Sie sind auf Seite 1von 89

VOLKER SCHERLIESS/ARNO FORCHERT, Art. Konzert in: MGG Online, hrsg.

von Laurenz
Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., veröffentlicht Juni 2015, https://www-1mgg-
2online-1com-1jvd8i9gz017b.emedia1.bsb-muenchen.de/mgg/stable/11587 © 2016–2021 GbR
MGG

A. Zum Begriff: Ursprünge und Entwicklung

Der Begriff Konzert (concerto) bezieht sich auf Musik, die durch ein heterogen besetztes
Ensemble aufgeführt wird; er bezeichnet sowohl ein kompositorisches Prinzip wie auch einen
Stil, eine musikalische Form und eine Gattung. Darüber hinaus gilt er für musikalische
Veranstaltungen (→Konzertwesen), wobei im italienischen und deutschen Sprachgebrauch
kein Unterschied gemacht wird, während das Englische und Französische zwischen concerto
(Werk, Form, Gattung) und concert (Veranstaltung) trennen.

In der etymologischen Ableitung des Terminus fließen zwei Bedeutungen zusammen: Das
zugrundeliegende lat. Wort concertare heißt sowohl ›wetteifern, kämpfen, streiten,
disputieren‹ als auch ›mit jemandem zusammenwirken‹. Das daraus abgeleitete ital.
concertare gewann den Sinn ›etwas miteinander in Übereinstimmung bringen, aufeinander
abstimmen, miteinander vereinigen‹. Beide Grundrichtungen (die einander nicht
ausschließen, sondern das Moment des Zusammenwirkens heterogener Partner im Ensemble
beschreiben) wurden im Laufe der Entwicklung unterschiedlich gewichtet. So betonen
Begriffe wie engl. consort oder span. tañer en concierto (D. Ortiz, Tratado de glosas, Rom 1553)
sowie die Gleichsetzung von concerto mit cantio harmonica, concentus und auch sinfonia (etwa
bei Vivaldi und noch in Joh. Chr. Bachs op. 1) den gemeinschaolichen Aspekt, während der
Charakter des Wettstreits in Formulierungen wie »mit einander scharmützeln« (PraetoriusS 3,
S. 5) dominiert. Diese (sinnvolle) sprachliche Ambivalenz blieb in der Geschichte des Konzerts
erhalten. (Die von Fr. Giegling und H. Engel in den Art. Concerto bzw. Concerto grosso [in: MGG
1952] behauptete Ableitung von lat. conserere – ›zusammenreihen, verbinden‹ gilt als
unzutreffend; vgl. E. Reimer 1973.)

Der Begriff concerto bezog sich ursprünglich auf vokale und gemischt vokal-instrumentale
Gattungen, bevor er zur Bezeichnung von Instrumentalmusik wurde (wobei die Bezüge zu
vokalen Formen erhalten blieben). Begriff und Wesen des Concerto waren für das 17. und 18.
Jh. so bestimmend, daß J. Handschin diese Epoche als Zeit des »konzertierenden Stils«
(Musikgeschichte im Überblick, Bd. 2, Luzern 1948, S. 286) bezeichnete. Daneben entstand das
selbständige Instrumentalkonzert, das seinerseits sowohl die großen Formen höfischer
Repräsentationsmusik als auch persönliche Ausdruckshaltung der Kammermusik verbindet.
Entstehungsgeschichtlich war der konzertierende Satz aus der Motette hervorgegangen, zu
der auch Instrumente hinzugezogen wurden. Dabei wurde das alte Prinzip des antiphonalen
Gegen- und Miteinander angewandt. Modell war jene Mehrchörigkeit, wie sie etwa an San
Marco in Venedig gepflegt wurde und in den Concerti von A. und G. Gabrieli, der ersten mit
diesem Titel versehenen Sammlung (Vdg. 1587), schon voll ausgeprägt war. Dabei handelte es
sich um »musica di chiesa, madrigali, & altro, per voci, & stromenti musicali« – eine Mischung
also, was Besetzung, Stimmenzahl und Texte betriw. Bei den Florentiner Intermedii e concerti
(Vdg. 1591) handelte es sich um instrumental begleitete Madrigale, während A. Banchieri mit
seinen Concerti ecclesiastici (Vdg. 1595) ausdrücklich geistliche Musik schuf. Daß Monteverdi
sowohl seine Scherzi musicali (Vdg. 1607), das 7. Madrigalbuch (ebd. 1619) als auch die
Marienvesper (ebd. 1610) als concerti bezeichnet, mag die Weite des Begriffes verdeutlichen.
(Zum Vokalkonzert s. B.I.)

Wie verbreitet der Terminus war, geht nicht nur aus Werktiteln und theoretischen Traktaten,
sondern beispielsweise auch aus den zahlreichen bildlichen Darstellungen musizierender
Personen hervor, die – ohne Rücksicht auf ihren eigentlichen ikonographischen Inhalt – als
concerti bezeichnet wurden (und noch werden). Man denke nur an die Engelskonzerte auf
Altarflügeln und Marienkrönungen, an die ländlichen Konzerte bei Giorgione (1477/78–1510)
und Jean-Antoine Watteau (1684-1721) oder an die zahllosen Mehrfigurenbilder, denen der
Titel Konzert mehr aus Verlegenheit verliehen wurde und die in Wirklichkeit allegorisch
verschlüsselte Inhalte darstellen – Bildthemen etwa wie Die Lebensalter, die Geschichte vom
verlorenen Sohn und andere, auf denen musizierende Personen zu sehen sind. Auch
Caravaggios (um 1573-1619) berühmtes Bild (Abb. 1), das gern als Concerto bezeichnet wird, ist
nicht etwa die realistische Wiedergabe einer Aufführung (zumal keiner der Dargestellten
tatsächlich musiziert), sondern eine Allegorie der Musik, deren einzelne Bildelemente – das
Stimmen der Laute, ein Notenbuch, die Weintrauben sowie die erst kürzlich bei einer
Restaurierung wieder freigelegten Flügel der linken Figur, also Amors – sich wie einzelne
ikonographische Vokabeln zum übergeordneten Sinn zusammenfügen. Ähnliche
Darstellungen gibt es in großer Zahl aus allen Epochen. In keinem Falle aber sind sie
ungeprüo als Zeugnisse für Besetzung oder Aufführungspraxis zu werten. Freilich können sie
mitunter einzelne konkrete Hinweise zur Besetzung geben, zumal wenn es sich dem Typus
nach um ›Berufsbilder‹ handelt, die etwa Angehörige einer höfischen Kapelle in ihrer
Funktion als Musiker darstellen (so auf dem Concerto betitelten Bilde von Antonio Domenico
Gabbiani [1652-1726] in Florenz; Abb. 2). Aber sie können auch Fragen aufwerfen. So gilt z. B.
Francesco Guardis (1712-1793) Darstellung eines venezianischen Galakonzertes (Abb. 3) als
Wiedergabe einer Veranstaltung des Pio Ospedale della pietà, jenes Orchesters, dessen
berühmtester Kapellmeister Vivaldi war und von dem Reisende wie Burney berichteten: »Die
Instrumental- und Vocal-Musik wird von lauter Mädchen aufgeführt. Diese spielen Orgel, die
Violinen, die Flöten, die Violonschells, und blasen sogar die Waldhörner« (Tagebuch einer mus. Reise,
dt. von C. D. Ebeling, Hbg. 1772, S. 101). Man erkennt in der oberen Reihe 13 Sängerinnen,
darunter zwei Reihen von Violin- oder Violaspielerinnen, in deren Mitte zwei
Baßinstrumente auffallen. Wo aber sind die weiteren Baß- und insbesondere die Continuo-
Instrumente plaziert, die doch sicherlich dazugehörten? Möglicherweise sind sie außerhalb
des Bildfeldes zu denken, oder es kam dem Maler überhaupt nicht auf eine realistische
Darstellung an.

Abb. 1:»Concerto« (Allegorie der Musik) von Caravaggio (Michelangelo Merisi, um 1573-
1619; New York, Metropolitan Museum of Arts)
Abb. 2:»Concerto« (Höfische Gesellschaa mit Musikinstrumenten) von Antonio Domenico
Gabbiani (1652-1726; Florenz, Palazzo Pitti, Appartamenti)

Abb. 3:»Concerto« (Venezianisches Galakonzert) von Francesco Guardi (1712-1793;


München, Alte Pinakothek)
Unter den musikalischen Gattungen nimmt das Konzert insofern eine besondere Stellung ein,
als es weder ganz der ›hohen Kunst‹ angehört noch zur bloßen ›Unterhaltung‹ dient, sondern
zwischen beiden Bereichen vermittelt. Immer muß die Balance zwischen innerem Anspruch
und äußerem Glanz – zwischen Kunstwerk und Kunststück – gehalten werden. Freilich wurde
eine große Zahl von Konzerten von berühmten Virtuosen zum eigenen Gebrauch geschrieben
und hatte keinen anderen Zweck als die Präsentation spieltechnischer Brillanz; dennoch
mußten sie bestimmte, durchaus strenge formale Ansprüche (im Gegensatz etwa zur
Fantasie) erfüllen. Andererseits wäre es unangemessen, den Rang eines Konzertes lediglich
von seiner formalen, analytischen Seite zu verstehen und nicht gerade auch dem spielerisch-
virtuosen Element sein Recht zu geben.

In Fällen, wo der Komponist das betreffende Instrument nicht selbst in allen Nuancen
beherrscht und auf Rat und Hilfe eines Spezialisten angewiesen ist, können sich
kompositorischer Rang und virtuoser Anspruch im dialektischen Austausch gegenseitig
steigern, wie sich im Falle des Violinkonzertes etwa an der Zusammenarbeit zwischen
Mendelssohn und David, Brahms und Joachim, A. Berg und Louis Krasner, Stravinskij und
Samuel Dushkin (1891-1976) demonstrieren läßt. (Das gemeinsam erarbeitete Konzert solle
›nach Geige stinken‹, lautet eine von Stravinskij 1931 scherzhao gegenüber Dushkin gemachte
überlieferte Bemerkung, und in der Tat blieb keine violintechnische Möglichkeit ungenutzt.)
Was Klarinettisten wie A. Stadler für Mozart oder H. J. Bärmann für Weber bedeuteten, läßt
sich erkennen, wenn man sich mit den entsprechenden Werken beschäoigt. Jedes Instrument
hat seine Komponisten und seine Virtuosen in der Geschichte. Das gilt von den Anfängen der
Gattung bis in die Gegenwart.

volker scherliess

B. Das Vokalkonzert

I. Begriffsbestimmung

Der Begriff Concerto, im 16. und 17. Jh. bei Titeln in italienischer Sprache nicht selten in
ähnlich allgemeiner Bedeutung wie Concento verwendet, bezeichnet im engeren Sinne
zunächst Werke, in denen das Zusammenwirken von Singstimmen und Instrumenten (»[…]
per voci, & strumenti musicali« heißt es im Druck der Concerti di Andrea, et di Gio. Gabrieli, Vdg.
1587) vorgesehen ist, die eine Aufführungspraxis mit kontrastierenden Klanggruppen
ermöglichen (hohe gegen tiefe Chöre, Vokalstimmen gegen Instrumente, Solo- gegen
Tuttibesetzung). Seit dem Anfang des 17. Jh. wird er allerdings vorwiegend auf geistliche oder
weltliche Generalbaßkompositionen bezogen, an denen Solostimmen beteiligt sind. Jedoch
lassen sich bei seinem Gebrauch in Italien und Deutschland deutliche Unterschiede
feststellen. Denn während in Italien die geistliche Musik mit lateinischem Text, auch wenn
sie Solostimmen mit B.c. verwendet, dem Gattungsbegriff Motette zugeordnet bleibt, kommt
es in Deutschland schon früh zu einer stilistischen Unterscheidung von Concerto und
Motette, in deren Folge sich das Geistliche Konzert als eigene Gattung konstituiert. Im
folgenden wird daher die italienische Musik nur insofern einbezogen, als sie für Entstehung
und Entwicklung des deutschen Vokalkonzerts die Voraussetzung bildet. (Zu den
entsprechenden Erscheinungsformen der konzertierenden Kirchenmusik in Italien
→Motette.)

II. Italienische Vorbilder

Der planvolle Einsatz von Klanggruppenkontrasten entwickelt sich am Ausgang des 16. Jh. im
Rahmen der mehrchörigen Kompositionspraxis der beiden Gabrielis in Venedig. Die auf
Andrea Gabrieli zurückgehende Kontrastierung hoher und tiefer Chöre wird von Giovanni
Gabrieli nicht nur übernommen, sondern in dessen reichbesetzten venezianischen
Festmusiken gleichzeitig auch durch die Gegenüberstellung von Solopartien, Kapellchören
und instrumentalen Abschnitten gesteigert. Ein eindrucksvolles Bild dieser vielfältigen
Besetzungspraxis liefert der posthum erschienene Druck der Symphoniae sacrae (Vdg. 1615),
dessen Aufführungshinweise, worauf D. Arnold 1962 und R. Charteris 1990 hingewiesen
haben, in ähnlicher Weise bereits für die Symphoniae sacrae von 1597 (ebd.) Gültigkeit
besitzen. Die Kompositionen Andrea und Giovanni Gabrielis wurden durch die Nürnberger
Sammeldrucke von L. Lechner, Fr. Lindner und C. Haßler schon vor der Jahrhundertwende
auch in Deutschland bekannt. H. L. Haßler und Gr. Aichinger, die selbst in Italien gewesen
waren, aber auch Komponisten wie Chr. Erbach (I), H. Praetorius, Fr. Weissensee u.a.,
knüpoen vor allem an das Vorbild der mehrchörigen Werke Andrea Gabrielis an. Auch M.
Praetorius ist ihnen darin, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in seinen bis 1612
entstandenen Choralkonzerten gefolgt, nicht zuletzt wohl auch deswegen, weil in
Deutschland die aufführungspraktischen Voraussetzungen für eine weitergehende klangliche
Differenzierung bis hin zu Solostimmen und Instrumentalchören zunächst nur in seltenen
Fällen zu erfüllen waren. Eine Wende bahnte sich hier erst an, als sich mit dem
Bekanntwerden der aus Italien kommenden Generalbaßpraxis neue Möglichkeiten des
instrumental begleiteten Sologesangs eröffneten, für die vor allem L. Viadana durch den
großen Erfolg seiner für Solostimmen mit B.c. bestimmten Cento concerti ecclesiastici (Vdg.
1602) den Weg bereitet hatte. Sie fanden nicht nur in Italien zahllose Nachfolger, sondern
wurden auch in Deutschland bekannt und, wenn auch anfänglich mit einigem Zögern,
nachgeahmt.

III. Viadana-Nachfolge in der katholischen Kirchenmusik

Der erste, der hier Viadanas Anregungen aufgriff, war der Augsburger Organist und
Domchorvikar Aichinger, der in der Instructio seiner 1607 in Dillingen erschienenen Cantiones
ecclesiasticae trium et quatuor vocum […] cum basso generali & continuo berichtet, Viadana habe
»newlichen in Italia ein sonderbaren modum componendi erdacht«, dem er in »gegenwertigen
opusculo« habe nachfolgen wollen. Allerdings fehlen die ein- und zweistimmigen
Kompositionen, die bei Viadana mehr als die Häloe aller Konzerte ausmachten, bei Aichinger
völlig, woraus seine Absicht erkennbar wird, die neue Kompositionsweise so einzuführen,
daß die Ausführenden an ihnen vertraute Traditionen anknüpfen konnten: die Sänger an die
Praxis des Triciniengesangs, die Organisten an das Spiel aus einem von den Oberstimmen
abgeleiteten Basso seguente. Seine Cantiones sind denn auch in erster Linie ein pädagogisches
Werk, in dessen drei- und vierstimmige Sätze nur vereinzelt Abschnitte mit geringerer
Stimmenzahl und selbständig geführtem Generalbaß eingefügt sind. Schon in seinen zwei-
bis fünfstimmigen Cantiones von 1609 (ebd.) jedoch ist der für Generalbaßkompositionen
charakteristische Triosatz mit zwei gleichgeschlüsselten Oberstimmen und B.c. voll
ausgebildet. Vom gleichen Jahr an wurden die Cento concerti ecclesiastici Viadanas durch die
Nachdrucke des Frankfurter Verlegers N. Stein auch für die deutschen Komponisten
unmittelbar zugänglich. Sie dienten schon bald danach im katholischen Süddeutschland als
Ausgangspunkt für eine Art von kirchlicher Gebrauchsmusik in lateinischer Sprache, die,
meist ohne höheren künstlerischen Anspruch, von Komponisten wie R. de Lassus, H. 
Pfendner, V. Jelich, U. Loth, Chr. Sätzl, M. Kraf, A. Holzner u.a. bis über die Mitte des
Jahrhunderts in weitgehend gleichbleibender Form gepflegt wurde. Nicht zuletzt trug dazu
auch der Umstand bei, daß der generalbaßbegleitete Sologesang, der sich sowohl für die
Pflege geistlicher Musik im engeren Rahmen klösterlicher Vereinigungen als auch für die
musikalische Ausschmückung des Hauptgottesdienstes kleinerer Gemeinden, für
Gebetsstunden und kirchliche Zusammenkünoe aller Art als geeignet erwies, wegen seiner
Einfachheit und Textverständlichkeit von kirchlicher Seite begrüßt und gefördert wurde.

Wie groß der Bedarf an solchen vergleichsweise schlichten Stücken war, zeigen nicht zuletzt
die schon bald erscheinenden Sammeldrucke geringstimmiger Konzerte vorwiegend
italienischer Autoren, die Siren coelestis (1616) und die Philomela coelestis (1624), beide von G.
Victorinus in München herausgegeben, sowie vor allem die von Joh. Donfrid veröffentlichten
drei Teile seines Promptuarium musicum mit Kompositionen zum Kirchenjahr und zum
Proprium sanctorum (Strbg. 1622, 1623, 1627), denen er noch je einen Druck mit Musik für die
Marienfeste (Viridarium musico-marianum, Trier 1627) und für das Messordinarium (Corolla
musica missarum, ebd. 1628) folgen ließ; insgesamt fast 900 Einzelsätze und 37 Messen,
sämtlich in der Besetzung für zwei bis vier Solostimmen und B.c. Die frühe Pflege des mit
wenigen Solostimmen besetzten Geistlichen Konzerts ist nicht ohne Einfluß auch auf die
Komponisten in den protestantischen Gebieten, namentlich im naheliegenden fränkischen
Raum, geblieben. In ihrer eigenen Entwicklung jedoch bleibt die katholische Kirchenmusik
während des ganzen 17. Jh. und auch darüber hinaus in Abhängigkeit von der Kunst Italiens.

IV. Geistliche Konzerte evangelischer Komponisten

1. Die Anfänge

M. Praetorius gebührt nicht nur das Verdienst, die neuen Errungenschaoen der italienischen
Musik im protestantischen Mittel- und Norddeutschland bekannt gemacht und für sie
geworben zu haben. Er hat darüber hinaus auch als erster versucht, dem in italienischen
Titeln zunächst noch vorwiegend umgangssprachlich gebrauchten Wort Concerto eine
spezifisch musikalische Bedeutung abzugewinnen, indem er es, gemäß der lateinischen
Bedeutung von concertare, im Sinne einer Auseinandersetzung, eines Gegeneinanders
verschiedener Chöre interpretierte. Schon die seit 1605 erscheinenden ersten vier Teile seiner
Musae Sioniae, die durchweg mehrchörige Choralbearbeitungen enthalten, tragen den
Untertitel Geistliche Concert Gesänge. Und wenn in der Observatio seiner vier- bis
sechzehnstimmigen Musarum Sioniar: motectae & psalmi latini (Nbg. 1607) von »Motectis &
Concertis« die Rede ist, so unterscheidet er damit offenkundig die vier- bis siebenstimmigen
Stücke als »Motectae« von den doppel- und mehrchörigen »Concerti«. Auch die als
Titelrahmen seit 1607 sowohl für den Gesamttitel der acht- und zwölfstimmigen
Choralbearbeitungen seiner Musae Sioniae I-IV als auch für die Motectae & psalmi verwendete
Abbildung der Aufführung einer dreichörigen Komposition trägt die Bezeichnung »Concert«.
Bei einigen doppel- und mehrchörigen Stücken der Motectae & psalmi stellt er darüber hinaus
bereits Abschnitte, die »nudis & solis vocibus« auszuführen sind, anderen gegenüber, in denen
die Musik »Instrumentis & Organis pariter universo Choro« erklingen soll, womit er an eine
Aufführungspraxis anknüpo, wie sie in der vielfältigen klanglichen und funktionalen
Differenzierung der Chöre in den Kompositionen Giovanni Gabrielis vorgebildet war.

Seit dem Erscheinen von Steins Nachdrucken übten Viadanas Concerti ecclesiastici auch im
protestantischen Teil Deutschlands eine starke Wirkung aus. Als erster versuchte sich hier
wiederum Praetorius mit sieben Stücken der Musae Sioniae IX (W}l. 1610) in der neuen
Generalbaßpraxis. Später gab ihm der Titel von Viadanas Sammlung, der von zahlreichen
seiner italienischen Nachfolger aufgegriffen wurde, Anlaß, seinen zunächst speziell auf die
Mehrchörigkeit bezogenen Concerto-Begriff so allgemein zu fassen, daß er sich auch auf die
Gegenüberstellung von Vokal- und Instrumentalstimmen im Generalbaßsatz übertragen ließ
(PraetoriusS 3, S. 175). In seinen ersten Schritten auf diesem Feld ist denn auch sein
Generalbaß kein Basso seguente, sondern eine neu erfundene, instrumentale Unterstimme,
die sich in ihrem Duktus von dem Biciniensatz der Oberstimmen deutlich unterscheidet.
Ausdrücklich auf Steins Ausgabe der Opera omnia sacrorum concertuum Viadanas von 1613
(Ffm.) beruo sich Joh. H. Schein, der fünf Jahre später den ersten Teil seiner »Auff Italiänische
Invention« komponierten Opella nova Geistlicher Concerten (Lpz. 1618) für 3-5 Solostimmen und
B.c. erscheinen ließ. Und ähnlich wie Praetorius verbindet auch Schein im ersten Teil der
Opella nova den Typus des Viadana-Konzerts mit der deutschen Bi- und Tricinientradition in
der protestantischen Version als Choralbearbeitung. Scheins Generalbaß, der noch durch
einen gesonderten Instrumentalbaß verdoppelt wird, ist freilich, namentlich in den Stücken
mit nur zwei vokalen Oberstimmen, bereits ein echter Harmonieträger.

Etwas außerhalb dieses Zusammenhanges stehen die frühen Versuche protestantischer


Komponisten, die sich unmittelbar dem Vorbild Viadanas anzuschließen versuchen. Sowohl
der Nürnberger Joh. Staden als auch der früh verstorbene Klagenfurter Organist I. Posch
komponieren lateinische Texte ohne Cantus-firmus-Bindung, Staden in Stücken, die als
»novae Inventionis Italicae cantiones« dem ersten Teil seiner Harmoniae sacrae von 1616 (Nbg.)
angehängt sind, Posch in seiner 1623 posthum erschienenen Harmonia concertans. Id est:
cantiones sacrae (quas concertus Itali vocant) für 1-4 Stimmen und B.c. (ebd.). Beide folgen
Viadana auch darin, daß sie zunächst mit einstimmigen Stücken beginnen, um erst danach zu
Konzerten mit höherer Stimmenzahl überzugehen, während Praetorius und Schein die Zwei-
und Dreistimmigkeit bevorzugen.

Ohnehin hat sich das Hauptinteresse der mittel- und norddeutschen Komponisten anfänglich
nicht so sehr unmittelbar auf das nur mit einigen Solostimmen besetzte geistliche Konzert
konzentriert als vielmehr auf dessen Tauglichkeit als Gerüstsatz für klangliche
Erweiterungen durch fakultative Stimmen und Chöre, die den jeweiligen
Aufführungsbedingungen angepaßt werden konnten. Auch auf diesem Wege ist Praetorius
seinen Zeitgenossen vorangegangen. Seine nach 1613 entstandenen und in der Polyhymnia
Caduceatrix (W}l. 1619) veröffentlichten Gelegenheitswerke sind in der Mehrzahl große
Choralkonzerte für Vokalsolisten, Instrumental- und Kapellchöre und verbinden
Mehrchörigkeit und generalbaßbegleiteten Sologesang in immer wieder neuen Variationen,
die teils auf italienische Vorbilder, teils aber auch auf in Deutschland heimische Traditionen
zurückgehen. Gewährsleute für sein unermüdliches Experimentieren mit den klanglichen
und formalen Mitteln des neuen Stils sind ihm dabei längst nicht mehr allein Gabrieli und
Viadana. Denn er findet für die Gliederung und Erweiterung schlichter Generalbaßsätze
durch Ripieni, Ritornelle, zusätzliche Instrumental- und Kapellchöre, aber auch durch rein
instrumentale Einleitungssinfonien und Zwischenspiele Vorbilder vor allem bei Komponisten
wie G. Fattorini, G. Giacobbi, Cl. Monteverdi, A. Agazzari, G. Finetti oder G. Fr. Capello. In der
»Admonitio Vnd Erinnerung/Welcher gestalt in meinen Polyhymniis […] die Lateinische vnd
Teutsche Geistliche Kirchen-Lieder vnd Concert-Gesänge angeordnet vnd angestellet werden können«
(PraetoriusS 3, S. 169ff.), die sich ausdrücklich auf die »Solennische Friedt- vnd Frewden
Concert« der Polyhymnia Caduceatrix beruo, hat er versucht, seinen deutschen Landsleuten
einen Überblick über den schier unerschöpflichen Abwechslungsreichtum zu geben, der sich
ihnen durch die Kombination generalbaßbegleiteter Solomusik mit den vokalen und
instrumentalen Formen des 16. Jh. eröffnete.

Im Jahr der Veröffentlichung von Praetorius’ Polyhymnia Caduceatrix trat auch H. Schütz mit
seinem ersten Druck geistlicher Werke, den Psalmen Davids sampt etlichen Motetten vnd
Concerten (Dresden 1619) an die Öffentlichkeit. Den Hauptteil der Sammlung bilden, wie der
Verfasser ausdrücklich betont, »etzliche Teutsche Psalmen auff Italienische Manier, zu welcher ich
von meinem lieben vnd in aller Welt hochberühmten Praeceptore Herrn Johan Gabrieln […] mit fleiß
angeführet worden«. Unter den übrigen Kompositionen, denen nicht ganze Psalmen, sondern
kürzere Spruchtexte zugrundeliegen, gibt es neben zwei von Schütz mit »Moteto«
überschriebenen Stücken auch drei, die den Titel »Concert« tragen. Aus ihnen geht hervor,
daß Schütz, anders als Praetorius, die Mehrchörigkeit nicht zu den wesentlichen
Bestimmungsmerkmalen für das »Concerto« rechnet – denn auch seine »Moteto« genannten
Kompositionen sind mehrchörig -, sondern mit diesem Titel solche Stücke bezeichnet, in
denen an die Stelle des kontrapunktisch geregelten Satzverbandes – der »vetus ratio canendi«
(Vorrede der Cantiones sacrae, Freiberg 1625) – eine Schreibweise getreten ist, die durch
Sologesang und Generalbaß charakterisiert wird. Dank der weitreichenden Wirkung der
Werke von Praetorius, Schütz und Schein und im Zuge der allgemeinen Verbreitung der
Generalbaßpraxis wird das Geistliche Konzert in der Folge zur zentralen Gattung der
protestantischen Kirchenmusik, neben der die Motette allmählich in den Hintergrund tritt.

2. Das geistliche Konzert nach 1620

Die großen Vokalkonzerte in der Art von Praetorius’ Polyhymnia Caduceatrix repräsentierten
ein Stadium »im Übergang von einer Aufführungspraxis zu einer Kompositionsweise« (Dahlhaus
1978, S. 11). Denn wie die ›konzertierende‹ Schreibweise der zweistimmigen Stücke Viadanas,
an die Praetorius’ Gerüstsätze mit ihren Einklangsimitationen kurzer, durch Pausen
unterbrochener Motive anküpoen, sich als Reduktionsform der älteren motettischen
Doppelchortechnik darstellte, so barg andererseits gerade diese Faktur auch wieder die
Möglichkeit, bei Bedarf und entsprechenden Aufführungsmöglichkeiten zur größeren
Besetzung zurückzukehren. Nicht zuletzt diese Tatsache macht es häufig schwierig, zwischen
›großen‹ und ›kleinen‹ geistlichen Konzerten zu unterscheiden. Denn was von den Konzerten
in der Praetorius-Nachfolge im Druck überliefert ist, umfaßt längst nicht immer sowohl die
obligaten als auch die fakultativen Stimmen (in der Regel eingeteilt in Favorit- und
Kapellchöre bzw. Voci concertate und Ripieni), sondern oo nur Hinweise auf die
Möglichkeiten der klanglichen Erweiterung, sei es durch eine entsprechende Kennzeichnung
in den Einzelstimmen, sei es durch allgemeine Instruktionen an die Ausführenden. Der
Hauptgrund dafür, daß in den Jahren nach 1620 die meisten Konzerte nur mehr in einer Form
gedruckt wurden, die sich auf die kleinstmögliche Besetzung beschränkte, waren jedoch die
immer spürbarer werdenden wirtschaolichen Auswirkungen des großen Krieges (1618-1648).
Daß allerdings, wo immer die Mittel zur Verfügung standen, Werke durch Zusatzstimmen
erweitert wurden, für die im Druck oo nur der Continuopart und einige Solostimmen
vorlagen, beweisen die zahlreich überlieferten handschriolichen Stimmensätze für
klangliche Verstärkungen durch Instrumente und Kapellen.

S. Scheidt etwa, der mit seinen Concertus sacri (Hbg. 1622) acht- bis zwölfstimmige
Kompositionen mit Symphonien und Instrumentalchören nach dem Muster von Praetorius’
großen Konzerten vorgelegt hatte, veröffentlichte zwischen 1631 und 1640 Newe Geistliche
Concerten in vier Folgen mit nur wenigen Solostimmen und B.c., zu denen aber auch eine
Reihe von Stücken in handschriolichen Fassungen mit erheblich erweiterter Besetzung
existiert, ohne daß es immer als sinnvoll erschiene, sich auf die eine oder andere der
Überlieferungen als die ›eigentliche‹ festzulegen. Wie Scheidt haben sich auch andere
Komponisten an Praetorius angeschlossen, unter ihnen sein Wolfenbüttler Nachfolger D.
Selich mit seinem Opus novum geistlicher […] Concerten (W}l. 1624), Staden in den zwei Teilen
seiner Kirchen-Music (Nbg. 1625 bzw. 1626), M. Franck in einigen Stücken seines Rosetulum
musicum (Coburg 1627/28). Noch bis über die Jahrhundertmitte hinaus sind ›große‹ Konzerte
in der Art der Praetoriusschen Spätwerke von Meistern wie Heinrich Grimm, Joh. A. Herbst,
€. Selle und Seb. Knüpfer komponiert worden. Wo sie eine Reduktion auf wenige
Favoritstimmen nicht mehr zuließen, lohnte es sich in der Regel allerdings nicht mehr, sie im
Druck erscheinen zu lassen, weil Wiederaufführungen zu selten möglich waren.

Häufig hat man auch den zweiten Teil von Scheins Opella nova (Lpz. 1626) den Werken der
Praetorius-Nachfolge zugerechnet. Aber obwohl auch hier in einer Reihe von Stücken
Solostimmen, Instrumente und klangverstärkende Kapellchöre verwendet werden, so
verweist doch die Art, wie diese Mittel von Schein eingesetzt werden, viel eher auf seine
Kenntnis von Monteverdis Marienvesper (Vdg. 1610) als auf Praetorius. Denn abgesehen
davon, daß sich Schein nur noch in einigen Stücken des Druckes der Choralbearbeitung
widmet, gilt sein Hauptinteresse auch nicht der Kontrastierung möglichst verschiedenartig
besetzter Klangeinheiten, sondern den solistisch eingesetzten Vokalstimmen (mehr als ein
Drittel der Sammlung ist nur mit einer Singstimme besetzt), deren Idiomatik sich vom Satz
der obligaten, teils begleitenden, teils selbständig hervortretenden Instrumente bereits
deutlich zu unterscheiden beginnt. Die nur in einigen, meist längeren Stücken eingesetzte
Capella aber dient stets formalen Zwecken: Sie gliedert den Ablauf und verleiht der
Schlußbildung zusätzlichen Nachdruck. Scheins Kompositionen sind denn auch in gewisser
Hinsicht das historische Bindeglied zwischen den noch aus der Motette des 16. Jh.
abgeleiteten Konzerten in der Nachfolge Viadanas und jenen inzwischen in Italien
entstandenen Motetti concertati, deren Schreibweise Schütz bei seinem dortigen Aufenthalt
(1628/29) kennenlernte und im ersten Teil seiner Symphoniae sacrae aufgriff. An Scheins
Opella nova II (1626) hat sich später T. Michael, sein Nachfolger im Leipziger €omaskantorat,
mit dem zweiten Teil seiner Musicalischen Seelen-Lust (Lpz. 1637) angeschlossen, freilich zu
einer Zeit, als Stücke dieser Art kaum noch mit großer Resonanz rechnen konnten.

3. Schütz und das Kleine geistliche Konzert

In der Widmung der Symphoniae sacrae I (Vdg. 1629) spricht Schütz davon, daß er bei seiner
Ankuno in Italien die Kompositionsweise sehr verändert gefunden habe. Verändert hatte sie
sich hauptsächlich unter dem Einfluß, den weltliche Vokalwerke für Solostimmen mit und
ohne Instrumente – wie etwa die Madrigalkonzerte von Monteverdis 7. Madrigalbuch (Vdg.
1619), aber auch die Monodien G. Caccinis und seiner Nachfolger – auf die geistliche Musik
ausgeübt hatten. Anregungen dieser Art hatte neben anderen auch A. Grandi in seinen
geistlichen Werken aufgegriffen, die im ersten Drittel des 17. Jh. in Italien, später auch in
Deutschland weite Verbreitung fanden. Daß Schütz sich in erster Linie Monteverdi und
Grandi verpflichtet fühlte, zeigt sich nicht nur an den stilistischen Neuerungen, für die seine
in Italien entstandenen Kompositionen in lateinischer Sprache Zeugnis ablegen, es geht auch
daraus hervor, daß er in den beiden folgenden, auf deutsche Texte komponierten Teilen der
Sammlung Stücke von ihnen bearbeitet hat. So gibt es im zweiten Teil der Symphoniae sacrae
(Dresden 1647) ein Konzert nach Monteverdi (»Es steh Gott auf«, SWV 356), im dritten (ebd.
1650) eine Grandi-Bearbeitung (»O Jesu süß, wer dein gedenkt«, SWV 406). Obwohl der erste
Teil der Symphoniae sacrae in seiner Besetzung mit 1-3 Solostimmen und einigen Instrumenten
nicht wesentlich von Scheins Opella nova II abweicht, sind doch beide Sammlungen in
stilistischer Hinsicht völlig verschieden. Denn gegenüber der noch immer vorherrschenden
kontrapunktischen Gebundenheit von Scheins Satz hat nun sowohl die Behandlung der
Singstimmen als auch die der Instrumente eine neue Freiheit und Flexibilität erreicht, die es
möglich macht, sich der textlichen Vorlage in jeder Hinsicht anzupassen: ihrer formalen
Gliederung durch deutliche Kadenzen und instrumentale Zwischenspiele, dem Text in
madrigalischer Bildlichkeit, der Sprache in eindringlicher und abwechslungsreicher
Deklamation und monodischer Ausdruckshaoigkeit. Entsprechend der Beschaffenheit ihres
Textes gliedern sich die einzelnen Stücke oo in mehrere kurze Abschnitte mit jeweils
eigenem Charakter. Es scheint, daß der damit verbundene häufige Wechsel im
Bewegungszeitmaß den deutschen Musikern anfänglich besondere Schwierigkeiten bereitet
hat. Denn noch in der Vorrede Ad Benevolum Lectorem zu den Symphoniae sacrae II spricht
Schütz davon, es habe bisher »die Erfahrung mehrmahls bezeuget/wie dieselbige heutige
Italianische/und auff derer Art gerichteten Composition/nebenst dero gebührlichen Mensur, über die
darinnen angeführten schwartzen Noten […] uns Deutschen disseits zum guthen theile/[…] weder
recht fügen/noch gebührlich abgehen wollen«.

Daß eine Kompositionsweise, die in Italien bereits in der zweiten Dekade des 17. Jh. verbreitet
war, sich nach mehr als drei Jahrzehnten in Deutschland noch immer nicht durchzusetzen
vermocht hatte, lag allerdings nicht zuletzt auch an äußeren Gründen. Denn die Folgen des
großen Krieges, der im Anfang der 1630er Jahre die protestantischen Kerngebiete Sachsens
und ۟ringens erreichte, hatten inzwischen auch die musikalischen Institutionen betroffen,
denen meist die geeigneten Kräoe fehlten, die diese neuartige Musik adäquat hätten
aufführen können. Gerade deshalb aber bestand Bedarf an kleinen geistlichen Konzerten in
der vergleichsweise anspruchslosen Form der Viadana-Nachfolge. Von ihm zeugen die beiden
»aus den vornembsten und besten Componisten« in Nordhausen zusammengestellten
Sammeldrucke Geistlicher wohlklingender Concerten für 2-3 Stimmen und B.c. (Fasciculus
secundus, Goslar 1637, und Fasciculus primus, ebd. 1638), die ausdrücklich Bezug auf die
»jetzigen langwerenden trawrigen Kriegs Pressuren« nehmen. Sie enthalten, neben Nachdrucken
von Werken italienischer Meister – unter ihnen allein zehn von Viadana – und einer Reihe
von Stücken unbedeutender Lokalgrößen, vor allem ältere Kompostionen u.a. von Posch, M.
Praetorius, Scheidt und Schein. Mit drei Stücken ist auch Schütz vertreten, dessen Kleine
geistliche Concerte in zwei Teilen 1636 und 1639 (Lpz. bzw. Dresden) erschienen. Auch er betont
in den Vorreden zu beiden Drucken, daß er mit seinen Kompositionen der Not des Krieges
gehorcht habe, was äußerlich daran erkennbar ist, daß ihnen die Instrumente fehlen, denen
in den Symphoniae sacrae I noch eine bedeutende Rolle zugeteilt gewesen war. Die Anpassung
an die in Deutschland herrschenden Zustände betriw aber auch den Stil der Sammlung. Zwar
ist die neue deklamatorische Freiheit in den meisten der Kleinen geistlichen Concerte
wiederzufinden – schon ihr Einleitungsstück, das »In Stylo Oratorio« geschriebene »Eile mich,
Gott, zu erretten« stellt sie gleichsam programmatisch vor -, aber im allgemeinen ist,
verglichen mit den Symphoniae sacrae I, ihre Haltung moderater, sind auch die sängerischen
Anforderungen zurückgenommen und die Ausdruckskontraste weniger extrem. Auch
Anklänge an die ältere madrigalisch-motettische Praxis fehlen nicht. Sie begegnen
vorwiegend in den Stücken mit höherer Stimmenzahl. Es war allerdings gerade diese
stilistische Mischung alter und neuer Elemente, die entscheidend zu dem nachhaltigen Erfolg
der Kleinen geistlichen Concerte beigetragen hat. Man kann die Bedeutung dieses Werkes für
die Geschichte der protestantischen Kirchenmusik Deutschlands bis zum Ausgang des 17. Jh.
nicht hoch genug einschätzen.

Einer der ersten derer, die sich bewußt in die Nachfolge der Schützschen Konzerte stellten,
war der Zittauer Organist A. Hammerschmidt. Er hat sich an den Dresdner Meister schon mit
dem 1639 in Freiberg erschienenen ersten Teil seiner Musicalischen Andachten, der sich
ebenfalls auf wenige Solostimmen – meist auf zwei – ohne Instrumente beschränkt,
angeschlossen. Aber auch in seinen zahlreichen späteren Veröffentlichungen gibt es teils
freie, teils über Choralmelodien gearbeitete Konzerte ähnlicher Art: Stücke mit Instrumenten
in den Geistlichen Symphonien (Musicalische Andachten, 3. Tl., Freiberg 1642), in Form von
Dialogen ohne (Dialogi, Dresden 1645) und mit Beteiligung von Instrumenten (Geistlicher
Dialogen ander neil, ebenfalls 1645). In der Vorrede zum vierten Teil der Andachten (Freiberg
1646), der Motetten und Konzerte enthält, hat er die Unterschiede zwischen ihnen noch
einmal, diesmal unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwendbarkeit, zu bestimmen versucht. Die
Konzerte lobt er, »alldieweil nicht allein in denselben durch deutlich und rein außsprechende
Sänger der Text besser zu vernehmen ist: Sondern auch ihre Lieblichkeit bey den Zuhörern eine
sonderliche Andacht zu erwecken pfleget«. Für den Fall allerdings, daß man keine guten Sänger
zur Verfügung hat, empfehlen sich die »vollstimmigen Moteten, als in denen dergleichen Mängel
nicht so bald gemercket werden«. Hammerschmidt hat gleichwohl mit seinen gefälligen und
vergleichsweise leicht aufzuführenden Werken dafür gesorgt, daß das geistliche Konzert auch
in der Kirchen- und Schulmusik kleiner Gemeinden und Ortschaoen, die bis dahin noch
immer am traditionellen Motettenrepertoire festgehalten hatten, Fuß fassen konnte. Anders
freilich als bei seinem Vorbild Schütz, der jeder einzelnen Komposition eine ihrem Text
entsprechende, jeweils eigene Physiognomie zu verleihen vermag, mangelt es bei ihm in der
Regel an jener der eindringlichen Darstellung des Textes dienenden Charakteristik, die die
Befreiung der Solostimmen von der Einbindung in den kontrapunktischen Satz erst
rechtfertigen würde. Das aber ist nicht nur ein Problem Hammerschmidts, sondern eines des
kleinen geistlichen Konzerts überhaupt, dessen handwerklich-technische Grundlage zu
wenig Gewicht hat, um Schwächen in der musikalischen Erfindung kompensieren zu können.

So sind es denn auch weniger die Merkmale einer spezifischen Schreibweise als allmähliche
Veränderungen in der formalen Anlage, die sich in der kaum übersehbaren Zahl von
Kompositionen dieser Art in der Zeit zwischen etwa 1640 und 1670 registrieren lassen. Nur
wenige Werke ragen aus dieser Menge heraus, und es ist sicher kein Zufall, daß sie fast alle
von Autoren stammen, die in mehr oder minder enger Beziehung zu Schütz standen. Schütz
selbst schaltet sich 1647 wieder in die Geschichte der Gattung ein, diesmal mit dem Druck des
zweiten Teils seiner Symphoniae sacrae, dem »vor etlichen Jahren allbereit von mir verfertigten«
deutschen Gegenstück zu den lateinischen Kompositionen des ersten Teils. Mit ihm kommt er
wieder auf das Vokalkonzert mit Beteiligung von Instrumenten zurück, wobei er sich jetzt
allerdings auf den schon seit Anfang der 1620er Jahre in Italien verbreiteten Besetzungstyp
mit zwei Violinen beschränkt, der inzwischen auch in Deutschland, u.a. durch die Werke
Grandis und die seit 1641 erscheinenden Sammeldrucke von A. Profe mit geistlichen
Konzerten italienischer Autoren eingeführt worden war (Erster neil geistlicher Concerten und
Harmonien, Lpz. 1641, Ander neil, ebd. 1641, Dritter neil, ebd. 1642, und Vierdter und letzter
neil, ebd. 1646). Aber es ist nicht nur die Art der Besetzung der Instrumentalpartien, sondern
auch die von der deutschen Sprache geforderte andersartige rhythmische und melodische
Gestaltung, ihr eindringlicher, lehrhao-predigender Tonfall, durch den sich der zweite Teil
der Symphoniae sacrae von dem eher fließenden, kammermusikalisch aufgelockerten Duktus
des ersten Teils unterscheidet.

Schütz hat, als sich für ihn mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wieder die Möglichkeit
eröffnete, auch anspruchsvollere Werke zu veröffentlichen, in zwei exemplarischen
Publikationen gleichsam Rechenschao über seine Beschäoigung mit den Gattungen gegeben,
denen der weitaus größte Teil seines Schaffens angehört: der Motette, der die Geistliche Chor-
Musik (Dresden 1648), und dem Konzert, dem der dritte Teil der Symphoniae sacrae (ebd. 1650)
gewidmet ist. In dieser Sammlung mit ihrer Besetzung für 1-6 Solostimmen, zwei obligate
Violinen »oder dergleichen« und mit bis zu zwei vierstimmigen Complementchören für Sänger
und Instrumentalisten hat Schütz noch einmal alles zusammengefaßt, was für ihn die
Gattung des Konzerts ausmacht: von der ausdrucksvollen Monodie, über den Wechsel von
Solo und Tutti, von vokalen und instrumentalen Abschnitten unterschiedlicher Besetzung bis
zur Doppelchörigkeit, wie er sie schon bei seinem ersten Aufenthalt in Venedig
kennengelernt hatte. Mit Sicherheit der krönende Abschluß von Schütz’ eigenem
Konzertschaffen, repräsentieren die meisten Kompositionen der Symphoniae sacrae III jedoch
einen Typus des großen Vokalkonzerts, der zur Zeit ihres Erscheinens fast schon traditionell
wirkte, obwohl einzelne Stücke wie etwa das berühmte »Saul, was verfolgst du mich« oder die
Vertonung des 13. Psalms (»Herr, wie lang wilt du mein so gar vergessen«) hinsichtlich ihrer
Ausdruckskrao, aber auch in bezug auf so konkrete Eigenschaoen wie die Art des
Zusammenwirkens von Instrumenten und Singstimmen zum Zweck einer planvollen
Organisation des formalen Zusammenhanges, Muster aufstellten, an die auch die
nachfolgende Generation noch anknüpfen konnte.

4. Die Schütz-Nachfolger

Der Einfluß, den die Kleinen geistlichen Concerte und der zweite Teil der Symphoniae sacrae nach
wie vor auf die deutschen Zeitgenossen ausübten, wurde auch durch das Erscheinen der
Symphoniae sacrae III nicht gemindert. Davon zeugt allein die Zahl der handschriolich
überlieferten Werke in ähnlicher Besetzung, wie sie etwa die Kataloge der Düben- (S-Uu) und
der Bokemeyer-Sammlung (D-B) ausweisen. Formale Modifikationen, mit denen bereits eine
Entwicklung eingeleitet wird, die letztlich in die verschiedenen Formen der frühen Kantate
einmündet, deuten sich allerdings auch bei Komponisten an, die in der unmittelbaren Schütz-
Tradition stehen. So dringt die Gliederung in einzelne, durch verschiedene Stimmenzahl,
unterschiedliche Satztechnik und klare Zäsuren voneinander getrennte Abschnitte, die bei
großen mehrstrophigen Choralkonzerten oder versweise vertonten ganzen Psalmen schon
immer üblich war, nun auch in Stücke mit kleiner Besetzung und relativ kurzen
Spruchtexten ein. Gleichzeitig gewinnt der instrumentale Anteil eine immer größere
Bedeutung. Schon der noch in Schützens Dresdner Ho‚apelle ausgebildete Joh. Vierdanck
geht in der Binnengliederung seiner Konzerte weiter als sein Lehrmeister. Darüber hinaus
gibt es von ihm neben Stücken in der Standardbesetzung der Symphoniae sacrae II andere, in
denen etwa zwei Solostimmen einer Gruppe von fünf Instrumenten gegenüberstehen. Die
Bedeutung, die inzwischen der jeweiligen Besetzung eines Stückes beigemessen wird,
bezeugt eine Vorbemerkung zum zweiten Teil seiner Geistlichen Concerte (Rostock 1643), die
sich gegen die früher gebräuchliche ad-libitum-Praxis richtet: »Dieweil in diesem Andern
neile/fast jedes Concert seine eygene vnd besondere Art hat/alß sollten sie billich mit jhren
Stimmen/wie sie stehen/gemacht werden«.

Die Vorliebe für ein vier- bis fünfstimmiges Streicherensemble, wie es sich nun häufig in den
Werken jüngerer norddeutscher Meister findet, hat eine Parallele in Kompositionen
italienischer Herkuno. Daß es zwischen beiden möglicherweise eine Verbindung geben
könnte, wird durch die Existenz eines unter Fr. Tunders Namen überlieferten Konzerts für
Contralto-Solo und fünf Streicher (»Salve mi, Jesu«) nahegelegt, das sich als die Parodie eines
»Salve regina« von G. Rovetta erwiesen hat und zuvor in der gleichen Besetzung im dritten
Buch von dessen Motetti concertati (Vdg. 1647) erschienen war (J. Roche 1975). Indessen
entspricht die Vergrößerung des Streicherapparats nur der Tendenz einer Entwicklung, bei
der selbständige Instrumentalteile als Eingangssinfonien, Ritornelle oder die
Binnengliederung hervorhebende Zwischenspiele eine stets zunehmende Rolle spielen. Unter
italienischem Einfluß machen sich aber auch etwa seit der Jahrhundertmitte immer häufiger
textunabhängige musikalische Gestaltungsprinzipien wie melodische
Korrespondenzbildungen, ostinate Baßformeln sowie symmetrische Dispositionen –
Rahmenformen für die Gesamtanlage oder Da-capo-Bildungen für einzelne Abschnitte – in
den Vokalkonzerten deutscher Komponisten bemerkbar.

Großen Anteil an der Vermittlung dieses von der au}lühenden Oper und der weltlichen
Kammermusik übernommenen neuen Stils haben Joh. Rosenmüller und Chr. Bernhard. Beide
hatten die italienische Musik an der Quelle kennengelernt. Rosenmüller schloß sich zwar
zunächst mit den zwei Teilen seiner noch in Deutschland entstandenen Kern-Sprüche (Lpz.
1648 und 1653) an Schütz’ Symphoniae sacrae II an, stützte sich dann jedoch für seine in Italien
geschriebenen Werke weitgehend auf das Modell der Kammerkantaten G. Carissimis und M.
A. Cestis. Nach ihrem Muster stehen sich in seinen auf lateinische Texte komponierten
Stücken deutlich voneinander geschiedene rezitativische, ariose und kantable Abschnitte in
Arienform gegenüber, deren Melodieführung und Harmonik sich bereits weit von den bei
seinen deutschen Zeitgenossen noch immer vorherrschenden kirchentonalen Bindungen
entfernt. Angesichts der Abhängigkeit der meisten dieser Werke von der weltlichen
Solokantate Italiens macht es zwar wenig Sinn, sie noch der Geschichte des geistlichen
Konzerts zuzurechnen; jedoch düroe Rosenmüllers Musik, die trotz ihrer Entstehung in
Italien fast ausschließlich in seiner Heimat verbreitet war, nicht ohne Einfluß auf die
Spätphase dieser Gattung in Deutschland geblieben sein.

Ähnliches gilt auch für das Schaffen Bernhards. Als Mitglied von Schütz’ Dresdner
Ho‚apelle, der auch die Italiener G. A. Bontempi, M. G. Peranda und V. Albrici angehörten,
hielt er sich auf Reisen in den 1650er Jahren sowohl in Venedig als auch in Rom auf, wo er
möglicherweise zu Carissimi in näheren Kontakt getreten ist. In seinen 1665 in Dresden
gedruckten Geistlichen Harmonien verbindet er deutsche mit italienischen Stilelementen.
Meist wechseln Abschnitte in der älteren, teils ariosen, teils kleingliedrig-konzertierenden
Schreibweise mit arienhaoen Partien im Dreiertakt, die nicht selten über Chaconne-Bässe
oder wiederholte freie Baßformeln gebildet sind, wobei mehrfach auch Da-capo-Formen
vorkommen. Der von ihm zum Prinzip erhobenen kontrastierenden Gegenüberstellung
alternierender Abschnitte waren, so lange den Kompositionen ein durchgehender Prosatext
zugrundelag, gleichwohl Grenzen gesetzt. Im Schlußstück des Druckes ist Bernhard jedoch
dazu übergegangen, in den biblischen Prosatext freie Reimdichtung für Arien einzufügen,
womit er zu einer Anlage gelangte, die zu einer der meistverbreiteten Standardformen der
frühen geistlichen Kantate (Concerto-Aria-Kantate) zählt. Neben solchen und anderen, aus
höchst unterschiedlichen Elementen (außer Concerto und selbständigen Instrumentalteilen
auch Choralbearbeitungen, mehrstrophigen Generalbaßliedern u.a.) zusammengesetzten
frühen Kantatenformen, werden aber auch die meist über einheitliche, vorwiegend biblische
Spruchtexte gearbeiteten geistlichen Konzerte noch bis zum Jahrhundertende komponiert,
u.a. von S. Capricornus, K. Förster d.J., S. Knüpfer, Cr. Bütner, B. Erben, A. Pfleger, Joh. Schelle,
M. Köler (Colerus), C. Chr. Dedekind, Chr. Geist, Joh. €eile oder G. Bronner. Nach K. J. Snyder
(1987) gehört auch rund ein Viertel der von Buxtehude überlieferten vokalen Kirchenmusik
noch immer dem geistlichen Konzert an.

Einer der bedeutendsten Beiträge zu dieser Spätphase der Gattung ist M. Weckmann zu
verdanken. In den wenigen von ihm erhaltenen Vokalwerken erweist er sich als würdiger
Nachfolger seines Lehrers Schütz. Die vier Kompositionen, die den Inhalt der von ihm selbst
angelegten Handschrio (D-Lr, KN 207/6) von 1663 bilden, unterscheiden sich von den Stücken
der Symphoniae sacrae zwar in der Art ihrer Besetzung und der Gliederung der Gesamtanlage,
nicht aber in der Eindringlichkeit ihrer Textdarstellung, die in Einzelheiten sogar häufig über
die des zurückhaltenderen älteren Meisters hinausgeht. Und obwohl sich Weckmann an die
Komponisten seiner Generation anschließt, indem er, wie viele von ihnen, auf ein fünf- bis
sechsstimmiges Streicherensemble zurückgreio und die Gesamtanlage in Abschnitte
verschiedenartiger Gestaltung auoeilt, so wird ihm die Anordnung solcher Abschnitte nach
allgemeinen Prinzipien wie formaler Symmetrie oder kontrastierender Abfolge doch nie zum
Selbstzweck, sondern hat sich den jeweiligen Erfordernissen des Textes unterzuordnen. Die
besten von Weckmanns Konzerten sind denn auch Kompositionen höchst individueller
Prägung, deren hochgespannte Affektivität zuweilen an die italienischen Monodien aus der
ersten Jahrhunderthäloe erinnert, Stücke, in denen noch einmal alle Möglichkeiten der
Gattung zusammengefaßt und ausgeschöpo werden. Seine frühere Bedeutung als Zentrum
der evangelischen Kirchenmusik und spezifische Form der musikalischen Interpretation
biblischer Prosa büßt das geistliche Konzert allerdings im letzten Drittel des 17. Jh. ein. Sie
geht nun an die textlich wie musikalisch gemischten Formen von Kantate und Oratorium
über. Der Terminus Concerto bleibt indessen als Titel für mehrsätzige Kirchenstücke noch
lange gebräuchlich. Er dient selbst noch Bach zur Bezeichnung eines großen Teils seiner
madrigalischen Kirchenkantaten.

arno forchert

C. Das Instrumentalkonzert

I. Erste HälHe des 18. Jahrhunderts

1. Concerto grosso

a. Italien

Der Begriff concerto grosso (ital.: großes Konzert) bezeichnet ursprünglich den größeren Teil
eines Orchesters im Gegensatz zum kleineren, dem concertino (kleines Konzert). Beide
Gruppen, auch Tutti/Ripieno und Soli genannt, musizieren im Wechsel miteinander, wobei
Zahl und Art der Instrumente – zunächst grundsätzlich Streicher – nicht festgelegt sind. Von
diesem Besetzungstypus ausgehend, wurden die für ihn geschaffenen Werke als concerti grossi
bezeichnet. (Der von A. Schering [1905/21927] vorgeschlagene Name »Gruppenkonzert« hat
sich nicht eingebürgert.) Auch der Terminus concertino tritt zuweilen als Werktitel auf (s.
C.II.4.). Das Prinzip der Doppelchörigkeit wurde im Sinne des unter A. dargestellten
concertare seit der Mitte des 16. Jh. auf die verschiedensten Klangkörper angewendet (Dialog-
und Echokompositionen in Concertenmanier). Aus der Instrumentalmusik sind Beispiele wie
G. Gabrielis Sonata pian e forte (1597), ferner die Duo- und Trioepisoden in Kanzonen, Sonaten
und Sinfonien (Francesco Spongia detto Usper [vor 1570 – 1641] 1619, D. Castello 1621, T. Merula
1626) zu nennen. Als eigentlicher Begründer des Concerto grosso gilt A. Stradella, der die in
seinen Kantaten vorgenommene Einteilung der Klanggruppen in die Instrumentalmusik
übertrug: Sinfonia per violini e bassi a concertino e concerto grosso distinti, in einer anderen
Quelle als Sonata di viole, cioè concerto grosso di viole e concertino di 2 violini e leuto überliefert
(zwischen 1670/80). Die Bezeichnung concerto grosso als Werktitel ist zuerst bei G. L. Gregori
(Concerti grossi a più stromenti, Lucca 1698) und A. Corelli nachweisbar (Concerti grossi con duoi
violini e violoncello di Concertino obligato e duoi altri violini; viola e basso di concerto grosso ad
arbitrio, che si potranno radoppiare op. 6, komp. um 1680, gedr. Adm. 1714). Vor Corelli
veröffentlichte Giuseppe Torelli seine Concerti musicali a 4 op. 6 (Agb. 1698), ihnen folgten 1709
(Bologna) die um 1690 geschriebenen Concerti grossi op. 8 für zwei konzertierende und zwei
begleitende V., Va. und B.c., wobei allerdings sechs von den zwölf Werken Solokonzerte sind.
Auch sein op. 5 (Bologna 1692) mischt, wie der Titel sagt, Sinfonie à tre e concerti à quattro. Im
allgemeinen wurden die Begriffe Concerto, Sonata und Sinfonia ohne spezifische
Unterscheidung gebraucht (der Durlacher Kpm. Joh. M. Molter benutzte 1719 den Titel
Sonatae grossae). Mit dem Terminus Concerto grosso war also zunächst kein eindeutiger
Besetzungs- oder Formtyp, sondern allgemein ein großes Ensemble gemeint (vgl. auch A.
Scarlattis Sinfonie di concerto grosso, 1715).

Das Vorbild Corellis, wie er es in seinem op. 6 (8 Concerti da chiesa mit je 4-7 Sätzen, davon ein
fugierter schneller, und 4 Concerti da camera mit einem Preludio und Tanzsätzen) gegeben
hatte, blieb mustergültig für mehr als eine Generation. Nicht nur Schüler wie Fr. Geminiani,
Fr. A. Bonporti, Pietro Castrucci und Fr. Barsanti, sondern auch französische (Übernahme der
Concerto-Praxis in die Ouvertüre) und deutsche Komponisten ahmten ihn nach. Besonders
nachhaltig ist sein Einfluß durch Georg Muffat bezeugt, der ihn 1681/82 in Rom erlebt hatte
und sich stolz als »erster Corellist« empfand. Er habe, wie er in der »Vorred« zu seiner
Ausserlesenen […] Instrumental-Music (Passau 1701) mitteilt, etliche Aufführungen gehört und
berichtet von ihrer Wirkung: »Dann durch scharffes Beobachten dieser opposition oder
Gegenhaltung der langsamb- und geschwindigkeit, der Stärke, und Stille; der Völle des großen Chors,
und der Zärtlichkeit des Terzetl, gleich wird das Gehör in ein absonderliche Verwunderung
verzuckt«. Im Vorwort seines Armonico tributo (Salzburg 1682) beschreibt er das
kompositorische bzw. aufführungspraktische Prinzip des Concerto grosso, indem er
empfiehlt, »wolle man seine Sonaten in vollen Konzerten hören mit einiger Bizarrie (Laune) oder
Abwechslung der Harmonie«, so solle man zwei Chöre bilden, und zwar ein einfach besetztes
Concertino (zu drei Stimmen aus zwei Violinen und Violoncino oder Viola da gamba), das
durchgehend zu spielen habe, und ein mehrfach besetztes Concerto grosso aus Violinen.
Dieses müsse beim Buchstaben »T« (Tutti) einsetzen, bei »S« (Soli) pausieren.

Die Herkuno dieses Concerto-grosso-Typus aus der Triosonate war deutlich (beide
unterscheiden den Typus da chiesa mit vier oder mehr kontrastierenden Sätzen und da camera
mit Tanzsätzen); und die ›Rückkehr zur Sonate‹ blieb insofern offen, als vielfach »das grosso
nur als eine Art Register [fungierte], das bestimmte Vorgänge in der dreistimmigen Grundstruktur
hervorhob: Teile, Abschnitte, Takte, Taktausschnitte, einzelne Töne. Dieses Hervorheben erfolgte
durch Unisono-Verstärkung des Concertino (mit zusätzlicher Bratschenstimme) oder durch eine Art
Tutti-Auszug (Reduktion eines beweglichen Verlaufs auf seinen harmonischen Kern)«, wobei der
Satz stellenweise so dicht gestaltet wurde, daß die im ad-libitum-Stadium des Concerto grosso
unverzichtbare Reduktionsmöglichkeit zur Triosonate nur durch eine etwas gewaltsame
Manipulation gewahrt blieb (W. Braun 1981, S. 294). Bei Tänzen in den Concerti da camera
wurden oo die Wiederholungen nach dem Prinzip Soli-Tutti gestaltet.

Der Corellische Typus mit seinem Besetzungs- und Formenreichtum, seiner prägnanten
€ematik und dem rondoartigen Wechsel zwischen Tuttiritornellen und modulierenden
Concertoepisoden der schnellen Sätze sowie der Cantabile-Melodik in den Mittelsätzen
wurde vorbildlich. War die Satzfolge hier noch variabel, so wurde vielfach die zyklische
Anlage nach dem Vorbild der Sonata da chiesa verwendet, bis sich immer mehr der
dreisätzige venezianische, d.h. der Vivaldische Typus (schnell-langsam-schnell) durchsetzte.

Was die Anzahl der Mitwirkenden betriw, so sind ganz unterschiedliche Ensembles bezeugt.
In Torellis op. 6 beispielsweise finden sich Sätze ohne Soli und solche mit wechselnder
Besetzung des Concertino. Während für Muffat 1682 zweimal zwei Bratschen und zweimal
drei Violinen im fünfstimmigen Satz bereits Concerti pieni bedeuteten, traten bei einer von
Corelli als »Capo dell’istromenti d’arco« geleiteten Akademie der ehemaligen Königin von
Schweden Christine in Rom 150 Musiker auf (1687). An Kirchenkonzerten in Bologna waren
123 (1716) bzw. 131 (1717) Ripienisten beteiligt. Aus erhaltenen Stimmheoen einer Komposition
von Torelli geht hervor, daß neben Streichern (1. und 2. Violinen, 1. und 2. Violen, Violoncello
und Violone) auch Posaunen, €eorben, Oboe und Orgel mitwirkten – freilich ohne daß
bestimmte Hinweise auf die klangliche Regulierung überliefert wären.

Auch im Sinne instrumentaler Differenzierung wurden Bläser eingesetzt, etwa in den concerti
a più istrumenti op. 5 von E. F. Dall’Abaco (um 1719) oder bei Muffat, der für das »Concertino
oder Tertzetl« die Bläserausführung empfahl, sofern »Musicanten« vorhanden waren, welche
»die frantzösische Hautbois oder Schallmey lieblich blasen und moderiren« konnten, wobei der
Baß durch einen »guten Fagotisten« wiederzugeben sei (zit. nach W. Braun 1981, S. 299). Große
Beliebtheit gewann die Oboe, z. B. bei T. Albinoni. In A. Scarlattis Sinfonie di concerto grosso
(1715) sind auch Bläser im Concertino vorgesehen, ebenso in Vivaldis Concerti op. 3, 4 und 6-
10, die nicht nur für die Geschichte des Concerto grosso, sondern ebenso für die Entwicklung
des Solokonzerts wichtig waren.

Vor allem natürlich wurden Bläser zur Verstärkung des Klanges in großen Räumen
verwendet, so von Torelli in der Kathedrale San Petronio von Bologna (zahlreiche Concerti
und Sinfonie »con tromba«, »con due trombe«, »con trombe, obois e violini« usw.). Die
charakteristischen Merkmale seines »alla tromba«-Stils, repetierende Tonfiguren,
Dreiklangsmotivik und eine homophone Satzstruktur, wurden wesentlich für die
Entwicklung dessen, was M. Bukofzer als »Concerto-Stil« bezeichnete (1947). Während
Corelli, Muffat u.a. ihre Concerti nach dem Prinzip der ›Klangregie‹ gestalteten, arbeiteten
die Bologneser und venezianischen Meister nach dem Prinzip der thematischen
Differenzierung.

Torelli übertrug diesen Stil auf das Streicher-Concerto. In seinen Werken finden sich die
frühesten Beispiele dessen, was später als die klassische venezianische Form bezeichnet wird.
Schon in seinen Concerti à quattro op. 5 (1692) können, wie es im Vorwort heißt, »alle
Instrumente verstärkt werden«. In den Concerti musicali op. 6 (1698) hat bei der Bezeichnung
solo eine einzelne Violine zu spielen, und alle übrigen Stimmen sind »trè ò quattro per
strumento« zu vermehren. In den 12 Concerti grossi con una pastorale per il santissimo natale op. 8
(Bologna 1709; 6 Concerti grossi und 6 Violinkonzerte) sind Soli und Tutti kontrastierend
angelegt, wobei Motive des Eröffnungstutti in unterschiedlichen Tonarten zwischen den
Soloepisoden wiederkehren und somit für strukturelle Durchdringung und formale Einheit
sorgen. Prägnante, mit breitem Strich auszuführende €emen in den Tuttiritornellen,
virtuose Passagen und spielerische Fiorituren in den Solopartien (spezifische
Bewegungsfiguren und geschickt angelegte Bewegungssteigerungen) wurden
charakteristisch.

Weil Torellis op. 8 posthum 1709 veröffentlicht wurde, ist nicht mehr zu sagen, ob seine sechs
Solo concerti vor denen von Albinoni und G. M. Jacchini (gedr. 1700/01) komponiert wurden.
Albinonis Concerti op. 2, 5, 7, 9 und 10, die zwischen 1700 und 1735 erschienen, zeigen einen
hohen Grad rhythmischer Subtilität und handwerklicher Durchdringung. Sie wurden als
Concerti a cinque (3 V., Va. und Continuo; op. 7 und 9 enthalten Concerti mit 1 oder 2 Oboen)
veröffentlicht. Im übrigen ist es müßig, darüber zu streiten, wo genau sich das Solokonzert
aus dem Concerto grosso zuerst herausbildete. Die kurzen Episoden für die Solovioline in
Torellis op. 6 legen nahe, daß die Entwicklung hier ihren Anfang nahm. Derselbe Anspruch
kann aber auch für Corellis op. 6 gelten, insbesondere für das 12. Concerto, wo die erste
Violine des Concertino vorwiegend solistisch eingesetzt ist.

Concerti grossi schrieben in Italien Albinoni, Geminiani, P. A. Locatelli, A. Caldara, Pietro
Castrucci, Fr. Venturini, B. G. Laurenti, L. Leo, B. und A. Marcello, G. Valentini, Fr. Manfredini
u.v.a. Der einflußreichste Konzertkomponist des frühen 18. Jh. war zweifellos Vivaldi. Neben
einer Reihe von Concerti grossi mit wechselnden Steicher- und Bläserbesetzungen des
Concertino komponierte er zahlreiche Solo concerti (s. C.I.2.).

b. Frankreich, Deutschland, England

In Frankreich, wo die italienische Musik auf nationalen Widerstand stieß, setzte sich neben
der gebräuchlichen Suitenform die viersätzige Konzertform nur langsam durch. Der
Neapolitaner M. Mascitti veröffentlichte 1727 Kirchenkonzerte mit sehr kurzen Soli. Um
dieselbe Zeit machte sich das Vorbild Vivaldis bemerkbar, mit dessen Solokonzerten J. P.
Guignon ab 1728 in den Concerts spirituels Triumphe feierte. Guignon hatte, wie auch L.-G.
Guillemain und J.-M. Leclair, in Turin bei G. B. Somis, einem Schüler Corellis, studiert. Über
italienische Violinisten war das Konzert nach Paris gekommen, aber es führte in der ersten
Häloe des 18. Jh. ein Schattendasein.

In Deutschland dagegen, wo Residenzen wie Dresden, München, Hannover und Köln enge
Beziehungen zu Italien hatten, griff man das Concerto früh auf und vermischte es mit
eigenen Stilelementen. Nach Muffat sind als Komponisten der jüngeren Generation, die sich
mit der italienischen Tradition auseinandersetzten, H. Weißenburg (Albicastro), Joh. D.
Heinichen, Joh. G. Pisendel, Joh. Chr. Graupner, G. H. Stölzel, Joh. Fr. Fasch, C. Fr. Hurlebusch,
Joh. D. Zelenka, Joh. M. Molter sowie insbesondere Telemann und J. S. Bach zu nennen.

Besondere Bedeutung für die Entwicklung des Concerto grosso hatte England. Hier wurde
und blieb Corelli der alles überragende Maßstab. Seine Wertschätzung war so groß, daß er
bereits ab 1704 häufig kopiert wurde. Von seinen Schülern wirkten z. B. Pietro Castrucci,
Barsanti und vor allem Geminiani in London. Dieser arrangierte Corellische Sonaten als
Concerti und komponierte die eigenen op. 2 und 3 (1732/33) mit ausgedehnten Variations- und
Fugenteilen, op. 7 (1746) mit Blasinstrumenten.

Der bedeutendste Komponist in Corellischer Tradition war Händel. Seine zuerst


herausgegebenen Concerti op. 3 (1734, wegen ihres Concertinos irreführenderweise
Oboenkonzerte genannt) sind eine lockere Folge von älteren Sätzen, deren Concertino-Teile
als einfache Episoden das Tutti unterbrechen. Anspruchsvoller sind die Concerti a due cori
(1747/48), in denen zwei Blasinstrumentengruppen und eine Streichergruppe antiphonal
gegeneinandergesetzt sind. Die Grand Concertos op. 6 (L. 1740) sind vier- bis sechssätzig
angelegt und folgen dem Corellischen Instrumentationsmodell, gehen aber inhaltlich darüber
hinaus (Entlehnung von Elementen aus der deutsch-französischen Suitentradition sowie aus
dramatischen Genres). Die meisten von ihnen wurden 1739/40 öffentlich als Ouvertüre oder
Zwischenmusik in Oratorienaufführungen gespielt. Für denselben Anlaß hatte Händel auch
seine Orgelkonzerte geschrieben. Aufführungen sind seit 1735 dokumentiert (das Concerto für
Orgel, 2 Oboen, Streicher und B.c. op. 4, Nr. 1 erklang mit Händels Ode Alexander’s Feast (1736).
Publiziert wurden sie in Sammlungen L. 1738 (op. 4), L. 1740 (mit Orgelarrangements der
Concerti op. 6) und L. 1761 (posthum als op. 7). Letztere, von Händel nicht mehr vorbereitet,
weist ad-libitum-Hinweise auf, die einen Beleg für den improvisatorischen Charakter von
Teilen oder ganzen Sätzen während der Aufführung darstellen.

Das Orgelkonzert scheint Händels eigene Erfindung. Es erlangte in England große Popularität
und wurde noch lange gepflegt. Nach Händels Vorbild erschienen Werkreihen, meist für
Orgel oder Cembalo herausgegeben, von J. Stanley (um 1745 – Übernahme seiner Concerti
grossi von 1742 – und 1775), €. A. Arne (um 1787, aber früher geschrieben), W. Felton (32
Concertos, 1744-1760), Ch. Avison (op. 2 1747 und op. 9 1766, nach Concerti grossi), J. Hook (um
1771 und 1790) u.a. Komponisten. Die meisten dieser Werke sind dreisätzig (aber nicht immer
schnell-langsam-schnell) und enthalten Fugen. Unter den populären und fruchtbaren
Komponisten von Concerti grossi in England sind ebenfalls Avison mit rund 60 Werken,
Stanley sowie M. Chr. Festing und zwei zugereiste Niederländer zu nennen: W. de Fesch in
London und P. Hellendaal in Cambridge. Ihre Werke erschienen noch bis in die 1750er und
1760er Jahre (Avisons letzte Slg. mit 6 Concerti 1769) und folgten noch immer dem
traditionellen Modell. Vor diesem Hintergrund ist Burneys Bemerkung zu verstehen, daß jede
Mannheimer Sinfonie mehr für den Fortschritt in der Musik getan habe als alle
stumpfsinnige Imitation eines Corelli, Geminiani und Händel (vgl. A. Hutchings, Art.
Concerto, in: NGroveD, S. 629f.).

Auf dem Kontinent war das Concerto grosso bereits um die Jahrhundertmitte außer Gebrauch
gekommen und wurde durch das Solokonzert ersetzt. Die Concerto-grosso-Besetzungsweise
lebte später in der Symphonie concertante, freier gehandhabt und vom Generalbaß gelöst,
wieder auf. In der ersten Häloe des 20. Jh. erlebte dann – im Zuge der Hinwendung zu alten
Stilen und Techniken – das Concerto grosso als Form- und Besetzungstyp eine Renaissance (s.
C.IV.).

2. Solo concerto

Das Solo concerto, in dem das Concertino auf ein Instrument beschränkt blieb, entstand als
Sonderform des Concerto grosso. Die Entwicklungslinien der beiden Formen verliefen so eng
ineinander verschränkt, daß sie sich weder terminologisch noch sachlich immer klar trennen
lassen.

Mit Vivaldi wurde das Solokonzert zur bedeutendsten instrumentalen Gattung seiner Zeit.
Selbst einer der größten Violinvirtuosen, schrieb er über 220 Concerti für sein Instrument,
dazu noch einmal so viele für andere (Vc., Va. d’amore, Mandoline, Ob., Fg., Quer- und
Piccoloflöte). Sie repräsentieren einen neuen Typus, der das ganze 18. Jh. hindurch
maßgeblich blieb. Die von Vivaldi geprägte italienische Concerto-Form ist dreisätzig (schnell-
langsam-schnell). Die Ecksätze übernehmen die Ritornellanlage der Arie, d.h. sie beruhen auf
dem Wechsel zwischen einem Orchestertutti, das in der thematischen Substanz gleich bleibt
(unwesentliche Verkürzungen und Erweiterungen), und freien virtuosen Episoden des
Solisten. Ein typischer schneller Concerto-Satz besteht aus vier bis sechs, meist fünf Tutti-
Ritornellen (aus mehreren aneinandergereihten, auch gegensätzlichen Gedanken bestehend)
jeweils in einer Tonart, wobei ein häufiges Harmonieschema I-VI-IV-III(V)-I lautet, und drei
Solo-Episoden (entweder frei gestaltet oder Motive aus dem Ritornell aufgreifend). Die Solo-
Episoden modulieren von der Tonart des vorangegangenen Ritornells zur Tonart des
folgenden.
Schema:

Tutti Solo 1 T2 S2 T3 S3 T4 S4 T5

I I-VI VI VI-IV IV IV-III III III-I I

Demgegenüber ist der langsame Mittelsatz des typischen Concerto einfacher gebaut und
meist in Form einer durchgehenden Kantilene des Soloinstruments gehalten, die oo vom
ganzen Ensemble begleitet wird.

Mit der Sammlung von 12 Konzerten, die unter dem Titel L’estro armonico 1711 in Amsterdam
herauskam, erlangte Vivaldi internationalen Ruhm. Das Werk ist in vier Gruppen zu je drei
Konzerten gegliedert, von denen jede nacheinander ein Werk für vier, eines für zwei
Soloviolinen und ein Solokonzert umfaßt. Die Tonarten sind gemischt, so daß sich nur zwei
(D und a) wiederholen. Darüber hinaus gruppiert Vivaldi die Konzerte in sechs Paare, die
jeweils ein Werk in einer Dur- und einer Molltonart enthalten. Die vier Solokonzerte (Nr. 3, 6,
9 und 12) folgen dem dreisätzigen Muster, das Torelli und Albinoni kurz vor 1700 eingeführt
hatten; sie benutzen das Ritornellprinzip als formale Basis in ihren schnellen Außensätzen.
Die Begleitung des Solisten ist gewöhnlich mit einer Ausdünnung des Satzes verbunden:
Einmal werden die höheren, einmal die tieferen Streicher weggelassen. In den langsamen
Mittelsätzen ist die Ritornellform entweder stark vereinfacht oder zugunsten einer
durchkomponierten oder zweiteiligen Form völlig aufgegeben. Im 6. Konzert arbeitet Vivaldi
Ritornellmaterial in die Soli ein und erreicht dadurch größere Geschlossenheit.

Stilistisch gesehen sind die Konzerte des Estro armonico eine bewußte Mischung
venezianischer und römischer Elemente. Dies läßt die Absicht Vivaldis vermuten, eine neue,
universale Sprache des Konzerts zu schaffen. Der Erfolg war außerordentlich, sein
internationaler Einfluß für die Instrumentalmusik des 18. Jh. beispiellos. Dabei hatte er die
tiefstgreifende Wirkung nördlich der Alpen, wo das Konzert als Gattung noch weniger
bekannt und man deshalb Neuerungen gegenüber offener war: Quantz beschrieb in seiner
Autobiographie, welchen Eindruck die Konzerte auf ihn machten, als er sie 1714 in Pirna
hörte, und wie er sie als Vorbild für seine eigenen Kompositionen gewählt habe (in: Fr. Wilh.
Marpurg, Hist.-krit. Beyträge zur Aufnahme der Musik, Bd. 1, Bln. 1754, S. 197-250). J. S. Bach
dagegen drückte seinen Dank an Vivaldi in praktischer Weise aus: Er verfaßte u.a. von fünf
Konzerten Transkriptionen für ein Tasteninstrument (BWV 593, 596, 972, 976 und 978) und
von einem weiteren für vier Cembali und Orch. (BWV 1065).

In Vivaldis Nachfolge stehen Dall’Abaco, G. M. Alberti, Fr. M. Veracini, C. Tessarini und, mit
virtuosen Violinconcerti, Locatelli. G. Tartini in Padua gehört nicht mehr in Vivaldis
unmittelbare Nachfolge. Er schrieb seit seinem op. 1 (1728) 135 Violinkonzerte vor allem für
den kirchlichen Gebrauch. Zu seinen Schülern zählen P. Nardini und G. Pugnani.

Eine herausragende Gruppe in der Geschichte des Konzerts bilden J. S. Bachs Six concerts avec
plusieurs instruments, die (von Ph. Spitta so genannten) Brandenburgischen Konzerte (BWV
1046-1051, beendet 1721). Sie sind in mehrfacher Hinsicht exemplarisch und fassen frühere
Entwicklungen ebenso zusammen wie sie neue eröffnen. Form- und Satztypen des Concerto
grosso stehen neben Suite (1. Konzert) und Triosonate (Mittelsatz des 5. Konzertes). Nr. 3 ist
im Stil des mehrchörigen Orchesterkonzerts angelegt: Drei Gruppen (Violinen, Violen und
Violoncelli zu jeweils 3 Stimmen mit Generalbaß) konzertieren miteinander. Im 2., 4. und 5.
stehen dem Streichertutti wechselnde Concertinobesetzungen gegenüber (Trp./Fl./Ob./V.,
V./2 Fl., Fl./V./Cemb.), wobei im D-Dur-Konzert das Tasteninstrument von der
Generalbaßfunktion erlöst und erstmals als cembalo concertato eingesetzt wird. Im 6. entfällt
der Solo-Tutti-Gegensatz; zwei Bratschen, zwei Gamben und ein Violoncello musizieren
kammermusikalisch miteinander. Einerseits hat man die instrumentale Vielfalt mit der
Besetzung der Köthener Ho‚apelle begründet (H. Besseler, Krit. Ber., NBA VII/2, S. 18);
andererseits wurde der Aspekt hervorgehoben, daß Bach hier als typischer Ho‚ünstler
gewirkt und (fast) das gesamte Instrumentarium eines damaligen Orchesters aufgeboten
habe, um dem Widmungsträger zu huldigen: Lediglich Laute, Viola d’amore, die gerade
erfundene Oboe d’amore und die Pauken fehlen (R. Goebel, Begleittext zur
Schallplattenaufnahme Archiv-Produktion Nr. 423116-2). Nicht nur in Form und Besetzung,
auch stilistisch herrscht eine besondere Vielfalt; sie reicht vom majestätischen Ton des 2. bis
zum intimen Klang der tiefen Streicher im 6., von arioser Kantabilität bis zum stile concitato
(Auoeilung des Dreiklangs in repetierte Sechzehntelnoten) im 5. Konzert.

Die Brandenburgischen Konzerte konnten nur nach Bachs intensiver Auseinandersetzung mit
der Gattung Konzert entstehen. Jedoch sind außer den berühmten beiden Violinkonzerten a
und E und dem Doppelkonzert d (BWV 1041-1043) nur wenige Werke aus der Weimarer und
Köthener Zeit direkt erhalten; etliche konnten aus späteren Bearbeitungen rekonstruiert
werden (vgl. NBA VII/7). In Leipzig (ab 1723) war es vor allem die Arbeit mit dem Collegium
musicum, einer studentisch-bürgerlichen Musiziervereinigung, die Bach – neben seinen
kirchenmusikalischen Aufgaben – zur erneuten Auseinandersetzung mit dem Konzert
veranlaßte. Dabei erhob er das Cembalo, das zwar schon lange zuvor als solistisches
Virtuoseninstrument geläufig, in der Ensemblemusik aber im allgemeinen auf die
Begleitfunktion beschränkt war, zu einem der bedeutendsten Konzertinstrumente – sowohl
in der Gegenüberstellung mit einem Ensemble wie auch in der Übertragung der Gattung auf
das Soloklavier (z. B. »Concerto nach italiänischem Gusto« BWV 971). Es entstand eine große
Zahl von Konzerten für ein, zwei, drei und vier Cembali, die vermutlich von Bach selbst,
seinen Söhnen und engsten Schülern gespielt wurden. Mit Ausnahme des Konzerts für zwei
Cembali C (BWV 1061) handelt es sich um Transkriptionen von Konzerten für
Melodieinstrumente – sowohl eigenen aus der Köthener Zeit (etwa des Doppelkonzertes für
zwei Violinen d BWV 1043 als Konzert für 2 Cembali c BWV 1062 sowie die genannten
Rekonstruktionen verschiedener, nicht mehr erhaltener Urfassungen) als auch fremder (z. B.
das Konzert für vier Cembali BWV 1065 nach Vivaldis Konzert h für vier V. op. 3, Nr. 10 aus
dem Estro armonico).

Nicht nur in den unterschiedlichen Concerti, sondern ebenso in anderen Gattungen wurde
der konzertierende Stil prägend. So wurden in der Suite Elemente des Concerto grosso (vier
Ritornelle im schnellen Teil der Ouvertüre der Suite C BWV 1066) wie des Solo concerto
(Ouvertüre h BWV 1067) aufgenommen.

Telemann gehört zu den produktivsten Künstlern aller Zeiten. Obwohl das Concerto – anders
als die Suite – nicht zu seinen bevorzugten Instrumentalgattungen gehörte, schrieb er allein
in seiner Zeit am Hof von Eisenach (1708-1712) rund 100 Werke für die verschiedensten
Gruppen und Soloinstrumente und leistete damit einen bedeutenden Beitrag zur Geschichte
der Gattung. Viola da gamba und die Viola d’amore, die Block- und die neuartige Traversflöte
(die zum Modeinstrument des galanten Stils werden sollte) wurden in Telemanns Konzerten
solistsch eingesetzt. Dabei hatte er nicht nur den Hörer, sondern – als Kenner der einzelnen
Instrumente – ebenso den Genuß des Ausführenden im Sinne (berühmt wurde sein Vers
»Gieb jedem Instrument das, was es leyden kann,/so hat der Spieler Lust, du hast Vergnügen dran«;
Lebens-Lauff […] Entworffen In Frankfurth am Mayn d. 10. Sept. A. 1718; zit. nach G. Ph.
Telemann, Singen ist das Fundament zur Music in allen Dingen, hrsg. von R. Schaal,
Wilhelmshaven 1981, S. 202, = Taschenbücher zur Mw. 80).

Seine Solokonzerte bilden formal und besetzungstechnisch eine Ansammlung


verschiedenster Einflüsse. Dabei folgte er zunächst kaum dem Formtypus Vivaldis (dessen
internationale Ausstrahlung erst mit dem 1711 publizierten Estro armonico begann), sondern
griff auf ältere Meister wie Torelli, Albinoni, G. Valentini und Corelli mit ihrem lockeren
Einsatz von Solo und Tutti zurück. Telemann setzte sie so ein, daß ein angeregter Dialog im
Sinne des – von französischen Quellen inspirierten – Konversationstons herrscht: das Pathos
des italienischen Concertos löst sich in Rokoko-Manier. Auch in der Besetzung des Ripienos
knüpo er nicht an venezianische, sondern an römische und Bologneser Tradition an – so
durch mehrfach geteilte Violinen oder Zusammenfassung beider Violinpartien in einer
Violino-grosso-Stimme. Daneben finden sich noch gelegentlich die geteilten Violen des
deutschen Streicherconsorts aus dem 17. Jahrhundert.

Ein typisches Konzert Telemanns besteht aus zwei Satzpaaren langsam-schnell und hat ein
durch bestimmte Harmonien normiertes Formschema, das aber genügend Spielraum für
unterschiedliche Charaktere bietet: gesangliche Melodik, tänzerische Elemente, rhythmische
Vielfalt. Daneben verwandte er auch Tanzsätze und zweiteilige Formen. Weltoffen und
neugierig, nahm er außer den gängigen italienischen und französischen Stilelementen auch
Elemente der polnischen und hanakischen (mährischen) Musik »in ihrer wahren barbarischen
Schönheit« auf (Joh. Mattheson, Grundlage einer Ehren-Pforte, Hbg. 1740; zit. nach R. Schaal
1981 [s.o.], S. 202).

Telemanns musikhistorische Bedeutung liegt in der Schlüsselstellung, die er im Stilwandel


des ersten Jahrhundertdrittels einnahm. Seine 1733 in Hamburg erschienene Musique de table
war die berühmteste und international wirksamste jener großangelegten Sammlungen, in
denen sich der Wandel – stilistisch vom musikalischen Spätbarock zum Rokoko,
gesellschaolich von der höfischen zur bürgerlichen Musikkultur – spiegelt. Sie enthält Werke
der verschiedensten Formen, Gattungen und Besetzungstypen, bei denen auch das Konzert
und der konzertierende Stil eine zentrale Rolle spielen.

Der Beitrag Frankreichs zur Geschichte des Solokonzerts im 18. Jh. war, verglichen mit
Deutschland und England, gering. Nationale Vorurteile verhinderten die Übernahme
italienischer Einflüsse, und der Musikgeschmack des Ancien régime blieb eher an der eigenen
Tradition orientiert, als daß er sich gegenüber Fremdem und Neuem öffnete. Im Gegensatz zu
den Nachbarländern, wo seit Mitte des 17. Jh. öffentliche Konzerte nachweisbar sind, wurde
die Instrumentalmusik bis zur Eröffnung des Concert spirituel (1725) kaum als eigenständige
Kunst gepflegt, sondern blieb in einen gesellschaolichen Rahmen bei Festen oder
€eateraufführungen (entr’acte-musique) eingebunden; im sakralen Bereich dominierte die
Motette, in der Kammermusik das deskriptive Charakterstück. Während in Deutschland
schon um 1710 Solokonzerte im italienischen Stil entstanden, setzten sie sich in Frankreich
nur langsam durch.

Als erste Konzerte französischer Komponisten erschienen Werke von J. B. de Boismortier (6


Concerti à 5, 1727) und Corrette (6 Concerti à 4, 1728). Beide waren zwar Verfechter des
italienischen Geschmacks, doch tragen ihre Werke eher sonaten- und suitenhaoe Züge. Erst
J.-M. Leclair erreichte in seinen 12 Violinkonzerten 1737/45 eine réunion des goûts, d.h. die
Verbindung italienischer und französischer Elemente. Als weitere Komponisten sind M.
Blavet, P.-G. Buffardin, J.-B. Quentin zu nennen. Corrette schrieb 25 Concertos comiques, deren
Titel besagt, daß sie für die Comédie française als Pausenmusik gedacht waren. J. Aubert war
seit 1730 mit Concert de simphonies und Les Petits Concerts für V., Fl., Ob. und B.c. sowie
Instrumenten wie Dudelsack und Drehleier hervorgetreten. Diese Besetzung weist auf die
pastorale Sphäre einer arkadischen Welt, wie sie in den fêtes champêtres des Adels beliebt
war.

Viele französische Concerts sind trotz ihres klar erkennbaren konzertanten Anspruchs und
Gehalts formal eher zwischen Sonate, Suite und Concerto einzuordnen. Die Mittelsätze sind
vielfach als Gavotte angelegt, deren Grundtonart die der Rahmensätze beibehält und lediglich
im Mittelteil in die gleichnamige Dur- bzw. Molltonart ausweicht. Als Finale herrschen das
Rondeau oder Liedvariationen vor. Viele französische Concerts verzichten auf die Bratsche
und werden nur durch zwei Violinen begleitet, was auf kammermusikalische Verwendung
hinweisen mag und solistische Besetzung auch der beiden Violinen nahelegt.

II. Das klassische Solokonzert

1. Das Konzert zwischen Barock und Klassik

Wenn gegen Ende des 18. Jh. die Ritornellform sich zur ›klassischen‹ Konzertform gewandelt
hatte, in der Elemente des barocken Gegensatzes der Klanggruppen und des sonatenhaoen
€emen-Dualismus zusammenkamen, so war dem natürlich ein langer und vielschichtiger
Entwicklungsprozeß vorangegangen. An die Stelle des Vivaldischen vielgliedrigen Formtypus
war bei Komponisten wie Tartini, Nardini und Locatelli eine eher flächige Anlage getreten,
bei der die Soli nicht mehr durch kurze Tutti unterbrochen, sondern breiter angelegt wurden.
Eine weitere Differenzierung läßt sich in den Violinkonzerten von J. Riepel erkennen (op. 1,
1756), der vor allem als €eoretiker hervorgetreten ist und in seinen Grundregeln zur
Tonordnung insgemein (Ffm./Lpz. 1755, S. 94) erläutert: »Dafern ich ein Allegro eines Concerts
überaus lang ausführen, sage sogar vier Haupt-Solo (weil es deren insgemein nur drey hat) hinein
machen wollte, so wäre mein erstes Solo anzufangen in C, und zu moduliren ins G, wo hierauf das
erste Mittel-Tutti oder Mittel-forte zu stehen käme. Das zweyte Solo fienge eben in G wieder an, und
modulirte ins A, wo das zweite Mittel-Tutti zu stehen kömmt. Das dritte Solo müßte eben hierauf in A
anfangen, und sich zum E, nämlich zum dritten Mittel-Tutti wenden, worauf ich das vierte oder
letzte Solo in diesem E anfangen, und mich damit zum Hauptschluß in C wenden, oder aber nach dem
erstbemeldt letzten Mittel-Tutti auf einmal gleich das letzte Solo in C anfangen könnte«.

Das Formschema eines solchen Konzert-Allegro lautet

Tutti  Solo T S T S T S T

Exposition Mittelteil Reprise

I I – V V V - VI I (VI - I)  I

T  T –  D D D - P  P T (P - T) T

Dieser Wandel vom Ritornell- zum Sonatentyp vollzog sich natürlich nicht in
kontinuierlichen Schritten und nicht überall gleichzeitig. Er verlief vielmehr höchst
unterschiedlich, wobei geographische, gesellschaoliche, allgemein ästhetische und nicht
zuletzt individuelle Gegebenheiten zusammenspielten. Mit dem Begriff des ›Sonatenhaoen‹
ist zunächst auch nicht der €emendualismus gemeint – und schon gar nicht ein normatives
Formmodell, wie es mit dem schulmäßigen Terminus Sonatenhauptsatzform erst im
nachhinein definiert wurde, sondern es ging um ein langsames Zusammenwirken
kontrastierender Kräoe. Um diese Entwicklung in ihrer »formalen, instrumental-idiomatischen
und sozial bedingten Vielfalt« für das Konzert in den Blick zu fassen, muß man (wie W. Konold
es getan hat) »von regional unterschiedlichen Stationen ausgehen, die sich gleichwohl nicht so
separiert entwickelt haben wie in anderen Gattungen, etwa der Symphonie. Für einen schnellen
Austausch der Ideen und Neuerungen sorgte nicht zuletzt das rege Reisewesen der
Instrumentalvirtuosen, die gleichermaßen in Berlin, Hamburg und Wien, in Mannheim und
München, in Prag und Mailand, in Paris und London ihr Publikum fanden«. Dieser Prozeß war
bedingt »vom Wandel der ästhetischen Einschätzung der Gattung wie vom Wandel ihres sozialen
Orts: Die zweite Jahrhunderthälae bringt in ganz Europa, zumal in den bürgerlichen
Musikmetropolen Paris und London, ein Konzertwesen hervor, dessen attraktiver Mittelpunkt der
reisende Virtuose ist. Das Solokonzert verlagert somit seine Funktion von der Unterhaltung einer
begrenzten Adelsgesellschaa hin zu einem bürgerlichen Publikum, ja bis hin zum selbst
musizierenden Dilettanten. Wie sehr gerade die publikumsorientierte Gattung des Solokonzerts
diesen sozialen Wandel berücksichtigte, zeigen [etwa] die strukturellen Unterschiede zwischen jenen
Cembalokonzerten, die C. Ph. E. Bach für die Ho~apelle Friedrichs II. schrieb, und jenen, die er –
nach der Übersiedlung nach Hamburg und der Lösung aus feudalen Funktionen – ›à l’usage des
dames‹ komponierte« (Das Instrumentalkonzert, in: NHdb 5, S. 298).

In der Tat: Die überragende Gestalt in dieser Entwicklung war C. Ph. E. Bach, der sich in
besonderem Maße dem Klavierkonzert widmete. Das früheste seiner insgesamt 52 Werke
dieser Gattung stammt aus dem Jahre 1733 und damit aus derselben Zeit wie vermutlich die
Klavierkonzerte seines Vaters (deren genaue Datierung freilich nicht möglich ist); das letzte
entstand 1788. Innerhalb dieses Schaffens läßt sich die Befreiung vom ›alten‹ Stil und die
Ausbildung des sonatenhaoen Typus nachvollziehen. Am Potsdamer Hof, wo neben ihm
Musiker wie Joh. Benda, die Brüder Graun und vor allem Quantz (der rund 300
Flötenkonzerte schrieb) wirkten und der König selbst den Ton angab, herrschte noch die
Ritornellform mit affektbezogener €ematik (sie wurde, wie die Konzerte von Joh. Fr.
Reichardt zeigen, bis in die 1780er Jahre beibehalten). Als Bach aber 1768 als Nachfolger
Telemanns nach Hamburg ging, war längst der Boden bereitet für einen Wandel in seinem
Schaffen, der sich vor allem in einer neuen, kantablen Periodenstruktur offenbart. »C. Ph. E.
Bach vermochte sich den Einflüssen des ›galanten‹ Stils zu öffnen, ohne dabei seine expressiv
geprägte, zur Phantastik neigende Individualität aufzugeben« (ebd., S. 298).

Als Komponisten von Konzerten, insbesondere den schnell in Mode gekommenen


Klavierkonzerten, die von C. Ph. E. Bach beeinflußt wurden, sind sowohl die in
Norddeutschland und im Ostseeraum wirkenden A. C. Kunzen, Chr. Nichelmann und Joh. G.
Müthel wie auch – über die Grenzen zwischen norddeutscher und süddeutsch-
österreichischer Musik hinweg – J. Haydn zu nennen, der betonte: »Wer mich gründlich kennt,
der muß finden, daß ich dem Emanuel Bach sehr viel verdanke, daß ich ihn verstanden und fleißig
studiert habe« (A. Griesinger, Biogr. Notizen über Joseph Haydn, Lpz. 1811, S. 12). Sein Bruder
Michael dagegen blieb, wie auch G. B. Platti, M. G. Monn, Wagenseil und Joh. G.
Albrechtsberger noch weitgehend barocken Mustern und kontrapunktischen Satztechniken
verpflichtet. In der folgenden Generation – vertreten durch Komponisten wie L. Hofmann, C. 
Ditters von Dittersdorf, Joh. B. Vanhal, L. A. Koželuch, Fr. A. Hoffmeister, die neben
Konzerten für Cembalo bzw. Klavier, Orgel und die gängigen Streich- und Blasinstrumente
auch solche für ungewöhnliche Besetzungen (Mandoline, Maultrommel usw.) schrieben –
herrschte der galante Konversationston, bei dem sich der Divertimento-Charakter mit
formexperimentellen Zügen verband (so etwa bei J. A. Steffan [Štěpán] , der in seinen
Klavierkonzerten die übliche Dreisätzigkeit und die Tempoeinheit des einzelnen Satzes
durchbrach).

In Italien wurde das Solokonzert in der nachbarocken Epoche eine stiefmütterlich gepflegte
Gattung. Die Violin- und Cellokonzerte von Tartini, Nardini und Boccherini sind zwar in ihrer
musikalischen Erfindung und instrumentalen Meisterschao bedeutend, gehen formal aber
kaum über Vivaldi hinaus. Dieselbe konservative Haltung gilt auch für Opernkomponisten
wie G. Paisiello, D. Cimarosa, A. Salieri, J. S. Mayr und viele andere, deren Konzerte nichts vom
Rang ihrer gleichzeitigen Bühnenwerke spüren lassen. Selbst M. Clementi, der mit seinen
Klaviersonaten einen wesentlichen Beitrag zur stilistischen Weiterentwicklung leistete, blieb
in seinem einzigen Klavierkonzert (C-Dur, 1796) auf konventionellem Boden. G. B. Viotti
verließ die alten italienischen Muster und bezog französische und deutsche Einflüsse ein,
wobei bezeichnend ist, daß seine Werke in London und Paris entstanden. In Italien selbst
spielte die Instrumentalmusik überhaupt eine Nebenrolle, und die wenigen Konzerte, die
später noch entstanden (G. Mercadante, V. Bellini, G. Donizetti), blieben peripher. Das
änderte sich erst im 20. Jahrhundert.

Auch von französischen und englischen Musikern gingen kaum neue Impulse aus. Zwar
hatten Paris und London mit ihrem vielseitigen, bürgerlich geprägten Konzertleben große
Anziehungskrao und übten einen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung aus, aber die
schöpferischen Musiker waren dort seit der zweiten Jahrhunderthäloe vor allem Ausländer.
Paris wurde zur Hauptstadt der Violinkunst. 1775 erlebten dort etwa 20 neue Violinkonzerte
verschiedener Komponisten ihre erste Aufführung, wobei P. Gaviniès, J. B. S. Bréval und Fr.
Devienne von der Nachahmung italienischer Muster ausgingen, aber auch durch die
Mannheimer Sinfonik beeinflußt wurden. Auch der bedeutendste Violinmeister dieser Zeit,
Viotti, fand hier das Publikum, das ihn seit seinen ersten Auoritten (1782/83) stürmisch
feierte. In den Jahren nach der Gründung des Pariser Conservatoire (1795) entstanden
nachhaltig wirkende Schulwerke von R. Kreutzer, P. Baillot und J. P. J. Rode, der die Werke
seines Lehrers Viotti aufführte und selbst 13 Violinkonzerte schrieb.

In England erhielt die Gattungsentwicklung in der Generation nach Händel neue Impulse
durch zwei weitere aus Deutschland stammende Musiker: K. Fr. Abel und Joh. Chr. Bach;
dieser wurde zu einem der einflußreichsten, europäisch wirkenden Konzertkomponisten.
Begonnen hatte er unter dem Einfluß seines Bruders Carl Philipp Emanuel. Die meisten
seiner Klavierkonzerte sind zweisätzig (der 2. Satz zunächst ein Menuett, später ein Rondo);
typisch sind Kantabilität und kammermusikalische Haltung. In den drei Werkreihen op. 1
(1763), op. 7 (1770) und op. 13 (1777), die er in England schrieb, zeigen sich grundlegende
gesellschaoliche und ästhetische Unterschiede: Sie wenden sich nicht an professionelle
Musiker oder gar Virtuosen, sondern an dilettierende Interpreten (sie waren vornehmlich für
die englische Königin Charlotte, Bachs Schülerin, bestimmt), dies spiegelt sich sowohl in den
spieltechnischen Ansprüchen wie stilistisch wider. Der unterhaltende, hausmusikalische
Charakter wird in den Konzerten op. 1 und 7 dadurch unterstrichen, daß das Soloinstrument
lediglich von zwei Violinen und Violoncello begleitet wird (erst in op. 13 kommen Bläser
hinzu) – eine Praxis, die bei Mozart wiederkehrt. Auch formal gesehen bedeutet das op. 7
einen wichtigen Schritt, in dem Bach den in der Dominante stehenden Abschnitt der
Soloexposition mit neuem Material beginnen läßt.

Neben diesen Hauptrichtungen in der zweiten Häloe des 18. Jh. - Norddeutschland mit Berlin,
Süddeutschland und Österreich mit Wien, ferner die international ausstrahlenden
Musikzentren Mailand, Paris und London – war es die Mannheimer Ho‚apelle, die den
bedeutendsten Beitrag zur Entwicklung des Solokonzerts leistete (→Mannheimer Schule).
Statt einer ritornellartigen Anlage (blockhaoes Gegeneinander von stabiler Tuttithematik
und figurativem Solospiel) bei Joh. Stamitz, Fr. X. Richter, I. Holzbauer, C. G. Toeschi und in
den Cello- und Flötenkonzerten des jungverstorbenen A. Filtz, setzten sich zunehmend neue,
›klassische‹ Elemente durch – sowohl in der €emenbildung mit ihrer liedhaoen
Periodisierung und ausgewogenen Phrasenstruktur als auch in der formalen Anlage. Sie ist
locker gefügt. Die Modulationspläne der Kopfsätze tendieren mit ihrer weiträumigen Tonika-
Dominant-Spannung bereits zu sonatenartigen harmonischen Beziehungen, und deutlicher
als im barocken Modell sind durchführungsartige Elemente und die zumeist einfache Reprise
voneinander abgesetzt. An die Stelle einer eigentlichen Durchführung tritt mitunter eine
Soloepisode mit neuem thematischen Material. Nicht nur formal, auch inhaltlich wurden
neue Bereiche erschlossen. Schon in Stamitz’ Violinkonzerten z. B., die vermutlich für den
eigenen Gebrauch entstanden und in deren Ausgestaltung des Soloparts sich sein
überragendes Können dokumentiert, kommt zur geigerischen Virtuosität eine persönlich
gehaltene Ausdruckswärme, die weit über die herkömmliche Affektsprache hinausgeht. Der
Unterschied wird deutlich, wenn man zum Vergleich Konzerte von Platti, G. B. Sammartini,
Wagenseil oder auch Haydn heranzieht.

Für die jüngere Generation der Mannheimer stehen (auch nachdem sich die Ho‚apelle 1778
mit der Übersiedlung Karl €eodors nach München auflöste) Komponisten wie Joh. Chr.
Cannabich, Fr. Danzi, F. Fränzl, E. Eichner und vor allem C. Stamitz, der (allerdings nach
seinem Abschied von Mannheim) mit seinen zahlreichen Konzerten für V., Va., Va. d’amore,
Vc., Fl., Ob., Fg., Hr. und Cemb. formale Modifikationen des Instrumentalkonzerts im Sinne
einer Entwicklungsform schuf. Besondere Bedeutung gewannen die Bläserkonzerte, in denen
sich zugleich der Wandel in der Beliebtheit einzelner Instrumente spiegelt. L. A. Lebrun etwa
schrieb seine zahlreichen Oboenkonzerte in den 1770er und 1780er Jahren, als dieses
Instrument an Beliebtheit verlor, so daß mehrere für Flöte arrangiert wurden. Als neue,
besonders von C. Stamitz gepflegte Gruppe kamen die Klarinettenkonzerte hinzu (z.T. als
Übertragungen von Konzerten für Va. d’amore). Zwar hatte schon zwischen 1740 und 1750
Molter Konzerte für die Klarinette geschrieben (Vivaldi und Telemann hatten bereits das
Chalumeau verwendet), aber erst durch Joh. und vor allem durch C. Stamitz wurde sie zum
populärsten Blasinstrument. Sie blieb es, wie zahlreiche Solokonzerte und Symphonies
concertantes zeigen, bis in die erste Häloe des 19. Jahrhunderts.

2. Das klassische Konzert

a. Haydn

Bei J. Haydn, der Symphonie und Streichquartett aus der Sphäre gesellschaolicher
Unterhaltungskunst herausgeführt und damit ihren klassischen Rang begründet hat, stand
die Gattung Konzert im Hintergrund. Von den im Werkverzeichnis genannten 17 Konzerten
für Streich- oder Blasinstrumente (V., Vc., Baryton, Fl., Fg., Trp., Hr.) sowie 15 für
Tasteninstrumente (Cemb., Pianoforte, Orgel) sind über die Häloe in ihrer Zuschreibung
nicht gesichert oder nur in Haydns Entwurf-Katalog dokumentiert, aber nicht erhalten. Für
über 30 weitere, fälschlich unter seinem Namen publizierte Werke wurden andere Autoren
festgestellt, darunter M. Haydn, G. Chr. Wagenseil, Steffan, F. A. Rösler (Rosetti), C. Stamitz
u.a. Die Bezeichnungen Concerto und Divertimento wurden oo synonym verwendet oder gehen
ineinander über, so lautet der Titel des Konzertes F (Hob. XVIII:3, 1771) »Divertimento per il
cembalo concertanto accompagnato da due violini, violetta e basso, due corni ad libitum«. Fünf
Konzerte für zwei Drehleiern (Hob. VII:2-5, ?1786/87) lassen sich der Kammermusik, die
Sinfonia concertante für V., Vc., Ob. und Fg. (Hob. I:105, 1792) der Symphonie zurechnen.
Formal gesehen sind Haydns Konzerte konventionell angelegt. Auch in ihrer musikalischen
Sprache gehen sie nicht über den Standard der Zeit hinaus. Eine Ausnahme bildet das 1783
geschriebene Konzert für Vc. D (Hob. VIIb:2). Es ist sicherlich das bedeutendste und
künstlerisch anspruchsvollste Cellokonzert des 18. Jh. und hat Maßstäbe gesetzt, die es im
modernen Repertoire ebenbürtig neben die anderen großen Konzerte für dieses Instrument,
von Schumann und Dvořák, stellen. Allerdings galt es – da man nicht annehmen mochte,
jemand anderes als ein virtuoser Cellist habe den ungewöhnlichen Solopart schreiben können
(Erweiterung des Tonraums bis in die dreigestrichene Oktave, schnelle Passagen, Wechsel
vom höchsten ins tiefste Register, Tremoli auf einem Ton, gebrochenes Akkordspiel, Sprünge
über mehrere Saiten und zweistimmig polyphone Stimmführung in komplizierten
Doppelgriffen) – lange als Werk des Esterhazyschen Hofmusikers Anton Krao. Erst 1954
wurde Haydns Autograph gefunden. Das Orchester ist klein besetzt: Streicher, 2 Ob. und 2
Hr., die im Mittelsatz fehlen. Der Rang dieses Konzertes liegt nicht allein in der melodischen
Erfindung sowie der Fortspinnung und Entwicklung der musikalischen Gedanken, sondern
besonders in seiner instrumentenspezifischen Schreibweise: Wenn etwa das Hauptthema, im
ersten Ritornell von den Streichern und danach mit Verstärkung der Bläser vorgetragen, vom
Solo übernommen wird, umspannen bereits die ersten sechs Takte den Ambitus von über drei
Oktaven; ebenso werden die spieltechnischen Möglichkeiten des Instruments zur
Phrasierung, Klanggebung und Artikulation ausgenutzt. Wie sich Solo und Tutti als Partner
im Sinne einer ›galanten und amüsanten Konversation‹ gegenüberstehen, wird z. B. kurz vor
der Kadenz des 1. Satzes deutlich, wo Violinen und Oboen den €emenkopf dreimal auf
verschiedenen Stufen intonieren und der Solist das Motiv jeweils aufgreio und in reichen
Koloraturen weiterführt. Folkloristische Elemente, wie Haydn sie im Rondo neben dem
tänzerischen Refrain ins Spiel bringt, sind auch in den Finali anderer Konzerte (z. B. dem D-
Dur-Konzert für Kl., Hob. XVIII:11, 1784) beliebt. Mit den genannten Werken sowie dem Es-
Dur-Konzert für Trp. (Hob. VIIe:1, 1796) und dem C-Dur-Konzert für Vc. (Hob. VIIb:1, dessen
Authentizität allerdings nicht gesichert ist) schuf Haydn bedeutende Beispiele für den
vormozartschen Konzerttyp.

b. Mozart

Wenn das Wort →Klassik nicht nur eine Epoche, sondern auch eine Ranghöhe bezeichnet, auf
der frühere Entwicklungen zusammentreffen und – wie gebündeltes Licht – in spätere Zeiten
ausstrahlen, dann bilden die Konzerte Mozarts wahrhaoe exempla classica, die Höhepunkte
der Gattung überhaupt. In ihnen lassen sich ganz unterschiedliche Einflüsse erkennen –
italienische Vorbilder, Elemente der süddeutschen und der Mannheimer Schule, Anregungen
vom Londoner Bach oder – zumal in den Violinkonzerten – von J. Mysliveček; doch er
verbindet sie alle und findet zu »neuen, ganz individuellen Lösungen – neben der Oper ist es vor
allem die Gattung des Solokonzerts, in der sein Werk inkommensurabel ist, in der es zwar ›Vorläufer‹,
aber keine vergleichbaren Kompositionen anderer Musiker wie im Bereich von Symphonie,
Streichquartett und Klaviersonate gibt« (Konold, Das Instrumentalkonzert, in: NHdb 5, S. 301f.).

Mozart machte sich mit den Formen des Instrumentalkonzerts vertraut, indem er 1767
Sonatensätze von H. F. Raupach, L. Honauer, Joh. Schobert, Joh. G. Eckard und C. Ph. E. Bach
(KV 37, 39, 40, 41), besonders aber 1771 von Joh. Chr. Bach (drei Werke KV 107) zu
Klavierkonzerten umarbeitete. So etwas war keineswegs ungewöhnlich, sondern entsprach
einer Praxis, die G. J. (Abbé) Vogler beschrieben hat: »Wer ein Conzert sezen will, thut wohl,
wenn er sich zuerst eine gewöhnliche Sonate macht. Der erste neil hievon giebt das erste, der andere
neil das zweite Solo. Vor dem ersten, nach dem zweiten, zwischen dem ersten und zweiten neile
wird ein Vor- Nach- und Zwischenspiel von Instrumenten vorgetragen; und da Tutti in welscher
Sprache Alle heißt: so nennt man zum Gegensaz des Allein- und Solospielers jene Vollständigkeit
Tutti« (Betrachtungen der Mannheimer Tonschule, 2. Jg., 1. Lieferung, 1779, S. 36f.).

Nach solchen Übungen widmete Mozart sich seit dem ersten eigenständigen Klavierkonzert
(D-Dur, KV 175, 1773) vor allem dieser Gattung, die – teils als Einzelwerke, teils in Schüben –
seine ganze Entwicklung von den Salzburger Jahren bis in die letzte Wiener Zeit begleitete
und jeweils verschiedene Stationen seines Schaffens repräsentiert (21 Solokonzerte, eines für
2, eines für 3 Klaviere). Außerdem entstanden – nicht mitgerechnet die zweifelhaoen Werke,
einzelne Sätze und zahlreiche Fragmente – 5 Violinkonzerte, ein Concertone für 2 V., eine
Sinfonia concertante für V. und Va. sowie Konzerte für verschiedene Blasinstrumente und
gemischte Besetzungen. Daß die Gewichte so unterschiedlich verteilt sind, liegt daran, daß
die Klavierkonzerte meist zum eigenen Vortrag bestimmt waren. Alle anderen
Instrumentalkonzerte entstanden nur, wenn sich eine Gelegenheit bot, d.h. ein Auorag vorlag
oder mit einer Aufführung zu rechnen war.

So schrieb er die Violinkonzerte (B KV 207, D KV 211, G KV 216, D KV 218 und A KV 219)


während weniger Monate im Jahre 1775 für die Salzburger Ho‚apelle. Dabei ist unklar, ob sie
ursprünglich zum eigenen Gebrauch, als Auoragswerke oder für einen befreundeten Geiger
gedacht waren – etwa den Hofmusiker Antonio Brunetti, der sie nachweislich aufgeführt hat
und für den Mozart einzelne Sätze ausgetauscht und durch solche ersetzt hat, die ihm ›auf
den Leib geschneidert‹ waren (das 1776 entstandene B-Dur-Rondo KV 269 als neues Finale
zum B-Dur-Konzert und das Adagio E-Dur KV 261 als Alternativ-Mittelsatz zum A-Dur-
Konzert). Aus dieser Tatsache wird deutlich, wie wenig im 18. Jh. vom Kunstwerk als ein für
allemal gültigem ›Denkmal‹ gesprochen werden kann, welche Freizügigkeit vielmehr dem
Interpreten eingeräumt wurde. Das gilt auch in anderer Hinsicht, z. B. für jene Stellen –
Fermaten, Eingänge und namentlich Kadenzen -, wo vom Solisten eigene improvisatorische
Auszierungen gefordert wurden (s.C.III.3.).

Wie Mozart mit den überlieferten Formmodellen (insb. italienischen und solchen des in
Italien wirkenden Mysliveček, den er 1770 in Bologna kennengelernt hatte) experimentiert,
zeigt sich beispielsweise im A-Dur-Konzert, wo nach der Orchesterexposition ein quasi
improvisiertes Adagio eingeschoben ist und die darauf unvermittelt einsetzende
Soloexposition eine zusätzliche, strahlende Melodie bringt, die zum eigentlichen Hauptthema
wird.

Was die spieltechnischen Anforderungen in den Violinkonzerten betriw, so gibt es virtuosere


Passagen bei den Zeitgenossen und auch in manchen Serenaden-Soli von Mozart selbst. Aber
es düroe sich kaum Musik finden, die in ihrem Wesen ›geigerischer‹ wäre, d.h. die
Möglichkeiten dieses Instrumentes – den singenden Vortrag, die Vielfalt der Tongebung
sowie die typischen Figurationen und Spielarten – ganz ausschöpoe, ohne das Moment an
Virtuosität über Gebühr in den Vordergrund treten zu lassen: reich und erfüllt, dabei aber
unaufdringlich und natürlich. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang der Brief, in dem
Mozart seinem Vater über den Geiger Fränzl des Mannheimer Orchesters berichtet (22. Nov.
1777). An virtuosen ›Hexereien‹ war Mozart weniger gelegen als an sinnfälliger, natürlicher
Darstellung der Musik. Dasselbe gilt auch für andere Instrumente. Als Zeugnis für diese
Auffassung – und zugleich ein bedeutendes ästhetisches Bekenntnis Mozarts – sei ein anderer
Brief an den Vater zitiert. In ihm geht es um die drei Klavierkonzerte KV 413-415, die er im
Winter 1782/83 verfaßte – und zwar offensichtlich nicht für seine eigenen Auoritte als
Virtuose, sondern um sie zur Subskription auszuschreiben. Deshalb annoncierte er (Wiener
Ztg., 15. Jan. 1783), man könne sie »sowohl bey großem Orchestre mit blasenden Instrumenten, als
auch nur a quattro, nämlich mit 2 Violinen, 1 Viola und Violoncello aufführen« (dasselbe galt für
das Es-Dur-Konzert KV 449). Aber nicht nur hinsichlich der möglichen Hausmusikbesetzung,
sondern auch stilistisch kam Mozart seinem Publikum entgegen: »Die Concerten sind eben das
Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die ohren –
Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten –
doch so – daß die nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum« (Brief vom 28.
Dez. 1782; Mozart, Briefe und Aufzeichnungen, GA, Bd. 3, Kassel u.a. 1963, S. 245f.). Diese Worte
ließen sich, im Sinne der zeitgenössischen Terminologie interpretiert, als Schlüssel zur
Mozartschen Konzertästhetik, ja seiner Kunstauffassung insgesamt verstehen: weder zu
schwer – und das meint nicht nur den virtuosen Anspruch, sondern vor allem den
kompositionstechnischen, nämlich den gelehrten Stil – noch zu leicht im Sinne des galanten
Stils. Mozart macht dem Publikumsgeschmack keine Zugeständnisse, die sein
kompositorisches Niveau verließen und ›ins Leere fielen‹, aber er bekennt sich zur Aufgabe,
die der Gattung Konzert vornehmlich zukam: »angenehm« und geistreich zu unterhalten.

Bei keinem anderen Komponisten wird die übliche Einteilung in Jugend-, Reife- und Spätzeit
so leicht fragwürdig wie bei Mozart. Das Wunder der Vollendung begegnet uns in seinem
frühen Schaffen genauso wie in den späten Wiener Jahren. Ein Beispiel dafür bildet das
Klavierkonzert Es-Dur KV 271, das im Jan. 1777 entstand, und zwar für eine in Salzburg
gastierende französische Pianistin, Mademoiselle Jeunehomme, nach der es denn auch häufig
benannt wird. Formal und an innerem Gehalt überragt es die früheren Konzerte und steht in
Mozarts Schaffen, wie A. Einstein formulierte, »ebenso überraschend wie einzig da. Durch nichts
in der Produktion des Jahres 1776 wird es angekündigt« (Mozart, Ffm. 1977, S. 310), und es hat auch
keine unmittelbaren Nachfolger. Der Stil dieses in jeder Hinsicht exzeptionellen Werkes trägt
deutlich experimentelle Züge: Gleich der Anfang mit dem Wechsel zwischen Orchester und
Solisten, in dem »der barocke Gegensatz zwischen Orchesterabschnitt und Soloabschnitt auf eine
einzige Periode zusammengeschnellt« (Ch. Rosen 1983, S. 67) scheint und der formal wie eine
Vorahnung des Beginns von Beethovens Es-Dur-Konzert wirkt, ist ungewöhnlich; ebenso der
Schluß des Ritornells, in dem der Solist mit einem Triller gleichsam die Szene betritt. Der
Mittelsatz ist als großangelegtes Instrumentalrezitativ gestaltet, und das Finale (Rondeau
Presto) wird durch langsame Menuetteinschübe unterbrochen.

Solche Maßnahmen verdeutlichen die Lust am Ausprobieren formaler Möglichkeiten, und sie
weisen zugleich auf einen interessanten Zug in Mozarts Umgang mit der Tradition: Er
komponierte nämlich zuweilen eine ›historische Ebene‹ mit. Mehr oder weniger deutliche
Anspielungen auf ältere Meister sind – gerade in seinen Konzerten – keine Seltenheit. So
zitiert das Andante des Klavierkonzertes KV 414 ein €ema von Joh. Chr. Bach als Huldigung
an den verstorbenen Meister (vgl. KV 61964, S. 424). Daneben konnten auch stilistische
Verbindungen zu C. Ph. E. Bach deutlich gemacht werden: So findet sich bereits in dessen
Klavierkonzert g-Moll Wq 32 (2. Satz) der genannte Kunstgriff in KV 271, das Klavier in der
Schlußkadenz des Anfangstutti mit einem Triller beginnen und auf diese Weise in das Solo
übergehen zu lassen; auch die Menuetteinschübe in den Finali von KV 271 und 482 gehen
möglicherweise auf Vorbilder C. Ph. E. Bachs zurück (S. Leopold, »Er ist der Vater, wir sind die
Bub’n«, Dr.i.Vorb.). Und W. Plath hat in langsamen Klavierkonzertsätzen Zitate nicht nur von
Haydn, sondern auch von Gluck nachgewiesen – verständlich wohl nur als ›augenzwinkernde
Verbeugung‹ vor den älteren Meistern, an deren Wohlwollen ihm liegen mußte (Mozart.
Musikalische Herkuna, Umwelt, Einflüsse, Vortrag beim Europ. Musikfest Stuttgart, 19. Aug.
1991).

Formal liegt Mozarts Konzerten ein vielfach variiertes, mit immer neuen Detaillösungen
versehenes Modell zugrunde, in dessen Kopfsatz die doppelte Exposition zur Regel wird: Auf
die Tuttiexposition folgt die zur Dominante modulierende Soloexposition. Sie beginnt selten
direkt mit dem Hauptthema des Satzes (z. B. Es-Dur KV 449, A-Dur KV 488, B-Dur KV 595),
sondern nimmt figurativ umspielend thematisches Material aus der Tuttiexposition auf,
bringt eigenes Material oder einen virtuosen Eingang (s. C.III.3.). Die thematischen Gedanken
behalten nicht – wie im älteren Typus – ihren Charakter bei, sondern werden durch
harmonische Wendungen (vor allem plötzliche Molltrübungen) sowie eine Fülle
feingliedriger Figuren kontrastiert, die in kunstvollem Wechselspiel durch die einzelnen
Instrumentengruppen geführt werden. Relativ offen ist der reich modulierende
Durchführungsabschnitt gestaltet, während die einfache Reprise eine neue Balance zwischen
Solo und Tutti herstellt, oo mit wechselnder Zuordnung des thematischen Materials. Die
langsamen Sätze sind meist zwei- oder dreiteilig nach dem Vorbild der vokalen Form A-B-A
angelegt (z. B. als Romance in KV 466), es finden sich aber auch Variationsfolgen (z. B. KV 456)
und Sonatensätze. In den Finali dominieren Mischformen wie das Sonatenrondo oder die
Verbindung von Variation und Rondo.

Für den Hauptsatz läßt sich, wie das im folgenden wiedergebene von K. Küster entworfene
Schema (1993, S. 80f.) zeigt, folgender Ablauf beschreiben, wobei fakultative Lösungen mit
einem Stern bezeichnet sind:

Ritornell: vielgliedrig, zwei thematische Komplexe in der Tonika; Halbschluß (mit


Generalpause), anschließend lyrisches €ema; mehrere Kadenzglieder;

Soloexposition: *freie Eröffnung; Wiederaufnahme des Ritornell-Kopfmotivs; virtuose


Fortsetzung; Tuttieinwurf (* mit der Schlußbestätigung des Ritornells); 1.
Modulationsbereich: freies Solothema 1, Tonika; virtuose Fortsetzung; Schluß in gesteigerter
harmonischer Position; Tuttieinwurf (* mit freier Motivik); 2. Modulationsbereich: freies
Solothema 2, Dominante; virtuose Fortsetzung; Schluß in harmonischer Zielposition;
Wiederaufnahme des ›lyrischen €emas‹ in der Dominante; kadenzierende Fortsetzung (* mit
freier Motivik); Schlußgruppe mit mehrfachem Kadenzieren;

Mitteltutti: Ritornellmaterial, in der Regel ohne ›Haupt- und Seitenthema‹; * Nachspiel-


Charakter;

›Durchführung‹: Eröffnung mit freiem Solothema; * dessen Sequenzierung; Tuttieinwurf;


Sequenzierung mehrerer Motive (* virtuos); Rückführung (* mit Tuttibegleitung);

Reprise: Wiederaufnahme des Soloexpositions-Ablaufs mit Korrektur der Harmonik;


Erweiterungen denkbar (aus dem Ritornell heraus; vorwiegend zu Beginn; mit episodischem
Material auch vor dem Seitenthema und in der Schlußgruppe);

Schlußtutti: Kadenz des Solisten entweder in die (* erweiterten) Abläufe des Mitteltuttis
eingefügt oder diesen vorausgehend. Jedenfalls orchestrale Einleitung der Solokadenz
(›Vorkadenz‹).

Wie differenziert ein solches Schema gehandhabt wird, läßt sich von Fall zu Fall verfolgen.

Während der ersten Wiener Jahre schrieb Mozart über ein Dutzend Klavierkonzerte. In dieser
reichen Produktion spiegeln sich die Erfolge, die er damals hatte: Er war ein gefeierter Pianist
und wurde häufig zu privaten und öffentlichen Akademien herangezogen. Wichtig ist, daß es
sich dabei (im Gegensatz zu anderen Formen der musikalischen Praxis) um primär
künstlerische Veranstaltungen handelte: Man kam eigens zusammen, um Musik zu hören. Sie
hatte nicht mehr nur die Funktion einer festlichen Beigabe, sondern war selbst zur
Hauptsache geworden. Entsprechend trat in den Kompositionen das Moment rein geselliger
Unterhaltung spürbar zurück. Daß Mozart die meisten seiner Konzerte für solche Akademien
schrieb, erklärt auch, daß er im Klavierpart nicht alles ausnotierte, sondern zuweilen – etwa
im c-Moll-Konzert KV 491 bei Läufen oder gebrochenen Akkorden – nur Andeutungen
machte. Ohnehin wurde ja, zumal in den langsamen Sätzen, Raum für improvisierte
Verzierungen gelassen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die kammermusikalisch feinnervige und
abwechslungsreiche, dabei nie aufdringlich ›raffinierte‹ Instrumentation. Entsprach das Es-
Dur-Konzert KV 271 der Standardbesetzung des klassischen Orchesters (Streicher mit 2
Oboen und Hörnern), so kommen in den Wiener Konzerten meist noch eine Flöte und zwei
Fagotte, zuweilen Klarinetten hinzu. Solche Partituren sind »ganz mit blasinstrumenten
obligirt« (Brief vom 15. Mai 1784 über KV 453; Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, GA, Bd. 3,
Kassel u.a. 1963, S. 314), d.h. die Bläser dienen nicht nur als klangliche Stütze, sondern
erhalten auch solistische Aufgaben, ja sie tragen in großem Maße das musikalische
Geschehen – sowohl das Wechselspiel von Solo und Tutti als auch die Balance zwischen den
einzelnen Orchestergruppen (vgl. die Dialoge zwischen Holzbläsern und Streichern in der
Exposition des B-Dur-Konzertes KV 450, den Wechselgesang zwischen Flöte und Fagott im
Mittelteil des Andante aus dem Es-Dur-Konzert KV 482 u.v.a.). Wo der Charakter es nahelegt,
wird die Instrumentation erweitert und effektvoll eingesetzt; so im F-Dur-Konzert KV 459,
das 1784 entstanden war und 1790 für Mozarts Frankfurter Akademie anläßlich der
Kaiserkrönung Leopolds II. mit zusätzlichen Pauken und Trompeten, den traditionellen
Attributen majestätischen Glanzes, versehen wurde.

Entscheidend in Instrumentation und motivischer Durcharbeitung ist der dialogische


Charakter. R. Strohm (1978) hat die Kantabilität, den »sprechenden« Charakter und die
»neaterhaltung« von Mozarts thematischen Erfindungen aus den Modellen italienischer
Versvertonungen plausibel abgeleitet. Wie im kleinen, so wurzelt Mozarts konzertanter Stil
insgesamt in der €eatermusik; er ist dramatisch konzipiert und weist auf Schritt und Tritt
Analogien zu szenischen Formen auf. Plastische Gesten und wechselnde Ausdruckshaltungen
bestimmen die Handlung, deren ›Dramaturgie‹ von der Balance kontrastierender Glieder
ausgeht – kaum mehr im Sinne einer einfachen Konfrontation von Solo und Tutti, sondern als
Wechselspiel in verschiedensten Konstellationen, denn dem Solisten steht nicht mehr das
Orchester insgesamt, sondern ein individuell geprägter Klangkörper gegenüber.

Nirgends sonst hat Mozart den dramatischen Ausdruck so gesteigert wie im d-Moll-Konzert
KV 466. Schon der Beginn mit seinen drängenden Synkopen, düsteren Harmonien und scharf
kontrastierender Dynamik überträgt den Affekt des Dämonischen aus der Oper (Analogien
zur Komturszene des Don Giovanni oder der Rachearie der Königin der Nacht in Die Zauberflöte
drängen sich auf ) in die Instrumentalmusik. Starke emotionale Gegensätze herrschen auch in
den übrigen Sätzen. Bezeichnenderweise stand von allen Mozartschen Konzerten dieses
Beethoven (der auch Kadenzen dazu komponierte) und dem ganzen 19. Jh. am nächsten.
Die Physiognomie der einzelnen Konzerte ist wesentlich durch die langsamen Sätze
mitbestimmt. Man denke nur an das innerlich anrührende Adagio im A-Dur-Konzert KV 488:
Es beginnt in der seltenen Tonart fis-Moll, und sein vom Siciliano-Rhythmus getragenes
€ema changiert zwischen den Tongeschlechtern, sucht chromatische Verfremdungen und
ungewöhnliche Harmonien, um dann von einem schwelgerischen Bläsergesang in A-Dur
beantwortet zu werden. Von ganz anderer Art – nicht minder geheimnisvoll – ist die schlichte
Melodie über gedämpoen Streichertriolen im Andante von KV 467, deren Bogen sich über drei
Oktaven vom höchsten Diskant in die Baßlage und wieder zurück spannt und die in einer
Schlußwendung mit geradezu unerhört simplen Tonrepetitionen – einer höchsten
Einfachkeit, wie sie nur Mozart riskieren konnte – Abschied zu nehmen scheint.

Eröffnen diese Mittelsätze eine schwebende, den Charakter geselliger Unterhaltung, wie sie
vom Konzert gefordert wurde, weit unter sich lassende Sphäre, in der der Hörer – romantisch
gesprochen – in andere Welten entrückt wird, so schlagen die Finali wieder ›irdischere‹ Töne
an; nach der verinnerlichten Stimmung Übermut, extrovertiertes Spiel, zündende,
funkensprühende Vitalität.

Mozarts Bläserkonzerte entstanden als vereinzelte Gelegenheitsarbeiten entweder im Auorag


wohlhabender Dilettanten oder als Geschenk für befreundete Musiker. Sie stehen also nicht –
wie die auch zum eigenen Gebrauch geschriebenen Violin- oder gar die Klavierkonzerte – an
zentraler Stelle seines Schaffens. Gleichwohl sind auch sie in ihrer Art vollendet, und es sollte
auch später unübertroffen bleiben, wie Mozart die jeweiligen instrumentenspezifischen
Möglichkeiten ausschöpoe. Formal sind sowohl das Fagottkonzert KV 191 (1774) wie auch die
1778 in Mannheim geschriebenen Flötenkonzerte KV 313 und 314 (dies auch für Oboe
überliefert) sowie die zwischen 1782 und 86 entstandenen Hornkonzerte (KV 412/514, 417, 447
und 495) konventionell gehalten. Im Klarinettenkonzert KV 622 dagegen, Mozarts letztem
Konzert überhaupt, das er im Okt. 1791 für den befreundeten A. Stadler schrieb, scheint –
insbesondere was Registerwechsel und dynamische Flexibilität, den Reichtum spielerischer
Figurationen (etwa die Schattierungen zwischen warmer Klanggebung und kecken Staccati)
und »die innigere Beziehung des Solisten zum Orchester, das ihn trägt und hebt, und die innere
Bewegtheit im Orchester selbst« (Einstein, Mozart, Ffm. 1977, S. 302) betriw – die Summe seiner
Beschäoigung mit der Gattung Konzert gezogen.

Mozarts Konzerte lassen sich, insgesamt betrachtet, als Repertorium des klassischen Stils
verstehen; sie enthalten das ganze Vokabular seiner Tonsprache. Neben den Einflüssen durch
ältere italienische Meister und den unmittelbaren Vorbildern in Süddeutschland und
Österreich gibt es Einflüsse durch die Mannheimer Schule ebenso wie die französische und
norddeutsche Tradition mit ihren jeweiligen Errungenschaoen. Sie betreffen sowohl die
Behandlung des Orchesters, die Dynamik und Harmonik wie typische Figurationen,
Ornamente und bestimmte melodische Bildungen. Grundlegend waren vor allem die beiden
wichtigsten Kompositionsprinzipien im ausgehenden 18. Jh.: der gelehrte, d.h. polyphon
gearbeitete, und der galante, homophon gehaltene Stil. Wesentlich ist, wie Mozart aus
alledem eine eigene Sprache bildete, indem er die heterogenen Vokabeln zur lebendigen Rede
zusammenband: das Populäre und das Strenge, Heiterkeit und Ernst, leicht und schwer, den
Tonfall geselliger Unterhaltung und den Anspruch einer hohen Kunst für Kenner.

c. Beethoven

Im 19. Jh. wurde das ›klassische‹ Wechselspiel zwischen den konzertierenden Partnern, wie es
– immer neu und in vollendeter Weise – bei Mozart erreicht wurde, sowie die Balance
zwischen den stilistischen und ausdrucksmäßigen Mitteln aufgegeben. An ihre Stelle trat die
Betonung des Extremen – einerseits in Richtung auf das Virtuosenkonzert, andererseits auf
die individuelle Formlösung im Symphonischen Konzert. Der in beiderlei Hinsicht
bedeutendste Komponist, der das ganze 19. Jh. prägte, war Beethoven.

Auf keinem Gebiet konnte der junge Beethoven so unmittelbar an Mozart anknüpfen wie im
Konzert, d.h. vor allem im Klavierkonzert. Freilich war dies Vorbild nicht zu übertreffen,
sondern nur auf eigene Weise fortzusetzen. Insbesondere in der Vermischung spielerischer
Elemente mit strenger kontrapunktischer Arbeit war ›Mozarts Geist‹ von Anfang an spürbar.

Am 15. Dez. 1800 hatte er dem Verleger Hofmeister in Leipzig »ein Konzert für’s Klavier« (das
spätere op. 19 in B-Dur) angeboten, »welches ich zwar für keins von meinen Besten ausgebe, so wie
ein andres [C-Dur op. 15] was hier bej mollo herauskommen wird […], weil ich die Bessern noch für
mich behalte, bis ich selbst eine reise mache« (Briefe, hrsg. von A. C. Kalischer, Bd. 1, Bln. 1906, S. 
58). Dieses noch zum eigenen Gebrauch reservierte »bessere« Konzert war das in c-Moll op. 37.
Sein »Styl und Charakter […] ist weit ernster und großartiger als in beiden früheren« (C. Czerny;
zit. nach W. Osthoff 1965, S. 5). Neuartig sind nicht nur der Umfang des ganzen Werkes und
die Gewichtung einzelner Teile – so sprengt die Orchestereinleitung des 1. Satzes mit ihren 111
Takten alle bislang üblichen Maße -, sondern vor allem die strikte motivische
Durcharbeitung. Im Kopf des Hauptthemas finden sich bereits die Elemente, aus denen der
ganze Satz seine Krao zieht: aufsteigender Dreiklang mit abfallender diatonischer Skala und
ein pochendes Quartenmotiv, das wie ein Pulsschlag durchläuo. Noch zwischen Kadenz und
Coda übernehmen die Pauken dieses Pochmotiv (womit eine über Liszt bis zu Bartók
reichende Tradition beginnt). Ein ähnlich einheitsstioender Grundschlag (5 Viertelnoten, von
der Solopauke intoniert) durchzieht den 1. Satz des Violinkonzerts op. 61. Solche Maßnahmen
lassen sich als Bestreben um Vereinheitlichung des Entwicklungsganges, um Bindung der
disparaten Elemente deuten – eine Tendenz, die für die Zukuno der Gattung prägend werden
sollte. Ihr entsprechen formale Maßnahmen auf anderen Ebenen, bis hin zur Verbindung
zwischen Mittel- und Finalsatz: im Violin- und im Tripelkonzert, besonders aber im 5.
Klavierkonzert Es-Dur op. 73 (1809) läßt Beethoven diese Sätze nicht einfach aufeinander
folgen, sondern gestaltet einen spannungsvollen Übergang zwischen dem kantablen Largo
und dem ausgelassen tänzerischen Rondo-Allegro, wobei als Moment der verinnerlichten Ruhe
und Erwartung sowohl die Harmonik (Rückung) als auch Ausdrucksmittel (espressivo,
cantabile, dolce, morendo, ritardando) eingesetzt werden, ehe der ekstatische Aufschwung
beginnt. Das €ema dieses Finales, das zu den zündendsten Erfindungen Beethovens gehört,
basiert auf einer metrischen Raffinesse (6/8-Takt mit kontrastierender Dreier- und
Zweierbindung, kombiniert mit einem Deutschen Tanz in 3/8 als zweiter metrischer Schicht
und dynamisiert durch synkopische Akzente), die jeden glatten Fluß zunächst stört, um ihn
dann um so ungehemmter ausströmen zu lassen.

Dieses Werk war, wie ein Rezensent (AmZ 14, 1812, Sp. 8) schrieb, »ohne Zweifel eines der
originellsten, effectvollsten, aber auch schwierigsten von allen existierenden Concerten«. Bereits der
Beginn des Allegro mit seinen quasi improvisierten Klavierpassagen, dann der Umfang des
Satzes, der mit seinen 582 Takten über alles bisherige Maß hinausging, schließlich die
Tatsache, daß der Komponist jede Auszierung seitens des Solisten verbietet, waren
zukunoweisende Maßnahmen. Schon beim 4. Klavierkonzert in G-Dur op. 58 (1805/06) war
der Anfang durch die ›Präambel‹ des Pianisten ungewöhnlich (wiewohl so etwas schon bei C.
Ph. E. Bach vorkam). Solche ungewöhnlichen Maßnahmen dienten dazu, die Aufmerksamkeit
zu fesseln. Sie waren – ebenso wie andere, aus schroffen Kontrasten der musikalischen
Charaktere gewonnene Wirkungen – für die konzertante Instrumentalmusik neu. (Parallelen
gab es in Beethovens Symphonien.) Ähnliche Konzeptionen sind auch sonst auf verschiedene
Weise anzutreffen, etwa in der Anlage des Andante aus dem G-Dur-Klavierkonzert. Nicht nur
innerhalb der einzelnen Sätze, auch zwischen ihnen herrschen starke Kontraste, sowohl was
Klangstruktur, Instrumentation und Charakter betriw. Schon bei der Wahl der Tonart ist dies
zu spüren: Standen bei Mozart und den anderen Meistern des 18. Jh. die Mittelsätze meist in
der Subdominant- oder einer anderen verwandten Tonart, so greio Beethoven gern zu
entfernten Tonarten (c-Moll-Klavierkonzert: E-Dur, Es-Dur-Klavierkonzert: H-Dur).

Das Dramatische in Beethovens Konzerten bezieht sich nicht mehr, wie bei Mozart,
vornehmlich auf das belebte, aber in Ausgleich gehaltenene Wechselspiel innerhalb der
einzelnen Sätze, sondern auf die formale Anlage insgesamt. Sie folgt dem
Entwicklungsprinzip, und ihre finale Ausrichtung wird unterstrichen durch Steigerungs-
und Schlußwirkungen – etwa wieder im c-Moll-Konzert; dessen Presto-Coda (6/8) ließe sich
als Anspielung auf die Schlüsse der Mozartschen Moll-Konzerte sehen (wo solche Effekte
ausnahmsweise schon vorkamen): das in c-Moll KV 491 mit seinem Takt- und Tempowechsel
sowie das in d-Moll KV 466 mit seinem strahlenden Dur-Ausklang, einem lieto fine der Oper
vergleichbar. Solchem rückgewandten Bezug steht der Einfluß gegenüber, der von Beethoven
auf spätere Komponisten (z. B. im Finale von Brahms’ d-Moll-Konzert op. 15, 1854-1858)
ausging.

Steigerung des Ausdruckshaoen und das Verlassen klassischer Ausgewogenheit, dazu die
Betonung virtuoser, weitgespannter Figurationen in den Soli und insgesamt eine
großdimensionierte Anlage sind Indizien des Neuen, das Beethoven mit seinen Konzerten
begründete.

Angesichts der Vielfalt individueller Lösungen traten, wie Osthoff betont hat, die Grundzüge
des klassischen Konzerts, »erst spät ins theoretische Bewußtsein« (1965, S. 4). Koch hatte 1802
(KochL, Sp. 354) eine Deutung der Gattung versucht: Ein Konzert habe »viele Ähnlichkeit mit
der Tragödie der Alten, wo der Schauspieler seine Empfindungen nicht gegen das Parterre, sondern
gegen den Chor äußerte, und dieser hingegen auf das genaueste in die Handlung verflochten, und
zugleich berechtigt war, an dem Ausdrucke der Empfindung Anteil zu haben. Man vollende sich dieses
scizzirte Gemälde und vergleiche damit Mozarts Meisterwerke in diesem Fache der Kunstprodukte, so
hat man eine genaue Beschreibung der Eigenschaaen eines guten Concerts«. Freilich bleibt diese
Deutung sehr allgemein, vor allem was die formale Seite betriw. Analytisch ergiebiger sind
die Ausführungen von Beethovens Schüler Czerny in seiner deutschen Ausgabe von Reichas
Traité de haute composition musicale (P. 1824-1826; dt. Wien 1832, Bd. 1, Tl. 3., S. 334f.): »Das
Concert, (sey nun die Principalstimme für das Pianoforte oder ein anderes Instrument,) unterscheidet
sich von der Sonate in seinem Bau durch folgendes: Dem ersten Solo geht ein Ritornell für das ganze
Orchester voraus. Dieses Ritornell hat so ziemlich den Bau des ersten neils vom ersten Satze einer
Sonate, nur daß es wieder in der Grundtonart, oder deren Dominant-Septime schließen muß, wonach
das erste Solo eintritt. Das Ritornell darf nicht ermüdend lang seyn, und doch alle Hauptideen des
Concerts in abgekürztem Umriß enthalten. Das erste Solo spinnt diesen Umriß weiter aus, indem es
den gewöhnlichen Modulations-Gang beobachtet. Der Mittelgesang kann einmal auch vom Tutti
vorgetragen werden; worauf nach den gehörigen Passagen der erste neil mit einer Cadenz schließt,
nach welcher das Orchester wieder einen, nicht langen Zwischensatz auszuführen bekommt; der erste
neil wird nie wiederhohlt. Das zweite Hauptsolo, das den zweiten neil bildet, gewährt dem
Modulations-Talent freien Spielraum, obwohl alle ästhetischen Regeln der Sonate, besonders in
Hinsicht der Einheit des Ganzen auch hier wohl zu beachten sind. Adagio und Rondo, (die häufig mit
einander verbunden werden,) haben den gewöhnlichen Bau, nur mit untermischten Tutti’s […]« (zit.
nach Osthoff 1965, S. 5).

3. Symphonie concertante

Symphonie concertante (Sinfonia concertante, Konzertante Symphonie oder substantiviert als


Concertante oder Konzertante) wurde seit der zweiten Häloe des 18. Jh. eine zwei- oder
dreisätzige Komposition für mehrere (meist zwei bis vier) Soloinstrumente und Orchester
genannt. Formal wie satztechnisch steht die Gattung zwischen Concerto grosso, Solokonzert
und Symphonie. Die Terminologie schwankt: statt Symphonie concertante hießen im 18. Jh.
viele Werke, insbesondere mit solistischen Bläsern, Concerto, Duo en concert o.ä.; dagegen
wurden im 19. Jh. Titel wie Doppel-, Tripel- oder Quadrupelkonzert immer häufiger
eingesetzt. Sie wurden oo synonym mit Symphonie concertante verwandt.

Entstehungsgeschichtlich ist diese Zwittergattung darauf zurückzuführen, daß die


herausragenden Instrumentalisten in den Orchestern auch solistische Aufgaben übernehmen
sollten. Der symphonische Zuschnitt verband sich mit einem flexiblen und brillanten Einsatz
der Soloinstrumente, denen höchste Virtuosität abverlangt wurde (Eingänge, Spielfiguren,
Bravourkadenzen). Konventionalität und Experimentierlust werden zugleich deutlich. Der
heitere und leichte Charakter meidet dramatische Gesten und weist ebenso wie der
konversationshaoe Stil auf die Herkuno aus dem Divertimento-Bereich. Ansätze zu
polyphoner Arbeit bleiben gering. Formal sind die Werke locker gefügt. Die Rolle des
Orchesters bleibt während der Soloepisoden auf eine grundierende Begleitung beschränkt.
Die Solisten übernehmen nur selten das vom Tutti vorgestellte Material und bringen statt
dessen eigenes. Auch im Durchführungsabschnitt erscheinen – statt einer Verarbeitung der in
der Exposition aufgestellten €emen – oo neue Motive in den Soloinstrumenten.
Die Symphonie concertante erreichte gegen Ende des Jh. eine geradezu modische Beliebtheit.
Zum Zentrum der Entwicklung wurde Paris, wo die neue Gattung erstmals durch J. B. Davaux
um 1772, nachhaltig durch C. Stamitz seit 1773 in das Concert spirituel eingeführt wurde und
wo zwischen 1770 und 1800 über 500 Werke entstanden. Von dort strahlte sie in das übrige
Europa aus. Wichtige Komponisten neben Stamitz (38 Werke) waren G. G. Cambini (29), Joh.
Chr. Bach (18), Joh. Chr. Cannabich, C. G. Toeschi, Fr. Danzi, Fr. Devienne, Hoffmeister, Fr.
Krommer, Dittersdorf, Pleyel, nicht zuletzt Haydn, Mozart und Beethoven (Tripelkonzert op.
56). Aber neben diesen in den musikalischen Zentren wirkenden Musikern wären noch viele
andere zu erwähnen. In diesem Falle nämlich stellt sich in besonderer Weise das Problem der
Rezeption: Die meisten Werke stammen von ›Kleinmeistern‹, vielfach Instrumentalvirtuosen,
die im Vergleich zur allgemeinen Entwicklung Außenseiter waren. Lange Zeit gar nicht oder
nur schwer zugänglich, bedarf ihr Schaffen besonderer Fürsprache, um überhaupt ins
historische Bewußtsein aufgenommen zu werden. Hier ist neben dem
musikwissenschaolichen Editionswesen besonders – und gerade im Zuge der Belebung Alter
Musik seit den 1970er Jahren – der Entdeckerfreude praktischer Musiker (z. B. des
Klarinettisten Dieter Klöcker und seines Consortium Classicum) viel zu verdanken.

Neben gängigen Besetzungen der Soli mit Streichern, Bläsern oder einer Mischung aus beiden
in unterschiedlicher Stimmlage (z. B. Haydns Symphonie concertante für V., Vc., Ob. und Fg.
Hob. I:105) finden sich auch solche für ad hoc zusammengestellte Ensembles (z. B. G.
Druschetzky, Symphonie concertante für Ob., Pauken und Orch.; M. Fr. von Droste-Hülshoff,
Trio concertante für drei Fl. und Orch.). Wegen ihrer Besetzung stehen sie häufig in
›Bläsertonarten‹ (C-, F-, B- oder Es-Dur); Molltonarten werden vermieden. Die übliche Zwei-
oder Dreisätzigkeit wurde nur von Pleyel überschritten, der auch hinsichtlich der Besetzung
experimentierte (so setzte er neben gängigen Streicher- und Bläsersoli auch ein Concertino
aus 2 V., Va., Vc., Fl., Ob. und Fg. sowie alternative Ensembles aus Fl., Ob., Fg. und Hr. bzw. Kl.
und V. ein). L. A. Koželuch zeichnete sich durch faszinierenden Einfallsreichtum aus, wie
eine Sinfonia concertante zeigt, in deren 1. Satz die Soloinstrumente Trompete, Mandoline,
Kontrabaß und Klavier jeweils mit einem eigenen €ema einsetzen, ehe sie sich brillant
konzertierend vereinigen.

Viele Werke sind nur zweisätzig (in Paris fehlten in der Regel die langsamen Sätze). Am
Schluß steht meist ein französisches Rondeau, zuweilen auch ein Menuett oder
Variationssatz.
Die stilistische Breite wird deutlich, wenn man zwei Hauptwerke Mozarts vergleicht: den
Concertone für 2 V. und Orch. KV 190 und die Sinfonia concertante für V., Va. und Orch. Es KV
364. Spiegelt sich im Concertone (1774; nach der Rückkehr aus Italien) die Auseinandersetzung
mit dem Concerto-grosso-Typ, so zeigt die Sinfonia concertante (1779; nach der Rückkehr aus
Paris) Mannheimer Einflüsse – nicht nur in der formalen Anlage und im Crescendo der Tutti-
Exposition, sondern auch in der Übernahme des 1. €emas von Stamitz. Eine weitere,
unmittelbar nach KV 364 begonnene Sinfonia concertante A für V., Va. und Vc. (Anh. 104/KV
320e) blieb Fragment.

Daß übrigens der terminologische Unterschied, den Mozart zwischen seiner 1778 für das
Pariser Concert spirituel verfaßten Sinfonia concertante für seine Mannheimer Bläserfreunde
(vgl. KV Anh. C 14.01) und dem gleichzeitig für adelige Dilettanten geschriebenen Concert auf
die flöte und harpfe (KV 299) machte, inhaltliche Gründe gehabt habe (B. S. Brook, Art.
Symphonie concertante, in: MGG [1965], Sp. 1901), bleibt fraglich. Dem steht nicht nur
entgegen, daß das Flöte-Harfen-Konzert auch als Concertante bezeichnet wurde, sondern daß
man grundsätzlich nicht klar unterschied (vgl. auch Mozarts in demselben Jahr entstandene
Sinfonia concertante pour violon & alto KV 364 und das Concerto à due cembali KV 365).

Im beginnenden 19. Jh. ließ die Produktion nach. Die Musiker der romantischen Richtung
hatten vielfach Schwierigkeiten mit der Musik der vorangegangenen Epoche. Das lag sowohl
am grundlegenden Wandel der musikalischen Sprache – vom spezifisch leichten, reich
ornamentierten Konversationston zur bedeutungsgeladenen Ausdruckshaltung – als auch an
den geänderten instrumententechnischen Voraussetzungen: In allen Bereichen wurden die
klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten erweitert, und zwar in einem engen
Wechselspiel zwischen Instrumentenbau, virtuosem Anspruch (der Interpreten wie des
Publikums) und Komposition. Damit war das Schicksal der Symphonie concertante, deren
Absicht ja die heitere Unterhaltung des Publikums, nicht aber die emotionale Geste war,
besiegelt.

Ein Nachzügler wie der 1811 geborene L. A. B. Schindelmeisser ist die Ausnahme, die die Regel
bestätigt; dieser Freund Wagners schrieb noch 1833 eine Sinfonia concertante für vier Klar. und
Orch. mit einem (sonst in dieser Gattung nicht anzutreffenden) langsamen Satz Religioso. Mit
seinem Streichquartett-Konzert (1845) knüpo L. Spohr an die in jungen Jahren entstandenen
Doppelkonzerte (für V. mit Vc. oder Hf., 1803/07) an. Dagegen entstand ein Werk wie Brahms’
Doppelkonzert für V. und Vc. op. 102 (1887) außerhalb einer durchgehenden Tradition.
Im 20. Jh. wurde – insbesondere im Zuge der neoklassizistischen Tendenzen seit den 1920er
Jahren – die Symphonie concertante wiederbelebt. Hier wären einerseits solche Werke zu
nennen, die an die spätromantische Tradition der ›Symphonie mit obligatem Soloinstrument‹
anknüpfen (K. Szymanowski, Symphonie concertante für Kl. und Orch. op. 60 [4. Symph.],
1932), andererseits solche, die sich an Vorbildern des späten 18. Jh. mit ihrem
Klanggruppendualismus orientieren (Fr. Martin, Petite Symphonie concertante für Cemb., Hf.,
Kl. und 2 StrOrch., 1945). I. Markevitch gab einem dreisätzigen Orchesterwerk (Le Nouvel Âge,
1938) und einer fünfsätzigen Komposition für S. und Orch. (Lorenzo il magnifico, 1940) die
Bezeichnung Sinfonia concertante. Unter demselben Titel veröffentlichte K. A. Hartmann seine
5. Symphonie (1950), die aus mehreren früheren Arbeiten in konzertanter Form und
Besetzung hervorgegangen war. Zahlreiche andere Werke gehen eher auf das Modell des
Concerto grosso zurück (s.u.).

4. Concertino, Konzertstück

Der Begriff concertino wird neben der Bezeichnung für die Gruppe von Soloinstrumenten, die
im Concerto grosso und der Symphonie concertante dem Tutti gegenübersteht, auch als
Diminutivform für eine konzertante Komposition kleineren Umfangs (oo synonym mit dem
Konzertstück) oder kleinerer Besetzung benutzt. Er fand schon im frühen 18. Jh. für solistisch
zu besetzende Instrumentalwerke leichten Charakters Verwendung (z. B. bei Molter, von dem
eine große Zahl solcher Kompositionen überliefert ist; im 2. Supplement des Breitkopf-
Kataloges von 1767 trägt eine Rubrik den Titel »Partite, Divertimenti, Cassationes, Concertini«).
Daneben wurde er für kleindimensionierte Konzerte benutzt (etwa in Webers Concertino für
Klar. und Orch. op. 26 [1811] oder Fr. Danzis Concertino für Klar., Fg. und Orch.). Im 20. Jh.
wurde er im Zuge des Neobarock als Werktitel beliebt (H. Reutter, Concertino op. 69, für Kl.
und StrOrch., 1947, H. Genzmer, Concertino Nr. 2 für Kl. und Str. mit Fl., 1963) und auch für
solistisch besetzte Musik verwendet, die sich bewußt von der Tradition großer
Kammermusikgattungen absetzt (z. B. Stravinskijs Concertino für StrQu., 1920).

Als Konzertstück wird im allgemeinen eine einsätzige Komposition konzertanten Charakters


(häufig mit langsamer Einleitung) oder auch eine größere, für den Konzertvortrag ohne
Orchester bestimmte Komposition bezeichnet. Für den ersten Typus seien Chopins Allegro de
concert op. 46 (1832-1841; Chopin trug bei seinem ersten Pariser Konzert auch sein e-Moll-
Konzert op. 11 [1830] als Solostück vor) und das Concertstück für 4 Hörner und Orch. op. 86
(1849) oder Introduktion und Allegro appassionato für Kl. und Orch. op. 92 (1849) von Schumann
genannt (dieser hatte bereits sein op. 1, die Abegg-Variationen [1829/30], als »Konzertstück für
Pianoforte und Orchester« geplant), für den zweiten Schumanns Sonate op. 14 (Concert sans
orchestre [1835/36]).

Neben Sätzen, denen die Sonatenform zugrundeliegt (Weber, Konzertstück für Kl. und Orch.
op. 79, 1821, J 282), finden sich besonders im 19. Jh. zahlreiche freiere Bildungen (vgl. etwa
Mendelssohns Capriccio brillant op. 22 für Kl. und Orch. [?1825/26], Debussys Fantaisie pour
piano et orchestre [1889/90]; auch der erste Satz des a-Moll-Klavierkonzertes op. 54 [1841, 1845]
von Schumann war zunächst als für sich stehende Fantasie gedacht), daneben virtuose
Variationssätze (Chopin, Mozart-Variationen op. 2 [1827], čajkovskij, Rokoko-Variationen op.
33 [1876]), Tänze (Chopin, Krakowiak op. 14 [1828]), Charakterstücke (Beethoven, Romanzen für
V. und Orch. op. 40 und 50 [?1801/02, ?1798], Ravel, Tzigane für V. und Orch. [1924]),
konzertante Bearbeitungen (Liszts Orchesterfassung von Schuberts Wandererfantasie, vor
1852) wie auch freiere Formen der Programmusik (Liszt, Totentanz, 1849, rev. 1853, 1859;
Strauss, Burleske für Kl. und Orch., 1885/86; auch Stravinskij ging bei seinem Ballett
Petruschka [1910/11] ursprünglich von der Idee eines konzertanten Stücks für Kl. und Orch.
aus).

In der ästhetischen Diskussion des frühen 19. Jh. spielten die grundsätzlichen Unterschiede
zwischen Instrumental- und Vokalmusik eine entscheidende Rolle. Aus ihnen wurde die –
eine ganze Epoche prägende – Auffassung abgeleitet, rein instrumentale, d.h. ›absolute‹
Musik habe Vorrang gegenüber den vokalen Gattungen. Doch – so streng geschieden, wie in
den theoretischen Auseinandersetzungen behauptet, waren beide nicht; und wenn man sie
schon als Gegensätze verstehen will, dann als Spannungspole: Kantabler Stil und typisch
instrumentale Schreibweise ergänzen und stimulieren sich gegenseitig. Fließende Übergänge
also, und mehr noch: beide Bereiche sind teilweise austauschbar. So sei aus der Flut von
Werken, in denen Opernmusik ins konzertante Genre übertragen wurde, nur an Beispiele wie
Fr. Danzis Fantasie für Klar. und Orch. über »La ci darem la mano« (Mozart, Don Giovanni)
erinnert oder an Rossinis Cabaletta »O quante lacrime« (aus Szene und Arie »Mura felici« aus
der Opera seria La donna del lago, 1819), die als Introduktion, €ema und Variationen für Klar.
und Orch. zum Repertoire der Klarinettenvirtuosen gehört. (Wenn auch die Autorschao
dieses konzertanten Stückes unklar ist, so lehnen sich doch die instrumentalen Variationen
eng an den Koloraturstil der Vorlage an und zeichnen eine Opernszene und -arie mit
instrumentalen Mitteln nach.)
Schließlich wurden auch Sätze, die ursprünglich als Einlage oder Ersatz für ein bestimmtes
Konzert gedacht waren, als einzelne Konzertstücke aufgeführt (z. B. Mozarts Konzert-Rondo D-
Dur KV 382).

III. Das Konzert im 19. Jahrhundert

1. Das virtuose Konzert

Die Komposition eines Konzerts stellt nicht nur formale Anforderungen, sondern verlangt
auch, dem Anspruch des Publikums auf geistvolle Unterhaltung und dem des Interpreten auf
Präsentation seiner Virtuosität zu genügen (s. C.III.3.). Dazu kommen, wenn es sich denn um
mehr als bloße Artistik handeln soll, kompositionstechnische Kriterien: motivisch-
thematische Arbeit, innere Geschlossenheit, sinnvoller Zusammenhang musikalischer
Gedanken – Merkmale einer im emphatischen Sinne als ›Tonkunst‹ verstandenen, ästhetisch
autonomen Musik. Jedes Konzert steht also im Spannungsfeld zwischen Individualität in
Erfindung und Gestaltung, satztechnischem Niveau und gesellschaolicher Funktion. Sein
Rang mißt sich daran, wie es gelungen ist, diese Faktoren in Einklang zu bringen.

In der Geschichte der Gattung im 19. Jh. lassen sich mehrere gegenläufige Entwicklungen
erkennen – zur formalen Erweiterung wie zu Verknappung und Konzentration, zur völligen
Dominanz des Solisten wie zu seiner Integration in den Entwicklungsprozeß, zur
musikalisch-›absoluten‹ wie zur programmatischen Gestaltung, schließlich zur
Dramatisierung der Form wie zu lockerer, epischer Darstellung. Dabei lag üblicherweise dem
ersten, schnellen Satz die Sonatenform zugrunde; der zweite war meist lyrisch in einfacher
Liedform, der dritte ein schnelles, oo tänzerisch gehaltenes Rondo. Das Hauptproblem lag in
der Gestaltung des Kopfsatzes. Er war, dem Vorbild Beethovens folgend, im allgemeinen
dramatisch konzipiert, wobei nicht nur der Antagonismus zwischen Solo und Tutti, sondern
die Prinzipien der Sonatenform entscheidend mitwirkten: der Dualismus der €emen, der als
›Konflikt‹ in der Durchführung ausgetragen wird, sowie der finale Charakter des
Formverlaufs, bei dem alle Details einem Entwicklungsgang untergeordnet sind. Wenn diese
finale Konzeption nicht nur auf den ersten Satz, sondern auf das Konzert insgesamt bezogen
wurde, führte das zu vereinheitlichenden Maßnahmen (thematische Bezüge, ineinander
übergehende Sätze oder auch Einsätzigkeit).

A. B. Marx beschrieb das Konzert 1839 in seiner Allgemeinen Musiklehre: »Unter diesem Namen
wird in der neueren Zeit eine mehrstimmige Komposition verstanden, in der ein Instrument, das
Prinzipal-Instrument (oder die Prinzipalstimme), oder auch mehrere konzertirende Instrumente die
Hauptpartie übernehmen und dabei die vorzüglichen (Virtuosen-) Kräae, die Bravour des Spielers an
den Tag legen sollen, während das Orchester eine sich unterordnende Begleitung dazu giebt, die aber
gelegentlich auch zu einer grössern Wichtigkeit sich erheben kann und soll. Auch hier herrscht die
Sonatenform, jedoch auf drei Sätze beschränkt; das Scherzo bleibt gewöhnlich weg« (Lpz. 1839, S. 
250). Dreisätzigkeit blieb im ganzen 19. Jh. die Norm, doch schon Schumann hatte gefragt:
»Sollte nicht auch das Scherzo, wie es von der Symphonie und Sonate her geläufig, mit Wirkung im
Concert anzubringen sein? Es müßte einen artigen Kampf mit den einzelnen Stimmen des Orchesters
geben, die Form des ganzen Concerts aber eine kleine Änderung erleiden« (Ges. Schr. über Musik und
Musiker, Bd. 2, Lpz. 1871, S. 62). Er war dazu wohl durch I. Moscheles angeregt worden, der in
seinem Concert pathétique op. 93 (1835/36) anstelle des regulär langsamen Mittelsatzes eine
zweiteilige Verbindung von Allegro agitato und Andante espressivo gesetzt hatte. H. Ch.
Litolff war es dann, der »dem Klavierkonzert unter Bewährung der Sonatenform erst die völlige
Ausdehnung der klassischen Sinfonie durch Hinzufügen des bisher fehlenden Satzes, des Scherzos
gab« (H. Engel 21927, S. 250), und in Brahms’ B-Dur-Klavierkonzert op. 83 (1878-1881) steht vor
dem Andante ein regelrechtes Scherzo (Allegro appassionato).

Was die verwendeten Soloinstrumente betriw, so blieb ihre Zahl gegenüber der
Mannigfaltigkeit im 18. Jh. begrenzt. Neben den (anfänglich noch häufigen, nach ca. 1820
deutlich abnehmenden) Symphonies concertantes und virtuosen Bläserkonzerten entstanden
vor allem Konzerte für Klavier und Violine. Beide hatten den größten virtuosen Standard.
Selbst das Violoncello, für das zwar B. H. Romberg in Anlehnung an Viotti 10 Konzerte zum
eigenen Gebrauch und für das später Schumann, čajkovskij und Dvořák herausragende
konzertante Werke schrieben, blieb eine Ausnahme.

Die Bedeutung des Klaviers für die neue Entwicklung ist offenkundig. Dabei waren äußere
und innere Entwicklungen zusammengekommen: »Mit der immer fortschreitenden Mechanik
des Clavierspiels, mit dem kühneren Aufschwung, den die Komposition durch Beethoven nahm, wuchs
auch das Instrument am Umfang und Bedeutung […], so entstehen dem Komponisten neue
Aussichten, und sich immermehr vom unterstützenden Orchester losmachend, wird es sich dann noch
reicher, vollstimmiger und selbständiger zu bewegen wissen. Diese Trennung von dem Orchester
sehen wir schon seit länger vorbereitet« (ebd., S. 60; zu Schumanns eigener Sonate f op. 14,
Concert sans orchestre, vgl. C.II.4.). Ebenso wie die Neuerungen im Klavierbau (Klangvolumen,
Repetitionsmechanik) erlaubten die anderen instrumentalen Erweiterungen (Umbau der
alten Streichinstrumente, Einführung der Klappenmechanik bei den Holzbläsern usw.) neue
Spieltechniken.

Im Bereich der Violine wurden zunächst die Konzerte Viottis zum Vorbild für eine ganze
Generation. Aber nicht nur seine unmittelbaren Nachfolger wie Rode und R. Kreutzer,
sondern auch die italienischen Violinmeister A. Lolli, G. M. Giornovichi, N. Mestrino, F.
Fiorillo, G. B. Polledro sowie Alessandro und Giuseppe Antonio Rolla folgten diesem Vorbild.
Auch Spohr hat als Konzertkomponist im Stile Viottis begonnen (12 Violinkonzerte), schuf
aber auch eigenständige Werke, insbesondere mit seinem 8. Konzert »in modo di scena
cantante« op. 47 von 1816 (s.u.). Ihm folgten Komponisten wie L. W. Maurer oder B. Molique,
dessen 3. und 5. Violinkonzert von einem Zeitgenossen als »Symphoniestücke mit obligater
Violine« (H. Engel, Art. Konzert. C. das Instrumentalkonzert, in: MGG [1958], Sp. 1577)
bezeichnet wurden. Als Komponisten von Bravourkonzerten und kleineren konzertanten
Werken sind F. David, E. Rietz, F. Ries und H. Wilh. Ernst zu nennen.

Der wichtigste Name in diesem Zusammenhang ist N. Paganini. Sein Auoreten in den
europäischen Musikzentren war eine Sensation ohnegleichen. Entscheidenden Anteil an
Paganinis Wirkung hatten seine stupenden technischen Fähigkeiten, die über alles bisher
Gekannte hinausgingen. Das traditionelle Vokabular an Farb- und Ausdrucksnuancen (legato,
portato, staccato, pizzicato usw.) wurde durch neue Spieltechniken und ungewöhnliche
Kombinationen erweitert (Doppelgriffpassagen in Terzen, Oktaven und Dezimen, doppeltes
Flageolett, schnelle chromatisch geführte Staccatoläufe, ricochet, flautando usw.). All dies
begründete nicht nur seinen Ruhm als bester Geiger der Epoche, sondern auch seine
überragende musikhistorische Bedeutung: Der von ihm eingeführte technische Standard
blieb bestimmend für die weiteren Virtuosenkonzerte (Vieuxtemps, Saint-Saëns, Wieniawski
u.a.). Darüber hinaus hat er auch die Musik für andere Instrumente beeinflußt (sowohl
Schumann wie Liszt haben sich in ihren Klavierwerken immer wieder auf sein Vorbild
berufen), indem er höchste instrumentale Ansprüche mit Ausdrucksstärke, Anmut und
romantischem Geist verband.

Paganinis Wort, das er zu Berlioz über die Harold-Symphonie (dessen Bratschensolo ihm
zugedacht war) gesagt haben soll – »Zu viel Pausen! ich muß immer zu spielen haben« (nach A.
Bruno, Vorwort zur Eulenburg-Taschenpartitur, S. IV) – läßt sich umgekehrt auf seine
eigenen Violinkonzerte beziehen: Der Solist beherrscht die Bühne, das Orchester gibt die
Stichworte und begleitet. Dabei ist die Tutti-Solo-Behandlung an der Ritornellform des 18. Jh.
orientiert, die Tutti sind breit angelegt (im 1. Violinkonzert D-Dur op. 6 umfaßt das erste 94
Takte), aber sie dienen eher der gesteigerten Erwartung vor dem Auoritt des Solisten als der
Ausbreitung musikalischer Gedanken.

Die Klarinette war wegen ihres Farb- und Ausdrucksreichtums um 1800 zum beliebtesten
Blasinstrument geworden und erlebte im beginnenden 19. Jh. ihre eigentliche Blütezeit.
Komponisten wie Fr. Krommer (Kramář) und Pleyel setzten sie in Konzerten und Symphonies
concertantes ein und nutzten dabei ihre der menschlichen Stimme verwandte Kantabilität
und virtuose Agilität. Höhepunkte in der Gattung Klarinettenkonzert bilden die vier, 1808-
1828 entstandenen Konzerte von Spohr und die drei Werke Webers (alle 1811).

2. Entwicklung zum symphonischen Konzert

Webers f-Moll-Konzert op. 73 nimmt einen besonderen musikhistorischen Rang ein, denn
zum ersten Mal findet sich hier, was in der Folgezeit immer häufiger auorat und erst sehr viel
später (vor allem bei Brahms) unter dem Schlagwort Symphonisches Konzert berühmt werden
sollte: Die formale Anlage ist nicht mehr vom planmäßigen Wechsel zwischen Solist und
Orchester geprägt, sondern läuo als einheitliche Entwicklung durch. Beispielsweise wird am
Anfang des 1. Satzes nicht mehr in Tutti- und Soloexposition mit bestimmter Disposition der
€emen unterschieden, dem Hauptthema des Orchesters antwortet die Klarinette mit eigenen
thematischen Gestalten, und statt einer Reprise nach klassischem Muster erklingt nur eine
Reminiszenz an Früheres, um sogleich wieder anders weitergeführt zu werden. Die
musikalischen Charaktere wechseln ständig, wobei sich die Analogie einer erregten Szene
oder einer Fahrt durch eine Landschao mit ständig neuen Perspektiven aufdrängt.

Auch in anderer Hinsicht zeigt dieses Werk exemplarisch Züge des neuartigen, romantischen
Konzerts. Schwung und rhythmische Prägnanz des Orchestersatzes, insbesondere die
vorherrschenden punktierten Werte, erinnern an den élan terrible, die vorwärtstreibende
Krao, die aus der französischen Revolutionsmusik in die Kunstmusik übernommen worden
war. Die so artikulierte Au}ruchsstimmung, ein Moment des unmittelbar Packenden und
Mitreißenden, wurde immer prononcierter zum Merkmal des Konzerts; häufig kam dazu ein
zündender, eruptiver Initialeffekt, der – ähnlich wie in manchen Opernouvertüren (Weber,
Euryanthe [1822/23], Berlioz, Benvenuto Cellini [1834-1837]) – die Hörer von Anfang an in den
Bann zieht. Webers Solopart, auch das wurde stilprägend, geht vom Ideal des Gesanges aus –
nicht nur in der kantablen Führung, sondern besonders im Reichtum an Ausdrucksnuancen:
kein reiner Belcanto also, sondern dramatischer Gesang. Auch formal wird der Einfluß des
italienischen Opernstils deutlich: Langsamer Satz und Finale wirken wie die zwei Abschnitte
einer großangelegten Opernszene zueinander – ausgedehnte lyrische Cavatina mit
rezitativischen Einschüben und schnelle, mitreißende Cabaletta. Solche Analogien zwischen
Instrumentalkonzert und Bühnenmusik lassen sich mehrfach feststellen. In einem Werk wie
Spohrs erwähntem 1816 geschriebenen Violinkonzert, einem lyrischen Monolog mit Rezitativ,
Arioso und zweiteiliger Arie, wurden sie thematisiert.

Mendelssohn gehörte auch als Interpret zu den gefeierten Musikern seiner Zeit. Den Werken
der Reifezeit, den beiden für den eigenen Gebrauch geschriebenen Klavierkonzerten (g-Moll
op. 25, 1831, und d-Moll op. 40, 1837) und dem Violinkonzert (e-Moll op. 64, 1838/44) waren
mehrere konzertante Jugendwerke vorausgegangen: je ein Violin- und Klavierkonzert, ein
Doppelkonzert für V. und Kl. sowie zwei Werke für zwei Kl. mit Orch. (die er gemeinsam mit
seiner Schwester Fanny spielte).

Mendelssohns Konzerte sind formal gekennzeichnet durch Maßnahmen, die ihrerseits Schule
machten: den unvermittelten Eintritt des Solisten, die Stellung der Kadenz vor der Reprise
(s.u. C.III.3.) sowie ineinander übergehende Sätze, inhaltlich durch zündende melodische
Erfindung und elegante Instrumentation, ein scheinbar müheloses Ausschütten von Läufen,
Passagen und anderen Kunstfertigkeiten (die durch dynamische Akzente und wechselnde
Vortragsarten noch forciert werden) und einen geschmeidigen Wechsel zwischen Solo und
Tutti – dies alles jedoch nicht im Zeichen emotionaler Übersteigerung, sondern als gestisches
Spiel, gemessen und in Balance gehalten zwischen Brillanz und Volkstümlichkeit, Heiterkeit
und Ernst, kompositionstechnischem Anspruch und graziöser Unterhaltung, kurz –
klassizistisch im Sinne schwebenden Ausgleichs.

In vielem gilt dies auch für Chopin. Seine beiden Klavierkonzerte (1829/30, erst später
publiziert), Werke eines Neunzehn- und Zwanzigjährigen, wirken wie das Ergebnis langer
künstlerischer Entwicklung und enthalten bereits alle charakteristischen Züge eines
ausgeprägten Personalstils. Das gilt für die ausdruckshaoe Seite der Musik – eine
unverwechselbare Mischung aus Melancholie und Leidenschao – ebenso wie für die
typischen Tanzrhythmen (den Finali liegen stilisierte Nationaltänze, Mazurka und
Krakowiak, zugrunde) und spieltechnischen Eigenheiten, insbesondere die Fiorituren, mit
denen der ›Gesang auf dem Klavier‹ ornamental umspielt wird. In der Behandlung des
Orchesters sind die Partituren allerdings nicht auf dem Niveau ihrer Zeit: Sie ist nicht nur
konventionell, sondern blieb weit hinter dem Standard zurück. So versuchten bedeutende
Interpreten (etwa die Liszt-Schüler K. Klindworth und C. Tausig oder im 20. Jh. A. Cortot),
Chopins Instrumentation zu bereichern. Doch konnten sich solche gutgemeinten
Verbesserungen nicht durchsetzen. Vielmehr scheint, daß der klanglich überaus
differenzierte Klavierpart am besten zur Geltung kommt, wenn das Orchester auf
Raffinements verzichtet und sich auf die wesentlichen Grundfarben beschränkt. Es dient
weniger der eigenen Zeichnung als der Untermalung. Oo genügt eine Art Klangteppich (etwa
durch liegende Streicherakkorde oder lang gehaltene Horntöne, bereichert durch einzeln
hervortretende Bläserstimmen), auf dem sich das Spiel des Solisten in all seinen
Nuancierungen entfalten kann.

Die langsamen Sätze sind auch hier wie Gesangsszenen angelegt, die zwischen lyrischem und
dramatischem Ton wechseln. Bei alledem hat Chopin auch die traditionelle motivische Arbeit
keineswegs zu kurz kommen lassen, wie etwa die Durchführungstutti der Ecksätze oder der
Beginn der Romance aus dem e-moll-Konzert zeigen. Schumann erkannte in den
Klavierkonzerten bestimmte Vorbilder wie Beethoven, Schubert und Field; allerdings – auf
welche konkreten Quellen Chopin sich bezog, läßt sich nicht sicher sagen. Ob er z. B. damals
bereits Beethovens Klavierkonzerte kannte, ist nicht verbürgt; nachweislich hat er aber schon
früh diejenigen von Joh. N. Hummel gespielt und gründlich studiert. Gerade das f-Moll-
Konzert (op. 21, 1829/30) folgt dem Hummelschen Vorbild, einer frühen Form des
›symphonischen Konzerts‹, dessen formale Anlage nicht mehr vom planmäßigen Wechsel
zwischen Solist und Orchester geprägt ist, sondern zu einem einheitlichen Entwicklungsgang
verschmolzen wird.

Der zentrale Begriff der romantischen Kunstanschauung, wie ihn schon Friedrich Schlegel
formuliert hatte (Athenaeum I/2, Bln. 1798, S. 204), lautete Poesie. Dem poetischen Geist ging
es um die Nachzeichnung von Seelenzuständen – musikalisch gesprochen darum, »durch
tiefes Eindringen in die Geheimnisse der Harmonie […] die feinen Schattierungen der Empfindung
auszudrücken« (L. Wienbarg, Ästh. Feldzüge, Hbg. 1834, S. 9). Solcher nach innen gewendeten
Haltung stand die Ästhetik des Konzerts mit seiner circensischen Attitüde von vornherein
entgegen, zumal bei zahllosen Musikern das Faszinosum des Auoritts und die virtuose
Selbstinszenierung entscheidend waren. Daß sich allerdings beide Seiten keineswegs
prinzipiell ausschließen, sondern komplementär verhalten, daß gerade poetische
Klaviermusik durch den Bezug zur pianistischen Virtuosität eine neue Dimension erhalten
konnte, läßt sich in vielen Fällen erkennen; und was Heine 1837 über Chopin sagte – »er ist
nicht bloß Virtuose, er ist auch Poet, er kann uns die Poesie, die in seiner Seele lebt, zur Anschauung
bringen, er ist Tondichter« (Über die französische Bühne, 10. Brief, in: Sämtliche Schriaen, hrsg.
von Kl. Briegleb, Bd. 3, Mn. 1976, S. 353) – gilt auch für andere Komponisten.

Für Schumann lag hier eine zentrale ästhetische Aufgabe. Er, der unter dem Einfluß von
Moscheles’ Alexander-Variationen (op. 32, 1815) und Chopins Mozart-Variationen (op. 2, 1827)
bereits sein op. 1 (1829/30), die Abegg-Variationen, als »Konzertstück für Pianoforte und
Orchester« konzipiert hatte, befaßte sich jahrelang mit Plänen und Skizzen zu einem
konzertanten Werk. Das Hauptproblem lag für ihn im sinnvollen Verhältnis zwischen Solo
und Orchester. Wenn »die letzte Zeit so wenig Clavierconcerte, überhaupt wenig
Originalcompositionen mit Begleitung hervorgebracht« habe, so läge das daran, daß das Klavier
auch allein eingesetzt werden könne. Wenn er an den »Concert-Concertcomponisten«, also den
exponierten Vertretern des Virtuosentypus rügte, daß sie »die Solis eher fertig machen und
haben als die Tuttis«, so kritisierte er die weitverbreitete Unbekümmertheit um die formalen
Anforderungen der Gattung. In dieselbe Richtung geht sein Tadel an der Modulation, »zu der
sich namentlich jüngere Componisten flüchten, wenn sie nicht recht wissen, wie weiter«
(Besprechung von Kalkbrenners 4. Klavierkonzert op. 127, in: Ges. Schr. über Musik und
Musiker, Bd. 1, Lpz. 1871, S. 151f.).

Für Schumann, der seine Sonate op. 14 als Concert sans orchestre bezeichnet hatte, ging es in
einem wirklichen Klavierkonzert darum, »daß das Orchester dabei mehr als das bloße Zusehen
haben und mit seinen mannichfaltigen Charakteren die Scene kunstvoller durchwebe« (Rezension
der Klavierkonzerte op. 93 von Moscheles und op. 40 von Mendelssohn, in: dass., Bd. 2, S. 59 
ff.). Tatsächlich wurde sein Klavierkonzert (1845), aus einem Allegro affettuoso genannten
Einzelsatz, der späteren Fantasie für Kl. und Orch. hervorgegangen (s. C.II.4.), zum
Musterbeispiel eines Konzerttyps, in dem das Verhältnis von Solo und Tutti neu geregelt
wurde: Beide stehen sich nicht mehr als alternierende Klangkörper gegenüber, sondern das
Werk vermeidet »die gewöhnliche Monotonie der Gattung glücklich« und läßt »der vollständig
obligaten, mit großer Liebe und Sorgfalt gearbeiteten Orchesterpartie, ohne den Eindruck der
Pianoleistung zu beeinträchtigen, ihr volles Recht widerfahren« und weiß »beiden neilen ihre
Selbständigkeit in schöner Verbindung zu wahren« (AmZ vom 31. Dez. 1845, Sp. 927). Freilich
wurde auch bemängelt, daß der erste Satz »durch den häufigen Wechsel der Soli und Tutti
weniger verständlich und nicht so dankbar als die übrigen« sei (NZfM vom 29. Jan. 1846, S. 36),
und dem Brahms-Biographen Max Kalbeck erschien das ganze Werk »wie ein Labyrinth von
Tönen, zu welchem der leitende Faden fehlt[…] (Johannes Brahms«, Bd. 1, Bln. 21908, S. 287). Die
Aufnahme entsprach eher der eines anspruchsvollen symphonischen Werkes, wobei die
Vermeidung äußerlicher Bravour und die Integration des Solisten in den instrumentalen
Gesamtverlauf von den meisten Zeitgenossen als Vorzug empfunden wurde.

Noch deutlicher als im Klavierkonzert lassen sich im Violoncellokonzert op. 129 (1850) die
Züge einer freien Fantasie erkennen. Auch hier geht es nicht um planmäßige Wechsel
zwischen Solist und Orchester, sondern um eine einheitlich durchlaufende Entwicklung. So
setzt nach ein paar einstimmenden Tutti-Takten das Solocello mit einer weit ausladenden
thematischen Gestalt ein, die vom Orchester nicht im herkömmlichen Sinne ›beantwortet‹,
sondern weitergeführt wird. Die Sätze sind durch solistische Überleitungen miteinander
verbunden; erst am Ende des Finales ist die formale Gesamtentwicklung erfüllt. Im Rahmen
dieser Anlage sind die einzelnen Abschnitte zwar deutlich durch Tempo und Charakter
unterschieden, bleiben aber durch gemeinsames thematisches Material eng miteinander
verknüpo – eine Formidee, die freilich auch in anderen Gattungen, insbesondere Sonate und
Symphonie, Anwendung fand und ihrerseits weiterwirken sollte. Schumanns Violinkonzert
(1853) wurde wegen seiner angeblichen, auf die Krankheit zurückgeführten Schwächen von
Clara Schumann und Joachim zurückgehalten und erst in den 1930er Jahren – allerdings mit
wohlgemeinten Korrekturen – ins Repertoire aufgenommen. Entscheidend für den Typus des
Schumannschen Konzerts wurde ein Begriff, der in der zeitgenössischen Rezeption immer
wieder auoaucht: Es handele sich dabei um mehr als virtuose Musik, im konkreten Falle des
Klavierkonzerts op. 54 um mehr »als ein pianistisches, nämlich ein symphonisches
[Meisterwerk]; als solches wurde es auch gleich bei seinem ersten Erscheinen in der Öffentlichkeit
anerkannt« (W. von Wasielewski, Robert Schumann. Eine Biographie, Dresden 21869, S. 202).

Als symphonisches Konzert wird zunächst ganz allgemein das Gegenstück zum virtuosen Typus
bezeichnet. Wenn etwa gesagt wurde, »daß seit Beethoven jedes ächte Concert eine Symphonie mit
obligatem Piano, ein Symphonie-Concert« sei, dann ist damit ein musikalischer Anspruch
gemeint, bei dem es im Gegensatz zu »all’ dem saa- und kraalosen – exempla sunt odiosa! –
Virtuosen- oder Salon-Gesäusel« um »organische Entwicklung, logisches Fortspinnen, ja gesunde
Gedanken überhaupt« geht (Carl G. P. Grädener, in: Neue Berliner Musikztg. vom 29. Juni 1859;
zit. nach C. Dahlhaus, 1965, S. 32). Darüber hinaus bezeichnet man ein viersätziges Konzert als
symphonisch, als dessen Musterbeispiel das B-Dur-Konzert op. 83 von Brahms gilt. Übrigens
hatte er auch das Violinkonzert viersätzig begonnen, ließ die Idee aber wieder fallen. Für die
›symphonische Qualität‹ war jedoch die strukturelle Dichte wichtiger als ein solches
äußerliches Argument. So war das Schlagwort von der ›Symphonie mit obligatem Piano‹
zunächst auf Brahms’ dreisätziges d-Moll-Klavierkonzert op. 15 gemünzt (das ja aus
symphonischen Entwürfen hervorgegangen war), und es wurde zu einem Topos der
Rezensenten.

Auch bei anderen Komponisten ist eine Tendenz zur symphonischen Anlage unverkennbar,
wobei freilich die formale Ausdehnung nur eine Seite darstellt, durch die sich symphonischer
Charakter und Anspruch dokumentieren. Auf der anderen stehen knappe, konzentrierte
Formbildungen. Den Charakter einer bis ins Letzte symphonisch durchgearbeiteten Partitur
zeigen etwa auch (ungeachtet der extrovertierten virtuosen Wirkung) die beiden
Klavierkonzerte von Liszt, deren Einsätzigkeit eine komplexe formale Struktur mit
verkappter Mehrsätzigkeit aufweist. Zwischen Solo und Tutti herrscht ein enger Konnex, und
die instrumentatorische Farbigkeit steht hinter dem Reichtum der Symphonischen
Dichtungen nicht zurück. Zu den faszinierendsten Leistungen Liszts gehört, wie er –
insbesondere im Es-Dur-Konzert – stupende pianistische Virtuosität mit formalem
Raffinement und strenger satztechnischer Durcharbeitung verbindet, bei der selbst die
pianistischen Figurationen in den thematisch gebundenen Verlauf einbezogen sind.
Umgekehrt werden virtuose Elemente als Resultat variativer Umwandlung thematischen
Materials erreicht.

Während das konzertante Prinzip auf den Gegensatz zwischen den Klangkörpern angelegt ist,
geht es in der symphonischen Gestaltung um kontinuierliche Entwicklung. Was die äußere
Anlage betriw, so kommen unterschiedliche Faktoren zusammen. Nicht nur, daß der
Tendenz zur Einsätzigkeit, die durch die unmittelbaren Überleitungen (seit Beethoven) und
die engen motivischen Bezüge zwischen den Sätzen (Mendelssohn, Schumann) angelegt war,
auf der anderen Seite monumentale Bildungen – bis zu E. d’Alberts ›Riesenkonzert‹ h-Moll
op. 2 (1884) oder Busonis Konzert op. 39 (1903/04) mit Männerchor – gegenüberstehen; auch
die formale Disposition im einzelnen wird differenzierter: Im brillanten und virtuosen
Konzert tritt der Solist dem geschlossenen Orchester entgegen, im spätromantischen
›symphonischen‹ Konzert hingegen sind diese Grenzen verwischt. Hier wird einerseits das
Soloinstrument obligat ins Orchester einbezogen, aus dem andererseits Einzelinstrumente
heraustreten und in Episoden mit dem eigentlichen Solo duettieren. Auch daß der Solist
seinerseits das Orchester begleitet, ist Teil des kompositorischen Entwicklungsganges; beide
fließen im formalen Ablauf ineinander und bilden so ein organisch zusammengehöriges
Ganzes. Daß dabei die Gefahr besteht, das konzertierende Element zugunsten des
symphonischen allzusehr zu vernachlässigen, geht aus Hanslicks Kritik am Brahmsschen
Doppelkonzert hervor, es gleiche mehr »einer Symphonie, welche von einer Geige und einem
Violoncello mit feinem Passagenwerk ausgeschmückt wird«, wobei er die ganze Gattung skeptisch
sieht: »So ein Doppelkponzert ähnelt einem Drama, das anstatt eines Helden deren zwei besitzt,
welche, unsere gleiche Teilnahme und Bewunderung ansprechend, einander nur im Wege stehen.
Wenn man aber von einer Musikform behaupten darf, daß sie auf der Übermacht eines siegreichen
Helden beruht, so ist’s das Konzert« (E. Hanslick. Aus dem Tagebuch eines Rezensenten. Gesammelte
Musikkritiken, hrsg. von P. Wapnewski, Kassel 1989, S. 44).

Wie sehr gerade die Gattung Konzert für ganz heterogene Einflüsse offen blieb, zeigt sich auf
Schritt und Tritt. Wie schon im 18. Jh. standen ›gelehrter‹ und ›galanter‹ Stil, Fugato und
lockerer Konversationston, handwerkliche Gediegenheit und virtuoser Überschwang
nebeneinander. Alle nur verfügbaren Mittel musikalischer Ausdrucksweise wurden in die
konzertante Sprache integriert: alte stilisierte Formen und unmittelbar ›aktuelle‹
folkloristische Anklänge; strenger, von motivisch-thematischer Arbeit geprägter Satz und
ornamentale Figuration, dramatische Elemente aus der Oper und Symphonischen Dichtung,
einfache kantable Formen – lyrische und balladenhao erzählende – aus dem Charakterstück,
Übernahmen aus der sakralen Sphäre, monumentale Prunkszenerie und ausgelassene
Festlichkeit, dazu die differenziertesten Farbeffekte.

Entsprechend wurde der formale Verlauf eines Konzertes in der zweiten Häloe des 19. Jh.
zunehmend freier; er unterlag weniger einem vorgegebenen Schema als der (oo
außermusikalisch inspirierten) Fantasie und blieb für unerwartete Effekte offen. Die Folge
von Exposition, Durchführung und Reprise gab nur noch einen lockeren Rahmen. Der Bau
einer Exposition unterscheidet sich beispielsweise darin, ob das Orchester zunächst das
thematische Material ausbreitet oder ob der Einsatz des Solisten als eigentliches
Initialereignis zu werten ist, demgegenüber das Spiel des Tutti nur präludierenden oder
überleitenden Charakter hat und formal unerheblich bleibt. Solointroduktion und
Soloepisode, zwei aus der Tradition übernommene Formglieder des ersten Satzes, ließen
verschiedene Modifikationen zu: Die Introduktion, in der das Soloinstrument sich als
Protagonist präsentiert und die entweder am Anfang des Satzes oder zwischen der Orchester-
und Soloexposition erscheint, kann unterschiedlich lang und verschieden gewichtet sein;
inhaltlich steht sie zwischen strenger thematischer Bindung und bravouröser Demonstration
der Spielfähigkeit. Die Soloepisode folgte traditionell auf das Seitenthema, zu dem sie
entweder eine Fortsetzung oder einen Kontrast brachte; aber sie entfällt mitunter, und an
ihre Stelle tritt ein weiterer Gedanke im Orchester.
Der formale Ablauf erfolgt also weniger nach einem vorgegebenen Formplan als nach jeweils
individuell festgelegter Disposition. Indem das Grundschema abgewandelt, von anderen
überlagert oder völlig frei behandelt wird, fehlen die verbindlichen Maßstäbe, und die
Bewertung eines Konzerts kann sich weniger auf handwerkliche als auf geschmackliche
Kriterien stützen. So fallen denn auch die Urteile über ein und dasselbe Stück
grundverschieden aus. Während sich etwa Joachim über Brahms’ d-Moll-Klavierkonzert
begeistert, es sei »voll Charakter und Phantasie, und im Großen wie an zartester Ausführung reich«
(Juli 1857, zit. nach Dahlhaus, 1965, S. 27), so mokierte sich der Kritiker in den Signalen für die
musikalische Welt: »Dieses Würgen und Wühlen, dieses Zerren und Ziehen, dieses Zusammenflicken
und wieder Auseinanderreißen von Phrasen und Floskeln muß man über Dreiviertelstunde lang
ertragen! […] da ist nichts von einer effectvollen Behandlung des Pianoforte […] und wo irgend
einmal etwas auaaucht, was den Anlauf zu Brillanz und Flottheit nimmt, da wird es gleich wieder
von einer dichten orchestralen Begleitungskruste niedergehalten und zusammengequetscht« (3. Febr.
1859; zit. nach ebd., S. 30).

Neben dem dramatischen, dynamisch prozeßhaoen Formverständnis nehmen erzählende


Gestaltungsweisen zu. In ihnen geht es nicht mehr in erster Linie um final ausgerichteten
strukturellen Zusammenhang, sondern um freie Entfaltung des motivischen Materials, wobei
vielfach Nebenthemen und harmonische Exkurse eingefügt werden. Statt dramaturgischer
Stringenz mit motivischer Vereinheitlichung herrscht ein breit angelegter, rhapsodischer Stil
voller retardierender Momente und Abschweifungen, gleichsam romanhaoen
Nebenhandlungen. War die alte Konzertform, in der musikalische Gedanken ästhetisch
autonom formuliert wurden, eng an die Idee der absoluten Musik gebunden, so verleitet der
episch-narrativ geprägte Typus zu bildhaoen Assoziationen und dazu, ein imaginäres
Programm zu ergänzen.

Die verbreitete Vorstellung, daß eine musikalische Gestalt wie der Held eines Romans
verschiedene Stationen durchlaufe, ›Schicksal erleide‹ läßt sich beispielswiese anhand des 1.
Satzes aus Griegs Klavierkonzert (1868) nachvollziehen. Das Grundmaß lautet Allegro molto
moderato, aber innerhalb dieses Rahmens werden Tempo und Charakter (durch Vorschrioen
wie »piu lento, tranquillo e cantabile, animato« und entsprechende Metronomisierungen)
ständig verändert. Es erscheint eine Folge von Geschichten – teils für sich stehend, teils
miteinander verbunden und durch Rückgriffe aufeinander bezogen, aber immer wieder neue
Elemente und Farben einbeziehend. Musikalisch-technisch geschieht das durch
Variantenbildung, differenzierte harmonische Ausleuchtung, instrumentale
Ornamentierungen (indem eine Melodie durch virtuose Figurationen umspielt wird),
Abspaltungen bestimmter Motivteile und Kombination mit anderen (etwa in der Überleitung
zur Reprise, wo Solist und Orchester taktweise kontrastieren). Das Hauptthema klingt
zunächst marschartig straff, später erscheint es lyrisch umspielt, dramatisch gesteigert und
durch gewaltige Figurationen wie mit Gewichten beladen; am deutlichsten läßt sich dieser
Wandel in der Kadenz spüren – einer Kadenz übrigens, die in den symphonischen
Zusammenhang einbezogen ist und in eine Coda überleitet, die noch einmal den Anfang des
Satzes zitiert.

Faßt man nun die zweite Häloe des 19. Jh. insgesamt ins Auge, so zeigen sich etliche
Komponisten, die zu ihrer Zeit hohes Ansehen genossen, aber kaum aus dem Schatten der
gattungsprägenden Meister heraustreten konnten. Joachim, A. Dietrich, M. Bruch und Dvořák
schufen bedeutende – im Repertoire freilich unterschiedlich vertretene – Violinkonzerte
symphonischen Charakters, z.T. mit folkloristischen Einflüssen (etwa Joachims 2. Konzert »in
ungarischer Weise« op. 11, 1861). In diesem Zusammenhang ist auch E. Lalo (Symphonie
espagnole op. 21, 1874) zu nennen. C. Saint-Saëns knüpoe in seinen Konzerten, insbesondere
dem dritten, 1880 für Pablo de Sarasate geschriebenen, an das Vorbild Paganinis an. Auch in
seinen fünf Klavierkonzerten verband er symphonische Durcharbeitung mit höchstem
virtuosen Standard. Klassizistischer orientiert sind die Werke von Ch. Gounod und A.
€omas. Unter dem Einfluß Liszts und damit der neudeutschen Ästhetik standen
Komponisten wie J. J. Raff, F. Draeseke, die Brüder Ph. und X. Scharwenka und unmittelbare
Liszt-Schüler wie d’Albert, B. Stavenhagen u.a. Der konservativen Richtung gehörten H. Götz,
Fr. Kiel, N. Burgmüller u.a. an. C. Reinecke schrieb neben vier Klavierkonzerten auch solche
für V., Vc. und Harfe. An klassischen Vorbildern orientierte sich Strauss in seinem
Hornkonzert Es-Dur (1942).

Die Kluo zwischen brillanter Virtuosenmusik und autonom-musikalischem Kunstanspruch,


die für die Gattung Konzert – nicht etwa nur im 19. Jh. – symptomatisch ist, zeigt sich
allenthalben. Den Virtuosen erscheint häufig ein Konzert, das ihnen wenig Gelegenheit zur
Entfaltung ihrer technischen Bravour bietet, leicht als ›undankbar‹; auf der anderen Seite die
Kritik: Unter den zwar äußerst virtuos, aber mit deutlich symphonischem Anspruch
gearbeiteten Werken nehmen die Konzerte von čajkovskij einen besonderen Rang ein, und
Hanslicks Uraufführungskritik des Violinkonzerts (1881) gehört zu den berühmten Verrissen
der Musikgeschichte. Was nicht erkannt wird, sind die Qualitäten der Partitur: Sie liegen
nicht nur im emotionalen Bereich, in den Gegensätzen von mitreißender dramatischer Krao
und zarter Lyrik, sondern auch in der Formbehandlung. Schon der Anfang mit seiner Folge
von langsam anwachsender Orchestereinleitung, präludierender Solovioline und dem
einsetzenden Hauptthema zeigt die unterschiedlichen Erscheinungsformen dieses €emas,
das als getragener Gesang beginnt, gesteigert wird und mal spielerisch tänzerisch, mal mit
martialischer Begleitung begegnet. Damit führt čajkovskij weiter, was mit Beethoven
begonnen hatte: die symphonische Durcharbeitung, d.h. nicht mehr das Nebeneinander von
Solo- und Tuttipartien, sondern ihre Verschmelzung zum einheitlichen Entwicklungsgang.
Formal auffallend ist auch, daß er – an Mendelssohn anknüpfend – die Solokadenz nicht als
letzten Höhepunkt kurz vor dem Schluß, sondern bereits vor der eigentlichen Reprise bringt,
so daß danach noch einmal die ganze Breite der Empfindungen, von Lyrik über dramatische
Steigerung bis zur furiosen Coda, erklingen kann.

Die allgemeine Krise, die die musikalische Sprache gegen Ende des 19. Jh. erfaßt hatte, galt
auch für die Gattung Konzert. Sie tendierte in zwei gegensätzliche Richtungen – zur zarten
Verinnerlichung und zur großen, monumental ausladenden Geste – und bewegte sich dabei
zwischen Eklektizismus und virtuoser Übersteigerung. Erst zu Beginn des 20. Jh. erhielt sie
neue stilistische und formale Impulse.

3. Exkurs: Kadenz

Mit dem Terminus Kadenz, der in der Musiktheorie beheimatet ist (→Klausel und Kadenz),
werden auch die – meist im Sinne einer Schlußbildung – improvisierten oder
ausgeschriebenen Verzierungen in Arie und Konzert bezeichnet. Dabei ist zwischen der
praktischen Ausführung und dem formalen Moment innerhalb des Satzes zu unterscheiden.
Bei G. B. Bassani begegnet der Begriff »cadenza diminuta« – verzierte Schlußbildung
(Ricercate, passagie et cadentie, Vdg. 1585). Koloraturen wie Passagen oder Triller umschreiben
in der italienischen Vokal- und Instrumentalmusik des 16. und 17. Jh. den Schlußklang oder
die Antepaenultima und Paenultima der Klausel.

Eine Vorform der lang ausgesponnenen Kadenz im Concerto des 18. Jh. bildete die perfidia. Der
Begriff (wörtl.: Heimtücke) kam im 17. Jh. auf und bezeichnete die ostinate Repetition
einfacher Figurationen (oo Dreiklangsbrechungen und Skalen) in Einklang, Terz- oder
Quintabstand über einem liegenden Baß. Von Torelli sind drei eigenständige mit Perfidia
überschriebene Sätze von 13, 28 und 29 Takten Länge für zwei Violinen erhalten. Meist jedoch
wurden sie improvisiert. Als Fermatenauszierungen über ausgehaltenen Baßnoten können
sie sowohl zu Beginn eines Satzes wie im Laufe seiner Entwicklung stehen, rücken aber auch
(wie im 3. Satz des Concerto grosso op. 8 Nr. 3 von Torelli, wo als letztes Solo eine Perfidia
erscheint) gegen den Schluß. Fr. Giegling (Art. Perfidia, in: MGG [1962], Sp. 1047) vermutete,
daß die Perfidia die spätere Solistenkadenz und die virtuose Nebenform des Capriccio (bei
Locatelli, Tartini u.a.) zumindest angeregt hat.

In Frankreich wurde im 18. Jh. das Wort cadence für den Triller angewandt und erlangte von
daher die Bedeutung von Verzierung schlechthin. Walther (1732, Art. Cadence doublée, S. 125)
berichtet mit Bezug auf Mattheson, unter Kadenz sei »auch dasjenige Moduliren, so vor der
Cadentz hergehet, und gleichsam den Weg dazu bahnet, zu verstehen: es sey nun selbiges vom
Componisten aufgeschrieben, oder werde vom Sänger extemporisiret«. Formal und inhaltlich hat
die Kadenz eine gestische Funktion: Mattheson (Der vollkommene Capellmeister, Hbg. 1739, S. 
116) vergleicht sie mit »Abschieds-Complimenten […]: daher solche Figuren auch Vorzugs-Weise
Cadentzen genennet werden: nicht weil sie es selber sind, sondern weil sie sich dabey einfinden«.
Angesichts der nebeneinander bestehenden terminologischen Unterschiede betonte Quantz
(Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen, Bln. 1752, S. 151), er verstünde »unter dem
Wort Cadenz hier nicht die Schlüsse oder Absätze in der Melodie; noch weniger den Triller, welchen
einige Franzosen cadence nennen. Ich handele hier von derjenigen willkührlichen Auszierung, welche
von einer concertirenden Stimme, beym Schlusse des Stücks, über der vorletzten Note der
Grundstimme, nämlich über der Quinte der Tonart woraus das Stück geht, nach dem freyen Sinne
und Gefallen des Ausführers, gemachet wird«.

Statt der Dominante setzte sich als Basis für die Solokadenz um 1730 der Quartsextakkord
durch, verstanden als Vorhalt zur Dominante (»aufgehaltene« Kadenz, C. Ph. E. Bach, Versuch
über die wahre Art das Clavier zu spielen, Tl. 1, Bln. 1753). Quantz verweist darauf, daß »man
einige Jahre vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts, und die ersten zehn Jahre des itzigen, den Schluß
einer concertirenden Stimme, durch eine kleine Passagie, über dem fortgehenden Basse, und durch
einen daran gehengeten guten Triller gemacht hat: daß aber ohngefähr zwischen 1710 und 1716. [sic]
die itzo üblichen Cadenzen, bey denen sich der Baß auˆalten muß, Mode geworden sind« (Quantz
1752, S. 152). Der Generalbaß spielt keinen Orgelpunkt mehr, sondern pausiert; die solistische
Kadenz wird eingeschoben und ergeht sich, meist stark modulierend, im harmonischen
Spannungsfeld zwischen dem ausgehaltenen Quartsextakkord und seiner Auflösung in die 5.
Stufe. In freien Figurationen, ohne metrische Bindung müssen die Kadenzen »aus dem
Hauptaffecte des Stückes fließen, und eine kurze Wiederholung oder Nachahmung der gefälligsten
Clauseln, die in dem Stücke enthalten sind, in sich fassen« (ebd., S. 154). Im sonatenhao
angelegten Konzertsatz wird die Kadenz zwischen Reprise und Coda eingeschoben und
verwendet unterschiedliches motivisches Material.

Dieses Modell blieb für die ganze folgende Zeit prägend. Es bot genügend Ansätze für die
verschiedensten Modifikationen – freilich auch für geschmackliche Eskapaden. Schon Joh.
Ph. Kirnberger monierte die »Cadenzen, in welche sich gegenwaertig, sowol die Saenger als die
Spieler, so sehr verliebt haben, daß man glauben sollte, sie singen oder spielen ein Stuek nur
deßwegen, damit sie am Ende ihre Fertigkeit durch die seltsamsten Laeufe, und Spruenge zeigen
koennen. Es gibt Personen von Geschmak, denen diese Cadenzen aeußerst zuwider sind, und die sie
mit den Luaspruengen der Seiltaenzer in eine Classe setzen« (in: Sulzer€ 41792, S. 438).

Hatte noch Quantz (1752, S. 155) über die Kadenz gefordert, »in den Tonarten muß man nicht gar
zu weit ausschweifen, und keine Töne berühren, die mit dem Haupttone gar keine Verwandtschaa
haben« (wobei ihm Kadenzen von »billiger Kürze« statt »verdrüßlicher Länge« vorschwebten;
ebd., S. 156), wurden mit zunehmendem Umfang der Kadenz auch die harmonischen Bereiche
weiter. Dabei duroe sie, um den Charakter einer Verzögerung, einer »Auˆaltung« zu wahren,
keine Schlußbildungen enthalten, sondern mußte – auch bei Wechsel von Tempo und
Charakter – ständig fortschreiten. Dazu wurden häufig abrupte Modulationen und
Rückungen in fremde Tonarten eingesetzt. »Die verzierten Cadenzen sind gleichsam eine
Composition aus dem Stegereif. Sie werden nach dem Innhalte eines Stückes mit einer Freyheit wieder
den Tackt vorgetragen« (C. Ph. E. Bach, Tl. 1, 1753, S. 131). Die Improvisation der Kadenz wich
allmählich der Niederschrio durch den Komponisten (C. Ph. E. Bach, Mozart, Beethoven) oder
einen Virtuosen. Das düroe zunächst im Hinblick aufs Studium oder eine Aufführung
geschehen sein (so komponierte Mozart die Kadenzen zu seinem Klavierkonzert C-Dur KV
246 für eine Schülerin gleich mehrfach aus) oder auch zum Zwecke einer Publikation – zumal
bei Konzerten, die sich nicht nur an professionelle Musiker, sondern auch an Liebhaber
wandten (etwa Mozarts Klavierkonzerte KV 413-415). Im Falle von Konzerten mit mehreren
Solisten lag es besonders nahe, Kadenzen als Aufführungshilfe mitzuliefern – bei Sinfonie
concertanti gern als Bravournummern. Dabei handelte es sich jeweils nur um Vorschläge, die
bei Belieben durch andere ersetzt werden konnten. Allerdings wurde der Zusammenhang
zwischen Kadenz und Komposition zuweilen sehr eng, etwa in Beethovens c-Moll-Konzert,
wo sich zu Beginn der Coda gebrochene Klavierakkorde wie ein Nachklang der Kadenz mit
dem thematischen Pochmotiv der Pauke mischen. (Solches Dialogisieren von Solo und Pauke
setzte Beethoven auch in der Kadenz zur Klavierfassung seines Violinkonzertes ein, was
wiederum spätere Komponisten und Interpreten zu entsprechenden Lösungen anregte.) Und
seit dem Es-Dur-Klavierkonzert, in dessen 1. Satz Beethoven jede eigene Auszierung seitens
des Solisten untersagt (»Non si fa una cadenza, ma s’attacca subito il seguente«) und statt dessen
einen Dialog zwischen Solo und Tutti ausschreibt, wurde die Kadenz immer häufiger zum
integrierenden Bestandteil der Komposition. Sie erschöpo sich nicht in der Demonstration
spieltechnischer Virtuosität, sondern wird »über ihren virtuosen Zweck hinaus zur geistigen
Aufgabe« (Osthoff 1965, S. 16), insbesondere durch thematische Anspielungen oder regelrechte
thematische Arbeit.

Weder so häufig, so umfangreich und so gewichtig wie die Solokadenzen, die als virtuose
Höhepunkte am Schluß eines Satzes eingeschobenen werden, sind die Eingänge des Solisten,
die in gewisser Weise ein Pendant zu ihnen darstellen. Sie tragen präludierenden Charakter
und haben die Aufgabe, zur eigentlichen Soloexpostition hinzuführen. Schon die Perfidia bei
Torelli konnte ja die Funktion eines Eingangs haben; Quantz spricht von der »Fermate oder der
Auˆaltung ad libitum« am Anfang eines Solos (1752, S. 163). Eingänge treten in allen Satztypen
auf und wurden üblicherweise improvisiert. Nur ausnahmsweise schrieb man sie auf; so hat
Mozart – ähnlich wie bei den Kadenzen – einige für Schüler oder Freunde notiert. Bisweilen
aber sind sie ausdrücklich Teil der Komposition und bringen besondere
Überraschungsmomente ins Spiel – etwa im C-Dur-Konzert KV 503, wo sich der Solist
gleichsam zu Wort meldet und erst einmal die eigenen Möglichkeiten rekapituliert, ehe der
Dialog mit dem Orchester beginnt; oder im C-Dur-Konzert KV 467, wo das Soloinstrument
sich in den Schluß der Tuttiexposition mischt, dann über der Fermate zu improvisieren hat
und schließlich das eigene €ema (das aber zunächst wiederum vom Orchester intoniert
wird) durch einen langen Triller figurativ begleitet. Der Beginn von Beethovens Es-Dur-
Konzert mit seinen virtuosen, quasi improvisierten Klavierpassagen ist eine besondere Form
des Eingangs.

Im Zuge der formalen Entwicklung, speziell der Vereinheitlichung und zyklischen Bindung
der Konzertsätze, spielen auch Kadenz und Eingang eine Rolle. So läßt Beethoven das
Larghetto des Violinkonzerts mit einer Quartsextakkordfermate und Cadenza ad libitum
schließen, die unmittelbar ins Rondo überleitet. In der weiteren Herausbildung des
symphonisch angelegten Konzertes, in dem sich Solist und Orchester nicht mehr als
alternierende Dialogpartner gegenüberstehen, sondern zum einheitlichen Entwicklungsgang
verschmelzen, ist die Funktion der Kadenz entsprechend differenziert. In Mendelssohns
Violinkonzert op. 64, dessen Sätze ohne Pause ineinander übergehen, erscheint die
Solokadenz bereits in der Mitte des 1. Satzes, und in ihre furiosen Arpeggien hinein setzt die
Reprise ein. Auch Schumann hat in seinem Violoncellokonzert op. 129 (1850) die Kadenz (die
der einheitlichen Gesamtanlage entsprechend erst im letzten Satz erscheint) nicht der
Improvisationslust des Interpreten freigegeben, sondern auskomponiert und dabei im Sinne
einer dramatisch zugespitzten Entwicklung vom Orchester begleiten lassen, was freilich
manche Interpreten veranlaßte, umfangreiche virtuose Passagen hinzuzukomponieren oder
eigene zusätzliche Kadenzen zu schreiben (Pablo Casals, Emanuel Feuermann u.a.). Chopin
spielte im Finale seines f-Moll-Klavierkonzerts (op. 21, 1829/30) mit den Hörerfahrungen des
Publikums, indem statt der erwarteten Kadenz wie von Ferne ein Hornsignal erklingt und zur
Coda überleitet; eine übliche Kadenz des Solisten fehlt, dafür wird ihm sonst ständig die
Möglichkeit gegeben, etwa durch das Jeu perlé, seine virtuosen Qualitäten zu entfalten. In
Liszts Klavierkonzerten erscheinen die als cadenza del pianoforte bezeichneten Passagen nicht
als Höhepunkte mit Schlußwirkung, sondern wie ein Eingang (Es-Dur-Konzert) oder über
Fermaten (A-Dur-Konzert, 1839, rev. 1849-1861) und tragen den Charakter von virtuosen
Einschüben. In jedem Falle sind sie keine formal geschlossenen Komplexe, sondern in die
Entwicklung einbezogen. Bei Brahms begegnen unterschiedliche Spielarten: Im Adagio seines
d-Moll-Klavierkonzertes erscheint eine Cadenza ad libitum, im Finale nach der Fermate die
ausgeschriebene »Cadenza quasi fantasia«. Im B-Dur-Klavierkonzert ließe sich der einleitende
Abschnitt mit seinem ausgedehnten Solo zwar aus der Tradition des virtuosen Eingangs
verstehen, ansonsten wird aber auf entsprechende Soloeinschübe zugunsten des
durchgehenden Entwicklungsganges verzichtet. Auch im Doppelkonzert für V. und Vc.
erscheint statt der Kadenz eine ausgedehnte Eröffnung durch die Solisten »in modo d’un
recitativo, ma sempre in tempo«. Im Violinkonzert op. 77 (1878) hingegen notiert Brahms in
traditioneller Weise das Wort Cadenz über dem Dominantquartsextakkord und einen
abschließenden Triller mit Fermate. Daß auf solche Weise der Interpret zu einer eigenen
Kadenz aufgefordert wird, ist eine Ausnahme, die sich aus Brahms’ enger Zusammenarbeit
mit Joachim erklärt. (Joachim selbst verfuhr in seinen eigenen Violinkonzerten ebenso und
konzedierte den Kollegen, eigene Kadenzen einzufügen.) Ansonsten wird die Kadenz auf
jeweils individuelle Weise in den symphonischen Zusammenhang und, zumal in den
rhapsodisch angelegten Virtuosenkonzerten der Romantik, in den ›Erzählfluß‹ der Musik
einbezogen. Dasselbe gilt für die Satzeröffnungen, in denen sich Elemente des virtuosen
Eingangs, der formal abgesetzten Solointroduktion und der freien Fantasie mischen, an der
sich Solist und Orchester beteiligen, z. B. bei Schumann, Grieg und čajkovskij
(Klavierkonzerte), Debussy (Fantaisie für Kl. und Orch., 1889/90), Elgar (Violoncellokonzert
op. 85, 1919), Rachmaninov (3. Klavierkonzert, 1909) u.v.a. In konzertanten Variationszyklen
leiten virtuose Einschübe des Solisten (nur noch ausnahmsweise, wie in čajkovskijs Rokoko-
Variationen für Vc. und Orch., als Cadenza bezeichnet) zwischen den in Tempo und Charakter
abgesetzten Formteilen über.

Zunehmend wird der Begriff Kadenz als Manifestation solistischer Brillanz, nicht mehr als
klar bestimmter Formteil verstanden. Im 20. Jh., zumal wenn die funktionsharmonischen
Bezüge fehlen, bezeichnet er eine freie Vortragsweise, etwa bei A. Berg im Kammerkonzert
(1923-1925; 3. Satz) und Violinkonzert (1935; Beginn des Allegro: »frei wie eine Kadenz«). In
Werken mit historisierendem Bezug (Stravinskij, Konzert für Klavier und Bläser, 1923/24;
Schönberg, Bearbeitungen nach Monn und Händel; Weill, Violinkonzert op. 12, 1924; Distler,
Cembalokonzert op. 14, 1935/36) finden sich dagegen formal abgesetzte Kadenzen (in Bartóks
streng an barocken Vorbildern orientiertem 2. Klavierkonzert [1930/31] nach traditioneller
Fermate).

4. Exkurs: Gattungsambivalenzen

Von Anfang an hatte es in der Geschichte des Konzerts Ambivalenzen und Mischungen mit
anderen Gattungen gegeben. Wie zwischen Concerto und Sonata waren auch die Grenzen
zwischen Concerto und Sinfonia fließend. Die Begriffe wurden oo synonym verwendet. Joh.
A. Scheibe etwa unterschied zwischen normalen Sinfonien mit Bläsern als Füllstimmen und
»Konzert-Sinfonien«, in denen konzertierende Blasinstrumente sich von dem Orchestersatz
abheben (Der critische Musikus, Lpz. 1745, S. 629), und Haydns Tageszeiten-Symphonien (Hob.
I:6-8) mit ihren ausgedehnten und schwierigen Solopassagen tragen in einigen Quellen den
Untertitel »a più stromenti concertanti«. C. Ph. E. Bach hatte mit den von ihm so genannten
»Sonatinen« für Kl. und Orch. gattungsmäßige Zwitterwesen geschaffen, die zwischen Suite,
Divertimento und Konzert angesiedelt sind: Mit dem Konzert haben sie das virtuos
eingesetzte Soloinstrument gemeinsam, mit dem Divertimento die lose Satzfolge, in der die
Tanzsätze überwiegen sowie die tonartliche Einheit, mit der Suite schließlich die Formen der
einzelnen Sätze, unter denen sich häufig zweiteilige und Rondoformen finden. Ohne Bindung
an die einzelnen Gattungstraditionen konnte Bach hier ausprobieren, was der strengen
Konzertform zuwiderlief: Er ließ das Cembalo statt des Orchesters den ersten Satz beginnen,
sprengte viertaktige €emen zu einem Dialog zwischen Orchester und konzertierendem
Cembalo und vermischte das konzertierende Instrument mit den begleitenden Stimmen. Ein
solcher Sonderfall deutet Möglichkeiten zur Gattungsmischung an, wie sie in späteren
Stadien der Entwicklung immer häufiger, im 19. Jh. gar zur Regel wurden.
Im Barock gab es – dank eines pointierten Einsatzes bestimmter Affekte und tonmalerischer
Praktiken – den Typus des programmatischen Konzerts (von C. Tessarini, Locatelli,
Geminiani und vor allem Vivaldi). Diese Verbindung außermusikalischer Inhalte mit der
Konzertform wurde im 19. Jh. stärker und führte zu verschiedenen, jeweils individuellen
Lösungen. Beispielhao für die literarisch inspirierte Idee der Symphonischen Dichtung
wurde Berlioz’ Harold en Italie op. 16 für Solo-Va. und Orch. (1834) nach Byrons Dichtung
Childe Harold, dem Liszt einen grundlegenden Aufsatz widmete (Berlioz und seine Harold-
Symphonie, in: NZfM 43, 1855, 25-97). War dieses Werk noch als viersätzige Symphonie
angelegt, so handelt es sich bei Strauss’ Don Quixote op. 35 für Orch. mit Solo-Va. und -Vc.
(1896/97) um eine typische Mischform, bei der Traditionen aus Symphonik, Konzert und
Programmusik ineinanderfließen (schon der Titel schwankt zwischen Form- und
Inhaltsbezug: Introduzione, Tema con variazioni e finale und Fantastische Variationen über ein
nema ritterlichen Charakters). Vor allem aber führten die Möglichkeiten, konzertante
Elemente mit den Errungenschaoen der programmatischen Orchestermusik (Symphonie,
Symphonische Dichtung, Programmouvertüre) zu verbinden, zu einsätzigen Kompositionen
(s. C.II.4.)

Andere Mischformen beziehen sich auf die Besetzung. Hier wäre etwa Beethovens Fantasie c
für Kl., Chor und Orch. op. 80 (1808) zu nennen oder, ein Jahrhundert später, Busonis
monumentales Klavierkonzert mit Männerchor op. 39 (1903/04), in dem auch die 9.
Symphonie Beethovens und Liszts Faust-Symphonie (1854-1857) nachgewirkt haben. Im 20. Jh.
schließlich nahmen die jeweils neu gebildeten Formen konzertanter Werke gegenüber einem
normierten Formtypus noch mehr Raum ein.

Im übrigen wurde und wird der Begriff des Konzertierens auch auf Werke aus formal und
besetzungsmäßig anderen Gattungen bezogen. Hatte es schon im 18. Jh.
Kammermusikbesetzungen wie das quatuor concertant oder quatuor dialogué gegeben, in
denen die Idee der musikalischen Konversation ins Virtuose gesteigert wurde, und war schon
Beethovens Kreutzersonate 1805 op. 47 (1802/03) im Druck als »Sonata […] scritta in uno stile
molto concertante, quasi come d’un concerto« angekündigt worden (was ein Rezensent
kommentierte: »Sie verlangt zur Ausführung zwey Künstler, die ihrer Instrumente ganz mächtig
sind und sie mit Sinn und Gefühl zu behandeln verstehen«; zit. nach J. Schmidt-Görg/H. Schmidt,
Ludwig van Beethoven, Hbg. 1969, S. 140), so war auch in der romantischen Epoche konzertante
Kammermusik weit verbreitet. Größer besetzte Werke von F. Ries, Hummel, Moscheles,
Kalkbrenner, Spohr, später Lachner und Rheinberger, wären ebenso zu nennen wie die
beliebten Duos concertants (etwa Webers Grand Duo concertant für Kl. und Klar. op. 33, 1815/16)
– ein Besetzungstyp, der bis ins 20. Jh. gepflegt wurde (etwa Stravinskijs Duo concertant für V.
und Kl., 1931/32).

IV. Das 20. Jahrhundert

Im 20. Jh. setzen sich die beiden wichtigsten Strömungen der Gattung, das symphonische und
das virtuose Konzert, fort. Hinzu kommen, der allgemeinen musikgeschichtlichen
Entwicklung entsprechend, bestimmte neue Ausprägungen in Kompositionsweise, Stil und
Besetzung. Einerseits verwischen sich die Gattungsgrenzen immer stärker, so daß der Begriff
Konzert oo nur noch in einem allgemeinen Sinne das Prinzip des Wechsel- und
Zusammenspiels in einem heterogen besetzten Ensemble meint. Andererseits werden
konkrete Formtypen und historische Modelle aufgegriffen und neu belebt. Übersteigerung
auf der einen, Straffung, Reduktion und Konzentration auf der anderen Seite werden zu
Polen der Entwicklung.

Regers Konzerte (für V. A-Dur op. 101, 1907/08, und Kl. f-Moll op. 114, nach langen Vorarbeiten
1910 entstanden) verkörpern den Typus der symphonisch konzipierten Gattung. Wie bei
Brahms sind Solo und Orchester nicht alternierend gegeneinandergesetzt, sondern werden zu
einem einheitlichen symphonischen Entwicklungsgang verschmolzen. Zwischen dem weit
angelegten formalen Au}au und den differenzierten episodenhaoen Details zu vermitteln,
verlangt großen gestalterischen Atem. Wenn derselbe Komponist wenig später in seinem
Konzert im alten Stil (1912) auf das Concerto grosso zurückgreio, so kündigt sich darin ein
grundlegender Wechsel an. Dieselbe Janusköpfigkeit bei Busoni: In Ausmaß und Anspruch
ähnlich monumental wie Regers Solokonzerte, ja durch die Einbeziehung des Männerchors
im Finale noch gesteigert, ist sein Concerto für Pianoforte mit Schlußchor op. 39. Das weit
über eine Stunde dauernde, durchkomponierte Werk gliedert sich in fünf kontrastierende
Abschnitte, die in sich abwechslungsreich gestaltet sind und von denen die mittleren drei
gewissermaßen die traditionelle Satzfolge schnell-langsam-schnell vertreten, jedoch von
einem Prologo e introito und dem abschließenden Cantico (in sich wiederum mehrteilig)
eingerahmt werden. Zeigt sich Busoni hier als Exponent romantischer Übersteigerung und in
geistiger Nähe zu Mahlers Symphonik, so trägt sein Concertino für Klar. und kleines Orch. op.
48 (1919) schon ganz die Züge jener »Jungen Klassizität«, die er zur selben Zeit auch
theoretisch forderte (vgl. Busoni, Von der Einheit der Musik. Verstreute Aufzeichnungen, Bln.
1922, S. 275-279). Beide Richtungen sind exemplarisch.
Ganz aus dem Geist und in Fortsetzung des 19. Jh. entstanden Werke wie das Violinkonzert op.
47 von J. Sibelius (1903, rev. 1905), das Violoncellokonzert von Elgar (1919) und die
Klavierkonzerte von Rachmaninov (4 Konzerte, 1890/91-1926/41), die zu den
publikumswirksamsten Werken der Gattung im 20. Jh. gehören. In jeder Hinsicht – Besetzung
und Behandlung des Orchesters, Vielfalt der stilistischen Ebenen und des emotionalen
Ausdrucks mit groß angelegten Steigerungen (bei Elgar Viersätzigkeit) – herrscht
symphonisches Ausmaß. Bei Sibelius ist die Anlage weniger symphonisch im Sinne eines
Entwicklungszusammenhanges als rhapsodisch zu nennen: Im 1. Satz (Allegro moderato
überschrieben) ändern sich Tempo, Bewegungsablauf und Charakter ständig, ja oo ist nicht
deutlich, ob es sich überhaupt um einen schnellen Satz handelt. Wie in einer Erzählung oder
einem bunten Bilderbogen werden unterschiedliche musikalische ›Stationen‹ dargestellt.
Manches kehrt an späterer Stelle wieder, aber gewissermaßen nur episodenhao-assoziativ,
nicht im Sinne streng formaler, motivisch-thematischer Entwicklung. Die Reihe solcher die
spätromantische Tradition weiterführender und in Besetzung und Ausdruckshaltung groß
konzipierter Konzerte läßt sich fortsetzen (A. Glazunov, E. d’Albert, Pfitzner, Szymanowski,
Wilh. Furtwängler). Aber daneben werden andere Einflüsse deutlich.

Eine bedeutende Rolle spielen die unterschiedlichen nationalen Idiome. Am Beispiel


Spaniens: Handelt es sich bei M. de Fallas Noches en los jardines de España (1911-1915) nur
bedingt um ein Klavierkonzert (wobei der langsame Satz am Anfang steht), eher um
Programmusik mit atmosphärischen Schilderungen (entsprechend lautet der Untertitel
Symphonische Impressionen für Klavier und Orchester), so hat J. Rodrigo in seinen Konzerten für
eine und mehrere Gitarren und Orch., darunter in dem Concierto de Aranjuez (1939), für seine
folkloristischen Inhalte auf die Ritornellform zurückgegriffen. Solche historisierenden
Tendenzen zeigen sich subtiler in de Fallas Konzert für Cemb., Fl., Ob., Klar., V. und Vc. (1923-
1926), das im 1. Satz einen Villancico, einen spanischen Bauerntanz aus dem 15. Jh., zitiert und
auch darüber hinaus – durch Rückgriffe auf alte Satztechniken und nicht zuletzt durch die
Wahl des Soloinstruments – eine archaisierende Dimension ins Spiel bringt.

In anderen Ländern läßt sich ähnliches feststellen. Als besondere stilistische Bereicherung
wirkten die Übernahmen aus dem Jazz, die seit den 1920er Jahren die Geschichte des Konzerts
beeinflußten – nicht nur in Amerika (G. Gershwin, Rhapsody in Blue, 1924, und Klavierkonzert,
1925, später etwa bei A. Copland, Concerto für Klar., Streicher, Hf. und Kl., 1947/48 und L.
Bernstein, Prelude, Fugue and Riffs für Klar. und Orch., 1955), sondern auch in Europa, etwa bei
Stravinskij (Konzert für Klavier und Bläser, 1923/24). E. Schulhoff (Jazz-Concerto pour deux
pianos à l’accompagnement d’un jazzorchestre symphonique, zwischen 1931/38), Stravinskij, Ebony
Concerto für Klar. und Jazzband, 1945), B. Blacher (Konzert für Jazzorch., 1946) oder R.
Liebermann (Konzert für Jazzband und Orch., 1958).

Die Abkehr vom symphonischen Typus durch derartige stilistische Öffnungen steht in einem
größeren Zusammenhang. So betonte A. Casella in seinem programmatischen Aufsatz
Scarlattiana über sein gleichnamiges Divertimento su musiche di Domenico Scarlatti per
pianoforte e piccola orchestra (1926), die Komponisten hätten »eines Tages begonnen, darüber
nachzudenken, daß es doch wieder möglich sein müsse, die reinen, alten Formen erfolgreich aufs neue
zu verwenden. […] Der Vorkriegs-Utopie einer Musik, die völlig frei von jeder dogmatischen Fessel
sein sollte, ist seit einigen Jahren eine bezeichnende Anzahl von Concerti grossi, Partiten,
Passacaglien, Divertimenti und Symphonien gefolgt, die durchaus mit den strengsten akademischen
›Regeln‹ in Einklang stehen« (Musikblätter des Anbruch, Jan. 1929, S. 26-28). Casella leitete daraus
die Forderung eines »Zurück zu…!« ab. Obwohl sie in ihrer dezidierten, mit nationalen
Argumenten eng verbundenen Form umstritten blieb, benutzten auch seine Gegner vielfach
›alte Formen‹. Dabei griff man einerseits auf bestimmte Vorbilder zurück und ließ sie klar in
Erscheinung treten, andererseits benutzte man sie nur als lockeres Gerüst, das von anderen
Formideen oder einem inhaltlichen Programm überlagert wurde. Dem Vorwurf Bergs, der die
›Bewegung des Zurück zu…‹ als »atavistisch« bezeichnete (Wozzeck-Vortrag 1929, in: H. F.
Redlich, Alban Berg, Versuch einer Würdigung, Wien/Z./L. 1957, S. 315), ist entgegenzuhalten, daß
es neben den schematischen Übernahmen historischer Modelle auch einen schöpferischen
Umgang mit ihnen gibt (das gilt nicht zuletzt für Bergs eigene Rückgriffe auf alte Formen und
Techniken). Es entstanden Werke im Geiste des Neobarock oder Neoklassizismus, die
keineswegs ausschließlich im Zeichen historischer Rückwendungen zu sehen, sondern Teil
einer ›Klassizistischen Moderne‹ sind (Canto d’amore. Klassizistische Moderne in Musik und
bildender Kunst 1914-1935, hrsg. von G. Böhm/U. Mosch/K. Schmidt, Bern 1996).

Am eindringlichsten zeigt sich dies bei Stravinskij. Seine Konzerte, zu denen neben dem für
Klavier und Bläser (1924) auch das Capriccio (1928/29) und die Movements für Kl. und Orch.
(1959), das Violinkonzert (1931), ferner das an Bach orientierte Concerto per due pianoforti soli
(1932-1935) sowie die nach dem Vorbild des barocken ›Gruppenkonzertes‹ angelegten Werke
Concerto en ré für StrOrch. (1946), Kammerkonzert in Es Dumbarton Oaks (1937/38) und selbst
das Ebony Concerto für Klar. und Jazzband (1945) gehören, sind Hauptvertreter einer
neoklassizistischen Haltung, der es nicht um oberflächliche Stilkopie, sondern um
schöpferische Aneignung alter Vorbilder geht, bei der ›oo parodistisch verfremdet‹ etwas
Neues entsteht. In diesem Sinne bezog sich Stravinskij auf Verdis Ausruf »Torniamo all’antico
e sarà un progresso« (Musikalische Poetik, in: I. Strawinsky, Leben und Werk von ihm selbst, Z./Mz.
1957, S. 190). Für die Behandlung des Soloparts im Violinkonzert, der – wie in der Partitur
ausdrücklich vermerkt – in enger Zusammenarbeit mit dem Geiger Dushkin entstand, riet
Hindemith dem Komponisten, »technische Routine zu vermeiden, […] so hätte ich es viel leichter,
eine Musik zu schreiben, die nicht von den gewohnten Fingerbewegungen beeinflußt ist« (ebd., S. 
155). In dem Konzert, das trotz seiner großen Besetzung immer kammermusikalisch
durchsichtig gehalten ist, sind Holzbläser, Blechbläser und Streicher blockartig
gegeneinandergesetzt und alternierend im einzelnen und chorischen Spiel. Das Concerto-
grosso-Prinzip ist offenkundig. Auch die Satzüberschrioen weisen auf barocke Vorbilder:
Toccata und Capriccio, zwei schnelle Sätze in motorischer Bewegung, umrahmen die von reich
verzierter Kantabilität geprägten Mittelsätze, Aria I und Aria II. Wie ein Motto (Stravinskij
nannte es seinen »Pass«; vgl. E. W. White, Stravinsky, ne Composer and His Works, L./Boston
21979, S. 369) steht am Anfang jedes Satzes derselbe Akkord des Solisten d’-e’’-a’’’, im übrigen
aber geht es in dieser Musik nicht um thematische Zusammenhänge, Entwicklung aus einem
Kern und Steigerung zu emphatischen Höhepunkten, sondern um Reihung bunter Elemente
nach Art einer Collage. Stravinskij verzichtete in seinen Konzerten bewußt auf Emotionales
(»Je déteste l’Ausdruck« lautet ein mündlich überliefertes Bekenntnis) und schrieb statt dessen
eine gleichsam objektive Musik ohne ›Aussage‹ oder ›Idee‹ – es sei denn die des virtuosen
Spiels.

Die Rückwendung zu alten Formen und Kompositionstechniken prägte mehr oder minder
stark die Entwicklung der Gattung Konzert seit den 1920er Jahren. Als Beispiele seien die
Concerti grossi (op. 10, 1921, und op. 25, 1924) von E. Křenek und von H. Kaminski (1922) sowie
Strauss’ Panathenäenzug, Sinfonische Etüden in Form einer Passacaglia für Kl. (linke Hand) und
Orch. op. 74 (1927) herausgegriffen. Sie ging vielfach Hand in Hand mit der Ästhetik der
Neuen Sachlichkeit sowie mit den Forderungen nach Einfachheit und Verständlichkeit.
Entsprechend fallen solche Werke auf, die sich schon in der Besetzung deutlich an alte
Vorbilder anlehnen, etwa die Cembalokonzerte von W. Fortner (1935) und Distler (1935/36),
das Concerto romano für Orgel und Orch. op. 43 (1926) von Casella oder das Konzert für StrQu.
und Bläser von E. Schulhoff (1930), das Doppelkonzert für 2 Klaviere (1932) und das Konzert
für Orgel und Pauken (1938) von Fr. Poulenc, das Concerto dell’Albatro für V., Vc., Kl., eine
Sprechstimme und Orch. (1945) von G. F. Ghedini sowie die Concerti grossi, Doppel-, Tripel
und Quadrupelkonzerte von B. Martinů.
Bartók hat sich in verschiedenen Phasen seines Schaffens mit der Gattung Konzert beschäoigt
– vom 1. Violinkonzert (1907/08) bis zum unvollendet gebliebenen, posthum erschienenen
Violakonzert (1945). Dabei ging er von der virtuosen Tradition aus und bezog neben
impressionistischen Klangmitteln immer stärker folkloristisch inspirierte Elemente in
Melodik, Harmonik und Rhythmik ein, etwa in den beiden Rhapsodien für V. und Orch. (1928)
und dem 2. Violinkonzert (1937/38; dieses läßt sich in bestimmten Aspekten, etwa der
charakteristischen Kombination zwischen Solovioline und Harfe oder der Verwendung
zwöloönigen Materials, als Hommage an den 1935 verstorbenen Berg deuten). Auch in der
Instrumentenbehandlung war er um neue Möglichkeiten bestrebt. So setzte er das Klavier –
ähnlich wie Stravinskij und Hindemith – nicht nur zu typisch romantischer Klangentfaltung
und großen kantablen Bögen ( z. B. zu Beginn des 3. Klavierkonzertes, 1945), sondern auch im
Sinne eines Schlaginstrumentes ein.

Formal ist das 2. Klavierkonzert (1930/31) besonders aufschlußreich. Großes Gewicht kommt
den Klangfarben zu – und zwar nicht allein im Sinne koloristischer Effekte, sondern auch als
formkonstituierende Elemente. So erklingen neben dem Klavier im 1. Satz nur Schlagzeug
und Bläser (darin der Besetzung des Klavierkonzertes von Stravinskij folgend, von dem auch
Zitate aus Feuervogel [1909/10] und Petruschka [1910/11] zu erkennen sind), im Adagio-Teil
des 2. Satzes gedämpoe Streicher und Pauken, im eingeschobenen Mittelteil (Scherzo) eine
Gruppe von Bläsern, Schlagzeug und Streichern; erst im Finale kommen alle beteiligten
Instrumente zusammen. Dieser anwachsenden Besetzung entspricht eine gewaltige
emotionale Dynamisierung zum 3. Satz hin: Diese Ideen des barocken
›Klanggruppenkonzertes‹ und der symphonisch steigernden Entwicklung werden zwingend
verbunden. Einen ähnlich klaren, an klassische Vorbilder angelehnten formalen Au}au weist
auch das Konzert für zwei Klaviere, Schlagzeug und Orch. (1940, Orchestrierung der Sonate
für zwei Klaviere und Schlagzeug) auf: Sonatenform (mit angehängter Fugato-Coda) im 1.,
einfache Liedform a-b-a im 2. und eine Verbindung der Rondo- mit der Sonatenform im 3.
Satz. In der Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta (1936) und dem Konzert für
Orchester (1943) verbinden sich große symphonische Anlage und die Hervorhebung einzelner
Instrumente (exemplarisch im langsamen Satz: Giuoco delle coppie). Auch andere Komponisten
haben Orchesterwerke geschrieben, die in Form, Satztechnik und Behandlung der
Instrumente konzertante Eigenschaoen zeigen, etwa W. Lutosławski (Konzert für Orch., 1954)
oder Blacher (Concertante Musik, 1937). Auch Hindemith hat in seinem 1932 zum 50. Jubiläum
der Berliner Philharmoniker geschriebenen Philharmonischen Konzert die Partitur »jedem der
Spieler derart auf den Leib geschrieben […], als handele es sich bei ihnen um ›den‹ Solisten« (Küster
1993, S. 179).

Hindemiths Auseinandersetzung mit der Gattung Konzert durchzieht sein ganzes Schaffen.
Er schrieb Solokonzerte mit großem Orch. – für Vc. (1916, 1940), Va. (Der Schwanendreher,
1935), V. (1939), Kl. (1945), Klar. (1947), Hr. (1949) und Orgel (1962) – und Werke in der
Nachfolge der Symphonie concertante (für Holzbläser, Hf. und Orch., 1949, sowie für Trp., Fg.
und StrOrch., 1949). Hinzu kommen unterschiedlich besetzte Konzertmusiken – für
Blasorchester (1926), Va. und größeres KaOrch. (1929/30, 2 Fassungen), Kl., Blechbläser und 2
Hf. (1930) sowie für StrOrch. und Blechbläser (1930) – sowie in den 1920er Jahren sieben
konzertante Kammermusiken (für kleines Orch., Kl., Vc., V., Va., Va. d’amore und Orgel). In
ihnen herrscht, ähnlich wie im Konzert für Orch. (1925), ein deutlicher Bezug auf barocke
Vorbilder, ebenso in den Vier Temperamenten für Kl. und StrOrch. (1940).

Ein herausragendes Beispiel der Gattung bildet Bergs Kammerkonzert für Kl., V. und 13 Bläser
(1923-1925; die Besetzung spielt auf Schönbergs Kammersymphonie E op. 9 an). In ihm fallen
weniger alte Formen als alte Techniken auf: Neben streng polyphoner Arbeit spielen auch
Zahlensymbolik, Tonanagramme und komplizierte formale Beziehungen eine wesentliche
Rolle, z. B. Spiegelsymmetrien (nach einer Drehachse in der Mitte des Adagios läuo die Musik
krebsgängig) und Montagetechniken. So bildet der 3. Satz eine Kombination der beiden
ersten und ist der komplexeste Teil in diesem »wohl strengsten Werk, das Berg geschrieben hat«
(P. Boulez, Vorwort zur Taschenpartitur, Philharmonia, 5. Aufl. o. J., S. 8) und über das der
Komponist selbst meinte: »Ein Konzert ist gerade die Kunstform, in der nicht nur die Solisten
(inklusive dem Dirigenten!) ihre Virtuosität und Brillanz zu zeigen Gelegenheit haben, sondern auch
einmal der Autor« (Widmungsbrief an Schönberg, in: W. Reich, Alban Berg, Wien/Lpz./Z. 1937,
S. 86-91). Auch in seinem Violinkonzert hat Berg im Sinne der Montage seine spezifische
Zwöloonmusik (die traditionelle Anklänge bewußt einbezog) mit tonalen Elementen (einer
Kärntner Volksweise und dem Bach-Choral »Es ist genug«) kombiniert und zu einer
programmatischen Darstellung genutzt. (Das Werk ist »Dem Andenken eines Engels«, der
18jährig verstorbenen Manon Gropius, gewidmet.)

Auch Schönberg hat in seinem Violinkonzert op. 36 (1935/36), deutlicher noch im


Klavierkonzert op. 42 (1942) strenge Form und außermusikalisch inspirierte Inhalte
verbunden. Es läßt sich, wenn man seinen Hinweisen gegenüber einem Schüler folgt, in
denen er die vier, ohne Pause durchlaufenden Abschnitte des einsätzigen Klavierkonzertes
mit Charakterisierungen versah, als eine Art komponierter Autobiographie deuten (s. W.
Reich, Arnold Schönberg oder Der konservative Revolutionär, Mn. 1974, S. 219). Ein besonderes
Zeugnis für die historisierende Haltung ist das Konzert für StrQu. und Orch. nach dem Concerto
grosso op. 6, Nr. 7 von Georg Friedrich Händel in freier Umgestaltung von Arnold Schönberg (1933), in
dem Schönberg mit der Vorlage Händels kritisch verfährt; er wollte seinen »düraigen
Kontrapunkt« und seine »minderwertigen Nebenstimmen« verbessern (Schönberg, Neue Musik,
veraltete Musik, Stil und Gedanke, in: Stil und Gedanke, Aufsätze zur Musik, hrsg. von I. Vojtěch,
Ffm. 1976, S. 29). Vorangegangen war eine andere Bearbeitung älterer Musik: das Konzert für
Vc. und Orch. (1932/33) nach dem Concerto per Clavicembalo (1746) von M. G. Monn,
geschrieben für Casals. Übrigens hatte Schönberg später den Plan, für Feuermann, der das
Monn-Konzert statt des Widmungsträgers Casals uraufgeführt hatte, auch eine Bachsche
Gambensonate als Violoncellokonzert zu bearbeiten, was aber nicht ausgeführt wurde.

Eine besondere Bedeutung im Repertoire aus der ersten Häloe des 20. Jh. erwarben sich auch
die Klavierkonzerte von S. Prokof ’ev (5 Konzerte, 1911/12 bis 1932, davon Nr. 4 für die linke
Hand, 1931), M. Ravel (Klavierkonzert G, 1929-1931, Konzert für die linke Hand, 1929/30), die
Violinkonzerte von Prokof ’ev (1916/17, 1935), Weill (mit Blasorchester, 1924) und Britten
(1939), die Bratschenkonzerte von Hindemith (Der Schwanendreher, 1935) und W. Walton
(1928/29), die Violoncellokonzerte von D. Šostakovič (1959, 1966), Martinů (Nr. 2, 1944/45)
sowie Strauss’ Oboenkonzert (1945). Neben zahllosen weiteren Konzerten für die
traditionellen Soloinstrumente (ausgiebige Auflistungen bei H. Engel, Art. Konzert. C. Das
Instrumentalkonzert, in: MGG [1958]) wären auch solche für weniger gebräuchliche zu nennen,
die entstanden, um Interpretenwünsche zu erfüllen und Repertoiremängel zu beheben. So
wurde S. Koussevitzkys (Kusevickij) Kontrabaßkonzert (1905, zunächst zum eigenen
Gebrauch geschrieben) zu einem Standardwerk für dieses Instrument; M. Castelnuovo-
Tedesco, J. Rodrigo und M. Ohana schrieben Gitarrenkonzerte, A. Glazunov eines für
Saxophon (1934), Nino Rota für Pos. (1968), Werner €ärichen (1921–2008) für konzertierende
Pauken und Orch. (1954), sowie für Marimbaphon, Pos. und Orch. (1974), R. Vaughan Williams
für Baßtuba (1954). A. Jolivet für Ondes Martenot (1947), R. Liebermann für Basler Trommeln
und Orch. (Geigy Festival Concerto, 1958). Genzmer schrieb Konzerte für Trautonium (1939 und
1952) sowie zahlreiche andere für Instrumente oder Besetzungen ohne eigenes Repertoire,
etwa – in der Nachfolge Schumanns – ein Konzert für 4 Hr. und Orch. (1984).

Auch im 20. Jh. entstanden zahlreiche Konzerte für den eigenen Gebrauch des Komponisten;
so führten etwa – um nur einige Beispiele zu nennen – Stravinskij, Bartók, Prokof ’ev, Casella
und Gershwin ihre Klavierkonzerte selbst auf, ebenso Hindemith sein Bratschenkonzert Der
Schwanendreher. Nach wie vor spielten die technischen Fähigkeiten und die Persönlichkeit
bedeutender Interpreten die entscheidende Rolle. Für Walter Gieseking etwa komponierten
Pfitzner, E. Toch und Reutter Klavierkonzerte, für Marguerite Long Ravel und Milhaud. Paul
Wittgenstein hatte nach einer Armamputation im Ersten Weltkrieg eine Reihe bedeutender
Komponisten dazu bringen können, ihm Konzerte für die linke Hand zu schreiben (Ravel,
Prokof ’ev, Strauss, Hindemith, Britten). Wesentlichen Einfluß auf die Komposition nahmen
auch die Geiger Dushkin (Stravinskij) und Louis Krasner (Berg und Schönberg). Solche
Zusammenarbeit wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, als zunehmend neue Spielpraktiken
ausprobiert und die aufführungspraktischen Möglichkeiten planmäßig erweitert wurden,
noch intensiver. In der avancierten Neuen Musik, deren Aufführung besonderer Spezialisten
beduroe, entstand eine Wechselbeziehung; und von den Interpreten, die Komponisten zu
konzertanten Werken angeregt haben, seien stellvertretend nur die Cellisten Mstislav L.
Rostropovič (Šostakovič, Prokof ’ev, Britten, Lutosławski, A. Schnittke) und Siegfried Palm
(Blacher, B. A. Zimmermann, K. Penderecki, G. Ligeti, I. Yun, Cr. Halwer, G. Sinopoli), die
Oboisten Lothar Faber (W. Fortner, Br. Maderna) und Heinz Holliger (E. Carter, Lutosławski,
H. W. Henze, Ligeti), der Flötist Severino Gazzeloni (Maderna, G. Petrassi), und das
Klavierduo Alfons und Aloys Kontarsky (Zimmermann) genannt.

In der zweiten Häloe des 20. Jh. bietet sich ein facettenreiches Bild, das unterschiedliche
Vorstellungen widerspiegelt. Einerseits wird der Begriff Konzert noch im Sinne
historisierender Bezüge auf alte Formen und Praktiken verstanden und dient als
Herausforderung an den Erfindungsgeist. So haben Zimmermann (Canto di speranza, 1957, und
Konzert für Vc. und Orch., 1965/66) und Hartmann geistvoll mit Formen und Traditionen
gespielt. Bei Hartmann zog sich die Auseinandersetzung mit der Gattung Konzert durch sein
ganzes Leben – von den kompositorischen Anfängen im Zeichen des Neobarock (Kleines
Konzert für StrQu. und Schlagzeug, 1932, Kammerkonzert für Klar., StrQu. und StrOrch., 1935)
über das Concerto funebre für V. und Orch. (1939) zum Konzert für Va. mit Kl., begleitet von
Bläsern und Schlagzeug (1955). Seine 5. Symphonie (1950), die den Titel Symphonie concertante
erhielt, war hervorgegangen aus einem Concertino für Trp. und Bläserkammerorchester (ca.
1933), umgearbeitet als Concerto für Bläser und Kontrabässe.

In der Tradition des Virtuosenkonzertes mit großem Orchester angelegt, dabei formal
freizügig gestaltet und im Gestus rhapsodisch ausladend sind die Konzerte für V. (1976 und
1995) und Vc. (Sonate für Vc. und Orch. 1964 und 1982) von Penderecki, das Violoncellokonzert
von H. Dutilleux (Tout un monde lointain…, 1968-1970) oder das Oboenkonzert von Carter
(1987). Ligeti schrieb ein Violoncellokonzert (1966), ein Doppelkonzert für Fl., Ob. und Orch.
(1971) mit der Verwendung von Mikrointervallen, ein Klavierkonzert (1988) und
Violinkonzert (1990), Lutosławski ein Doppelkonzert für Ob., Hf. und KaOrch. (1980), Chain II
für V. und Orch. (1985) und ein Konzert für Kl. und Orch. (1988) – jeweils mit nicht nur
höchsten virtuosen, sondern auch kompositionstechnischen Ansprüchen. Bewußt salopp
verfährt dagegen Friedrich Gulda in seinem Klavier- und Violoncellokonzert, in denen
jazzartig improvisiert und die Nähe zur Unterhaltungsmusik gesucht wird.

War das Konzert in seiner Geschichte immer durch Überschneidungen mit anderen
Gattungen geprägt, so nahm dieser Austausch im 20. Jh. noch zu – besonders, nachdem neben
den traditionellen Kammermusikbesetzungen immer mehr Ensembles ad hoc
zusammengestellt wurden und solistische Anforderungen zu erfüllen hatten. (Wie de Fallas
Cembalokonzert ›eigentlich‹ zur Kammermusik gehört, ist auch Weberns Konzert op. 24 im
Grunde ein Nonett.) Diese Tendenz verstärkte sich in der Epoche der seriellen Musik. Neben
Werken wie Messiaens Oiseaux exotiques für Kl., großes Orch. und Schlagzeug (1956), das in
der Tradition des virtuosen Solokonzerts steht, gibt es eine unübersehbare Zahl
kammermusikalisch besetzter Werke mit konzertantem Charakter. Es seien nur genannt:
Boulez, Domaines für Klar. und 6 Instrumentalgruppen (1968), in denen der Solist zwischen
den Gruppen wandert; Ligeti, Kammerkonzert für 13 Instrumentalisten (1969/70); Br.
Ferneyhough, La Chûte d’Icare für Soloklarinette und ein Ensemble aus Fl., Ob., V., Vc., Kb., Kl.
und Schlagzeug (1988).

In der jüngsten Geschichte der Gattung Konzert geht es aber nicht mehr nur um den
Werkcharakter, d.h. die in Texten niedergelegte Komposition, sondern auch um den
Aufführungscharakter von Musik, d.h. um Aktionen, in denen Improvisation und
Spontaneität herrschen. So handelt es sich bei der Partitur von J. Cages Klavierkonzert
(1957/58) um eine Sammlung aus 63 losen Blättern (ohne festgelegte Reihenfolge) mit
Spielanweisungen (die die Möglichkeit, nichts zu spielen bis alles zu spielen, offen lassen) für
den Pianisten sowie 13 weitere Instrumentalstimmen. In Anlehnung an Cage entstanden
ähnliche Stücke, bei denen der Begriff des Konzertierens unkonventionell angewandt wurde
und die Grenzen zwischen Unbefangenheit und historischer Reflexion sich ironisch mischen,
z. B. in D. Schnebels Concert sans orchestre (1964) für einen Pianisten und Publikum, das statt
einer Partitur graphische Notation und einem »Aktionsplan« vorsieht: »Vom
Begrüßungszeremoniell bis zur unvermeidlichen Zugabe spiegeln sich in der klassischen Konzertform
alle Phasen eines Konzerts als gesellschaalicher Veranstaltung« (Dieter Schnebel, Mn. 1980, S. 125, =
MK 16).

Seit den 1970er Jahren läßt sich eine Renaissance des Konzertes erkennen, wobei
historisierende Anklänge, neue Methoden der Klangerzeugung und extremes Virtuosentum
zusammenkommen. Neben dem Bestreben, neue Ausdrucksbereiche zu erschließen (W.
Rihm, D. Müller-Siemens, H.-J. von Bose u.a.), herrscht dabei zuweilen eine an Beliebigkeit
grenzende ästhetische Vielfalt, die man als ›Polystilistik‹ begrüßen oder als Fehlen einer
eigenen ausgeprägten Sprache beklagen mag; sie ist wohl authentischer Ausdruck einer Zeit,
die vom Bewußtsein allgemeiner Unsicherheit beherrscht wird und Halt in der Vergangenheit
sucht. Insbesondere in den Konzerten der als ›postmodern‹ verstandenen Musiker (A. Pärt,
Schnittke, S. Gubajdulina u. a.) sind Rückgriffe auf historische Formen, Besetzungen und
Klänge deutlich. Im übrigen bleibt jedes Werk »eine Art Abenteuer: Es verlangt die erneute Suche
nach einer Klangfarbe, einem Akkord, einem genauen Rhythmus, dem ich einen ebenso genauen
Ausdruck gebe« (Carter über sein Oboenkonzert 1987, in: Programmheo zum Konzert 10 Jahre
Paul Sacher Stioung, Basel 1996, S. 17). Das Prinzip des Konzertierens ist längst nicht mehr an
spezielle Besetzungen, Formen oder Stile gebunden, sondern definiert sich als immer neues
spielerisches Miteinander.

volker scherliess

arno forchert

literatur (Auswahl)
1. Zu A. und C.

L. Torchi, La musica instrumentale in Italia dei secoli XVI, XVII e XVIII, in: RMI 1901, 1-42

A. Schering, Die Gesch. des Instrumental-Konzerts bis auf die Gegenwart, Lpz. 1905, 21927;
Nachdr. Hdh. u.a./Wbdn. 1965, 21975, 31988

J. W. von Wasielewski, Instrumentalsätze vom Ende des XVI. bis Ende des XVII. Jh., Bln. 1905

H. Daffner, Die Entwicklung des Klavierkonzerts bis Mozart, Lpz. 1906 (= Publ. der IMG,
Beiheoe, Folge II, 4)

A. Schering, Die freie Kadenz im Instrumentalkonzert des 18. Jh., in: Kgr.Ber. IMS Basel 1906,
Lpz. 1907, 204ff.

H. Knödt, Zur Entwicklungsgesch. der Kadenzen im Instrumentalkonzert, in: SIMG 15, 1913/14,
375-419

A. Halm, Über J. S. Bachs Konzertform, in: BJ 16, Lpz. 1919, 1-44

L. de La Laurencie, L’Ecole française du violon de Lully à Viotti, 3 Bde., P. 1922-1924; Nachdr. 1971

E. von der Straeten, Discovery of Hitherto Unknown Violin Concertos by Famous Eighteenth
Century Masters, in: €e Strad 33, 1922/23, 18ff., 61ff., 93ff., 147ff.

Fr. Blume, Die formgeschichtl. Stellung der Klavierkonzerte Mozarts, in: MJb 2, 1924, 79-107

G. H. Neurath, Das Violinkonzert der Wiener klass. Schule, Wien 1926; Auszug in: StMw 14, 1927,
125-142

H. Engel, Die Entwicklung des dt. Klavierkonzerts von Mozart bis Liszt, Lpz. 1927; Nachdr. Hdh.
1971

H. Uldall, Beiträge zur Frühgesch. des Klavierkonzerts, in: ZfMw 10, 1927/28, 139-152

H. Lungershausen, Das Violinkonzert der norddt. Schule, Diss. Bln. 1928

H. Uldall, Das Klavierkonzert der Berliner Schule, Lpz. 1928 (= Slg. mw. Einzeldarstellungen 10)

E. Bücken, Die Musik des Rokokos und der Klassik, Potsdam 1929 (= BückenH)

W. Fischer, Instrumentalmusik von 1600-1750, in: G. Adler (Hrsg.), Hdb. der Mg., Bln. 1930;
Nachdr. Tutzing 1961, Mn. 1975, Bd. 2, 540-573

J. Amster, Das Virtuosenkonzert in der ersten Hälae des 19. Jahrhunderts, W}l./Bln. 1931

Th. Stengel, Die Entwicklung des Klavierkonzerts von Liszt bis zur Gegenwart, Diss. Bln. 1931

A. Bonaccorsi, Contributo alla storia del concerto grosso, in: RMI 39, 1932, 467-492

H. Engel, Das Instrumentalkonzert, Lpz. 1932 (= Führer durch den Konzertsaal 3, Die
Orchestermusik)

W. Krüger, Das Concerto grosso J. S. Bachs, in: BJ 29, 1932, 1-50

B. F. Swalin, Das Violinkonzert der dt. Romantik, Diss. Wien 1932

H. Weber, Das Violoncello-Konzert des 18. und beginnenden 19. Jh., Diss. Tbg. 1932

E. H. Meyer, Die mehrst. Spielmusik des 17. Jh. in Nord- und Mitteleuropa, Kassel 1934

E. Rapp, Beiträge zur Frühgesch. des Violoncellkonzerts, Diss. Wzbg. 1934

F. Waldkirch, Die konzertanten Sinfonien der Mannheimer im 18. Jh., Diss. Hdbg. 1934
H. Büttner, Das Konzert in den Orchestersuiten G. Ph. Telemanns, Diss. Lpz. 1935

R. Erlebach, Style in Pianoforte Concerto Writing, in: ML 17, 1936, 131-139

G. Piccoli, Il ›concerto‹ per pianoforte e orchestra […] da Mozart a Grieg, Como 1936

R. Stockhammer, Die Kadenzen zu den Klavierkonzerten der Wiener Klassiker, Diss. mschr. Wien
1936

D. Fr. Tovey, Essays in Musical Analysis 3: Concertos, L. 1936, 121972

W. Krüger, Das Concerto grosso in Deutschland, W}l. 1937

C. M. Girdlestone, W.-A. Mozart et ses concertos pour le piano, P. 1939, 21953

H. Boese, Die Klar. als Soloinstrument in der Musik der Mannheimer Schule, Dresden 1940

H. G. Mishkin, ne Italian Concerto before 1700, in: BAMS 7, 1943, 20ff.

A. Veinus, ne Concerto, N.Y. 1944, rev. 21964

M. F. Bukofzer, Music in the Baroque Era, N.Y. 1947

A. Hutchings, A Companion to Mozart’s Piano Concertos, L. 1948, 61980

Fr. Giegling, Giuseppe Torelli. Ein Beitr. zur Entwicklungsgesch. des ital. Konzerts, Kassel 1949

O. Strunk, Source Readings in Music History, N.Y. 1950

Fr. Giegling, Sinn und Wesen des »concertare«, in: Kgr.Ber. IMS Basel 1949, Kassel/Basel 1951,
129-132

Ders., Art. Concerto, in: MGG 1952

H. Engel, Art. Concerto grosso, in: MGG (1952)

R. Hill (Hrsg.), ne Concerto, Nachdr. Harmondsworth 1952

C. L. Cudworth, ne English Concerto, in: €e Score 1953, 51ff.

R. Stephan, Die Wandlung der Konzertform bei Bach, in: Mf 6, 1953, 127-143

H. Engel, J. S. Bachs Violinkonzerte, in: Fs. zum 175jährigen Bestehen der Gewandhauskonzerte,
Lpz. 1956, 40-62

Ch. R. Haag, ne Keyboard Concertos of C. Ph. E. Bach, Diss. mschr. Univ. of Cal. Los Angeles
1956

H. R. Landon, ne Concertos: (2) neir Musical Origin and developement, in: €e Mozart
Companion, hrsg. von dems./D. Mitchell, L. 1956, 234-282

D. D. Boyden, When is a Concerto Not a Concerto?, in: MQ 1957, 220-232

J. A. White jr., ne Concerted Symphonies of J. Chr. Bach, Diss. Univ. of Michigan 1957

D. D. Boyden u.a., Art. Konzert, in: MGG (1958)

E. J. Simon, Sonata into Concerto. A Study of Mozart’s First Seven Piano Concertos, in: AMl 31, 1959,
170-185

H. Beck, Das Soloinstrument im Tutti des Konzerts der zweiten Hälae des 18. Jh., in: Mf 14, 1961,
427-435

R. Eller, Die Entstehung der nemenzweiheit in der Frühgesch. des Instrumentalkonzerts, in: Fs. H.
Besseler, Lpz. 1961, 323-335

A. Hutchings, ne Baroque Concerto, L./N.Y. 1961, rev. 31973

W. Kolneder, Die Solokonzertform bei Vivaldi, Strbg./Baden-Baden 1961 (= Slg. mw.


Abhandlungen 42)

M. Rasmussen, A Bibliogr. of Solo concerti, Concerti grossi […], in: Brass Quarterly 5, 1961

H. Engel (Hrsg.), Das Concerto grosso, K. 1962 (= Das Musikwerk 23)

H. Stoltie/A. S. C. Type, ne Concerto for Mixed Woodwind Ensemble in the Classical Period, 2
Bde., Diss. mschr. State Univ. of Iowa 1962

Fr. Blume, Mozarts Konzerte und ihre Überlieferung, in: ders., Syntagma musicologicum, Bd. 1,
Kassel u.a. 1963, 686-714

W. Kolneder, Zur Frühgesch. des Solokonzerts, in: Kgr.Ber. GfM Kassel 1962, Kassel/Basel 1963,
149-152

H. Engel, Das Solokonzert, K. 1964 (= Das Musikwerk 25)

St. Kunze, Die Entstehung des Concertoprinzips im Spätwerk Giovanni Gabrielis, in: AfMw 1964,
81-110

S. E. Watts, ne Stylistic Features of the Bolognese Concerto, Diss. Indiana Univ. Bloomington
1964

C. Dahlhaus, J. Brahms, Klavierkonzert Nr. 1 d-moll, Mn. 1965 (= Meisterwerke der Musik 3)

W. Osthoff, Ludwig van Beethoven, Klavierkonzert Nr. 3 c-moll, Mn. 1965 (= dass. 2)
H. Tischler, A Structural Analysis of Mozart’s Piano Concertos, N.Y. 1966 (= Musicological
Studies 10)

H. Heussner, Zur Musizierpraxis der Klavierkonzerte im 18. Jh., in: MJb 1967, 165-175

C. V. Palisca, Baroque Music, Englewood Cliffs/N.J. 1968

O. Edwards, English String Concertos before 1800, in: PRMA 95, 1968/69, 1-13

P. H. Lang (Hrsg.), ne Concerto 1800-1900, N.Y. 1969

P. W. Jones, ne Concerto at Mannheim 1740-80, in: PRMA 96, 1969/70, 129ff.

S. Kross, Concerto – ›concertare‹ und ›conserere‹, in: Kgr.Ber. GfM Leipzig 1966, Kassel/Basel
1970, 216-220

Kl. Weising, Die Sonatenform in den langsamen Konzertsätzen Mozarts, Hbg. 1970 (= Hamburger
Beitr. zur Mw. 3)

H. Engel, Das Instrumentalkonzert, 2 Bde., Wbdn. 1971, 1974

D. Forman, Mozart’s Concerto Form. ne First Movements of the Piano Concertos, L. 1971

L. Hoffmann-Erbrecht, Klavierkonzert und Affektgestaltung. Bemerkungen zu einigen d-moll-


Klavierkonzerten des 18. Jh., in: Dt. Jb. der Mw. 16, 1971, 86-110

M. Staehelin, Zur Echtheitsproblematik der Mozartschen Bläserkonzertante, in: MJb 1971/72, 56-
62

E. Badura-Skoda, W. A. Mozart, Klavierkonzert c-moll KV 491, Mn. 1972 (= Meisterwerke der


Musik 10)

L. Hoffmann-Erbrecht, J. S. Bach als Schöpfer des Klavierkonzerts, in: Fs. W. Schmieder, hrsg.
von K. Dorfmüller, Ffm./L./N.Y. 1972, 69-78

P. Mies, Das Konzert im 19. Jahrhundert. Studien zu Formen und Kadenzen, Bonn 1972

G. Heldt, Das dt. nach-romant. Violinkonzert von Brahms bis Pfitzner, Rgsbg. 1973 (= Kölner
Beitr. zur Mf. 76)

L. Hoffmann-Erbrecht, Das Klavierkonzert, in: Gattungen der Musik in Einzeldarstellungen.


Gedenkschrio L. Schrade, Bd. 1, hrsg. von W. Arlt/E. Lichtenhahn/H.Oesch, Bern/Mn. 1973,
744-784

E. Reimer, Art. Concerto/Konzert, in: HMT (1973)


Fr. Krummacher, Virtuosität und Komposition im Violinkonzert. Probleme der Gattung zwischen
Beethoven und Brahms, in: NZfM 1974, 604-613

J. A. Meyer, ne Idea of Conflict in the Concerto, in: Studies in Music (Australia) 8, 1974, 38-52

J. R. Stevens, neme, Harmony, and Texture in Classic-Romantic Descriptions of Concerto First-


movement Form, JAMS 27, 1974, 25-60

W. Braun, Antonio Vivaldi, Concerti grossi op. 8 Nr. 1-4. Die Jahreszeiten, Mn. 1975 (=
Meisterwerke der Musik 9)

U. Siegele, Kompositionsweise und Bearbeitungstechnik in der Instrumentalmusik J. S. Bachs,


Neuhausen-Stg. 1975 (= Tübinger Beitr. zur Mw. 3)

J. Ruile-Dronke, Ritornell und Solo in Mozarts Klavierkonzerten, Tutzing 1978 (= Münchner


Veröff. zur Mg. 28)

R. Strohm, Merkmale ital. Versvertonung in Mozarts Klavierkonzerten, in: AnMl 18 (Colloquium


»Mozart und Italien«, Rom 1974), 1978, 219-236

W. Breig, J. S. Bach und die Entstehung des Klavierkonzerts, in: AfMw 36, 1979, 21-48

E. Voss, R. Schumann, Konzert für Klavier und Orchester a-Moll (Taschenpart. mit Einf. und
Analyse), Mz./Mn. 1979

R. W. Wade, ne Keyboard Concertos of C. Ph. E. Bach. Sources and Style, Ann Arbor 1979

P. Drummond, ne German Concerto, N.Y. 1980 (= Oxford monographs on music)

A. Hutcihings u.a., Art. Conerto, in: NGroveD

M. D. Nikolai, J. C. F. Bach’s Clavier Concertos, 2 Bde., Univ. of Alberta 1980

P. Ahnsehl/K. Heller/H.-J- Schulze (Hrsg.), Beiträge zum Konzertschaffen J. S. Bachs, Lpz. 1981
(= Bach-Studien 6)

W. Braun, Die Musik des 17. Jh., Wbdn. 1981 (= NHdb 4)

A. Edler, Norddt. und engl. Konzert für Tasteninstrumente zwischen 1740 und 1780, in: Die
Entwicklung des Solokonzertes im 18. Jh., Blankenburg/Harz 1982, 24-32 (= Studien zur
Aufführungspraxis und Interpretation von Instrumentalmusik des 18. Jh. 20)

H.-G. Ottenberg, Annotationen zu einem Konzertsatz von C. Ph. E. Bach, in: dass., 16-23

R. Pečman, Der tschech. Beitr. zur Entwicklung des Solokonzerts im 18. Jh (Von Vejvanovský bis
Mysliveček), in: dass., 78-81
H.-B. Schmitz, Die Klavierkonzerte J. Chr. Bachs, Diss. Wzbg. 1982

Ch. Rosen, Der klass. Stil. Haydn, Mozart, Beethoven, Kassel u.a./Mn. 1983

E. Reimer, Zum Strukturwandel des Konzertsatzes im 18. Jh., in: Analysen. Beiträge zu einer
Problemgesch. des Komponierens, in: Fs. H.-H. Eggebrecht, hrsg. von W. Breig/R.
Brinkmann/E. Budde, Stg. 1984, 202-216 (= BzAfMw 23)

P. Ahnsehl, Genesis, Wesen, Weiterwirken. Miszellen zur Vivaldischen Ritornellform, in:


Informationi e studi vivaldiani 6, 1985, 74-85

C. Dahlhaus (Hrsg.), Die Musik des 18. Jh., Laaber 1985 (= NHdb 5)

B. Sponheuer, Zum Problem des doppelten Finales in Mozarts ›erstem‹ Klavierkonzert KV 175. Zwei
Versuche der Synthetisierung von »Gelehrtem« und »Galantem«, in: AfMw 42, 1985, 102-120

Th. Emmerig, Joseph Riepels drei Violinkonzerte op. I, in: Musik in Bayern 32, 1986, 63-76

K. von Fischer, Das Dramatische in Mozarts Klavierkonzerten 1784 mit besonderer


Berücksichtigung des ersten Satzes von KV 453, in: MJb 1986, 71-74

R. Forster, Zur Funktion von Anfangsritornell und Reprise in den Kopfsätzen einiger
Klavierkonzerte Mozarts, in: MJb 1986, 74-89

R. Stephan, Alban Berg, Violinkonzert (1935), Mn. 1988 (= Meisterwerke der Musik 49)

R. Emans/M. Wendt (Hrsg.), Beiträge zur Gesch. des Konzerts, Fs. S. Kross, Bonn 1990

N. Dubowy, Arie und Konzert. Zur Entwicklung der Ritornellanlage im 17. und frühen 18. Jh., Mn.
1991 (= Studien zur Musik 9)

K. Küster, Formale Aspekte des ersten Allegros in Mozarts Konzerten, Kassel 1991

Ph. J. Whitmore, Unpremediated Art: the Cadenza in the Classical Keyboard Concerto, Diss. Oxd.
1991

J.-Cl. Zehnder, Giuseppe Torelli und Joh. Seb. Bach. Zu Bachs Weimarer Konzertform, in: BJ 77,
1991, 33-95

R. Forster, Die Kopfsätze der Klavierkonzerte Mozarts und Beethovens: GesamtauŽau, Solokadenz
und Schlußbildung, Diss. Mn. 1992 (= Studien zur Musik 10)

Cl. MacDonald, ne Models for Schumann’s F-major Piano Concerto of 1831, in: Studi musicali 21,
1992, 159-189

I. Gronefeld, Die Flötenkonzerte bis 1850: Ein themat. Verz., 3 Bde. Tutzing 1992, 1993, 1994
H. von Loesch, Das Cellokonzert von Beethoven bis Ligeti: Ästh. und kompositionsgeschichtl.
Wandlungen einer mus. Gattung, Diss. Ffm. 1992 (= Europ. Hochschulschrioen 36:80)

R. Rapp, Johann Gottfried Müthels Konzerte für Tasteninstrumente und Streicher, Mn./Salzburg
1992 (= Berliner mw. Arbeiten 40)

W. Siegmund-Schultze, Händels Instrumentalkonzerte, in: G. F. Händel, Münster 1992, 44-61


(= Schrioenreihe Freie Dt. Akad. der Wiss. und Künste 1)

J. R. Stevens, Patterns of Recapitulation in the First Movements of Mozart’s Piano Concertos, in: Fs.
Cl. V. Palisca, hrsg. von N. Kovaleff Baker/B. Russano Hanning, Stuyvesant 1992, 397-418

R. Stowell, ne Concerto, in: €e Cambridge Companion to the Violin, Cambridge/N.Y. 1992,


148-167

Ch. White, From Vivaldi to Viotti: a History of the Early Classical Violin Concertos, Philadelphia
1992 (= Gordon and Breach Musicology Series 11)

M. Hinson, Music for Piano and Orchestra: an Annotated Guide, Bloomington u.a. 1993

St. Kunze, Die Sinfonie im 18. Jh., Laaber 1993 (= Hdb. der mus. Gattungen 1)

K. Küster, Das Konzert: Form und Forum der Virtuosität, Kassel u.a. 1993 (= Bärenreiter-
Studienbücher Musik 6)

M. Brück, Die langsamen Sätze in Mozarts Klavierkonzerten, Mn. 1994 (= Studien zur Musik 12)

M. Th. Roeder, A History of the Concerto, Portland/Oreg. 1994

P. Rummenhöller, Vom Virtuosen zum Symphoniker. Notizen zu Beethovens Klavierkonzerten, in:


Musica 49/5, 1995, 302-310.

2. Zu B.

M. Schneider, Die Anfänge des Basso continuo und seiner Bezifferung, Lpz. 1918

Fr. Blume, Das monod. Prinzip in der prot. KM., Lpz. 1925

A. Adrio, Die Anfänge des geistl. Konzerts, Bln. 1935

S. Günther, Die geistl. Konzertmusik von nomas Selle, Diss. Gießen 1935

G. Ilgner, Matthias Weckmann. Sein Leben und seine Werke, W}l./Bln. 1939

E. Kapst, Tobias Michael und seine »Musikalische Seelenlust«, Diss. Halle 1955
G. Weiss, Johann Vierdanck (ca. 1605-1646). Sein Leben und sein Werk, Diss. Marburg 1956

R. Günther, Motette und geistliches Konzert im Schaffen von Alessandro Grandi, Diss. mschr.
Freie Univ. Berlin 1958

A. Roeseler, Studien zum Instrumentarium in den Vokalwerken von Heinrich Schütz, Diss. Freie
Univ. Berlin 1958 (Privatdruck)

A. Forchert, Das Spätwerk des Michael Praetorius. Italienische und deutsche Stilbegegnung, Bln.
1959

A. Adrio, Tobias Michaels Musicalische Seelenlust (1634-1637): Über einige Fragen der mus.
Aufführungs- und Editionspraxis im frühen 17. Jh., in: Fs. H. Osthoff, hrsg. von L. Hoffmann-
Erbrecht/H. Hucke, Tutzing 1961, 115-128

E. Gessner, Samuel Scheidts Geistl. Konzerte, Bln. 1961

D. Arnold (Hrsg.), G. Gabrieli, Opera omnia, Bd. 3, Rom 1962, Vorwort, II

Fr. Blume, Gesch. der ev. KM., Kassel 1965, 131-156

Fr. Krummacher, Über das Spätstadium des geistl. Solokonzerts in Norddeutschland, in: AfMw
25, 1968, 278-288; 26, 1969, 63-79

K. J. Snyder, Johann Rosenmüller’s Music for Solo Voice, 2 Bde., Diss. Yale University New
Haven/Conn. 1970

M. Seelkopf, Ital. Elemente in den Kleinen geistl. Konzerten von Heinrich Schütz, in: Mf 25, 1972,
452-464

H. Haack, Anfänge des Generalbaßsatzes. Die »Cento Concerti Ecclesiastici« (1602) von Lodovico
Viadana, 2 Bde., Tutzing 1974

J. Roche, Rovetta and Tunder: an Interesting Example of Plagiarism, in: EM 3, 1975, 58

C. Dahlhaus, Über den Motettenbegriff des Michael Praetorius, in: Fs. K. Gudewill, hrsg. von U.
Haensel, W}l./Z. 1978, 7-14

Fr. Krummacher, Die Choralbearbeitung in der prot. Figuralmusik zwischen Praetorius und Bach,
Kassel 1978

F. Fiebig, Christoph Bernhard und der stile moderno, Hbg. 1980

W. Braun, Die Musik des 17. Jh., Wbdn. 1981, 201-211 (= NHdb 4)

A. Kirwan-Mott, ne Small-Scale Sacred Concerto in the Early Seventeenth Century, 2 Bde., Ann
Arbor 1981

J. Roche, North Italian Church Music in the Age of Monteverdi, L. 1984

A. Silbiger (Hrsg.), Matthias Weckmann, Four Sacred Concertos, Madison 1984, Vorwort, VII-
XXVIII

D. Arnold, Andrea Gabrieli and the New Motet Style, in: Andrea Gabrieli e il suo tempo. Atti del
convegno internazionale (Venezia 16.-18. Settembre 1985), hrsg. von Fr. Degrada, Flz. 1987,
193-213

M. Just, Rhythmus und Klang als Formfaktoren in den »Kleinen geistlichen Konzerten« von
Heinrich Schütz, in: Schütz-Jb. 9, 1987, 44-60

K. J. Snyder, Dietrich Buxtehude. Organist in Lübeck, N.Y./L. 1987

W. Steinbeck, Der Instrumentalcharakter bei Schütz. Zur Bedeutung der Instrumente in den
»Symphoniae sacrae«, in: Schütz-Jb. 9, 1987, 22-43

W. Breig, Zur Werkgeschichte der Kleinen geistl. Konzerte von Heinrich Schütz, in: Heinrich
Schütz und die Musik in Dänemark zur Zeit Christians IV., hrsg. von A. Ørbæk Jansen/O.
Kongsted, Kphn. 1989, 95-116

R. Charteris, ne Performance of Giovanni Gabrieli’s Vocal Works: Indications in the Early Sources,
in: ML 72, 1990, 336-351

A. Silbiger, Monteverdi, Schütz and Weckmann: the Weight of Tradition, in: Proceedings of the
Weckmann Symposium Göteborg 1991, Göteborg 1993, 123-139

J. W. Schmidt, ne »Musicalische Andachten« of Hammerschmidt, 3 Bde., Ann Arbor 1995.

VOLKER SCHERLIESS/ARNO FORCHERT, Art. Konzert in: MGG Online, hrsg. von Laurenz
Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., veröffentlicht Juni 2015, https://www-1mgg-
2online-1com-1jvd8i9gz017b.emedia1.bsb-muenchen.de/mgg/stable/11587 © 2016–2021 GbR
MGG

Das könnte Ihnen auch gefallen