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28.12.2018.

Literatur der Weimarer Republik


- Vielgestaltiges Gebilde, vielseitig, vielschichtig

- Pluralistisch

- Abgrenzung zu vorhergehenden oder nachfolgenden Epochen kaum


möglich

- Deutlich politisierender Charakter

- Frage der Aufgabe der Literatur nach 1918

- Vielstimmiger Chor

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Literatur der Weimarer Republik


„Unsere Zeit beherbergt nebeneinander und völlig
unausgeglichen die Gegensätze von Individualismus und
Gemeinschaftssinn, von Aristokratismus und Sozialismus,
von Pazifismus und Martialismus, von Kulturschwärmerei
und Zivilisationsbetrieb, von Nationalismus und
Internationalismus, von Religion und Naturwissenschaft, von
Intuition und Rationalismus und ungezählt viele mehr. Man
verzeihe das Gleichnis, aber der Zeitmagen ist verdorben und
stößt in tausend Mischungen immer wieder Brocken der
gleichen Speise auf, ohne sie zu verdauen.“
 (R. Musil, Das hilflose Europa (1922))

Politischer und geschichtlicher Hintergrund

 1918 – 1923
 1923 – 1929
 1929 – 1933

1918 – 1923 (Entstehungs- und Selbstbehauptungsphase)

- Gründung der ersten deutschen Demokratie im Zeichen der militärischen


Niederlage im I. WK
- > politische und wirtschaftliche Krise

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Politischer und geschichtlicher Hintergrund


Kaiser Wilhelm II Philipp Scheidemann Friedrich Ebert

9.11.1918 – Kaiser Wilhelm II dankt ab – Philipp Scheidemann SPD – Republik


ausgerufen.
Friedrich Ebert – wurde zum Reichskanzler

Politischer und geschichtlicher Hintergrund

Nachkriegsjahre
- Zahlreiche innen- und außenpolitische Herausforderungen

- 28. Juni 1919 Friedensvertrag von Versailles (Gebietsabtretung,


Reparationszahlungen, Putschversuche, Inflation)

- Radikalisierung links/rechts > „Dolchstoßlegende“ „Versailler


Schandfrieden“
- Währungsreform > 1923 Konsolidierung der Republik

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Politischer und geschichtlicher Hintergrund

1923 – 1929 (Phase der relativen Stabilisierung)


- „die goldenen Zwanziger“
- Gustav Stresemann (Außenminister) > 1926 Friedensnobelpreis
- 1925 Paul von Hindenburg Reichspräsident

Politischer und geschichtlicher Hintergrund

1929-1933 (Phase der Auflösung und Zerstörung)


- 1929 „schwarzer Freitag“ > Weltwirtschaftskrise >
Arbeitslosigkeit
- 1930 Stärkung der NSDAP
- 30.01.1933 Hitler Reichskanzler > Übergang zur
Führerdiktatur

Österreich
- Zerfall der Donaumonarchie
- Abdankung des Kaisers (11.11.1918)

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Soziokultureller Wandel
- Krieg und darauf folgende Krisen > Ende der „bürgerlichen“ Epoche

- 1,8 Mill. Tote , Senkung der Geburtenrate > „sterbendes Volk“

- Skrupellosigkeit, Anpassungsbereitschaft, Schlauheit, Bestechlichkeit


anstatt Anstand Ehrlichkeit, Fleiß, Treue …

- Zukunftsängste, Statusunsicherheit > vor allem Mittelstand

- Fortschreitende Technisierung

- Veränderungen in der Oberschicht > Adel muss Teil seiner Macht an das
Bürgertum abgeben (Politik)

Amerikanismus
- „American way of life“ in Großstädten (Jazz, Kino, Sechstagerennen,
Foxtrott, Tango …);

- Berlin als europäisches Zentrum des amerikanischen Einflusses

- konsum-, genuss- und freiezeitorientierte Lebensstil (Coca-Cola, Ch.


Chaplin, M. Mouse …)

- Frauenmode, neuer Typ der Frau, Frauenwahlrecht

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Titelseite der Zeitschrift


Internationale Filmschau
1921

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Kritik des Amerikanismus


Es gibt eine Gruppe von Dichtern, die glauben, sie hätten ein Gedicht
verfasst, indem sie ‚Manhattan‘ schreiben. Es gibt eine Gruppe von
Dramatikern, die glauben, sie manifestieren das moderne Drama, wenn sie
die Handlung in einem Blockhaus in Arizona spielen lassen und wenn
eine Flasche Whisky auf dem Tisch steht. Die ganze junge deutsche
Literatur seit 1918 arbeitet mit dem Schlagwort Tempo, Jazz, Kino,
Übersee, technische Aktivität, bei betonter Ablehnung aller seelischen
Probleme. […] Ich persönlich bin gegen Amerikanismus. Ich bin der
Meinung, dass die Philosophie des rein utilitaristischen Denkens, des
Optimismus a tout prix, des ‚keep smiling‘, des dauernden Grinsens auf
den Zähnen, dem abendländischen Menschen und seiner Geschichte nicht
gemäß ist.
(G. Benn, 1928)

Massenmedien
- Moderne Massenkultur als Folge der technologischen und
wirtschaftlichen Entwicklung der Massenmedien (Film, Rundfunk)

- Neue Darstellungsformen: Montage, Dokumentation, Reportage >


„filmische“ Schreibweise

- Große Auswirkungen auf das „Buch“ < Konkurrenz der neuen Medien,
Konsumverhalten; 1927 erste Bestsellerliste in Deutschland

- Die Presse behauptete ihre mediale Vormachtstellung in der WR

- Das Kino prägte am stärksten die Alltagskultur (1930 etwa 5.000 Kinos)

- Rundfunk entwickelt sich zum Massenmedium in der WR > Hörspiel

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Kultur des Übergangs


Zukunftspessimismus
- Jaspers: „Dasein scheint nichts als Angst zu sein“
- Die Frage der Zeitgenossen: was wird nach der WR kommen
- Zeit als chaotisch, zerrissen, unsicher empfunden
Der Mensch aber, der Mensch, einst Gottes Ebenbild, Spiegel des Weltwerts,
dessen Träger er war, er ist es nicht mehr; mag er auch noch eine Ahnung von der
einstigen Geborgenheit besitzen, mag er sich auch fragen, welch übergeordnete
Logik ihm den Sinn verdreht hat, der Mensch, hinausgestoßen in das Grauen des
Unendlichen, mag ihn auch schaudern, mag er auch voller Romantik und
Sentimentalität sein und sich zurücksehnen in die Obhut des Glaubens, er wird
ratlos bleiben im Getriebe der selbstständig gewordenen Werte, und nichts bleibt
ihm übrig als die Unterwerfung unter den Einzelwert, der zu seinem Berufe
geworden ist, nichts bleibt ihm übrig, als zur Funktion dieses Wertes zu werden, –
ein Berufsmensch, aufgefressen von der radikalen Logizität des Wertes, in dessen
Fänge er geraten ist.
Hermann Broch: Die Schlafwandler. Eine Romantrilogie. 9. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988, S. 498.

O. Spengler (1880-1936)
Der Untergang des Abendlandes
- Spengler versucht das übliche lineare Schema – Altertum, Mittelalter,
Neuzeit – abzulösen > Geschichte als Neben- und Nacheinander
verschiedener, in sich abgeschlossener „Kulturen“ (Kultur als
Organismus)
- Individuen können ihr Bewusstsein nur aus der Seele der Kultur ableiten
- Kultur als „lebendige Natur“, deren Entwicklung in drei Phasen verläuft:
- Wachstum, Blüte, Verfall
- Übertragung der Methode der beschreibenden Naturwissenschaften auf
die Geschichtsschreibung
- Im „westeuropäisch-amerikanischen“ Raum sieht Spengler den Zustand
einer „abendländischen Gesamtkultur“, die dem Zeitraum Antike /
Helenismus entspricht

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Neue Voraussetzung in einer


demokratischen Massengesellschaft
- Garantie der Meinungsfreiheit
- „Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen
Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger
Weise frei zu äußern. An diesem Rechte darf ihn kein Arbeits- oder
Anstellungsverhältnis hindern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn
er von diesem Rechte Gebrauch macht.
Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz
abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur
Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutze der
Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche
Maßnahmen zulässig.“
- (Weimarer Verfassung, Artikel 118)

Literatur der Weimarer Republik


- Literatur als Ware
- Neue Produktionsmöglichkeiten > millionenfacher Druck
- Funktion des Schriftstellers
„Der bedrängte Verleger aber braucht Erfolg um jeden Preis. Er bestellt, impft
Ideen ein oder was er dafür hält, zwingt einen Autor, der zu Dunkel neigt, hell zu
schreiben; er verwirrt ihn, nimmt ihm den persönlichen Zug. Oder er nötigt einen
Autor, den ein Zufallserfolg hochgehoben hat, nun weiter auf gleichem Feld zu
ackern, er lehnt andre Vorschläge als nicht zugkräftig ab. Er raubt seinen Leuten
damit das Recht auf die Entwicklung, nimmt der Literatur den Reiz der
Vielfältigkeit, stellt seine genormten Autoren wie gespießte Schmetterlinge
nebeneinander. Oder er greift kritiklos auf, was ein Andrer grade mit Erfolg
begonnen hat. Der Respekt vor dem Original, vor der Einzigartigkeit einer
Leistung ist dahin.“
(Carl von Ossietzky: „Ketzereien zum Büchertag“, Die Weltbühne, 25. Jahrgang 1929, Nummer 12, Seite
441-445)

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Literatur der Weimarer Republik


- Schriftstellerorganisationen
- Radikalisierung der Politik und Literatur
- 1926 Entwurf für „Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor
Schund- und Schmutzschriften“
- Befürchtungen um den Zensurmissbrauch
„Die Notwendigkeit, unsere Jugend gegen Schmutz und Schund zu
schützen, diese Notwendigkeit, auf die der leider in Rede stehende
Gesetzentwurf sich gründen soll, ist für jeden Lesenden und Wissenden
nichts als ein fadenscheiniger Vorwand seiner Autoren, um sich
durchschlagende Rechtsmittel gegen den Geist selbst und seine Freiheit zu
sichern.“
(Th. Mann, Schund- und Schmutzgesetz)

Literatur der Weimarer Republik


Vielfalt der Strömungen
 Ausgang des Expressionismus
 Verkündung der neuen Welt, des neuen Menschen
 Expressionismus verlor na seiner Funktion
„Nichts mehr von Krieg und Revolution und Welterlösung!
Laßt uns bescheiden sein und uns anderen, kleineren Dingen
zuwenden.“
(Paul Kornfeld)
 Dadaisums
 Anarchistisch-satirische Destruktion des bürgerlichen Kunstbegriffs

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Literatur der Weimarer Republik


 Proletarisch-revolutionäre Literatur
 E. Piscator > proletarisches Gemeinschaftsgefühl
 Agitprop-Theater > arbeiten mit Klischees

„Der“ Fabrikant war ein fetter Spießer, er trug die Aktenmappe, „der“
Faschist hatte die Mördervisage und war bis an die Zähne bewaffnet,
„der“ Sozialdemokrat war ein vertrottelter „Sozialfaschist“, „der“
Prolet war ehrlich und verhungert.
(Friedrich Wolf, Schöpferische Probleme des Agitproptheaters“1933)

Literatur der Weimarer Republik


 Neue Sachlichkeit
 1925 G. Hartlaub, Ausstellung „Neue Sachlichkeit“
 Prosa dominant
 Reportage, Essay
"Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist
exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als
die Sachlichkeit, und nichts Sensationelleres gibt es in der
Welt als die Zeit, in der man lebt."
(Egon E. Kisch: Der rasende Reporter. Vorwort zur 1. Ausgabe, 1925)

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