hier-wie­
haupt keine Symptome, nicht einmal Heiserkeit oder der einmal - den Roten erlaubt hat, was Otto Nor­
Halsschmerzen. Ganze zwei Personen sind in Ischgl malverbraucher unter Strafandrohung verboten ist,
gestorben! Die Mainstreampresse fabuliert von 25 sollte eine wichtige Erkenntnis nicht in den Hinter­
Toten «im Zusammenhang mit Ischgl» -eine Fake­ grund drängen: Keine dieser «bumsvollen» (Söder)
Zahl, die auf Klagen von geschäftstüchtigen Anwäl­ Veranstaltungen hat zu einem Krankheitsanstieg an
ten zurückgeht, die Schadensersatz von den Tiroler der Spree geführt.
Behörden fordern.
Am schönsten wird Ihr Urlaub übrigens, wenn
Die Einzigen, die sich über Ischgl nicht freuen Sie die Glotze auslassen. Die Massenmedien wol­
können, sind die professionellen Hysteriker. Also len Sie zu Covidioten machen, die sich vom Polit­
Leute wie Markus Söder, der auf der Angst-Welle büro der Virologen alles diktieren lassen. Glauben
ins Kanzleramt surfen will. Oder der Virus-Papst sollte man nur das, was man mit eigenen Augen
Christian Drosten, der sich im Frühjahr mit seiner nachprüfen oder wenigstens nachvollziehen kann.
Prognose von 250.000 Corona-Toten in Deutsch­ Also: Fahren Sie nach Ischgl und fragen Sie die Ein­
land bis auf die Knochen blamiert hat. Oder die heimischen, was passiert is( Oder wollen Sie sich
Spiegel-Redakteure, die ihre üppigen Saläre jetzt wirklich wie das Kaninchen vor der Schlange Mer-
im Homeoffice verjuxen und sich nebenher ein kel ducken?
paar Relotius-Stories aus den Fingern saugen: In
den letzten Wochen wurden im einstigen Nach­
richtenmagazin wahlweise Sylt, der Ballermann
oder auch Kreuzberg als «das neue Ischgl» an die
Wand gemalt. Besonders das letzte Beispiel spricht
Bände: Die Warnung vor dem Berliner Szene-Kiez (j
3
(OMPACT Themen (9

05 Foto des Monats 59 Noch ein Mal für Wilhelm Zwo


06 Leserbriefe Rolf Hochhuths politisches Testament

07 Zitate des Monats 60 Die Kapriolen des Weltgeistes


08 COMPA[T Intern Hegel denkt, Marx lenkt - oder umgekehrt

Titelthema Kolumnen

09 Satan in Hollvwood 63 Hartlages BRO-Sprech_ Wutrede


Kabale der Reichen, Blut der Schönen 64 Janichs Welt_ Viren - welche Viren?
14 Das stille Sterben der Stars 65 Sellners Revolution_ White Lives Matter
Avicii und andere Erselbstmordete 66 10 Jahre COMPACT_ Broder kommt!
16 Whistleblower im Wunderland
Robby Williams steht nicht allein

PollUk

19 Wie der Staat die Polizei zerstört COMPACT Impressum (9


Berlin: Freie Bahn für Multikulti-Gangs
zz Mörderische Partv-szene Herausgeber & Verlag
Stuttgart in Angst vor der MigrAntifa COMPACT-Magazin GmbH
Adolf-Damaschke-Str. 56/58, 14542 Werder
Z5 Das Kentler-svstem E-Mail verlag@compact-mail.de
Staatlich organisierter Kindesmissbrauch Website www.compact-online.de

za Zwei Zentner Baklava Vertrieb, Bestellungen, Abo-Betreuung


Fon 03327-5698611
Eine "Fettaktivistin)) gegen Deutschland Fax 03327-5698617
E-Mail vertrieb@compact-mail.de
31 Wer zwang Hitler. Stalin anzugreifen? Bankverbindung COMPACT-Magazin GmbH
Putin als Geschichtsrevisionist Mittelbrandenburgische Sparkasse
BIC WELADED1PMB
36 Die große Säuberung IBAN DE74 1605 0000 1000 9090 49
Facebook und Co. gegen US-Patrioten
Geschäftsführer Jürgen Elsässer
39 Die Rache des Falken COMPACT Redaktion
Boltons Feldzug gegen Trump Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)
Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens
Redakteure Daniell Pföhringer (Politik),
Jonas Glaser (Kultur). Maria Alexander Müller
Dossier (Reportage), Federico Bischof/ (Korrespondent)
E-Mail redaktion@compact-mail.de
44 Aufschrei der Oirtv Old Men Cover Iris Fischer, Markus Reinhardt
Hommage an die Literatur der Verzweifelten Fotoquelle Olya Che /Shutterstock.com
Layout/Bild Steffen Jordan
47 Underdog aus Andernach Anzeigenakquise t
Charles Bukowski zum 100. Geburtstag E-Mail anzeigen@compact-mail.de
Gedruckt in Deutschland
50 Der deutsche Bukowski
Diamant in der Gosse: Jörg Fauser Redaktionsschluss 7.7.2020
Erscheinungsdatum der nächsten
Ausgabe Samstag, 26.9.2020
Leben ISBN 978-3-948781-08-8

53 Oas Geheimnis des rechnenden Raumes


Wie der Computer den Kosmos erschuf

56 Die Deutsch-Maschine
Kraftwerk und der Elektro-Sound compact-online.de
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COMPACT Foto des Monats�
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Die erste Corona-Revolte in Europa: Anfang Juli demonstrierten in Belgrad an mehreren Abenden Zehntausende gegen die geplante Verhängung einer erneuten Aus­
: gangssperre. Am 7. Juli drang eine Gruppe sogar trotz riesiger Polizeipräsenz ins Parlament vor, es kam zu Gewaltexzessen auf beiden Seiten. Die Szenen erinnerten an den
Oktober 2000, als der damalige Präsident Slobodan Milosevic bei ähnlichen Unruhen gestürzt wurde. Sein aktueller Amtsnachfolger Alexandar Vucic beschimpfte die Protes­
tierenden als «Faschisten» und beschuldigte «ausländische Geheimdienste» der Einmischung. Tatsächlich ist Vucic in westlichen Hauptstädten nicht beliebt, weil er einen
NATO-unabhängigen Kurs fährt und sich nicht von Russland lossagen will. Foto. AFP via Getty Images $
5

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COMPACT Leserbriefe $

Das Heft lohnt. Die Damen und Herren vom lung ihr Interesse auf die Eltern von Maddie
COMPACT-Magazin haben sich auch durch­ gerichtet und dies mit guten Gründen. Hun­
aus ein Abo verdient, für die, die es sich leis­ de haben ganz klar im Appartement und im
ten können. Immer sehr spannend zu lesen, Mietauto der Eltern Spuren von Verwesung
zugepflastert mit Fakten, welche im TV und aufgespürt. Der jetzige deutsche Verdächti­
den Mainstreamblättern nicht zu sehen sind. ge sieht für mich eher nach einem Sünden­
xBMCshortyx via Youtube-Kommentar bock aus, und ich würde mich nicht wundern,
wenn dieser in der nächsten Zeit «ge-eps­
Respekt an COMPACT, die haben Eier. Rich­ tein-t» wird. I. Ulmann via Youtube-Kommentar
tige Journalisten halt.
R. Jörg via Youtube-Kommentar Zum Dossier:
«USA im Chaos»
Ich bin COMPACT-Abonnent der ersten Stun­
de und für mich ist jedes Magazin lesens­ Wenn ein Schwarzer
wert. Abonniert das Magazin bitte, dann durch einen Schwar­
unterstützt Ihr etwas lesenswertes. zen umkommt, dann
M Aquarius via Youtube-Kommentar ist das wohl nicht interessant genug. Soll­
te solch eine Tat von einem Weißen verübt
Hab lange damit gehadert, das Heft zu abon­ werden, lässt es sich auch medial besser ver­
Zu COMPA[T allgemein nieren! Jetzt aber ist der Mut zu belohnen kaufen. S. lvicek via Youtube-Kommentar
und das Magazin zu unterstützen. Ich wer­
Ihre neue COMPACT-Ausgabe ist sehr gut, de Werbung machen für COMPACT. Endlich Der linksradikale Pöbel tobt seinen Hass
besonders Ihre Einleitung trifft den Punkt. kommen die wahren Dinge ans Licht. Danke, gegen die Herrschenden aus und hinterlässt
Klasse Journalismus. L. Müller via E-Mail COMPACT! A. Ennulat via Youtube-Kommentar Bilder des Schreckens. Der multikriminelle
Albtraum der USA und anderswo endet in
Als Abonnentin Ihres Magazins habe ich bis­ Zum «Titelthema: Mord und Totschlag.
her jede Seite mit Aufmerksamkeit gelesen. M Bauer via Website-Kommentar
Kinderschänder»
Meine Meinung zum politischen Alltag fand
ich in den Beiträgen überwiegend bestätigt. Ich habe Ihre aktuelle Hierzulande gibt es schon von verschiede­
Sie haben mein Wissen ergänzt. Bei genau­ Ausgabe zum Thema nen Politikern einen Rassismus gegen Wei­
erem Hinsehen hat sich das, was man als ty­ Kinderschänder ge­ ße, zum Beispiel «alte weiße Männer». Es
pisch deutsche Tradition bezeichnen möchte, lesen. Seit über 20 Jahren kämpfe ich für beinhaltet auch noch eine Altersdiskriminie­
eben in der DDR erhalten, angefangen von mein Recht als Opfer. Mein größter Wunsch rung. Dago 8. via Youtube-Kommentar
der Kultur über kirchliche Traditionen bis zur wäre, wenn sich auch die anderen Jungs
Bildung. Das war möglich, weil in der Familie melden würden, damit man mein Erlebtes Zu «Auf der Su­
und im kommunalen Umfeld, vor allem auch nicht weiter unter den Tisch kehren kann
che nach der
im Rahmen der regelmäßigen Berufsarbeit, und ich nicht weiter der Gefahr ausgesetzt
die gesellschaftliche Kontrolle im Hinblick bin, ständig bedroht, beobachtet und einge­ Weltformel»
auf den über Generationen hinweg erarbei­ schüchtert zu werden. Was ich in den letz­ Ein Video zum Thema
'teten Wertekanon funktionierte. Und daran ten 18 Monaten erleben und erfahren muss­ String- und Relativi­
hat auch die SED nichts geändert. te, ist gruselig und für Außenstehende wahr­ tätstheorie wäre wirklich interessant. Die
scheinlich fragwürdig. Insider werden jedoch Annahme, dass beide Theorien falsch sind,
Ich fände es gut, wenn die Arbeit als zentra­ die zusammenhänge anders bewerten und ist jedoch nicht so weit hergeholt, denn die
les Persönlichkeitsmerkmal des Menschen verstehen. S. Fahr via E-Mail meisten Physikprofessoren an unserer Uni
auch in Ihrem Magazin gelegentlich einen sagen immer bei dem Thema, dass es durch­
Platz erhielte. Alles, was ein humanistisch Gute journalistische Arbeit im Gegensatz aus viele Widersprüche in beiden gibt.
geprägtes gesellschaftliches Miteinander zum sinnfreien Mainstream. All jene, die Cornelius H. via Youtube-Kommentar
ausmacht, hängt von dieser Prämisse ab. spotten, was darüber geschrieben wird, ha­
Dr. H. /Ilgen via Brief ben sich nicht wirklich mit dem Thema aus­ Gott sei Dank, dass endlich jemand die Rela­
einandergesetzt oder schlimmer: Täter ma­ tivitäts- und Stringtheorie kritisch hinterfragt.
Sie lassen sich nicht beirren und kämp­ chen ihre Opfer unglaubwürdig und werden Nicht umsonst heißt es immer noch Theorie
fen weiter. Ich bewundere Ihren Mut. Die dadurch freigesprochen. statt G·esetz. Einfach alles in diesen Theorien
Schlimmsten sind die Regierenden selbst Khaos via Website-Kommentar beruht auf wildesten Fantasien.
und die sogenannten Gutmenschen. Ich kann D. Djurkovic via Youtube-Kommentar
nichts Schlimmes daran finden, was Sie und Die Podesta-Theorie ist in meinen Augen
Ihre Redaktion tun. Schließlich haben nicht eine Ablenkung von den Tatsachen, denn Die String-Theorie ist das Analogon zur
Sie Deutschland zugrunde gerichtet, sondern sie unterstützt die falsche Annahme, dass Gender-Theorie: Postmoderne in Reinkultur,
Merkel und viele andere. Maddie entführt wurde. Die portugiesische Frankfurter Schule goes Physics.
(j D. Deweth via Brief Staatsanwaltschaft hat nach längerer Ermitt- Philipp S, per E-Mail
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CDMPACT Zitate des Monats <9

«Aldous Huxleys 1954 erschienener Aufsatz Dumm, dümmer, SPD


"The Doors of Perception", der hauptsächlich
von seinen Erfahrungen mit Meskalin handelt, «Alle Antifaschisten sind selbstredend und
diskutiert die Möglichkeit, dass Adrenochrom automatisch Demokraten, weil sie sich
eine Verbindung mit ähnlicher Wirkung wie gegen Faschismus wenden und für Demo­
der des psychedelischen Kaktus sein könnte. kratie und Freiheit kämpfen. [ ...]Sie hätten
Er habe es nicht eingenommen und wisse nicht, in der Schule besser aufpassen sollen, denn
wie man es erhalten könne, doch er schreibt, Antifaschismus hat nichts mit Linksextremis­
dass es spontan vom menschlichen Körper pro­ mus zu tun ( ...).» (Uli Grötsch, MdB, Generalse­
duziert wird. Er beschreibt es als "ein Produkt kretär der SPD Bayern und seit Dezember 2017
der Zersetzung von Adrenalin", was erstaun­ Mitglied im SPD-Parteivorstand)
licherweise richtig ist.» (The Spinoff, 7.4.2020)
Oskar, der Wutbürger
Der Bundespräser spricht
«Die Bundesregierung hat selbst so viel
«Als weißer Mann mit weißen Haaren muss Dreck am Stecken, dass sie unglaubwür­
ich solche Erfahrungen nicht machen. ( ...) dig ist, wenn sie Auftragsmorde verurteilt
Satans Sudel-Serbin: Die mit Lady Gaga und den
Podestas befreundete Performance-Künstlerin Nein, es reicht nicht aus, "kein Rassist" zu und den moralischen Zeigefinger hebt. Die
Marina Abramovic auf dem Cover der russischen sein. Wir müssen Antirassisten sein!» (Bun­ "westliche Wertegemeinschaft" unter Füh-
"Vogue»-Ausgabe. Ihre Arme ruhen auf den Schultern despräsident Frank-Walter Steinmeier, Rede im rung der Mörderbande in Washington ist
eines jungen Mädchens. Gespenstisch, verstörend Schloss Bellevue, 16 6.2020) eine zynische "Heuchelgemeinschaft" ( ...).»
und vielsagend. Foto: Vogue
(Oskar Lafontaine, Facebook, 19.6.2020)
Otto, der Nazi
Satan in Hollvwood Rassistischer Mundschutz
«Otto - Der Film ist bis heute der erfolg­
«Marylin Manson und diverse Black-Me­ reichste deutschsprachige Film aller Zeiten. «USA: Schwarze in Oregon müssen keine Co­
tal-Bands sind bekennende Satanisten. Die Schaut man sich die Komödie aus dem Jahr rona-Masken tragen-, um sie vor Rassismus
neue Riege der Teufelsanbeter besteht al­ 1985 noch einmal an, wird der Klamauk von zu schützen.» (rtl.de, 24.6.2020)
lerdings aus Hip-Hop- und Popkünstlern wie einst zu einem verstörenden Erlebnis. Weil
Jay-Z, Beyonce, Rihanna oder Lady Gaga.» darin rassistische Klischees verbreitet wer­ Redet der Dino über sich?
(The Gap, 19.6.2013) den.» (Jacek Slaski, Tip Berlin, 17.6.2020)
«Peter Altmaier: Das fossile Zeitalter in
«Clintons Wahlkampfmanager hat einen Bru­ Partvszene Deutschland geht unwiderruflich zu Ende ».
der, Tony Podesta. Der sammelt Kunst. ( ...) (Webseite der CDU/CSU, 3.7.2020)
Außerdem ist Podesta mit Marina Abramo­ «Hier in Stuttgart ist Krieg, wenn Du eine
vic befreundet. Irgendwann tauchte auf der Uniform trägst, dann bist Du nur Opfer, ein
Enthüllungsplattform Wikileaks ( ...) eine E­ Wunder, dass keiner erschossen worden ist.»
1
1
Mail-Konversation zwischen Tony Podes­ (Sprachnachricht eines Polizeibeamten, Youtube,
ta und Abramovic auf. Die Künstlerin lädt 21.6.2020)
zum "Spirit Cooking Dinner", einer eigent­
lich eher harmlosen Abendunterhaltung, Not all Greens are Bastards 1
die zurückgeht auf die gleichnamige Perfor­
mance in einer italienischen Galerie. ( ...) Ge­ «Junge Männer mit Migrationsvordergrund,

-
legentlich wiederholt sie die Performance für die sich von "Bullen" nichts mehr sagen las­
Sammler und Freunde, 2016 für Tony Podes­ sen wollen, weil sie sich angewöhnt haben,
ta. Das wurde als Hinweis auf ein satanis­ jede Forderung nach Normakzeptanz als ras­
tisches Untergrundnetzwerk um die demo­ sistisch anzusehen und darin regelmäßig be­ WIE
kratische Präsidentschaftskandidatin miss­ stärkt werden: Sie sehen sich also im Recht, DIEA1D
verstanden.» (Monopol, 9.10.2018) wenn sie gegen die Polizei vorgehen. Das ist IIBEN
der Kern des Problems.» (Boris Palmer, Face­ MÖCHTE
«Ist es Zufall, dass all diese Leute sterben book, 21.6.2020)
und sich "selbst erhängt haben"? Ich begin­
ne, mich zu fragen, wie tief dieses #Epstein­ Kristallklar
Debakel reicht... Wie viele werden noch
Aus die Maus: Die "Woche» der FAZ ist am Ende.
"Suizid begehen", bevor sich die Regierung «Jetzt hat auch Stuttgart seine kleine Kris­ Das Magazin wurde Ende Juni nach vier Jahren ein­
einschaltet und es ernst nimmt? #BillClin­ tallnacht erlebt. Und alle, der sensible Herr gestellt. Politisch korrekter Meinungsjournalismus -
tonBodyCount » (Tobi Bennington, Schwester Kuhn [grüner Oberbürgermeister]vorneweg, hier ein Cover mit Blödheiten gegen das Familienbild
des verstorbenen Linkin-Park-Frontmann Ches­ sind ganz baff, wie es dazu kommen konnte.» der AfD - findet immer weniger Leser. Foto: FAZ
ter Bennington, lnstagram, 13.8.2019) (Henryk M. Broder, Achse des Guten, 22.6.2020)
CDMPACT Intern �

Die zweite Auflage von CDMPACT 7/2020 ist noch Katrin Nolte, Moderatorin von COMPACT-T V. Anekdoten, Schnäppchen, Gewinnspiele:
verfügbar: compact-shop.de. Foto: CDMPACT Foto.· COMPACT 10jahre.compact- o nline.de Foto: COMPACT

Angriff! Verteidigung! Party!


Das gab es noch nie: Zum ersten Mal in Die sogenannten sozialen Netzwerke-ein Wer hätte das gedacht: Im Dezember fei­
der knapp zehnjährigen Geschichte von COM­ vernebelnder Begriff: es sind tatsächlich Pro­ ern wir unseren 10. Geburtstag! Unsere ers­
PACT musste unsere aktuelle Monatsausga­ paganda-und Überwachungsinstrumente des te Ausgabe mit dem berühmten Thilo-Sarra­
be nachgedruckt werden. Das war bisher nur Tiefen Staates - verschärfen ihren Kurs gegen zin-Cover kam am 5.12.2010 aus der Drucke­
bei unseren Sonderausgaben notwendig, jede Opposition: Vor allem Facebook und Twit­ rei und brachte es auf gerade 2.000 Verkäufe
zum Beispiel bei den «Longsellern» von COM­ ter haben in den letzten Wochen zehntausen­ - heute stehen wir bei 40.000 und mehr, Mo­
PACT-Geschichte. Von den Monatsausgaben de Konten gelöscht, die unangenehme Wahr­ nat für Monat, und sind damit das bei Weitem
waren einzelne Nummern zwar auch mal aus­ heiten zum Corona-Schwindel verbreiteten. auflagenstärkste Printmedium der Opposition.
verkauft, aber wir verzichteten auf eine zwei­ Besonders im Visier der Zensoren ist die so­
te Auflage, denn für die Restnachfrage gab genannte Hassrede -sie dient als Vorwand Was sich gezeigt hat: COMPACT, das ist
(und gibt) es ja immer noch die digitale Ver­ für das Abschalten vermeintlicher rechter Ka­ wirklich das «Magazin für Souveränität»,
sion zum Herunterladen. Dieses Mal lohnte näle. Selbst Donald Trump musste hinnehmen, gemacht von unabhängigen Journalisten,
sich ein Nachdruck, denn die im Verlag vor­ dass Twitter bei ihm löscht. die sich nicht vom großen Geld kaufen las­
rätigen Juli-Hefte waren bereits vergriffen, sen und der schweigenden Mehrheit eine
bevor der Juli überhaupt angefangen hatte ... COMPACT macht derzeit besonders You­ Stimme geben. Diese zehn Jahre waren je­
tube zu schaffen. Im Zuge der Corona-Kri­ doch kein Zuckerschlecken. Wir wurden be­
Schon nach der Ankündigung des Titel­ se stiegen unsere Zugriffszahlen sehr stark: schimpft, verklagt, bespuckt und getreten.
themas «Kinderschänder. Die Netzwerke der Unsere Abonnentenzahl wuchs um ein Drittel Aber wir haben uns nicht unterkriegen las­
Eliten» ist eine Flut von Bestellungen über auf 131.000, jedes Video kam im Schnitt auf sen - und sind heute angriffslustiger als je
uns hereingebrochen, die alle Rekorde ge­ 150.000 Zugriffe, in der Spitze sogar auf über zuvor. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die wir
schlagen hat. Es war unglaublich! Wir haben 500.000. Anfang Mai kam die Vollbremsung vor allem Ihnen zu verdanken haben: unse­
mit dem Thema wohl einen Nerv getroffen. der Youtube-Zensoren: Unsere Nachrichten­ ren Lesern, Spendern, Unterstützern, Abon­
Besonders bemerkenswert: Viele Leser sind sendung Die Woche COMPACTerreichte nur nenten und Zuschauern. Ihnen allen gebührt
unserer Bitte nachgekommen, noch vor dem noch etwa 50.000 Zuschauer, andere Formate unser Dank! Feiern Sie mit uns!
Kioskstart zu bestellen, weil man bei diesem gerade noch 30.000. Anderen oppositionellen
Thema nicht wusste (und nie weiß), wie die Kanälen ging es nicht besser. Die Abschnü­ Dazu haben wir eine Jubiläumsseite ins
von uns ins Visier genommenen pädokrimi­ rung wurde mit dem sogenannten Shadow­ Leben gerufen: 1Ojahre.compact-online.de.
nellen Eliten reagieren. Immerhin schreiben ban erreicht: Filme werden nicht gelöscht, Hier finden Sie Perlen aus zehn Jahren COM­
wir in COMPACT 7/2020 über die höchsten aber versteckt, das heißt - anders als bei PACT, dazu Sonderangebote, Schmankerl
Kreise der US-Politik, vor allem über den nicht-oppositionellen Kanälen -auch jenen und Gewinnspiele. Außerdem werden wir im
Clinton-Podesta-Sumpf -und bei den Mög­ Nutzern nicht mehr angezeigt, die sich bisher Oktober, November und Dezember drei Son­
lichkeiten des amerikanischen Rechtssys­ für die angebotenen Themen interessiert oder derpublikationen an die Kioske bringen: Eine
tems könnte, nachdem VW kaputtgeklagt COMPACT-TV sogar abonniert haben. COMPACT-Edition mit den besten Editorials
worden ist, dasselbe eines schönen Tages von Jürgen Elsässer, eine COMPACT-Spezial
auch COMPACT passieren. Natürlich sind wir Was tun? Bestellen Sie unseren kosten­ mit Peter Scholl-Latour und anderen berühm­
im Visier dieser Kreise: COMPACT ist «das losen Newsletter: Der kommt in Ihr E-Mail­ ten COMPACT-Autoren und eine Jubiläums­
weltweit einzige Print-Magazin, das den Mut Postfach und informiert sie dreimal pro Wo­ ausgabe. Wer COMPACT-Magazin im Jubel­
hat, dieses heiße Eisen anzupacken» (Oliver che über alle unseren Neuigkeiten, auch jahr abonniert, erhält alle drei Hefte im Ge­
Jan ich): Dutroux, Sachsensumpf, Pizza-Gate, unsere aktuellen Filme: compact-online.de/ samtwert von über 20 Euro gratis dazu. Jetzt
(i Wewelsburg, Lügde, Maddie ... newsletter-anmeldung/■ nichts mehr verpassen: compact-abo.de. ■

8
Satan in Hollywood
_ von Daniell Pföhringer
Die Welt der Reichen und Schönen - voller Glitzer und Glamour. Doch hinter der
bunten Fassade tun sich dunkle Abgründe auf. Das okkulte Böse ist im politisch­
cineastischen Komplex eine feste Größe - und zwar nicht nur auf der Leinwand.

Am 2. Juli 2020 um 8.30 Uhr klickten die Hand­ zeug schreibt, es sei «mit einem Bett ausgestattet» Düstere Pop-Diva: Mit ihrem neuen
schellen. Die seit einem Jahr gesuchte Ghislaine gewesen, «in dem Passagiere Gruppensex mit jun­ Album «Chromatica» wolle sich
Lady Gaga «vom Ballast der Ver­
Maxwell wurde im US-Bundesstaat New Hampshire gen Mädchen hatten». Virginia Giuffre, die Haupt­
gangenheit befreien, von Depres­
festgenommen und sitzt seither streng bewacht in belastungszeugin gegen Prinz Andrew, hat ausge­ sion und Drogensucht», meint der
Untersuchungshaft. Die Anklage: Als rechte Hand sagt, dass sie auch den Ex-Präsidenten auf Little «Spiegel». Elitenkritiker deuten
des Multimilliardärs Jeffrey Epstein soll sie hun­ St. James Island, der privaten Karibikinsel des das ganz anders. Foto: lnterscope
derte Minderjährige missbraucht und als Sexskla­ Sexring-Betreibers, gesehen habe, zusammen mit Records
vinnen rekrutiert haben-Epstein habe die Opfer zur zwei «jungen Mädchen». Clinton habe in einer der
Vergewaltigung an Promis aus Politik und Showbiz «vier oder fünf verschiedenen Villen auf der Insel,
weitervermittelt. die vom Haupthaus getrennt waren», gewohnt. In
einem Interview sagte sie: «Ich erinnere mich, dass
Die Verhaftung Maxwells schickt Schockwellen ich Jeffrey so etwas gefragt habe wie "Was macht
durch das angloamerikanische Establishment. Eine Bill Clinton hier?", und er lachte nur und sagte: "Nun,
Zeugin bezichtigt Prinz Andrew als Komplizen. Der er schuldet mir einen Gefallen."» Maxwell soll
Royal stritt den Missbrauch zwar ab, musste aber
die häufige Anwesenheit bei Epstein-Parties einräu­ Tatverdächtige wie der ehemalige US-Präsident Kopien aller Videos
men. Ebenso tief sitzt Bill Clinton in der Tinte. Die
Journalistin Conchita Sarnoff wertete für ihr 2016
oder der britische Adelsspross dürften a�fgeatmet
haben, nachdem Epstein im August 2019 tot in sei­
haben, mit denen
erschienenes Buch TrafficKing die Logbücher der
Piloten von Epsteins privater Boeing 727 («Lolita­
ner Gefängniszelle aufgefunden worden war, bevor
der Prozess gegen ihn begonnen hatte. Doch mit
Epstein die Ver­
Express») aus und fand heraus, dass der Politiker der Verhaftung seiner Komplizin beginnt das Zittern brechen der Promis
27 Mal als Passagier registriert war. «Viele Male
hatte Clinton seinen Geheimdienst bei sich, oft
von Neuem: Sie soll Kopien aller Videos haben, mit
denen Epstein die Verbrechen prominenter Kinder­ dokumentiert hat.
aber auch nicht», so die Autorin, die über das Flug- schänder dokumentiert hat. Ci
9
«Schneide Dir mit einem schar- Auch Filmstars müssen die Aussagen Maxwells ten erzählen, wurden bereits abgedreht, eine wei­
fen Messer tief in den Mittelfinger fürchten. Die Schauspieler Chris Tucker and Kevin tere ist in Arbeit. Besonders hohe Einschaltquo­
der linken Hand. Iss den Schmerz/,, Spacey flogen 2002 mit Epstein in dessen Privat­ ten erzielte die 2015 produzierte fünfte Staffel. die
- Solche Anweisungen schmierte
Marina Abramovic 1997 mit jet nach Afrika. Mit an Bord war, neben Bill Clinton, in dem fiktiven Hotel Cortez in Los Angeles spielt.
Schweineblut an eine weiße Wand. eine der Sexsklavinnen, die dem Enthüllungsmaga­ Der mondäne sechsstöckige Art-deco-Bau befindet
Foto: dpa - Fotoreport zin Oaily Beast im Frühjahr 2020 davon berichtete. sich im Besitz der rätselhaften Countess (Gräfin), um
«Jeffrey Epstein nutzte seine Verbindungen zu Hol­ die sich ein düsteres Geheimnis rankt. Eine schau­
lywood-Mogul Harvey Weinstein, um junge Frauen rige Mordserie, die offenbar dem Muster der Zehn
zu beeindrucken, und half einem Opfer eine Rolle Gebote folgt, führt Polizeikommissar John Lowe zu
in einem Horrorfilm zu bekommen, der von einer dem Hotel. das. wie er herausfindet, 1926 errich­
Weinstein-Firma produziert wurde ( . . . ). Chauntae tet wurde. um darin kaltblütig Gäste zu foltern und
Davies war im Jahr 2001 für Epsteins Sexring rek­ zu töten. Es zeigt sich, dass die jetzige Besitzerin
rutiert worden ( . . . ). Sie sagte, dass der perverse diese Tradition fortführt. In einer Schlüsselszene
Finanzmann sie jahrelang ( . . . ) sexuell missbraucht sieht man, wie verschleppte Kinder gefesselt in
hat.» Weinstein wurde im März 2020 wegen Verge­ einem dunklen Raum sitzen. Ihnen wird Blut abge­

«Gaga ist nackt,


waltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. Er gehört zu zapft, das anschließend der Countess gereicht wird.
den Großspendern der Demokratischen Partei, ins­ Sie erhofft sich davon ewige Jugend . . .
Gaga ist blutig - besondere für die Wahlkampagnen Bill Clintons, und
war als Filmproduzent einer der wichtigsten Strip­ Pakt mit dem Teufel
genau so wird penzieher in Hollywood.
Die Rolle der adligen Hotelbesitzerin - die offen­
sie Erwartungen Mittlerweile versucht die Traumfabrik, selbst bar der historischen Figur der ungarischen Gräfin

gerecht. » N-TV Geld mit den Verbrechen der Sexmonster zu machen:


Netflix präsentierte eine Serie über den Epstein­
Bathory nachempfunden ist. die im 16. Jahrhundert
reihenweise junge Frauen umbrachte, um in deren
Skandal (Filthy Rich), und Ryan Murphy, Co-Produ­ Blut zu baden-spielt Lady Gaga, die nicht nur hier
zent von American Horror Story, plant eine filmische ihren Hang zum Morbiden offenbart. Auch die Musik­
Attacke auf Weinstein. Doch man wird den Eindruck videos des 1986 als Stefani Germanotta in New York
nicht los, dass hier Leute davon ablenken wollen, geborenen Megastars strotzen vor okkulter Symbo­
dass sie selbst tief im Sumpf stecken. lik. Sie liebt das Spiel mit der Finsternis, hat in einer
Late-Night-Show sogar auf Satan geschworen. Ihr
Im Horror-Hotel aktuelles Album heißt Chromatica, worin manche
eine Anspielung auf die sogenannte Adrenochrom­
Die US-Serie American Horror Story erfreut sich Theorie (siehe Seite 16 ff.) sehen. Auch die anfangs
auch hierzulande großer Beliebtheit. Neun Staffeln, geschilderte Szene aus American Horror Story nährt
die jeweils eine in sich geschlossene Handlung an solche Vermutungen. Die Rolle der Blutgräfin scheint
� verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zei- der Popsängerin geradezu auf den Leib geschnei-
10
COMPACT Titelthema (9

dert zu sein. Das findet auch die Journalistin Anna Ermittler selbst um Favourite handelt, der den jun­
Meinecke, die in einer Filmkritik für N-TV schreibt: gen Soldaten Harry Angel ermordet und seine Iden­
«Gaga ist furchtlos. Im Dialog mit Kollege Bomer [der tität angenommen hat. Louis Cyphre ist niemand
ihren ebenso grausamen Liebhaber spielt] braucht anderer als Luzifer, der von Favourite nun die Beglei­
es kaum Worte bei so viel sexueller Energie. Gaga chung der Schuld dafür einfordert, dass er ihm einst
ist nackt, Gaga ist blutig - genau so wird sie Erwar­ bei seiner Musikerkarriere geholfen hat. Katy Perry
tungen gerecht. Ein bisschen steif mag ihr Spiel erwies dem Leibhaftigen mit dem Song «Dance with
vielleicht wirken. Doch bei einer derart erfahrenen the Devil » (Tanz mit dem Teufel) auf dem Album Wit­
Show-Frau muss man davon ausgehen dürfen, dass ness (2017) ihre Reverenz.
ihre Kälte bewusste Inszenierung ist und ihre Desig­
nerfummel nicht ewig werden herhalten müssen für Das tat auch der Schauspieler Christian Bale, der
die dramatische Wendung einer Szene.» in der Kinoadaption von Bret Easton Ellis' American
Abramovic im Okkult-Outfit auf dem
Psycho (2000) die Rolle des durchgeknallten Invest­ Cover einer bekannten Frauen- und
mentbankers Patrick Bateman spielt. Als Bale im Modezeitschrift. Foto: Elle
«Ich habe meine Seele an den vergangenen Jahr den Golden Globe für seine Dar­
stellung Dick Cheneys in der satirischen Filmbiogra­
Teufel verkauft.» Katv Perrv fie Vice (2018) erhielt, dankte der Mime nicht nur
seiner Familie, sondern auch «Satan. der mir die Ins­
piration gab, wie ich diese Rolle zu spielen habe» .
Die elffache Grammy-Gewinnern ist nicht der Auch wenn es sich dabei vermutlich um eine iro­
einzige Star aus dem Showbusiness, der geradezu nische Bemerkung handelte, zeigt dies doch, wie
besessen vom Okkultismus zu sein scheint. Auch schnell man in Hollywood mit dem Teufel bei der
dem Pop-Paar Beyonce und Jay-Z, Rihanna oder Hand ist.
Katy Perry werden solche Neigungen nachgesagt.
Als Letztere 2015 in einem Fernsehinterview zu Abramovics Blutorgien
ihrem Einstieg ins Showgeschäft befragt wurde,
sagte sie freimütig: «I sold my soul to the devil. » Lady Gaga, die sich besonders intensiv dem
Bild unten links: Jeffrey Epstein: Er
(«Ich habe meine Seele an den Teufel verkauft. » ) Okkult-Spektakel widmet, pflegt eine herzliche vermittelte junge Mädchen als Sex­
Hollywood hatte einen solchen Pakt 1 987 mit dem Beziehung zu einer anderen dubiosen Figur der Kul­ sklavinnnen an prominente Kunden.
Film Angel Heart auf die Leinwand gebracht. Darin turschickeria -der 1946 in Belgrad geborenen Per­ Foto: picture alliance/ZUMA Press
beauftragt der mysteriöse Louis Cyphre (Robert De formance-Künstlerin Marina Abramovic. 2013 sorgte
Niro) den morphiumsüchtigen Privatdetektiv Harry ein Video für Aufsehen. in dem die US-Sängerin split­ Bild unten rechts: Royal im Zwie­
Angel (Mickey Rourke), der an Amnesie leidet, mit ternackt und maskiert mit erhobenen Armen über licht - Prinz Andrew mit der damals
der Suche nach einem Schuldner, dem Musiker eine Wiese schreitet, auf einem großen Kristall kau­ 17-jährigen Virginia Giuffre, die ihn
schwer belastet. Im Hintergrund
Johnny Favourite, der seit Ende des Zweiten Welt­ ert und wild herumschreit. Der zweieinhalb Minuten Epsteins Ex und mutmaßliche Kom­
kriegs als verschollen gilt. Letztendlich stellt sich lange Clip zeigt sie bei der Ausübung der sogenann­ plizin Ghislaine Maxwell. Foto: pic­
heraus, dass es sich bei dem heruntergekommenen ten Abramovic-Methode, laut We/t ein «mit esoteri- ture alliance/Capital Pictures

(i
11
[OMPA[T Titelthema 8

Bild oben links: Aleister Crow- schem Hokuspokus garnierter Mix aus bruchstück­ einflussung » zu einer Haftstrafe von sieben Jahren
ley inspirierte angeblich die Rol­ haften Yoga- und Meditationsübungen» . die ihr nach verurteilt. In seinem Plädoyer erklärte der Staatsan­
ling Stones zu ihrem Hit «Sympa­ eigener Aussage geholfen habe, vom Kiffen loszu­ walt damals: «Otto Muehl hat mit Menschen expe­
thy for the Devil)) und Led lepplin
zu «Stairway to Heaven//. Ozzy kommen. Abramovic wiederum ließ verlautbaren, rimentiert. er hat sie manipuliert. ( ... ) Die Jugend­
Osbourne widmete ihm den Song sie habe in dem Popstar eine «Inspiration » gefunden. lichen waren nicht freiwillig dort, er hatte ihnen die
«Mr. Crowley//. Foto: United Archi­ Eltern genommen und damit die Möglichkeit, die
ves Kommune zu verlassen. »
Bild oben rechts: Lady Gaga als
blutrünstige Countess in der fünf­
«Crowlevs Schriften über Magick, Das Tier 666
ten Staffel der US-Serie «Ameri­
can Horror Story//. Foto: Prashant
Mystik, Sexualität und Drogen Wie die Wiener Aktionisten scheint auch Abra­
Gupta/FX trafen den Zeitgeist. » movic von Blut fasziniert zu sein. 1996 veröffent­
lichte sie unter dem Titel «Spirit Cooking» eine Reihe
Henrik Bogdan / Martin P. Starr von vermeintlichen Rezepten, zu denen auch folgen­
des zählt: «Mische frische Muttermilch mit frischer
Spermamilch, trink sie in Erdbeernächten. » Das
Die Tochter serbischer Tito-Partisanen arbeitete erinnert an die sogenannte Hostie der Gnostischen
schon in den 1970er Jahren mit dem Wiener Aktions­ Messe des britischen Okkultisten Aleister Crow­
künstler Hermann Nitsch zusammen. Der wurde vor ley (1875-1947). die laut seinen Anweisungen aus
allem durch sein Orgien-Mysterien-Theater bekannt. Menstruationsblut, Honig und Öl hergestellt wer­
Dabei werden Tierkadaver und Blut in Zusammen­ den soll. In seinem Buch Magick in Theory and Prac­
hang mit Kreuzigungsszenen gesetzt. Nitschs Weg­ tice (Magie in Theorie und Praxis) beschreibt der
gefährte Otto Muehl gründete 1971 in seiner 120 vor allem wegen seiner sexualmagischen Rituale
Quadratmeter großen Wohnung an der Wiener Pra­ berüchtigte Schwarzmagier ein «Blutopfer » . Dazu
terstraße eine Künstlerkommune, in der er schon kann man lesen, dass ein «männliches Kind von völ­
Teuflisch: Prama-Bild zur achten
Staffel von «American Horror Story: bald wie ein Alleinherrscher agierte. 1988 wurde ein liger Unschuld und hoher Intelligenz» eine geeignete
Apokalypse//, in der es um die Strafverfahren gegen Muehl eröffnet, in dem ver­ Opfergabe sei. In einer Fußnote teilt Crowley mit,
Geburt des Antichristen geht. schiedene Mitglieder der Wohngemeinschaft gegen dass er zwischen 1912 und 1928 durchschnittlich
Foto: FX Networks ihn aussagten. Laut Anklage habe das «gemeinsame 150 solcher Kinder pro Jahr getötet habe.
Aufziehen des Nachwuchses » für den Kommunen­
chef auch sexuellen Missbrauch und die Vergewalti­ Zwar erschließt sich einem bei genauer Lektüre,
gung von Kindern und Jugendlichen beinhaltet. Die­ dass dies wohl nur eine Metapher für die ungenutzte
sen seien zudem Drogen verabreicht worden. 1991 Verschwendung seiner Körpersäfte bei der Sexual­
wurde Muehl «wegen Sittlichkeitsdelikten, Unzucht magie sein soll, doch allein dieses geschmacklose
mit Minderjährigen bis hin zur Vergewaltigung, Ver­ Bild zeigt deutlich. wes Geistes Kind der Brite war.
(i stößen gegen das Suchtgiftgesetz und Zeugenbe- Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass manche
12
[OMPA[T Titelthema (9

seiner Anhänger, von denen es gerade im Rockbusi­ Pepper's Lonely Hearts Club Band( 1 967), wo er als
ness eine Menge gibt, die Anweisungen des Okkul­ Zweiter von links in der hinteren Reihe zu sehen
«Euer Kumpel»
tisten al lzu wörtlich nehmen. ist, und Led Zeppelin beschrifteten das Vinyl des
Albums Led Zeppelin III ( 1 970) mit Crowleys Leit­
Crowley wurde 1 904 in die Freimaurervereini­ spruch "Do what thou wilt" [Tu, was Du willst] ( . . . ). »
gung Anglo-Saxon Lodge No. 343, die unter der Die Adaption okkulter Motive in der Musikbranche
Oberhoheit der Grand Loge de France stand, aufge­ gibt es also nicht erst seit gestern.
nommen und schon nach kurzer Zeit in den Meister­
grad erhoben. Stark beeinflusst wurde er zudem vom Auch Marina Abramovic spielt mit solchen Ele­
Rosenkreuzertum und sah sich als Verkünder des menten. Ihre Fans finden sich jedoch nicht nur im
Wassermannzeitalters. Mit dem Wechsel der Äonen Showbiz, sondern auch in der großen Politik. Offen­ Im Januar 2020 sorgte der Ko­
mödiant Ricky Gervais mit sei­
sollte ein spiritueller Wandel vom Christentum zu kundig wurde dies im Pizzagate-Skandal um Hillary ner Rede bei der Verleihung der
der von ihm vertretenen Thelema-Lehre einherge­ Clintons ehemaligen Wahlkampfmanager John Golden Globes in Beverly Hills
hen. Deren Grundlagen hat er in seinem bizarren Podesta (siehe COMPACT 7/2020). In den 201 6 für Unruhe unter den ver­
Liber AL vel Legis (Buch des Gesetzes), formuliert. von Wikileaks veröffentl ichten E-Mails von und sammelten Stars. In Gags ver­
Crowley behauptete, die Schrift sei ihm von seinem an Podesta findet sich auch ein Schreiben vom 28. packt. brachte der Brite Dinge
zur Sprache, die einigen bei der
Schutzengel Aiwaz diktiert worden. Sein Leitsatz ist: Juni 201 5, mit dem Abramovic ihn und seinen Bru­ Preisverleihung der ver­
«Tu, was Du willst, soll das ganze Gesetz sei n ! » Als der Tony zu einem Spirit-Cooking-Dinner eingeladen sammelten Filmgrößen sichtlich
Überwinder des Christentums identifizierte er sich hat. Wie auf später an die Öffentlichkeit gelangten unangenehm waren. Dass er
mit dem Großen Tier aus der biblischen Johannesof­ Bildern zu sehen ist, lag auf dem Buffet eine nackte kein Blatt vor den Mund neh­
fenbarung, dessen Zeichen die Zah l 666 ist. Frau in einer blutfarbenen Flüssigkeit, die sich nicht men würde, machte Gervais
schon zu Beginn klar. Ihm sei
nur diverse Politiker genussvoll mit Löffeln einver­
ohnehin «alles egal», schließ­
Starken Aufwind erlebten die Ideen des Esote­ leiben, sondern auch Lady Gaga. lich sei es sein fünfter Auftritt
rikers schon in der Hippie-Bewegung der 1 960er bei den Globes - und höchst­
Jahre. Henrik Bogdan und Martin P Starr schreiben Vom Fallen der Dominosteine wahrscheinlich sein letzter. «In
diesem Raum sind einige der
dazu in ihrem Buch Aleister Crowley und die west­
wichtigsten Fernseh- und Film­
liche Esoterik «Crowleys Schriften über Magick, Nach der Maxwel l-Verhaftung könnte mögli­
leute der Welt. Leute aus allen
Mystik, Sexualität und Drogen trafen den Zeitgeist, cherweise auch John Podesta bald ins Visier der Bereichen. Sie alle haben eines
und Crowley wurde bald zu einer Art antinomischer Ermittler geraten. Die bislang vom Mainstream als gemeinsam: Sie haben alle
[widersprüchlicher] Ikone der Gegenkultur und der Verschwörungstheorie abgetane Pizzagate-Affäre Angst vor Ronan Farrow. Er ist
Flower-Power-Generation. Tatsächl ich integrierten würde dann in einem ganz neuen Licht erscheinen. hinter ihnen her», so der Co­
median. Farrow ist einer der
die Beatles ihn in das Coverbild ihres Albums Sgt. In einer Art Dominoeffekt dürfte das Ganze dann bis
Journalisten, die den Wein­
in die G litzerwelt der Reichen und Schönen durch­ stein-Skandal aufgedeckt hat­
Sex-Hölle unter Palmen: Epsteins Anwesen auf der Karibik­ schlagen. Dann dürfte letztlich deutlich werden, wie ten. Mehrfach machte Gervais
Insel Little Saint James. Foto: picture alliance / abaca fest Satan die Eliten im Griff hat. ■ Anspielungen auf die Vorliebe
mancher Stars für junge Mäd­
chen. Dann holte er zum ultima­
tiven Schlag aus. Gervais wört­
lich: «Sie könnten sich die ge­
samte erste Staffel von After
Life ansehen, anstatt sich diese
Show [Golden-Globes-Verlei­
hung] anzuschauen. Das ist
eine Serie über einen Mann,
der sich umbringen will, weil
seine Frau an Krebs stirbt, und
sie macht immer noch mehr
Spaß als das hier. Spoiler­
Alarm ! Staffel zwei ist in
Arbeit, also hat er sich am Ende
offensichtlich nicht um­
gebracht. Genau wie Jeffrey
Epstein. Haltet die Klappe. Ich
weiß, er ist Euer Kumpel, aber
das ist mir egal.» Ein halbes
Jahr zuvor war Epstein in seiner
New Yorker Gefängniszelle tot
aufgefunden worden.

Sein Mund tut Wahrheit kund:


Ricky Gervais. Foto: Thomas Attila
Lewis
(j
13
[OMPA[T Titelthema (9

Das stille Sterben der Stars


_ von Martv Mc[arthv
Avicii, Chris Cornell, Chester Bennington - offiziell sollen die Nun sieht man. was auf dem Acker geschah.
Musiker Selbstmord begangen haben. Es gibt jedoch Spuren, die in In dem Lastwagen befanden sich kleine Jungen
und Mädchen. kaum bekleidet, die von den Män­
eine andere Richtung deuten: Alle drei waren Missbrauchsopfer.
nern gekauft und verschleppt wurden. Die beiden
Maskierten konnten bald entkommen und üben nun
Selbstjustiz an den Tätern, die nie zur Rechenschaft
Ein schwarzer Mercedes fährt zu einem abgele­ gezogen worden waren. Das Mal, das sie ihnen in
genen Acker. Dort wartet eine Gruppe von Männern. die Haut brennen, trägt den Schriftzug «Pedophi­
Einer von ihnen öffnet die Hecktür eines Armeelas­ lia» - Pädophilie.

«Unsere Theorie ist,


ters, bietet den anderen etwas zum Kauf an. Der
Fahrer der Limousine steigt aus, zündet sich eine Epsteins langer Arm
dass ... es eher so Zigarette an. beobachtet das Feilschen. Schnitt ! Ein
Junge und ein Mädchen rennen durch ein Kornfeld. Diese Geschichte erzählt das Musikvideo zu dem
etwas wie ein Ver­ Sie blicken hinter sich, werden verfolgt. An einem
Kliff angekommen, nehmen sie all ihren Mut zusam­
Song For A Better Day, das der schwedische Produ­
zent und DJ Avicii im August 201 5 veröffentlicht hat.
kehrsunfall war. » men und springen ins Wasser . . . Zum ersten Mal wurde damit ein Thema über die
Popkultur in die breite Öffentlichkeit getragen. das
Aviciis Vater Ein maskiertes Paar greift sich einen der Männer, sonst ein Schattendasein fristet: die Verstrickung
die zuvor auf dem Acker zu sehen waren, brandmar­ der Reichen und Mächtigen in den Kinderhandel.
ken ihn und zwingen ihn, sich mit einem Revolver
selbst zu richten. Sie streichen sein Foto mit rotem Drei Jahre danach ist Avicii tot. Der Künstler,
Filzstift aus ihrer Liste. Danach fahren die beiden zu der eigentlich Tim Bergling heißt und im laufe sei­
einem hochrangigen Politiker. Auch er stand an dem ner Karriere mit Größen wie Robbie Williams und
Tag der Abrechnung: In Aviciis Lkw. Sie verpassen ihm ein Brandzeichen, legen ihm Madonna zusammengearbeitet hat, wird am 20.
Video «For A Better» brandmarken eine Schlinge um den Hals und stoßen ihn vom Dach April 2018 auf einem Anwesen der Königsfamilie von
zwei Opfer ihre pädophilen Peiniger
und sorgen dafür, dass von ihnen eines Hochhauses. Zuvor machen sie ihm klar. dass Oman in Maskat leblos aufgefunden. Der 28-Jäh­
keine Gefahr mehr ausgeht. sie die Kinder waren, die einst durch das Kornfeld rige hatte dort seinen Urlaub verbracht. Die genauen
Foto: Screenshot Youtube gejagt wurden. Umstände seines Todes sind bis heute unklar.
[OMPA[T Titelthema Ci

Es soll anderthalb Jahre dauern, bis - im Okto­


ber 201 9 - offiziell verkündet wird, was vorher als
Gerücht durch die Welt geisterte: Bergling, der an
psychischen Problemen gelitten habe, sei durch
Suizid aus dem Leben geschieden. Dabei hatte
sein Vater dies noch im Juli 201 9 gegenüber CNN
bestritten. Allerdings äußerte er sich seltsam unklar.
«Unsere Theorie ist. dass er seinen Selbstmord nicht
geplant hat. dass es eher so etwas wie ein Ver­
kehrsunfall war.»

Eine Veröffentlichung des Anonymous-Kollektivs


vom Juni dieses Jahres nährt die Zweifel an der
Suizid-Version. Die lnternet-Leaker behaupten, dass
Avicii Kenntnisse über das Sex-Sklaverei-Netzwerk
Jeffrey Epsteins hatte und mit For A Better Dayden
Scheinwerfer darauf richten wollte. Der Schwede
sei jedoch nicht der einzige Künstler gewesen, der
das Engagement gegen solche Machenschaften mit Monate nach Cornells Tod fand man den 41 -Jähri­ Wie aus dem Gesicht geschnitten
dem Leben bezahlt habe. Anonymous nannte auch gen erhängt im Schlafzimmer seiner Villa im kalifor­ - Chester Bennington (/.) und John
Podesta: Ist der frühere Sänger von
Chris Cornell und Chester Bennington. nischen Pa los Verdes Estates auf. Laut erstem Auto­ Linkin Park der Sohn des Clinton­
psiebericht sol l der Linkin-Park-Sänger Alkohol und Vertrauten? Möglicherweise wurde
Cornell war Sänger, Gitarrist und Songwriter Ecstasy im Blut gehabt haben. Zwei weitere Tests ihm dies zum Verhängnis.
von Soundgarden und Audioslave. Am 1 8. Mai 201 7 fielen jedoch negativ aus. Foto. Screenshot Youtube
wurde er i m Alter von 52 Jahren i n einem Hotelzim­
mer in Detroit tot aufgefunden. Laut Polizeibericht Immer wieder Podesta
soll er sich mit seinem Fitness-Expander an der Tür­
klinke erhängt haben. Dazu passt allerdings nicht, Benningtons Schwester Tobi glaubt nicht an die
dass verschiedene Zeitungen ein Bild des Fundortes Suizid-Theorie. Sie ist überzeugt davon, dass ihr Bru­
der Leiche veröffentlichten, auf dem deutlich eine der ermordet wurde. Gut zwei Jahre nach seinem
Blutlache zu sehen ist. Er hatte eine Kopfverletzung, Tod veröffentlichte sie auf lnstagram ein Foto und
die Autopsie ergab zudem, dass Rippen gebrochen schrieb dazu: «Ist es Zufall, dass all diese Leute ster­
waren. Erklärt wurde dies mit Wiederbelebungsver­ ben und sich "selbst erhängt haben"? Ich beginne,
suchen. Könnte es nicht auch so gewesen sein, dass mich zu fragen, wie tief dieses #Epstein-Debakel
der Rockstar überfallen. niedergeschlagen und dann reicht. . . Wie viele werden noch "Suizid begehen",
stranguliert wurde? bevor sich die Regierung einschaltet und es ernst
nimmt. #BillClintonBodyCount.» Eine entsprechende
Vermutung hatte auch Benningtons Witwe kurz nach
Cornell und Bennington kämpften dem Tod ihres Mannes via Twitter verbreitet, jedoch
dann wieder gelöscht.
Chris Corne/1: Mit "Black Hole Sun,1

gegen Pädophilen-Netzwerke. landete seine Band Soundgarden


1994 einen Mega-Hit. Foto: Jos­
Hat jemand Druck auf sie ausgeübt? Die Antwort hua Jensen
könnte in Begebenheiten zu finden sein, die weit
Nach Angaben seiner Familie litt Cornell an zurückliegen. Auch Bennington wurde im Kindes­
Depressionen, weil er in seiner Jugend sexuel l und Jugendalter sexuell missbraucht. Aus Scham
missbraucht worden war. Selbstmordgefahr habe ging er damit jedoch erst spät an die Öffentlichkeit.
jedoch nicht bestanden. Er und seine Frau gründe­ Der Täter ist unbekannt, es soll sich aber um einen
ten die Chris & Vicky Cornell Foundation, die sich Freund der Familie handeln.
um Jugendliche kümmert, die unter den Folgen von
Missbrauch und Vernachlässigung leiden. Zudem Ist diese Person möglicherweise sein Erzeuger?
war Cornell Hauptfinanzier des Dokumentarfilms Als der Junge neun Jahre alt war, verließ sein Vater
The Silent Children über die Strukturen des Kinder­ die Familie, weil er herausgefunden hatte, dass
handels. Die Arbeiten daran wurden nach seinem Chester nicht sein leiblicher Sohn ist. Verschiede­
Tod vorerst eingestellt. nen Quel len zufolge soll John Podesta mit den Ben­
ningtons zu tun gehabt haben. Die Ähnlichkeit von
Die Musik zu dem Film sollte die Rockband Lin­ Chester und Hillary Clintons früherem Wahlkampf­ _ Martv Mc[arthv [*1982) ist
kin Park beisteuern. Deren Kopf Chester Benning­ manager ist frappierend - er ist Podesta wie aus lnvestigativjournalist und schreibt
ton war mit Cornell befreundet und unterstützte ihn dem Gesicht geschnitten. Möglicherweise liegt hier für verschiedene Medienportale in
im Kampf gegen Pädophilen-Netzwerke. Nur zwei der Schüssel zu dem stil len Sterben der Stars. ■ den USA. $
lS
Whistleblower im Wunderland
_ von Daniel! Pföhringer
Sie sind echte Superstars - doch sie gehören nicht zum Sumpf, auf diese Methode. Kate Beckinsale ( Underworld)
sondern wollen ihn trockenlegen. Immer mehr internationale schrieb in einer lnstagram-Story über ihre Besuche
in dem Beauty-Salon: «Nach einem langen Flug lege
Berühmtheiten klären die Welt über die dunklen Seiten der Musik­
ich mich gerne hin und lasse mir eine Maske mit
und Filmindustrie auf. verflüssigten, geklonten Vorhäuten auftragen - wer
macht das nicht?»
Super-Droge: Johnny Depp als Vor wenigen Wochen strahlte der türkische TV­
Raoul Duke in "Fear and Loathing Sender TGRT Haber einen Beitrag aus, der es in sich Laut TGRT Haber erzählen die Hollywood-Pro­
in Las Vegas». Nur ein paar Trop­ hat. Zu Beginn wird ein Ausschnitt aus einem Inter­ mis nur die halbe Wahrheit. «Sie schauen uns in
fen Adrenochrom genügen, um den
hedonistischen Freak auf den hef­ view mit der Schauspielerin Sandra Bullock (Miss die Augen und belügen uns», so der Moderator in
tigsten Trip seines Lebens zu schi­ Undercover) im US-Fernsehen gezeigt. Darin erläu­ besagter Sendung. Er vermutet, dass die Verjün­
cken. Foto: Universal City Studios tert sie, wie sie ihr Gesicht faltenfrei hält - mit soge­ gungskuren der Reichen und Schönen auf einem
Productions lnc nannten «penis facials». Was wie aus einem Por­ ganz anderen Stoff basieren. Dann präsentiert der
nofilm klingt, hat einen ganz anderen Hintergrund: türkische Kanal seinen Zuschauern als erster Nach­
Bullock ist Kundin in dem exklusiven Kosmetikstu­ richtensender weltweit eine Hypothese, die bislang
dio von Georgia Louise an der noblen Upper East nur im Untergrund sozialer Netzwerke waberte: die
Side in Manhattan, die ein sehr spezielles Serum sogenannte Adrenochrom-Theorie.
anbietet. Auf ihrer Homepage kann man lesen, dass
dieses mit Stammzellen angereichert sei, «die aus Auf Adrenochrom in Las Vegas
Sandra Bullock der Vorhaut koreanischer Babys extrahiert werden».
Sie verspricht, dass durch die rund 650 Dollar teure Adrenochrom ist ein Stoffwechselprodukt des
lässt sich mit Behandlung die körpereigene Produktion von Kolla­
gen und Elastin angeregt wird, was für eine straf­
Adrenalins, das vom Körper in Stresssituationen,
also auch bei Angst oder Schmerz, ausgeschüttet
Stammzellen von fere Haut sorgen soll. wird. Die regenerative Wirkung des Metabolits

Babvs behandeln. Bullock ist nicht der einzige Superstar, der sich
wurde bereits in einer am 1 . März 1949 im Jour­
nal of Physiology veröffentlichten Studie nachge­
von Louise behandeln lässt. Bild berichtete schon wiesen. Die belgischen Ärzte G. Derouaux und J.
2018, dass sich Cate Blanchett (Der Herr der Ringe ) Roskam beschreiben, wie sie die geschädigte Haut
immer mal wieder eine, wie sie sagt, «Penis-Kosme­ eines Kaninchenohrs mit einer Adrenochrom-lnjek­
(j tik» gönnt. Auch Comedian Amy Schumer schwört tion heilen konnten. Wenige Jahre später entdeck-
16
[OMPA[T Titelthema Ci

ten die US-Forscher Humphry Osmond und Abram tete, der weltweite Ki nderhandel diene auch sol­
Hoffer bei ihren Untersuchungen der Schizophrenie chen Zwecken. Pädoph ilie und satanische Rituale
die psychoaktive Wirkung der Substanz, die ähnl ich gingen dabei Hand in Hand. Oft würden die Opfer
wie LSD oder Meskalin wirken sol l . In der Populär­ getötet und ihre Organe verkauft. Der Pizzagate­
ku ltur fand dies N iederschlag in dem Roman Fear Skandal um H i l lary Cl intons früheren Wah l kampf­
and Loathing in Las Vegas ( 1 97 1 ) von Hunter S. leiter John Podesta (siehe COMPACT 7/2020) wird
Thompson, der 1 998 von Terry Gil lam verfilmt wurde. meistens in diesem Zusammenhang erwähnt.
Der Sportjournal ist Raoul Duke (Johnny Depp), das
Alter Ego des Autors, träufelt sich in einer Szene Hollvwoods Pädo-Sumpf
Adrenochrom auf die Zunge und bekommt Hal luzi­
nationen, die ihn förmlich wegblasen. Sein Kumpel , Der bekannteste Vertreter dieser Theorie i n
Folge dem weißen Kaninchen: Die
d e r schräge Rechtsanwalt Dr. Gonzo (Benicio del Deutschland ist der Soul-Sänger Xavier Naidoo. Zahl der Anhänger von Q wächst
Taro), antwortet ihm auf die Frage, woher er das Doch es gibt noch prominentere Persönlichkeiten, weltweit. Laut Voraussage des
Zeug habe: « Es gibt nur eine Quelle für diesen Stoff die von der Existenz solcher verbrecherischen Netz­ mysteriösen Trump-Drakels steht
- die Adrena lindrüse eines lebendigen menschlichen werke überzeugt sind. Jüngstes Beispiel ist der bri­ das Waterloo der dunklen Mächte
kurz bevor. Foto: Nikita Goel
Körpers. » Im Roman ergänzt er noch: «Das Zeug ist tische Popstar Robbie Wil liams. Ende Juni sagte
schlecht, wenn der Körper bereits tot ist. » er der BBC-Journal istin Anna Brees, dass man i m
Falle von Pizzagate einfach noch nicht d e n richtigen
Leuten die richtigen Fragen gestellt habe. Bereits
«Ich weiß zu viel über diese Arsch- im Mai hatte Wil l iams, der seine Karriere als M it­
gl ied der Boygroup Take That startete, dem Youtuber
löcher.» Robbie Williams Chris Thrall ein Interview gegeben, in dem er dieses
Thema anspricht. «Ich weiß zu viel über diese Arsch­
löcher» , so der 46-Jährige, der weltweit über 77 Mil­
Fear and Loathing in Las Vegas spielt eine l ionen Tonträger verkauft hat. «Diese dämonische
wichtige Rolle bei den Anhängern des angebli­ Energie durchdringt doch das ganze Mediensystem.»
chen Trump-Orakels 0. Die sogenannten OAnons Die Terminologie in den Podesta-Mails sei «ver­ Bild unten links. Mega-Star Rob­
bie Williams ist der prominenteste
gehen davon aus, dass es verborgene Netzwerke dammt noch mal hochverdächtig » . Wi l l iams kommt Kopf der Truther-Bewegung. Foto:
gibt, in denen Kinder nicht nur sexuell missbraucht, zu dem Schluss: «Diese Sache, von der wir glauben, Drew de F Fawkes, CC BY-SA 2.0,
sondern auch systematisch in Angst versetzt oder dass sie vor sich geht, ist das Schlimmste, was man Wikimedia Commons
gefoltert werden, um ihr Blut mit Adrena lin anzurei­ sich vielleicht jemals für die Erde vorstel len kann. »
chern und durch Oxidation Adrenochrom zu gewin­ Kein Sex mit Illuminaten: Ti/a
nen. Dies werde von den Reichen und Schönen als Wi l l iams ist nicht der erste Whistleblower des Tequila steht auf Trump und 0.
Dunkelmänner werden von dem Ex­
Superdroge oder für Anti-Aging-Kuren eingesetzt. Showbiz. Bereits vor vier Jahren wies der Schau­ Model hingegen eiskalt von der
Ein Kronzeuge dieser Theorie ist der ehema lige CIA­ spieler Elijah Wood auf Kinderschänder-Struktu­ Bettkante gestoßen. Foto: picture
Mitarbeiter Robert David Steele, der 201 7 behaup- ren in der US-Fi lmindustrie hin. «Ich wurde in die al/iance / empics

(i
17
dunklen Abgründe geführt und erkannte, dass diese elf Jahre alt, ein «mächtiger Mann im Anzug » wäh­
Dinge möglicherweise noch immer passieren » , wird rend der Dreharbeiten zu Kevin -Allein in New York
der heute 39-Jährige, der als Teenager den Frodo in (1 992) angedeutet. O'Rourke war im Alter von sie­
der Tolkien-Verfilmung Der Herr der Ringe spielte, in ben Jahren als Carol Anne in Steven Spielbergs Pol­
der Sunday Timesvom 22. Mai 201 6 zitiert. «Es war tergeist(1 982) zu sehen. Als offizielle Todesursache
alles organisiert. ( . . . ) Menschen mit solchen Inter­ des Mädchens wurde eine durch eine Darmveren­
essen sehen Dich als Beute. » Ob er selbst Opfer von gung ausgelöste Sepsis festgestellt. Culkin will
Triebtätern wurde, blieb offen. jedoch erfahren haben, dass sie ermordet wurde.

Roseannes Abrechnung
«Pädophile sind überall in Hollv­ Auch Roseanne Barr möchte, dass die Wahr­
wood, sie umringten mich und die heit ans Licht kommt. Während des US-Präsident­
schaftswahlkampfes 201 6 legte sich die Titelhel­
anderen wie Geier.» corev Feldman din der populären Sitcom Roseanne (1 988-1 997) für
Donald Trump ins Zeug und bezichtigte die Demo­
kraten um Hillary Clinton - Stichwort Pizzagate -
Manfred Paulus
Anders ist das bei dem einstigen Kinderstar des Betreibens eines Kindersex-Rings. Trump werde
Menschen­ Corey Feldman ( Stand by Me ). der 201 4 in der Doku
An Open Secretäußerte: «Pädophile sind überall in
die Opfer retten, so die Ex-Linke auf Twitter. Einer
ihrer Tweets, der sich gegen George Soros richtete,
handel und Hollywood, sie umringten mich und die anderen wie wurde sogar von Donald Trump Jr., dem ältesten

sexsklaverei
Geier. » Dass er - wie auch sein 201 0 verstorbener Sohn des Präsidenten. geteilt.
Freund und Kollege Corey Haim - in den 1 980er Jah­
ren sogar am Set sexuell missbraucht wurde, offen­ Als 201 8 die erste Folge einer neuen Staffel von
Als ehemaliger Polizeikom­ barte Feldman schon 201 1 in der ABC-Show Night­ Roseanne ausgestrahlt wurde, bekam Barr einen
missar kämpfte der Autor line. Später benannte er Jan Grissom, der mit den Anruf vom Mann im Weißen Haus, der ihr zu den
beiden Jungstars 1 988 den Film Daddy's Cadillac grandiosen Einschaltquoten gratulierte. Ein unbe­
gegen das Organisierte Ver­
drehte, als einen der Täter. In einem anderen Fall dachter Tweet über eine afroamerikanische Ex-Bera­
brechen. In seinem Buch be­ war Grissom 2003 wegen Kindesmissbrauchs ver­ terin Obamas sorgte dann für das vorzeitige Aus der
leuchtet er die dunklen Ka­ urteilt worden. Feldman sprach auch von einem wei­ Serienfortsetzung. Doch die 67-Jährige lässt nicht
näle des Menschenhandels. teren Täter, «den jeder auf der Welt kennt» . Die­ locker und verbreitet weiter «Verschwörungstheo­
deren Ausgangspunkt die Re­ ser habe den damals 1 3-jährigen Haim während rien » , wie die US-Presse meint. Wie andere OAnons
gion rund um das Schwarze des Drehs von Lucas (1 986) vergewaltigt. Erst in ist sie davon überzeugt, dass nach der Wiederwahl
Meer ist. Junge Frauen. oft seinem im März dieses Jahres veröffentlichten Trumps das große Aufräumen mit dem pädophi­
sogar minderjährige Mäd­ Dokumentarfil m (My) Truth: The Rape of the two len Hollywood-Sumpf beginnt. Die Verhaftung der
chen, werden von dort aus Coreys traute er sich, den Namen zu nennen: Char­ Epstein-Komplizin Ghislaine Maxwell Anfang Juli
in deutsche Bordelle oder lie Sheen. Der streitet dies vehement ab. könnte der Anfang sein. ■
auf den Straßenstrich ver­
schleppt. Ein aufrüttelnder Blickte Ex-Kinderstar Macaulay Culkin womög­
lich in noch tiefere Abgründe? Im Februar 201 9
Report!
bezichtigte er i n einem Radio-Interview maßgebli­

l 19,90 Euro 1
Broschiert, 208 Seiten che Hollywood-Größen. «blutrünstige Satanisten »
zu sein. die «rituel l Kinder ermorden » - allerdings
ohne Namen zu nennen. Die Zeitung Les Echos
berichtete darüber auf ihrer Website, doch nach
kurzer Zeit verschwand der Artikel aus dem Netz.
Culkin. der als Hauptdarsteller in Kevin - Allein
zu Haus (1 990) weltberühmt wurde, sagte in dem
Gespräch: «Man lernt sehr früh zu erkennen. welche
von ihnen D ich missbrauchen wollen und welche
einen noch dunkleren Geschmack haben. » Er selbst
sei der Hölle entkommen. weil er ein «kluges und
misstrauisches Kind » gewesen sei, das «zu früh
berühmt geworden ist. um wie einige andere Kinder
getötet zu werden » . Dass zu Letzteren die 1 988 ver­
storbene Heather O'Rourke zählt. habe ihm. damals

Er vertraut dem Plan: Ein OAnon bei einer Trump-Kundgebung


im August 2018. Foto: AP Photo/Matt Rourke
Wie der Staat die Polizei zerstört
von Martin Müller-Mertens
Schrittmacher Berlin: Mit dem Antidiskriminierungsgesetz nehmen Multikulti­
Politiker, Migrantenverbände und die Schadenersatzindustrie die deutsche Haupt­
stadt in Geiselhaft. Für seine Beamten hat der rot-rot-grüne Senat nur Ignoranz übrig
- und für die Bürger offene Verachtung.

Es dauerte nur wenige Stunden, bis aus Warnun­ heißt es in der Selbstdarstellung des Senats. Tat- Abendszene aus dem arabischen
gen bittere Realität wurde. Am frühen Nachmittag . sächlich dürften sich viele Beschäftigte derzeit als Berlin: In der berühmten Sonnenal­
lee im Problemkiez Neukölln funkelt
des 4. Juni hatte das Berliner Abgeordnetenhaus eine Art Freiwild empfinden - schutzlos ausgesetzt
die Neonreklame aus tausendund­
das umstrittene Landesantidiskriminierungsgesetz einer Phalanx aus bauernschlauen Migranten und einer Nacht, auf dem Gazastreifen
(LADG) verabschiedet. Zu diesem Zeitpunkt war die geschäftstüchtigen Antidiskriminierungsanwälten. zwischen den Fahrbahnen wird die
Regelung noch gar nicht in Kraft. Doch der Inha­ In deren Fadenkreuz kann künftig praktisch jeder Palästina-Flagge geschwenkt. Aber
ber eines Neuköllner Spätverkaufes - Angehöri­ Beamte mit Bürgerkontakten geraten. Es reicht der diese Leute sind nicht gefährlich -
sie wollen nur spielen! Foto: pic­
ger eines arabischen Clans - wusste bereits um Vorwurf irgendeiner Diskriminierung. ture alliance/Stefan Jaitner/dpa
die neue Wunderwaffe der bunten Republik. Bei
der Kontrolle nicht genehmigter Stühle auf dem Schuldig bei Verdacht
Gehweg habe ihn ein Beamter als «Scheiß Auslän­
der» beleidigt, behauptete er ohne jeden Beweis. Beweisen müssen die selbst ernannten Opfer
Was vorher nur Teil der üblichen Tiraden verdächti­ staatlicher Herabsetzungen ihr Ungemach nicht. Es «[lanmitglieder
werden reftexhaft
ger Migranten war, wurde für den betroffenen Poli­ genüge, «Tatsachen glaubhaft» zu machen, die eine
zisten nun zur echten Gefahr. Mit einem vierseiti­ Ungleichbehandlung «wahrscheinlich» sein ließen,
gen Gedächtnisprotokoll versuchte er, sich vor einer
juristischen Dampfwalze zu schützen.
hieß es im Entwurf des rot-rot-grünen Senats. Die­
ser Freifahrtschein ging sogar Abgeorcfneten der
den Vorwurf der
Koalition zu weit. Nach einer Änderung im Rechts­
Mehr als 1 10.000 Landesdiener halten die Haupt­ ausschuss muss die angebliche Diskriminierung nun
Diskriminierung
stadt Tag für Tag am Laufen. In über 140 Berufen zumindest «überwiegend wahrscheinlich» sein. Aus­ erheben. »
zeige sich Berlin als «attraktive Arbeitgeberin» mit reichend sei in einigen Fällen aber bereits «eiile
Verantwortung «für die berufliche Zufriedenheit, unerwünschte Bemerkung». Polizeipräsidentin
Fortentwicklung und Gesundheit ihres Personals», Ci
19
COMPACT Politik <9

Zahl dürfte nun in die Höhe schnellen - und Rot­


Kriminalitätsbelastete Orte in Berlin Hier hat die , Polizei
besondere Rechte
Rot-Grün womöglich auch noch als Begründung für
weitere Verschärfungen, dienen. «Es wird in den ers­
• LI 8 in Abschnitten ten Monaten überall dort zu Klagen kommen, wo wir

·--.."
im Verwaltungshandeln Antidiskriminierungslücken
REINICKENDDRF \ PANKOW
LICHTENBERG
lassen » , dozierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende
im Abgeordnetenhaus Antje Kapek gegenüber der
\ LI 9 Oranienburger Straße
Nachrichtenagentur dpa.
SPANDAU LeopoldstraBe - ...-
# �� Hackescher Markt
LI 7 in Abschnitten s, u Jungfernheide JI '. // Die Konsequenzen spürten Polizisten auf der
# M ITTE .\
�-• ••• •• • • ••• •� ,
• • Kurfürstenstraße / , Alexanderplatz Straße bereits nach wenigen Tagen - nicht nur in
u Mierendorffplatz • 1 •.._
f• " • ",,,�
FRIEQ.RlGl:ISHAIN- Neukölln. Der Ruf «Rassismus» ertönt inzwischen
I
Bahnhof Zoo ····· ·· Görlitzer P�rk
KREUZ ERG
. Kottbusser Tor
regelmäßig zur Begrüßung, wenn Beamte irgendwo
Rund um die Breitscheidplatz \ auftreten. Fünf Mal wurden in den ersten Wochen
Sandstraße AAW-Gelände Einsätze gegen die Drogenszene mit Verweis auf das
L .
"�.T • • •
" ....J.. Hermannplatz LADG hintertrieben, schreibt sogar der multikulti­
CHARLOTTENBURG- . "111111'◄�
WILM ERSD ORF 1 Hasenheide \ \ freundliche Tagesspiegel. «Einsatzkrähe berich­

i/1 i TEMPELHOF-
a\
UB \
\__
--v :
ten, dass seit der Beschlussfassung des Gesetzes
die Emotionalisierung bis hin zur negativen Grund­
TREPTOW­
! S C H Ö NEBERG
s • LI Steglitz 1
11
KÖPENICK haltung gegenüber den Polizeieinsätzen zumindest
Tiergarten Süd bis im Görlitzer Park [einem Hotspot der Drogenszene]
STEGLITZ-ZEHLENDORF Schöneberg Nord /
' zugenommen hat » , heißt es demnach vonseiten der
LI Rudow
N E UKÖLLN........ .. .,, Behörde.
Quelle: morgenpost.de
� } Die Polizei ist nur das erste Opfer. Immerhin rich­
tet sich das Gesetz gegen den gesamten Öffentli­
Grafik: COMPACT Dabei muss nicht einmal eine konkrete Ungleich­ chen Dienst. Auch Ordnungs- und Grünflächenämter,
behandlung vorliegen. Maßstab «kann auch eine Hygienekontrolleure und die chronisch überlasteten
hypothetische Vergleichsperson ( . . . ) sein ». Im Rah­ Bürgerämter dürfen künftig zum Anerziehen «einer
men einer sogenannten Beweiserleichterung - fak­ Kultur der Wertschätzung von Vielfalt » nach Belie­
tisch eine Beweislastumkehr - hat anschließend ben Diskriminierungsvorwürfen ausgesetzt werden.
der Beschuldigte die Behauptungen zu widerlegen.
Andernfalls wird Schadenersatz in noch unbekann­ Diese Wirkung der Diversity-Brechstange scheint
ter Höhe fällig, den jedenfalls vorerst die jeweilige auch Kapek nicht entgangen zu sein. «Ich rechne
Behörde übernimmt. damit, dass es die größte Zahl der Klagen im Schul­
bereich geben wird. » Dies betrifft etwa den Wech­
Bereits im Sommer 2019 war der Entwurf des sel von den Grund- zu den erweiterten Schulen. der
LADG bekannt geworden. Zaghafte Kritik regte sich in Berlin nach der 6. Klasse erfolgt. Dabei erhält der
vor allem mit Blick auf die Polizei, bei deren Ein­ größte Teil der Kinder einen Platz auf ihrer Wunsch­
sätzen in kriminalitätsbelasteten Migrantenvier­ schule - aber eben nicht alle. Während deutsche
Barbara Slowik ist die erste Frau
im Amt eines Polizeipräsidenten teln sich die Neuregelung als regelrechte Falle ent­ Familien das auch künftig weitgehend hinnehmen
in Deutschland. Seit April 2018 puppen könnte. «Betrachtet man die Diskussionen müssen, dürften Migranten hier verstärkt eine luk­
steht sie in Berlin an der Spitze der um das sogenannte "Racial Profiling" aus den letz­ rative Diskriminierung wittern. Dabei ist nicht aus­
Behörde. Foto: picture a/liance/Paul ten Jahren, schafft man mit diesem Gesetz eine zuschließen, dass begehrte Schulplätze künftig
Zinken/dpa
Grundlage für Massenklagen», hieß es damals vom bevorzugt an Migranten vergeben werden, um Scha­
Gesamtpersonalrat. Die Berliner Polizeiführung hielt denersatzforderungen vorzubeugen.
sich dagegen lange Zeit bedeckt, wohl mit Rücksicht
auf den Dienstherren, SPD-Innensenator Andreas Gegenüber den Betroffenen verfolgt Rot-Rot­
Geisel. In einem Interview mit dem Spiegel wurde Grün offenbar eine Politik des arroganten Aussit­

«Schwarze
Polizeipräsidentin Barbara Slowik Ende Juni dann zens - womöglich sogar der Einschüchterung. Nach
jedoch deutlich: «Auch Clanmitglieder werden das seinem frühen Aufmucken war vom Hauptpersonal­
Expert*innen und Gesetz testen und reflexhah den Vorwurf der Dis­
kriminierung erheben. »
rat kaum mehr öffentliche Kritik zu vernehmen. Tat­
sächlich hatten jedoch «viele Personalräte sehr
Fachleute of Color» Vorfreude auf Klagen
deutlich ihre Bedenken und Sorgen zum Ausdruck
gebracht » , heißt es in einem internen Rundschrei­
beklagen Dis­ ben vom Juni. Dabei ging es unter anderem um mög­

kriminierung. Bei rund 750.000 Funkwageneinsätzen im ver­ liche Regressforderungen an Mitarbeiter, sollte das

s gangenen Jahr gab es gerade einmal 14 Beschwer­


den wegen angeblicher Diskriminierung. Diese
Land infolge des LADG Schadenersatz zahlen müs­
sen. Ende September 2019 sagte Justizsenator Dirk
20
COMPACT Politik C9

Berendt (Grüne) eine Regelung zu, um dies auszu­ stammt. Scheinbar neutral veröffentlichte er den
schließen. «Jetzt, im Juni 2020, gibt es immer noch Text unter dem Namen des BRW. Doch tatsächlich
Persilschein
keinen Entwurf einer Dienstvereinbarung, aber das ist Klose seit Ende 2016 Büroleiter des Justizsena­ für Illegale
Gesetz wurde beschlossen», resümiert der Personal­ tors Dirk Behrendt (Grüne). Im Windschatten des LADG än­
derte Rot-Rot-Grün auch das
rat in resigniert wirkendem Ton.
Allgemeine Sicherheits- und
Klose ist nicht die einzige auffällige Personalie Ordnungsgesetz, in dem die Be­
im Hause Behrendt. Als dessen persönliche Refe­ fugnisse der Polizei geregelt

«Bisher ist unseren Befürchtungen rentin wirkt bis heute Armaghan Naghipour. Die
Rechtsanwältin mit dem Promotionsthema «Affir­
sind. Dabei könnte die bessere
«Berücksichtigung der Belange

... nur Ignoranz entgegengebracht mative Action im Migrationsdiskurs» ist zugleich


trans- und intergeschlechtlicher
Menschen» bei Hausdurch­

worden. »
Vorstandsmitglied im Lobbyverein NDO - Das post­
Polizeigewerkschaft migrantische Netzwerk. Im Januar 2020 verlangte
suchungen noch als Teil links­
grüner Folklore durchgehen.
NDO vehement die Einführung des LADG, da nicht Einschneidender ist, dass
näher genannte «schwarze Expert*innen und Fach­ der Polizei künftig Kontrollen
wegen des Verdachts auf einen
Selbst die Gewerkschaft Verdi scheint mit leute of Color» dies wünschten. Dabei ging es wohl
Verstoß gegen die aufenthalts­
Blick auf das Gesetz von leichten Bauchschmer­ auch ums Geld. «Wir brauchen endlich ein robus­ rechtlichen Bestimmungen an
zen geplagt. Das LADG sei «ein brauchbarer und tes Verbandsklagerecht», fabulierte NDO-Vorstand sogenannten Kriminalitäts­
annehmbarer Kompromiss», applaudierte Vize­ Daniel Gyamerah. belasteten Orten (KOB) unter­
Landesvorsitzende Andrea Kühnemann in einer sagt sind. So können die Beam­
ten nicht mehr feststellen, ob
Erklärung. Aufschlussreich ist jedoch eine Neben­ Aus Sicht von Rot-Rot-Grün ist das LADG nun
unter den jeweiligen Passanten
bemerkung: Intern traf bei Verdi der Entwurf dem­ das Ergebnis einer Politik «mit bundesweiter Strahl­ Ausländer oder Asylbewerber
nach vor allem beim Arbeitskreis Oueer auf Zustim­ kraft». Welche Rolle den eingeborenen Hauptstäd­ sind, die sich gesetzwidrig nach
mung. Dagegen äußerten die Fachleute aus dem tern dabei zukommt, wurde während der Debatte Berlin oder Deutschland ein­
Bereich Öffentlicher Dienst mit «Bürgerinnenkon­ im Abgeordnetenhaus wohl eher zufällig deutlich. geschmuggelt haben.
takten» sogar Sorgen vor einer «Strafverfolgung» Auf die rhetorische Frage in der Rede des fraktions­ Als KOB gelten nach Angaben
von Beschäftigten in Folge des LADG. losen Parlamentariers Andreas Wild, wofür eigent­ der Berliner Polizei derzeit etwa
das Dealer-Refugium Görlitzer
lich «der Berliner seine Steuern» zahle, entfuhr es
Park, der Alexanderplatz sowie
Deutlich schärfere Kritik kam hingegen von den dem Linken-Politiker Carsten Schatz ausweislich mehrere Gebiete in Kreuz-
Polizeigewerkschaften - doch die Vertreter der Ord­ des Plenarprotokolls: « Für gar nichts! Der hat kei­ berg und Neukölln - allesamt
nungshüter bissen bei Innensenator Geisel auf Gra­ nen Anspruch auf irgendwas!» Zwei Tage zuvor Brennpunkte der Migranten­
nit. «Bisher ist unseren Befürchtungen und Anmer­ war Schatz mit 77,7 Prozent zum Fraktionschef der kriminalität.
kungen nur Ignoranz entgegengebracht worden». Regierungspartei gewählt worden.■ Zudem darf die Polizei bei Lärm­
belästigungen künftig Woh­
beklagte sich der Landesvorsitzende der Gewerk­
Antirassistische Demonstration mit 15.000 Teilnehmern, voll­ nungen nur noch dann be­
schaft der Polizei (GdP), Norbert Cioma. treten, wenn mit dem Krach
ständige Ignoranz der Corona-Abstandsregeln: Am 6. Juni
2020 musste die Polizei in Berlin gute Miene zum bösen Spiel eine erwiesene Gesundheits­
Nepper, Schlepper, Beamtenfänger machen. Anweisung von oben. Foto: picture al/iance/ZUMA gefährdung verbunden ist.
Press
Wesentliche Vorarbeiten für das LADG leis­
tete ein Gutachten des 201 3 gegründeten Büros für
Recht und Wissenschaft (BRW). Die in der Öffent­
lichkeit eher unbekannte Organisation fiel in der
Vergangenheit unter anderem mit einer von der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestellten
Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsge­
setzes auf.Anders als der Name suggeriert. handelt
es sich jedoch keineswegs um eine wissenschaftli­
che Einrichtung, sondern eine als GbR organisierte
Beratungsagentur. Die Gesellschafter eint reichli­
che Erfahrung in der Antidiskriminierungsindust­
rie. So heuerte Kerstin Kühn im Gründungsjahr der
GbR als Beraterin beim Antidiskriminierungsnetz­
werk des Türkischen Bunds Berlin-Brandenburg an.
Ihre Kollegin Doris Liebscher war für Antidiskrimi­
nierungsorganisationen in Sachsen tätig, etwa «im
Zusammenhang mit Klagen».

Die zentrale Schnittstelle beim LADG ist jedoch


der dritte Gesellschafter Alexander Klose, aus
dessen Feder offenbar der Entwurf des Gesetzes 0
21
COMPACT Politik <8

Mörderische Partv-szene
von Paul Klemm
Tatort Stuttgart: Brandanschläge, körperliche Attacken, nächt­ Sturmhauben und bewaffnet mit Knüppel n ziehen
liche Krawall-Exzesse. In der grün regierten Schwabenmetropole Gruppen j unger Männer durch die Straßen. Handy­
aufnahmen zeigen, wie sie Geschäfte plündern, Poli­
radikalisiert sich die linke Szene zunehmend. Der freie Gewerk­
zeiautos umzingeln und demolieren, einen Beamten
schafter Andreas Ziegler bezahlte das fast mit seinem Leben. mit Anlauf zu Boden treten. Es sind fünf Stunden, in
denen Baden-Württembergs Hauptstadt in Anarchie
Am 1 9. Juni steht Martina Renner, Vize-Chefin versinkt. Nur durch äußerste Anspannung seiner

«Danke, der Linken, vor den Abgeordneten des Deutschen


Bundestages und froh lockt: «In verschiedenen Städ­
Kräfte, durch den Einsatz von Hubschraubern und
die Hinzuziehung von 1 00 zusätzlichen Polizisten aus
Migrantifa!» Martina ten haben sich in den letzten Monaten Migrantifa­
Gruppen gegründet, auch als Reaktion auf den rech­
der Reg ion kann der bundesdeutsche Rechtsstaat
die Lage schließl ich unter Kontrolle bekommen.
Renner, Die Linke ten Anschlag in Hanau im Februar.» Renner trägt
ein biederes Rüschenkleid mit buntem Blumenmus­ Anheizer Antifa
ter. An ihren Ohren baumeln Perlenohrringe. «Diese
Gruppen verbinden antirassistische und antifaschis­ Die B i lanz: 1 9 Beamte werden verletzt, einer
tische Kämpfe und schlagen damit eine dringend davon ist jetzt dienstunfähig. Der Sachschaden liegt
Spötter sprachen von der «Bundes­ notwendige Brücke. ( . . . ) Danke, Migrantifa ! » In der Schätzu ngen zufolge im M i l l ionenbereich. Wer ist
kristallnacht11: Plünderungen auf Nacht des Folgetages, am 20. Juni, explodiert in der verantwortlich für die Schreckensnacht? Laut Ein­
der Marienstraße, einer der Stutt­ Stuttgarter Innenstadt die Gewalt. schätzung der Polizeiführung war es die jugendl iche
garter Flaniermeilen. Neben Nobel­ «Party- und Eventszene», die an diesem Tag maßlos
geschäften musste an diesem 20.
Juni auch ein Ein-Euro-Shop dran
Schaufenster werden eingeschlagen, Mül leimer über die Stränge geschlagen habe - eine Schuld­
glauben. Foto: picture a/liance/dpa/ aus ihren Verankerungen gerissen, Pflastersteine zuweisung, die mehr als sonderbar wi rkt. Später
Julian Rettig als Wurfgeschosse verwendet. Vermummt mit die Relativierung: Es könne nicht ausgeschlossen
COMPACT Politik Ci

werden. dass auch «Einzelpersonen aus dem linken


Spektrum » verstrickt gewesen seien. Sehr viel deut­
licher äußerte sich ein beteiligter Polizist. der den
Badischen Neuesten Nachrichten versicherte: «Die
Antifa war dabei. » Ihn habe das ganze Geschehen
an den G20-Gipfel in Hamburg erinnert. Ihm und sei­
nen Kollegen seien Einkaufswagen voller Steine und
anderer Wurfgeschosse aufgefallen. «Und es flogen
Flaschen. die mit Lackfarbe gefüllt waren. So etwas
hat kein normaler Partygänger dabei. » Zudem habe
er Personen mit Brechstangen gesehen. Jürgen
Engel, der stellvertretende Landesvorsitzende der
Deutschen Polizeigewerkschaft, glaubt ebenfalls an
eine linksextreme Beteiligung: «Nach allem. was
mir die Kollegen berichtet haben und was man auf
den Videos sieht, ist davon auszugehen, dass die
Ausschreitungen zwar innerhalb der sogenannten
Eventszene begonnen haben, aber dann von Links­
autonomen unterstützt und angeheizt worden sind. »

Bereits in den Wochen vor der nächtlichen Ran­


dale ist deutlich geworden, wozu die Stuttgarter
Antifa fähig ist. Besonders rund um die Corona­
Demos auf dem Cannstatter Wasen kam es immer ihre Gewalt gegen Andersdenkende: «Es geht uns Kommt bieder daher, trägt aber den
wieder zu brutalen Übergriffen auf die als rechts mit körperlichen Angriffen darum, das öffentliche Anstecker der gewalttätigen Antifa
am Revers: Martina Renner, Vize­
gebrandmarkten Lockdown-Gegner. In einem Auftreten der Faschisten soweit wie möglich zu
chefin der Linksfraktion im Bundes­
Schreiben, das auf der linken Propagandaseite lndy­ unterbinden » . heißt es dort. «Sie sollen mit Schmer­ tag. Foto: picture alliance/dpa 1
media veröffentlicht wurde. rechtfertigt die Antifa zen, Stress und Sachschaden rechnen und dadurch Arne Immanuel Bänsch
möglichst isoliert, gehemmt, desorganisiert und
abgeschreckt werden. » Das alles diene natürlich
dazu, «eine freie und solidarische Gesellschaft » zu
erkämpfen. Auch den Tod der Attackierten nehmen
die anonymen Verfasser billigend in Kauf: «Schon
ein Faustschlag kann unter Umständen tödliche Fol­
gen haben. ( . . . ) Dieses Risiko gehen wir ein, weil
es keine Alternative wäre. der Straßenpräsenz der
Faschisten ( . . . ) keine Grenzen zu setzen. »

Kopfschuss und Koma


In einem Fall wären die Folgen tatsächlich um
ein Haar tödlich gewesen: Am 16. Mai wollten And­
reas Ziegler, Ingo Thut und Jens Dippon die Stutt­
garter Corona-Demo besuchen. Die Drei sind Arbei­
ter aus dem Mercedes-Benz-Werk, wo sie sich auch «Die Antifa war
dabei. »
in der alternativen Gewerkschaft Zentrum Automo­
bil engagieren. Als sie auf der gegenüberliegenden Polizist
Seite eine Gruppe von circa 50 schwarz Maskierten
bemerkten, gingen sie sofort in Alarmbereitschaft.
Schon in der Vorwoche waren Zentrum-Mitglieder
in derselben Straße attackiert worden. Zunächst
schien sich die vermummte Truppe jedoch nicht für
sie zu interessieren. Sie hielt wohl Ausschau nach
Oliver Hilburger - im Vorfeld der Demo hatten linke
Aktivisten den Daimler-Betriebsrat und Zentrum­
Vorsitzenden mit Steckbriefen zur Fahndung ausge­
schrieben. An diesem Tag war der Gewerkschafts­
vorsitzende mit einer Gruppe von etwa zwanzig
Leuten unterwegs, die vom schwarzen Block zwar (j
23
COMPACT Politik (j

Rauien bei gesichtet, aber - vermutlich ihrer Größe wegen -


nicht angegriffen wurde. Stattdessen machten
«in keiner Weise miteinander verstrickt» seien, ist
schlichtweg falsch, wie Fotos eindeutig bewei­
der Antifa die Linken wieder kehrt und stürzten sich auf die sen. So haben sich führende DGB-Funktionäre auf
Inzwischen hat die Polizei Fort­ drei Werksarbeiter. Dann ging alles ganz schnell: Demos hinter Transparente gestellt, auf denen zu
schritte bei ihren Ermittlungen
Ingo Thut ergriff die Flucht, wurde jedoch von zwei lesen war: «Antifa und Gewerkschaften - Gemein­
zum mörderischen Überfall
auf den Gewerkschafter And­ Angreifern eingeholt und zu Boden geprügelt. Sei­ sam gegen Rechts» oder sogar «Zentrum Automo­
reas Ziegler gemacht: Am Mor­ nem Kollegen Dippon schlugen die Linken mit einem bil zerschlagen». Ein gewaltbereiter Autonomer
gen des 2. Juli rückten mehrere Schlagring ins Gesicht, bis heute kann er auf seinem namens «Basti», der nach einem schweren Anschlag
hundert Polizisten aus, um Anti­ linken Auge nicht mehr richtig sehen. Am härtes­ auf den AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple
fa-Zentren und Wohnungen von
ten aber traf es Andreas Ziegler, der einen Schädel­ im Dezember 201 8 vorläufig festgenommen wor­
neun Tatverdächtigen in Stutt­
gart. Tübingen, Ludwigsburg, bruch erlitt. Da mehrere Zeugen einen Schuss hör­ den war, wurde angeblich mehrfach zusammen mit
Remseck, Fellbach, Waiblingen ten und am Tatort eine Gaspistole gefunden wurde, mächtigen Gewerkschaftern gesehen. zum Beispiel
und Karlsruhe zu durchsuchen. ist davon auszugehen. dass ihm aus nächster Nähe im Gespräch mit Verdi-Geschäftsführer Cuno Brune­
Dabei wurde ein 21 -jähriger ein Kopfschuss verpasst wurde. Hägele. Auch bei Seminaren der Verdi-Jugend soll
Tatverdächtiger festgenommen. «Basti» bereits als Vortragsredner aufgetreten sein.
Gegen ihn bestand bereits ein
Haftbefehl wegen versuchten
Totschlags. Ein weiterer Be­
schuldigter ist laut Stuttgarter
«Schon ein Faustschlag kann ... Täter und Beschützer
Nachrichten Mitarbeiter des
Bundestagsabgeordneten Tobi­
tödliche Folgen haben . ... Dieses Das Beweismaterial lässt in Stuttgarts linkem
Gewerkschaftsmilieu ein weitverzweigtes Netz
as Pflüger. Vizevorsitzender der
Partei Die Linke.
Risiko gehen wir ein ... » lndvmedia vermuten, das auch gewaltbereite Antifa-Gruppen
umfasst und im grün regierten Baden-Württemberg
auf keinerlei Einschränkung zu stoßen scheint. Es
Wochenlang schwebte der 54-Jährige in Lebens­ bleibt unklar, wie sage und schreibe 50 Angreifer
gefahr. Wegen des Schädelbruchs musste er notope­ einfach wieder vom Tatort verschwinden konnten,
riert und ins Koma versetzt werden. Inzwischen ist wo doch am anderen Ende der Mercedesstraße, auf
_ Paul Klemm [*2000] arbeitet als er wieder bei Bewusstsein, doch er kann sich wei­ dem Cannstatter Wasen, eine von starken Polizei­
Reporter für COMPACT. In Ausgabe terhin nicht bewegen und auch nicht sprechen. Er kräften gesicherte Corona-Demonstration samt lin­
7/2020 berichtete er über die wird künstlich ernährt und beatmet. Den etablier­ kem Gegenaufmarsch stattfand. Zentrum Automo­
Black-Lives-Matter-Proteste in ten Medien war sein Schicksal keine einzige Mel­ bil wurden hochbrisante Informationen von Insidern
Hamburg. dung wert. Und auch der Autobauer Daimler, für den zugespielt, wonach ein Teil der mutmaßlichen Täter
Ziegler 33 Jahre gearbeitet hat, hüllt sich in Schwei­ am angrenzenden Großmarkt von der Polizei gestellt
Von einem 50-köpfigen Mob ins gen. Zu groß scheint der Einfluss der IG Metall im wurde, der zuständige Bereitschaftsrichter diese Per­
Koma geprügelt: Der Gewerkschaf­
ter Andreas lieg/er liegt in sei­
Betrieb. Die bewirbt seit Jahren ein «breites Bündnis sonen jedoch umgehend wieder auf freien Fuß setzte.
nem Blut. Foto: Simon Kaupert/ein­ gegen Rechts». Die Aussage von IG-Metall-Presse­
prozent sprecherin Ana'fck Geißel, dass IG-Metall und Antifa So gesehen sind die Ausschreitungen in der
Nacht vom 20. auf den 21. Juni nur der vorläufige
Höhepunkt eines immer weiter eskalierenden Links­
terrorismus. In einer kürzlich veröffentlichten, aber
medial kaum beachteten Analyse des Bundesam­
tes für Verfassungsschutz verzeichnet die Behörde
eine «deutliche Radikalisierung in Teilen der gewalt­
orientierten linksextremistischen Szene». Selbst
«gezielte Tötungen» durch Linksextremisten hält
sie jetzt für «nicht mehr undenkbar».

Dabei sollte eines nicht vergessen werden: Sieht


man sich die Videos aus der Stuttgarter Krawall­
nacht an, so fällt auf, dass es überwiegend Migran­
ten sind, die da randalieren. Die Linken mögen sie in
ihrer Zerstörungswut bestärkt haben, doch erwach­
sen sind die Krawalle ganz offenkundig aus einer
migrantischen Parallelwelt, die nicht bereit ist, sich
den Regeln ihrer Aufnahmegesellschaft anzupassen.
Diese unheilvolle Verschränkung entspricht dem
neuen Brückenschlag, den Martina Renner in ihrer
Bundestagsrede als «dringend notwendig» erachtet
hat -gefolgt von dem Ruf: «Danke Migrantifa! » ■

24
Das Kentler-svstem
_ von Manja Mav
30 Jahre lang wurden Kinder und Jugendliche in Berlin von Amts wegen bei Pädo­
kriminellen untergebracht. Im Zentrum des Skandals steht ein Pädagoge, dessen
Netzwerk sich offenbar über die ganze Republik erstreckt.

Fritz H. war wegen Sexualdelikten vorbestraft, - einer nachgeordneten Dienststelle der Senats­ Die Hilflosigkeit von Kindern sta­
den Behörden waren seine pädophilen Neigungen bildungsverwaltung - war. Den Pflegevater und chelt bei Pädophilen die Perversion
bekannt. Und doch haben Berliner Jugendämter zwi­ an. Foto: 271 EAK MOTO / Shut­
Sexualstraftäter Fritz H. kannte der spätere Profes­ terstock. com
schen 1 973 und 2003 insgesamt zehn Minderjährige sor für Sozialpädagogik an der Universität Hanno­
in die Obhut des Mannes gegeben. Mindestens zwei ver persönlich: Er hatte Gerichtsgutachten in sei­
von ihnen - sie kamen im Alter von sechs Jahren nem Sinne verfasst.
zu ihrem Pflegevater - wurden sexuell missbraucht,
erfuhren tagtäglich Gewalt. Hinweise wurden von Perverser Zeitgeist
den Behörden ignoriert, sogar ein Verfahren wegen
Kindesmissbrauchs und der Tod eines schwerbe­ Kentler war eine Schlüsselfigur der westdeut­
hinderten Jungen, den Fritz H. zu sich genommen schen Pädo-Szene seit den späten 1 960er Jahren. Er
hatte, blieben ohne Konsequenzen. Geschildert wird behauptete, dass auch Kinder schon sexuelle Wesen
dies in einer aktuellen Studie, die Wissenschaftler
der Universität Hildesheim im Auftrag der Berliner
seien, die ein Recht auf Ausleben ihrer Triebe hät­
ten. Befreie man die kindliche Sexualität von repres­ «Er war das, wovor
Senatsverwaltung erstellt haben. siven Moralvorstellungen, so die freudomarxistische
Argumentation des 2008 in Hannover verstorbenen
wir uns Kinder
Was fassungslos macht: Die Causa Fritz H. ist Pädagogen, setze dies Kräfte frei, die zu einer ech­ fürchten sollten:
kein Einzelfall. Vielmehr wurden in Berlin von Ende
der 1 960er bis Anfang der 2000er Jahre Findel- und
ten Demokratisierung der Gesellschaft führen wür­
den. Mit solchen Thesen gab Kentler. de'r ein gern ein Oger, ein
Straßenkinder, die als besonders «schwere Fälle»
galten. systematisch bei pädophilen Pflegevätern
gesehener Gast in Rundfunk und Fernsehen war. Kin­
derschändern geradezu einen Freibrief an die Hand.
Menschenfresser»
untergebracht. Dabei handelte es sich um ein soge­ Springora über
nanntes Experiment des Pädagogen und Sexualwis­ Unter vermeintlich progressiven Intellektuel­
senschaftlers Helmut Kentler, der von 1 966 bis 1 974 len in Westeuropa waren solche Ideen seinerzeit Matzneff
Abteilungsleiter am Pädagogischen Zentrum Berlin durchaus en vogue, wie der Skandal um den fran- (i
25
Kinderstrich in Westberlin in den zösischen Schriftsteller Gabriel Matzneff zeigt. Die­ Der 1 936 in Neuilly-sur-Seine geborene Literat
1980er Jahren, hier dargestellt ser schwärmte in vielen seiner Schriften von Sex war nicht der Einzige, der sich am Sex mit Teen­
im Film «Wir Kinder vom Bahnhof mit Teenagern. In seinem 1974 erschienenen Essay agern berauschte. Springora schreibt, dass in wei­
Zoo» nach einer wahren Geschichte
der Drogenabhängigen Christiane Les moins de 16 ans (Die unter 16-Jährigen) heißt ten Teilen der Pariser Eliten eine sexuelle Liberti­
F Jugendliche auf Trebe, mittel- es: «Wenn Sie einen Jungen von 13 Jahren oder nage ausgelebt worden sei, wie es sie zuletzt am
los und ohne Elternhaus, sind eine ein Mädchen von 15 Jahren in den Armen gehalten, Hofe Ludwigs XIV gab - nun allerdings im Geiste
leichte Beute für Pädokriminelle. geküsst, liebkost, besessen haben, kommt ihnen von 1968. Führende Intellektuelle wie Jean-Paul
Foto: Neue Constantin Film
alles andere fad, schwer, langweilig vor.» Sartre, Simone de Beauvoir und Roland Barthes
unterzeichneten eine Petition für drei angeklagte
Pädosexuelle, die linke Zeitung Liberation veröffent­

' ZeigMal! «Ich habe ... die Erfahrung lichte Kleinanzeigen, in denen Kinder zum «Schmu­
sen » gesucht wurden. Bei Le Monde erschienen von
gemacht, dass sich päderastische 1977 bis 1982 laufend Texte von Matzneff, Kritiker
lobten den «ungezogenen Herrn» als «mutig», und
Verhältnisse sehr positiv auf die noch 1 990 amüsierte man sich in der TV-Literatur­
sendung Apostrophes über die Ausführungen des
Persönlichkeitsentwicklung eines Erotomanen zu «Schulmädchen » . Inzwischen wur­

Jungen auswirken können. » den strafrechtliche Ermittlungen gegen Matzneff


eingeleitet - die Verlage und Publikationen, die ihn
Ein Bilderbuch für Kinder und Eltern.
Fo<ograficn und gerextet von Will Mcßride.
Erklärt von Helga Aeischhaucr-Hardt,
Helmut Kentler einst feierten, geben sich reumütig.
Vorwort von Helmut Kentler. Jugenddi�
Kentlers geistige Erben
Helmut Kent/er schrieb das Vor­
wort: «Zeig Mal!» war Propaganda Jahrzehntelang nahm kaum jemand Anstoß an Der gleiche Ungeist, der das linksliberale Jus­
für Kindersex, erschien erstmals solchen Schmuddeltexten. Im Gegenteil: 1987 und temilieu in Frankreich beseelte, herrschte damals
1974 in einem Verlag, der der evan­ 2009 erhielt Matzneff Auszeichnungen der Acade­ auch unter Gesinnungsfreunden in der Bundesre­
gelischen Kirche nahestand. Foto: mie fran�aise sowie 2013 den Prix Renaudot, einen publik. Davon zeugt etwa der Missbrauch Minder­
Repro
der renommiertesten Literaturpreise Frankreichs. jähriger im Umfeld der Grünen in den 1980er Jah­
Erst Anfang dieses Jahres fielen die Ergüsse auf ren, gedeckt durch die damalige Programmatik der
ihren Urheber zurück. In ihrem im Januar erschie­ Partei. Über 1.000 Fälle wurden 2013 im Zuge der
Unsere Autorin mit dem Pseudo­ nenen Buch Le Consentement (Die Einwilligung) Aufarbeitung durch das Göttinger Institut für Demo­
nvm Mania Mav (*1990] ist Diplom­ berichtet Vanessa Springora darüber, wie sie in den kratieforschung publik.
Sozialpädagogin und arbeitet für 1 980er Jahren von Matzneff als 14-Jährige sexuell
einen freien Träger in der Jugend­ ausgebeutet wurde. «Er war das, wovor wir uns Kin­ Einer der wichtigsten Stichwortgeber war Kent­
hilfe. In COMPACT 4/2019 schrieb der fürchten sollten: ein Oger, ein Menschenfresser», ler, auf den sich die Pädo-Lobby innerhalb der Öko­
sie über sexuellen Missbrauch an so die heute 48-jährige Leiterin des berühmten Pari­ Partei gerne berief. 1974 schrieb er in einem Vor­
<i der 0denwaldschule. ser Verlags Editions Julliard. wort für die Sexaufklärungsbroschüre Zeig mal!
26
COMPACT Politik 8

über «gleichberechtigte» sexuelle Beziehungen ten Kinder ihre Körper in Kuschelhöhlen gegenseitig
zwischen Erwachsenen und Kindern: «Werden sol­ erforschen. Den Ängsten der Eltern soll mit Trans­
Tatort
che Beziehungen von der Umwelt nicht diskriminiert, parenz begegnet werden.» Timmermanns sei «Fach­ Odenwaldschule
dann sind umso eher positive Folgen für die Persön­ beirat in Schwulenverbänden » , merkt Voigt zusätz­ Im vergangenen Jahr deck-
te der Rostacker Pädagogik­
lichkeitsentwicklung zu erwarten, ·je mehr sich der lich an. Dessen Kollege Sielert veröffentlichte über
professors Jens Brachmann
Ältere für den Jüngeren verantwortlich fühlt. » Das die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in seinem Buch Tatort Oden­
Handbuch sexueller Missbrauch zitiert ihn mit den mehrere Schriften zur Sexualaufklärung. waldschule auf, dass an der
Worten: «Ich habe ( . . . ) in der überwiegenden Mehr­ Bildungseinrichtung zwischen
heit die Erfahrung gemacht, dass sich päderastische Netzwerk der Kinderschänder den 1 960er und 1 990er Jahren
bis zu 1 .000 Kinder und Jugend­
Verhältnisse sehr positiv auf die Persönlichkeitsent­
liche Opfer sexuellen Miss­
wicklung eines Jungen auswirken können, vor allem Das perverse Treiben ihres Spiritus Rector Kent­ brauchs wurden. Im Zentrum
dann, wenn der Päderast ein regelrechter Mentor ler ging offenbar weit über Berlin hinaus. Die Erzie­ stand Gerold Becker (1 936-
des Jungen ist.» Kentler selbst war bekennender hungswissenschaftlerin Meike S. Baader und ihre 2010), der die Schule von
Homosexueller und hatte drei Adoptivsöhne. Kollegen von der Universität Hildesheim schreiben 1 972 bis 1 985 leitete. Brach­
mann spricht von einem «Sys­
in ihrem Bericht, «dass es ein Netzwerk quer durch
tem Becker», das erst «durch
die wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtun­ den Flankenschutz der Kultur­
Es gab Verbindungen zwischen gen, insbesondere der 1960er und 1970er Jahre gab,
in dem pädophile Positionen akzeptiert, gestützt
elite der alten Bundesrepublik»
möglich gewesen sei. Anhand
Kentlers Pädagogischem Zentrum und verteidigt wurden » . Genannt werden neben der Akten ließen sich «Rück­
schlüsse auf weit mehr als zwei

und der Odenwaldschule.


dem Pädagogischen Zentrum Berlin auch das Max­
Dutzend Täter allein unter den
Planck-Institut für Bildungsforschung, die Freie Uni­ pädagogischen und technischen
versität und das Pädagogische Seminar in Göttingen. Mitarbeitern der Odenwald­
schule» ziehen. «Die Odenwald­
In Kentlers Fußstapfen trat sein Schüler Uwe Sie­ Nachweislich gab es auch Verbindungen zwi­ schule wurde insbesondere
unter Gerold Becker ein Ort dis­
lert, der von 1992 bis 2017 eine Professur am Insti­ schen Kentlers Pädagogischem Zentrum und der
kursiver Verknüpfungen von an­
tut für Pädagogik der Universität Kiel innehatte und Odenwaldschule in Hessen, wo Schülerinnen und tiken Bildungsideologien und
bis heute im Vorstand der Gesellschaft für Sexual­ Schüler über Jahrzehnte sexuell missbraucht wur­ vermeintlich progressiven Er­
pädagogik (GSP) sitzt. Die Vereinigung Deutscher den (siehe Infobox). Es gebe zudem die begründete ziehungsdiskursen im welt­
Psychotherapeuten und der Missbrauchsopferver­ Annahme, so die Autoren der Studie, dass Berliner anschaulichen Umfeld der so­
Behörden weitere Pflegestellen oder Wohngemein­ genannten 68er-Bewegung.
ein Zartbitter werfen ihm vor, ganz im Sinne sei­
Pädophile Handlungen wur-
nes Lehrmeisters «die Schamgrenzen von Kindern schaften von Jugendlichen und Pädophilen in West­ den hierdurch ethisch und päd­
und Jugendlichen aufzubrechen » und sexuell über­ deutschland organisiert haben. agogisch legitimiert», so Brach­
griffige Verhaltensweisen von Erwachsenen gegen­ mann.
über Minderjährigen zu befördern. Es ist davon auszugehen, dass es darüber hin­
aus auch in der Politik Mitwisser und vielleicht sogar
Der Jugendforscher Martin Voigt schrieb in Mittäter gab. Jedenfalls ist es auffällig, dass sich
einem großen Aufsatz für die Frankfurter Al/ge­ die Berliner Senatsverwaltung der Sache erst 2016
meine Zeitung (23.10.2014) über die vor allem im annahm und die Untersuchung bei der Uni Heidel­ Helmut Kent/er (1928- 2008)
Umfeld von Sielerts GSP gedeihenden Ideen für eine berg in Auftrag gab. Kentlers Machenschaften in Ber­ Foto: Göttinger Institut für Demo­
«repressionsfreie » Sexualpädagogik: «Unter neuen, lin und andernorts waren da schon längst bekannt. ■ kratieforschung
wohlklingenden Namen wie "sexualfreundliche
Erziehung" werden die Grenzen zwischen Pädophilie
und vermeintlicher sexueller Befriedigung von Kin­
dern auch heute noch verwischt. » Auffällig sei hier­
bei auch die «Überbetonung des Lustaspekts von
Sexualität, während das Gelingen stabiler Bindun­
gen und tragfähiger Beziehungen bewusst vernach­
lässigt» würden. So habe der heutige Vorsitzende der
GSP, Stefan Timmermanns, 2013 auf einer Tagung
des evangelischen Modellprojekts «Mehr Männer
in die Kitas » die «Vorteile der frühzeitigen Sexual­
erziehung » erläutert. Voigt unter Berufung auf Tim­
mermanns weiter: «Zum Beispiel könnten Erzieher
mit Kindern besser über verschiedene Umgangswei­
sen mit Sexualität reden als Eltern. Auf die sexuel­
len Ausdrucksformen der Kinder sollten sie freund­
lich reagieren und ihnen hilfreich zur Seite stehen,
um die Lebensenergie Sexualität und die Entwick­
lung der Geschlechteridentität zu fördern. So könn- $
27
COMPACT Politik 8

zwei Zentner Baklava


von Maria Alexander Müller
Eine Taz-Kolumnistin sorgte im Juni mit einer Hass-Kolumne gegen Statement verstanden werden. Die Botschaft: Hen­
Polizisten für einen Medienskandal. Der Fall der selbsternannten gamehs wahre «Problemzone» liege nicht in den
überflüssigen Pfunden oder ihren imposanten Hüft­
«Fettaktivistin» offenbart das ganze Elend linker Identitätspolitik.
ringen, sondern in der «Gesellschaft». Der nämlich
hat das persische Pummelchen den Krieg erklärt:
Hengameh Yaghoobifarah betrat das Licht der Die 29-Jährige führt als Superheldin linker Iden­
Öffentlichkeit auf einer Toilette: Genauer gesagt titätspolitik einen neurotischen Kampf gegen die,
im Youtube-Format Auf Klo, das zum Funk-Netz­ wortwörtlich, «Dreckskultur» von «Kartoffeln».
«Deutsche, werk von ARD und ZDF gehört. «Hengameh ist ein
Novemberkind», wird eine dicke Frau mit einem Horst versus Hengameh
schafft Euch ab!» Look irgendwo zwischen Berlin-Opfer und Little

Yaghoobifarah Britain anmoderiert. «Sie hasst Sommer, Sonne,


Hitze. Dafür liebt sie Pink, Beyonce und zu Hause
Damals, im Herbst 2016, konnte die Migranten­
tochter, die sich selbst als «Fettaktivistin» bezeich­
abhängen. Sie ist kein Mann. keine Frau. smash net, noch als unappetitliches Internet-Kuriosum gel­
the Binary - soll heißen: Ich bin irgendwas dazwi­ ten. Knapp vier Jahre später sorgte sie für einen
schen.» Für 1 7,50 Euro konnte man der Tochter ira­ Medienskandal, dessen Wellen bis ins Innenmi­
nischer Einwanderer dann dabei zuschauen, wie nisterium schlugen: Beschwipst von der interna­
Isst gerne 8aklava, hasst die Deut­ sie sich in Sirup getränkte Baklava-Teilchen in den tionalen Black-Lives-Matter-Randale träumte Yag­
schen, trägt neckische Netzwäsche,
ist aber keine Frau: Hengameh Yag­
Mund stopfte und dazu Songs ihrer Lieblingssän­ hoobifarah in einem Taz-Artikel namens «All cops
hoobifarah. Foto: Screenshot Oueer gerin brummte: «Crazy in Love». «Survivor». «Run the are berufsunfähig» von der Abschaffung der Poli­
Vanity World (Girls)». Das sollte natürlich als politisches zei. Schließlich sei «der Anteil an autoritären Per-
COMPACT Politik et

sönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in Abo 1nfo Gt1nov,,11 \(hdf1 \r-,,,1 111 ,1h, (h Verdmtd1lu•1q1n 11, �UT\JR/Wf' weitere

taz •'•·
dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch».
Wohin also mit den 250.000 Gesetzeshütern, wenn ... POLITIK OKO GESELLSCHAFT KULTUR SPORT BERLIN NORD WAHRHEIT
die Jungs in Blau aufgelöst werden? «Spontan fällt
mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldepo­ Abschaffung der Polizei
nie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häu­
sern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von
All cops are berufsunfähig
Falls die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus aber nicht: Was passiert dann mit all den
Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen Menschen, die heute bei der Polizei sind?
sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.» Der
Ärger unter Polizisten, die auch deshalb ihre Strei­
fen schieben, damit die Hengamehs dieses Landes
nachts allenfalls von Angstneurosen oder Fressat­
tacken geplagt werden, war groß. Doch anders als
bei den bisherigen Ergüssen der Kolumnistin ließen Mitarbeiter_

auch mediale Reaktionen diesmal nicht lange auf 1:

sich warten. Das lag vor allem an Horst Seehafer:


Als Retter in der Not sprang der Schutzpatron aller
Hengameh
Ordnungshüter den Beamten bei. «Ich werde mor­ Medienkul
gen als Bundesinnenminister Strafanzeige gegen Skandina
Linköplng.
die Kolumnistin wegen des unsäglichen Artikels in . . als Autor
Polizlst:lnnen vor einem Altglascontainer In der Frankfurter Berger Straße Foto: Imago
der Taz über die Polizei stellen» , so der Unionspoli­ Referent_·

tiker am 22. Juni gegenüber der Bild-Zeitung. Eine


Enthemmung der Worte führe unweigerlich zu einer rung hätte man der linken Postille kaum zugetraut. Zentralorgan der Linken und Grü­
Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen wie Andererseits überraschte auch die ehemals konser­ nen: Die ,, Tageszeitung", abge­
kürzt "taz", erscheint seit 1978 und
in Stuttgart - dort hatte die örtliche «Event- und vative Frankfurter Al/gemeine Zeitung: Während
hat eine Auflage von knapp 50.000
Partyszene» (Neudeutsch: Ausländer und Antifa) Hengamehs Zeilen, wären sie von rechts gekom­ Exemplaren, Tendenz sinkend. Foto:
die Polizei in einer Krawallnacht in arge Bedrängnis men, wohl unweigerlich zum Ruf nach dem Verfas­ Repro
gebracht (siehe Seite 22 ff.). «Das dürfen wir nicht sungsschutz geführt hätten, verteidigte ausgerech­
weiter hinnehmen» , tönte Seehafer - nur um kurz net FAZ-Redakteur Patrick Bahners die Kolumne als
darauf wieder einmal einzuknicken. Wie schon bei gelungene Satire. «Eine maßlose Pointe, die es auf
der Grenzschließung, der Obergrenze für Migran­ die Herstellung moralischer Gerechtigkeit abgese­
ten oder großspurig angekündigten Abschiebungen hen hat » , schwärmte er auf Twitter.
brauchte es offenbar nur ein Gespräch mit Angela
Merkel, um den «Meister des siegreichen Rückzugs» Krieg der Kartoffelkultur
(Cicero) zur Aufgabe zu bewegen.
Die meisten Journalisten witterten in Seeha­
fers Anzeigen-Drohung einen weiteren Beweis für
«Meister des siegreichen Rück- institutionellen Rassismus. In einem offenen Brief
wandte sich die Creme de la Creme der linkslibera­
zugs» Cicero über Horst Seehafer len Erziehungsmedien an die Bundeskanzlerin und
forderte eine Debatte über «Rassismus ( . . . ), Poli­
zeigewalt und Machtmissbrauch». Zu den Unter­
Dafür allerdings verhalf Seehafers Getöse der zeichnern gehören unter anderem Jan Böhmermann,
Der Titel dieses Buches ist Pro­
adipösen Nicht-Frau zu ungeahnter Berühmtheit. In Margarete Stokowski und Carola Rackete. Letztere gramm - kein Wunder, dass Mann­
den Medien wurde Hengamehs Hass-Kommentar gab den absurden Rassismus-Film, den das mediale fräulein Yaghoobifarah zu den
mit gemischten Gefühlen quer durch alle Lager auf­ Establishment an der Seite von EU und Kapital fährt, Autoren gehört. Foto: U/lstein Ver­
genommen. Dabei ging die Autorin sogar manchem wohl am besten wieder: «Wir machen mal eben alle lag
aus der eigenen Redaktion zu weit «Sie wusste, die Augen zu und stellen uns ein Land vor, in dem
was sie schrieb», rügte Taz-Korrespondentin Bet­ das Innenministerium die Chefredaktion einer Zei­
tina Gaus ihre Kollegin. Sie warf Yaghoobifarah tung einbestellt, weil ihnen die kritische Kolumne
vor, die Menschenwürde verletzt zu haben -wozu einer schwarzen Journalistin' nicht passt», schrieb
ihr auch kein angeblicher Minderheiten-Opfersta­ die Sea-Watch-Kapitänin auf Twitter - dass Yag­
tus das Recht gebe. «Zusammengefasst: Ihr privi­ hoobifarahs Hautfarbe blasser ist als die des durch­
legierten Weißen habt ja keine Ahnung. Ihr wisst schnittlichen Biodeutschen, ist ihr vor lauter Empö­
nicht, wie es sich anfühlt, aufgrund äußerer Merk­ rung offenbar völlig entgangen.
male diskriminiert zu werden, lebenslang benach­
teiligt zu sein. Und deshalb ( . . . ) Wut zu empfinden. So verlogen wie Racketes Hirngespinste ist
Stimmt. Das wissen wir nicht. Aber das rechtfertigt auch der Skandal selbst. Denn anders, als es man­
nicht jeden Tabubruch.» So ein Maß an Differenzie- che Medien nun beschönigen wollen, ist «All cops (9
29
COMPACT Politik 8

are berufsunfähig» kein Ausrutscher einer ansons­ die Almans und ihre «Dreckskultur». Ihre Forderung:
Der warlord ten tadellosen Nachwuchsautorin. Vielmehr ist «Deutsche, schafft Euch ab!» Wer das auf 208 Sei­
von seattle der Text nur einer in einer ganzen Reihe geifern­ ten lesen möchte, kann sich den von ihr editierten
Wie gut eine Gesellschaft ohne der Entgleisungen: Geboren in Kiel. schloss Yag­ Sammelband Eure Heimat ist unser Albtraum geben,
Polizei funktioniert, ließ sich hoobifarah ihr Studium mit einer Abschlussarbeit in dem Migranten in allen Brauntönen sich darüber
im Zuge der Black-Lives-Mat­
ter-Aufstände in der US-Me­ über «Die Farbe Pin� im feministischen Diskurs» ab, auslassen dürfen, wie ekelhaft der Heimatbegriff
tropole Seattle beobachten. bevor sie - als homosexuelle M igrantin mit den ihres Gastlandes sei.
Nachdem sich die Sicher­ besten Einstellungskriterien ausgestattet - in Ber­
heitskräfte Anfang Juni aus
einem sechs Häuserblocks gro­
lin Obdach bei feministischen Nischenmedien fand. Stammeskult um Perser-Venus
Schließlich landete sie bei der Taz, wo sie in ihrer
ßen Areal zurückgezogen hat­
ten, riefen Linksextremisten Kolumne «Habibitus» seither so richtig die Sau raus­ Würde man diese Autorin als Vorkämpferin des
ein polizeifreies Gebiet aus: lassen und volle Kanne der gruppenbezogenen Men­ Fortschritts feiern, wenn sie kein fettes, «nicht-binä­
die "Capitol Hili Autonomous schenfeindlichkeit gegen Einheimische frönen darf. res» Zuwandererkind wäre? Wohl kaum. An Yaghoo­
Zone» (CHAZ). Ein nach Quote Zum Beispiel, wenn sie mit aufgesetztem Hermann­ bifarahs schizophrener M ischung aus narzisstisch
besetzter "Konfliktlösungs- platz-Slang über die deutsche «Paranoia» vor der zur Schau getragenem Opferstatus und knallhar­
rat» - bestehend ausschließ­
lich Nicht-Weißen mit LGBTD-, lslamisierung aufregt. Die näml ich hindere sie daran, tem Rassismus zeigt sich das ganze Elend der linken
Obdachlosen- und Behinderten­ «ein schöneres Leben zu führen» - darüber, wie pri­ Identitätspolitik. längst hat man die Arbeitnehmer
quoten - sollte die schnell auf­ ckelnd das regenbogenbunte Einhorn-Dasein mit 58 und kleinen Leute im Stich gelassen und durch eth­
kommenden Probleme lösen. Geschlechtern in einem islamischen Land wäre, hat nische und sexuelle Minderheiten ersetzt. Je «inter­
Tatsächlich aber regierte bald sie sich offenbar keine Gedanken gemacht. sektionaler», wie es im Szene-Sprech heißt (gemeint
der schwarze Rapper Raz Si­
mone mit seinen bewaffneten ist auf mehreren Ebenen), sich jemand diskriminiert
Anhängern wie ein "Warlord», fühlen darf, desto moralisch wertvoller ist diese Per­
berichtete das Portal AT. "Die
CHAZ ist gesetzlos und brutal Die dicke Migrantin wird verehrt son. Für jede behauptete Benachteiligung winken
Zuspruch der Filterblase und Quoten-Privilegien. So
geworden. Vier Schießereien
- zwei davon tödlich -, Raub­ wie die Venus von Willendorf von ist die Verteilung von Wohlstand als früheres Kern­
anliegen l inker Politik längst durch das lautstarke
überfälle, Überfälle, Gewalt
und unzählige Eigentumsdelikte den Steinzeitmenschen. «Ermächtigen» sogenannter Marginalisierter ersetzt
haben sich ( . . . ) ereignet», er­ worden, die in die Mitte die Gesellschaft drängen,
klärte die Polizeichefin von Se­ um die einheimische, weiße und zumindest kultur­
attle - und setzte dem Anarcho­ Viel leicht ist das auch besser so. Denn selbst christliche Mehrheit umzustürzen. Die Idee: Soziale
Experiment ein Ende.
auf dem linksalternativen Fusion-Festival bleibt die «Kämpfe» sollen sich in einer «Migrantifa» vereinen.
Arme von «kultureller Aneignung» und «Rassismus» Geradezu religiös muten die Mantras an, die Bewe­
nicht verschont: Nur schwer kann sie das zu mild gungen wie Black Lives Matter (BLM) vortragen. «Es
gewürzte, pseudo-exotische Imbissangebot oder gibt keinen Rassismus gegen Weiße» lautet ein sol­
Hat sich wieder mal zum Horst
die allgegenwärtigen Würstchenhaare ertragen. ches. lronischerweise spielen Rasse und Identität
gemacht: Seehafer, genannt Dreh­ Kein Wunder, dass Hengameh über Depressionen aber eine gewaltige Rolle: Die Jünger der weißen
hafer. Foto: AP POOL klagt. Schuld daran sind - wer hätte es gedacht - Schuld-Ideologie predigen ein gesellschaftliches
Klein-Klein samt neuem Stammeskult für Min­
derheiten. Dabei bestärken sie Migranten in dem
Glauben, dass Deutschland ihnen als Wiedergut­
machung für die Sünden seiner Vorväter rechtmä­
ßig zustünde. Und obwohl Netflix uns jetzt «Black
H istory» vorschlägt, Spotify BLM-Playlists erstellt
und lnstagram Pride-Stories einspielt, wähnen sie
sich noch in der Rolle als Rebellen gegen Kapita­
lismus und Polizeistaat. Opferhelden wie Yaghoo­
bifarah werden dabei verehrt wie einst die Venus
von Wil lendorf von den Steinzeitmenschen. Die
deutschen Arbeitnehmer, die das Rückgrat unserer
Gesellschaft bilden, sind dann allenfalls noch dazu
gut, den Wohlfahrtsstaat mit Sonderrechtspolitik für
Drogendealer und Gender-Experten zu finanzieren.

Doch zurück zu Hengameh: Wie der Focus unter


Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, erhielt
die Taz-Autorin nach Erscheinen ihrer letzten
Kolumne zahlreiche bedrohliche E-Mai ls und Anrufe
- und bat in der Berliner Wache am Checkpoint Char­
lie um Polizeischutz. Karma ist a Bitch! ■
30
Wer zwang Hitler, Stalin anzugreifen?
_ von Jürgen Elsässer
Geschichtsrevisionist Putin: Der russische Staatschef gibt den Westmächten und
Polen eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg. Die Empörung in den NATO-Staaten ist
groß - dabei hat er noch gar nicht alle Katzen aus dem Sack gelassen.

Zum 75. Jahrestag des alliierten Sieges über darüber gestritten. ob man auch der Sowjetunion Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag
Hitler-Deutschland hat der russische Präsident aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes einen Schwarzen des Sieges im «Großen Vaterlän­
eine strategische Rede gehalten. die von den Peter zuschieben könne oder dies durch den gro­ dischen Krieg»: In Rschew, wo der
Roten Armee nach monatelangen
Medien hierzulande in der Luft zerrissen wurde. ßen Anteil der Roten Armee am Sieg über das Böse Kämpfen das Zurückrollen der deut­
«Putins Geschichtsklitterung », beschwerte sich die irgendwie egalisiert sei. Im Unterschied zu Michail schen Front vor Moskau gelungen
staatseigene Deutsche Welle. «Putins verkehrte Gorbatschow und Boris Jelzin, seinen wichtigsten war, weihte Präsident Putin am 30.
Geschichte » war die Überschrift der Frankfurter Vorgängern im Kreml. beteiligt sich Putin nicht in Juni ein Denkmal ein. Foto: Mikhail
Klimentyev, Sputnik
Al/gemeinen Zeitung, von «Provokation aus Mos­ unterwürfiger Pose an diesem Diskurs. sondern teilt
kau » wusste die Berliner Zeitung zu berichten. und seinerseits kräftig aus. In erster Linie geht es ihm
die Times beklagte ein «Geschichtsverständnis, das dabei sicherlich um die Interessen seiner Nation -
eigene Schandtaten nicht thematisiert». doch eine Charmeoffensive Richtung Berlin schwingt
zumindest im Subtext mit: Immerhin ist Deutschland
Tatsächlich markiert der Essay, pikanterweise trotz allem immer noch die russlandfreundlichste
zuerst in The National lnterest, dem Theorieorgan der westlichen Großmächte und hält, sogar gegen
der US-Neokonservativen, erschienen und erst unverschämte amerikanische Sanktionsdrohungen,
anschließend von der Russischen Botschaft in Ber­ an der strategisch wichtigen Gaspartnerschaft (aktu­
lin auf Deutsch übersetzt und an einen breiten Ver­ elles Großprojekt: die Pipeline Nord Stream 2) fest.
teiler in Politik, Medien und Wissenschaft versen­
det, eine geschichtspolitische Offensive der Russen. Von 1919 zu 1939 Eine Charme­
die es in sich hat.Schließlich hat sich die westliche
Historikerzunft seit langem darauf verständigt, dass Putins Sichtweise auf den Zweiten Weltkrieg
offensive Richtung
allein Hitler und die Deutschen Schuld am Schlach­ korreliert vor allem beim Thema Versailles mit der Berlin schwingt bei
ten zwischen 1939 und 1945 trügen und wer ande­
res behauptet ein böser Revisionist sei. In akade­
Analyse. die in der Bundesrepublik vor 1968 mehr­
heitsfähig war. «Die eigentlichen Ursachen des Putin mit.
mischen Nachhutgefechten wird allenfalls noch Zweiten Weltkriegs ergeben sich in vieler Hin- �
31
Bei der Siegesparade auf dem sieht aus den Entscheidungen, die zu den Ergeb­ zynisch. München zerstörte sogar jene formellen
Roten Platz am 24. Juni 2020: Ver­ nissen des Ersten Weltkrieges getroffen wurden. und zerbrechlichen Garantien, die auf dem Kontinent
teidigungsminister Sergej Shoigu
Der Vertrag von Versailles wurde für Deutschland geblieben waren, und zeigte, dass gegenseitige Ver­
und Präsident Putin. Foto: TASS
zu einem Symbol tiefer Ungerechtigkeit. Tatsäch­ einbarungen nichts wert sind. Gerade das Münch­
lich ging es um die Beraubung des Landes, das den ner Abkommen diente als Auslöser, nach dem ein
westlichen Verbündeten riesige Reparationen zah­ großer Krieg in Europa unvermeidlich wurde. Heute
len musste, die seine Wirtschaft erschöpften. Der möchten europäische Politiker, vor allem polnische
Oberbefehlshaber der alliierten Armeen, der Mar­ Spitzenpolitiker, München "verschweigen". Warum?
schall von Frankreich Ferdinand Fach, gab dem Ver­ Nicht nur deswegen, weil ihre Länder damals ihre
sailler Vertrag eine prophetische Bezeichnung: "Das Verpflichtungen verraten haben und das Münchner
ist kein Frieden. Das ist ein Waffenstillstand auf 20 Komplott unterstützten, wobei einige sogar an der
Jahre." Gerade die nationale Demütigung bildete Teilung der Beute teilnahmen, sondern auch weil es
den Nährboden für radikale und revanchistische unangenehm ist, sich daran zu erinnern, dass sich
Stimmungen in Deutschland. Die Nazis spielten nur die UdSSR an jenen dramatischen Tagen für die
geschickt mit diesen Gefühlen, bauten ihre Propa­ Tschechoslowakei eingesetzt hat.»
ganda darauf auf und versprachen, Deutschland vom
"Erbe von Versailles" zu befreien, seine ehemalige Hauptstoß gegen Polen
Stärke wiederherzustellen, und drängten das deut­
Unverzichtbares Nachschlagewerk
zum Versailler Diktat. CDMPACT­ sche Volk eigentlich zu einem neuen Krieg. Parado­ Immer wieder kommt Putin in seinem Essay auf
Geschichte Nummer 5, unter ande­ xerweise trugen westliche Staaten, vor allem Groß­ die Rolle Polens zurück. Seine Ausführungen an die­
rem mit einem Aufsatz von John britannien und die USA, direkt oder indirekt dazu bei. sem Punkt stimmen weitgehend mit Gerd Schultze­
Maynard Keynes. Erhältlich unter Ihre Finanz- und Industriekreise investierten durch­ Rhonhofs Analysen in Der Krieg, der viele Väter
compact-shop.de. Foto: COMPACT
aus aktiv in deutsche Fabriken und Werke, die Rüs­ hatte überein, aber die Dominanz der Schuldzuwei­
tungserzeugnisse produzierten. » sungen an Warschau in dem Text ist übertrieben
und dürfte sich vor allem tagespolitisch erklären:
«Der Vertrag von Einer der Schwerpunkte in Putins Ausführungen Die aktuelle Rechtsregierung der PiS gehört zu den

Versailles wurde
ist das Münchner Abkommen von 1 938, in dem Paris Scharfmachern im neuen West-Ost-Konflikt. Beson­
und London ihre Sicherheitsgarantien gegenüber ders die von Präsident Donald Trump vorgesehene
für Deutschland der Tschechoslowakei brachen und Hitler den Ein­
marsch ins Sudetenland gestatteten: «(l)m Fall des
Verlegung von US-Truppen aus Deutschland an die
Weichsel dürfte erheblich zur Nervosität in Mos­
zu einem svmbol Münchner Abkommens, an dem neben Hitler und
Mussolini die Staats- und Regierungschefs Groß­
kau beitragen -und sie verstößt gegen das Verbot
«dauerhafter» Stationierung in der NATO-Russland­
tiefer Ungerechtig­ britanniens und Frankreichs teilnahmen, kam es Akte aus dem Jahr 1997.

keit. » Wladimir Putin mit voller Zustimmung des Völkerbundrates zu einer


Zergliederung der Tschechoslowakei.» Und weiter: Putin: «Bei der Zergliederung der Tschechoslowa­
(9 «Die Teilung der Tschechoslowakei war grausam und kei [1938/39] agierte neben Deutschland auch Polen.
32
COMPACT Politik C9

Sie entschieden im Voraus und gemeinsam, wer Was Putin nicht erwähnt: Das Stückchen Tsche­
welche tschechoslowakischen Ländereien bekom­ choslowakei, das Polen im Frühjahr 1939 in trauter
Stalin offensiv,
men wird. Am 20. September 1938 teilte der polni­ Absprache mit Hitler-Deutschland annektierte, war Hitler präventiv?
sche Botschafter in Deutschland, Jozef Lipski, dem lediglich ein Landkreis, das sogenannte Teschener Kam Hitler mit seinem Angriff
auf die UdSSR nur einem Über­
Außenminister Polens, Jozef Beck, die Versiche­ Ländchen. Warschau beging einen klaren Völker­
fall Stalins zuvor? Erklären sich
rungen Hitlers mit, dass, wenn es zwischen Polen rechtsbruch, aber im Vergleich zu den damaligen die Verluste der Sowjets in den
und der Tschechoslowakei zu einem Konflikt bezüg­ Aggressionen anderer Mächte -auch der sowjeti­ ersten Kriegswochen nicht mit
lich der polnischen Interessen in Tschechien komme, sche Angriff auf Finnland wäre hier zu erwähnen - ihrer völligen Überraschung,
das Reich sich auf die polnische Seite stellen werde. war das wahrlich eine Petitesse. sondern weil sie ihre Truppen
an der Grenze zum Angriff an­
Der Nazi-Führer gab sogar Hinweise und Ratschläge,
statt zur Verteidigung disloziert
dass der Beginn der polnischen Aktionen erst nach
Die Schuldzuweisungen Putins an
hatten?
der Besetzung des Sudetenlands durch die Deut­ Dies ist die These des ehe­
schen erfolgen solle. Polen war sich bewusst, dass
Warschau sind übertrieben.
maligen NVA-Generals Bernd
seine Eroberungspläne ohne Unterstützung durch Hit­ Schwipper in seinem Buch
ler zum Scheitern verurteilt gewesen wären. An die­ Deutschland im Visier Sta-
ser Stelle möchte ich die Aufzeichnung des Gesprä­ lins. Auf der Grundlage zahl­
reicher neu erschlossener russi­
ches des deutschen Botschafters in Warschau, Wichtig schließlich Putins Hinweis auf die polni­ scher Quellen kann er tatsäch­
Hans-Adolf von Moltke, mit Jozef Beck vom 1. Okto­ sche Komplizenschaft beim Thema Antisemitismus: liche eine massive Verstärkung
ber 1 938 über die polnisch-tschechischen Beziehun­ «Der zynische Satz des polnischen Botschafters in der Roten Armee an der West­
gen und die Position der UdSSR zu dieser Frage zitie­ Deutschland, Jozef Lipski, den er beim Gespräch grenze bis zum Sommer 1 941
ren. Dort steht geschrieben, Herr Beck ( . . . ) habe sich mit Hitler am 20. September 1938 sagte, spricht nachweisen. Die Schluss­
folgerung, schon daraus lasse
für die loyale Interpretation der polnischen Interessen Bände: " Für die Lösung der jüdischen Frage wer­ sich ein beabsichtigter Bruch
auf der Münchner Konferenz sowie für die Aufrich­ den wir [Polen] ihm [Hitler] ( . . .) ein schönes Denk­ des Nichtangriffspaktes mit
tigkeit der Beziehungen während des tschechischen mal in Warschau aufstellen."» Deutschland ableiten, leuch­
Konflikts sehr bedankt. Die Regierung und die Öffent­ tet jedoch nicht ein. Immer-
lichkeit von Polen würden die Position des Führers Verhaltene Kritik am Appeasement hin musste Moskau durchaus
fürchten, dass das Deutsche
und Reichskanzlers voll und ganz würdigen. ( . . . ) Am Reich ·sich doch noch mit Groß­
19. September 1 938 hat der polnische Außenminister Im Vergleich zur Breitseite, die Polen abbekommt, britannien verbündet und die
Jozef Beck dem bereits erwähnten Botschafter Jozef ist Putins Kritik an den Westmächten untergewich­ beiden dann vereint gegen die
Lipski vor seinem Treffen mit Hitler unmittelbar dar­ tet: «Großbritannien und Frankreich, die damals der UdSSR losschlagen. Dem Eng­
über geschrieben: "Im laufe des vergangenen Jah­ wichtigste Verbündete der Tschechen und Slowaken land-Flug von Hitler-Stellver­
treter Rudolf Heß im Mai 1 941
res hat die polnische Regierung viermal das Ange­ waren, entschieden sich dafür, auf ihre Garantien
darf man durchaus ein solches
bot abgelehnt, sich der internationalen Einmischung [gegenüber der Tschechoslowakei] zu verzichten und Kalkül unterstellen.
zum Schutz der Tschechoslowakei anzuschließen."» dieses osteuropäische Land zum Zerreißen vorzu­ Hauptproblem in Schwippers
werfen. Nicht nur vorzuwerfen, sondern die Bestre­ Argumentation ist jedoch, dass
Die deutschen Panzer waren in den ersten Kriegswochen klar bungen der Nazis in den Osten zu lenken, mit dem nie ein Angriffsbefehl Stalins in
überlegen. Foto: picture al/iance / Mary Evans Picture Library Ziel, dass Deutschland und die Sowjetunion unver- den Archiven gefunden wurde,
während das Unternehmen
«Barbarossa» von deutscher
Seite akribisch geplant, doku­
mentiert und von Hitler explizit
autorisiert wurde. Ersatzweise
führt der Autor einen sowjeti­
schen «Vorbefehl» vom 1 1 . Juni
1 941 an, dessen Echtheit und
Herkunft nicht bewiesen sind.
Sicherlich verfolgte die UdSSR
expansive Absichten und woll­
te Westeuropa kommunis-
tisch machen. Nach bisherigem
Kenntnisstand sollte dieses Ziel
aber nicht durch Einmischung
in den Weltkrieg erreicht wer­
den, sondern durch Raushalten:
Man wollte, dass die «imperia­
listischen Staaten» sich gegen­
seitig ausbluteten, woraufhin
es - wie am Ende des Ersten
Weltkrieges - zu Aufständen
kommen würde, denen dann die
Rate Armee <<brüderliche Hilfe»
leisten sollte.
(9
33
COMPACT Politik Ci

Bild oben links: Deutsche Stukas. meidlich aufeinanderstoßen und einander ausbluten jene politischen Gruppen, die in der zweiten Hälfte
Hitler persönlich hatte für den Ein­ könnten. Gerade darin bestand die westliche Pol itik der Dreißigerjahre in England und Frankreich am
bau der Sirene gesorgt, die das der "Befriedung".» Ruder waren; jene Gruppen, die durch Klassenhass
Niederstoßen begleitete und so die
psychologische Wirkung verstärkte. verblendet, eine kurzsichtige Politik zur "Befrie­
Foto: picture alliance / Mary Evans dung" des Aggressors betrieben und damit rechne­
Picture Library
«Für die Lösung der jüdischen ten, dass sich Deutschland und die UdSSR in einem
Krieg gegenseitig vernichten würden. » London sei
Bild oben rechts: Unterzeichnung
des Nichtangriffspaktes: Am Tisch Frage werden wir ihm [Hitler] ... es darum gegangen, «Deutschland und die UdSSR
aufeinanderzuhetzen, um dann, nachdem sich diese
ein schönes Denkmal in Warschau
Außenminister Molotow, hinter
ihm sein Amtskollege Ribbentropp, beiden Mächte in einem grausamen Krieg verblutet

aufstellen. »
daneben Stalin. Foto: CCO, Wikime­ haben, Europa einen für Großbritannien günstigen
dia Commons Jozef Lipski Frieden zu diktieren. »

Countdown zum Krieg


Das sind die einzigen Sätze, die der russische
Präsident über den strategischen Hintergrund der Besonders fällt die Verschiebung des Schwer­
Appeasement-Politik verliert. Die viel klareren Dar­ punkts in Putins Kritik in Bezug auf die Wochen und
stellungen von Iwan Maiski, des sowjetischen Bot­ Monate vor dem 1. September 1 939 ins Gewicht:
schafters in Großbritannien von 1 932 bis 1 943, ver­ «Seine Rolle beim Scheitern der Verhandlungen
kneift sich der aktuelle Kreml-Chef, obwohl er sich spielte Polen, das keine Verpflichtungen gegen­
in seinem Essay durchaus, und zwar mehrfach, auf über der sowjetischen Seite übernehmen wollte.
Maiski bezieht. Gegen die gängigen Vorwürfe, die Selbst unter dem Druck der westlichen Verbünde­
UdSSR habe durch den Ribbentrop-Molotow-Pakt ten lehnte die polnische Führung ein gemeinsames
den Zweiten Weltkrieg ermöglicht, polterte der Dip­ Vorgehen mit der Roten Armee beim Widerstand
lomat in seinem Memoirenband Wer half Hitler?: gegen die Wehrmacht ab.» Hier wird der Eindruck
«Erbärmliche, geblendete Verleumder! Aus a l len erweckt, Polen sei der Stolperstein für eine gemein­
bisherigen Darlegungen geht doch einwandfrei same Militärallianz London-Paris-Moskau gewesen,
Der ehemalige Panzergeneral Gerd
Schultze-Rhonhof hat ein vieldis­ hervor, dass die wirkliche Verantwortung für den um Hitler abzuschrecken. Dabei wurde Warschau
kutiertes Werk zum Kriegsbeginn Zweiten Weltkrieg einerseits H itler, andererseits durch die Politik Chamberlains regelrecht in eine
1939 vorgelegt. Zu bestellen unter aber Chamberlain [britischer Premier] und Dala­ Falle gelockt. Schultze-Rhonhof schreibt: «Schon
compact-shop.de. Foto: CDMPACT dier [französischer Ministerpräsident] trifft (diese während der polnisch-britischen Gespräche am 26.
Namen sind symbolisch genommen). Jawohl, die März [1 939] übermittelt der aus Warschau zurück­
schwerwiegende Verantwortung für a lles Unheil, kehrende [polnische Botschafter in Berlin] Lipski
� das der Zweite Weltkrieg angerichtet hat, tragen dem deutschen Außenminister ein klares Nein zum
34
deutschen Danzig-Vorschlag. Er fügt ( . . . ) hinzu. dass vorstürmenden deutschen Panzerverbände durch
es Krieg mit Polen geben werde, wenn Deutsch­ eine britisch-französische Zangenbewegung abzu­
land seinen Plan zur Rückgewinnung Danzigs wei­ schneiden und einzukesseln. Im Gegenzug habe Hit­ Wer hat
terhin verfolgt. Diese erste Kriegsdrohung aus dem ler den Blitzkrieg vor Dünkirchen zum Entsetzen sei­ HITLER
Munde eines polnischen Diplomaten hätte es viel­ ner Generäle gestoppt und dadurch die Evakuierung gezwungen
leicht nicht gegeben, wenn die polnische Regierung des englischen Expeditionskorps ermöglicht . . . STA LIN
nicht damit hätte rechnen können, dass England und zu überfal len ?
Frankreich Krieg an Polens Seite führen werden. » Starikov ist auch in Russland eher ein Geheim­
Genau das aber war gar nicht geplant: Chamberlain tipp und keineswegs ein Kreml-Historiker. Als Sta­
und Daladier hintertrieben ein Militärabkommen mit linist passt er schlecht zum Realpolitiker Putin. und
der UdSSR zum Schutz der polnischen Grenzen und tatsächlich führt ihn seine Schwäche für den «gro­
bestärkten Warschau gleichzeitig in der Ablehnung ßen Generalissimus » bisweilen auf halsbrecheri­
aller deutschen Vorschläge - damit ließ man das sche Abwege. Trotzdem sind viele seiner Quellen
osteuropäische Land ins Messer laufen. interessant und verdienen weitere Prüfung. Putin
hat den Weg dafür freigemacht: «Wir wissen auch
Starikovs Zuspitzung nicht. ob es irgendwelche "geheimen Protokolle" Nikolai Starikov
und Anhänge zu den Vereinbarungen einiger Länder
Die Kritik an den Westmächten. die Maiski aus­
formuliert (und Putin immerhin angedeutet) hat. war
mit den Nazis gab. Es bleibt nur, dem Wort zu glau­
ben. Unter anderem sind Materialien über geheime
Wer hat Hitler
für den russischen Historiker Nikolai Starikov Ins­
piration für jahrelange Forschungen. die in sein
britisch-deutsche Gespräche bis heute nicht freige­
geben worden. Daher rufen wir alle Staaten dazu
gezwungen,
Buch Wer hat Hitler gezwungen, Stalin zu überfal­ auf, den Prozess der Öffnung ihrer Archive, die Ver­ Stalin zu
überfallen?
len? mündeten. Starikov ist sozusagen der Antipode öffentlichung bisher unbekannter Dokumente aus
von Viktor Suworow: Dessen These, dass Hitler mit der Vorkriegs- und Kriegszeit zu intensivieren - so,
seinem Überfall auf die Sowjetunion vom 22. Juni wie es Russland in den vergangenen Jahren getan
1941 nur präventiv einem Angriff der Roten Armee hat. Wir sind hier zu einer breiten Zusammenarbeit, Wer hat Hitler zum Über­
zuvorkommen wollte (siehe auch Infobox Seite 33), zu gemeinsamen Forschungsprojekten von Histori­ fall auf die Sowjetunion ge­
hält Starikov für falsch; Suworow. der seit Mitte der kern bereit. » trieben? Wo liegen die wah­
1970er Jahre in Großbritannien lebt, ist für ihn ein ren Ursachen dieser Katas­
britischer Agent, der von der Verantwortung Londons
trophe? Der Autor gibt die
für das «Unternehmen Barbarossa » ablenken will.
«Die wirkliche Verantwortung für Antworten und entlarvt jene
westlichen Kreise, die mit
Starikov geht davon aus. dass die Angelsach­
sen Hitlers Aufstieg von Anfang an gefördert haben.
den zweiten Weltkrieg trugen ihrem Geld der NSDAP zur
weil ihnen sein exzessiver Antibolschewismus ins Hitler, [hamberlain und Oaladier. » Macht verhalfen. Nach der
Lektüre des umfangreichen
geostrategische Konzept passte: Deutschland sollte
unter NS-Führung der Festlandsdegen gegen die Iwan Maiski Fakten- und Tatsachenmate­
Sowjetunion sein. Aufgabe der Appeasement-Poli­ rials erkennt der Leser, wer
tik sei es gewesen, Hitlers Anglophilie auszunutzen die wahren Brandstifter des
und seine Aggression nach Osten zu lenken. Das war Von besonderem Interesse dürften die Unterlagen Zweiten Weltkriegs waren.
selbstverständlich keine leichte Aufgabe. nachdem zum Flug des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß nach
das Deutsche Reich einen Nichtangriffspakt mit der England sein -im Mai 1941 der letzte Versuch, mit Gebunden, 41 5 Seiten

l 29,90 Euro 1
Sowjetunion geschlossen hatte . . . Vor allem hatte den Briten ins Geschäft zu kommen. Heß starb unter
der Nazi-Führer bei aller sonstigen Verblendung mysteriösen Bedingungen 1987 im Kriegsverbrecher­
bereits in Mein Kampf erkannt. dass die wesent­ gefängnis von Spandau - kurz bevor er, nachdem
liche Ursache für die deutsche Niederlage 1914- Moskau sein Veto gegen eine Haftentlassung zurück­
18 der Zweifrontenkrieg gewesen war, den es bei genommen hatte, hätte freigelassen werden können.
einem zweiten Anlauf mit allen Mitteln zu verhin­ Welche Erinnerungen über «geheime britisch-deut­
dern galt. Folglich zielten die Avancen Hitlers gegen­ sche Gespräche» (Putin) nahm er mit ins Grab? Und
über den Briten immer darauf ab, nur gemeinsam gibt es darüber Dokumente. in britischen Archiven?
gegen den Osten zu ziehen. Das Kalkül in London
war genau umgekehrt -den Zweifrontenkrieg her­ Andererseits ist auch Putin noch einiges schuldig.
beizuführen. Dazu musste Hitler im Glauben gelas­ Starikov fragt «Und was brachte Stalin die deut­
sen werden. er könne Frieden an der Westfront sche Junker.52, die fünf Tage, nachdem Heß nach
bekommen, wenn er nur endlich gegen Russland Großbritannien flog, in den sowjetischen Luftraum
losschlägt. Starikov zeichnet das Abtasten zwischen eindrang und am 15. Mai 1941 in Moskau (unweit
Berlin und London während des Frankreich-Feldzu­ vom Dynamo-Stadion) landete?» Spannende Dis­
ges nach: Winston Churchill sei Hitler entgegenkom­ kussionen stehen bevor -wenn Moskau wirklich
men. indem er Pläne sabotierte. die zur Kanalküste Ernst macht. ■
COMPACT Politik Ci

Die große Säuberung


von Federirn Bischoff
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in den USA werden die
sozialen Netzwerke für Donald Trump und seine Anhänger zu ver­
mintem Gelände. In den Printmedien rol len sogar die Köpfe von
Starjournalisten, wenn sie den Kampf gegen Rechts nicht ernst
genug nehmen.

«Facebook hat i m vierten Quartal 2018 und im


ersten Quartal 2019 zusammen 3,39 Milliarden
Facebook-Konten gelöscht» , gab das Unternehmen
im Mai 2019 stolz bekannt. Einer der Betroffenen
war Martin Sellner, Gründer der ldentitären Bewe­
gung und Autor von COMPACT: Nicht nur, dass er
selbst von Facebook endgültig gelöscht wurde, auch
Posts anderer User werden von den Zensoren elimi­
niert, wenn nur der Name oder ein Foto des Verfem­

Facebook hat nach ten darin auftaucht.

eigenen Angaben Ein Sturm zieht auf


3,39 Milliarden Wer angesichts dieser Fakten immer gedacht

Konten gelöscht. hatte, Marc Zuckerberg sei ein treuer Diener des
neuen Totalitarismus, muss sich in diesem Jahr
eines Besseren belehren lassen: Der Facebook­
Chef steht mittlerweile selbst unter Druck, weil
er angeblich den bösen weißen Rassisten zu viel gende Shitstorm von BLM-Lobby und Großkapital
Raum biete. Dabei sprechen die Erfolgsmeldungen führte Anfang Juli in allen sozialen Netzwerken
im sogenannten Kampf gegen Rechts, die Facebook zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit für das
hinausposaunt, eine andere Sprache. Zuckerbergs Trump-Lager. Das Manager Magazin fasst zusam­
Unternehmensberater Nick Clegg verwies Anfang men: «Die Online-Plattformen Youtube, Twitch und
Juli auf einen Bericht der EU-Kommission, wonach Reddit haben ( . . . ) zahlreiche Nutzer-Konten und
«Facebook 95,7 Prozent der Hassrede-Meldungen Kanäle wegen der Verbreitung von Hassbotschaf­
innerhalb von 24 Stunden überprüft, mehr als You­ ten gesperrt. Reddit schloss 2.000 Online-Foren,
tube und Twitter». Aber all das hat die Plattform darunter eine große Gruppe von Unterstützern von
nicht vor einer Boykott-Kampagne bewahrt, die im US-Präsident Donald Trump [mit knapp 800.000 Mit­
Zuge der Krawalle von Black Lives Matter (BLM) von gliedern]. Die Spiele-Plattform Twitch sperrte den
linken Aktivisten gestartet worden war, und mäch­ Kanal des Präsidenten. Die Video-Plattform You­
tigen Rückenwind durch Großkonzerne bekam. 400 tube hatte bereits am Montag sechs rechtsextreme
der feinsten Adressen des Großen Geldes drohen Kanäle wegen rassistischer Inhalte abgeschaltet. »
mit der Streichung ihrer Werbung auf Facebook, Zu den Betroffenen gehörten US-Rechte wie David
wenn die Plattform nicht noch energischer gegen Duke, Stefan Molyneux und Richard Spencer. You­
sogenannte Hassrede vorgehe, in den USA unter tube gab gleichzeitig bekannt, seit Sommer 2019
anderem Unilever, Starbucks und Coca-Cola, in mehr als 25.000 Kanäle gelöscht zu haben. Face­
Deutschland Henkel, SAP, Adidas, Puma und VW. book schloss als Reaktion auf den Werbeboykott
an einem Tag 320 Konten, mehr als 100 Gruppen
Der linksliberale «Guardian,,
beklagte sich im Februar über die Das zielt vor allem auf Donald Trump. Der US-Prä­ und 28 Seiten.
erfolgreiche Social-Media-Strate­ sident hatte im Zuge der jüngsten Rassenkrawalle
gie von Trump. Foto: The Guardian den kernigen Satz verbreitet: «Wenn Plünderungen Beseitigung der Grauzonen
beginnen, wird geschossen.» Während Twitter die­
sen und weitere Posts hinter einem Warnhinweis Die Printmedien in den USA waren schon bisher
wegen «Gewaltverherrlichung » versteckte, wertete klar links dominiert und dem Präsidenten in erbitter­
Zuckerberg ihn als wertfreie «Ankündigung staatli­ ter Feindschaft verbunden. Trotzdem rollen auch dort
cher Gewalt» im Falle von schweren Gesetzesver­ im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Novem­
Ci stößen und ließ ihn anstandslos passieren. Der fol- ber die Köpfe von Prominenten.
36
Ein Beispiel ist Claudia Eller, die nach 20-jähriger Am 3. Juni erschien dort ein Artikel des republika­ Wahlkampfauftakt für Trump: Am
Arbeit für die Los Angeles Times als Chefredakteurin nischen Senators Tom Cotton, der die Entsendung 20. Juni sprach er vor tausenden
Anhängern in Tulsa/Oklahoma.
zu Variety wechselte. Am 3. Juni klagte die weiße von Truppen zur Eindämmung der Rassenkrawalle
Mundschutz zu tragen ist beim Prä­
Autorin in einer Kolumne, dass sie und ihre Kolle­ forderte, um die Sicherheit der Bürger zu gewähr­ sidenten und bei seinen Fans nicht
ginnen sich zu wenig für Diversität einsetzten-eine leisten. Dieser Standpunkt. den Cotton mit sei­ besonders angesagt. Foto: AP
Selbstbezichtigung ganz im Sinne des Zeitgeistes. nem Präsidenten teilt, verursachte einen Skandal: Photo/Evan Vucci
Die Journalistin Piya Sinha-Roy hielt dies jedoch für Er gefährde das Leben farbiger Menschen. Bennet
ein pures Lippenbekenntnis: Farbige, so erwiderte behauptete, den Text vorab nicht gelesen zu haben
sie auf Twitter, würden trotz gegenteiliger Beteue­ und berief sich auf Meinungspluralismus. Als man
rungen regelmäßig zurückgewiesen. Ellers Antwort dem Artikel faktische Fehler nachwies. entschul­
- «Du klingst sehr verbittert» - war ihr Todesurteil. digte sich der Meinungschef und nahm den Hut.
Ein gigantischer Shitstorm blies die Unsensible und
Arrogante direkt in die «Freistellung» vom Job. Ver­ Ebenfalls nicht aufgrund eigener Wortwahl, son­
leger Jay Penske akzeptierte keine Entschuldigung: dern wegen einer von ihm zugelassenen Formulie­
Sie hätte zuhören, nicht streiten sollen. Im Klartext:
Nicht nur diese. sondern jede Antwort von Eller
rung musste Chefredakteur Stan Wischnowski sei­
nen Dienst beim Philadelphia lnquirer quittieren.
«Gibt es noch Raum
wäre falsch gewesen. Das Problem soll nicht dis­ Anlass war die Beschädigung eines historischen für Debatten?»
kutiert werden. eine demokratische Konfrontation
zweier Perspektiven ist gar nicht erwünscht. Ellers
Gebäudes bei antirassistischen Demonstrationen.
Dagegen protestierte der Autor mit der Überschrift Andrew Sullivan
Rausschmiss wurde - gut stalinistisch - mit Selbst­ «Buildings Matter. Tao», in Anspielung auf das Motto
kritik gekrönt: Sie sei auf ihre Führungsrolle unzurei­ Black Lives Matter. Auch hier kam es zu internen Pro­
chend vorbereitet gewesen. testen. an deren Ende eine Entschuldigung der Redak­
tion stand, die den Artikel hatte durchgehen lassen,
Eine ähnliche Hexenjagd gab es auch im Redak­ und gleich ihre Selbstauflösung und einen personel­
tionsgebäude der New York Times. Trotz der links­ len Umbau ankündigte. Wischnowski musste gehen.
liberalen Ausrichtung des Blattes gelang es dem
Meinungschef James Bennett immer wieder, auch Beim konservativen Kolumnisten Andrew Sulli­
konservative Kommentatoren zu gewinnen und van ging das New York Magazine erst gar kein Risiko
damit ein ausgewogenes Spektrum zu schaffen. ein: Seine Texte wurden schon bisher von Jungredak- $
37
CDMPACT Politik <i

teuren regelmäßig auf «toxischen Gehalt » getestet, langsam einander annähern. Ein Prozess, der auch
bevor man sie aufs betreute Publikum losließ. Kürz­ beiderseitige Nachsicht verlangt, indem man dem
lich legte Sullivan eine freiwillige Pause ein, weil Gegner nicht ständig schlimmste Absichten unter­
man ihm nicht gestattet habe, seine toxische Männ­ stellt, ihm Subtexte unterschiebt, in seine Äuße­
lichkeit über die Protestbewegungen auszugießen. rungen hineininterpretiert. Eine Debatte, die einen
Dieser Verzicht war vielleicht seine Rettung vor dem der Teilnehmer zum puren «Zuhören » verdonnert -
Rausschmiss. In der kommenden Woche fragte er: genau das verlangenJC-Anhänger vom «alten wei­
«Gibt es noch Raum für Debatten?» Amerika stehe ßen Mann» -. ist keine mehr.
nicht nur für Rassismus, sondern auch für Freiheit.
Die derzeitige Gesinngungsprüferei und die Anpran­ Relotius kehrt zurück
gerungen gefährdeten diese Liberalität.
Wie sehr der neue Totalitarismus auch die deut­
schen Medien vergiftet hat, zeigt der Kommentar
«Die Titelseite der Hambur- «Die Zeit der Neutralität ist vorbei. » eines Spiegel-Redakteurs zu den amerikanischen
Säuberungen unter der ebenso programmatischen
ger Morgenpost [vom 1 0. Juni
2020] hat für Aufsehen im Spiegel-Redakteur wie bezeichnenden Überschrift «Die Zeit der Neut­
land gesorgt. Nachdem die ralität ist vorbei» : «Der Meinungschef der New York
Alternative für Deutschland Times musste gehen, weil er einen Gastbeitrag im
einen Tag zuvor einen wich­ Gemeinsam ist den erwähnten Journalisten, Trump-Duktus veröffentlicht hat - und einem über­
tigen Gerichtsprozess gegen
den Bundesinnenminister Horst dass sie keine Personen direkt beleidigt, keine holten Ideal von neutralem Journalismus nachhing. »
Seehafer gewann, bei welchem Gruppierung abgewertet, kein Leiden verharmlost Objektivität und Ausgewogenheit sind also anti­
festgestellt wurde, dass die­ haben. Es handelt um ungeschickte Wortwahl, lro­ quiert? Die traditionelle Trennung von Nachricht und
ser die Behauptung der Staats­ nisierung oder Unachtsamkeit. All das lässt sich kri­ Kommentar passe? Das war genau die Herangehens­
zersetzung durch die konserva­ tisieren, diskutieren, aber sollte kaum zum Raus­ weise von Claas Relotius gewesen, der mit seinen
tive Partei nicht auf der Home­
page des Innenministeriums schmiss führen. Es gibt keine Grauzonen, keine politisch-korrekt getürkten Reportagen für den größ­
veröffentlichen dürfte, berichtet Verwarnung, kein Abwägen, keine zweite Chance ten Skandal in der Geschichte des Spiegel gesorgt
das Hamburger Blatt nicht über mehr, sondern nur noch: totale Unschuld oder Tod. hatte. Nach seiner Aufdeckung gab sich das Nach­
den juristischen Sieg der Alter­ Schlimmer noch: Wer einmal unter Verdacht steht, richtenmagazin 2018 in einer Stellungnahme selbst­
native, sondern erstellt eine kann tun, was er will - sein Vergehen abstreiten, kritisch: «Aufgabe von Journalismus in der Demokra­
ganze Anti-AfD-litelseite· mit
Hetzbegriffen. Dass die Zeitung
sich argumentativ verteidigen oder entschuldigen. tie ist es, den Bürgern dabei zu helfen, sich ein Urteil
seit 1 998 knapp 70 Prozent Auf­ Es ist sinnlos. Verdacht und Anklage sind gleich zu bilden. ( . . . ) Das Sowohl-als-auch -oft als Belie­
lagenverlust hinnehmen muss­ Schuldspruch. Die Reduktion menschlichen Verhal­ bigkeit missbilligt - ist die Voraussetzung für die
te, ist im lichte dieser links­ tens auf diese zwei Alternativen ist Zeichen einer Eröffnung eines gesellschaftlichen Dialogs. Wenn
ideologischen Attacke und Diktatur. Demokratie beruht auf dem Eingeständ­ Journalismus nicht zuhört, verschiedene Meinungen
Parteilichkeit des Blattes kaum
nis. dass es zu jedem Sachverhalt mehr als eine nicht anerkennt, wird er Teil des Problems.» Die Halb­
verwunderlich.» (sebastian-mu­
enzenmaier.de) Perspektive gibt. Dass sich ihre Vertreter im Dialog wertszeit dieser Aufgabenbeschreibung war kurz. ■

Verliererpresse: Die «Hamburger


Morgenpost» büßte seit 1998 sage
und schreibe 67,3 Prozent ihrer ver­
kauften Auflage ein. Foto: Mor­
genpost

Verliererpresse: Die «New York


Times» verkaufte Ende 2019 an
Wochentagen 483.000 Exemplare.
Drei Jahre zuvor waren es noch
fast 90. 000 Exemplare mehr gewe­
Ci sen. Foto: Osugi / Shutterstock. com
38
Die Rache des Falken
von Johann Leonhard
John Bolton war 453 Tage lang Nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten. Im
September 2019 zog Donald Trump die Reißleine, seither widmete sich der Schnauz­
bart seinen Memoiren. Wie viel Brisanz steckt in seinem jetzt erschienenen Ent­
hüllungsbuch? Unser Autor hat es gelesen.

Boltons knapp 600-seitiger Wälzer Der Raum, in sen einen eher mit dem Präsidenten lachen: Etwa, Trump über Bolton: «langweili­
dem alles geschah erschien auf Englisch Ende Juni, dass er die EU als «schlimmer als China, nur kleiner» ger Depp/,, (Twitter, 18. Juni 2020)
Foto: picture alliance / abaca
die deutsche Fassung wird für Mitte August vom bezeichnet haben soll. Auch seine Ermunterung an
Eulenspiegel-Verlag angekündigt. Ist es die Erzäh­ Xi, der Pekinger Kommunistenboss möge die mus­
lung eines treuen Staatsdieners? Die detailreiche limische Minderheit in der Provinz Xinjiang weiter
Betrachtung eines Insiders? Gar die ehrenhafte in Umerziehungslager stecken, wird bei lslamge­
Enthüllung eines Whistleblowers? Oder doch eher schädigten die Sympathien für den Mann im Wei­
Zeugnis einer persönlichen Vendetta? Das Buch ßen Haus kaum mindern. Dass er «fast sadistisch
kommt jedenfalls zur richtigen Zeit auf den Markt. mit Frauen am Telefon umgeht, insbesondere mit
Pünktlich zum beginnenden Präsidentschaftswahl­ Angela Merkel»-diese herzerfrischende Schnurre
kampf liefert das Konvolut genau die Kritik, den stammt allerdings nicht von Bolton, sondern wurde
Spott und die Häme, nach der man sich im Lager erst Anfang Juli vom CNN-Reporter Carl Bernstein
der Trump-Hasser die Finger leckt. zum Besten gegeben.

Lachen mit Donald Außer persönlicher Abneigung, Klatsch und


«Wir hätten noch
Tratsch sowie vagen Verdächtigungen finden sich in
Dass sich Trump im Gespräch mit seinen Beratern
einmal gewundert haben soll, dass Großbritannien
Boltons Machwerk schier endlose Nacherzählungen
von Meetings, Empfängen, Reiseplanungen und per­
andere svrische
eine Atommacht und Finnland kein Teil Russlands sönlichen Unterredungen mit Gott und der V{elt, die Ziele angreifen
sei, ist zwar nicht unbedingt ein Ruhmesblatt für den
wichtigsten Mann im Staat. Aber andere Anekdoten,
ebenso dröge wie belanglos sind. Während eines
Treffens mit den Nordkoreanern 2018 habe Außen­ sollen. » John Bolton
die Bolton wohl für besonders entlarvend hält, las- minister Mike Pompeo Bolton einen Zettel zuge- $
39
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WÜRTTEMBERG
COMPACT Politik <i

steckt, in dem jener über den Präsidenten gelästert Immer wieder habe Bolton zu härterer Gangart,
habe: «Der redet so viel Scheiße. » Private M ittei­ schärferen Sanktionen und militärischem Eingreifen
lungen zitieren, um sein Buch zu verkaufen und die - vulgo: Krieg - geraten, und immer wieder habe ihn
Trump-Feinde zufriedenzustellen? Schlechter Stil. der Präsident abblitzen lassen. Deutlich wird: Trumps
Abneigung gegen Amerikas «endlose Kriege» und sein
Trump selbst, der die Veröffentlichung erfolg­ Wunsch. die US-Truppen schnellstmöglich aus Afgha­
los zu stoppen versuchte und schon angekündigt nistan und Syrien nach Hause zu holen. gehen dem
hat, dass Bolton «einen sehr hohen Preis » zahlen Schnauzbart völlig gegen den Strich. Kein Wunder,
werde, nannte das Buch eine «Zusammenstel lung dass der Präsident zu Jahresanfang 2020 anmerkte,
von Lügen und erfundenen Geschichten » . Eine die­ er habe den unbelehrbaren Falken feuern müssen -
ser Geschichten brachte Trump 201 9 ein Amtsent­ ansonsten «wären wir jetzt im sechsten Weltkrieg » .
hebungsverfahren ein: Genüsslich zitiert Bolton
dessen Telefonat mit dem gerade gewählten ukrai­
Trumps große Reden erstmals auf
«Das war die irrationalste Ent­
nischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom 25. Deutsch. Foto: COMPACT
Juli 201 9. Der Vorwurf: Er habe nationale Interes­
sen verraten, wei l er Kiew in einer Korruptionssache
um Schützenhilfehilfe gegen seinen demokratischen scheidung, die jemals ein
Konkurrenten Joe Bi den bat. Doch Bolton kommt mit
der Sache viel zu spät: Das deswegen angestrengte
Präsident getroffen hat. »
Impeachment-Verfahren ist längst gescheitert, ein Bolton über den
Untersuchungsbericht hat Trump entlastet.
abgesagten Krieg gegen Iran
Frustrierend friedlich
Die großen sicherheitspolitischen Konflikte zwi­ Bolton diente im Weißen Haus schon unter den
schen der Trump-Administration und den Schurken Präsidenten Reagan. Bush Sr. sowie Bush Jr. und
der Welt - Assad, Rohani, Kirn Jong-un, Putin, Erdo­ verdiente sich in seiner langen Karriere den Ruf
gan. Maduro, Xi J inping - bilden den roten Faden eines kriegslüsternen Schreibtischtäters - bereits
des Werkes. Dabei zeichnet der 71 -jährige Ex-Bera­ 2008 forderte er «Bomb Iran now! » Dieser Obsession
ter das Bild eines unbelehrbaren, außen- wie sicher­ blieb er bis zuletzt treu: Nach dem Abschuss einer
War Bolton nicht genug: US-Rake­
heitspolitisch ahnungslosen Commander in Chief. US-Drohne durch die Perser Mitte 201 9 drängte er tenangriff auf die Umgegend von
der «süchtig nach Chaos» sei, Amerikas «Feinde auf einen Vergeltungsschlag. Trump aber sagte den Damaskus, 18. April 2018.
umarme» und Freunde «vor den Kopf stoße». Angriff in letzter Minute ab, weil er «zu viele Lei- Foto: picture alliance/AP Photo

(j
41
COMPACT Politik C9

chensäcke» vermeiden wollte. Bolton spuckte vor sprachlos, denn: Er war nicht eingeladen worden.
Wut «Das war die irrationalste Entscheidung, die «Das war der Beginn der Trump-Kim Bromance» ,
jemals ein Präsident getroffen hat.» schreibt er angewidert.

Ein ständiger Streitpunkt war auch Syrien. Auch die Annäherung an andere Staatschefs ver­
Anfang April 2018 berichten Medien über einen suchte der Falke zu hintertreiben, wo er konnte. Es
Chemiewaffenangriff der Assad-Truppen auf die sei «pol itisch toxisch für Trump, sich mit Putin zu
Stadt Duma. «Syriens Diktatur hat ihre Lektion treffen» , meint er in Vorbereitung auf das Zusam­
offensichtlich nicht gelernt », schreibt Bolton. Jetzt menkommen der Staatschefs in Helsinki Mitte 2018.
müsse «angemessen reagiert » werden, forderte Und: «Ich habe mich nicht darauf gefreut, ihn [Putin]
er damals. Beweise für den Einsatz von Giftgas mit Trump in einem Raum alleinzulassen.» Warum
Laut Bolton hat sich Trump aus­ durch das «Regime » seien «zunehmend eindeutig », eigentlich nicht? Weil er befürchten musste, dass
führlich mit der Frage be­ anderslautende Behauptungen falsch. Eine steile sich die beiden gut verstehen? Als der Russe bei
schäftigt, wie er Kirn Jong-un
These. Selbst die Tagesschau ging in einem zusam­ der anschließenden Pressekonferenz jegliche Ein­
eine signierte CD des Elton­
John-Hits Racket Man zu­ menfassenden Bericht über den Vorfall im Mai 2020 mischung Moskaus in die US-Präsidentschaftswahl
kommen lassen könne. Der Prä­ nur von einem «mutmaßlichen » Giftgasangriff aus. 2016 (die Trump ins Amt brachte) als «Nonsens »
sident hatte Kirn nämlich zuvor Die Regierungen Russlands und Syriens behaupten bezeichnete und Trump das auch noch wohlwollend
als «Little Racket Man» tituliert, bis heute, dass nicht die syrischen Truppen, sondern aufnahm, platzte Bolton fast der Kragen. Er selbst
was in Nordkorea für Empörung
Islamisten das Chlorgas eingesetzt hätten, um eine hatte bekanntlich Russlands angebliche Wahlmani­
gesorgt hatte. Deswegen habe
er klarstellen wollen, dass der US-Intervention zu provozieren. pulation als «Akt des Krieges » tituliert - und damit
Spitzname nicht abwertend, den Demokraten Munition geliefert.
sondern l iebevoll gemeint ge­
wesen sei, empört sich Bolton.
«Ich denke, er sollte nicht Endkampf um die Macht
Raketenmann: Morgens zwei Fin­
Präsident sein. » John Bolton Der verbreiteten These, dass Trump in der ers­
ger in die Steckdose - und die Fri­ ten Hälfte seiner Amtszeit von einer «Achse der
sur sitzt. Foto. CCO/Pixabay Erwachsenen» eingehegt und kontrolliert wurde, die
Bolton verschrieb sein Allheilmittel: ein Mil i­ zusehends zerfiel und den erratischen Präsidenten
tärschlag auf Syrien in Kooperation mit Frankreich bald sich selbst überließ, widerspricht Bolton. Viel­
und Großbritannien, der sich nicht auf eine «Ein­ mehr sei es so gewesen, dass die Betreuung durch
Schuss-Aktion» beschränken solle. Der US-Angriff diese Berater sein bereits vorhandenes Misstrauen
mit Cruise-Missiles auf einen Militärflughafen der gegenüber dem Staatsapparat verstärkt habe. Am
Assad-Truppen erfolgte tatsächlich, doch er war Ende habe Trump «Verschwörungen hinter jedem
begrenzt und stellte Bolton nicht zufrieden: «Wir Stein » gewittert. Offensichtlich nicht zu Unrecht. . .
Johann Leonhard ist Freelance­ hätten noch andere syrische Ziele angreifen sollen»
Journalist und lebt in Berlin. In und «auch das Regime selbst bedrohen müssen. zum Statt sich von Experten dreinreden zu lassen,
COMPA[T 7/2020 schrieb er über Beispiel durch Angriffe auf den Präsidentenpalast ». habe der Präsident auf seinen «Instinkt » gesetzt
die neuesten Erkenntnisse im - für Bolton ein besonders schlimmes Vergehen.
Untersuchungsausschuss des Auch Trumps Bemühungen um eine friedliche Andererseits muss er zugeben, dass die republika­
Bundestages zu Anis Amri. Einigung mit Nordkorea torpedierte Bolton bei jeder nischen Wähler genau an diesem Punkt anders den­
Gelegenheit. Als es zu einem ersten Tete-a-Tete mit ken: «Trump wurde vor allem deshalb gewählt, weil
Kims Emissären im Weißen Haus kam, war Bolton er anders als andere Politiker ist. Er ist ein Unruhe­
Anzeige
stifter. » Mit seinem Buch will er zu dessen Sturz bei­
tragen: «Ich denke, er sollte nicht Präsident sein » ,
damit er «das Land nicht unwiederbringlich in eine
Abwärtsspirale » stürzen kann.
Gesellschaftliche Leistung von Familien würdigen
Abtreibung ist kein Menschenrecht Der Angegriffene konterte gewohnt breitbeinig.
«Das "übertrieben langweilige" (New York Times)
Missbrauch von Kindergeld beenden
Buch des Spinners John Bolton besteht aus Lügen
und Fake Stories. Sagte nur Gutes über mich, im
Print, bis zu dem Tag, als ich ihn feuerte. Ein übel­
launiger, langweiliger Depp, der immer nur in den
Krieg ziehen wollte. Hatte nie eine Ahnung, wurde
verbannt und erfreulicherweise entsorgt. Was für
ein Trottel! » , konnte man am 18. Juni auf Twitter
lesen. Man darf davon ausgehen, das dies nicht das
letzte Wort war -von beiden Seiten. ■
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Aufschrei der Dirty Dld Men
von Jonas Glaser
Es sind Freidenker, Quertreiber, Unruhestifter, Wütende, Wahn­ drückt, lässt sich jedoch nicht abstellen. Erinnern wir
sinnige. Je stärker der Konformitätsdruck in den westlichen Gesell­ an diesen Untaten. Und beginnen wir dabei mit dem
Kompromisslosesten - mit Louis-Ferdinand Celine.
schaften wurde, umso lauter brüllten sie dagegen an - und schufen
große Kultur. Französischer Furor
In Frankreich nennt man sie Poetes maudites, die Celine ist der Ernstfall: Sein Romandebut Reise
verfemten Dichter, die alles Grauen der Welt her­ ans Ende der Nacht, 1932 im Alter von 38 Jahren
ausschreien, mit blutiger Tinte ins Papier ritzen. Sie verfasst, ist das finstere Resümee eines Kriegsteil­
stehen konträr zu einer Zeit, in der Meinungsführer nehmers und Armenarztes. Das Leben des Helden
«Reise ans Ende im Namen eines verlogenen Respekts politisch kor­ Ferdinand Bardamu ist ein ermüdender Dauerkampf.

der Nacht» ist das


rekte Friedhofsruhe erzwingen - in der man Übel Nur knapp entkommt er der Massenverheizung im
nicht beenden, sondern nur bedecken, parfümie­ Ersten Weltkrieg, der Körpervernichtung in Autofa­
finstere Resümee ren will. Im 19. Jahrhundert galten Charles Baude­
laire oder Arthur Rimbaud als Poetes maudites. Im
briken, dem Hitzefieber der Kolonien und dem Elend
in New York. Egal wo das Schicksal ihn hinwirft:
eines Kriegs­ 20. Jahrhundert entstand eine Variante dieser Spe­
zies: der Dirty Old Man, der schmutzige alte Mann.
überall Ausbeutung, Ausquetschen, Niederschlagen.
Ein bestialischer Kampf aller gegen alle. Eine Prise
teilnehmers und Inzwischen fügt man stattdessen das Attribut Weiß Lebenslust findet Bardamu allenfalls in Bordellen,

Armenarztes. hinzu: der alte weiße Mann. Dieser gilt heutzutage


als kultureller Totalschaden. Sein Schreien, sein
beim Anblick nackter Tänzerinnen oder im Pornokino.
Spiritueller Trost? Solidarität der Armen unterein­
(i Rufen wird im gegenwärtigen Diskurs zwar unter- ander? Nichts davon. Nur die Gewissheit, dass wir
44
[OMPA[T Dossier �

bruch, der über den Tod des Autors (1961) hinaus


nicht mehr verheilen sollte. «Verstehen Sie es, im
Unrecht zu sein » , riet Celine einem anderen Dirty Old
Man, Henry Miller: Alle Welt wolle recht behalten.
Das mache sie so «herzzerreißend» . Celine selbst hat
diesen Appell bis zum bitteren Ende durchgezogen.

Ein schrecklicher Mensch? Vielleicht. Dennoch


war seine Reise ans Ende der Nacht- zumindest
bis vor wenigen Jahren - das meistgestohlene
Louis-Ferdinand Celine: Seine
Buch aus Frankreichs Buchläden. Gekapert von jun­ «Reise ans Ende der Nacht,, inspi­
gen Lesern ohne viel Geld, denen es unverzichtbar rierte Jim Morrison von den Doors
schien. Sogar in Israel druckt man ihn. Auch wer ihn zu seinem Song «End of the Night».
nicht kennt, nicht lesen mag, atmet seinen Geist Foto: CCO, Wikimedia Commons
in Jim Morrisons Song End of the Night, inspiriert
durch die Reise ans Ende der Nacht. Oder erfährt
ihn gefiltert in den paranoiden Cut-ups von William
S. Bourroughs und The Howl(Das Geheul) von Allen
Ginsberg - zweier US-Beatnik-Poeten, die ihr Vor­
bild Celine einst persönlich besuchten. Das Haus
des Poete maudit, in dem seine Witwe Lucette im
vergangenen November als 107-Jährige verstarb,
bröckelt vor sich hin. Der Pariser Vorort Meudon will «Lesen Sie vor
mit dem Heim des Verfemten nichts zu tun haben:
Keine Instandsetzung, kein Museum, keine Litera­ allem Celine; den
turpilger findet man dort.
größten Dichter
Amerikanische Albträume seit 2.000 Jahren. »
Ein US-Autor, der Celine nicht besuchte, die Reise Charles Bukowski
ans Ende der Nacht aber im heißen Los Angeles bei
Bier und Crackern las und davon ganz erschlagen
war, hieß Charles Bukowski (siehe S. 47 ff.). Selber
Charles Bukowski, wie man ihn kennt. Im Roman «Hollywood" ein Einzelkämpfer, fand er früh seinen literarischen
/1989) lässt er sein Alter Ego Hank Chinaski sagen: «Mit den
Frauen hatte ich meistens Pech, und die Folge war, dass ich Seelentröster: «First of all read Celine; the greatest
mich stark aufs Trinken konzentrierte. » Foto: picture alliance/ writer of 2.000 years. » (Lesen Sie vor allem Celine;
Everett Col/ection den größten Dichter seit 2.000 Jahren.) Für Bukow­
CIAILEI
IIIIWIII
ski verkörperte der Franzose unbrechbaren Verlie­
alle verrecken müssen. Leben, das ist Tod auf Kre­ rerstolz: «Sie rissen ihm die Eingeweide raus, und
dit, so der Titel von Celines zweitem Roman (1 936). er hat nur gelacht. Er hat sie sogar selbst noch zum
Der führt ins Elend der Pariser Hinterhöfe. Zu jenem Lachen gebracht. Ein sehr tapferer Mann. » Bukow­
Personal, das dem Arzt Celine täglich die Praxis ein­ ski verpflanzte Celines Abgestürzte aus den Pariser
rannte, das er oft kostenlos behandelte. Hinterhöfen in die White-Trash-Siedlungen der USA.
Dort schwimmen sie in Existenzkampf, Ödnis und


Die Zerrissenheit der Gegenwart spiegelt Celine leere. Der amerikanische Traum? Zerplatzt! Kaputt
im Telegrammstil. Keine abgerundeten, fertigen in Hollywood lautet der deutsche Titel eines Bukow­
Sätze mehr. Stattdessen Fetzen, Fragmente, wie ski-Romans, zeigt die dreckige Seite der Glamour­
Sprechblasen eines Comics - herausgequält von Metropole, wo Ermüdete, im täglichen Bullshit-Job
Menschen am Ende ihrer Kraft. Kaum Dialoge, statt­ verschlissen, sich abends in den Schlaf trinken. Das
dessen Keuchen, Schreien, Wimmern, Ächzen. Anei­ heruntergewürgte Fast Food sorgt für regelmäßi­
Bukowskis gesammelte Kolum­
nandergereiht im schnellen Rhythmus, maschinell ges Erbrechen. Es gibt keine Solidarität, Hoffnung, nen: Während seiner Zeit als Brief­
und musikalisch zugleich. Aber auch Celine hält den Revolte oder ähnliche Schöngeisterei. Bukowskis sortierer in Los Angeles schrieb er
Verzweiflungsschrei nicht auf Lebenszeit durch. Zwi­ Helden leben am absoluten Nullpunkt,· im Death Kurzgeschichten für die Zeitschrift
schen 1937 und 1941 verwandelt er ihn in Wutge­ Valley des neuzeitlichen Nihilismus. «Open City». Foto: Fischer Verlag
brüll: Er hetzt und flucht in drei ätzenden Pamphleten
gegen Juden, schiebt ihnen die Schuld an Krieg, Kapi­ Einer weiterer US-amerikanischer Großdich­
talismus und kulturellem Niedergang in die Schuhe. ter des 20. Jahrhunderts, Ezra Pound, konnte sich
Diese Verbalinjurien plus seine Kollaboration mit den an diesem Nullpunkt, in einer Welt aus kultureller
NS-Besatzern sorgen für einen moralischen Genick- Ödnis und Raubtierkapitalismus, nicht einrichten. (i
45
[OMPA[T Dossier�

Er zog nach Europa, wollte dessen Kultur erneuern, Seine späten Lebensjahre verbrachte Pound,
schrieb gigantische Cantos : Gedichte als Samplings, gebrochen und zurückgezogen, in Venedig. Dort
als chorischer Mix jahrhundertealter Stimmen, zu besuchte ihn ein junger Fan, der marxistische Dichter
neuem krnftvollen Leben erweckt. Montagen mit­ und Filmemacher Pier Paolo Pasolini. In einer melan­
telalterlicher Troubadour-Gesänge, chinesischer cholischen Dokumentar-Szene lauscht der greise
Lyrik mit ökonomischer Theorie oder Tagesmeldun­ Amerikaner Pasolini, der ihm die italienische Über­
gen über Politik und Krieg. Reisen durch Raum und setzung seiner Gedichte vorliest. Die Generations­
Zeit. Die Verzweiflung trieb Pound in die Arme eines fackel ist weitergegeben worden. Aber auch Paso-
Diktators, dessen Faschismus wie eine Parodie sei­ 1 ini sollte scheitern: Sein Werk wirkt heute wie der
ner Visionen erschien: Benito Mussolini. Noch in gebündelte, vergebliche Schrei von Hoffnungslosen.
der Spätphase des Krieges verteidigte Pound sein
Gastland Italien in flammenden Radioansprachen Deutscher Zorn
gegen die Alliierten. Es folgte ein monumentales
Finale: Die US-Truppen sperrten ihn in einen Käfig, In Deutschland sind Dirty Old Men eher selten.
Voller Zorn: Klaus Kinski als Aguirre
in Werner Herzogs gleichnamigem stellten ihn auf einem öffentlichen Platz in Pisa aus. Die Anwärter sterben entweder zu früh (Rolf-Die·
Film aus dem Jahr 1972. Foto: Wer­ Wochenlang. Ein wildes Tier in glühender Sonne, ter Brinkmann) oder werden auf ihre alten Tage brav
ner Herzog Filmproduktion schreiend, brüllend, an den Gitterstäben zerrend: (Rainald Goetz). Eine Ausnahme war der Schriftstel­
Inferno, Zusammenbruch und Wahnsinn. Keine ler, Schauspieler und Regisseur Klaus Kinski. Keine
Dichtung erreicht diesen Moment an Intensität, an Hölle, in die er nicht gestiegen wäre. Kein Mons­
ter, dessen Innerstes er nicht spürbar gemacht hätte.
Kein Moralin, das ihn bremste. Da ist Graf Dracula
Pasolini las Pound die (Nosferatu), der über seine Unfähigkeit zu Tod und
Liebe stöhnt. Da ist Jack the Ripper, der die Berüh­
italienischen Übersetzungen rung einer Frau nicht erträgt. Da ist der Marquis de
Sade (Justine). der wie ein Panther in seiner engen
seiner Gedichte vor. Gefängniszelle auf- und abhetzt. Da ist Aguirre, der
Zorn Gottes, dessen Suche nach Eldorado durch fieb­
rige Dschungel und Sümpfe führt. Und da ist der Pro­
Symbolkraft: Die Modeme des 20. Jahrhunderts, ein totyp der geschundenen Kreatur: Büchners Woyzeck,
führender Vertreter künstlerischer Avantgarde, nach der gebrochene Soldat, den Vorgesetzte, Ärzte und
martialischem Aufbruch zerknirscht vor den Ruinen Umgebung bis zum Mord treiben. Aber für Kinski war
seiner Vision. Irresein als letzte Ausflucht. . . das Ungefesselte, Exzessive nicht auf das Filmstu­
dio begrenzt. Sämtliche TV-Shows wirbelte er auf,
konfrontierte den Moderator, die Interviewer mit
der Blödsinnigkeit ihrer Fragen, zerstörte geheu­
chelte Harmonie. Kinski war ein Vulkan, der seine
Lava auf Papier, Bühne und Zelluloid spie. Einer der
wenigen Deutschen, die in Frankreich als Poet mau­
dit Anerkennung fanden.

Keine dieser Persönlichkeiten und ihre Werke


wären im 21. Jahrhundert mehr vorstellbar. Männer,
die in den Schrecken ihres Jahrhunderts eintauch­
ten, ihn in sich bündelten. sich als Seismografen
des Ungeheuerlichen erfanden, selbst Verstrickung
und Schuld nicht fürchteten - sie sind das Gegen­
teil subventionierter Wohlstandskinder, die, in ihren
hedonistischen Kokon gebettet, den Leser mit mora­
lischen Imperativen traktieren - die bei kleinstem
Widerspruch einknicken, die eigenes Verdrängen
durch Denunziation von Abweichlern kompensie­
ren. Aber alle Menschen, die in solchen Blasen nicht
existieren können, die im Labyrinth des Lebens nach
Zuspruch suchen - sie werden immer wieder zu den
Texten jener alten weißen Männer greifen, den eige­
nen Schmerz in deren Schreien suchen. ■

Noch ein Dirty Dld Man: Kult-Autor William S. Burroughs


hatte einen Faible für Feuerwaffen. Foto: Getty Images
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Underdog aus Andernach
von Sven Reuth
Die linksalternative Szene machte ihn zum Vorbild ihrer Kaputtheit, obwohl er mit
Hitler sympathisiert hatte: Vor 100 Jahren wurde Charles Bukowski geboren. In Wirk­
lichkeit war der Dirty Old Man weder schmutzig noch politisch, sondern nur brutal
ehrlich - und verdammt lustig.

Die Luft ist zum Schneiden in dem kleinen Zim­ Der kleine Junge war das Ergebnis einer ungewöhn­ Legendär: Bukowski bei seiner
mer an diesem 22. Juli 1944 in Philadelphia. Ein jun­ lichen Beziehung. Es begann 1919: Die Pelznäherin Lesung in der rappelvollen Hambur­
ger Markthalle am 18. Mai 1978.
ger Mann sitzt vor einer Schreibmaschine, neben der Katharina Fett hatte einem der US-Soldaten, die nach
Später sagte er: «Ich hatte wirklich
eine offene Flasche Wein steht. Als es klingelt, wirft dem Ersten Weltkrieg auf der linken Rheinseite sta­ zum ersten Mal das Gefühl, dass
er sich schnell ein Hemd über und torkelt zur Tür. Der tioniert wurden, voller Wut vor die Füße gespuckt, die Leute die Gedichte verstanden.
passionierte Zecher ist davon überzeugt, dass man weil die Besatzer Lebensmittel wegwarfen, wäh­ Das warf mich zurück, ich musste
ihm nun mitteilen wird, er habe den Pulitzerpreis ver­ rend die Einheimischen hungerten. Doch Sergeant also mehr trinken." Im Kühlschrank
auf der Bühne befanden sich genü­
liehen bekommen, die wichtigste Literaturauszeich­ Henry Charles Bukowski, dessen beide Eltern eben­ gend Flaschen Müller-Thurgau.
nung der USA. Doch die zwei Männer, die ihn draußen falls aus Deutschland stammten, war hingerissen von Foto: picture-alliance / dpa I Cor­
erwarten, sind vom FBI. Sie werfen ihm vor, sich dem dem zornentbrannten Fräulein - und bald schon ist nelia Gus
Kriegsdienst entziehen zu wollen, und verhaften ihn. ein Baby unterwegs. Doch die Hoffnung der jungen
Der Trinker landet im Gefängnis, und nur Glück bei der Familie auf eine gemeinsame Zukunft in dem ver­
Auslosung, die entscheidet, wer wann an die Front armten Land zerplatzt im Inflationsjahr 1 923 schnell.
muss, bewahrt ihn vor einem Einsatz gegen das Land, «Ich konnte es
nicht leiden, dass
in dem er geboren wurde. Der Militärpsychiater, der Nun geht es -wie für so viele andere Auswan­
die beschlagnahmten Texte des Gefangenen durch­ derer auch - von Bremer�aven aus in die Neue
sieht, notiert aber: «Verbirgt hinter seinem Pokerface
eine außergewöhnliche Sensibilität.»
Welt. Das Ziel ist Los Angeles, die Geburtsstadt
des Vaters. Der kalifornische Traum von �almen und man alle Deutschen
Familienhölle am Pazifik
ewiger Sonne entpuppt sich für den kleinen Jungen,
der nun den Namen Charles erhält, aber als regel­
als Unholde ... hin­
rechte Hölle. Der Senior wird auch in den USA beruf­ stellte. »
Knapp 24 Jahre zuvor war der spätere Bestseller­
autor Charles Bukowski im rheinländischen Ander­
lich nicht glücklich. Seinen Frust lässt er an seinem
Sohn aus, den er im betrunkenen Zustand mit einem Charles Bukowski
nach unter dem Namen Heinrich Karl geboren worden. Ledergürtel prügelt. $
47
COMPACT Dossier (8

Im Frühjahr 1 978 ist es so weit:


«Buk» tritt die einzige Aus­
landsreise seines Lebens an,
um seine Familie in Andernach
zu besuchen. Am 1 8. Mai ab­
solviert er noch eine Lesung in Die Schule ist für den späteren Schriftsteller ein nicht leiden, dass man alle Deutschen als Unholde
der Hamburger Markthalle, die einziges Spießrutenlaufen. Relativ kurz nach dem und Idioten hinstellte. » Als er 1941 auch noch das
mit mehr als 1 .000 Besuchern
Ersten Weltkrieg ist er hier der dauergemobbte weiterführende City College ohne Abschluss verlässt,
völlig überrannt wird. Auf der
Bühne steht ein Kühlschrank «Heini» und «Sauerkrautfresser » . Er träumt sich in beginnen seine verlorenen Jahre am untersten Rand
mit seinem deutschen Lieb­ eine Richthafen-Figur hinein, den fiktiven Jagdflie­ der amerikanischen Gesellschaft.
lingswein, dem Müller-Thurgau. ger Baron von Himmlen, der in seiner roten Fokker
«Hello, it's good to be back», reihenweise die alliierten Feinde vom Himmel holt. Die Kriegsjahre sind die einzigen, in denen er
ruh er seinen Fans zu, als er
Über ihn schreibt der Dreizehnjährige einen ersten die USA außerhalb Kaliforniens kennenlernt. Es
sich schließlich bis zum Podest
hochgearbeitet hat. Über die­ kleinen Roman. Doch das Unglück will einfach nicht verschlägt ihn nach Miami, New Orleans, New
sen Abend schrieb er später in enden. Er bekommt die schwerste Form der Akne, York und Philadelphia. «Krankenhäuser, Gefäng­
seinem Reisebericht Die Akne conglobata, und die walnussgroßen Pickel nisse, Bordelle, das waren die Universitäten mei­
Ochsentour: «Wenn ich ihnen hinterlassen zahlreiche Narben im Gesicht, die er nes Lebens. An denen habe ich mehrere akademi­
ein Gedicht zum Lachen vorlas,
nicht mehr loswerden wird. Sein einziger Halt ist die sche Grade erworben» , wird er später über diese
lachten sie, aber wenn ich
ihnen ein ernstes vortrug, gab Gegenwelt der Bücher. Schon als Fünfzehnjähriger Zeit sagen. An die Einberufungsbehörde schreibt er
es starken Beifall. Eine wahr­ liest er Dostojewski. Drei Jahre später verschlingt er einen Brief, dass seine persönliche Philosophie es
haft andere Kultur. Vielleicht Celines Reise ans Ende der Nacht. Der schöpferische ihm nicht gestatte, sich mustern zu lassen. Manch­
lag es daran, dass sie zwei be­ Hass und anarchische Furor, die zwischen jeder Zeile mal scheint er völlig den Halt zu verlieren, doch er
deutende Kriege in Serie ver­
des Buches des Pariser Armenarztes und späteren fängt sich wieder, indem er wie am Fließband Kurz­
loren hatten, vielleicht lag es
daran, dass ihre Städte von NS-Kollaborateurs durchleuchten, zeigen ihm, was geschichten schreibt. Es gibt Zeiten, in denen nur
Bomben total zerstört worden tabulose Literatur bedeuten kann. Noch in seinem das Klappern der Schreibmaschine ihm das Gefühl
waren, die Städte ihrer Väter. » letzten, kurz vor seinem Tod verfassten und schon gibt, noch zu existieren.
Heinrich Fett, sein fast gleich­ spürbar zwischen Himmel und Erde changieren­
altriger Cousin, der noch lebt.
den Roman Pulp: Ausgeträumt wird Bukowski sei­
«Informationen fürs tägliche über­
verriet in einer im vergangenen
Jahr erschienenen Reportage
nem französischen Idol huldigen: Er lässt den abge­
brannten Detektiv Nick Belane nach dem schon mehr
leben». Fauser über Bukowskis Texte
des SWR, was der «dirty old
man » am meisten am Land sei­ als drei Jahrzehnte zuvor verstorbenen Autor suchen.
ner Geburt liebte: Es war die
deutsche Sauberkeit.
Hitlers schrägster Fan
Produktiv sein kann er bloß dann, wenn er einen
Immer selbstbewusster nimmt der Heranwach­ Sender mit klassischer Musik einstellt - sie ist der
Bukowskis Deutschland-Reisebe­
richt erschien 1979. Foto: Fischer sende die Rolle des extremen Außenseiters an, Soundtrack zu den Bildern in seinem Kopf und kit­
Verlag die seine Umwelt ihm ohnehin zuweist. Auf den zelt manchmal bis zu acht Gedichte pro Nacht aus
verschiedenen Highschools, die er in Los Angeles ihm heraus. Der Anglist Russell Harrison hat in sei­
Bild oben rechts: Raubein mit Herz.·
Im kommenden Jahr findet ein gro­ besucht, provoziert er Klassenkameraden und Lehrer ner Untersuchung Against the American Dreamfest­
ßes Bukowski-Festival in Bamberg mit Lob für die neue Regierung in seiner alten Heimat. gestellt, dass die Namen Ludwig van Beethovens,
statt. Die Symphoniker spielen, und In seiner Autobiografie Das Schlimmste kommt noch Wolfgang Amadeus Mozarts und Gustav Mahlers
auch Marina Bukowski, die 1965 oder Fast eine Jugend schreibt er dazu: «Soweit ich fast hundertmal in seinen Werken auftauchen. In
geborene Tochter des Literaten,
wird erwartet. Weitere Infos unter sehen konnte, hatte ich nichts, das sich zu verteidigen den 1970ern, als er zunehmend erfolgreicher wird,
«bukowski-gese/lschaft.de". Foto: lohnte. Und da ich in Deutschland geboren war, emp­ schicken seine Redakteure ihn zweimal zu einem
� picture alliance/Everett Collection fand ich eine ganz natürliche Loyalität und konnte es Konzert der Rolling Stones, um ihn darüber berich-
48
COMPACT Dossier (9

ten zu lassen. So richtig glücklich wird er damit


aber nicht. In dem Text «Jaggernaut » schreibt er:
den Humor. Spätestens bei der Lektüre des autobio­
grafischen Romans Der Mann mit der Ledertasche, Irgendwann erlebt
«Was dem Rock fehlte, waren die volle Variations­
breite und melodische Vielschichtigkeit, die es ein­
der 1974 in deutscher Erstübersetzung erschien,
erlebt dann eigentlich jeder seinen ganz eigenen
jeder seinen ganz
fach nicht nötig hatten, im Kreis zu rennen wie ein
Hund, der sich den Arsch abzubeißen versucht, weil
Bukowski-Moment. Dieser besteht darin, dass man,
ganz gleich, ob man alleine im eigenen Wohnzimmer
eigenen Bukowski­
er Chili gefressen hat. » oder der voll besetzten Straßenbahn sitzt, aus vol­ Moment.
lem Herzen lachen muss. Die gelöste Lakonie, mit
Vielleicht wäre Bukowski nie zu einer Figur der der hier erzählt wird, wie der verkaterte Aushilfs­
Weltliteratur geworden, wenn er 1966 nicht das briefträger Henry «Hank» Chinaski immer nur wäh­
Glück gehabt hätte, dem deutschen Literaturagen­ rend Hitzewellen oder Unwettern, wenn die Regu­
ten Carl Weissner zu begegnen, der den damals lären sich krankmelden, oder aber auf den Routen
noch ziemlich unbekannten Autor in seinem Vier­ mit den bissigsten Hunden eingesetzt wird, ist ein­
tel East Hollywood in Los Angeles aufstöbert. Er fach unschlagbar. Der große Bukowski-Kenner und
erkennt sofort die Kreativität des Außenseiters und -Freund Jörg Fauser (siehe Seite 50 ff.) bezeichnete
nimmt ihn in seine für ein vorwiegend linkes deut­ in einem seiner berühmten Porträts die Werke des
sches Publikum kompilierten Anthologien auf, die Kaliforniers als «Informationen fürs tägliche Über­
so bekannte Namen wie Allen Ginsberg oder Jack leben» . Der Alte hätte dem nicht widersprochen. Er
Kerouac enthalten. Nur so wird es möglich, dass der war eingefleischter Gegner der sich schon in den
einstige Hitler-Sympathisant Bukowski zum Super­ 1960er Jahren rund um seinen Kiez in L. A. bildenden
star der alternativen Szene in Deutschland wird - Milieus der Intellektuellen, Schauspieler und Künst­
hierzulande erreicht er eine Gesamtauflage, die ler, denen es nur um «Selbstverwirklichung » ging.
nach Schätzungen zwischen 2,5 und vier Millionen Deren Wurzellosigkeit und Gefallsucht erkannte das
Büchern liegt. alte Raubein sofort-und attackierte sie mit in Res­
sentiment getränkten Giftpfeilen. Seinen Nachbarn
Kein Bock auf Intellektuelle verschlug es die Sprache, als der Mann, den alle
bloß für den Alki von nebenan gehalten hatten, in
Diesen gigantischen Erfolg realisiert der den späten 1980er und frühen 1990er Jahren plötz­
gewiefte Literaturagent Weissner auch dadurch, lich Besuch von Weltstar Madonna und ihrem dama­
Jörg Fauser interviewte Bukowski
dass er seine Entdeckung von Anfang an konse­ ligen Mann Sean Penn bekam. Das Schönste an die­ 1976 für den Playboy. Der Amerika­
quent als «dirty old man» , als «schmuddeligen sen Visiten waren für Bukowski aber die Gespräche ner bekannte: "Ich mag Hunde lie­
alten Mann » , vermarktet, der ein perfektes Gegen­ mit dem Leibwächter der beiden, der einen Haufen ber als Menschen. Und Katzen lie­
bild nicht nur zum glatten und gestriegelten Normal­ Anekdoten aus dem echten Leben zum Besten geben ber als Hunde. Und mich, besoffen