Schule:
Klasse:
Datum: 05.07.2021
Uhrzeit: 09:50 – 10:35 Uhr
Raum:
Fachlehrer:
Fachleiter:
Seminarvertreter:
Ausbildungsleiter:
Erklärung:
Hiermit bestätige ich, dass ich den vorliegenden Entwurf selbstständig verfasst und nur die
angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.
_____________________ _______________________
Ort, Datum Unterschrift
1
Lernziele
1.2 Kompetenzerwerb:
Die Schülerinnen und Schüler
• reflektieren die Ansichten von „Querdenken“ im Lichte der Autoritätsdebatte.
• sind sich bewusst, dass eine vollständige Ablehnung von Autoritäten zu Gunsten eines
vermeintlich aufgeklärten Selberdenkens in der heutigen Gesellschaft nicht möglich ist und
Risiken birgt.
• kennen die auf reflektierter Anerkennung beruhende Definition von Autorität und wenden
diese Definition auf Beispiele an.
• beurteilen Anspruch und Realität der Querdenken-Bewegung vor dem Hintergrund dieses
Autoritätsbegriffs.
Durch die notwendige genaue Befassung mit der Definition von Autorität wird das analytische
Philosophieren gefördert. Darüber hinaus werden durch den Einstieg das hermeneutische
Philosophieren sowie das dialektische Philosophieren eingeübt. Letzteres wird auch in der Vertiefung
eingeübt.1
Trotz der Textarbeit wird insbesondere die Selbst- und Sozialkompetenz gefördert, insb. die
Teilkompetenz „Gegebenheiten des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens kritisch zu
hinterfragen“.2
1
Martens, E. 2003, S. 54ff.
2
Kultusministerkonferenz 2006 (1989), S. 7.
2
2. Stundenverlaufsplan
Zeit Phase Interaktion/Kommunikation Sozial- Material
form
10 Einstieg, - Bild einer Querdenken-Demonstration EA, Beamer, Bild:
Problema- anwerfen. Klären, in welchem PA, Querdenken-Demo
tisierung Zusammenhang das Bild steht. UG
- „Bringt dieses Bild mit unserem Thema (T-P-S)
Autoritäten in Verbindung.“ Thing –
Pair – Share.
- In Share-Phase klären: Wer sind hier
die Autoritäten? Wie stehen die
Demonstrant*innen zu diesen?
- Eine Problemfrage aus dem Gespräch
ableiten. Mögliche Fragen:
Sollte man alle Autoritäten ablehnen?
Können wir ohne Autoritäten leben?
Gerne Formulierung aus der Klasse.
3 Eigenständige - Die gewählte Frage kurz im Plenum UG
Problemlösung besprechen in direktem Anschluss an
die Diskussion zuvor.
12 Angeleitete - Bearbeitung des AB. PA AB: Newmark
Problemlösung
10 Sicherung - Sicherung der Textarbeit am Beamer. UG Beamer, Tafel
- Sicherung der Frage nach
Autoritätsbeziehungen an der Tafel.
Notausstieg
10 Vertiefung - Verfassen eines kurzen Dialogs zwischen PA, Beamer
selbsternannten radikalen UG
Selbstdenkern und Newmark.
- Falls nur noch wenige Minuten Zeit sind:
Bild vom Anfang anwerfen und aus Sicht
Newmarks kommentieren lassen.
Geplantes Stundenende
5 Didaktische - Tabelle mit Chancen und Risiken von UG Tafel
Reserve Autoritäten erstellen (sonst:
Hausaufgabe)
3
3. Lerngruppenanalyse
Der Grundkurs Ethik in der Jahrgangsstufe 12 besteht aus 11 Mädchen und 13 Jungen. Der Kurs wird
seit dem Beginn der Oberstufe von Herr B unterrichtet.
Da ich selbst zum Zeitpunkt des Entwurfs erst drei Stunden in der Klasse halten konnte und eine
Stunde hospitiert habe, muss die Analyse der Lerngruppe leider kürzer als wünschenswert ausfallen.
Insgesamt lässt sich die Lerngruppe als bemüht beschreiben. Die Mitarbeit ist breit gestreut und es
gibt nur wenige Schüler*innen, die sich fast gar nicht am Unterricht beteiligen (M, A). Auf der
anderen Seite gibt es auch wenige Ausreißer nach oben. Positiv, was sowohl die Qualität als auch
Quantität der Mitarbeit angeht sind L, Z und besonders F hervorzuheben. Neben diesen wenigen
Ausreißern ist der Kurs vergleichsweise ausgeglichen, trotzdem lässt sich eine Tendenz der
Restgruppe ausmachen, die sich grob in zwei Gruppen aufteilen lässt: Einige Schüler*innen sind eher
ruhig, schriftlich jedoch stärker und bei der Bearbeitung der Arbeitsaufträge immer aktiv und
sorgfältig (PK1). Die andere Gruppe beteiligt sich stärker mündlich und ist interessiert, jedoch
mangelt es dabei häufig an der Kompetenz, theoriegeleitet zu argumentieren, die Beiträge
verbleiben oft im Persönlichen (PK2). Infolge dieser Aufteilung bleiben Unterrichtsgespräche
mitunter auf einem ausbaufähigen Argumentationsniveau, trotz guter Beteiligung (PK3).
Die Stimmung im Kurs ist gut, obgleich die Gruppe nicht besonders eng ist, wie es für einen
zweistündigen Ethikkurs zu erwarten ist. Sehr intensive und emotional geführte Streitgespräche sind
nicht zu erwarten (PK4).
Im Moment ist D hervorzuheben, der aufgrund einer Verletzung nicht schreiben kann. Diese
Schwierigkeit ist in der vorliegenden Stunde nicht sehr gravierend, da insbesondere in Partnerarbeit
gearbeitet wird, und D dabei mit F zusammenarbeiten und die Ergebnisse digital sichern kann.
4. Sachanalyse
Der Begriff „Autorität“ leidet sich aus dem lateinischen (auctoritas) ab und bedeutete ursprünglich
„Urheberschaft, Ermächtigung“ später „Ansehen, Geltung, Fähigkeit, maßgeblichen Einfluß auf
andere kraft bes. Leistung und überlegener Einsicht, kraft der Tradition oder kraft eines Charisma
auszuüben“3.
Autorität wird nach Arendt entweder als persönliche Autorität einzelner Personen bzw. Beziehungen
zwischen einzelnen Personen verstanden – beispielsweise Lehrkraft-Schüler*in oder Eltern-Kind –
oder sie kann „einem Amt zugehören“ – beispielsweise den „Ämtern der katholischen Hierarchie“.4
Autorität kann damit vorläufig als eine Beziehung gefasst werden, in der die eine Seite einen Einfluss
auf die andere ausüben kann, wobei dieser Einfluss nicht durch Einsatz von Zwang oder Gewalt
erzeugt wird. Vielmehr wird nur dort von Autorität gesprochen, wo diese auch vom beeinflussten
Subjekt – bewusst oder unbewusst – anerkannt wird. Auf der anderen Seite muss Autorität – als
prinzipiell hierarchische Beziehung – von einem egalitären, demokratischen Verhältnis abgegrenzt
werden.5
3
Kirchner et.al. 2013, S. 88f
4
Vgl. Arendt 1970, S. 46.
5
Vgl. Arendt 1970, S. 46. Vgl. Fromm 1936, S. 77.
4
Eine in dieser Stunde implizite Frage ist, ob ein Merkmal der Autorität die „fraglose Anerkennung“6
durch die Beeinflussten ist, wie es die negativ konnotierte Behandlung bei Fromm und Arendt
nahelegt, oder ob nicht ein heute fruchtbarer Autoritätsbegriff vielmehr die reflektierte, eben nicht
fraglose, Anerkennung erfordert.7 Erst mit einem solchen Begriff lassen sich die immer vorhanden
wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisse – im Privaten, in den Wissenschaften oder in der Politik –
als etwas anderes als nicht-hinterfragbare, und damit letztlich nicht begründbare, Machtgefälle
deuten.8 Welches Verständnis man also von „Autorität“ hat, bestimmt maßgeblich darüber, ob
Autorität als solche abzulehnen ist, oder ob sie einen notwendigen und auch hilfreichen Platz in
unserer Gesellschaft hat.9 Unabhängig davon, für welche Seite man sich entscheidet, muss stets
bewusst sein, dass der Begriff viele positive und negative Implikationen enthält, die nicht einfach
ausgeblendet werden dürfen sondern aktiv thematisiert werden müssen.
Philosophiegeschichtlich gilt Autorität in der christlich geprägten, europäischen Kultur lange als
natürlich gegeben, entweder von Gott oder als Verhältnis zwischen Vater und Kind bzw. Mann und
Frau. Durch diese Naturalisierung wird die Autorität – beispielsweise die Autorität der Kirche, aber
auch die der Monarchen sowie der Männer – begründet und gerechtfertigt.10 Diese so gegen Kritik
immunisierte Autorität wird prominent erstmals von Hobbes und Locke im 1700 Jahrhundert
hinterfragt. Diese beiden schlagen eine andere, eine kontraktualistische, Rechtfertigung der
politischen (!) Autorität vor, in der die wechselseitige und vernünftige Anerkennung aufscheint. Mit
der Aufklärung (zu der bereits Locke gezählt werden muss) kommen auch erste prinzipielle Zweifel an
Autoritäten auf, indem Autorität mit blindem Gehorsam ohne Vernunftgebrauch in Verbindung
gebracht wird.11 So verstanden steht die Zuwendung zu einer Autorität dem mündigen, aufgeklärten
Bürger entgegen.12
Während der Begriff im philosophischen Diskurs bis dato überwiegend im politischen Bereich zu
verorten ist, beeinflusst im zwanzigsten Jahrhundert der Bereich der Erziehung, Soziologie und
Psychologie das Verständnis von Autorität maßgeblich. In den „Studien über Autorität und Familie“
des Frankfurter Instituts für Sozialforschung versucht insbesondere Erich Fromm anhand kindlicher
Erfahrungen zu erklären, wie es zur Ausbildung eines „autoritären Charakters“ kommt.13 Dieser wird
dabei als negativ und gesellschaftlich gefährlich dargestellt, denn Träger dieses autoritären
Charakters seien anfälliger für den Faschismus. In Anknüpfung an die Frankfurter Schule finden sich
in der 68er-Bewegung ähnliche autoritätskritische Muster sowie pädagogische Konsequenzen in der
antiautoritären Erziehung.14 Insbesondere vor dem Hintergrund der NS-Zeit ist es nicht
verwunderlich, dass blinde Autoritätshörigkeit als gefährlich eingestuft wird, diese Gefahr wird auch
durch das Milgram-Experiment drastisch vor Augen geführt – wenn hier auch die Interpretationen
unterschiedlich ausfallen. Die im Unterricht vorliegende Frage ist dabei, ob die berechtigte
Ablehnung von blinder Autoritätshörigkeit und die prinzipielle Ablehnung von Autorität unmittelbar
6
Vgl. Arendt 1970, S. 46.
7
Vgl. Gadamer 1990 (1960), S. 283-285. Vgl. Newmark 2020, S. 99-105.
8
Vgl. Newmark 2020, S. 99.
9
Das gilt meiner Meinung nach trotz der Tatsache, dass Arendt Autoritätsbeziehungen trotz fragloser
Anerkennung nicht prinzipiell ablehnend gegenübersteht.
10
Vgl. Newmark 2020, 29-33.
11
Gadamer 1990 (1960), S. 283-285.
12
Vergleiche beispielsweise: „Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich
Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurtheilt usw., so brauche ich mich ja selbst nicht zu bemühen“
(Kant 1784, S. 482).
13
Vgl. Fromm 1936, S. 80-92.
14
Vgl. Baader, M.S., Scheiwe, K. 2019.
5
verknüpft sind, oder ob sie sich trennen lassen, um Raum für einen positiven Autoritätsbegriff zu
schaffen.
Im Unterricht wird wenig auf die historischen Wurzeln eingegangen. Die historische Einordnung dient
an dieser Stelle dem Zweck, die historisch gewachsenen, unbewussten Implikationen des
Autoritätsbegriffs bewusst zu machen. Nur dadurch kann die Schwierigkeit des heutigen Umgangs
mit diesem Begriff verstanden werden.
Der vorliegende Text von Catherine Newmark (2020) richten sich dabei explizit gegen eine
strukturelle Verbindung von Autorität mit blindem Gehorsam. Das Gegenteil sei der Fall: Richtig
verstandene Autorität entsteht gerade nicht durch blinden Gehorsam, sondern vielmehr, mit
Gadamer gesprochen, durch einen Akt der Anerkennung, der auf der Erkenntnis beruht, „dass der
andere einem an Urteil und Einsicht überlegen ist“.15 Diese Tendenzen finden sich zwar schon bei
Fromm und Arendt, jedoch sind sie dort als rein psychologische Merkmale zu verstehen: Der
Untergebene schreibt der Autorität durch seine Anerkennung zu, sie sei vernünftig und gut. Über die
tatsächlichen Qualitäten der Autorität sagt dies nichts aus, im Gegenteil: Da die Anerkennung fraglos
und unreflektiert geschieht gibt es schlicht keine Verbindung zwischen diesem psychologischen
Faktum und den tatsächlichen Merkmalen der Autorität. Manipulation, Irrglaube und
Machtmissbrauch liegen nahe, wenn es bloß darum geht, dass die Person die Autorität de facto
anerkennt, egal auf welcher Grundlage – ein Extremfall wäre beispielsweise Hypnose. Dies sieht
Newmark anders, wenn sie die reflektierte Anerkennung der Autorität betont. Damit ist eine Instanz
geschaffen, mit Hilfe derer die Qualität von Autoritäten beurteilt werden kann und die Möglichkeit
ist eröffnet, dass es vernünftig sein kann, einer Autorität zu folgen. Welcher Begriff fruchtbarer ist,
muss nun mit Blick auf die Welt geklärt werden. Da wir uns, wie Newmark erklärt, stets in „Macht-
und Abhängigkeitsverhältnissen wiederfinden“16 – sei es in Familie, Politik oder Wissenschaft –
benötigen wir einen Begriff, der diesem Faktum Rechnung trägt und einen produktiven, positiven
Umgang damit ermöglicht. Insbesondere sollten nicht alle solche Abhängigkeitsverhältnisse als
Unterdrückung verstanden werden. Dies kann durch einen richtig verstandenen Begriff von Autorität
ermöglicht werden; auch wenn der Begriff durch seine vielfältigen Konnotationen problematisch
bleibt. Vielleicht ist diese Vieldeutigkeit auch gerade ein Vorteil, denn damit bleibt die reale Gefahr,
der schmale Grad zwischen vernünftiger Anerkennung einer Autorität und blindem Gehorsam, im
Bewusstsein.
Die Notwendigkeit und Chancen eines positiven Autoritätsbegriffs auf der einen und die Gefahr des
blinden Gehorsams auf der anderen Seite zu erkennen sind zentrale Ziele der Unterrichtssequenz.
Die vorliegende Stunde ist eingebettet in eine Unterrichtssequenz zum Thema Autorität. Im Lehrplan
lässt sich das Thema als Wahlthema des Themenbereichs „Der Grundkonsens in der Gesellschaft“
finden. Im Wahlthema „Autorität und Gehorsam“ reichen die Inhalte von der „Notwendigkeit und
Grenzen von Autorität und Gehorsam“ über „Legitimationskriterien für Autorität und Gehorsam“ bis
zur „Krise von Autorität und Gehorsam in der Gesellschaft“.17 Die vorliegende Sequenz und auch
Stunde behandelt dabei Themen aus den ersten beiden Punkten: In den ersten beiden Stunden der
15
Gadamer 1990 (1960), S. 284. Vgl. Newmark 2020, S. 70.
16
Newmark 2020, S. 95.
17
Kultusministerium RLP 1983, S. 20.
6
Sequenz wurde anhand des Milgram-Experiments sowie eines Textes von Erich Fromm zum
autoritären Charakter eine negativ aufgeladene Vorstellung von Autorität erarbeitet, die
anschließend im Bereich der Erziehung vertieft wurde. Diese Bilder von Autorität schließen in der
heutigen, liberalen Gesellschaft an die Intuitionen der Schüler*innen an. Autorität wird eher als
etwas Negatives empfunden, insbesondere das viel häufiger verwendete Adjektiv „autoritär“ ist klar
negativ aufgeladen. Schon beim Milgram-Experiment waren die Schüler*innen schockiert, dass die
Person auf die Autorität im Kittel hört, und sich nicht seines eigenen Verstandes bemüht. Es wurde
aus dem Kurs heraus eine Kritik an den Handlungen des Probanden formuliert und Kant als
Gewährsmann dieser Kritik angeführt. Darüber hinaus konnte sich lediglich ein Schüler vorstellen, er
selbst hätte eine hohe Spannung angelegt. Hier zeigten sich tief verwurzelte, aufklärerische Bilder
von Autonomie und Vernunftgebrauch. Diese ersten Stunden der Sequenz machen explizit die Gefahr
einer Autoritätshörigkeit und die Ursachen derselben bewusst. Dies befördert idealerweise
„selbständige[s] Urteil und […] eigenverantwortliche[s] Handeln“18, wie es im Schulgesetz von 1974
gefordert wird. Im Lehrplan wird jedoch explizit auch von der Notwendigkeit von Autorität
gesprochen. Eine einseitig kritische Betrachtung des Begriffs verhindert diese Erkenntnis und der
Begriff der Autorität als etwas Positives erscheint verloren, der Rückzug zur aufklärerischen Idee von
Autonomie und Vernunft der einzig gangbare Weg. Die Notwendigkeit der Autoritätsbeziehung
ergibt sich jedoch aus der Erkenntnis, dass wir als gesellschaftliche Wesen stets in
Abhängigkeitsbeziehungen zueinander leben. Wird Autorität als eine Beziehung verstanden, die
durch gegenseitige, vernünftige Anerkennung legitimiert wird, so verliert sie ihre einseitig negative
Konnotation und kann für die Reflektion des eigenen Lebens fruchtbar gemacht werden. Damit kann
sie zu „Orientierung in der modernen Welt“19 beitragen. Ein solcher positiver Begriff von Autorität
ermöglicht für die Schüler*innen einerseits eine kritische Distanzierung zu Autoritäten und erfordert
explizit das regelmäßige Hinterfragen dieser. Andererseits ermöglicht er die notwendigen und oft
hilfreichen Aspekte von Autoritätsbeziehung in den Blick zu nehmen. Insofern trägt die Behandlung
auch dazu bei, die eigene Position in der Gesellschaft besser zu verstehen, kritisch zu reflektieren und
Orientierung an bewusst gewählten Autoritäten als direkte Orientierung in der eigenen Lebenswelt in
Anspruch nehmen zu können.
Das vorliegende Thema bietet vielfach Anknüpfungspunkte im Alltag der Schüler*innen. Sie stehen
kurz vor dem Eintritt ins Wahlalter oder haben es schon erreicht. Damit wird die Reflektion
politischer Autorität virulent: Wie stehe ich zu politischen Autoritäten, die ich vielleicht nicht selbst
gewählt habe, die aber demokratisch legitimiert sind? Welche Entscheidungen kann ich akzeptieren,
und an welcher Stelle muss ich der Autorität meine Anerkennung entziehen? Bei diesem politischen
Kontext ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, dass zwischen zwei Formen von Anerkennung einer
Autorität unterschieden werden muss: Einerseits gibt es eine direkte Anerkennung, beispielsweise
einer Regierung, die die eigene Position unterstützt – ich nenne es hier Anerkennung ersten Grades.
Andererseits könnte einer Regierung isoliert betrachtet mit vernünftigen Gründen die Anerkennung –
und damit die Autorität – entzogen werden, und gleichzeitig könnte sie durch die demokratische
Legitimation Anerkennung zweiten Grades erhalten. Die Anerkennung der Autorität einer Regierung
erwächst dann nicht aus deren Handlungen und Zielen, sondern ausschließlich aus der Anerkennung
der Autorität der demokratischen Verfahren. Ebenso könnte eine Ablehnung jeglicher Regierungen in
einer Ablehnung des Wahlsystems (Ablehnung zweiten Grades) begründet werden. Da diese
Verstrickungen einen großen Lernwiderstand und Missverständnisse erzeugen, wurde dieser Kontext
nicht gewählt.
18
Ebd. S. 5.
19
Ebd..
7
Daneben hat jedes Kind Formen von Autorität in der Familie erlebt und viele standen/stehen als
Jugendliche wahrscheinlich regelmäßig vor der Frage, ob eine Auflehnung angebracht ist. Da jede*r
die Erfahrung von Erziehung in Schule und Familie gemacht hat, böte sich auch dieser Kontext an.
Jedoch besteht dabei die Gefahr, dass die Kindheit und die Lernjahre in der Schule als Sonderfälle
eingestuft werden, bei denen Autoritäten möglicherweise als notwendig angenommen werden.
Erwachsene, mündige Bürger*innen jedoch brauchen keine Autoritäten. Mit dieser Vorstellung wäre
die Zukunftsbedeutung des Themas beschränkt auf eventuelle pädagogische Tätigkeiten oder die
Erziehung eigener Kinder. Außerdem entspricht diese Ansicht meiner – und Newmarks – Meinung
nach nicht der Wahrheit. Vor diesem Hintergrund wurde auch dieser Kontext verworfen.
Der hier gewählte Kontext – Querdenker*innen als Repräsentant*innen von Wissenschafts- und
Regierungskritiker*innen – besticht durch seine hohe Aktualität. Jede*r hat Kontakt zu diesem
Thema, ob ganz persönlich oder über die Medien. Jede Person ist außerdem mit der Forderung zu
einer eigenen Positionierung konfrontiert: Bei jeder Entscheidung zum Tragen einer Maske oder der
Wahl, sich impfen zu lassen, spielt die eigene Positionierung zum Thema eine – mal mehr mal
weniger bewusste – Rolle: Trage ich die Maske, weil ich den Autoritäten der Wissenschaft und Politik
vertraue, oder sehe ich mich hier einem Zwang einer von mir nicht anerkannten Macht ausgesetzt?
Es besteht also ein hoher Lebensweltbezug. Die Frage nach dem Vertrauen in Wissenschaft und
Politik ist spätestens seit Trump ohnehin eine allgegenwärtige Frage, das Beispiel Klimawandel ist
hier wohl das prominenteste. Der gewählte Kontext ist darum auch offen für größere
Zusammenhänge und ermöglicht das kritische Hinterfragen der eigenen Positionierung zu
Autoritäten verschiedener Bereiche. Darüber hinaus zeigt sich bei Querdenker*innen auch, dass sie
ihren Anspruch, autoritätskritisch zu sein nicht einlösen: Sie hören lediglich auf andere Autoritäten.
Hier sind die Elemente der Notwendigkeit von Autoritäten sowie die Frage nach der vernünftigen
Auswahl virulent. Der Kontext bietet darum auch innerfachlich breite Anknüpfungspunkte.
Die Reihenfolge der Reihe ergibt sich aus den folgenden Überlegungen: Zunächst erscheint ein
kritischerer Blick auf Autoritäten ratsam, da eine nicht hinterfragte Autoritätshörigkeit große
Gefahren birgt. Insofern sollte dieser Position meiner Meinung nach auch explizit Raum gegeben
werden. Diese Vorstellung knüpft dabei auch besser an die heute präsente egalitäre,
autoritätskritische Intuition der Schüler*innen an. In der hier vorliegenden Stunde wird diese
negative Position dann mit einer nun kontraintuitiven Position kontrastiert. Die Idee, dass es auch als
Erwachsener auch gut und notwendig sein kann, auf (begründbare) Autoritäten zu hören, und nicht
alles erneut vernünftig und autonom zu durchdenken erscheint vor dem Hintergrund der letzten
Stunden und Reihen (Kants Ethik) als Provokation und erzeugt einen kognitiven Konflikt, der zu
motivationalem Potential führen kann und die Urteilsbildung anregt.20 Dies gilt auch, obwohl die zu
erarbeitende Position am Ende sehr plausibel erscheinen wird. Darum bietet sich hier auch eine
Problemorientierung an, denn die Schüler*innen sind tatsächlich direkt mit einem Problem
konfrontiert: Wie lässt sich ihr eher aufklärerisches Weltbild in Einklang bringen mit der
Vereinnahmung dieser Ideale durch die Querdenker*innen? Darüber hinaus kann die hier behandelte
Thematik auch als Korrektur und Ausschärfung der vorher erarbeiteten Position verstanden werden.
Sie ist differenzierter und schließt sowohl Autoritätskritik als auch -affirmation ein, insofern bildet sie
zu Recht den Abschluss der theoretischen Auseinandersetzung.
20
Vgl. Henke 2015, 87-90.
8
Schwierigkeiten
Die wohl größte Schwierigkeit ergibt sich, wenn einzelne Schüler*innen stark mit den
Querdenker*innen sympathisieren. Das Problem liegt nicht in der, meiner Meinung nach,
fragwürdigen Einstellung zum demokratischen System und den Wissenschaften. Wichtiger ist, dass
solche Schüler*innen möglicherweise kein Problem erkennen. Das Bild, das eine Herausforderung
sein sollte, würde dann lediglich als Affirmation der bisherigen Autoritätskritik gedeutet und damit ist
die weitere Beschäftigung und Textarbeit völlig unmotiviert. Hierbei muss jedoch bedacht werden,
dass sicherlich einige andere Schüler*innen widersprechen und sich ein Problem wenigstens
interpersonell ergibt. Daraus erwächst ein Begründungsbedürfnis auf beiden Seiten, dass zwar in
dieser Stunde nicht befriedigt werden kann, jedoch bereits für die nächste Stunde angebahnt wird. In
der folgenden Stunde soll dann explizit der Frage nachgegangen werden, welchen Autoritäten die
Schüler*innen vertrauen, worauf dieses Vertrauen beruht und ob es einer kritischen Prüfung Stand
hält. Infolgedessen besteht durch die Emotionalität des Themas auch die Gefahr, dass die Diskussion
mehr ins alltagsthematische abgleitet und der Bezug zum Thema Autorität in den Hintergrund gerät.
Hier ist eine klare Strukturierung von Seiten der Lehrkraft nötig, um dies zu vermeiden. Jedoch
schätze ich den Kurs nicht so ein, dass an dieser Stelle eine hitzige Debatte aufkommt, die nicht mehr
unter Kontrolle zu halten ist. (PK4)
Darüber hinaus muss auch ohne sich direkt widersprechende Meinungen zum Thema eine
Fokussierung geleistet werden: Die Thematik „Querdenker“ bietet vielfache Anknüpfungspunkte,
insbesondere zu Verschwörungsideologien, grundsätzlicher Systemkritik, Grundgesetz und Freiheit
sowie der problematischen Offenheit ins rechte Milieu. Alle diese Themen bieten in sich wieder
großen Gesprächsbedarf und potenziell konträre Meinungen, die jedoch in dieser Stunde nicht
intensiver diskutiert werden können. Der Bezug zu Verschwörungsideologien kann dabei als Beispiel
aufgegriffen werden, da die Thematik der Autorität sich hier vollständig analog aufzeigen lässt: Auch
hier gibt es scheinbare Autoritätskritik, die sich bei genauerer Untersuchung als eine Hörigkeit
gegenüber anderen Autoritäten entpuppt.
Beim Einstieg muss zunächst im Plenum geklärt werden, in welchem Kontext das Bild steht, denn
unter Umständen können es manche Schüler*innen nicht direkt zuordnen. Anschließend wird eine
kurze Think-Pair-Share Phase mit Fokussierung auf das Thema „Autoritäten“ eingebaut. Die direkte
Lenkung ist sinnvoll, um die oben genannten Schwierigkeiten besser kontrollieren zu können und zu
vermeiden, dass sich die Auseinandersetzung zu sehr auf die persönliche Einstellung zum Thema
bezieht (PK2). Infolgedessen ist auch ein höheres Argumentationsniveau zu erwarten (PK3). Die
gewählte Methode fordert jede*n auf, zunächst selbst zu denken und erzeugt so eine hohe
Aktivierung. Vielleicht werden auch bereits in der Pair-Phase Widersprüche sichtbar, was hier
wünschenswert ist. Durch die Diskussion ihrer Lösungen werden im Idealfall auch ruhigere
Schüler*innen ermutigt, sich in der anschließenden Share-Phase aktiv einzubringen, insbesondere,
wenn sich hier bereits ein Diskussionsbedarf ergibt (PK1). Die anschließende Share-Phase im Plenum
dient der Fokussierung auf eine Problemfrage. Hierbei wird an dieser Stelle offengelassen, welche
der im Verlaufsplan genannten Problemfragen im Zentrum stehen wird. Mit der Erarbeitung des
Textes werden ohnehin mehrere Fragen beantwortet, die teilweise aufeinander aufbauen. Insofern
ist es wünschenswerter, eine Frage aus der Klasse zu wählen, als eine bestimmte Frage zu erzwingen.
Diese Offenheit ist durch den Unterrichtsgegenstand angelegt und keine der möglichen Fragen
erzeugt meiner Meinung nach problematische Konsequenzen.
9
Erarbeitungs- und Sicherungsphase
Das Thema könnte auch als textfreie Stunde vermittelt werden. Geeignete Beispiele lassen sich
finden und durch eine streng strukturierte Lenkung mit Aufgaben oder im Unterrichtsgespräch wären
die Erkenntnisse ohne Text möglich. Jedoch bietet dieses Vorgehen großes Potential für
Verwirrungen und Abwege. Wie bis hierhin klar sein sollte, ist das Thema in diverse Kontexte
eingebunden und der Begriff Autorität ist stark aufgeladen. Würde beispielsweise eine textfreie
Gruppenarbeit gewählt, besteht die Gefahr, dass Schüler*innen einzelne Dimensionen des Begriffs
Autorität für das Ganze nehmen oder es nicht schaffen, eine eventuelle, autoritätskritische
Grundeinstellung ausreichend zu hinterfragen. Damit ergäbe sich vielleicht sogar eine Sackgasse für
einzelne Lernende. Wegen dieser Gefahr der verschiedenen (Ab-)Wege und Erkenntnishürden wurde
sich für eine strukturierende Textarbeit entschieden in der Hoffnung, dass dadurch zusätzliche
Klarheit und Ordnung der Gedanken geschaffen werden kann. Auch der große Anteil an eher
oberflächlich argumentierenden, aktiven Schüler*innen spricht für eine Textarbeit. (PK2) Zudem ist
weiterhin eine Mischung der Gruppe zu Gruppenarbeiten nicht erlaubt, mit der manche der
Probleme minimiert werden könnten.
Da der Text inhaltlich und formell gut zugänglich ist und von den Schüler*innen selbst erschlossen
werden kann, wurde nur eine kurze Aufgabe mit direktem Bezug auf den Text gewählt, der direkt
einer Anwendungsaufgabe folgt. Da zusätzlich die Argumentationskette des Textes kurz ist, und der
letzte Abschnitt unabhängig von der Argumentation ist, sind Verfahren der
Argumentationsrekonstruktion nicht sinnvoll. Es wurde sich dafür entschieden, das Thema der
einzelnen Abschnitte benennen zu lassen. Dieses Verfahren eignet sich insbesondere bei
eigenständig gut handhabbaren Texten. Es wurde darauf verzichtet, die Sinnabschnitte selbst finden
zu lassen, damit mehr Zeit für Anwendung und Vertiefung bleibt, der Mehrwert für die Schüler*innen
wäre dabei zu gering, um den deutlich höheren Zeitanspruch zu rechtfertigen. Da die zweite Aufgabe
direkt ohne Sicherung anschließt und bereits ein gewisses Verstehen voraussetzt, bzw. dazu
auffordert, wurde sich bei beiden Aufgabenteilen für eine Partnerarbeit entschieden, um die Gefahr
eines völligen Missverstehens zu minimieren und so Frustration vorzubeugen. Die zweite Aufgabe
zielt auf die Definition des Autoritätsbegriffs von Newmark und fordert, diesen auf Fallbeispiele
anzuwenden. Hiermit wird vermieden, dass die Definition bei einer anderen Fragestellung bloß
paraphrasiert wird. Durch das Gegenbeispiel und zwei nicht eindeutige Beispiele ist eine genaue
Auseinandersetzung nötig. Solche Beispiele von den Schüler*innen selbst finden zu lassen ist durch
eine Aufgabe kaum zu steuern – im Gegensatz zu eindeutig positiven Beispielen. Da jene jedoch viel
zum Verständnis und zur Abgrenzung zu anderen Begriffen beitragen, werden sie hier von Seiten der
Lehrkraft eingebracht. Auch muss bei dieser Aufgabe wieder betont werden, dass hier der
Autoritätsbegriff Newmarks angewendet wird, und diese nicht mit den eigenen Vorstellungen von
Autoritäten vermischt werden sollte (PK2,3).
Vertiefung
Zur Vertiefung wird der Blick wieder auf den Kontext Querdenker*innen gelenkt. Die Schüler*innen
werden aufgefordert, einen kurzen Dialog zwischen einem selbst erklärten radikalen Selbstdenker
und Newmark zu verfassen. Dabei wird angeregt auch darauf zu schauen, was – obwohl es illusorisch
und gefährlich ist – der wahre Kern solcher Forderungen ist: Autoritäten hinterfragen ist nicht nur
geboten sondern bei Newmark sogar notwendig für wahre Autoritätsverhältnisse. Dabei ist Raum für
verschiedene Antworten: Der Fokus könnte von manchen auf den illusorischen Anspruch der
Querdenker*innen gelegt werden, während betont wird, dass das prinzipielle Hinterfragen von
Autoritäten trotzdem angebracht ist. Weitergedacht wird damit deren Inanspruchnahme von
10
Autoritäten aufgedeckt. Hierbei wird deutlich, dass die Illusion der Autoritätsfreiheit die Gefahr birgt,
die eigenen Abhängigkeitsbeziehungen nicht wahrzunehmen. Was Querdenker*innen als
Selbstdenken ansehen ist auch abhängig von Autoritäten. Damit wird die Frage nach der richtigen
Auswahl der Autoritäten akut. So wird der Bogen zur nächsten Stunde geschlagen, in der dann die
nun akute Frage nach der richtigen Auswahl vertieft werden soll.
Die Form des Dialoges bietet sich an, denn dadurch lassen sich die Widersprüche direkter darstellen.
Zudem ermutigt dieses Aufgabenformat das eigenständige Formulieren in alltäglicher Sprache und
vermeidet eine rein paraphrasierende Wiedergabe.
Didaktische Reserve
In dieser Stunde wahrscheinlich nicht mehr erreichbar ist die Aufgabe, eine Tabelle mit Chancen und
Risiken von Autoritäten zu erstellen. Diese Aufgabe schließt an den Text an, geht aber über ihn
hinaus und vertieft die neue Erkenntnis, dass Autoritäten auch positiv sein können, ohne dass dabei
die Gefahren von Autoritätshörigkeit vergessen werden. Insofern spannt sie einen Bogen über die
bisherigen Stunden und fasst einige lebensweltlich relevanten Erkenntnisse zusammen. Diese
Aufgabe wird als Hausaufgabe gegeben und in der nächsten Stunde als Überleitung zur Frage nach
der richtigen Auswahl von Autoritäten genutzt.
Optional, falls nur noch sehr wenige Minuten Zeit sind, kann abgefragt werden, ob die Schüler*innen
die hier vorgestellte Konzeption von Autorität plausibel finden. Es wurde auf diese häufig
obligatorische Aufgabe verzichtet, da zu erwarten ist, dass sie der Position zustimmen. Der strittige
Punkt ist eher begrifflicher Natur: Ist der Autoritätsbegriff geeignet als Beschreibung solcher
Beziehungen oder aufgrund seiner Vieldeutigkeit unpassend oder wenigstens unpraktisch? Diese
Frage ist eine sinnvolle Vertiefung und Reflektion, in einem Philosophiekurs wäre diese
Auseinandersetzung mit der Begriffsbildung sicherlich angeraten. Im Ethikkurs halte ich sie für
optional, denn es ist schon ein großer Lernertrag, wenn der Begriff der Autorität als hilfreich aber
auch gefährlich erkannt und reflektiert wird. Diese Erkenntnis bleibt auch bestehen, wenn die
Schüler*innen im Alltag eine eindeutigere Verwendung des Begriffes nutzen.
11
6. Anhang
6.1 Arbeitsblatt:
Auszüge aus: Catherine Newmark –
Warum auf Autoritäten hören (2020)
Die Realität ist, dass wir uns fast jederzeit in einem komplizierten Geflecht
von Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen wiederfinden. […] Wir sind
gesellige Wesen, wir sind von anderen abhängig, und wir müssen uns auf
andere verlassen können. […]
Der Experte beispielsweise ist eine Figur, die uns allen viel Zeit und Aufwand
erspart. Wissen ist immer auf Autorität angewiesen – in dem Sinne, dass man
darauf vertraut und Erkenntnissen Glauben schenkt. […] Die Vernunft ist, das
wissen wir nicht erst seit der Aufklärung, ein wunderbares Instrument, mit
dem jeder Einzelne über alles nachdenken kann – aber nicht jeder Einzelne
kann jedes Mal für sich die Quantenphysik neu erfinden. […] Auch
Demokratien brauchen geordnete, allseits anerkannte Machtverhältnisse.
[…] Diesen Tatsachen trägt die Idee der Autorität Rechnung. Sie ist eine der
Möglichkeiten, die wir haben, Machtverhältnisse nicht vornehmlich als
Unterdrückung zu denken, sondern vielmehr als produktive, positive
Beziehungen der wechselseitigen Anerkennung. […]
Autorität entsteht nämlich genau da, wo wir andere bewusst als Autoritäten
anerkennen, ihnen Überlegenheit zuschreiben und Verantwortung überlassen
– […] sie also autorisieren. Autorität, so verstanden, ist ein dynamisches,
flexibles und stetig sich wandelndes Verhältnis zwischen Menschen.
Autorität bleibt aber immer auch ein bisschen gefährlich – ein ambivalentes
Prinzip, das schnell missbraucht werden kann und oft missbraucht wurde. […]
Nur wenn wir uns klar werden, in welchen Abhängigkeitsverhältnissen wir
immer stehen und welche davon auch mit demokratischen, egalitären Idealen
vereinbar sind, können wir uns immunisieren gegen autoritäre Verführung.
Nur wenn wir klar unterscheiden können zwischen den auch für heutige
Gesellschaften unverzichtbaren Formen der Autorität und den absolut
verzichtbaren alten, autoritären Ordnungen, können wir die Frage
beantworten, auf welche Autoritäten wir hören sollen. […]
Aus: Newmark, C. (2020): Warum auf Autoritäten hören? Berlin: Dudenverlag.
Partnerarbeit:
12
6.2 Geplantes Tafelbild
https://www.aachener-zeitung.de/panorama/bilder-querdenken-demo-in-berlin-gegen-corona-politik_bid-53038793#3
Keine Anerkennung durch Vertraut die Schülerin auf Mädchen Rat ist nur eine
Sklave das Urteil und das Wissen vertraut völlig Stimme unter
der Lehrerin? auf Rat der vielen
Freundin
Unterdrückungsverhältnis Ja Nein
Autoritäts- Kein
verhältnis Autoritäts-
Autoritäts- Kein verhältnis
verhältnis Autoritäts-
verhältnis
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7. Literatur/Quellen
Arendt, H. (1970): Macht und Gewalt. München: Piper Verlag.
Baader, M.S., Scheiwe, K. (2019): Erziehung und Schule nach 68. In: Sozial Extra 43. S. 48–52.
Fromm, E. (1936): Theoretische Entwürfe über Autorität und Familie. Sozialpsychologischer Teil. In:
Horkheimer, M.; Fromm, E.; Marcuse, H. (Hrsg.): Studien über Autorität und Familie.
Forschungsbericht aus dem Institut für Sozialforschung. Lüneburg: zu Klampen. S. 77-135.
Gadamer, H.-G. (1990/1960): Gesammelte Werke. Bd. 1. Hermeneutik: Wahrheit und Methode. – 1.
Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen: Mohr-Siebeck.
Henke, R.W. (2015): Die Förderung philosophischer Urteilskompetenz durch kognitive Konflikte. In:
Nida-Rümelin, J.; Spiegel, I.; Tiedemann, M.: Handbuch Philosophie und Ethik. Band 1:
Didaktik und Methodik. Paderborn: Schöningh. S. 86-95.
Kant, I. (1784): Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berliner Monatsschrift, Bd. 4,
zwölftes Stück , S. 481-494. Abgerufen (02.07.2021) unter:
https://de.wikisource.org/wiki/Beantwortung_der_Frage:_Was_ist_Aufkl%C3%A4rung%3F
Kirchner, F. et al. (2013): Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg: Meiner Verlag.
Martens, E. (2003): Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren als elementare
Kulturtechnik. Hannover: Siebert.
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