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Schriftenreihe der Juristischen Fakultät

der Europa-Universität
Viadrina Frankfurt (Oder)
Thomas A. Bode

Verdeckte strafprozessuale
Ermittlungsmaßnahmen
Dr. Thomas A. Bode
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik
Europa-Universität Viadrina
Frankfurt (Oder), Deutschland

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Rechte an der
Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Vorgelegt von: Thomas A. Bode
Erstkorrektor: Prof. Dr. Gerhard Wolf
Zweitkorrektor: Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler

ISSN 1431-7923
ISBN 978-3-642-32660-8 ISBN 978-3-642-32661-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-32661-5
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„Du fängst an, das Ausfragen zu verabscheuen.
Du tust wohl recht daran, liebes Kind. Von allen bekannten Mitteln,
hinter ein Geheimnis zu kommen,
ist es meiner Meinung nach das ungeschickteste.“

Honoré de Balzac
Vorwort

Die Abhandlung ist im Wintersemester 2011/2012 von der Rechtswissenschaftli-


chen Fakultät der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) als Dissertation
angenommen worden. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Schrift-
tum bis Dezember 2011 berücksichtigt werden.
Ganz herzlich danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Gerhard Wolf .
Er hat meine Arbeit stets mit Interesse verfolgt und gefördert. Die gedankliche
Freiheit, die ich bisher als akademischer Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl genießen
durfte, war Grundbedingung für das Zustandekommen der Doktorarbeit. Ebenfalls
gebührt Herrn Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler herzlicher Dank für die Übernahme und
die, trotz des erheblichen Umfangs der Arbeit, zügige Erstellung des Zweitgutach-
tens. Besonders bedanke ich mich bei Herrn Dr. Stefan Seiterle, der uneigennützig
und zu jeder Zeit als hilfreicher Gesprächspartner zur Verfügung stand. Dank gilt
auch meinem Vater, Herrn Dr. Diedrich Bode und seiner stets motivierenden Kritik
an der formalen Gestaltung sowie meinem Bruder Herrn Dipl.-Phys. Tobias Bode,
der bei zahlreichen Software-Problemen helfen konnte.

Frankfurt (Oder), im März 2012 Thomas Bode

VII
Inhaltsverzeichnis

Teil I Einleitung

§ 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
I. Ein aktueller Beispielfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
II. Die sich aus dem Beispielfall ergebenden Grundfragen . . . . . . . . . . . 4

§ 2 Klärung des Untersuchungsgegenstands und der Grundbegriffe . . . . 9


I. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
II. Erläuterung der Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1. Terminologie des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
a) Strafprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
b) Gesetz zur Neuregelung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen . . . . 11
2. Der Sprachgebrauch in der Literatur:
„Heimliche Zwangsmaßnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 11
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 13

Teil II Kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte


der gesetzlichen Regelungen verdeckter Ermittlungsmaßnahmen

§ 3 Entwicklung bis zur Reichsgründung 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17


I. Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
II. Mittelalterlicher Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1. Phase des Akkusationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2. Phase des Inquisitionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
III. Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1. „Peinliches“ Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2. Staatliche geheime Ermittlungen im Absolutismus . . . . . . . . . . . . 20
3. Ansätze zur Beschränkung der Ermittlungsmacht
im Frühkonstitutionalismus . . . . . . . . . . . . . . ............ 21
4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............ 23

IX
X Inhaltsverzeichnis

§ 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg . . . 25
I. Kodifikation strafprozessualer Befugnisse zu verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1. Regelung der Postbeschlagnahme in der StPO . . . . . . . . . . . . . . . 25
2. Einfachgesetzliche Regelung des Telegraphengeheimnisses . . . . . . 26
3. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in der Weimarer
Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4. Regelung der Fernmeldeverkehrsüberwachung
in § 12 Fernmeldeanlagengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
a) Überwachung von Verbindungsdaten statt
Kommunikationsinhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
b) Diskussion um möglichen Missbrauch der Fernmeldeüberwachung 27
aa) Befürchtung des Missbrauchs zu politischen Zwecken . . . . . 27
bb) Beschwichtigung durch Verweis auf Schranken des § 12 FAG 28
cc) Reduzierung des Missbrauchspotentials durch hohen Aufwand 28
5. Persönliche Überwachung durch Spitzeleinsatz
und andere Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
II. Missbrauch verdeckter Ermittlungsmaßnahmen durch Diktaturen
ab 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1. Nationalsozialistische Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
a) Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 30
b) Gescheiterte Gesetzentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
c) Tatsächliche Verbreitung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen . . . . 31
2. Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in der DDR . . . . 33
a) Formale Regelung verdeckter Ermittlungen in der StPO der DDR . 33
b) Geheime Verfahrensleitung durch das MfS . . . . . . . . . . . . . . . 33
3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

§ 5 Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . ... 37


I. Diskussion um das allgemeine Persönlichkeitsrecht und technische
Überwachungsmaßnahmen bis 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 37
II. Änderungen durch das G-10-Gesetz 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . ... 38
III. Weitere Änderungen bis 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 39
1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht im Strafprozess
nach der Tonbandentscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . ... 39
2. Anwachsen des Kataloges des § 100a StPO . . . . . . . . . . . . . ... 40
3. Entscheidungen des BVerfG zum Recht auf informationelle
Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 40
IV. Wesentliche Änderungen von 1992 bis 2007 . . . . . . . . . . . . . . ... 41
1. Bedeutungswandel und schnelles Ende
des § 12 Fernmeldeanlagengesetz (FAG) . . . . . . . . . . . . . . . ... 41
Inhaltsverzeichnis XI

2. Änderungen durch das OrgKG von 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41


a) Neue Regelung verschiedener verdeckter Ermittlungsmethoden . . 41
b) „Großer Lauschangriff“: Ergänzung des Art. 13 GG um Abs. 3 . . 42
V. Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung 2007 . . 42
VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Teil III Verfassungsrechtliche Vorgaben

§ 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht . . . . . . 47


I. Ausdrückliche Regelungen und Lücken im Grundgesetz . . . . . . . . . . 47
II. Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
III. Streit um die Einflussnahme des Verfassungsrechts
auf die Eigenständigkeit der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1. Rechtsprechung: „Konkretisierung der Grundrechte“
und „angewandtes Verfassungsrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2. Eigenständigkeit der StPO betonende Kritik aus der Literatur . . . . . 50
3. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
a) Kompetenzproblem als staatsrechtliche Frage der Gewaltenteilung 52
b) Unterscheidung zwischen Rechtskritik und Verfassungs-
bzw. Machtkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer
Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
1. Versäumnisse der Strafprozessrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . 54
2. Verfassungsgerichtsfester Gesetzgebungsspielraum . . . . . . . . . . . 54
3. Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
a) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
b) Erläuterung in der Literatur: Verfassungskonforme Auslegung
als Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
c) Streit über die verfassungskonforme Auslegung in der Literatur . . 58
aa) Kritik Bettermanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
bb) Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
d) Eigene differenzierte Diskussion unter Beachtung
der Auslegungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
aa) Verfassungskonforme Auslegung durch das BVerfG als Minus
zur Teilkassation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
bb) Verfassungskonforme Auslegung durch einfache
Rechtsanwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
aaa) Subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
bbb) Objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
ccc) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4. Verfassungskonforme Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
5. Verfassungskonforme Ersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
6. Verfassungskonforme Ergänzung und Wortlautgrenze . . . . . . . . . . 65
XII Inhaltsverzeichnis

7. „Verfassungsnächste“ Auslegung durch „Ausstrahlungswirkung“ . . . 66


8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

§ 7 Klärung des Eingriffsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69


I. Funktionale Einordnung des Eingriffsbegriffs in die Grundrechtsdogmatik 69
II. Klassischer Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
1. Bedeutung des klassischen Eingriffsbegriffs
für die Eingriffsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
a) Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
b) Rechtswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
c) Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
d) Zwangsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
e) Ausweitung der Definitionsmenge von Zwang . . . . . . . . . . . . . 75
f) Unzutreffende Prämisse und ungünstige Folgen der Fehlbenennung 75
2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
III. Moderner Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
1. Ersetzung des Unmittelbarkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . 78
a) Theorie kausaler Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
b) Objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
aa) H. L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
bb) Verfassungsrechtliche Risikoerhöhungslehre . . . . . . . . . . . 80
cc) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2. Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
a) Ansicht in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
3. Individuell konkrete Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
a) Diskussion in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
b) Kritik und eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
4. Zwangsähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
a) Ansicht in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5. Diskussion in der Literatur um die Intensität
der Grundrechtsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
a) Bestimmung einer Erheblichkeitsschwelle
durch eine Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
b) Verzicht auf eine Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . 85
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
aa) Objektives Kriterium der Beeinträchtigung
der Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
bb) Freiheitsbegriff des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
aaa) Allgemeiner Freiheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
bbb) Den unterschiedlichen Freiheiten entsprechende
Unterscheidung verschiedener Eingriffsbegriffe . . . . . . . 87
Inhaltsverzeichnis XIII

6. Grundrechtsgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
a) Ansicht der Literatur und der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 88
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

§ 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz . . . . . . . . . . . . . 91


I. Die h. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum allgemeinen
Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
1. Die Unterscheidung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht
und allgemeiner Handlungsfreiheit: „Zwei Stränge“
des Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
a) Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . 92
b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG
i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
aa) Schutz der Integrität durch Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG . 93
bb) Ausweitung der ursprünglich engen Definition des BVerfG . . 94
2. Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Bündelung
verschiedener Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
3. Rechte auf Selbstdarstellung und Außenwahrnehmung . . . . . . . . . 96
a) Rechte am eigenen Bild und Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . 98
c) Das neue Computergrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4. Recht auf Selbstbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
a) Abgrenzung durch die sog. „Sphärentheorie“ . . . . . . . . . . . . . 101
b) Recht auf Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
II. Grundsätzliche Einwände gegen die Konstruktion eines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
1. Zweiteilung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG
durch Einbeziehung des Art. 1 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
2. Recht auf Freiheit von Beeinflussung der Willensbildung
aus Art. 2 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
a) Weiter Freiheitsbegriff in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
b) Ausführungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
c) Vermittelnde eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
3. Konsequenzen aus der Notwendigkeit einer Beeinträchtigung
der Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG . . 112
1. Ansatzpunkt des BVerfG: Psychische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . 113
2. Bedeutung der Einschüchterungswirkung in der Rspr. des BVerfG
und eigene Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
a) Einschüchterungswirkung offener Maßnahmen
im Versammlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
b) Einschüchterungswirkung bei unbestimmten Unterlassungsurteilen 115
c) Einschüchterungswirkung bei Verstößen gegen das Recht
am eigenen Wort und Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
XIV Inhaltsverzeichnis

d) Einschüchterung und Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116


e) Einschüchterung und Recht auf informationelle Selbstbestimmung 117
f) Einschüchterung bei heimlicher Beobachtung . . . . . . . . . . . . . 119
g) Heimliche Online-Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
h) Heimliche Datenspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
i) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
3. Ansichten in der Literatur zum Grundansatz
der Einschüchterungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
a) Fundamentale Kritik an einem Eingriff durch Einschüchterung . . 121
b) Ansätze zu einem universellen Grundrecht
auf „Freiheit von Furcht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4. Eigene Argumente für ein Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung als Konkretisierung der allgemeinen
Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
a) Psychische Betroffenheit als tatsächliche Handlungssteuerung . . . 124
b) Irrationale Ängste vor einem „Tabu“ oder rationale Lehren
aus der Geschichte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
c) Unzulässige Vorverlagerung durch bloße Gefährdung
statt Eingriffs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
d) Abstrahierung, Kollektivierung und Individualisierung
der Einschüchterungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
aa) Problem der individuellen Wirkung einer konkreten
heimlichen Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
bb) Drittbetroffene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
e) Eingriffe durch Überwachungsattrappen als sinnwidrige
Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
f) Schutzlücke ohne Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung . . 137
g) Konsequenzen des modernen Eingriffsbegriffs
oder ergebnisorientierte Einführung eines Totalvorbehalts
des Gesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5. Konkretisierungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG
als formalisierte Begründungen für einen Eingriff in die allgemeine
Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
IV. Recht auf einen unantastbaren Kernbereich privater
Lebensgestaltung gemäß Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
1. Herleitung des Kernbereichsschutzes aus der Verfassung . . . . . . . . 141
a) Kernbereichsschutz nach der h. M. aus Art. 2 Abs. 1
i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
2. Inhaltliche Definition der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
a) Ansicht des BVerfG zum Kernbereichsschutz bei überwachenden
strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 144
aa) Äußerungsumstände und Äußerungsinhalte
als Definitionskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Inhaltsverzeichnis XV

bb) Persönlichkeitsprofile erfassen den Kernbereich . . . . . . . . . 147


cc) Keine Kernbereichsbetroffenheit bei Bezug auf konkrete
Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
b) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
d) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
aa) Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
bb) Denunzianten und Spitzel im engsten Familienkreis . . . . . . . 152
cc) Verneinung der Vernunftfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
dd) Heimliche Beobachtungen und Aufnahmen einer schutzlosen
Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
ee) Die Anfertigung von Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen 155
3. Öffnung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde für Eingriff
und Abwägung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
a) Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
b) Relativierung durch Öffnung für Eingriff und Abwägung? . . . . . 156
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
d) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
4. Zwischenergebnis zur Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
V. Das Nemo-tenetur-Prinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 162
1. Das Nemo-tenetur-Prinzip in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . 162
2. Das Nemo-tenetur-Prinzip in der Rechtsprechung der BGH
und der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
3. Eigene Ansicht zum Nemo-tenetur-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG . . . . . . . . 166
1. Umfang des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
a) Briefgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
b) Postgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
c) Fernmeldegeheimnis (Telekommunikationsgeheimnis) . . . . . . . 168
aa) Grundsätzliche Beschränkung auf laufende Kommunikation . . 168
bb) Verkehrsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
cc) Vertrauen in die Person des Gesprächspartners . . . . . . . . . . 170
2. Abgrenzung des Telekommunikationsgeheimnisses
gemäß Art. 10 GG zum „Computergrundrecht“ aus Art. 2 Abs. 1 GG 171
a) Ansicht des BVerfG zur „Online-Durchsuchung“ und Art. 10 GG . 173
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
c) Ansicht des BVerfG zur „Quellen-TKÜ“ und Art. 10 GG . . . . . . 174
d) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
e) Ansicht des BVerfG und der h. M. zur E-Mail-Beschlagnahme . . . 178
f) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
3. Eingriff durch verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen . . 180
a) Eingriffsmöglichkeit in Art. 10 Abs. 2 GG vorausgesetzt . . . . . . 180
b) Eingriff durch private Diensteanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
c) Verstärkungswirkung des Eingriffs durch Heimlichkeit . . . . . . . 181
XVI Inhaltsverzeichnis

4. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG . . . . . . . . . . . . 183
1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
a) Schutz der Wohnung als Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
b) Definition des Wohnungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
aa) Weite Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
bb) Wortlautgetreue, enge Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . 185
cc) Vermittelnde Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
dd) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
2. Abgrenzung zu anderen Fallgestaltungen und Grundrechten . . . . . . 188
a) Abgrenzung zu Art. 10 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
b) Abgrenzung zum Computergrundrecht Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . 188
c) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
d) Debatte in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
e) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
3. Eingriff durch verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen . . 192
a) Überwachung der Wohnung durch körperliches Eindringen
in die Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
b) Überwachung des Inneren der Wohnung von außen . . . . . . . . . 192
4. Rechtfertigung, Schranken des Eingriffs durch verdeckte Maßnahmen
nach Art. 13 Abs. 3 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
a) Erfordernis einer schweren Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
b) Subsidiarität der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
VIII. Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . 196
1. Verdeckte Maßnahmen und Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . 196
2. Verhältnis des Art. 19 Abs. 4 GG zum Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
IX. Freiheitsgrundrechte aus Art. 4 ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
X. Weitere Grundrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
1. Allgemeines Grundrecht auf ein faires Verfahren? . . . . . . . . . . . . 199
a) BVerfG: Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20
Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
b) Ansicht der h. L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
2. Keine Anwendung des Art. 6 EMRK auf die verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
3. In Betracht kommende Konkretisierungen des Rechts auf ein faires
Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
a) Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
b) Waffengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
aa) Relativierung im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 203
bb) Eigene Ansicht gegen die Geltung des Prinzips bei verdeckten
Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Inhaltsverzeichnis XVII

cc) Unpassende sprachliche Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204


c) Eigenständiger Verfahrensgrundsatz für verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
d) Fehlende Abstimmung der Prozessprinzipien auf die verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

§ 9 Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207


I. Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
1. Dogmatische Herleitung des Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
2. Ansicht des BVerfG zu den inhaltlichen Anforderungen
an die Normenbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
a) Kriterien der Bestimmtheit nach der „Wesentlichkeitstheorie“
des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
aa) Parallele zu Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
bb) Einzelfallgerechtigkeit und Flexibilität der Rechtsprechung . . 212
b) BVerfG: Strenge Anforderungen an die Bestimmtheit wegen
Bezug zu den Grundrechten und zur Rechtssicherheit der Bürger . 212
3. Abschwächung durch Vergleich zu Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . 213
4. Proportionalität der Bestimmtheitsanforderungen
zur Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
5. Abschwächung der strengen Anforderungen durch Verweis
auf Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
6. Anpassung an Sachzwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
7. Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
a) Zustimmung zur Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
b) Kritik in der Literatur an der „Unbestimmtheit
des Bestimmtheitsgebots“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
8. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
a) Zu (1.) Unterschied zwischen Art. 103 Abs. 2 GG
und dem prozessualen Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . 216
b) Zu (2.) graduelles Absinken der Bestimmtheitsanforderungen
proportional zur Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
c) Zu (3.) Abschwächung der Anforderungen durch „herkömmliche
juristische Methoden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
d) Zu (4.) Anpassung an komplexe Regelungsmaterie . . . . . . . . . . 220
9. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
II. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
1. Verfassungsrechtliche Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
2. Bedeutung für den Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
3. Geeignetheit zur Erreichung eines legitimen Zwecks . . . . . . . . . . . 224
4. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
a) Abstrakte Rangfolge der Grundrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
b) Fehlende „Wägbarkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
XVIII Inhaltsverzeichnis

c) Objektive Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227


aa) Dauer der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
bb) Speichern der Informationen, mittelbar oder unmittelbar . . . . 228
cc) Ergiebigkeit der Überwachungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 228
dd) Schwierigkeit, natürliche Hindernisse zu überwinden . . . . . . 229
ee) Inhaltliche Betroffenheit der Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . 230
ff) Zusammenfassung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
gg) Vergleich zwischen beobachtenden und körperlich wirkenden
Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
hh) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
5. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
a) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
b) Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
aa) Argumente gegen den Angemessenheitsgrundsatz . . . . . . . . 234
bb) Abwägung der Grundrechte des Betroffenen
gegen eine Schutzpflicht aus den Grundrechten . . . . . . . . . 235
cc) Differenzierte Betrachtung des Angemessenheitsgrundsatzes . 236
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

§ 10 Bedingter Anspruch auf Offenheit strafprozessualer Überwachung . 239


I. Ansatz des BVerfG: Verstärkungswirkung der Heimlichkeit . . . . . . . . 239
II. Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
III. Eigene Schlussfolgerung aus dem Recht auf Freiheit
von Einschüchterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Teil IV Die allgemeinen Voraussetzungen der strafprozessualen


verdeckten Ermittlungsmaßnahmen

§ 11 Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
I. Die grundlegenden Strukturelemente der einzelnen Eingriffstatbestände . 245
II. Tabellarische Übersicht zu den einzelnen Maßnahmen . . . . . . . . . . . 246

§ 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat


„begründen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
I. Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
1. Ergänzung der Entwurfsbegründung durch die Kommentarliteratur . . 252
2. Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
3. Eigene Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
II. Eigene Kritik an der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
1. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
2. Hinweise aus der Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Inhaltsverzeichnis XIX

3. Systematische Vergleiche innerhalb der StPO . . . . . . . . . . . . . . . 256


a) Vergleich mit § 112 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . 256
b) Vergleich zu den in der StPO geregelten „Verdachtsarten“ . . . . . 257
aa) Vergleich: „dringender Tatverdacht“ und „bestimmte
Tatsachen, die den Verdacht ergeben“ . . . . . . . . . . . . . . . . 258
bb) Vergleich zur Regelung des Anfangsverdachts nach §§ 152
Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
cc) Vergleich mit § 98a StPO: Personalisierung des Tatverdachtes
durch das Bezugswort „jemand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
c) „Begründung“ des Tatverdachts durch Tatsachen
mit einem bestimmten „Informationswert“ . . . . . . . . . . . . . . . 260
4. Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
a) Verfassungsrechtliche Vorgaben aus der Rechtsprechung
des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
c) Verfassungsmäßigkeit der verbleibenden Auslegungsmöglichkeit . 263
5. Formales Begründungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
6. Konsequenz für Initiativermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
a) Fehlender Verdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
b) Inhaltliche Unbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
7. Konsequenz für den Beurteilungsspielraum des Anordnenden . . . . . 266

§ 13 Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
I. Anlasstatenkataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
II. Schwerwiegende Tat auch im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
1. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
2. Subjektiv-historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
a) Rechtsprechung – BVerfGE 107, 299, 322 . . . . . . . . . . . . . . . 270
aa) Verweisung des BVerfG auf VerfGBB StV 2002, S. 57, 58:
Strenge Einzelfallprüfung mit Begründungspflicht . . . . . . . . 270
bb) Verweis des BVerfG auf Ansicht in der Literatur:
Vergleich mit § 98a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
b) Weitere Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
c) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
aa) Schwere Straftaten, die nicht schwerwiegend sind . . . . . . . . 272
bb) Minder schwerer Fall nicht notwendig „nicht schwerwiegend“ 273
3. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
a) Art. 13 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
b) Bezug zu den Anlasstatenkatalogen: In der Regel
eine „schwere“ Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
4. Keine verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
IV. Straftat von erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
1. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
XX Inhaltsverzeichnis

2. Subjektiv-historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276


a) Gesetzentwurfsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
b) Definitionsversuche durch BVerfG und h. M. . . . . . . . . . . . . . 277
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

§ 14 Subsidiaritätsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
I. Subsidiaritätsklauseln der StPO im tabellarischen Vergleich . . . . . . . . 282
II. Wortlautauslegung sich widersprechender Subsidiaritätsklauseln . . . . . 282
1. Aufhebungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
2. Erhaltungsorientierte Auslegung der Subsidiaritätsklauseln . . . . . . . 284
III. Systematische und subjektiv-historische Auslegung . . . . . . . . . . . . 285
1. Parallele Regelungen der Erforderlichkeit im StGB . . . . . . . . . . . 285
2. Verfassungskonforme und historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . 286
a) Differenzierung nach Belastungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . 287
b) Belastungsunterschiede zwischen der Art der verdeckten
und offenen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
c) Belastungsunterschiede in konkreten Fällen . . . . . . . . . . . . . . 288
3. Bestimmtheitsanforderungen und derzeitige Regelungslage . . . . . . 289
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
1. Das Fehlen geschriebener Subsidiaritätsklauseln führt
zu Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
2. Auslegung geschriebener Subsidiaritätsklauseln . . . . . . . . . . . . . 290
3. Vorschlag für eine allgemeine Subsidiaritätsklausel de lege ferenda . 290

§ 15 Kernbereichsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
I. Schutzauftrag des Staates gegen sich selbst aus Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . 294
a) Irrelevanz von Zufall und planbarem Restrisiko . . . . . . . . . . . . 294
b) Risikoverringerung durch „Kernbereichsschutz“ . . . . . . . . . . . 295
1. Kein absolutes Verbot finaler Beobachtung des Kernbereichs . . . . . 295
2. Allgemeine Anforderungen an den Schutz des Kernbereichs . . . . . . 296
II. Formale und inhaltliche Kriterien des Kernbereichsschutzes . . . . . . . 297
III. Zeitlich zweistufiges Schutzkonzept des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . 297
IV. Fragmentarische Regelung des Kernbereichsschutzes in der StPO . . . . 298
1. Erste Schutzstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
a) Maßnahmegebundene Schutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
b) § 160a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
aa) § 160a Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
bb) § 160a Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
c) Anordnung- und Genehmigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
2. Zweite Schutzstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
a) Maßnahmegebundene Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 300
b) Allgemeine und spezielle Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . 302
c) Kernbereichsschutz durch Beweisverwertungsverbot . . . . . . . . . 302
Inhaltsverzeichnis XXI

3. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines allgemeinen gesetzlichen


Kernbereichsschutzkonzepts in der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
a) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
4. Notwendigkeit einer dritten Stufe: Missbrauchsschutz? . . . . . . . . . 304
V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

§ 16 Anordnungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
I. Aufgabe des Gerichts bei der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
II. Zweckmäßigkeitsprüfung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
III. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

§ 17 Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
I. Rechtsweg und Einordnung der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
II. Verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
1. § 101 Abs. 7 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
2. Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO analog . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
a) H. M. nach der Einführung des § 101 Abs. 7 StPO . . . . . . . . . . 314
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
3. § 304 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
III. Unterschiede zwischen richterlichen und behördlichen Anordnungen . 316
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

§ 18 Berichts- und Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319


I. Statistische Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
II. Individuelle Benachrichtigungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
1. Vorgabe aus dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung . . . . 319
2. Ansprüche aus § 29 VwVfG und § 147 StPO . . . . . . . . . . . . . . . 320
III. Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
1. Spezielle Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
2. Allgemeine Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

§ 19 Sog. Annexbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323


I. Entscheidungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
II. Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
III. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

§ 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel . . . . . . . . 327


I. Einfaches Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
II. Ansicht der h. M.: Unmittelbare Geltung der Verhältnismäßigkeitsklausel
wegen verfassungsrechtlicher Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
III. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
1. Indirekter Nachweis einer Verhältnismäßigkeitsklausel
durch § 160a Abs. 2 StPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
2. Parlamentsvorbehalt und § 160a Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . 332
XXII Inhaltsverzeichnis

3. Analogie zum Polizeirecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332


4. Gegenschluss zu den vorhandenen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . 333
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Teil V Besondere Voraussetzungen

§ 21 Postbeschlagnahme gemäß §§ 97, 99, 100 StPO . . . . . . . . . . . . . . 339


I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
1. Heimliche Überwachung des Post- und Briefverkehrs . . . . . . . . . . 340
2. E-Mail-Beschlagnahme auf dem Server des Providers gespeicherter
Nachrichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
II. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 341
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
a) Regelung des § 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
b) Regelung des § 160a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
III. Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG . . . . . 343
IV. Rechtfertigung der Eingriffe in das Post- und Briefgeheimnis
aus Art. 10 Abs. 1 GG gemäß Art. 10 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . 344
1. Bestimmtheit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
2. Verhältnismäßigkeit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
d) Kompensation durch formale Schutzvorkehrungen? . . . . . . . . . 345
e) Kompensation durch den allgemeinen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

§ 22 Datenabgleich, „Rasterfahndung“ gemäß § 98a StPO . . . . . . . . . . 347


I. Verletzung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung,
Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
II. Grundrechtseingriff in das Recht auf Freiheit von Einschüchterung,
Art. 2 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
1. „Treffer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
2. „Fehler“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
III. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
Inhaltsverzeichnis XXIII

c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

§ 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO . . . . 353


I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 354
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
2. Kernbereichsschutzklausel nach § 100a Abs. 4 StPO . . . . . . . . . . . 354
II. Eingriff der TKÜ über den Diensteanbieter in den Schutzbereich
des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG . . . . . . 356
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
a) Anlasstatenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
b) Tatschwere im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
1. Technische Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
a) Verschlüsselungstechnologien und VoIP-Telefonie . . . . . . . . . . 359
b) Nutzung der Peripheriegeräte mittels Staatstrojaner . . . . . . . . . 360
c) Überwachung durch Messung der Abstrahlung . . . . . . . . . . . . 361
2. Wortlautauslegung des § 100a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
3. Verfassungsrechtliche Ausgangslage durch die Entscheidung
des BVerfG zur Online-Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
4. Ansichten in instanzgerichtlicher Rechtsprechung und in der Literatur
zur „Quellen-TKÜ“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
a) H. M. für eine Quellen-TKÜ als Unterfall
der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO . . . . . . 363
b) Abweichende Ansicht für Unzulässigkeit der Quellen-TKÜ . . . . 364
5. Kritik an der h. M. und Entwicklung einer eigenen Ansicht . . . . . . . 365
a) Uferlose Ausweitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
b) Verfassungswidrige Überwachung von „Anscheinstelefonaten“
legitimiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
c) Keine Begrenzung auf die Kommunikationseingabe . . . . . . . . . 367
d) Installation von Trojanern und technischen Geräten
für die „Quellen-TKÜ“ gestattet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
aa) Installation der Überwachungstechnik untypisch
für die Telekommunikationsüberwachung . . . . . . . . . . . . . 368
bb) Verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich
der Installationsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
cc) Kombination von § 100a mit § 100h zur Quellen TKÜ . . . . . 370
e) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
f) Subjektiv-historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
g) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
XXIV Inhaltsverzeichnis

V. Sonderfall der E-Mail-„Beschlagnahme“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372


a) Ansichten für eine Subsumtion unter § 100a StPO . . . . . . . . . . 372
b) Ansichten gegen eine Subsumtion unter § 100a StPO . . . . . . . . 373
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
1. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

§ 24 Akustische Wohnraumüberwachung, so genannter


„großer Lauschangriff“ gemäß §§ 100c, 100d StPO . . . . . . . . . . . 375
I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 375
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
II. Eingriff in das Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
III. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
1. Abgrenzung des Regelungsbereichs: Besondere Auslegungsprobleme 377
a) Abhören von außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
b) Computer in der Wohnung und Raumgeräusche bei der TKÜ . . . 378
c) Annexkompetenz bei „Installationseingriffen“ . . . . . . . . . . . . . 378
2. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
3. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

§ 25 Akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen


gemäß § 100f StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 381
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
1. Eingriff durch Belauschen von Gesprächen . . . . . . . . . . . . . . . . 383
2. Eingriff in das Computergrundrecht durch § 100f StPO . . . . . . . . . 383
III. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

§ 26 Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 385


I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 386
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
II. Eingriff in das Fernmeldegeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
1. Verkehrsdaten gehören zur Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . 386
2. Teilnichtigkeitserklärung durch das BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . 387
Inhaltsverzeichnis XXV

III. Verfassungswidrigkeit aus im Urteil des BVerfG nicht genannten


Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
1. Unbestimmtheit der Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
2. Verfassungswidrigkeit wegen Komplexität der Verweisungskette
bezüglich der Vorratsdatenspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
IV. Pflicht zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung . . . . . . . . 390
1. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
a) Urteil des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung und § 100g StPO . 391
b) Verlorene Klage Irlands gegen
die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
2. Lösungsvorschlag für die Vorratsdatenspeicherung
und die Datenabfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

§ 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO . . . . . . 395


I. Bildaufnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 395
1. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 395
a) Möglichkeit der Beobachtung kernbereichsrelevanten Verhaltens . 395
b) Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
aa) Schutz durch Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
bb) Löschungspflicht und Verwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . 397
2. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
3. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
a) Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
aa) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
II. Einsatz sonstiger technischer Mittel nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO . . . 400
1. Trojaner-Installation im Anwendungsbereich? . . . . . . . . . . . . . . . 400
a) Ablehnende Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
2. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 401
a) Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
b) Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
3. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
4. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
a) Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
aa) Bestimmtheit der Anlasstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
bb) Bestimmtheit des Überwachungsmittels . . . . . . . . . . . . . . 404
aaa) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
XXVI Inhaltsverzeichnis

bbb) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405


b) Verhältnismäßigkeit der Regelung des § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO . 406
aa) Für Observationszwecke bestimmte technische Mittel . . . . . . 406
bb) Installation von Geräten zur Quellen-TKÜ
und „Online-Durchsuchung“ mit „Staatstrojanern“
im Rahmen des § 100h StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
cc) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
dd) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
ee) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

§ 28 IMSI-Catcher gemäß § 100i StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409


I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 410
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
2. Kernbereichsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
II. Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG . . . . . . . . 410
III. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
aa) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
bb) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412

§ 29 Sog. Kleine-Online-Durchsuchung gemäß § 110 Abs. 3 StPO . . . . . 413


I. Grundsätzlich offene Ermittlungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
II. Verdeckte Durchsuchung verbundener Speichermedien . . . . . . . . . . 413
1. Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
2. Rechtsprechung zur E-Mail-Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 415
3. Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
a) Dem BVerfG zustimmende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
b) Kritische Ansicht: Heimliche Online-Durchsuchung „light“ . . . . 416
4. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
a) Nochmals: E-Mail-Beschlagnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
b) Durchsuchung anderer verbundener Speichermedien . . . . . . . . . 417
III. Missachtung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 418
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
IV. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
Inhaltsverzeichnis XXVII

V. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419


1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

§ 30 Verdeckter Ermittler gemäß §§ 110a-110c StPO . . . . . . . . . . . . . 421


I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 421
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
3. Zulässigkeit der Verletzung des Nemo-Tenetur-Prinzips
aus Art. 1 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
1. Polizeibeamte als Verdeckte Ermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
2. Subsumtion von V-Personen unter § 110a StPO
als Minus-Maßnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
3. Virtueller „Verdeckter Ermittler“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
III. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

§ 31 Datenspeicherung bei polizeilichen Kontrollen gemäß § 163d StPO . 429


I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 430
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
III. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
XXVIII Inhaltsverzeichnis

§ 32 Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung gemäß § 163e StPO . . 433


I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 434
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
III. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
aa) Ansicht in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
bb) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

§ 33 Längerfristige Observation gemäß § 163f StPO . . . . . . . . . . . . . . 437


I. Verhältnis zwischen § 100h und § 163f Abs. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . 437
II. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 438
1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
2. Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
III. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
IV. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

§ 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen


gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . 443
I. Generalklausel als Eingriffsbefugnis oder als Aufgabenzuweisung? . . . 443
II. Beschattung ohne technische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
1. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 444
a) Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
b) Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
2. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
III. V-Person und „Hörfallen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
1. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 446
Inhaltsverzeichnis XXIX

a) Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
b) Kernbereichsschutzkonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
2. Verletzung des Nemo-tenetur-Prinzips aus Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . 447
a) Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
b) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
c) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
3. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
IV. Rechtfertigung der Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
aa) Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
bb) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

§ 35 Die Zulässigkeit der Kombination unterschiedlicher Maßnahmen . . 455


I. Maßnahmen in Wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
II. Maßnahmen außerhalb von Wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
1. Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
2. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
a) Erstellung von Persönlichkeitsprofilen durch langfristige
Kombination von Maßnahmen als „Rundumüberwachung“ . . . . . 458
b) Kurzfristige Kombination der Maßnahmen als punktuelle
„Totalüberwachung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
III. Kombination der Maßnahmen als ungerechtfertigter Eingriff
in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie in das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG? 461
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461

Teil VI Erforderlichkeit einer Neuordnung der verdeckten


strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen

§ 36 Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465


I. Orientierung am Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
II. Regelung der Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
III. Bestimmung der Tatschwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
IV. Regelung der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
V. Allgemeine Regelung des Kernbereichsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 468
VI. Allgemeine Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468
VII. Allgemeine Regelungen für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen . . . . . 469
VIII. Neuregelung für den Einsatz Verdeckter Ermittler und V-Personen . . 469
XXX Inhaltsverzeichnis

IX. Allgemeine Regelung der Quellen-TKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470


X. Regelung der „Online-Durchsuchung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470
XI. Hinweis für die Vorratsdatenspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

Teil VII Ergebnisse

§ 37 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475


I. Regelungsbereich und Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
II. Kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 475
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
1. Verhältnis des Verfassungsrechts zum Strafprozessrecht . . . . . . . . . 476
2. Klärung des Eingriffsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
3. Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz . . . . . . . . . . . . . 477
a) Ablehnung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts
aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 477
b) Neues Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
als Unterkategorie des Grundrechts auf freie Entfaltung
der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
c) Kernbereichslehre und Menschenwürdeschutz
nach Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
4. Enger Schutzbereich des Art. 10 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
5. Auslegung der Schranken des Art. 13 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . 479
6. Grundrecht auf ein faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
7. Grundrechtseingriffe und Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . 480
a) Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
8. Bedingter Anspruch auf Offenheit als Folge
der verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
IV. Die grundlegenden Strukturelemente der einzelnen Eingriffstatbestände 482
V. Tatverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482
VI. Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
VII. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
1. Das Fehlen geschriebener Subsidiaritätsklauseln führt
zu Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
2. Verfassungskonforme Auslegung der geschriebenen
Subsidiaritätsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
VIII. Kernbereichsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
IX. Anordnungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
1. Beschränkung auf Rechtsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
2. Inhaltliche Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
X. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
XI. Benachrichtigungs- und Löschungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
XII. Annexbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
Inhaltsverzeichnis XXXI

XIII. Ablehnung der Geltung eines ungeschriebenen


Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Strafverfahren . . . . . . . . . . . 486
XIV. Zulässigkeit der Verbindung unterschiedlicher Maßnahmen . . . . . . 486
XV. Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 487

§ 38 Tabellarische Übersicht der Auswirkungen auf die einzelnen


Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
Teil I

Einleitung
§ 1 Problemstellung

I. Ein aktueller Beispielfall

Im Jahr 2009 täuschte das Bayerische Landeskriminalamt eine Routinekontrolle am


Münchener Flughafen vor. Dabei installierten die Beamten heimlich eine Überwa-
chungssoftware (sog. „Staatstrojaner“) auf dem Laptop eines Geschäftsreisenden.
Diese „fotografierte“ in den folgenden drei Monaten alle dreißig Sekunden den
geöffneten Internet-Browser und sandte die Bilder unmittelbar an das LKA. Au-
ßerdem nahm die Software alle Internettelefonate auf und leitete sie weiter. All dies
geschah also ohne Wissen des Betroffenen.1 Der Geschäftsmann war weder gesuch-
ter Terrorist, noch stand er im Verdacht, Kapitalverbrechen begangen zu haben. Er
arbeitete in einem Unternehmen, das Pharmaprodukte aus Deutschland ins Ausland
vertrieb. Seit 2008 lief ein Ermittlungsverfahren wegen „banden- und gewerbsmä-
ßigen Handels mit und Ausfuhr von Betäubungsmitteln“ gegen den Betroffenen.2
Denn der in Deutschland rechtmäßige Handel mit den Mitteln könnte, sobald er die
nationalen Grenzen überschreitet, als strafbare Ausfuhr gewertet werden.3
Dieser Fall gelangte zwei Jahre später auf folgendem Weg in die Schlagzeilen
und führte zu kontroversen politischen Diskussionen, die die Frage nach der ver-
fahrensrechtlichen Grundlage einer solchen heimlichen Überwachung aufwerfen:
Im Oktober des Jahres 2011 wurde dem Chaos Computer Club eine, mit her-
kömmlichen Virenscannern nicht zu entdeckende, Software zugespielt. Hierbei
stellte sich heraus, dass es sich gerade um jene Software des Bayerischen LKA
handelte. Diese ermöglicht – außer der oben genannten Überwachung – auch das
Herunterladen, Installieren sowie Ausführen von Programmen. Die Software kann

1
Der Fall wird geschildert von SPIEGEL ONLINE, 28.02.2011. „Betroffener“ ist im Folgenden
immer die Person, welche durch eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme überwacht wird.
2
A. a. O.
3
Die materiell-rechtliche Einordnung, ob sich der Betroffene überhaupt strafbar machen kann, ist
zudem nicht einfach, vgl. BGH NStZ, 236 ff.; NStZ-RR 2011, 211.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 3


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
4 § 1 Problemstellung

sogar dazu eingesetzt werden, einen Computer fernzusteuern, Daten auszuspähen


und den Speicherinhalt zu verändern.4
Zunächst wusste niemand, wie häufig der Staat solche Programme zur Strafver-
folgung oder anderen Zwecken genutzt hatte. Erst später wurde klar, dass von 2009
bis Oktober 2011 etwa 35-mal pro Jahr Staatstrojaner eingesetzt wurden.5 Diese In-
formationen verursachten große Aufregung in den Medien6 und verunsicherten die
Bevölkerung.7 Die Verunsicherung entstand dadurch, dass in der Bevölkerung we-
der klar war, warum gerade der Geschäftsreisende ausgewählt wurde, noch ob der
Staat ein Recht zu solchen Überwachungen von Computern hat. Mancher Bürger
wird sich gesorgt haben: Wessen Computer wurde noch in dieser Art überwacht?
Wurde mein Computer überwacht? Wenn noch nicht, unter welchen Umständen
darf dies der Fall sein?

II. Die sich aus dem Beispielfall ergebenden Grundfragen

Der Fall ist ein Beleg dafür, dass die Probleme der verdeckten strafprozessualen
Ermittlungen trotz diverser höchstrichterlicher Urteile und wissenschaftlicher Ab-
handlungen noch lange nicht geklärt sind. Der bayerische Innenminister reagierte
allerdings mit der Aussage, der Einsatz der Spähsoftware sei rechtmäßig gewesen.8
Es stellte sich heraus, dass in dem oben genannten Beispielfall bereits ein Be-
schluss des LG Landshut9 ergangen war, in dem die Maßnahme teilweise für rechts-
widrig erklärt worden war. Außerdem liegt ein Verstoß gegen das erst kürzlich durch
das BVerfG konkretisierte Computergrundrecht nahe.10 Im Zuge der Berichterstat-
tung fallen wiederkehrende Stichworte auf, die nicht nur für die Problematik des
Staatstrojaners, sondern für alle verdeckten Ermittlungsmaßnahmen symptomatisch
sind. In stärker rechtlich orientierten Meldungen wird auf die verfassungsrechtli-
chen Vorgaben durch Entscheidungen des BVerfG und die fehlende spezielle ge-
setzliche Regelung hingewiesen: Ein ehemaliger Verfassungsrichter erklärte, die
vom Bayerischen LKA durchgeführte Maßnahme sei „in jedem Fall rechtswid-
rig“. Soweit der Staat überhaupt Computer infiltrieren dürfe, „muss er Risiken eines

4
Vgl. zu den Einzelheiten die Veröffentlichung des CCC, Analyse einer Regierungs-Malware.
5
Dies gilt für alle Sicherheitsbehörden, vgl. SPIEGEL ONLINE, 15.10.2011, mit einer interakti-
ven Grafik in welchen Bundesländern und von welchen Behörden der „Staatstrojaner“ vermutlich
eingesetzt wurde.
6
Stellvertretend für die unüberschaubare Berichterstattung eine Artikelüberschrift: „Staats-
trojaner – Der Computer steht offen wie ein Scheunentor – Ist das Grundgesetz nur ein
Software-Feature? Der Chaos Computer Club enthüllt weitere Staatstrojaner-Pannen.“, FAZ.NET
26.10.2011.
7
Nach ersten Umfragen wurde der Einsatz des „Staatstrojaners“ von den Bürgern mehrheitlich
abgelehnt, Politbarometer ZDF 14.01.2011.
8
Sueddeutsche.de, 11.10.2011.
9
LG Landshut JR 2011, S. 532.
10
BVerfGE 120, 274, 274 – „Online-Durchsuchungen“.
II. Die sich aus dem Beispielfall ergebenden Grundfragen 5

Missbrauchs vorbeugen“.11 Ein auf IT- und Medienrecht spezialisierter Rechtsan-


walt erklärte den Staatstrojaner für verfassungsmäßig. Es müsse „deutlich zwischen
den technischen Möglichkeiten des Trojaners und dem tatsächlichen Einsatz in der
Praxis unterschieden werden. Polizisten dürfen schließlich auch eine Waffe tragen,
aber nur im äußersten Notfall damit jemanden erschießen.“12
Die sich insoweit ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben und die Anwen-
dung der in der StPO geregelten gesetzlichen Vorschriften über verdeckte Ermitt-
lungsmaßnahmen sind der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Der oben
angeführte Fall13 steht stellvertretend für die Gesamtproblematik. Die Beispiele lie-
ßen sich beliebig vermehren. Fast täglich kommen neue Zeitungsmeldungen über
Problemfälle aus diesem Bereich hinzu „Bundesverfassungsgericht urteilt: Es gibt
kein Recht auf anonyme Kommunikation“;14 „Überwachung per ,stiller SMS‘ Nie-
dersachsen jagt Verbrecher mittels eines privaten Dienstleisters“.15 Das Thema ist
zweifellos „brandaktuell“. Alle in der Diskussion befindlichen Detailprobleme kön-
nen in dieser Arbeit jedoch nicht gelöst werden. Vielmehr sollen die Grundlagen
untersucht werden, um einen Beitrag zur Beantwortung der speziellen Fragen leis-
ten zu können. Die grundlegenden Probleme sind in verschiedene konkrete Fragen
aufgeteilt, denen in dieser Arbeit nachgegangen wird:
1. Wird durch heimliche Überwachungsmaßnahmen und deren Regelung in der
StPO in die Grundrechte des verunsicherten Bürgers eingegriffen?16
2. Unterliegen alle verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen einem
Gesetzesvorbehalt?17
3. Welchen Einfluss haben die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf die einzelnen
Regelungen der StPO?18
4. Werden die gesetzlichen Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in
der StPO diesen Vorgaben gerecht?19
5. Untrennbar mit den vorstehenden Problemen sind weitere Fragen nach dem Ein-
fluss der verfassungsrechtlichen Vorgaben auf die Auslegung der gesetzlichen
Regelungen in der StPO verbunden.20
Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet dabei das Zusammenspiel von Ver-
fassungsrecht und gesetzlichen Regelungen in der StPO. Die verfassungsrechtli-

11
faz.net, 09.11.2011.
12
golem.de, 10.10.2011.
13
Ob der Geschäftsmann schließlich verurteilt wird und welche Bedeutung dabei dem Einsatz
des Trojaners zukommt, ist nicht abschließend gerichtlich entschieden. Nach Auskunft des Ver-
teidigers des Geschäftsmanns gegenüber dem Verfasser ist das Ermittlungsverfahren noch nicht
abgeschlossen. Vgl. zu den in dieser Arbeit vorgeschlagenen Lösungsansätzen § 23, IV und § 27,
II 4, b), bb).
14
Netzpolitik.org, 24.02.2012.
15
Sueddeutsche.de, 27.02.2012.
16
Vgl. § 7 und insbesondere § 8, III.
17
Vgl. § 9.
18
Vgl. § 9, I, § 9, II.
19
Vgl. Vierter Teil.
20
Vgl. Fünfter Teil.
6 § 1 Problemstellung

chen Bestimmungen werden analysiert, um dann die Regelungen der StPO auf ihre
Verfassungsmäßigkeitsmäßigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls verfassungs-
konform auszulegen.
Zur Beantwortung der oben gestellten Fragen wird die Arbeit folgenderma-
ßen gegliedert: Im historischen Teil wird die rechtsgeschichtliche Entwicklung
der Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen dargestellt. Dieser Teil
untersucht die Gründe für das Fehlen eines historisch gewachsen Regelungskon-
zepts. Der in der Geschichte erfolgte Missbrauch der verdeckten Maßnahmen zur
Unterdrückung der Bevölkerung muss erläutert werden. Er trägt wesentlich zum
Einschüchterungseffekt der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen bei, der verfas-
sungsrechtlich entscheidend ist. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben bestimmen
das Ergebnis dieser Arbeit. Bei diesen Vorgaben geht es um den Eingriff der ver-
deckten Ermittlungsmaßnahmen in die Grundrechte und darum, unter welchen
Voraussetzungen ein solcher Eingriff gerechtfertigt werden kann. Untersucht wer-
den muss, ob die Auffassung des BVerfG zutrifft, nach der das Verfassungsrecht bis
hinein ins Detail die Anforderungen der Regelungen der strafprozessualen Ermitt-
lungsmaßnahmen in der StPO vorgeben kann. Dabei kommt es auf das Verhältnis
zwischen ranghöherem Verfassungsrecht und einfachem Strafprozessrecht an.
Die dogmatische Einordnung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in das Ver-
fassungsrecht ist bisher aber noch nicht überzeugend vorgenommen worden. Die
im Einzelnen strittige verfassungsrechtliche Dogmatik kann daher nicht unbesehen
übernommen werden, sondern bedarf im Hinblick auf das Grundproblem – sind
verdeckte Maßnahmen und die entsprechenden Regelungen in der StPO mit der
Verfassung vereinbar? – auch in den wesentlichen Einzelfragen der kritischen Ana-
lyse. Die verfassungsrechtlichen Fragen bauen aufeinander auf und müssen daher
von den Grundlagen her erörtert werden.
Diese Auseinandersetzung führt teilweise zu eigenen neuen Lösungen, die zwar
nicht im Ergebnis, aber in der dogmatischen Grundlegung erheblich von den An-
sichten der h. M. abweichen: Ohne einen Grundrechtseingriff muss sich der Ge-
setzgeber nicht durch bestimmte und verhältnismäßige Gesetze für sein Handeln
rechtfertigen, sondern kann im Wesentlichen frei gestalten. Die gesetzlichen Re-
gelungen wären nicht mehr als eine freiwillige Selbstbindung der Legislative und
würden lediglich klassische Auslegungsprobleme bereithalten, die in einer schlich-
ten Kommentierung der einschlägigen Vorschriften zu erledigen wäre. Wenn der
oben genannte Einsatz des Trojaners kein Grundrechtseingriff wäre, könnte auch
ein Streit um dessen Rechtsgrundlage dahinstehen. Zur Beantwortung dieser Frage
ist der Begriff des Grundrechtseingriffs zu klären.
Ob und in welche Grundrechte verdeckte Maßnahmen eingreifen, ist daher von
entscheidender Bedeutung. Einen besonderen Stellenwert nimmt in diesem Zusam-
menhang der umfassende Freiheitsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG ein. Bereits der
Ansatz der h. M. wird in dieser Arbeit bestritten, neben der allgemeinen Hand-
lungsfreiheit ein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1
Abs. 1 GG zu folgern. Es wird insbesondere zu untersuchen sein, ob sich statt-
dessen innerhalb des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit eine besondere
Konkretisierung ergibt, ein Grundrecht auf „Freiheit von Einschüchterung“, in das
II. Die sich aus dem Beispielfall ergebenden Grundfragen 7

die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen eingreifen. Ist dies we-


gen der Weite des Eingriffsbegriffs und der ebenfalls weiten Struktur der Hand-
lungsfreiheit als Recht „alles zu tun und zu lassen was man will“ der Fall, können
verdeckte Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich durch Gesetze gerechtfertigt wer-
den. Wird jedoch unter bestimmten Umständen durch verdeckte Ermittlungen sogar
die Menschenwürde angetastet, ist eine solche Rechtfertigung nicht möglich. Auch
der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde und die mögliche Kollision die-
ses Anspruchs mit den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen muss daher untersucht
werden. In Betracht kommen zudem spezielle Grundrechte, die die Fernkommuni-
kation und die Privatsphäre der Wohnung sowie das rechtliche Gehör garantieren
(Art. 10, Art. 13, Art. 19 Abs. 4 GG).
Die entscheidenden Einschränkungen liegen – soweit nicht die Menschenwür-
de betroffen ist – nicht auf der Ebene des Eingriffs in die Grundrechte. Vielmehr
sind diese Probleme auf der nachfolgenden Stufe der Rechtfertigung der Grund-
rechtseingriffe angesiedelt. Sind die verdeckten Maßnahmen bzw. deren gesetzliche
Regelungen Grundrechtseingriffe, müssen die Regelungen dem jeweiligen Geset-
zesvorbehalt entsprechen. Es ist aber nicht damit getan, dass überhaupt ein Gesetz
besteht; das wäre bei Eingriffen durch Gesetz auch keine zusätzliche Hürde. Viel-
mehr kommt es auf die Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Gesetze an.
Dies sind die näher zu untersuchenden Grundsätze der „Bestimmtheit“ und der
„Verhältnismäßigkeit“. Erst wenn diese verfassungsrechtlichen Vorgaben geklärt
sind, kann im weiteren Verlauf der Arbeit überprüft werden, ob die Regelungen
der verdeckten Ermittlungen verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sind oder
ob sie zumindest verfassungsgemäß ausgelegt werden können. Dazu werden die
grundlegenden Strukturelemente in einem Modell für die Regelung der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen zusammengefasst. Die sich aus diesem Modell ergeben-
den allgemeinen Anforderungen werden erläutert, auch soweit der Gesetzgeber sie
bereits umgesetzt hat. Sind diese allgemeinen Aspekte klargestellt, wird das Rege-
lungskonzept der StPO im Einzelnen dargelegt und auf seine Verfassungsmäßigkeit
hin untersucht. Soweit die Regelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen
nicht entsprechen, werden Vorschläge unterbreitet, mit welchen Ergänzungen und
Neuregelungen der Gesetzgeber sein Konzept der verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen optimieren kann.
§ 2 Klärung des Untersuchungsgegenstands
und der Grundbegriffe

I. Untersuchungsgegenstand

Gegenstand dieser Untersuchung sind alle strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-


men, mit denen nach der Absicht der Ermittlungsbehörden ohne Wissen des Be-
troffenen Informationen erhoben werden, sowie die entsprechenden gesetzlichen
Regelungen. Hierzu gehören insbesondere die in § 101 Abs. 1 StPO genannten
Maßnahmen nach den §§ 98a, 99, 100a, 100c bis 100i, 110a, 163d bis 163f StPO
und die Ermittlungsgeneralklausel gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO:
1. Die Postbeschlagnahme nach §§ 97, 99, 100 StPO ist die klassische heimliche
Überwachung. Bei dieser Maßnahme wird die Post auf dem Übermittlungs-
weg heimlich abgefangen und gelesen. Bei der Telekommunikationsüberwa-
chung nach §§ 100a, 100b StPO werden Telefongespräche, SMS, E-Mails und
Chat-Nachrichten durch Überleitung der Daten von den Telekommunikations-
unternehmen an die Ermittlungsbehörden überwacht.
2. Bei der Rasterfahndung nach § 98a StPO werden personenbezogene Daten die
bei Behörden oder privaten Unternehmen gespeichert sind, heimlich auf be-
stimmte Merkmale „gerastert“ die der mutmaßliche Täter erfüllt. So kann der
Verdacht auf bestimmte Personen verdichtet werden.
3. Die akustische Wohnraumüberwachung betrifft das Abhören des gesprochenen
Wortes innerhalb von Wohnungen. Sie ist nur unter den strengen Auflagen der
§§ 100c, 100d StPO gestattet.
4. § 100f StPO regelt die akustische Überwachung mit technischen Mitteln – also
etwa einem Richtmikrofon – außerhalb von Wohnungen.
5. Nach § 100g StPO können zudem Verkehrsdaten der Telekommunikation er-
hoben werden. Diese geben einen Hinweis darauf, wer, wann mit wem kom-
muniziert hat. Diese Verkehrsdatenerhebung darf auch ohne die Überwachung
der Inhalte erfolgen. Ein Zugriff auf Daten aus der Vergangenheit ist allerdings
nach dem Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Ausgestaltung der
Vorratsdatenspeicherung nur für solche Daten möglich, die ohnehin aus tech-
nischen oder buchungsmäßigen Gründen gespeichert wurden.
T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 9
DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
10 § 2 Klärung des Untersuchungsgegenstands und der Grundbegriffe

6. § 100h regelt die heimliche Anfertigung von Bildaufnahmen sowie die kurz-
fristige Überwachung mit sonstigen technischen Mitteln.
7. § 100i StPO regelt den Einsatz des sog. „IMSI-Catchers“, einer mobilen Anla-
ge, mit der die Ermittlungsbehörden den Standort von Mobiltelefonen orten
und die zugehörigen Karten- und Gerätenummern erfassen können. Die so
festgestellten Anschlüsse können nachfolgend gemäß § 100a StPO überwacht
werden.
8. Anlässlich der offenen Durchsuchung eines Computers ist der heimliche Zu-
griff auf in einem Netzwerk verbundene Speichermedien nach § 110 Abs. 3
StPO möglich.
9. §§ 110a, 110b StPO erlauben den Einsatz von Verdeckten Ermittlern, also
Polizeibeamten, die unter einer Legende getarnt am Sozialleben der Zivilge-
sellschaft teilnehmen und Informationen über Tat und Täter, vor allem im
Umfeld des Verdächtigen, sammeln.
10. § 163d StPO regelt die heimliche Speicherung von Daten, die bei polizeilichen
Routinekontrollen anfallen, die nichts mit dem eigentlichen Ermittlungsverfah-
ren zu tun haben.
11. Die Ausschreibung zur Fahndung nach § 163e StPO betrifft nicht die Speiche-
rung, sondern die Erhebung von personenbezogenen Daten bei Polizeikontrol-
len.
12. § 163f StPO enthält die Regelung der an § 100h StPO anschließenden länger-
fristigen Observation mit technischen Mitteln.
13. Neben den speziell geregelten „Standardmaßnahmen“ kommen noch weitere
Maßnahmen in Betracht, deren Einordnung unter die Regelungen der Standard-
maßnahmen zweifelhaft ist. Dies ist zum Beispiel der Einsatz von Trojanern
zur Computerüberwachung oder das Mithören eines Telefonats, wenn etwa der
Verdächtige einen Dritten anruft, der sein Telefon laut stellt und so der an-
wesenden Polizei – für den Betroffenen unerkannt – Zugang zum Gespräch
gewährt (sog. „Hörfalle“). Andere Maßnahmen wie etwa das Anwerben von
privaten Informanten aus dem Umfeld des Verdächtigen oder das schlichte
heimliche Beschatten durch Polizisten können eventuell unter die Ermittlungs-
generalklausel nach § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO gefasst werden.
Diese Fragen werden im späteren Verlauf der Arbeit zu klären sein.
Zwangsmaßnahmen werden nur einbezogen, wenn sie dem Betroffenen gegenüber
heimlich erfolgen. Ermittlungen zu Präventivzwecken gehören nicht zum strafpro-
zessualen Thema dieser Arbeit, sondern in das Polizei- und Geheimdienstrecht.

II. Erläuterung der Terminologie

Für die thematische Eingrenzung muss der Untersuchungsgegenstand eindeutig be-


zeichnet werden. Dabei kommen verschiedene Begriffe in Frage. Die Auswahl ist
aber nicht willkürlich zu treffen, sondern wird im Folgenden begründet.
II. Erläuterung der Terminologie 11

1. Terminologie des Gesetzgebers

a) Strafprozessordnung

In der StPO werden die hier zu untersuchenden Maßnahmen nicht mit einem ge-
meinsamen Oberbegriff bezeichnet. Zwar befinden sich alle einschlägigen Regelun-
gen im 8. Abschnitt des Gesetzes. Er enthält aber nicht nur Regelungen geheimer
Maßnahmen und auch keinen Oberbegriff in der Überschrift („Beschlagnahme,
Überwachung des Fernmeldeverkehrs, Rasterfahndung, Einsatz technischer Mittel,
Einsatz Verdeckter Ermittler und Durchsuchung“).

b) Gesetz zur Neuregelung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen

Die einzige gesetzliche Erwähnung eines entsprechenden Oberbegriffs findet


sich im „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und an-
derer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie
2006/24/EG“.1

2. Der Sprachgebrauch in der Literatur: „Heimliche


Zwangsmaßnahmen“

In der Literatur wird statt der Bezeichnung „verdeckte strafprozessuale Ermitt-


lungsmaßnahmen“ der Begriff „heimliche Zwangsmaßnahmen“2 verwendet.3 Die-
ser Begriff ist jedoch als Bezeichnung für den oben definierten Regelungsbereich
abzulehnen.4 Zwang und Heimlichkeit schließen sich zwar nicht in allen Fällen aus,
wie die folgenden beiden Beispiele zeigen.

Beispiel 1 Einem Betroffen wird gegen seinen Willen mit einer Spritze eine Flüs-
sigkeit ins Blut injiziert. Ihm wird vorgespiegelt, es handele sich um eine Impfung.

1
In der zugehörigen Entwurfsbegründung ist auch von „strafprozessualen heimlichen Ermittlungs-
methoden“ die Rede, BTDrucks 16/5846, S. 1. Insgesamt wird der Wortstamm „heimlich“ 10-mal
verwendet. Im Text der Entwurfsbegründung tritt aber die Formulierung „verdeckte strafprozes-
suale Ermittlungen“ wesentlich häufiger auf. Der Wortstamm „verdeckt“ wird 112-mal verwendet.
2
Titel der Dissertation von Warntjen: „Heimliche Zwangsmaßnahmen und der Kernbereich
privater Lebensgestaltung“. Im Text findet sich auch die Formulierung „verdeckte Zwangsmaß-
nahmen“, Warntjen, S. 19.
3
Ebenfalls als einen Teil der Zwangsmaßnahmen ordnet Duttge die verdeckten Ermittlungsmaß-
nahmen ein, der von „Zwangsmaßnahmen im Rahmen der einzelnen Typen informationsrelevanter
Strafverfolgungsmaßnahmen“ spricht. Duttge, Der Begriff der Zwansmaßnahme im Strafprozess-
recht, S. 221 ff.
4
Vgl. zum Zusammenhang dieser Fehlbenennung mit dem klassischen Eingriffsbegriff unten, § 7,
II, 1, f).
12 § 2 Klärung des Untersuchungsgegenstands und der Grundbegriffe

Tatsächlich handelt es sich aber um ein „Wahrheitsserum“, um den Betroffenen zu


einer Aussage zu bewegen.

Beispiel 2 Eine „Abhörwanze“ wird in einer Wohnung heimlich installiert, in die


die Ermittler gewaltsamen eingedrungen sind.

Maßnahmen, die ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden sollen, sind
in der Regel aber gerade nicht mit Zwangsausübung verbunden, sondern beschrän-
ken sich auf Beobachtung.
Heimliche Beobachtungen schließen das unmittelbare Einwirken auf den Willen
des Betroffenen aus. Für „Zwang“5 ist die zumindest beabsichtigte Willensbeein-
flussung durch Einwirkung auf einen Menschen oder dessen Sachen konstitutiv.
Zwangsmaßnahmen sind darauf gerichtet, geleisteten oder erwarteten Widerstand
konfrontativ zu brechen oder zu beugen.6 In der Grundbedeutung ist Zwang mit
Nötigung gleichzusetzen.7
Bei verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen soll der Betroffene in
der Regel nur beobachtet werden. Er soll gerade nicht zu einem bestimmten Tun,
Dulden oder Unterlassen gezwungen werden. Vielmehr soll er sich so verhalten,
als werde er nicht beobachtet. Dazu können die Ermittlungsbehörden die Identi-
tät ihres Personals als den Strafverfolgungsbehörden zugehörig verschleiern, wie
zum Beispiel beim Einsatz persönlicher Verdeckter Ermittler gemäß § 110a StPO.

5
„die grundanschauung von zwingen ’mit der faust zusammenpressen’“ Bd. 32 Sp. 931, „[. . . ]
als verbalabstract zu zwingen enthält zwang auf der einen seite die nöthigung, gegen die man sich
nicht wehren kann, und auf der andern die einwirkung einer von auszen kommenden gewalt, mag
sie nun mehr oder weniger handgreiflich oder moralisch und geistig sein [. . . ].“ Bd. 32, Sp. 933.
„[. . . ] zwang hat sich in neuerer zeit mehr auf die unwillig ertragene vergewaltigung des willens,
der sittlichen und geistigen unabhängigkeit gewandt [. . . ].“ Grimm, Bd. 32 Sp. 933.
6
Gegenteiliger Ansicht ist Binding, S. 489 f.: „Ihr [der Zwangsmaßnahme] ist nicht charakteris-
tisch, dass sie den Willen des Gezwungenen bricht, d. h. dessen Widerstand überwindet.“ Wenn
jemand ins Zuchthaus gesperrt werde, so geschehe dies kraft Zwangs. Sein Wille werde vollstän-
dig ignoriert und könne nicht zur Verwirklichung gelangen. Charakteristisch sei dem unmittelbaren
physischen Zwang – vis absoluta – vielmehr, dass nur ein Wille zur Verwirklichung komme, weil
der Gezwungene gehindert werde, seinen Willen zu verwirklichen. Sperrte man einen Menschen
ins Zuchthaus, werde sein Wille nicht gebrochen, sondern ignoriert, da es keinen Einfluss habe, ob
er einen angepassten oder entgegenstehenden Willen habe. Dieser Ansicht Bindings ist zu entgeg-
nen, dass der Zuchthäusler, der freiwillig die Haft antritt, zu nichts gezwungen wird und ein Wille
auch gebrochen werden kann, wenn jemand mit Gewalt gehindert wird, ihn auszuleben. Binding
verwechselt zudem schon im Grundsatz Willensbruch mit Willensbeugung. Nach Binding müss-
te immer, wenn ein Wille ignoriert wird, Zwang ausgeübt werden. Niemand würde es aber mit
dem normalen Sprachverständnis für vereinbar halten, dass ein Kind seine Eltern zur Duldung
seines Verhaltens zwingt, wenn es den Willen der abwesenden Eltern ignoriert und entgegen deren
Anweisungen unbemerkt fernsieht.
7
Vgl. zum Tatbestand der Nötigung, vgl. Eser/Eisele in Schönke/Schröder, § 240 Rdn. 1: „Schutz-
gut [. . . ] ist die Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit [. . . ] des Einzelnen. [. . . ] Geht es
bei § 240 nicht um die Gewaltanwendung als solcher, sondern nur insoweit, als damit dem Opfer
ein bestimmtes Verhalten abgezwungen werden soll [. . . ].“ Mehr als vis absoluta und Zwang durch
die Androhung eines Übels wird aber nicht genannt. Die Zufügung eines anderen Übels ist weder
Nötigung noch Zwang. Als Nötigungsmittel kommt auch List nicht in Betracht, a. a. O. Verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen sind aber eher „listig“ als „nötigend“.
II. Erläuterung der Terminologie 13

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Informationsaufnahme überhaupt zu ver-


decken, wie zum Beispiel bei der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a
StPO. Das Verhalten des überwachten Betroffenen soll frei sein von dem Einfluss,
der regelmäßig durch Konfrontation mit der Macht staatlicher Behörden entsteht.
So sollen objektive Informationen über den Betroffenen gewonnen werden, die zu
verwertbaren Beweisen führen.
Diese verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen enthalten kein
Zwangselement. Es ist daher nicht sachgerecht, verdeckte strafprozessuale Er-
mittlungen pauschal als „verdeckte Zwangsmaßnahmen“ zu bezeichnen. Solche
Maßnahmen8 bilden nur einen kleinen Ausschnitt aus der Menge der verdeckten
strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen.

3. Zwischenergebnis

Da der Name des Gesetzes „zur Neuregelung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“9


die einzige zusammenfassende gesetzliche Benennung der in Frage stehenden Maß-
nahmen darstellt, ist die Bezeichnung „verdeckt“ anderen Begriffen wie zum Bei-
spiel „heimlich“ vorzuziehen.10
Zwischen „verdeckt“ und „heimlich“ besteht in der Sache kein Bedeutungsun-
terschied. Außerhalb des Oberbegriffs der „verdeckten Ermittlungsmaßnahmen“
werden neben „verdeckt“ daher auch in der vorliegenden Untersuchung die Synony-
me „heimlich“ oder „geheim“ benutzt, dies sind lediglich sprachliche Variationen.
Die von Rieß11 und anderen12 vorgeschlagene Bezeichnung „verdeckte Ermittlun-
gen“ ist demgegenüber missverständlich weit, da das jeweilige Ermittlungsverfah-
ren nicht in allen Fällen gänzlich verdeckt abläuft. Auch in einem ansonsten durch
viele offene Maßnahmen geprägten Verfahren können einzelne Maßnahmen ver-
deckt durchgeführt werden.
Zur exakten Abgrenzung gegenüber den präventiven verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen13 wird im Folgenden der Begriff „verdeckte strafprozessuale Ermitt-
lungsmaßnahmen“ verwendet.14

8
Im Wesentlichen sind das Maßnahmen, um technische Überwachungsgeräte zu installieren.
9
Vgl. oben § 2, II, 1, b).
10
Die Verwechslungsgefahr mit dem eingeschränkten Bedeutungsumfang des Terminus „Tätigkei-
ten des Verdeckten Ermittlers“ im Sinne des § 110a StPO, ist demgegenüber vernachlässigenswert
gering. Systematisch ist es durchaus sinnvoll, den Spezialfall des persönlich verdeckt agierenden
Ermittlers im Gegensatz zu offen als Polizeibeamten auftretenden Ermittlern ergänzend mit dem
allgemeinen Gruppenbegriff „verdeckt“ zu kennzeichnen.
11
Löwe/Rosenberg STPO26 , § 163 Rdn. 39.
12
Lüderssen, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozess, S. 187; Lammer, S. 1 ff.; Thiel, S. 442.
13
Jene Maßnahmen sind Gegenstand des Polizei- und Geheimdienstrechts.
14
Wenn in dieser Arbeit von „verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen“ die Rede ist,
sind in der Regel „verdeckte, observierende, strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen“ gemeint.
Andere verdeckte Maßnahmen sind Ausnahmen und werden als solche kenntlich gemacht.
Teil II

Kurzer Überblick über die


Entstehungsgeschichte der gesetzlichen
Regelungen verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen
§ 3 Entwicklung bis zur Reichsgründung 1871

Als die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren noch bedeutungslos


waren, bestand bereits ein organisierter Strafprozess, in dem etwa der Umgang mit
Zeugenaussagen geregelt war.

I. Antike

Heimliches Vorgehen war zwar schon in der Antike wohlbekannt, doch beschränk-
te es sich auf den politischen und militärischen Bereich.1 Neben der unmittelbaren
verdeckten Ermittlung durch Spitzel war bereits in der Antike die Übermittlung
von Nachrichten über weite Strecken durch Boten üblich. Damit stieg auch aus
verschiedenen Gründen der Bedarf nach Verschwiegenheit der Boten, insbeson-
dere bei politischer und geschäftlicher Korrespondenz. Das Briefgeheimnis wurde
aber nicht rechtlich geschützt, sondern faktisch durch Methoden der Kryptographie,
der Verschlüsselung der Daten. Einen rechtlichen Schutz vor staatlichem Lesen
der Post gab es mangels geregelten Postwesens nicht. Auch freiheitliche Bürger-
rechte bestanden bestenfalls in Ansätzen. Das römische Reich gewährte zwar einer
privilegierten Oberschicht einige Bürgerrechte und entwickelte Ansätze eines Straf-
prozessrechts. Die Annahme, dass der Magistrat oder andere Verwaltungsspitzen in
Strafsachen keine Korrespondenz überwachen durften, wäre wegen der dürftigen
Quellenlage aber rein spekulativ.2

1
Eine der frühesten Quellen erwähnt eine Art geheim agierenden Militärdienst im antiken Sparta
Plutarchus, 28, 1–7; Hertzberg, S. 111; Thommen, S. 113, 129.
2
Im römischen Reich gab es zu keinem Zeitpunkt eine reguläre Polizei oder Staatsanwaltschaft.
Die Bürger mussten selbst für ihre Sicherheit sorgen. Die Opfer selbst mussten beim Magistrat
Klage erheben. Vgl. Kepura/Niechoziol, Der Kriminalist, Nr. 11, 2011, S. 31; Neben dieser Pro-
zessform gab es auch als Ausnahme für bestimmte, gegen den Staat gerichtete Delikte einen
inquisitorischen Prozess, in dessen Rahmen der Magistrat die Ermittlung leitete. Dieses Ver-
fahren war aber gesetzlich ungeregelt und „entzieht sich jeder wissenschaftlichen Darstellung“,
Mommsen, S. 340. Von Cicero wird berichtet, dass er in einem Ermittlungsverfahren gegen Ver-
res eine förmliche Hausdurchsuchung „unerwartet“ durchführte, dabei Unterlagen versiegeln ließ
T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 17
DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
18 § 3 Entwicklung bis zur Reichsgründung 1871

II. Mittelalterlicher Strafprozess

Die Epoche des Mittelalters lässt sich hinsichtlich des Strafprozessrechts in zwei
Zeitabschnitte einteilen. Die erste Phase war durch den Akkusationsprozess ge-
prägt. Dieser wurde im ausgehenden Mittelalter nach und nach durch das Inqui-
sitionsverfahren abgelöst.

1. Phase des Akkusationsverfahrens

In den mittelalterlichen Quellen finden sich so gut wie keine rechtlichen Rege-
lungen zu verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen. Die Ermittlung
spielte sich, wenn überhaupt, privat und außerhalb des Prozessrechts ab. Dies ergibt
sich daraus, dass der Anklageprozess in Mitteleuropa die Urform des Strafpro-
zesses ist. Zivil- und Strafprozess wurden noch nicht scharf getrennt. Wenn der
Ankläger der Betroffene selbst war, so hatte er dem Richter Zeugen zu stellen und
Beweise vorzulegen.3 Ursprünglich war der germanische Prozess auf Hervorbrin-
gung förmlicher „Beweise“ gerichtet. So wurde ohne wesentliche Intervention von
Richter und Schöffen nach gewissen Regeln unter den Parteien die Tatsachen fest-
gelegt.4 Die Einführung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen wurde entscheidend
dadurch verhindert, dass es auf eine objektive Wahrheitsfindung nicht ankam. An-
dere Beweise als Vorführung des Beklagten, die Vorlage des „corpus delicti“ oder
Eid und Gottesurteil wurden nicht zugelassen. Eine Ermittlung wäre nur Zeitver-
schwendung gewesen. Beispielsweise eine noch so überzeugende Zeugenaussage
zugunsten des Betroffenen oder der Fußabdruck zulasten des Beklagten am Tat-
ort waren nichts wert, da der Prozess leicht durch eine größere Zahl angesehener
Zeugen, zum Beispiel durch das sog. „übersiebnen“5 entschieden werden konnte.
Der Prozess verlief im Akkusationsverfahren und war – jedenfalls für die Partei-
en – in allen Vorwürfen und Beweisangeboten bekannt. Er lief also in keiner Weise
verdeckt ab. Entscheidend war, ob der Kläger oder der Beklagte die stärkere Posi-

und beschlagnahmte. Dass diese Durchsuchung heimlich erfolgt, ist aber nicht dargetan. In einem
anderen Prozess ließ er beschlagnahmte Briefe verlesen. Auch hier ist davon auszugehen, dass die
Briefe beim Adressaten und nicht auf dem Weg beschlagnahmt wurden, Zumpt, S. 305 f.
3
Dem Gericht standen weder eine Anklagebehörde noch eine Kriminalpolizei zur Seite. Ermitt-
lung war Sache des Betroffenen, ob geheim oder offen. Eine Polizei gab es nicht und erst recht
keine sonstige Stelle mit Geheimbefugnissen zur Strafverfolgung.
4
Vgl. von Kries, S. 148 f.
5
Wer mehr Zeugen aufbieten konnte, gewann den Prozess. Vgl. Donandt, S. 303. Dies war teil-
weise an eine bestimmte Anzahl, zum Beispiel „sieben“ gebunden. Hayme, S. 231 macht dies
anhand des Verbrechens der Sacramentslästerung deutlich: „Wurden die sieben Zeugen genannt,
welche einen Mißetäter überzeugen mussten, welches auch besiebnen oder übersiebnen hieß“.
Das Prozessrecht war ohnehin völlig lückenhaft. Bezeichnend ist, dass Eike von Repgow in sei-
nem Sachsenspiegel überhaupt kein Ermittlungsverfahren nannte. Eike von Repgow soll nur eine
Art „Hauptverhandlung“ und die spätere Vollstreckung des Endurteils gekannt haben. Vgl. Ignor,
S. 56.
III. Neuzeit 19

tion in der Gemeinschaft inne hatte. Ob Eidhelfer die Wahrheit sagten oder nicht,
war unbeachtlich. Es ging darum, wer für oder gegen den Beklagten auftrat. Im
Mittelpunkt des Prozesses stand nicht die objektive Wahrheitsfindung, sondern eine
Meinungsfindung zur Friedensherstellung.6 Im mittelalterlichen Akkusationspro-
zess waren verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen also systembedingt
nicht notwendig und nicht einmal für das Verfahren förderlich.

2. Phase des Inquisitionsverfahrens

Im Spätmittelalter griff der aus dem kanonischen Recht herrührende Inquisitions-


prozess7 in Kontinentaleuropa auch auf das weltliche Verfahren über.8 Die „inquisi-
tio“ ist im Gegensatz zum Akkusationsverfahren im Kern gerade Untersuchung und
Ermittlung. Indem nicht der Geschädigte selbst ermitteln musste, war die Grundlage
für ein hoheitliches Verfahren geschaffen. Regelungen über verdeckte Ermittlungen
gab es jedoch noch nicht. Die „denunciatio“ war lediglich eine dem Strafprozess
vorgelagerte Anzeige9 und stand nicht für einen Spitzeleinsatz im Verfahren. Der
eigentliche Prozess war also in keinem Punkt geheim.

III. Neuzeit

1. „Peinliches“ Strafverfahren

Die Ablösung des Akkusationsprozesses durch den Inquisitionsprozess wurde erst


Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Übergang zur Neuzeit vollzogen. Die Caroli-
na (CCC)10 erwähnt lediglich Ansätze eines rudimentären Ermittlungsverfahrens.11
Die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen wurden in diesem Gesetz nicht geregelt.12

6
Persönliche Abhängigkeiten und Reste von Stammesdenken prägten die Rechtsordnungen der
Zeit. Erst mit der Auswechslung der Personal- durch eine Territorialgewalt wurde die objekti-
ve Wahrheit gegenüber subjektiven Machtfaktoren der Personenverbände wichtiger, vgl. Ignor,
S. 58 ff.
7
Der Inquisitionsprozess wurde als Verfahren innerhalb des Klerus begründet. Vorteil war, dass
bereits bei vagem Verdacht oder Gerüchten, „mala Fama“ (Koch, S. 60) ein Verfahren eingelei-
tet und die mangelnde Disziplin in der Geistlichkeit besser bekämpft werden konnten, vgl. auch
Biener, S. 40.
8
Zunächst war der Inquisitionsprozess subsidiär.
9
Vgl. zur Wandlung des Begriffs Koch, S. 1–6, 58 f.
10
Bestimmend für den Strafprozess der Anfangszeit war die Carolina (CCC) und mit ihr verwandte
Gesetze. Vgl. Vormbaum, S. 90 m. w. N.; Ignor, S. 83 ff.
11
Lediglich in Art. 29 und 31 Abs. 3, 154 CCC findet sich eine Andeutung, aus der sich entnehmen
lässt, dass die CCC prozessvorbereitende „Erkundigungen“ (Ermittlungen) voraussetzt.
12
Ob wenigstens anonyme Anzeigen zulässig waren, ist nicht eindeutig. Nach Art. 110 CCC war
das Verfassen einer ehrenrührigen Schmähschrift unter falscher oder fehlender Namensangabe
20 § 3 Entwicklung bis zur Reichsgründung 1871

An die Stelle der Formalbeweise tritt nicht der Wahrheitsgrundsatz, der die verdeck-
ten Ermittlungsmaßnahmen hätte begünstigen können, sondern die Folter. Die in
Art. 154 CCC gesetzlich legitimierte Willkür der Inquisitoren ist nur bei der Ermitt-
lung der Glaubwürdigkeitskriterien von Zeugen beschränkt.13 Da der Schwerpunkt
der Urteilsfindung auf der Erzwingung eines Geständnisses durch Folter lag, waren
heimliche Ermittlungen überflüssig.

2. Staatliche geheime Ermittlungen im Absolutismus

Erst mit der Abschaffung der Folter im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde ver-
decktes Vorgehen eine effektive Ermittlungsalternative. Im 18. und 19. Jahrhundert
wurden Staatsschutzdelikte vielfach mit Hilfe von Spitzeln verfolgt. Neben der of-
fen gehandhabten Pressezensur wurde die heimliche Briefbeschlagnahme14 für das
Strafverfahren entdeckt und durch die Einführung von Postmonopolen und Staats-
post begünstigt.15 Spitzeldienst und Briefbeschlagnahme sind die ersten tatsäch-
lich dem Strafprozess dienenden verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Sie blieben
aber trotz ihrer Verbreitung16 ohne besondere gesetzliche Regelung. Die regelnden
konkreten Erlasse waren selbst geheim.17 Weder das ALR von 179418 noch die
Kodifikationen in der Zeit der französischen Revolution und der anschließenden
Restauration regelten verdeckte Ermittlungsmaßnahmen.

eine Straftat, auch wenn sich die darin behaupteten Tatsachen als wahr erwiesen, siehe Koch, S. 82,
Fn. 96. Die CCC stand daher grundsätzlich der Heimlichkeit ablehnend gegenüber. Im gemeinen
Recht wurde die anonyme Anzeige einhellig abgelehnt. Die Erkennbarkeit des Urhebers galt als
unverzichtbar, siehe A. a. O., S. 129.
13
Vgl. Otte, S. 35 ff.
14
Brieföffnungen wurden als vertretbar angesehen, solange sich „militärische, diplomatische oder
criminalistische Zwecke“ nachweisen ließen, vgl. (Beyrer)Stephan, S. 271.
15
Vgl. Beyrer in: Stephan, S. 59 ff. Berühmt-berüchtigt ist in diesem Zusammenhang Oliver Crom-
wells Begründung für einen staatlichen Postzwang von 1657: „Die Post wird eines der besten
Mittel sein, um gefährliche und verruchte Anschläge gegen das Commonwealth zu entdecken und
abzuwehren.“Becker, S. 117.
16
Für die Ära Metternich wird ein Jahresdurchschnitt von 15000 abgefangenen Briefen angege-
ben, vgl. Beyrer, S. 59. Unklar ist jedoch, wie weit dies zur Verfolgung politischer Straftaten oder
zu anderen Zwecken erfolgte.
17
„Auf höchste Verordnung vom Oktober 1834 wurde das Netz der Spitzel über ganz Siebenbürgen
ausgebreitet, obwohl sie auch bis dahin dort reichlich vertreten waren.“, vgl. Andics, S. 62; Mehr
zur Spionage unter Metternich findet sich bei: Adler, S. 1–46.
18
Zwar war eine heimliche Anzeige schon im verbesserten Landrecht des Königreichs Preußen
von 1721 (Sechstes Buch, Titel V, Art. VI, § 4) bei Hochverrat zulässig, doch waren im ALR
selbst nur in §§ 14 und 16 die Hinzuziehung der Polizei bei offenen Kriminaluntersuchungen zur
Beweissicherung festgelegt.
III. Neuzeit 21

Ohne verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte19 oder einen entsprechen-


den Gesetzesvorbehalt bestand für die Regelung verdeckter Ermittlungsmaßnah-
men keine Notwendigkeit.

3. Ansätze zur Beschränkung der Ermittlungsmacht im


Frühkonstitutionalismus

Im Frühkonstitutionalismus wurden das erste Mal verdeckte Ermittlungsmaßnah-


men in der Rechtsordnung erwähnt. Dies geschah nicht durch ausdrückliche Be-
fugnisvorschriften, sondern indirekt durch den Schutz des Briefgeheimnisses.
Der Schutz des Briefgeheimnisses zugunsten des Bürgers gegen die Postbediens-
teten wurde zum ersten Mal in § 38 der Verfassung des Kurfürstentums Hessen von
1831 geregelt:
„Das Briefgeheimniß ist auch künftig unverletzt zu halten. Die absichtliche unmittelbare
oder mittelbare Verletzung desselben bei der Postverwaltung soll peinlich bestraft wer-
den.“20

Wie bei einem Bruch des Briefgeheimnisses durch unmittelbare Anweisung des
Landesherrn zu verfahren ist, regelt diese Verfassung aber nicht. Im Zuge der ge-
scheiterten Revolution von 1848 entstand insbesondere unter dem Eindruck der
erfolgreichen Verfassungsgebungen in den USA 1787/89 und Belgiens (1831)21 die
faktisch nie in Kraft getretene22 Verfassung des Deutschen Reiches vom 28.03.1849
(Paulskirchenverfassung, FRV). Sie sicherte die Unverletzlichkeit der Person in den
§§ 138–142 FRV umfassend. Im gleichen Rang wie der Schutz vor Verhaftungen23

19
Im Verhältnis des Bürgers zu Hoheitsmacht war der Geheimnisschutz zunächst nur einseitig
zu Lasten der Bürger kodifiziert. In der Tiroler Landesordnung von 1532 erwarteten Landesver-
weisung und Ehrverlust denjenigen, welcher Briefe seines Landesherrn unberechtigt öffnete. Die
Bestrafung für das unberechtigte Öffnen anderer Briefe wurde in das Ermessen der Gerichte ge-
stellt. Vgl. Waldschmidt, Postgeheimnis, Sp. 1840–1842.
20
Verfassungsurkunde für das Kurfürstentum Hessen, 5. Januar 1831.
21
Der Einfluss der belgischen Verfassung spiegelt sich auch gerade in der Gewährleistung des
Briefgeheimnisses wieder. So heißt es im ersten Satz des Art. 22 der belgischen Verfassung vom
07.02.1831: „Le secret des lettres est inviolable.“ (Das Briefgeheimnis ist unverletzlich.) Verfas-
sung (Grundgesetz) Belgiens vom 7. Februar 1831. In der Verfassung der Vereinigten Staaten heißt
es: „[Zusatz-] Artikel 4. Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person, des Hauses, der Papiere
und der Habe vor ungerechtfertigter Nachsuchung und Beschlagnahme soll nicht verletzt werden,
und Durchsuchungs- und Haftbefehle sollen nur aus zureichendem Grunde erteilt werden, gestützt
auf Eid oder Gelöbnis, und sollen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu
nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen.“, wortgetreue Übersetzung bei Brug-
ger, S. 454 ff. Zum weiteren Einfluss der genannten Verfassungen auf die FRV vgl. Scholl (USA);
Reineke (Belgien).
22
Zur Frage der positiven Fortwirkung auf die folgenden Verfassungen vgl. Kühne, S. 31 f.
23
Die Verhaftung war nur der umfassendste Eingriffsfall. Die anderen Rechte waren aber im Ver-
gleich zur körperlichen Freiheit nicht minder geschützt, vgl. A. a. O., S. 342.
22 § 3 Entwicklung bis zur Reichsgründung 1871

und Hausdurchsuchungen standen der Beschlagnahmeschutz und die Gewährleis-


tung des Briefgeheimnisses:
„§ 141. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung
oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls vor-
genommen werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden
dem Betheiligten zugestellt werden soll. § 142. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die
bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen
sind durch die Gesetzgebung festzustellen.“24

Die Paulskirchenverfassung nennt also nicht nur Beschränkungen des Briefge-


heimnisses. Zusätzlich ist die verdeckte strafprozessuale Maßnahme der Briefbe-
schlagnahme unter Gesetzesvorbehalt gestellt. Bei genauer Analyse ergibt sich,
dass dieser Vorbehalt bereits seinerseits durch das Merkmal der „nothwendigen“
Beschränkung qualifiziert ist. Das beschränkende Gesetz muss also nicht nur zur
Strafverfolgung geeignet, sondern sogar erforderlich sein.25
Auch die preußische Verfassung vom 31.01.185026 orientierte sich mit der For-
mulierung „Das Briefgeheimnis ist unverletzlich.“ an der Paulskirchenverfassung
und an der belgischen Verfassung.
In diesem Zeitabschnitt27 wurde keine reichsverfassungsrechtliche Kodifikation
des Briefgeheimnisses vorgenommen. Allerdings wurden einfachgesetzliche Rege-
lungen gleichen Inhalts erlassen, wie zum Beispiel § 58 Abs. 2 des Gesetzes über
das Postwesen des Norddeutschen Bundes vom 02.11.1867.28 Über das Brief- und
Postgeheimnis gingen die Regelungen nicht hinaus, da der elektrische Telegraph
erst Ende des 19. Jahrhunderts zur Fernkommunikation eingesetzt wurde.29
Viele der genannten Verfassungen sicherten mit dem „Postgeheimnis“ den
Schutz der beförderten Briefe vor dem Beförderer und seinen Angestellten.30 Es
stellte eine Verpflichtung der Post und nicht der postfremden Exekutive dar. Nur
die Paulskirchenverfassung und ihr nachfolgende Verfassungen regelten mit dem
Briefgeheimnis das Verhältnis zwischen Bürger und Staat.

24
Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März 1849.
25
Ob damals tatsächlich ein dem heutigen Grundsatz entsprechender Teil des Verhältnismäßig-
keitsprinzips kodifiziert wurde, ist bisher nicht erforscht worden. Beachtliche Gründe sprechen
aber dafür, dass die FRV dem Freiheitsschutz vor anderen Werten Priorität einräumte und
außerdem im Vertrauen auf ein einverständliches Zusammenwirken von Legislative und Volk weit-
gehend unbeschränkte Freiheitsrechte bestehen sollten. Vgl. den Ausspruch Mittermaiers gegen
Wiegand: „Wenn sie keine Garantie mehr in den Gesetzen finden, die das Volk mitmacht, dann
ist ihnen nicht zu helfen“, vgl. Kühne, S. 516. Zu der hier nur angedeuteten Auffassung und den
Gegenargumenten, vgl. A. a. O., S. 515 ff. Daher ist auch eine Rückbeschränkung des Gesetzesvor-
behalts auf das „Notwendige“ bzw. „Erforderliche“ die einzig systematisch sinnvolle Auslegung
der Verfassungsbestimmung.
26
Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.
27
Bis zur Weimarer Republik.
28
Sievers, S. 104.
29
Vgl. zur technischen Entwicklung Völker, S. 129 ff. m. w. N.
30
Sievers, S. 104.
III. Neuzeit 23

4. Zusammenfassung

In der Gesetzes- und Verfassungstradition bis zur Reichsgründung existieren zwei


verschiedene Garantien.31 Zum einen das Postgeheimnis, welches sich gegen die
Post richtet, zum anderen das Briefgeheimnis, welches vor direktem staatlichem
Zugriff schützt. Diese Grundrechte erlangten für die Begrenzung der verdeckten
strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen entscheidende Bedeutung.

31
Sievers, S. 104.
§ 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach
dem zweiten Weltkrieg

Mit der Erfindung des Telegraphen und des Telefons im 19. Jahrhundert ergab sich
eine Zäsur in der Entwicklung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Von die-
ser Zeit an konnte auch auf elektronische Fernkommunikation heimlich zugegriffen
werden. Mit der Konsolidierung des deutschen Reiches wurden zudem einheitliche
Regelungen in der jungen StPO von 1877 möglich. Der darzustellende Missbrauch
der verdeckten Maßnahmen in der Diktatur des Nationalsozialismus im Dritten
Reich und des Kommunismus in der DDR ist zudem für die Grundrechtsentwick-
lung in der Bundesrepublik entscheidend.1

I. Kodifikation strafprozessualer Befugnisse zu verdeckten


Ermittlungsmaßnahmen bis 1933

1. Regelung der Postbeschlagnahme in der StPO

Anfänglich waren die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen in der


StPO von 1877 kaum ein Regelungsthema. Einzige verdeckte Ermittlungsmaßnah-
me in der ursprünglichen StPO war die Postbeschlagnahme. Die Heimlichkeit der
Maßnahme lässt sich aus der Ursprungsfassung des heutigen § 99 StPO nur indi-
rekt herleiten. Denn die Briefe wurden nach dieser Vorschrift bei der Post und nicht
beim Beschuldigten beschlagnahmt.2

1
Vgl. § 8, III, 4, b).
2
Die Kernvorschrift blieb, von kleinen sprachlichen Korrekturen abgesehen, bis heute unverändert.
Vgl. Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 99 vor Rdn. 1.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 25


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
26 § 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg

2. Einfachgesetzliche Regelung des Telegraphengeheimnisses

Die erste Regelung über die technische Fernkommunikation wurde in § 8 des Geset-
zes über das Telegraphenwesen vom 06.04.1892 getroffen. Darin war zwar bereits
eine Einschränkung des Telegraphengeheimnisses für strafprozessuale Zwecke vor-
gesehen:
„Das Telegraphengeheimniß ist unverletzlich, vorbehaltlich der gesetzlich für strafgericht-
liche Untersuchungen, im Konkurse und in civilprozessualischen Fällen oder sonst durch
Reichsgesetz festgestellten Ausnahmen. Dasselbe erstreckt sich auch darauf, ob und zwi-
schen welchen Personen telegraphische Mittheilungen stattgefunden haben.“

Dem folgten jedoch keine strafprozessualen Regelungen. Die zitierte Norm deu-
tet schon in ihrem zweiten Satz die Trennung zwischen Kommunikationsüberwa-
chung und der Erhebung von Verbindungsdaten an.

3. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in der Weimarer


Reichsverfassung

In der Weimarer Reichsverfassung (WRV) wurden ausdrücklich grundrechtliche


Garantien für den Schutz der Wohnung und des Brief, Post- und Fernmeldegeheim-
nisses gegeben und unter Gesetzesvorbehalt gestellt:
„Art. 117 WRV [Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis] (1) Das Briefgeheimnis sowie das
Post-, Telegraphen- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Ausnahmen können nur
durch Reichsgesetz zugelassen werden.“

Um dem Gesetzesvorbehalt zu genügen, wurde erstmals eine Vorschrift über die


strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs geschaffen. Diese stand aber
noch außerhalb der StPO im Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928
(FAG).3

4. Regelung der Fernmeldeverkehrsüberwachung in § 12


Fernmeldeanlagengesetz

Bis die Bestimmung außer Kraft trat,4 lautete § 12 FAG wie folgt:
㤠12 Auskunft im Strafverfahren In strafgerichtlichen Untersuchungen kann der Richter
und bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft Auskunft über die Telekommuni-
kation verlangen, wenn die Mitteilungen an den Beschuldigten gerichtet waren oder wenn
Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die Mitteilungen von dem Beschul-
digten herrührten oder für ihn bestimmt waren und daß die Auskunft für die Untersuchung

3
RGBl. I S. 8, 1928.
4
Am 31.12.1997.
I. Kodifikation strafprozessualer Befugnisse zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen bis 1933 27

Bedeutung hat. Das Grundrecht des Artikels 10 des Grundgesetzes wird insoweit einge-
schränkt.“

a) Überwachung von Verbindungsdaten statt Kommunikationsinhalten

§ 12 Fernmeldeanlagengesetz (FAG) regelte die Pflichten der Reichspost zur Ertei-


lung von Auskunft über den Fernmeldeverkehr. Die Regelung wurde als Befugnis
verstanden, Verbindungsdaten herauszugeben, nicht aber die Inhalte der Gespräche
abzuhören.5 Das Gesetz ist im Reichstag in allen drei Beratungen ohne Diskussi-
on angenommen worden. Der Gesetzesentwurf wurde weder in einem Ausschuss
behandelt noch im Parlament besprochen. Wortmeldungen und tatsächliche Aus-
sprache gab es nicht.6 Die entsprechenden stenographischen Protokolle lassen daher
nur den Schluss zu, dass die „Beratungen“ lediglich pro forma erfolgten.

b) Diskussion um möglichen Missbrauch der Fernmeldeüberwachung

Die Problematik der Fernmeldeüberwachung war parlamentarisch umstrittener, als


es den Anschein hat. Denn im Ausschuss zum Entwurf eines allgemeinen Deut-
schen Strafgesetzbuchs wurden die Gefahren staatlicher Fernmeldeüberwachung
den Abgeordneten zumindest nachträglich bewusst. Anlass war nicht das diskus-
sionslos abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren zu § 12 FAG, sondern ein Disput
über die Strafbarkeit des den Geheimnisbruch regelnden § 142 StGB.7

aa) Befürchtung des Missbrauchs zu politischen Zwecken

Bereits im ersten Ausschuss gab es von kommunistischer Seite den Antrag, eine po-
lizeiliche Überwachung des Fernmeldeverkehrs ganz zu verbieten. Der Vertreter der
KP8 und der Vertreter der DNV9 behaupteten, dass Telefone ihrer Parteiorganisatio-
nen abgehört würden. Ein deutliches Knacken in der Leitung sei dann vernehmbar.
Entgegen den Angaben des Ministeriums bestünden auch technische Möglichkeiten
dazu. Bei Ausstellungen seien sog. Einschaltapparate vorgeführt worden, welche
die Polizei besitze. Außerdem habe man das Abhören von Telefonen bereits in Pro-
zessen verwendet. Aus der Formulierung des § 142 Abs. 3 StGB, „wer unbefugt
von dem Inhalt eines durch Fernsprecher geführten Gesprächs einen anderen be-
nachrichtigt“, gehe hervor, dass die Post Bedienstete habe, welche befugt mithören

5
In der Gesetzesbegründung findet sich insoweit keine Differenzierung, vgl. Reichstag III/1924/27
Drucks. Nr. 3682 S. 9.
6
Reichstag III/1924, Verhandlungen Bd. 394 S. 11719 und 11732; Stenographischer Bericht über
die 346. Sitzung am 24. November 1927.
7
Reichstag IV/1928, 30. Sitzung 2. Ausschuss (Reichsstrafgesetzbuch).
8
Kommunistische Partei.
9
Deutschnationale Volkspartei.
28 § 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg

und benachrichtigen würden. Auch der Abgeordnete der DNV sorgte sich um miss-
bräuchliches Abhören seiner Organisation durch die Polizei und fragte den Vertreter
des Ministeriums mehrfach nach tatsächlichen Möglichkeiten der Polizei und nach
Sperrmöglichkeiten durch die Post.

bb) Beschwichtigung durch Verweis auf Schranken des § 12 FAG

Von ministerialer Seite wurde auf die genannten Bedenken der Opposition geant-
wortet, eine technische Möglichkeit zur eigenmächtigen Überwachung durch die
Polizei gebe es nicht. Zudem regele § 12 FAG die Frage abschließend so, dass ei-
ne Überwachung nur unter den engen Anordnungsvoraussetzungen durch Richter
oder StA zulässig sei. Sie dürften auch nicht bei Übertretungen und nur für die
Erhebung von Verbindungsdaten aus der Vergangenheit angeordnet werden. Miss-
brauchsfälle kämen nicht vor und die Post würde zudem ungesetzliches Verlangen
der Polizei zurückweisen. Die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses sei „oberstes
Prinzip“. Eine Überwachung aus politischen Gründen sei ungesetzlich und finde
auch nicht statt. Die Postbediensteten selbst würden nur bei Auslandsgesprächen
zu Vermittlungszwecken in Gespräche eingeschaltet. Aufzeichnungen fänden über-
haupt nur über Daten zu Abrechnungszwecken und nicht inhaltlich statt. Nur dies
könne daher durch die Strafverfolgungsbehörden erfasst werden.10
Diese Diskussion zeigt die generelle Problematik der heimlichen Fernmelde-
überwachung: Angst vor Missbrauch durch Behörden entsteht schon durch eine
Befugnisnorm und durch Beamte, die mutmaßlich tatsächliche Möglichkeiten zur
Überwachung haben.11

cc) Reduzierung des Missbrauchspotentials durch hohen Aufwand

Tatsächlich blieb § 12 FAG12 zunächst von geringer praktischer Relevanz, da keine


elektronische Übertragung stattfand, sondern das Vermittlungspersonal in den Te-
legraphenämtern mühsam per Hand protokollieren musste, wer wie lange mit wem
gesprochen hatte.13

10
Reichstag IV/1928, 30. Sitzung 2. Ausschuss (Reichsstrafgesetzbuch), Protokolle S. 4 ff. bei
Schubert, Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, S. 325 ff.
11
Dies Problem ist bis heute noch nicht zufriedenstellend gelöst, vgl. § 8, III, 6.
12
Das FAG ist am 31.12.2001 außer Kraft getreten. Die Regelungen wurden aber nicht abge-
schafft, sondern weiterentwickelt und ergeben sich nun aus dem TKG und der StPO. Vgl. unten §
5, IV, 2 a).
13
Vgl. Welp, GA 2002, S. 536 m. w. N.
I. Kodifikation strafprozessualer Befugnisse zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen bis 1933 29

5. Persönliche Überwachung durch Spitzeleinsatz


und andere Maßnahmen

Der Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern war in der Zeit der Weima-
rer Republik nicht geregelt. Man sah offenbar schlicht keinen Anlass für besondere
Gesetze, da spezielle Grundrechte insoweit noch nicht anerkannt waren. Das allge-
meine Persönlichkeitsrecht war nur eine Theorie des Privatrechts.14 Der umfassende
Schutz der Person hinsichtlich der aktiven körperlichen Freiheit, sowie der passi-
ven Integrität der höchstpersönlichen Bereiche der Wohnung und der Privatpapiere
in der FRV wurde in der WRV so nicht weitergeführt. Der Schutz der Privatsphä-
re in der Wohnung und des Briefgeheimnisses waren in der WRV vielmehr bloße
Ergänzungen des zentralen Schutzes der körperlichen Freiheit.15 Der Schutz der
Privatsphäre war somit Ausnahme und nicht Teil des einheitlichen Gesamtkon-
zepts.16 Einer möglichen Ausweitung hin zu einem umfassenden grundrechtlichen
Persönlichkeitsschutz gegen staatliche Personenüberwachung standen somit dog-
matische Hindernisse im Grundkonzept der Verfassung entgegen. Sie konnten in
der Weimarer Republik nicht überwunden werden. Verdeckte Ermittlungen standen
also nur im Schutzbereich des Art. 117 WRV unter Gesetzesvorbehalt. Persönli-
che Bespitzelung stand im freien Ermessen der Strafverfolgungsbehörden. Andere
Maßnahmen wie etwa technische Bild- und Tonaufzeichnungen waren nicht oder
nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Die Regelungsfrage stellte sich
insoweit nicht.

6. Zusammenfassung

Erste, gesetzlich geregelte, verdeckte Ermittlungsmaßnahme in der Zeit nach 1871


war die Postüberwachung bzw. Postbeschlagnahme in der StPO. Die Vorschrift
zur strafprozessualen Überwachung der Telegraphen- und Telefonkommunikation
fand sich in § 12 FAG. Deren Missbrauch zu politischen Zwecken wurde am Ran-

14
Vgl. dazu BGHZ 13, 334, 337: „Das Reichsgericht glaubte, einen [allgemeinen] von dem Ur-
heberrecht unabhängigen Persönlichkeitsschutz für Briefveröffentlichungen deshalb versagen zu
müssen, weil die damals geltende deutsche Rechtsordnung keine positiven Gesetzesbestimmungen
über ein allgemeines Persönlichkeitsrecht enthielt (RGZ 79, 397 [398]; 82, 333 [334]; 94, 1; 102,
134; 107, 277 [281]; 113, 414; 123, 312 [320]). Das Reichsgericht hat zwar in zahlreichen Ent-
scheidungen über § 826 BGB Persönlichkeitsrechten Schutz zugebilligt (RGZ 72, 175; 85, 343;
115, 416; 162, 7), aber grundsätzlich Persönlichkeitsrechte mit der absoluten Wirkung der Aus-
schließlichkeitsbefugnis nur für bestimmte einzelne Persönlichkeitsgüter anerkannt. Im Schrifttum
haben sich schon Gierke und Kohler für die Anerkennung eines umfassenden Persönlichkeitsrechts
eingesetzt (Otto v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 707; Bd. 3, 887; Kohler, ,Das Recht an
Briefen‘ in Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 7, 94 ff. [101]; für das schweizerische Recht vgl.
Schweizer ZivGB Art. 28).“
15
Ein Problem, das sich im Grundgesetz ganz ähnlich stellt, Kühne, S. 342, Fn. 103.
16
Kühne, S. 342.
30 § 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg

de diskutiert, führte aber nicht zu weiteren gesetzlichen Einschränkungen der Er-


mittlungsbefugnisse. Vorschriften über weitere verdeckte Ermittlungsmaßnahmen,
insbesondere persönliche Verdeckte Ermittler, fehlten. Die Lückenhaftigkeit der
Regelung verdeckter Maßnahmen beruhte auf der fehlenden Verankerung des all-
gemeinen Persönlichkeitsrechts in der WRV. Nur das Brief-, Post-, und Fernmelde-
geheimnis waren Verfassungsbestandteil und durch Gesetzesvorbehalt geschützt.

II. Missbrauch verdeckter Ermittlungsmaßnahmen durch


Diktaturen ab 1933

1. Nationalsozialistische Herrschaft

a) Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933

Nach § 1 der sog. Reichstagsbrandverordnung17 wurden Eingriffe der Polizei in das


Brief-, Post- und Fernsprechgeheimnis ebenso schrankenlos erlaubt, wie Eingriffe
in die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit:18
„Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs
werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönli-
chen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit,
des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie
Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen
Grenzen zulässig.“

Durch diesen Handstreich waren also auch verdeckte strafprozessuale Ermitt-


lungsmaßnahmen offiziell schrankenlos gestattet.19

17
Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933.
18
Peter Nitschke in: Paul/Mallmann, S. 278.
19
In der rechtsgeschichtlichen Forschung wird zwischen „Maßnahmenstaat“ und „Normenstaat“
der NS-Zeit unterschieden, vgl. Fraenkel, S. 21. Mit diesem Konzept wird impliziert, dass
Maßnahmen aufgrund von Geheimerlassen auch nach streng rechtspositivistischer Anschauung
Unrecht waren. Die Maßnahmen der Polizei zur Verbrechensbekämpfung gehörten zum Maßnah-
menstaat, da sie in geheimen Richtlinien und Erlassen, nicht aber „gesetzlich“ geregelt waren, vgl.
Werle, S. 619. A. a. O. S. 618 findet allerdings zwischen Strafrechtsverordnungen und geheimem
Polizeierlass wenig Unterscheidungskriterien: „Markiert [der Unterschied zwischen Erlaß und
Verordnung] die Grenze zwischen Recht und Nicht-Recht? In Ansehung der ,Rechtsverbindlich-
keit‘ der erteilten Instruktionen ergeben sich in einem System, das ,geheimes Recht‘ kennt, keine
praktisch fassbaren Unterschiede. Gesetzförmige Verordnungen und geheimer Polizeierlass wer-
den vollzogen und von den staatlichen Instanzen als maßgebliche Funktionsmodi anerkannt.“ Für
die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ist dies insofern bedeutend, als zu der
Geheimhaltung der Maßnahme nun auch noch die Geheimhaltung ihrer Rechtsgrundlage hinzu-
kam. Der geheime Erlass war eine neue verdeckte Regelungsform der Ermittlungen. Damit wurde
nicht (nur) die einzelne Maßnahme, sondern die Ermittlung als solche geheim.
II. Missbrauch verdeckter Ermittlungsmaßnahmen durch Diktaturen ab 1933 31

b) Gescheiterte Gesetzentwürfe

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es zwar einige weitere Gesetzentwürfe, die
unter anderem verdeckte Ermittlungsmaßnahmen regeln sollten, aber nicht Gesetz
wurden.20 Gesetzliche Neuregelungen waren unter der Geltung der Notverordnung
überflüssig.

c) Tatsächliche Verbreitung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen

Fraglich ist aber, ob der sich durch die Reichstagsbrandverordnung ergebende recht-
liche Freiraum tatsächlich zu einem verstärkten Einsatz verdeckter strafprozessualer
Ermittlungsmaßnahmen führte. Viele Verfahren der Gestapo kamen durch schlichte
Denunziation zustande. Das stereotype Erklärungsmuster der Nachkriegszeit, die
NS-Gesellschaft sei ausschließlich eine durch brutalen Zwang zusammengehalte-
ne, totalitäre Überwachungsgesellschaft gewesen und demzufolge sei die Geheime
Staatspolizei ein perfekter und allgegenwärtiger Verfolgungsapparat gewesen, gilt
in der Geschichtswissenschaft als nachträgliche Fiktion. Historiker sind der Mei-
nung, diese Fiktion habe eine entlastende Wirkung auf die Mehrheitsgesellschaft
gehabt, die so die Schuld auf nur einige wenige zur Selbstreinigung abladen konnte.
Die Auseinandersetzung mit den politischen Denunziationen im Nationalsozialis-
mus zeige nach dieser Ansicht,
„dass der Blick stärker als bisher von der „Volksopposition“ und „Resistenz“ auf freiwil-
lige und loyale Mitarbeit der Bevölkerung gelenkt und insoweit auch die teilweise noch
anzutreffenden Thesen eines ausschließlich durch Terror zusammengehaltenen „Überwa-
chungssystems“ [. . . ] korrigiert werden müssten, ohne einer Kollektivschuldthese das Wort
zu reden.“21

Auch nach 1933 habe es keine gesetzliche Vorschrift gegeben, Vergehen anderer
anzuzeigen:22
„Angesichts der geringen Personalausstattung und der Arbeitsüberlastung der Gestapo,
war die Denunziation aus der Bevölkerung ein unverzichtbares Instrument polizeilicher

20
Siehe zum Beispiel die Entwürfe der kleinen (1933–1935) und großen Strafrechtskommission
(1936–1938). Der Entwurf von 1939 sah für das FAG vor, dass eine Auskunftspflicht der Post
auf den gesamten Post-, Postscheck-, Postsparkassen- und Fernmeldeverkehr ausgedehnt werden
sollte. Im selben Entwurf war die so genannte Postsperre vorgesehen. Sie hätte darin bestanden,
dass alle Sendungen, die an den Beschuldigten gerichtet sind oder von ihm herrühren, zunächst
aus der Post an die beantragende Behördendienststelle weiterzuleiten sind. Schubert, Quellen zur
Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, S. 487.
21
Diewald-Kerkmann in: Paul/Mallmann, S. 290 ff.
22
Dies ist insoweit richtig, als es keine entsprechende strafprozessuale Generalklausel gab.
Diewald-Kerkmann in: Paul/Mallmann, S. 296: „Heydrichs Vorhaben einer allgemeinen Anzei-
gepflicht, die jeden ,Volksgenossen‘ durch Strafdrohung dazu zwingen sollte, alle Verbrechen und
Vergehen anzuzeigen, die nach ,gesundem Volksempfinden‘ geeignet waren, die Geschlossenheit
und den Kampfwillen [. . . ] des deutschen Volkes [. . . ] zu zersetzen [. . . ]“ (Entwurf einer Verord-
nung über den Volksmeldedienst, BAK, R 43 II/1264 a, Bl. 104 f.) wurde wegen Bedenken, dass die
Verordnung eher das Gegenteil bewirken könnte, nicht umgesetzt.“
32 § 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg

Ermittlung bzw. ,quantitativ wie qualitativ [die] wichtigste Ressource staatspolizeilichen


Wissens‘.“23

„Die politische Denunziation war gewollt, der Denunziant aber nicht erwünscht. Einerseits
war der NS-Staat zur Perfektionierung der eigenen Macht auf die freiwilligen Angaben der
Bevölkerung angewiesen, denn nur so konnte er mit seinem Totalitätsanspruch in die Pri-
vatsphäre aller Volksgenossen eindringen. Aber andererseits bedeutete die Instrumentalisie-
rung der Denunziation für individuelle Zwecke und die Inanspruchnahme der öffentlichen
Strafgewalt für private Interessen, dass der Zweck, aus der Perspektive der Machthaber,
umgekehrt wurde.“24
Lediglich bei der politischen Verfolgung von Regimegegnern wurden staatliche
verdeckte repressive Ermittlungsmaßnahmen forciert:
„Vor allem Fahndungserfolge der Anfangsjahre auf dem Felde der politischen Gegnerbe-
kämpfung beruhten fast ausschließlich auf der Zuarbeit durch V-Leute [. . . ]. Über Denun-
zianten schließlich kam die Gestapo den kleinen „Mekkerern und Mießmachern“ auf die
Spur, wobei Denunziationen für die Gestapo selbst eher ein ambivalentes Ermittlungsin-
strument darstellten, da sie nur zum geringen Teil staatspolizeilich relevante Erkenntnisse
zutage förderten, ansonsten aber eine Unmenge Arbeit zur Folge hatten [. . . ]. Staatspolizei-
liche Maßnahmen in Form von Observierungen, Postüberwachungen oder Haussuchungen
wurden nur in einem Drittel der Fälle eingeleitet. In wiederum 17,5 Prozent der Fälle gab
die Gestapo das Verfahren an die Gerichte ab.“25
Wenn justizielle Verfahren abliefen, um den Schein ordnungsgemäßer Verfahren
zu wahren, kam es zu weitgehender Vertuschung der Rolle von V-Leuten in den von
der Gestapo produzierten Quellen selbst:
„Konnten V-Leute nicht vor Gericht aussagen, weil sie sonst gefährdet gewesen wären, so
verschwieg man deren Mitwirkung oft ganz oder bediente sich gegenüber der zuständigen
Staatsanwaltschaft der kryptischen Wendung, dass man etwas „vertraulich erfahren“ habe,
und legte lediglich Verhörsgeständnisse als Beweismittel vor. Auch behördenintern wurde
durch eine verschlüsselte Doppelkartei alles getan, die V-Leute geheimzuhalten.“26
Im Nationalsozialismus wurde durch Notverordnungen und „unbegrenzte Ausle-
gung“ vorhandener Vorschriften eine scheinbar unbegrenzte Legitimation verdeck-
ter strafprozsessualer Ermittlungsmaßnahmen erreicht. Dennoch wurde im „Nor-
menstaat“27 nach außen noch teilweise der Schein einer Gesetzmäßigkeit gewahrt.
Die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen erfolgten meist nicht un-
mittelbar durch Polizeibeamte. Der Staat nutzte bei der Verfolgung politischer Straf-
taten vielmehr ein Netzwerk informeller Spitzel. Als besonders perfide stellte sich
die Förderung von Denunziation aus dem engsten Familienkreis dar, da so nicht
nur die Betroffenen der Verfolgung ausgeliefert wurden, sondern auch familiäre
Strukturen belastet und zerstört wurden. Die Versuche, das Spitzel- und Denun-
ziantennetz bis hinein in die Familien zu erstrecken, blieben aber praktisch oft
erfolglos.28 Sie hatten aber dennoch eine erhebliche Einschüchterungswirkung:

23
Mallmann/Paul in: Paul/Mallmann, S. 107.
24
Diewald-Kerkmann in: Paul/Mallmann, S. 305.
25
Paul in: Paul/Mallmann, S. 172 f.
26
Mallmann in: Paul/Mallmann, S. 274 ff.
27
Fraenkel, S. 21.
28
Vgl. zur Denunziation im engsten Familienkreis Hornung, S. 226 f.
II. Missbrauch verdeckter Ermittlungsmaßnahmen durch Diktaturen ab 1933 33

„[Das von oben genährte Denunziantentum] machte selbst vor dem engsten Familienkreis
nicht halt [. . . ]. Niemand wagt mehr ein offenes Wort zu sprechen, da er sich auf Schritt
und Tritt von Spitzeln beobachtet fühlen musste.“29

2. Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in der DDR

a) Formale Regelung verdeckter Ermittlungen in der StPO der DDR

In der DDR konnte über längere Zeit als in den 12 Jahren des Nationalsozialismus
ein Überwachungsapparat in Form des Ministeriums für Staatssicherheit aufgebaut
werden. Die Infiltration des engsten Familien- und Freundeskreises von Dissidenten
mit Spitzeln konnte so erfolgreicher verwirklicht werden:
„[Aus dem MfS-Dossier über den Schriftsteller Reiner Kunze] geht auch hervor, dass der
schlimmste Stasi-Spitzel sein vermeintlich bester Freund war: Manfred Ibrahim Böhme.
Er nutzte das Vertrauen der Familie Kunze aus, um als inoffizieller Mitarbeiter ohne Not,
geschwätzig und widerwärtig beflissen seitenlange Berichte und Einschätzungen zusam-
menzutragen [. . . ]“30
„Die Opferakten enthalten weitreichende Belege dafür, wie das MfS über die Zersetzung
versuchte, [. . . ] Menschen mit in seine Strategien der Zersetzung einzubeziehen oder Ein-
griffe in das intime Leben vorzunehmen, um Familien zu zerstören.“31
Ein Analyst der Stasi-Akten spricht von „permanenter Entwürdigung der Opfer“.32
Diese Maßnahmen waren allerdings nicht durch die StPO der DDR oder andere Ge-
setze gestattet. Das MfS handelte insoweit auf Erlaß- und Befehlsebene außerhalb
des Gesetzes.
Das in der DDR geregelte strafprozessuale Verfahren enthielt in der Frühzeit des
kommunistischen Systems nur wenige gesetzliche Regelungen zu verdeckten straf-
prozessualen Ermittlungsmaßnahmen. In der Spätphase lässt sich nur ein geringer
Unterschied zur westdeutschen Regelung erkennen. So war in der letzten StPO der
DDR eine Regelung zur Überwachung der Telefongespräche enthalten, die in etwa
dem damaligen westdeutschen § 100a StPO entsprach.

b) Geheime Verfahrensleitung durch das MfS

Während § 110 StPO DDR Beschlagnahme und Durchsuchung normierte, regel-


te § 115 StPO DDR die heimliche Beschlagnahme von Postsendungen, sowie die
Überwachung und Aufnahme von Telefongesprächen.33 Diese Maßnahme wurde
oft auch äußerlich regelkonform durchgeführt, indem der Richter die Maßnahme

29
Helfritz, S. 266.
30
Worst, S. 110 f.
31
Pingel-Schliemann/Greven, S. 362 f.
32
Pingel-Schliemann/Greven, S. 415.
33
In der Sprache der DDR-StPO: Überwachung des „Fernmelders“.
34 § 4 Entwicklung von 1871 bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg

anordnete. Dabei war die Anordnung jedoch nur formeller Natur, da der Richter
keine Prüfung der durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verfassten Vor-
lage vornahm, sondern diese nur abzeichnete.34 Die Gründe für dieses Vorgehen
der Richter lagen nicht zuletzt in der Mitentscheidungskompetenz des MfS bei
der Richtereinstellung. Andererseits kam es in der Endphase der DDR auch zu
Weigerungen einzelner Richter, das Gesetz zu missachten. Das MfS war mit na-
hezu unbegrenzten Machtbefugnissen ausgestattet. Daher spricht viel dafür, dass
die Einsicht der Richter in die Machtverhältnisse des totalitären Systems sie zu vor-
auseilendem Gehorsam verführten.
In der StPO der DDR war zwar eine Aufgabenzuweisung hinsichtlich des Er-
mittlungsverfahrens enthalten. Genannt waren dort in der Anfangsperiode der DDR
(bis 1968) aber nur generell „die Untersuchungsbehörden“. Es existierte also eine
positive Regelung, doch gab diese dem Staat die Rechtfertigung, unzählige Behör-
den seiner Wahl mit der Strafverfolgung zu beauftragen. Rechtsstaatlichkeit liegt
nur scheinbar vor, da mit den „Untersuchungsorganen“ von einem unbefangenen
Leser keine Geheimpolizei assoziiert wird. Schon die Frage ob das MfS überhaupt
ermitteln durfte, war daher genauso unklar wie der geheime Umfang seiner Tätig-
keiten.35
In der DDR wurde versucht, die Fassade der Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhal-
ten. Verdeckte strafprozessuale Maßnahmen fanden vor allem unter Manipulation
der Akteure auf der justiziellen Ebene statt.36 Die Staatsführung ließ mit Hilfe des
Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) scheinbar regelkonforme Strafprozesse ab-
laufen, anstatt das Recht sichtbar zu brechen. Das tatsächliche Strafverfahren war
daher vollständig geheim.

3. Zusammenfassung

Verdecktes Vorgehen war ein Kennzeichen der sich an die Weimarer Republik an-
schließenden beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Der Nationalsozia-
lismus hatte sich der verfassungsrechtlichen Grenzen entledigt und wandte verdeck-
te Maßnahmen auch im Strafprozess ohne rechtliche Grundlage an.37 Der Schwer-
punkt des heimlichen strafprozessualen Vorgehens lag auf weitgehend freiwilliger
bzw. ideologisch motivierter Denunziation durch Spitzel aus der Bevölkerung. Der
Staat ließ teilweise die Erlass- und Befehlskette verdeckt ablaufen und verheimlich-

34
Fricke, S. 1136.
35
Vgl. zur weiteren Entwicklung Vgl. §§ 88 Abs. 2 Nr. 2 StPO der DDR vom 12.1.1968 (GBl. der
DDR I 1968, S. 49) und Marxen in: Engelmann/Vollnhals, S. 18.
36
Eine Dichotomie zwischen Normen- und Maßnahmenstaat, vgl. Fraenkel, S. 21, liegt also im
Vergleich zur Zeit des Nationalsozialismus in abgeschwächtem Maße vor.
37
Daher ist das Erfordernis des Regelungsprimats des Gesetzgebers und das der gesetzlichen Be-
stimmtheit bei den Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen heute
nicht leichter Hand zu übergehen, vgl. unten § 9, I. Gesetzliche Unbestimmtheit und Delegation
auf die Verwaltung sind mit dem Fehlen von Recht verwandt.
II. Missbrauch verdeckter Ermittlungsmaßnahmen durch Diktaturen ab 1933 35

te so schon die funktionalen internen Regeln. Für die verdeckten Ermittlungsmaß-


nahmen konnte sich daraus eine vollständige äußere Heimlichkeit ergeben. Sowohl
die Maßnahme als auch deren normative Grundlage waren geheim. Verdeckte straf-
prozessuale Ermittlungsmaßnahmen wurden in der DDR an den geltenden Gesetzen
vorbei eingesetzt, um politische Gegner zu überwachen und später auszuschalten.
§ 5 Nachkriegszeit in der
Bundesrepublik Deutschland

I. Diskussion um das allgemeine Persönlichkeitsrecht


und technische Überwachungsmaßnahmen bis 1968

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wurden in den ersten 25 Jahren der Nachkriegs-


zeit über § 12 FAG, die Postbeschlagnahme und Art. 10 GG hinaus nicht weiter
geregelt. Sowohl technisch als auch höchstpersönlich durchzuführende heimliche
Ermittlungsmaßnahmen fanden in einer rechtlichen Grauzone statt. Noch in den
50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts war die Heimlichkeit der strafprozes-
sualen Ermittlungsmaßnahmen nur ein Randthema in der Rechtswissenschaft. Der
Dreh- und Angelpunkt, an dem sich die Rechtsstaatlichkeit des Strafprozesses be-
weisen sollte, waren die Zwangsmaßnahmen.1
Die besondere Problematik der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen wurde erst
spät erkannt, obwohl mit der Postbeschlagnahme von Beginn der StPO an eine ge-
heime Maßnahme im Gesetz vertreten war. Immerhin wurde im Großkommentar
Löwe/Rosenberg noch 1958 vertreten, dass die Regelungen über die Postbeschlag-
nahme nach §§ 99, 100 StPO eine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine
Fernmeldeüberwachung und Aufzeichnung durch die Postverwaltungen im Auftrag
der Ermittlungsbehörden seien.2 Der ebenfalls gangbare Weg, die Telekommunika-
tionsüberwachung unter § 12 FAG zu fassen, konnte sich nicht durchsetzen, obwohl
der Wortlaut der Vorschrift3 keine Begrenzung auf die nachträgliche Erhebung von
Verkehrsdaten enthielt, sondern zumindest die nachträgliche Übermittlung von Ge-
sprächsinhalten durch die Post an die Ermittlungsbehörden umfasste. Außerdem
lässt sich die Vorschrift auch so auffassen, dass die Post schon vor den erwarte-
ten Telefonaten durch den Ermittlungsrichter zur Informationserhebung angewiesen
werden könnte, aber die Informationen natürlich nur nach ihrer Erhebung durch

1
Vgl. BVerfGE 3, 248 – Mehrfachbestrafung; 5, 13 – Blutgruppenuntersuchung; 9, 89 – Gehör
bei Haftbefehl; 16, 194 – Liquorentnahme; 17, 108 – Hirnkammerluftfüllung; 20, 162 – Spiegel.
2
Tillmann in: Löwe/Rosenberg, StPO20 , § 99, 100 Anm. 16.
3
Vgl. § 4, I, 4.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 37


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
38 § 5 Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland

die Post übermittelt werden können.4 Diese Ansicht lässt sich als eine nicht als
solche gekennzeichnete Frühform verfassungskonformer Reduktion interpretieren,
weil hier mit Rücksicht auf das Fernmeldegeheimnis eine enge Auslegung vertreten
wurde, die der Wortlaut so nicht erzwang. Dies wurde zudem durch subjektiv histo-
rische Auslegung gestützt, weil die spärlichen Äußerungen der Ministerialbürokra-
tie der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts eine solche Beschränkung als von Anfang an
durch den Gesetzgeber gewollt darstellen.5 Bei der späteren automatisch-analogen
Vermittlung fielen keine Verbindungsdaten an, sodass der § 12 FAG in Folge dieser
engen Auslegung in der Nachkriegszeit praktisch irrelevant wurde:
„Die Eingriffsintensität der Übermittlung von Verbindungsdaten hat infolge der seit In-
Kraft-Treten des § 12 FAG im Jahre 1928 erfolgten technologischen Neuerungen stark zu-
genommen, da immer mehr Daten für Zwecke der Strafverfolgung nutzbar geworden sind.
Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Fernmeldeanlagengesetzes wurde der Telefonver-
kehr noch manuell vermittelt. Gegenstand der Auskunft konnten nur Wahrnehmungen des
Vermittlungspersonals und die von ihnen für Abrechnungszwecke angefertigten Aufzeich-
nungen sein. Später, mit der Einführung automatisierter Vermittlungsstellen, entfiel sogar
diese Möglichkeit. In der analogen Telekommunikationstechnik wurden die für eine Ver-
bindung notwendigen Schaltungen durch elektromechanische Stellgeräte bewirkt, die nach
Ende der Verbindung in ihre Ausgangsposition zurückgingen. Verbindungsdaten waren also
nur bis zum Ende des Gesprächs verfügbar. Damit war § 12 FAG für Zwecke der Strafver-
folgung nahezu bedeutungslos geworden.“6

II. Änderungen durch das G-10-Gesetz 1968

Regelungen zur inhaltlichen Überwachung von Telekommunikation und zu ande-


ren technischen verdeckten Maßnahmen gab es bis in die späten 60er Jahre des 20.
Jahrhunderts nicht. Zu einem effektiven Instrument materieller Wahrheitsfindung
konnten verdeckte Ermittlungsmaßnahmen erst werden, nachdem die Telekommu-
nikation sich im Alltag durchgesetzt hatte. Außerdem musste die elektronische
Überwachungstechnik zu Ermittlungszwecken erst praktikabel einsetzbar und bud-
getmäßig verfügbar werden.
§ 100a StPO wurde 1968 als Beschränkung des Art. 10 GG in die StPO ein-
gefügt. Die Norm wurde mit den Notstandsgesetzen durch Art. 2 Nr. 2 des Geset-

4
Zwar wurde anerkannt, dass § 12 FAG die Befugnis des Richters bzw. Staatsanwaltes umfasse,
Informationen über Teilnehmen, Dauer und sogar Inhalte der Gespräche von der Post anzufordern,
jedoch nur soweit diese Daten in der Vergangenheit bei der Post angefallen seien. Die Strafver-
folger durften danach nur nicht die Post dazu verpflichten in der Zukunft zu überwachen und
aufzunehmen oder die Maßnahme selbst durchzuführen, vgl. Schmidt, Lehrkommentar zur Straf-
prozessordnung, § 99 Rdn. 8 f.: „Als unzulässig ist das Abhören der Gespräche durch den Richter
oder Staatsanwalt (oder etwa einen beauftragten Polizeibeamten) anzusehen; [§ 12 FAG] deutet
in dieser Hinsicht nichts an und kann in diesem Sinne nicht ausgelegt werden. [. . . ] Es ist Löwe-
Rosenberg (S. 313/4) zuzustimmen, dass diese Frage nicht aus § 12 [FAG], sondern aus § 99, 100
StPO zu beantworten ist.“
5
Vgl. § 4, I, 4, b), bb).
6
BVerfGE 107, 299.
III. Weitere Änderungen bis 1992 39

zes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses7 , sog. G-10-
Gesetz, in die StPO aufgenommen. Das insgesamt präventiv ausgerichtete Gesetz
enthielt auch repressive Normen. Die Begründung des Gesetzentwurfs spricht von
einem
„dringenden Regelungsbedürfnis, vor allem angesichts einiger Fälle von erpresserischen
Kindesentführungen in den Jahren zuvor.“8
Der Straftatenkatalog beschränkte sich aber schon in der Urfassung der Norm
keineswegs auf Kindesentführungen, sondern umfasste auch andere bestimmte Fäl-
le der Schwerkriminalität. Eine dynamische Verweisung auf die in § 138 StGB
genannten gemeingefährlichen Straftaten war auch vorhanden. Nach Anzahl und
Detailreichtum überwog das politische Strafrecht. Die Aufnahme der Staatsschutz-
delikte ist plausibel, wenn man den Anlass des G-10-Gesetzes und der übergeord-
neten Notstandsgesetze bedenkt. Auf die durch politischen Terrorismus veränderte
Sicherheitslage sollte nicht nur durch präventive Bekämpfung, sondern auch durch
strafprozessuale Normen repressiv reagiert werden.9
Danach waren die Notstandsgesetze mit dem G-10-Gesetz das Mittel, um die
inhaltliche Telefonüberwachung in die StPO einzufügen. Bereits das G-10-Gesetz
war verfassungsrechtlich umstritten und wurde durch das Bundesverfassungsgericht
eingegrenzt.10

III. Weitere Änderungen bis 1992

1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht im Strafprozess nach der


Tonbandentscheidung des BVerfG

In der sog. Tonbandentscheidung des BVerfG wurde festgestellt, dass heimliche


Tonaufnahmen im Privatbereich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2
Abs. 1 GG (i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingreifen:
„Private Gespräche müssen geführt werden können ohne den Argwohn und die Befürch-
tung, daß deren heimliche Aufnahme ohne die Einwilligung des Sprechenden oder gar
gegen dessen erklärten Willen verwertet wird.“11
Die sich daraus ergebenden grundsätzlichen Probleme für verdeckte strafprozes-
suale Ermittlungsmaßnahmen, wurden aber lediglich angedeutet. Gegenstand der
Entscheidung war keine ursprünglich staatliche Maßnahme, sondern die Verwer-
tung eines heimlich durch einen Privatmann aufgenommenen Gesprächs.12

7
Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949).
8
BTDrucks V/1880, S. 7; Niehaus, S. 24.
9
Schumacher, S. 166.
10
BVerfGE 67, 157 – G 10.
11
BVerfGE 34, 238, 247 – Tonband.
12
BVerfGE 34, 238, 248 – Tonband: „Da nicht ein Zugriff der öffentlichen Gewalt auf den absolut
geschützten Persönlichkeitsbereich in Frage steht, wäre die Verwertung des Tonbandes zulässig,
40 § 5 Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland

2. Anwachsen des Kataloges des § 100a StPO

Von 1968 an hat der Gesetzgeber den Katalog des § 100a StPO mehrfach modifiziert
und dabei fast immer erweitert.13 Die Regelung der Telekommunikationsüberwa-
chung entwickelte sich von einer selten angewandten Ausnahmevorschrift zu einer
häufig eingesetzten Ermittlungsmaßnahme, wenn auch unter strengen Auflagen. In
den ersten Jahren nach der Einführung des § 100a StPO erfolgten indirekte Ände-
rungen durch Modifikation einschlägiger Vorschriften des StGB oder des WaffG.14
Eine Änderung, die dem Katalog eine völlig neue Richtung gab, war die Auf-
nahme des Betäubungsmittelstrafrechts als neue Nr. 4 des § 100a StPO.15 Damit
wurde der Weg für den neuen Fokus des § 100a StPO geebnet: Der Katalog richtete
sich von nun an verstärkt gegen die Organisierte Kriminalität. Diese Entwicklung
wurde in der Folgezeit weitergeführt.16

3. Entscheidungen des BVerfG zum Recht auf informationelle


Selbstbestimmung

Bis in die Zeit zwischen 1968 und 1992 ergingen mit dem Mikrozensus- und Volks-
zählungsurteil Entscheidungen zur Begründung des Rechtes auf informationelle
Selbstbestimmung.17 Die möglichen fundamentale Auswirkungen auf das Strafpro-
zessrecht wurden erst mit Verzögerung und nicht gesondert für verdeckte Ermitt-
lungsmaßnahmen diskutiert.18

wenn sie sich durch ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen ließe. Das ist
nicht der Fall.“
13
Vgl. dazu größtenteils kritisch Staechelin, KJ, Nr. 28, 1995, S. 472; Hirsch, Ausufernde Tele-
fonüerwachung im Strafverfahren? Bemerkung zur Aushöhlung des Art. 10 GG, S. 132; Krause,
Großer Lauschangriff – Anmerkungen eines Verteidigers zur gesetzlichen Ausgestaltung in der
Strafprozessordnung, S. 235; Niehaus, S. 26.
14
Vergleiche im Einzelnen zu den Änderungen die detaillierte Zusammenstellung bei Niehaus,
S. 26 ff.
15
1. Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. 12. 1974, BGBl. I (1974), S. 3393.
16
Niehaus, S. 26 ff.
17
BVerfGE 27, 1 Mikrozensus; 65, 1 Volkszählung.
18
Vgl. Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 11 ff.
IV. Wesentliche Änderungen von 1992 bis 2007 41

IV. Wesentliche Änderungen von 1992 bis 2007

1. Bedeutungswandel und schnelles Ende des § 12


Fernmeldeanlagengesetz (FAG)

Mit der technischen Änderung des analogen Telefonverkehrs hin zur Digitalisierung
wurde der früher ein Schattendasein fristende § 12 FAG plötzlich für kurze Zeit
bedeutend:
„Dies [die Bedeutungslosigkeit des § 12 FAG durch analoge Elektronik] hat sich geän-
dert, seit die analoge Vermittlungstechnik durch Einführung der digitalen Technik ersetzt
worden ist. Für jede Kommunikationsbeziehung wird im digitalen Netz ein Datensatz er-
zeugt, der der rechnergesteuerten Herstellung und Aufrechterhaltung der Verbindung dient.
Diese Daten werden überschrieben und damit gelöscht, wenn die Verbindung von einem
herkömmlichen analogen Anschluss hergestellt worden ist. Ist sie hingegen von einem
Anschluss aufgebaut worden, bei dem die Digitalisierung der Sprachsignale bereits im End-
gerät des Teilnehmers erfolgt, werden die Verbindungsdaten bis zur Rechnungserstellung
gespeichert.“19

Bevor sich die neue Bedeutung des § 12 FAG aber in der Praxis niederschlagen
konnte, wurde die Vorschrift außer Kraft gesetzt und inhaltlich modifiziert in § 100g
StPO wieder eingeführt.20

2. Änderungen durch das OrgKG von 1992

1992 wurden mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels
und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ (OrgKG) Ände-
rungen vorgenommen, die auch die verdeckten strafprozessualen verdeckten Er-
mittlungsmaßnahmen betrafen. Der kriminalpolitische Hintergrund dieses Ände-
rungsgesetzes ergibt sich aus den Grenzöffnungen im Zusammenhang mit dem Zu-
sammenbruch des Ostblocks, der Erweiterung des „Schengenraumes“ und den neu-
en Möglichkeiten der Informationstechnik. Der sicherheitspolitische Akzent ver-
schob sich von der Bekämpfung des Terrorismus’ eindeutig auf die Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität.

a) Neue Regelung verschiedener verdeckter Ermittlungsmethoden

Mit dem OrgKG wurden die Regelungen der akustischen Wohnraumüberwachung


(§§ 100c, d StPO), der Rasterfahndung (§§ 98a ff. StPO) und des Verdeckten Ermitt-

19
BVerfGE 107, 299.
20
Vgl. unten § 5, IV, 2 a).
42 § 5 Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland

lers (§§ 110a ff. StPO) als strafprozessuale Maßnahmen in die StPO eingeführt.21
§ 12 FAG trat mit Ablauf des 31.12.1997 außer Kraft und wurde mit dem 1. Januar
2002 durch die §§ 100g und 100h StPO ersetzt.

b) „Großer Lauschangriff“: Ergänzung des Art. 13 GG um Abs. 3

Bereits Mitte der 90er Jahre begann eine kontroverse Diskussion um die Einführung
einer Befugnisnorm zur heimlichen Wohnraumüberwachung in die StPO.22
1998 wurde Art. 13 GG um Abs. 3 ergänzt, der die verdeckte Überwachung des
Wohnraums zu strafprozessualen Zwecken – sog. „Großer Lauschangriff“ – unter
bestimmten Bedingungen erlaubt:
„(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz ein-
zeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat
auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von
Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn
die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aus-
sichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit
drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen
einzelnen Richter getroffen werden.“23

Diese eindeutige Regelung einer verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-


me ist ein Novum im Verfassungsrecht.
Nachfolgend wurde mit § 100c Abs. 1 Nr. 3 a. F. StPO eine die Anforderun-
gen des Art. 13 Abs. 3 GG umsetzende Regelung zum sog. „großen Lauschangriff“
erlassen.24 Die gesetzliche Regelung wurde zusammen mit zugehörigen Hilfsvor-
schriften durch ein Urteil des BVerfG für verfassungswidrig erklärt.25 Danach wur-
de sie mit dem gesetzgeberischen Willen, den in der Entscheidung aufgestellten
Anforderungen des BVerfG zu genügen, neu gefasst.

V. Gesetz zur Neuregelung der


Telekommunikationsüberwachung 2007

Zuletzt wurde das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung


und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtli-

21
Zu den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen und insbesondere den neuen Regelungen, ergingen
einige Entscheidungen des BVerfG. BVerfGE 93, 181 – Rasterfahndung I; 100, 313 Telekommu-
nikationsüberwachung I; 106, 28 Mithörvorrichtung; NJW 2007, 351 IMSI-Catcher. Zu weiteren
Einzelheiten Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 100c Rdn. 1.
22
Vgl. § 24, III.
23
Eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz vom 26.3.1998 I 610 mit Wirkung vom 1.4.1998.
24
Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OrgKVerbG) vom
4.5.1998 mit Wirkung vom 9.5.1998.
25
BVerfGE 109, 279 – Großer Lauschangriff. Art. 13 Abs. 3 GG wurde hingegen nicht als „ver-
fassungswidriges Verfassungsrecht“ im Sinne des 79 Abs. 3 GG angesehen.
VI. Zwischenergebnis 43

nie 2006/24/EG vom 21.12.2007“ erlassen.26 Durch diese gesetzlichen Neuregelun-


gen wurden Vorgaben durch Verfassungsgerichtsurteile und europäische Vereinba-
rungen umgesetzt. Im Zuge dieser Reformierung der verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen wurden die gesetzlichen Regelungen zudem weiter sys-
tematisiert. Die Einführung der sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung für Ver-
kehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) wurde in § 113a Telekommunikationsgesetz (TKG)
und in der Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKüV) eingeführt. Die-
se konnten nach § 100g StPO abgerufen werden.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen verdeckte strafprozessuale Ermitt-
lungen waren damit aber keineswegs erledigt. Die Frage der Beschlagnahme von E-
Mails musste durch das BVerfG entschieden werden.27 § 100g Abs. 1 S. 1 StPO und
die Hilfsvorschriften im TKG für die Abfrage von Telekommunikationsverkehrs-
daten aus der Vorratsdatenspeicherung wurden durch das BVerfG für (teil-)nichtig
erklärt.28 Die Verwertung von heimlichen Privatermittlungen wurde ebenfalls29 ein
Fall für das BVerfG.30
Die Diskussion um eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung dauert ge-
genwärtig noch an. Mit der im Eingangs dieser Arbeit dargestellten31 neuen techni-
schen Möglichkeit der Online-Durchsuchung von Computern wurden weitere Pro-
bleme aktuell.32

VI. Zwischenergebnis

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen waren bis weit ins 18. Jahrhundert kein nen-
nenswerter Bestandteil des Strafprozesses. Heimliches Vorgehen war zwar bekannt,
doch beschränkte es sich auf den diplomatischen und militärischen Bereich. Kri-
minalistisch wurden die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen erst in den absolutis-
tischen Staaten der Neuzeit zur Verfolgung politischer Straftaten eingesetzt. Die
Konstitutionen des 19. und 20. Jahrhunderts beschränkten diese Praxis mit der Ein-
führung des Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnisses. Gesetzliche Befugnisse der
Ermittlungsbehörden wurden erstmals mit der Regelung der Postbeschlagnahme
Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Kurz darauf wurden ein Gesetzesvorbehalt
und eine Ausnahme vom Schutz des Telegraphengeheimnisses in § 8 des Geset-
zes über das Telegraphenwesen vorgesehen. Die Fernmeldeüberwachung wurde

26
In Kraft getreten am 1.1.2008.
27
BVerfGE 124, 43 – Beschlagnahme von E-Mails.
28
BVerfGE 125, 260 – Vorratsdatenspeicherung.
29
Vgl. § 5, III, 1
30
BVerfG NStZ 2011, 103 ff. Verwertung heimlicher Privatinformationen (Steuer-CD aus Lich-
tenstein).
31
Vgl. den Beispielfall § 1, I.
32
BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchungen; weitere technische Neuerungen ergeben sich aus
der Möglichkeit flächendeckender Überwachung, vgl. BVerfGE 120, 378 – Automatisierte Kenn-
zeichenerfassung.
44 § 5 Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland

als strafprozessuale Maßnahme in § 12 des FAG von 1928 eingeführt. Mit der
Reichstagsbrandverordnung von 1933 wurden die Beschränkungen aufgelöst und
das Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnis außer Kraft gesetzt. Die Ermittlungs-
behörden waren dadurch von der Gesetzesbindung bei heimlicher Überwachung
befreit.
Wie in der Bundesrepublik gab es auch in der DDR gesetzliche Beschränkun-
gen der Telekommunikationsüberwachung, die aber im Bereich politischer Delikte
nicht beachtet wurden. In der Bundesrepublik wurde das Regelungssystem der ver-
deckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen als Reaktion auf Terrorismus,
Organisierte Kriminalität und neue technische Entwicklungen ab Ende der 1960er
Jahre fortwährend ergänzt. Verfassungsbeschwerden führten dazu, dass sich das
Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber in ständiger Aktion und Reakti-
on mit dem Regelungsbereich befassten. Die strittigen Grundfragen sind bis heute
nicht gelöst und müssen nicht nur in Bezug auf technische Neuerungen beantwortet
werden.
Teil III

Verfassungsrechtliche Vorgaben
§ 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht
und Strafprozessrecht

Bereits im historischen Teil wurde angedeutet, dass die Rechtsprechung des


Bundesverfassungsgerichts einen großen Einfluss auf die Entwicklung der der-
zeitigen Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen in
den §§ 98a, 99, 100a, 100c bis 100i, 110a, 163d bis 163f StPO hatte.1 Ob die-
ser Einfluss zu Recht besteht und wie er sich gegebenenfalls auf die Regelungen
der verdeckten Maßnahmen auswirkt, erfordert im Folgenden eine grundsätzli-
che Klärung des Verhältnisses zwischen Strafprozessrecht und Verfassungsrecht.
Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die StPO ist nur punktuell im Grundge-
setz geregelt. Unklar bleibt danach, wie das Verfassungsrecht die Vorschriften
der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen darüber hinaus generell
bestimmt.

I. Ausdrückliche Regelungen und Lücken im Grundgesetz

Einige besondere strafprozessuale Vorschriften finden sich im Grundgesetz wieder,


beispielsweise in Art. 46 Abs. 2 und 4 und in Art. 47 GG für die besonderen Rechte
der Abgeordneten oder in Art. 92 GG für den Richtervorbehalt im Kernbereich der
Strafrechtspflege. Außerdem sind in den sog. justiziellen Grundrechten der Art. 101
bis Art. 104 GG bestimmte Anforderungen an das Strafverfahren enthalten. Das
reicht vom Recht auf den gesetzlichen Richter bis zu den Verfassungsgarantien im
Falle der Freiheitsentziehung, die bestimmte Anforderungen an das Strafverfahren
stellen.2
Art. 13 Abs. 3 GG begrenzt die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen, allerdings nur für den klar definierten Bereich der akustischen Wohnraum-
überwachung. An dieser Stelle wird ein „technisches Mittel“ „zur Verfolgung der
Tat“, also eine besondere Maßnahme der verdeckten strafprozessualen Ermittlung

1
Vgl. § 5, III, 1.
2
Krey/Krey, Rdn. 29.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 47


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
48 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

ausdrücklich erwähnt. Darüber hinaus schweigt das Grundgesetz aber und ist so für
die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen lückenhaft.

II. Offene Fragen

Die ausdrückliche Erwähnung einer strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme im


Grundgesetz, Art. 13 Abs. 3 GG, ist eine singuläre Ausnahme. Art. 10 GG verfügt
über keine mit Art. 13 Abs. 2 GG vergleichbare Regelung, obwohl ein Eingriff in
dieses Grundrecht durch verdeckte Telekommunikationsüberwachung auf der Hand
liegt. Auch die Schrankenregelungen der anderen Grundrechte sind allgemein ge-
halten.
Soweit besondere Bestimmungen fehlen, stellt sich die Frage, ob die Verfas-
sung dennoch Maßstäbe für die Regelungen der verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen vorgibt. Der Einfluss des Verfassungsrechts geht über die
genannten punktuellen Regelungen hinaus, ist im Grundsatz ungeregelt und daher
klärungsbedürftig. Die Konflikte aus dem Zusammenspiel der Verfassung mit den
betreffenden Vorschriften der StPO führen zu folgenden Fragen:
1. Was gibt die Verfassung dem Gesetzgeber vor?
2. Welche Vorgaben macht sie den Rechtsanwendern?
3. Wie sind dabei Kompetenzen des Gesetzgebers, des BVerfG, der einfachen Ge-
richte und der Exekutive abzugrenzen?
Die Antworten müssen sich aus der Verfassung ergeben. Wie sich die in der For-
mulierung sehr allgemein gehaltenen und daher interpretationsoffenen Artikel des
Grundgesetzes zu den verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen verhal-
ten, kann nur über das allgemeine Verhältnis zwischen Verfassung und StPO geklärt
werden.

III. Streit um die Einflussnahme des Verfassungsrechts


auf die Eigenständigkeit der StPO

Zur Lösung der vorstehend in 1.–3. angesprochenen Grundprobleme werden ver-


schiedene Ansätze vertreten.

1. Rechtsprechung: „Konkretisierung der Grundrechte“


und „angewandtes Verfassungsrecht“

Das BVerfG hat sich zum zwischen Grundgesetz und StPO bestehenden Verhält-
nis anlässlich eines konkreten Falles geäußert, in dem es um den Zugriff auf eine
III. Streit um die Einflussnahme des Verfassungsrechts auf die Eigenständigkeit der StPO 49

Karteikarte in einer ärztlichen Praxis ging. Das BVerfG führte zur Beschlagnahme-
freiheit solcher Karteikarten gemäß der Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO aus:

„[Die Vorschrift] ist damit auf einem Teilgebiet eine gesetzliche Konkretisierung des
Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht
äußert seine Wirkung bereits innerhalb der bestehenden Gesetze des Strafverfahrens, das
mit Recht als angewandtes Verfassungsrecht verstanden wird.“3

Auch in der Literatur erfährt dies weitgehend Zustimmung: Die heute anerkannte
Ausstrahlungswirkung der Grundrechte reicht sogar bis in die nichtverfassungs-
rechtlichen Rechtsbereiche hinein.4 Sie betrifft zum einen das Privatrecht und muss
erst recht für das Strafprozessrecht gelten, weil es unmittelbare Konflikte zwischen
Bürger und Staat regelt.
Im Schrifttum wird aber nicht nur eine Ausstrahlungswirkung angenommen. Das
Verfassungsrecht sei, „Fundament des rechtsstaatlichen Strafprozesses.“5
Böckenförde sieht für die Grundregeln des Strafverfahrens keinen Unterschied
zwischen Strafprozessrecht und Verfassungsrecht:
„Im Übrigen zeichnen sich [die die innere Sicherheit betreffenden] Rechtsgebiete dadurch
aus, dass sie einerseits an besonderen Zwecken und Problemen des von dem staats-
rechtlich geregelten Grundverhältnis Staat-Bürger, Staat-Gesellschaft mitbetroffen und
geprägt werden. So sind z. B. Grundregeln des heutigen Straf- und Strafprozeßrechts,
des Gerichtsverfassungs- und des Polizeirechts zugleich Staats- und Verfassungsrecht
(Art. 102, 103, Art. 101, Art. 104 GG).“6

Eberhard Schmidt und ihm folgende Stimmen bezeichnen schließlich das ge-
samte Strafprozessrecht als angewandtes Verfassungsrecht:
„Als „Ausführungsgesetz“7 zum BGG [gemeint ist das Grundgesetz] steckt sie [die StPO]
im Einzelnen die Grenzen ab, innerhalb deren zu Zwecken der Strafverfolgung ein Ein-
bruch in die verfassungsmäßig garantierten Freiheitsrechte statthaft ist. Grundsätzlich be-
hält auch der Beschuldigte im Strafverfahren das Recht der persönlichen Freiheit.“8

3
BVerfGE 32, S. 373, 383; BGHSt 19, 325, 330; Sax in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 967.
4
Ernst W. Böckenförde, S. 13; Hesse, S. 118 ff. und S. 10 f.
5
Wolter, NStZ 1993, S. 1 ff.
6
Ernst W. Böckenförde, S. 13.
7
Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung, Rdn. 279.
8
Geppert, S. 236 stimmt Schmidt zu und hält die zitierte Aussage für „allgemein bekannt“. Auch
andere schließen sich dem Standpunkt Schmidts an, vgl. Kühne, § 2 I 1 Rdn. 20: „Eine das gesamte
Strafverfahrensrecht leitende und korrigierende Funktion hat das Grundgesetz (GG). Eberhard
Schmidt hat deshalb sehr zutreffend die Strafprozessordnung als angewandtes Verfassungsrecht
bezeichnet.“ Vgl. auch Schmidhäuser/Alwart, 5/34; Sachs in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner,
S. 966. Das BVerfG und die Rechtsprechung des BGH teilen diese Ansicht, BVerfGE 32, 373,
383; BGHSt 19, 323, 330. So auch der Gesetzgeber im RegEntw. des 1. StrVRG: „Ein Gesetz, das
in so starkem Maße wie die StPO angewandtes Verfassungsrecht ist“, BTDrucks 7/551 S. 32.
50 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

2. Eigenständigkeit der StPO betonende Kritik aus der Literatur

Einige Stimmen in der Literatur betonen gegenüber der Verquickung von Verfas-
sungsrecht und Strafprozessrecht die Eigenständigkeit der StPO. Während Kühne
die vorstehende weitreichende Aussage Eberhard Schmidts als „sehr zutreffend“
bezeichnet,9 hält Krey sie für „jedoch nur teilweise zutreffend.“10 Richtig sei auch
nach seiner Ansicht zwar, dass gesetzgebende und rechtsprechende Gewalt die Wer-
tungen der Verfassung zu respektieren und zu konkretisieren haben. Dies ergebe
sich aus Art. 20 Abs. 3 GG. Insoweit sei an einen gerechten Ausgleich zwischen
Erfordernissen einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung und der Pflicht
zum Schutz der Grundrechte des Beschuldigten und sonstiger Verfassungswerte
erinnert. Er weist auch darauf hin, dass das Strafprozessrecht zu Recht auch als
„Seismograph der Rechtsstaatlichkeit“ bezeichnet werde.11
Anderseits unterstreicht Krey mit Nachdruck, dass das geltende Strafverfahrens-
recht primär in der StPO und dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) enthalten sei.
Beide Kodifikationen hätten schon bei ihrer Schaffung 1877 einen rechtsstaatlich-
liberalen Strafprozess garantiert und täten das heute in verstärktem Maße. Daher
stehe fest:
„Das geltende Recht ist auch für den Strafprozess nicht einfach aus der Verfassung abzule-
sen.“12

Krey mahnt daher zu Zurückhaltung und appelliert an das BVerfG, der Legislative
und vor allem den Strafgerichten mehr Entscheidungsspielraum zu überlassen.13
Niemöller und Schuppert warnen davor, dass das Strafverfahrensrecht von einer
Teilrechtsordnung mit Eigenständigkeitsanspruch zum Anhängsel des Verfassungs-
rechts abzusinken drohe. 14
Arzt meint, das Strafverfahrensrecht sei durch eigene Schuld der Strafprozess-
rechtswissenschaft zu einer „Kolonie des Verfassungsrechts geworden“, in der
rechtspolitischer Einfluss durch verfassungsrechtliche Generalklauseln ausgeübt
werde.15 Teilweise wird allgemein für das Verhältnis zwischen Verfassungsgericht
und anderen Staatsgewalten bemängelt, dass die Verfassung die Gesetzesauslegung
so beeinflusse, dass die betreffenden Gesetze nicht mehr allein aus sich heraus
verständlich seien. Dies wird beispielsweise in Bettermanns kritisch-ironischer
Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Verfassung und einfachem Recht
deutlich:
„Die Verfassung überlagert nicht nur das „einfache“ Recht – wie meistens, ist schon der
Sprachgebrauch verräterisch – sie durchdringt es, durchgeistigt und erleuchtet es: Diese

9
Kühne, § 2 I 1 Rdn. 20.
10
Krey/Krey, § 2 Rdn. 28.
11
Vgl. auch „Seismograph der Staatsverfassung“ Ranft, S. 33 ff.
12
Krey/Krey, § 2 Rdn. 28.
13
Krey/Krey, § 2 Rdn. 28.
14
Niemöller/Schuppert, Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. 107, 1982, S. 411 ff.
15
Arzt, Die deutsche Strafrechtswissenschaft zwischen Studentenberg und Publikationsflut,
S. 847 f.
III. Streit um die Einflussnahme des Verfassungsrechts auf die Eigenständigkeit der StPO 51

Gesetze sind im Geiste, im Lichte, nach den Wertvorstellungen des Grundgesetzes aus-
zulegen und anzuwenden – sie werden also durch das Grundgesetz modifiziert, korrigiert
und revidiert. Nicht das Gesetz allein schafft und verlautbart dem Volk sein Recht, sondern
Gesetz und Verfassung, das Gesetz nur nach Maßgabe der Verfassung.“16

3. Eigene Ansicht

Bei genauer Analyse des wissenschaftlichen Meinungsbildes sind Verfassungs- und


Strafprozessrecht nach allen Ansichten miteinander verbunden.17
Rechtlich tragfähige, in sich geschlossene Konzepte, die klare Kriterien für die
durch das BVerfG ausgeübte Kontrolldichte enthalten, werden innerhalb der wis-
senschaftlichen Streitigkeiten nicht erarbeitet. Die Ergebnisse beschränken sich auf
unbestimmte Forderungen nach „mehr“ oder „weniger“ Einflussnahme des BVerfG.
Die zugehörigen rein rechtspolitischen Argumente sind letztlich darin begründet,
dass die Entscheidungen des BVerfG entweder die eigenen politischen Auffassun-
gen bestätigen oder diesen entgegenstehen. Die vorgenannten Ansichten können
daher keine Klärung der Problematik herbeiführen.
Dies gilt nicht nur für die kritischen Stimmen, die den Einfluss des BVerfG
auf das Strafprozessrecht für zu stark halten. Das BVerfG hält die Regelungen
des Ermittlungsverfahrens zumindest teilweise für Konkretisierungen der Grund-
rechte und behandelt die StPO insgesamt als angewandtes Verfassungsrecht. Daher
überprüft das BVerfG die entsprechenden gesetzlichen Regelungen und Rechtsan-
wendungen teilweise bis ins Detail.18 Auch die mit diesem Vorgehen weitgehend
zufriedene herrschende Meinung kommt argumentativ nicht darüber hinaus, den
Grundsatz der „Einheit der Rechtsordnung“ und die Erstrangigkeit der Verfassung
zu akzentuieren. Dies ist aber dogmatisch ebenso wenig überzeugend. Aus dem
Zusammenhang der Verfassung mit der StPO im Sinne der „Einheit der Rechtsord-
nung“ kann nicht mehr als der unstrittige Allgemeinplatz gefolgert werden, dass
die StPO der Verfassung nicht widersprechen darf.19 Auch aus dem unbestreitbar
höheren Rang des Grundgesetzes ergeben sich keine inhaltlichen Antworten.20

16
Bettermann, S. 11.
17
Burgi in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Assmann/Voßkuhle § 18 Rdn. 81 ff.
18
Siehe die Ausführungen § 6, III, 1.
19
„Das Postulat der ,Einheit der Rechtsordnung‘ wird im Hinblick auf den Verbund zwi-
schen Strafrecht und Öffentlichem Recht vielfach behauptet, erweist sich aber wiederum als zu
unspezifisch, um letztlich mehr als eine Scheindeterminante sein zu können.“ Burgi in: Hoffmann-
Riem/Schmidt-Assmann/Voßkuhle, § 18 Rdn. 89 m. w. N.
20
Vgl. Aulehner, S. 404, der die Gehaltlosigkeit andeutet, wenn er schreibt, dass „[. . . ] grund-
sätzlich dem Grundgesetz im Verhältnis zum einfachen Recht der höhere Rang zukommt und das
hieraus resultierende Subordinationsverhältnis wohl zu relativieren ist, aber nicht gänzlich ver-
neint werden kann.“
52 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

a) Kompetenzproblem als staatsrechtliche Frage der Gewaltenteilung

Das Verhältnis zwischen den Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in


der StPO und dem Verfassungsrecht ist letztlich eine rein staatsrechtliche Frage der
Gewaltenteilung. Das Grundgesetz hat sie zugunsten des BVerfG entschieden. Das
BVerfG darf selbst definieren, in welche Tiefe des einfachen Rechts die Verfassung
„ausstrahlt“. Je mehr Vorgaben aus dem Verfassungsrecht abgeleitet werden, desto
mehr Macht hat das BVerfG als maßgebliche Auslegungsinstanz gegenüber dem
Gesetzgeber der StPO. Dessen Spielraum wird entsprechend kleiner:
„Letztlich läuft damit das Kontrollproblem darauf hinaus, dass dem Bundesverfassungsge-
richt in der Abgrenzungsfrage zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbar-
keit weitgehend die Kompetenz-Kompetenz zusteht.“21

Die Verfassung sieht die Aufgabe des Gesetzgebers darin, verfassungskonforme


Gesetze zu erlassen. Der Gesetzgeber ist daher frei, in sich geschlossene Regelungs-
konzepte zur Erfüllung seiner Aufgaben zu erlassen. Das BVerfG kann diese Geset-
ze aber vollumfänglich auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Das BVerfG ist
insoweit nicht reglementiert, da es den Verfassungstext letztverbindlich auslegt. Die
Macht des BVerfG wird nur durch die Verfassungsänderungen der Legislative,22 die
ihr obliegenden Personalentscheidungen und durch das Volk direkt im Rahmen des
Art. 20 Abs. 4 GG und des Art. 146 GG begrenzt.
Die Entscheidungen des BVerfG binden nach § 31 Abs. 1 BVerfGG alle Ver-
fassungsorgane, Gerichte und Behörden. In den Fällen des § 31 Abs. 2 BVerfGG
haben sie sogar Gesetzeskraft. Selbst bestimmte Auslegungen einer Norm können
für verfassungswidrig erklärt und verboten werden, vgl. § 79 Abs. 1 BVerfGG. Die
Auslegung der Verfassung muss sich daher primär mit der durch die verfassungs-
gerichtliche Rechtsprechung entwickelten Dogmatik beschäftigen und ihre Lücken
und Widersprüche beseitigen. Kritik kann auch an den grundlegenden Axiomen der
verfassungsrechtlichen Dogmatik ansetzen. Dazu muss von der Wissenschaft erar-
beitet werden, was sie an Stelle der Verfassungsrichter unter den Regelungen des
Grundgesetzes verstehen würde. Zur methodischen Ehrlichkeit gehört es, dies kon-
sequent zu benennen.

b) Unterscheidung zwischen Rechtskritik und Verfassungs- bzw. Machtkritik

Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Aussage falsch ist, das
Bundesverfassungsgericht dürfe ein bestimmtes Urteil über die Verfassungsmäßig-
keit einer staatlichen Maßnahme aus mangelnder Kompetenz nicht treffen.23 Das

21
Ossenbühl, Hamburg, Deutschland, Europa, S. 139.
22
Vgl. die Änderung des Art. 13 Abs. 3 GG, § 5, IV, 2 b).
23
Alleweldt, S. 318 hält eine allgemeine Kompetenz des BVerfG, ein strafprozessuales Verfah-
ren zu überprüfen, für „abwegig und absurd“ Auch Schroeder, JuS 1995, S. 877 sieht in einem
zu starken Einfluss des BVerfG auf die Rechtsprechung der Fachgerichte eine Kompetenzüber-
schreitung. In der Entscheidung zum Gewaltbegriff des materiellen Strafrechts hatte das BVerfG
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 53

BVerfG hat lediglich eine unmittelbar wirkende Verwerfungskompetenz, aber keine


konstruktiven Rechtssetzungsbefugnisse. Nur in Bezug auf die Gesetzgebungskom-
petenz ist seine Kompetenz begrenzt. Das BVerfG hat die Kompetenz-Kompetenz,
über die verfassungsrechtliche Relevanz staatlicher Maßnahmen zu entscheiden.24
Der Inhalt der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts darf aber rechts-
dogmatisch kritisiert werden. Man kann zu dem Ergebnis kommen, dass die über-
prüfte Maßnahme entgegen der Ansicht des Verfassungsgerichts verfassungsmäßig
bzw. verfassungswidrig ist.25
Wenn dem BVerfG vorgeworfen wird, seine Kompetenz zu überschreiten, weil es
den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch ein zu weitgehendes Verständ-
nis der Verfassungsvorgaben einenge,26 ist dies keine dogmatische Beanstandung
aktueller Entscheidungen. Vielmehr geht es um eine Kritik an der verfassungs-
mäßigen Machtposition des Bundesverfassungsgerichts.27 Dies betrifft auch die
Frage, ob und in welchen Fällen das BVerfG dem Gesetzgeber einen Entschei-
dungsspielraum zubilligen muss. Soweit seine Gesetze verfassungsmäßig sind, hat
der Gesetzgeber Entscheidungsspielraum. Sind die Gesetze verfassungswidrig, hat
er ihn nicht.

IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer


Ermittlungsmaßnahmen

Für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung hat die Reduzierung des Unter-
schiedes zwischen Strafprozessrecht und Verfassungsrecht auf Kompetenzprobleme

systematische und historische Auslegungskriterien bei der Überprüfung des § 240 StGB auf
seine Verfassungsmäßigkeit verwendet. A.a.O. hielt dies für eine Kompetenzüberschreitung des
BVerfG. Die Überprüfung der Zulässigkeit einer sozialrechtlichen Klage im Ausgangsverfah-
ren wurde wegen der engen Verknüpfung des Prozessrechts dieses Verfahrens (dort: SGG) und
des Verfassungsprozessrechts vom BVerfG entsprechend einer verfassungsrechtlichen Vorfrage
geprüft, BVerfGE 67, 26. Die Literatur kritisierte das Gericht scharf wegen dieser angeblichen
Kompetenzüberschreitung, vgl. Benda/Klein, Rdn. 850 m. w. N.: „Höhepunkt dieser zweifelhaften
Rechtsprechung“.
24
Vgl. § 6, III, 3, a).
25
Eine andere Frage ist, ob Kritik an der Dogmatik von Verfassungsprinzipien wie dem Ver-
hältnismäßigkeitsprinzip (vgl. § 9, II), dem Bestimmtheitsprinzips (vgl. § 9, I) oder anderen
ungeschriebenen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips nur vordergründig die Sache und hinter-
gründig die Kompetenzfrage betreffen. Da es aber nicht auf die Gesinnung des Kritikers, sondern
auf die dogmatische Überzeugungskraft der Argumente ankommt, ist dies unerheblich.
26
Vgl. Eckertz, Der Staat 1978, S. 183 f.: „Da aber den politischen Instanzen die juridische
Einengung ihres Entscheidungsspielraums in öffentlich umkämpften Fragen nicht unwillkommen
ist [. . . ], muss eine Kritik sich zugleich gegen das BVerfG und die politischen Träger der Macht
richten. Der Maßstab der Kritik kann aus dem Anspruch der Verfassung auf Geltung gewonnen
werden [. . . ]. Diese Erweiterung der Kompetenz des BVerfG ist bedenklich, [. . . ] weil die Verant-
wortlichkeiten im Verhältnis zwischen BVerfG und Gesetzgeber verwischt werden [. . . ]“.
27
Dass die Kritik an der Kompetenz zudem mit der persönlichen bzw. der allgemeinen Überzeu-
gung von der inhaltlichen Richtigkeit der Urteile zusammenhängt, klingt schon bei Ossenbühl an,
vgl. Ossenbühl, Hamburg, Deutschland, Europa, S. 140.
54 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

im Rahmen der Gewaltenteilung mehrere entscheidende Konsequenzen, die die Ver-


fassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Vorschriften über
die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen betreffen.

1. Versäumnisse der Strafprozessrechtswissenschaft

Wenn Stimmen in der Strafprozessrechtswissenschaft bemängeln, ihr Arbeitsbe-


reich sei zur „Kolonie“ des Verfassungsrechts geworden, ist ihre eigene Untätig-
keit dafür mitursächlich. Die Strafrechtswissenschaft hätte selbst Prinzipien für
die strafprozessualen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen entwickeln können. Hätte
es ausgereifte, die Verfassungsvorgaben konkretisierende Prinzipien gegeben, hät-
te der Gesetzgeber eventuell seine Entscheidungen daran angepasst. Das BVerfG
hätte dann auch keinen Anlass gesehen, nach solchen Prinzipien geformte Gesetze
zu bemängeln. Der Strafprozessrechtswissenschaft bleibt nach den Versäumnissen
der Vergangenheit nur übrig, sich selbst an die Spitze der dogmatischen Forschung
zu setzen. Nur so kann erreicht werden, dass Staatsrechtswissenschaft und BVerfG
sie nicht weiter vor sich hertreiben. Dazu darf das relevante Verfassungsrecht nicht
ignoriert werden. Vielmehr muss es durch die Strafprozessrechtswissenschaft selbst
„erobert“ werden. So kann sich die strafprozessuale Diskussion der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen nicht auf die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem straf-
prozessualen Grundsatz beschränken, dass sich ein Verdächtiger nicht selbst belas-
ten muss (Nemo-tenetur-Prinzip).28 Vielmehr müssen die verfassungsrechtlichen
Grundfragen geklärt werden, aus denen sich solche strafprozessualen Grundsätze
speziell für den Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren erge-
ben können.

2. Verfassungsgerichtsfester Gesetzgebungsspielraum

Für verfassungsrechtliche Überprüfung der Regelungen der verdeckten Ermitt-


lungsmaßnahmen kommt es darauf an, ob der Gesetzgeber einen Beurteilungsspiel-
raum hat, den das BVerfG nicht überprüfen darf. Gibt es einen solchen Spielraum,
müssen dessen Grenzen bestimmt werden. Besteht er nicht, sind die Regelungen
der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in allen Einzelheiten verfassungsrecht-
lich überprüfbar, was dann in Teil 5 dieser Arbeit gutachterlich erfolgen wird.
Ein „verfassungsgerichtsfreier Gesetzgebungsspielraum“ – also ein Regelungs-
und Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers – den das Verfassungsgericht aus

28
Das lateinische „nemo tenetur se ipsum accusare“ bedeutet übersetzt: „niemand muss sich selbst
anklagen“ und „nemo tenetur se ipsum prodere“, „niemand muss gegen sich selbst als Zeuge
aussagen“, vgl. auch BVerfG NJW 2005, 763 ff. und die von der h. M. vorgenommene Einordnung
in das umstrittene „Grundrecht auf ein faires Verfahren“ unten § 8, V.
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 55

Kompetenzgründen nicht überprüfen dürfte, besteht nicht.29 Eine unbeschränkte


„Einschätzungsprärogative“ und einen „Entscheidungsspielraum“ hat der Gesetz-
geber nur bezüglich der ihm allein zustehenden Gesetzgebungskompetenz.30 Das
BVerfG darf dem Gesetzgeber aber nicht verbieten, ein bestimmtes, noch nicht
bestehendes Gesetz zu erlassen. Seine Gesetzgebungskompetenz ist aber eben nur
das formale Recht zur Initiative und keinesfalls eine inhaltliche Legitimation der
erlassenen Gesetze.31
Die Vorgaben des Verfassungsrechts legen trotz des Initiativrechts die Grenze
der Möglichkeiten des Gesetzgebers im einfachen Recht fest. Schätzt er die verfas-
sungsrechtlichen Vorgaben falsch ein, trifft er verfassungswidrige Entscheidungen.
Die entsprechenden Gesetze können vom BVerfG für nichtig erklärt werden.

3. Verfassungskonforme Auslegung

Verfassungsrechtliche Vorgaben können nicht nur zur Nichtigkeit der Gesetze we-
gen Verfassungswidrigkeit führen. Über diese Begrenzung des einfachen Rechts
hinaus wirken sie nach h. M. mittelbar, weil offene Rechtsbegriffe verfassungskon-

29
Das gilt erst recht für Rechtsprechung und Verwaltung. Das BVerfG ist zwar nach seiner ei-
genen stereotypen Formulierung keine „Superrevisionsinstanz“ (BVerfG, 2 BvR 1821/99 vom
24.10.1999, Absatz-Nr. (5), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk19991024_2bvr182199.html)
doch kann es selbst entscheiden, unter welchen Umständen eine Entscheidung eines einfachen
Gerichts die Grundrechte berührt. Die angeführte Selbstbeschränkung erfolgt aus pragmatischen
Gründen. Seine Kriterien hat das Gericht bis heute nicht offen gelegt und handhabt sie entspre-
chend flexibel, vgl. Dreier, GG2 , Art. 2 Abs. 1 Rdn. 45. Anderer Ansicht ist Da Silva, der dies
als Extremkonzeption sehen würde. Er findet mit Hilfe „nichtextremer Konzeptionen“ Spielräume
des Gesetzgebers, da Silva, S. 79 ff. Vgl. dazu auch Jochum, NJW 2003, S. 29 f.
30
Die Äußerungen des BVerfG zur Einschätzungsprärogative sind widersprüchlich. Einerseits bil-
ligt das BVerfG dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die Geeignetheit
zu, BVerfGE 83, 130, 140. Gemeint ist damit aber ein Vertrauen des Gerichts in die Einschätzung
des Gesetzgebers, kein rechtlicher Anspruch auf verfassungsgerichtliche Zurückhaltung. Von Ar-
nauld behandelt den Spielraum, welchen das BVerfG dem Gesetzgeber gewährt, unter dem Aspekt
des Vertrauensschutzes der Bürger in die Rechtssicherheit, v. Arnauld, S. 335. Setzt man diesen
Gedanken konsequent fort, so kann durch Aufhebung von Gesetzen wegen kleinster Monita des
BVerfG der Vertrauensverlust der Bürger gegenüber dem gesetzten Recht entstehen, der gegen-
über dem geringen Vorteil überwiegt, der ihnen durch eine inhaltliche Korrektur des betreffenden
Gesetzes entstehen würde.
31
Auch wenn das BVerfG dem Gesetzgeber eine „Einschätzungsprärogative“ gewährt, ist damit
nur gemeint, dass der Gesetzgeber Regelungen erlassen darf, bevor es gesicherte wissenschaftliche
Erkenntnisse, etwa über Gefahren, gibt. Vgl. zur Einschätzungsprärogative allgemein Sommer-
mann, 428 ff. und im Strafrecht Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 492 f.
Für die heimliche „Online-Durchsuchung“, vgl. BVerfGE 120, 274, 320: „Der heimliche Zugriff
auf informationstechnische Systeme ist geeignet, diesen Zielen zu dienen. Mit ihm werden die Mög-
lichkeiten der Verfassungsschutzbehörde zur Aufklärung von Bedrohungslagen erweitert. Bei der
Beurteilung der Eignung ist dem Gesetzgeber ein beträchtlicher Einschätzungsspielraum einge-
räumt (vgl. BVerfGE 77, 84 [106]; 90, 145 [173]; 109, 279 [336]). Es ist nicht ersichtlich, dass
dieser Spielraum hier überschritten wurde.“
56 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

form ausgelegt werden müssen. Bei den Regelungen der verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen ergeben sich verschiedene Unklarheiten, bei denen die verfassungs-
konforme Auslegung notwendig oder zumindest hilfreich sein kann. So ist zum
Beispiel mehrdeutig, wie die in vielen Vorschriften32 zu findende Anordnungsvor-
aussetzung aufzufassen ist: „[. . . ] wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die
Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich er-
schwert oder aussichtslos wäre.“ Was ist insoweit eine andere Weise? – Für solche
und ähnliche im weiteren Verlauf der Arbeit zu beantwortende Fragen33 ist die Me-
thode der verfassungskonformen Auslegung grundsätzlich zu klären.
Nach diesem Prinzip ist ein Gesetz dann nicht verfassungswidrig, wenn es im
Einklang mit der Verfassung ausgelegt werden kann.34 Ein mehrdeutiger Inhalt der
Gesetze soll danach durch Inhalte der Verfassung bestimmt werden. Diese Wirkung
bestätigt die oben angesprochene „enge Wechselbezogenheit von Verfassung und
Gesetz und damit den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung.“35
Die h. M. erkennt die verfassungskonforme Auslegung grundsätzlich an.36 In-
nerhalb dieser Meinung ist aber zumindest ihr Anwendungsbereich umstritten.37
Die Zulässigkeit der verfassungskonformen Auslegung wird auch grundsätzlich
bestritten.38 Die sich daraus ergebende Frage nach der Zulässigkeit der verfassungs-
konformen Auslegung ist keine reine Methodenfrage, sondern auch eine Frage der
Funktionsverteilung und Kompetenzzuweisung. Gegeneinander abzugrenzen sind
dabei die Kompetenzen des Gesetzgebers, des Bundesverfassungsgerichts und der
einfachen Rechtsanwender.

a) Ansicht des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht formuliert den Maßstab für die verfassungskonfor-


me Auslegung und deren Grenzen folgendermaßen:
„Die aus begrifflichen Unschärfen entstehenden Subsumtionsprobleme des einfachen
Rechts überlagern sich so durch den Einfluss der Grundrechte mit methodischen und
verfassungsrechtlichen Problemen. Das Grundgesetz ist als ranghöchstes innerstaatliches
Recht nicht nur Maßstab für die Gültigkeit von Rechtsnormen aus innerstaatlicher Rechts-
quelle; auch inhaltlich ist jede dieser Rechtsnormen im Einklang mit dem Grundgesetz
auszulegen. Eine solche – verfassungsgeleitete – Auslegung führt etwa dazu, von mehreren
Auslegungsvarianten einer Norm die verfassungswidrigen auszuscheiden. Darüber hinaus
empfangen Normen des einfachen Rechts im Rahmen ihres Wortlauts gegebenenfalls auch
einen ergänzenden Sinn aus dem Grundgesetz oder sind, wenn die übrigen Vorausset-

32
So zum Beispiel in § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO.
33
Die verfassungskonforme Auslegung wird zum Beispiel unten bei der Frage der zitierten hier
sog. „Subsidiaritätsklauseln“ genutzt § 14, III, 2.
34
St. Rspr. BVerfGE 2, 266, 282; 48, 40, 45 f.; 64, 229, 241 f.; 88, 145; 166 f.; 90, 263, 274 f.; so
auch Hesse, Rdn. 80; Müller/Christensen, Rdn. 100.
35
Hesse, Rdn. 85.
36
Hesse, Rdn. 80.
37
Vgl. Müller/Christensen, Rdn. 100.
38
Bettermann, S. 25 f., 46, passim.
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 57

zungen hierfür erfüllt sind, im Einklang mit dem Grundgesetz fortzubilden. Eine Grenze
findet diese verfassungskonforme Rechtsfindung (im engeren Sinne) indessen dort, wo
einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein entgegengesetzter Sinn verliehen,
der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt, oder das gesetzgeberische Ziel
in einem wesentlichen Punkt verfehlt würde.“39

b) Erläuterung in der Literatur:


Verfassungskonforme Auslegung als Auswahlentscheidung

Das BVerfG darf nach der zitierten Selbstbeschränkung keine Bestimmte unter
mehreren Auslegungsvarianten für verfassungsgemäß erklären, es sei denn, nur ei-
ne wäre verfassungskonform. Müller/Christensen folgern daraus, der Aspekt der
verfassungskonformen Auslegung stelle auf solche Weise kein eigentliches Konkre-
tisierungskriterium dar, sondern eine Vorzugsregel für die Entscheidung zwischen
verschiedenen, mit herkömmlichen methodischen Kriterien erarbeiteten Alternati-
ven.40
Das BVerfG setzt sich daher nach drei von Müller/Christensen41 formulierten
Kriterien dann unzulässig42 an die Stelle des Gesetzgebers, wenn es die Verfas-
sungsmäßigkeit der Norm bewahren will, indem es
1. die Norm gegen den mit klassischen Methoden zu ermittelnden Aussagewert
auslegt oder
2. den Sinngehalt der zu prüfenden Norm im einfachen Recht durch Missbrauch
der Verfassungsvorschrift als Bestimmungs- statt Prüfungsnorm durch direkte
Anwendung des Verfassungsrechts ersetzt oder
3. die Kompetenzen des Gesetzgebers verkürzt, indem es sich bei der Prüfung
von Gesetzen an der Verfassung von mehreren Auslegungsvarianten eine ver-
fassungswidrige auswähle, obwohl auch verfassungsmäßige Varianten zur Ver-
fügung stehen.
Eine solche den funktionellen Rahmen des BVerfG überschreitende verfassungs-
konforme Auslegung greife stärker als eine Nichtigerklärung in die Kompetenzen
des Gesetzgebers ein. Durch sie werde ein Quasi-Normtext an die Stelle des amtli-
chen Normtextes gesetzt.43

39
Zusammenfassend im Sondervotum Steinberger BVerfGE 70, 35, 64 f.
40
Nach Müller/Christensen, Rdn. 100 sei „die einzig richtige Entscheidung“ zudem praktisch un-
bedeutend und eine „virtuelle Chimäre“.
41
Müller/Christensen, Rdn. 102.
42
Beispiele für diese Grenzen unzulässig überschreitende Entscheidungen bei Müller/Christensen,
S. 121 Fn. 258.
43
Müller/Christensen, Rdn. 101.
58 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

c) Streit über die verfassungskonforme Auslegung in der Literatur

Aus der Wissenschaft erhält die verfassungskonforme Auslegung nicht nur Beifall.

aa) Kritik Bettermanns

Bettermann weist darauf hin, dass kein sachlicher Unterschied zwischen Teilkassa-
tion und der Verwerfung bestimmter Auslegungen besteht:
„Zwar bewahrt die verfassungskonforme Auslegung das Gesetz vor der Verwerfung – dies
war ursprünglich wohl ihr einziger Zweck – aber oft um den Preis der Veränderung des
Gesetzesinhalts bis hin zur Verkehrung in sein Gegenteil: Die Normerhaltung wird durch
Normverformung erkauft, die Kassation einer Norm durch deren Reformation abgewen-
det.“44

Er lehnt die verfassungskonforme Auslegung daher als unzulässig vorgezogene


Normenkontrolle ab.45

bb) Gegenstimmen

Viele Stimmen in der Literatur teilen die Ansicht des BVerfG oder beschränken
sich auf Präzisierungsversuche.46 Schlichtner-Wicker hält Bettermann entgegen, er
verwechsele Auslegung und Normverwerfung, wenn er kritisiere, die verfassungs-
konforme Auslegung sei nichts anderes als eine Teilkassation. Beide hätten nicht
das gleiche Ergebnis. In einem Fall bleibe der Gesetzestext bestehen, im anderen
nicht. Es sei unzulässig, den Auslegungsgehalt bzw. den „Sinn“ mit dem Wortlaut
gleichzusetzen.47
Dass es sich um eine Verbindung von Normtextauslegung und Normenkontrolle
handelt, erkennen auch Müller/Christensen,48 die deshalb aber nicht die verfas-
sungskonforme Auslegung verwerfen, sondern diese in den oben skizzierten Gren-
zen zulassen wollen.

d) Eigene differenzierte Diskussion unter Beachtung


der Auslegungskompetenz

Bei der verfassungskonformen Auslegung wird oft nicht danach differenziert, wer
diese Auslegung vornehmen darf. Wenn Bettermann Recht zu geben ist und es sich
um eine Art der Teilkassation handelt, würde daraus folgen, dass zunächst nur das

44
Bettermann, S. 46.
45
Bettermann, S. 25 f.
46
Vgl. Hesse, Rdn. 79 Fn. 42 m. w. N.
47
Schlichtner-Wicker, S. 127 ff.
48
Müller/Christensen, Rdn. 100.
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 59

BVerfG verfassungskonforme Auslegung betreiben darf und nicht die einfachen Ge-
richte oder Behörden.

aa) Verfassungskonforme Auslegung durch das BVerfG als Minus zur


Teilkassation

Durch § 79 BVerfGG ist die Praxis des BVerfG, Auslegungen zu verwerfen, gesetz-
lich legitimiert worden:
„Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar
oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht,
die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden
ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung
zulässig.“

Für das BVerfG kommt es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht darauf
an, was der Gesetzgeber gewollt hat, sondern darauf, das Maximum dessen aufrecht
zu erhalten, was er gewollt hat.49 Eine solche Vorgehensweise durch das BVerfG
erweist sich schon deshalb als legitim, weil dem Gericht die Teilkassation gestattet
ist. Eine verfassungskonforme Auslegung durch das BVerfG unter Verkürzung des
gesetzgeberischen Willens ist danach als wesensgleiches Minus zulässig.
Denn in gewisser Weise wird auch schon dann dass Gesetz verändert, wenn das
BVerfG nur einen Paragraphen aus einem umfangreichen Gesamtgesetz „streicht“,
auf dem andere Vorschriften des nämlichen Gesetzes oder anderer Gesetzbücher
aufbauen. Insofern sind nicht nur die Grenzen zwischen Teilkassation und ver-
fassungskonformer Auslegung und verfassungskonformer Reduktion fließend, son-
dern auch die zur Kassation an sich.

Beispiel 3 Das BVerfG erklärt die §§ 113a, b TKG für verfassungswidrig. Diese
Vorschriften regelten die sog. Vorratsdatenspeicherung. Das BVerfG kann nun an-
dere Vorschriften bestehen lassen, die auf diese Regelungen Bezug nehmen – zum
Beispiel § 100g StPO, der die Abfrage dieser Daten durch die Strafverfolgungs-
behörden betrifft. Bleibt die nun nutzlose Norm bestehen, ist damit das gleiche
Ergebnis erreicht, als wenn das Verfassungsgericht sie gestrichen hätte. Hier wird
das TKG als Gesamtgesetz geändert und außerdem das Gesamtkonzept von StPO
und TKG. In diesen Fällen würde man auch nicht auf die Idee kommen, dem Ge-
setzgeber würde so ein ungewolltes Gesamtkonzept aufgedrängt, das BVerfG müsse
entweder das ganze TKG und vielleicht auch noch die ganze StPO für nichtig er-
klären, damit dem Gesetzgeber nicht ein Gesetz aufgedrängt werden, dass er so
unvollständig vielleicht nicht hätte erlassen wollen.

Beispiel 4 Tatsächlich hat das BVerfG aber auch den entsprechenden Teil des
§ 100g StPO für nichtig erklärt, der auf das TKG Bezug nahm. Der § 100g StPO
blieb aber darüber hinaus bestehen. Eine Abfrage von Daten die nicht wegen der

49
BVerfGE 8, 28, 34; 9, 194, 200; 12, 45, 61; vgl. auch Hesse, Rdn. 80.
60 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

Anordnung der Vorratsdatenspeicherung angefallen sind, ist daher weiterhin mög-


lich. Dem Gesetzgeber ist so ein § 100g StPO aufgedrängt worden, den er in solch
einem Ausmaß vielleicht nicht erlassen wollte.

Beispiel 5 Das gleiche Ergebnis wie in den obigen beiden Beispielen ergibt sich
aber auch, wenn man den § 100g StPO in seiner textlichen Form vor dem Urteil
des BVerfG belässt und verfassungskonform reduziert, so, dass der Zugriff auf die
Vorratsdatenspeicherung aus dem Anwendungsbereich fällt.

Beispiel 6 Wird eine Norm verfassungskonform ausgelegt, wird eine Auslegungs-


variante kassiert, die der Gesetzgeber eventuell im Sinn hatte. Hätte der Gesetzgeber
bei der Regelung der Anlasstaten zur Verkehrsdatenerhebung nach § 100g Abs. 1
StPO mit der Formulierung „Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeu-
tung“ alle Taten gemeint, die keine Privatklagedelikte sind, wäre diese Auslegung
unangemessen weitgehend und daher als verfassungswidrige Auslegungsvariante
nicht weiter zu verfolgen. Auch in diesem Fall würde dem Gesetzgeber die von ihm
gewollte Bedeutung genommen und eine andere Bedeutung des § 100g StPO auf-
gedrängt – etwa die Auslegung, dass erst „mittlere Kriminalität“ erheblich ist oder
andere verfassungsmäßige Interpretationen.

In jedem der genannten Fälle verwirft das BVerfG einen vom Gesetzgeber ge-
wählten Bedeutungsgehalt. Der Unterschied besteht für das BVerfG nur in der Fra-
ge, ob der Text der Vorschrift geändert werden muss oder nicht. Das „Aufzwingen“
einer ungewollten Norm oder einer „ungewollten Auslegung“ ist keine Kompetenz-
überschreitung, soweit es den Anwendungsbereich reduziert und nicht zusätzlich
ein neuer Bedeutungsgehalt ergänzt wird. Diese Methode der Verwerfung von be-
stimmten, verfassungswidrigen Auslegungsvarianten ist aber nur eine Auslegungs-
hilfe und kein „Allheilmittel“, um Auslegungsprobleme zu lösen. So kann erheb-
liche Rechtsunsicherheit bestehen bleiben, auch wenn eine verfassungswidrige –
da unverhältnismäßige – Auslegungsvariante eliminiert wird. Die Norm ist unbe-
stimmt50 und verfassungswidrig, wenn zwar einige Auslegungsvarianten verfas-
sungswidrig sind, aber noch eine Vielzahl je für sich betrachtet verfassungsmäßiger
Auslegungsalternativen verbleibt, unter denen sich aber keine wegen des unklaren
Wortlauts der Norm eindeutig durchsetzen kann. Die gesamte Vorschrift wäre in ei-
nem solchen Fall daher vom BVerfG für verfassungswidrig zu erklären. In dem oben
genannten Beispiel würden auch nach verfassungskonformer Auslegung jenseits
der Grenze der Privatklagedelikte eine Vielzahl von möglichen verhältnismäßigen
Auslegungsvarianten bestehen bleiben.51 Die Norm wäre daher verfassungswidrig,
ohne dass die Möglichkeit bestünde, sie über eine verfassungskonforme Auslegung
zu retten. Das BVerfG darf in solchen Fällen nicht eine der weiteren verhältnismäßi-
gen Auslegungsvarianten seine Präferenz erteilen und so die fehlende Bestimmtheit
der Norm herstellen. Denn das Treffen einer solchen Auswahlentscheidung ist ge-
rade eine positive Initiative zur Gesetzgebung, die nur der Legislative zukommt.

50
Vgl. zum Bestimmtheitsgrundsatz ausführlich § 9, I, 9.
51
Vgl. zum Meinungsspektrum in der Literatur unten § 13, IV, 2, c).
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 61

Davon ist folgendes Vorgehen zu unterscheiden, das dem BVerfG ebenfalls nicht
gestattet ist:

Beispiel 7 § 100f StPO regelt die akustische Überwachung des gesprochenen Wor-
tes außerhalb von Wohnungen und Telekommunikation verfügt über keine Rege-
lung zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung. Das BVerfG
darf eine solche Regelung nicht verfassungskonform ergänzen oder aus § 100a
Abs. 4 StPO übertragen, da dem Gesetzgeber so eine neue positive Regelung un-
tergeschoben wird, die er nicht treffen wollte. Hier kommt es nicht nur zu einer
Verkürzung der Reichweite, sondern zum Aufzwingen neuer aktiver Prüfungs- und
Löschungspflichten für die Exekutive. Das BVerfG würde nicht nur die Befugnis-
se der Exekutive einschränken (negative Kompetenz), sondern der Exekutive aktive
Handlungen vorschreiben. Damit übernähme es die oben genannte positive Initia-
tivkompetenz des Gesetzgebers.

Das BVerfG darf keine positive Normsetzung betreiben und den Wortlaut ergän-
zen oder einen ergänzenden Auslegungssinn unterschieben.
In der Literatur wird bemängelt, eine verfassungskonforme Auslegung zwinge
der Legislative ein nicht gewolltes Gesetz auf und das BVerfG überschreite so seine
Kompetenzen. Dieser Einwand ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Grenzen der
verfassungskonformen Auslegung überschritten werden und das BVerfG den Ge-
setzessinn nicht nur in der Reichweite verkürzt, sondern qualitativ verändert oder
den Wortlaut ignoriert.52

bb) Verfassungskonforme Auslegung durch einfache Rechtsanwender

Der einfache Rechtsanwender darf den Willen des Gesetzgebers aber in keiner
Weise verkürzen. Die einfachen Gerichte haben keine Verwerfungskompetenz und
können daraus auch nicht als wesensgleiches Minus eine Auslegungsverwerfungs-
kompetenz ableiten. Die einfachen Rechtsanwender dürfen Gesetze aber dann ver-
fassungskonform auslegen, wenn unter mehreren Deutungsmöglichkeiten der ge-
setzgeberische Wille nicht zu ermitteln ist.

aaa) Subjektive Theorie


Hefendehl53 spricht in diesem Zusammenhang von einer „subjektiven Theorie“
und von einer „vermeintlichen Schwachstelle der subjektiven Theorie“, wenn der
„zumeist nicht exakt zu ermittelnde gesetzgeberische Wille nicht existiert“. Diese
Schwachstelle ist aber tatsächlich nur vermeintlich. In diesen Fällen des Schwei-
gens des Gesetzgebers präsentiert sich die verfassungskonforme Auslegung als

52
Vgl. zu den Grenzen oben Müller/Christensen, Rdn. 102.
53
Hefendehl, Kann und soll der Allgemeine Teil bzw. das Verfassungsrecht mißglückte Regelun-
gen des Besonderen Teils retten?, S. 163.
62 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

systematische Auslegung. Im Rahmen einer einheitlichen Rechtsordnung kann bei


nicht ausräumbaren Zweifeln übergeordnetes Recht als Auslegungshilfe herange-
zogen werden.

bbb) Objektive Theorie


Ist der gesetzgeberische Wille nicht ermittelbar, unterstellt das BVerfG bei Zwei-
feln quasi, der Gesetzgeber habe ein verfassungsmäßiges Gesetz erlassen wollen.54
Dies ist jedenfalls für diese Fälle eine Ablösung der subjektiven durch eine objekti-
ve Theorie.55 Göldner kritisiert diese objektive Vermutungstheorie für den in seiner
Abhandlung untersuchten Bereich zu Recht. Denn ein solcher gesetzgeberischer
Wille ist in der Regel und jedenfalls in dem von Göldner untersuchten privatrecht-
lichen Bereich Fiktion. Zwar wird der Gesetzgeber kaum den Willen haben die
Verfassung zu brechen, doch wird er in vielen Fällen die einschlägigen Rechte und
Prinzipien vergessen oder falsch interpretieren. Daher kann ein solcher „objektiver
Wille“ sachlich nicht mehr als ein umformuliertes Normerhaltungspostulat sein.

ccc) Eigene Ansicht


Führen die klassischen Auslegungskriterien nicht zu einem eindeutigen Ergebnis,
liegt die Auflösung des „non liquet“ durch Normerhaltung eher im Interesse des Ge-
setzgebers als eine Auslegungsvariante, die zu einer Nichtigkeit des Gesetzes führt.
Zumindest durch den Erlass der Norm hat sich der Gesetzgeber für eine Geltung
der Norm entschieden. Für nachkonstitutionelles Recht ist dabei davon auszuge-
hen, dass der Gesetzgeber die Verfassung kennt. Es wäre widersprüchlich, insge-
heim eine verfassungswidrige Norm gewollt zu haben. In diesen Zweifelsfällen ist
die verfassungskonforme Auslegung keine erhebliche Verkürzung der Gesetzge-
bungskompetenz des Gesetzgebers. Ihm wird keine Regelung gegen seinen Willen
untergeschoben, wenn er diesen nicht zum Ausdruck gebracht hat.
Eine bis dato wenig beachtete Möglichkeit, dem Problem zumindest auszuwei-
chen, besteht in den Fällen, in welchen der Gesetzgeber selbst bestimmte Ver-
fassungsvorgaben beim Erlass neuer Vorschriften beachten will. Dann entspricht
gerade die verfassungskonforme Auslegung dem Willen des Gesetzgebers. Damit
ist für solche Fälle der Einwand gegen die „objektive Vermutungstheorie“ ent-
kräftet. Gerade bei vielen modernen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen wird der
Wille des Gesetzgebers in den Gesetzgebungsmaterialien deutlich, verfassungs-
gemäße Normen zu erlassen. Dieser Wille ist auch nicht nur ganz allgemein auf
„Verfassungsmäßigkeit“ gerichtet, sondern auf die verfassungsrechtlichen Vorga-
ben im Detail. In dem von Göldner56 untersuchten Bereich des Privatrechts hatte
der Gesetzgeber weder in den Gesetzesbegründungen noch in sonstigen Materia-
lien ausdrücklich seinen Willen erklärt, verfassungskonforme Gesetze zu erlassen,

54
BVerfGE 2, 282.
55
Göldner, S. 45.
56
Göldner, S. 45.
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 63

geschweige denn bestimmte Prinzipien oder Rechte zu achten. Für den hier behan-
delten Bereich besteht im Vergleich dazu eine gegenteilige Ausgangslage:
„Das Recht der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen, das in den §§ 98a
bis 101, 110a bis 110e und 163d bis 163f StPO geregelt ist, wird einer umfassenden Über-
arbeitung unterzogen. Der Gesetzentwurf soll – unter Wahrung der bisherigen Systema-
tik – die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen und grundrechtssichernden Ausgestaltun-
gen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen harmonisieren und diesen
Regelungskomplex dadurch insgesamt übersichtlicher und rechtsstaatlichen Geboten ent-
sprechend gestalten, zugleich aber auch praktische Erfordernisse berücksichtigen. Wo dies
geboten ist, sollen einzelne Ermittlungsmaßnahmen auf eine klare, verfassungsrechtlich
unbedenkliche Rechtsgrundlage gestellt werden.“57
„Der Entwurf verfolgt das Ziel, das Recht der verdeckten strafprozessualen Ermittlungs-
maßnahmen zu harmonisieren und entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts rechtsstaatlich auszugestalten.“58

Außerdem nennt die Entwurfsbegründung ausdrücklich verschiedene verfas-


sungsgerichtliche Urteile, die Grundlage der Änderungsgesetzgebung sein sollten59
und geht auch im Detail auf verfassungsrechtliche Vorgaben ein.60
Bereits in der Gesetzesbegründung zum G-10-Gesetz sind erste Ansätze vorhan-
den, nach denen sich der Gesetzgeber an verfassungsrechtlichen Vorgaben orientie-
ren will.61 Auch im OrgKG von 1992 finden sich Ausführungen, die Gesetzesaus-
gestaltung ausdrücklich an bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben zu binden.62
Das Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März
2004 (akustische Wohnraumüberwachung) trägt dieses Ziel bereits im Titel.63

e) Zusammenfassung

Eine verfassungskonforme Auslegung ist nach den vorstehenden Darlegungen auf


der Grundlage des Willens des Gesetzgebers bei den von 1967 bis 2007 reformierten
Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nicht nur durch das BVerfG,
sondern auch durch einfache Rechtsanwender zulässig. Für ältere Regelungen gilt

57
BTDrucks 16/5846 S. 1.
58
BTDrucks 16/5846 S. 22.
59
BTDrucks 16/5846 S. 1 f.
60
BTDrucks 16/5846 S. 3, 22 ff., 2, 36 f.
61
BTDrucks V/1880, S. 11 f.: „In Anbetracht des nicht unerheblich in das Grundrecht des Arti-
kels 10 GG eingreifenden Charakters der Überwachung des Fernmeldeverkehrs [. . . ] würde eine
generelle Zulassung bei Straftaten aller Art Bedenken begegnen. [. . . ] Da hierfür [für eine TKÜ
im Vollstreckungsverfahren] auch kein besonderes Bedürfnis besteht, soll in das Grundrecht des
Artikels 10 GG nicht weiter als nötig eingegriffen werden.“
62
BTDrucks 12/898, S. 33, 36 ff. Erste Ansätze lassen sich bereits aus dem G-10-Gesetz von 1967
herleiten.
63
BTDrucks 15/4533, S. 1 ff. 15/4533: „Der Gesetzentwurf soll die Verfassungsmäßigkeit der
einfachgesetzlichen Ausgestaltung der akustischen Wohnraumüberwachung in der Strafprozess-
ordnung herbeiführen, um dieses Ermittlungsinstrument zur Gewährleistung einer effektiven
Strafverfolgung zu erhalten.“
64 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

dies jedoch nur in den Fällen, in welchen herkömmliche Auslegungsmethoden kei-


ne eindeutige Richtung des gesetzgeberischen Willens ergeben. Eine, den Willen
des Gesetzgebers verkürzende verfassungskonforme Auslegung ist nur durch das
BVerfG zulässig, wenn damit das Maximum dessen, was der Gesetzgeber gewollt
hat, aufrechterhalten wird. Eine verfassungskonforme Auslegung gegen den vom
Gesetzgeber gewollten Sinn ist auch dem BVerfG nicht gestattet.

4. Verfassungskonforme Reduktion

Die Reduzierung eines zu weit geratenen Tatbestandes, um die betreffende gesetz-


liche Regelung vor der Verfassungswidrigkeit zu bewahren, ist keine verfassungs-
konforme Auslegung. So könnte etwa die sehr weit gefasste Regelung des § 100h
Abs. 1 Nr. 2 StPO nach der „sonstige besondere für Observationszwecke bestimm-
te technische Mittel“ ohne weitere konkrete Einschränkung der Mittel verwendet
werden dürfen, so reduziert werden, dass die Eingangs im Beispielfall erwähnte
Ausforschung von Computerspeichern mittels Staatstrojanern nicht von der Vor-
schrift umfasst sei, weil sie den Schutz des Computergrundrechts vernachlässige.64
Diese sog. „verfassungskonforme Reduktion“ ist nach Hefendehl ein „methodischer
Zwitter“ aus teleologischer Tatbestandsreduktion und verfassungskonformer Aus-
legung.65
In Teilen der Literatur wird vertreten, eine verfassungskonforme Reduktion sei
zulässig.66 Dem ist aber zu widersprechen. Der verfassungskonformen Reduktion
stehen die gleichen Bedenken entgegen wie der teleologischen Reduktion. Letztere
muss ihrerseits von der einschränkenden Auslegung abgegrenzt werden. Die ein-
schränkende Auslegung bzw. Restriktion ist quasi das Gegenstück zur Analogie. Sie
schafft eine Ausnahme von der zu weiten Regel im Sinne des subjektiv-historisch
zu ermittelnden gesetzgeberischen Zwecks. Die teleologische Reduktion67 wechselt
den Zweck darüber hinausgehend aus und ersetzt ihn durch einen Neuen, der aus
dem „System der Wertungen“ oder dem jeweiligen Zeitgeist stammt.68 Ein solches
Vorgehen steht dem Rechtsanwender nicht zu, sondern dem Gesetzgeber. Dem De-
mokratieprinzip und der Gewaltenteilung genügt nur diese „subjektive Theorie“.69

64
Die Frage der Subsumtion der Online-Durchsuchung unter § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO wird später
im Einzelnen erläutert. Siehe unten § 27, II, 1.
65
Hefendehl, Kann und soll der Allgemeine Teil bzw. das Verfassungsrecht mißglückte Regelun-
gen des Besonderen Teils retten?, S. 163.
66
Larenz, S. 375 ff.; widersprüchlich Bleckmann, DÖV 2003, S. 156, der diese Reduktion für
zulässig hält, aber mit dem BVerfG die Wortlautgrenze eingehalten wissen will.
67
Vertreten wird diese insbesondere von Larenz, S. 391 ff.
68
Vgl. Pawlowski, Rdn. 492, der den Unterschied eingehend erläutert.
69
Vgl. Hefendehl, Kann und soll der Allgemeine Teil bzw. das Verfassungsrecht mißglückte Re-
gelungen des Besonderen Teils retten?, S. 163, der allerdings abschwächend nur für junge Gesetze
den gesetzgeberischen Willen für maßgeblich hält.
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 65

Diese Feststellungen treffen auch auf das BVerfG zu, das im Falle einer verfas-
sungskonformen Reduktion die Gesetzgebungskompetenz des Gesetzgebers durch
eine eigene Rechtssetzungsbefugnis ersetzt, die es nicht hat. Das Verbot einer ver-
fassungskonformen Reduktion kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass
der zu weit gefasste Wortlaut für mehrdeutig erklärt wird. Der Wortlaut eines Ge-
setzes ist nicht schon deshalb mehrdeutig, weil er sich auf zahlreiche verschiedene
Gegenstände bezieht.70

5. Verfassungskonforme Ersetzung

Abzugrenzen ist eine verfassungskonforme Auslegung ferner von der Beseitigung


des Sinngehalts einer Norm, der durch eine direkte Anwendung des Verfassungs-
rechts ersetzt wird. Dies hat mit verfassungskonformer Auslegung nichts mehr zu
tun,71 da so kein mehrdeutiger Wortlaut geklärt wird. Ebenfalls ausgeschlossen ist
eine solche Vorgehensweise, weil dem eindeutigen Wortlaut eine andere Bedeu-
tung als sprachlich zulässig und subjektiv historisch vom Gesetzgeber intendiert
unterschoben wird. Ein solcher Fall kann zum Beispiel bei der später näher zu un-
tersuchenden und von der h. M. vertretenen unmittelbaren Geltung des allgemeinen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Strafprozessrecht vorkommen,72 der den ein-
deutigen Sinngehalt zum Beispiel des § 99 StPO verändert.73

6. Verfassungskonforme Ergänzung und Wortlautgrenze

Eine Ergänzung des klaren Wortlauts durch neue Sätze oder neue Attribute ist un-
zulässig, wenn damit der äußerste Wortsinn überschritten wird. Eine rein attributive
Ergänzung ist aber zulässig, solange sich diese noch im Bereich des herkömmli-
chen Wortlautverständnisses bewegt und mit dem Willen des Gesetzgebers über-

70
Allerdings kann ein weiter Wortlaut zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen, nicht weil
ihm rein mengenmäßig zu viele, sondern weil ihm aufgrund seiner Weite nicht erforderliche oder
unangemessene Sachverhalte entsprechen. Dies ist dann eine Folge mangelnder Verhältnismä-
ßigkeit. Beispiel: Ein fiktives Gesetz erlaubt die verdeckte Überwachung jeden Verhaltens ohne
konkreten Anlass. Das Gesetz ist zwar eindeutig, da jedes Verhalten umfasst ist, schränkt die
Handlungsfreiheit aber unangemessen stark ein.
71
Bachof , S. 19.
72
Siehe unten § 20, II. Vgl. auch die Problematik von verfassungsrechtlichen Beschlagnahmever-
boten im Rahmen der Postbeschlagnahme nach §§ 97, 99 StPO unter § 21, IV, 2 e).
73
Eine Grenze zur verfassungskonformen Reduktion und Ergänzung ist insoweit schwer zu be-
stimmen und dies ist auch nicht notwendig, da die Kategorien gleich zu behandeln sind. Nach hier
vertretener Ansicht liegt dann eine verfassungskonforme Ersetzung vor, wenn eine neue Norm im
einfachen Recht gebildet wird, indem Verfassungsrecht unmittelbar gelten soll.
66 § 6 Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Strafprozessrecht

einstimmt.74 So wird beispielsweise „nicht anders abwendbar“ in § 35 Abs. 1 StGB


so verstanden, dass nur eine Abwendbarkeit durch mildere Maßnahmen gemeint
ist. Nach hier vertretener Ansicht ist die Gefahr groß, dass die Grenze zur positiven
Rechtssetzung überschritten wird. Entscheidend ist hier die sog. Wortlautgrenze.75
Verfassungskonforme Ergänzung wird in der Rechtsprechung teilweise sehr weit
betrieben, so werden Vorschriften im § 10 I, II ZollVG um einen Richtervorbe-
halt ergänzt, der in der Norm nicht einmal angedeutet ist.76 Eine solche Ergänzung
ganzer Sätze oder gar Gesetzesabsätze ist nicht mehr mit der Wortlautgrenze zu
vereinbaren.

7. „Verfassungsnächste“ Auslegung durch


„Ausstrahlungswirkung“

Im Gegensatz zur verfassungskonformen Auslegung ist hoch problematisch, ob als


weitere Folge der „Ausstrahlungswirkung“77 des Verfassungsrechts und insbeson-
dere der Grundrechte eine verfassungsnächste Auslegung ein zulässiges methodi-
sches Auslegungskriterium sein kann. Danach wäre von verschiedenen möglichen
und verfassungsmäßigen Auslegungsvarianten immer die Möglichkeit zu wählen,
welche die verfassungsrechtlichen Vorgaben „am besten“ erfüllt, also etwa den
stärksten Grundrechtsschutz gewährleistet. Die in § 100a Abs. 1 StPO oder anderen
Vorschriften der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen zu findende und im weiteren
Verlauf dieser Arbeit genauer zu klärende78 Voraussetzung „bestimmte Tatsachen,
die den Verdacht begründen, dass jemand eine [. . . ] Straftat begangen hat“ ist
mehrdeutig. Sie kann so ausgelegt werden, dass damit ein dem dringender Tatver-
dacht ähnlicher gesteigerter Verdachtsgrad gemeint ist. Das Merkmal kann aber
auch so verstanden werden, dass der Verdachtsgrad nicht entscheidend ist, son-
dern eine Begründung des Verdachts durch eindeutige Tatsachen. Die Variante, nach
der ein im Vergleich zum Anfangsverdacht gesteigerter Tatverdacht bestehen muss,
mag für die Grundrechte des Betroffenen schonender sein als die alternative Aus-
legung. Sie ist deshalb aber noch nicht verfassungswidrig und ist daher nicht aus

74
„Darüber hinaus empfangen Normen des einfachen Rechts im Rahmen ihres Wortlauts gegebe-
nenfalls auch ergänzenden Sinn aus dem Grundgesetz [. . . ]“, BVerfGE 70, 35, 63 (Abweichende
Meinung des Richters Steinberger.)
75
Vgl. zur Wortlautgrenze Scheffler, Jura 1996, S. 504 ff.
76
Kritisch dazu Herdegen in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 13 Rdn. 54; Hermes in: Dreier,
GG2 , Art. 13 Rdn. 34. Allgemein ablehnend Stein, S. 72.
77
Diese Formulierung bezieht sich meist auf die problematischere Ausstrahlung der Grundrechte
in das Privatrecht, das gilt aber umso mehr für das gesamte Strafrecht als Teil des öffentlichen
Rechts, vgl. Menzel/Ackermann, 186 ff. zu BVerfGE 32, 98, und gilt konsequent auch für die
StPO, vgl. Kramer, Rdn. 163b und zum Beispiel VG Köln, Urteil vom 12.08.2010 zum Az. 20
K 7418/08: „Bei Auslegung des § 163 b StPO ist die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf
Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen.“
78
Siehe § 12.
IV. Konsequenzen für die Regelung verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 67

verfassungsrechtlichen Gründen auszuschließen. Eine solche Auslegung ist jeden-


falls dann abzulehnen, wenn sie dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.
Die hier „verfassungsnächste Auslegung“ entstammt nicht wie die verfassungs-
konforme Auslegung im engeren Sinne und die davon abzugrenzenden oben ge-
nannten Methoden dem Grundsatz der Normerhaltung. Während die verfassungs-
konforme Auslegung ein Kompromiss zwischen der Verwirklichung des Willens
des Gesetzgebers zur Normgeltung und seinem Initiativrecht ist, wäre die verfas-
sungsnächste Auslegung eine ungerechtfertigte Eigeninterpretation des Gesetzes
durch den Rechtsanwender. Wie die Grundrechte auf das einfache Recht „ausstrah-
len“ ist grundsätzlich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zu überlas-
sen.

8. Zwischenergebnis

Wie in dem vorangehenden Abschnitt dargelegt, bestehen starke Wechselwirkun-


gen zwischen Grundgesetz und StPO. Das strafprozessuale Recht der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen ist nicht von den spezifischen verfassungsrechtlichen Vor-
gaben zu trennen. Ein Spielraum des Gesetzgebers, der inhaltlich nicht überprüft
werden dürfte, besteht nicht. Der Gesetzgeber hat allerdings die positive Gesetz-
gebungskompetenz, die dem BVerfG und anderen Rechtsanwendern nicht zusteht.
Stellt sich die verfassungskonforme Auslegung als Teilkassation des gesetzgeberi-
schen Willens dar, steht sie grundsätzlich nur dem BVerfG zu. Eine verfassungs-
konforme Auslegung ist auf der Grundlage des Willens des Gesetzgebers bei den
zwischen 1967 und 2007 reformierten Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaß-
nahmen aber nicht nur durch das BVerfG, sondern durch einfache Rechtsanwender
zulässig. Eine verfassungskonforme Auslegung gegen den Wortlaut oder den vom
Gesetzgeber gewollten Sinn ist weder dem BVerfG noch den einfachen Rechtsan-
wendern gestattet. Auch verfassungskonforme Reduktion, Ersetzung oder Ergän-
zung sind unzulässig. In diesen Fällen muss der Wortlaut der Vorschrift geändert
werden.
§ 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

In § 6 wurde allgemein geklärt, dass und wie das Verfassungsrecht die Vorschriften
der verdeckten Ermittlungen in der StPO als Prüfungs- und Auslegungsmaßstab be-
einflussen kann. Ein solcher Einfluss besteht aber nur, wenn überhaupt Grundrechte
oder andere Verfassungsprinzipien durch verdeckte strafprozessuale Ermittlungs-
maßnahmen berührt werden. In der verfassungsrechtlichen Dogmatik ist eine rele-
vante Berührung verfassungsrechtlicher Bereiche zumindest dann gegeben, wenn
die Maßnahmen oder die ihnen zugrunde liegenden Gesetze in die Grundrechte
eingreifen. Die Frage, ob in Grundrechte eingegriffen wird, kann nur beantwortet
werden, wenn zuvor geklärt worden ist, was ein „Grundrechtseingriff“ ist.

I. Funktionale Einordnung des Eingriffsbegriffs


in die Grundrechtsdogmatik

Der Eingriffsbegriff baut auf der Dogmatik der Freiheitsgrundrechte auf. Freiheits-
grundrechte schützen entweder die Handlungsfreiheit insgesamt, Art. 2 Abs. 1 GG
oder nur Teilausschnitte, vgl. im vorliegenden Zusammenhang Art. 10 und
Art. 13 GG. Der jeweils geschützte grundrechtliche Lebensbereich wird „Schutzbe-
reich“ genannt. Das Verhalten einer Person im Schutzbereich wird als Grundrechts-
ausübung oder Grundrechtsgebrauch bezeichnet. Ein Grundrecht gewährleistet mit
seiner Schutzwirkung subjektive Abwehrrechte des Betroffenen gegen Eingriffe
des Staates.1
In die Schutzbereiche kann quasi wie in einen Raum „eingegriffen“ werden.
Dieser „Eingriff“ in den Schutzbereich der Grundrechte erfolgt durch staatliche
Maßnahmen, die die Grundrechtsausübung beeinträchtigen. Die Begriffe Schutz-
bereich und Eingriff sind also aufeinander bezogen.2 Die wesentliche Folge eines
Eingriffs in Grundrechte ist, dass die eingreifenden, verdeckten Ermittlungsmaß-

1
Pieroth/Schlink, Rdn. 212 ff.
2
Pieroth/Schlink, Rdn. 239 ff.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 69


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
70 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

nahmen grundsätzlich rechtswidrig sind.3 Nur wenn der Eingriff nicht gerechtfertigt
werden kann, ist das betreffende Grundrecht „verletzt.“ Für die Rechtfertigung ist
in Fällen des einfachen Gesetzesvorbehalts eine bestimmte und verhältnismäßige
gesetzliche Regelung ausreichend, wenn sich die jeweilige Maßnahme in deren
Rahmen bewegt.4
Teilweise wird bestritten, dass alle verdeckten strafprozessualen Ermittlungs-
maßnahmen Grundrechtseingriffe sind.5 Dies hätte zur Konsequenz, dass verdeckte
Maßnahmen keinem Gesetzesvorbehalt unterlägen und von der Exekutive ohne be-
sondere gesetzliche Befugnis nach eigenem Ermessen eingesetzt werden könnten.
Die Fragen nach den Grundrechtseingriffen durch verdeckte Ermittlungsmaß-
nahmen und deren Folgen können nur beantwortet werden, wenn klar ist, was unter
einem „Grundrechtseingriff“ zu verstehen ist. Der Begriff „Eingriff“ hat eine lange
Verfassungstradition6 und wird heute neben dem Begriff der „Beschränkung“ im
Grundgesetz für Durchbrechungen bzw. „Verkürzung“7 der Grundrechtsgewähr-
leistungen durch den Staat verwendet.8 Die h. M. der Grundrechtsdogmatik geht

3
Krey/Krey, Rdn. 584; Vgl. auch Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozessrecht,
S. 106. Der Eingriff kann aber unter Umständen durch ein Gesetz gerechtfertigt werden. Wenn der
Eingriff den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde verletzt, besteht diese Rechtfertigungs-
möglichkeit nach h. M. nicht, vgl. unten § 8, IV, 3.
4
Vgl. unten § 9. Die Frage, in welche Grundrechte eingegriffen wird und ob und unter welchen
Umständen die Eingriffe durch die Regelungen der verdeckten Ermittlungen in der StPO gerecht-
fertigt werden, wird erst in den nachfolgenden Kapiteln behandelt.
5
So ging noch 1991 die Entwurfsbegründung zum OrgKG nicht davon aus, dass jede verdeckte
Maßnahme Eingriffscharakter habe: „[. . . ] in vielen Fällen [verdeckter Ermittlungsmaßnahmen]
fehl[e] es bereits am Eingriffscharakter der Maßnahme [. . . ]“, BTDrucks 12/989, S. 38. Auch
der BGH nimmt nicht bei jeder verdeckten Maßnahme einen Eingriff an, vgl. BGHSt 39, 335,
343 f.; 42, 139, 154. Zumindest für einige verdeckte Maßnahmen wird der Eingriffscharakter
noch in der Literatur bestritten. So zum Beispiel von Makrutzki, S. 99; Quentin, JuS 1999, S. 139;
Wendisch differenziert zwischen eingreifendem verdeckten Vorgehen, das durch Verschleierung
täuscht und schlicht verdecktem Vorgehen, das kein Eingriff sei. Wendisch in: Löwe/Rosenberg,
StPO24 , § 163 Rdn. 57. Für Wohlers kann der Eingriff von der Dauer der verdeckten Maßnahme
abhängen. Wohlers in: SK-StPO, Vor § 98 Rdn. 47.
6
„Die von der konstitutionellen, bürgerlich-liberalen Staatsauffassung des 19. Jahrhunderts ge-
prägte Formel, eine Gesetz sei nur erforderlich, wo ,Eingriffe in Freiheit und Eigentum‘ in Rede
stehen [. . . ].“ BVerfGE 40, 237, 249; BVerfGE 8, 155, 166 f.
7
BVerfGE 105, 279, 299 f.
8
Nach Grabitz wird das sprachliche Bild, dass mit dem „Eingriff“ „in“ das Grundrecht ein Sub-
stanzverlust einhergehe, nur scheinbar durch den Wortlaut bestätigt, den die Gesetzesvorbehalte
im Grundgesetz erfahren haben. Grabitz, S. 57 Fn. 29. Neben dem Begriff Eingriff in Art. 2 Abs. 2
S. 3, Art. 13 Abs. 7 GG wird „Beschränkung“ in Art. 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 S. 1, Art. 11 Abs. 2,
Art. 13 Abs. 7; Art. 17a Abs. 1 und 3, Art. 19 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG verwendet. Zudem
handele es sich um ein unpassendes sprachliches Bild, das auf scholastische und naturalistische
Vorstellungen von Rechten zurückgreife, nach denen Rechte wie Körper angesehen werden müss-
ten. Diesen rein begrifflichen Bedenken ist zu entgegnen, dass eine begriffliche Annäherung an
Rechte zwangsläufig mit übertragenen Begriffen und Modellen erfolgen muss. Von rein abstrak-
ten Entitäten vermag sich kein Mensch eine sinnvolle Vorstellung zu machen. Alle Versuche, eine
streng logische Sprache aufzubauen, sind bisher gescheitert. Sonst wären auch Begriffe wie „Ge-
setzgeber“ oder „Gesetzesverstoß“ ebenfalls abzulehnen. Gesetze können nicht wie eine Sache
irgendwem gegeben werden. Auch ein Verstoß gegen etwas – und erst recht gegen ein Gesetz – ist
I. Funktionale Einordnung des Eingriffsbegriffs in die Grundrechtsdogmatik 71

von einem quasi vor die Klammer gezogenen Eingriffsbegriff aus, der grundsätz-
lich für alle Grundrechte gilt.9
Darüber hinaus sind aber je nach Grundrecht spezielle Modifikationen des Ein-
griffsbegriffs möglich.10 Vereinzelt werden daher in der Literatur „bereichsspezifi-
sche Standards“ statt eines geschlossenen Eingriffsbegriffs vorgeschlagen.11 Nach
Heintzen handelt es sich dabei um eine grundrechtssystematische Frage, die das
Eingriffsproblem als solches nicht betrifft.12 Dem ist insoweit zuzustimmen, als
die grundrechtsspezifischen Modifikationen eine Konsequenz normativer Schutz-
bereiche sind. Der Verfassungsgeber darf Grundrechte durch rechtliche Setzung
erschaffen, ohne dass mit einem Eingriff in diese Rechte eine Verkürzung natür-
licher Freiheiten verbunden ist.13
Der Verfassungsgeber ist also frei, für bestimmte Grundrechte durch besondere
Definition der Schutzbereiche oder der Schrankenregelungen vom allgemeinen Ein-
griffsbegriff abweichende Eingriffsstandards zu setzen. Dies trifft insbesondere auf
die Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 13 Abs. 3 GG zu, die für den Bereich der verdeck-
ten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen relevant sind. Das Grundrecht aus
Art. 10 GG gewährleistet die Wahrung von „Geheimnissen“, wehrt also eindeutig
Eingriffe durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen ab. Entsprechendes gilt für die
Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 3 GG, die sich dem Sinn nach hauptsächlich
gegen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen richtet. Ob es sich dabei um bereichs-
spezifische Standards für spezielle Eingriffe oder lediglich um Konsequenzen aus
besonderen Schutzbereichen handelt, kann hier offen bleiben. Gesichert ist, dass es
dem Verfassungsgeber freisteht, entsprechende Regelungen zu treffen.
Die Möglichkeit eines Eingriffs durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in die
Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG ist unproblematisch. Un-
klar bleibt aber, unter welchen Umständen verdeckte Maßnahmen Eingriffsqualität
haben. Zur Beantwortung dieser Fragen muss auf den allgemeinen Eingriffsbe-
griff und die dort diskutierten Merkmale zurückgegriffen werden. So ist bei einer
sog. Hörfalle auf Initiative des Angerufenen, dem Mithören eines Telefongesprächs
durch Polizeibeamte, nicht gesichert, ob überhaupt dem Staat zurechenbares Ver-
halten vorliegt.14 Dazu gehört neben der Zurechnung zu staatlichem Handeln,15 die
individuelle Betroffenheit,16 die etwa fraglich ist, wenn eine heimliche Telefonüber-

sinnlos, verstoßen werden kann man im wörtlichen Sinne eine Person aus der Gemeinschaft, aber
nicht „gegen ein Gesetz“.
9
Vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 222 ff. Der Grundrechtseingriff gehört als Rechtsinstitut jedenfalls
zum Allgemeinen Teil der Dogmatik der Freiheitsrechte. Bethge, Der Grundrechtseingriff, S. 13.
10
Heintzen, VerwArch 1990, S. 537 f.
11
Albers, DVBl. 1996, S. 241; Vgl. auch Bethge, Der Grundrechtseingriff, S. 14.
12
Heintzen, VerwArch 1990, S. 537.
13
Eingriff und Freiheitsrecht sind da zu trennen „[. . . ] wo keine natürliche Freiheit vorgegeben
ist, sondern wo die Grundrechtssubstanz vom Gesetzgeber ausgestaltet wird.“, Bethge, Der Grund-
rechtseingriff, S. 19; Vgl. zur Unterscheidung zwischen natürlichen und ausgestaltungsbedürftigen
Freiheiten auch BVerfG NJW 1977, 1842.
14
Vgl. dazu unten im Detail § 34, III.
15
Vgl. § 7, III, 1.
16
Vgl. § 7, III, 3.
72 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

wachung stattfindet, von der der Überwachte nie in Kenntnis gesetzt wird, oder ob
bereits die Regelung einer Telekommunikationsüberwachung in Grundrechte des
Betroffenen eingreift, ohne dass es auf eine darauf gestützte Maßnahme ankommt.
Auch die Notwendigkeit einer Erheblichkeitsschwelle ist strittig, worauf später ge-
nauer eingegangen wird.17 Sollte sich erweisen, dass eine solche Erheblichkeits-
schwelle erforderlich ist, ist zum Beispiel fraglich, ob diese Schwelle überschritten
wird, wenn eine Person, deren Telefonanschluss nur für Sekunden überwacht wur-
de, weil sich der überwachte Verdächtige verwählte. Offen bleibt zudem die Frage,
ob in andere in Betracht kommende Grundrechte, insbesondere in das Grundrecht
aus Art. 2 Abs. 1 GG, grundsätzlich durch verdeckte Maßnahmen eingegriffen
werden kann. Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen finden auch au-
ßerhalb von Wohnungen und ohne Überwachen der Fernkommunikation statt. Zur
Beantwortung derartiger Fragen muss auf den allgemeinen Eingriffsbegriff zurück-
gegriffen werden.
Die allgemeinen Bedingungen, unter denen ein Grundrechtseingriff anzuneh-
men ist, sind in der verfassungsrechtlichen Dogmatik umstritten. Dieser allgemeine
Eingriffsbegriff wurde früher allein mit dem „klassischen Eingriffsbegriff“ enger
definiert als durch den heute herrschenden „modernen Eingriffsbegriff“.18 Der mo-
derne Eingriffsbegriff ist eine Erweiterung des klassischen Eingriffsbegriff und ent-
hält dessen Merkmale.

II. Klassischer Eingriffsbegriff

1. Bedeutung des klassischen Eingriffsbegriffs


für die Eingriffsbegründung

Der klassische Eingriffsbegriff enthält nach heute ganz herrschender Meinung19


zwingende, aber nicht abschließende Merkmale des Grundrechtseingriffs. Wenn
diese Merkmale erfüllt sind, liegt sicher ein Eingriff vor, es kann aber nach h. M.
sein, dass auch dann ein Eingriff vorliegt, wenn einige Merkmale nicht erfüllt sind.
Unter welchen Umständen trotz Verneinung der klassischen Kriterien ein Eingriff
vorliegen kann, ist eine nachfolgende Frage des „modernen Eingriffsbegriffs“.
Nach dem „klassischen Eingriffsbegriff“ ist nicht jede durch staatliches Handeln
verursachte Belastung ein Grundrechtseingriff. Ein solcher liegt nur vor, wenn vier
Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Finalität
2. Rechtswirkung
3. Unmittelbarkeit
4. Zwangsfunktion bzw. Imperativität

17
Vgl. § 7, III, 5.
18
Pieroth/Schlink, Rdn. 251 ff.
19
Pieroth/Schlink, Rdn. 251 ff.
II. Klassischer Eingriffsbegriff 73

Dieses traditionelle enge Verständnis ist also dadurch gekennzeichnet, dass dem
Grundrechtsträger ein bestimmtes Verhalten zielgerichtet durch konkreten Befehl
oder abstrakte Regelung der Staatsgewalten verboten oder geboten wird. Diese An-
ordnung muss im Weigerungsfall mit Zwang durchsetzbar sein.20 Die genannten
Kriterien gelten für Rechtsvorschriften wie für einzelne Rechtsakte.21 Der klassi-
sche Eingriffsbegriff hat heute keine Anhänger mehr.22 Das sich aus ihm ergebende
enge Eingriffsverständnis ist nach der h. M. auch „mit der grundgesetzlichen Kon-
zeption des Grundrechtsschutzes offensichtlich unvereinbar“.23
Der klassische Eingriffsbegriff hat nach wie vor Bedeutung, weil er jedenfalls
eine gesicherte Ausgangsbasis ist, um das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs zu
beurteilen. Unstreitig ist nämlich, dass ein evidenter Grundrechtseingriff vorliegt,
wenn seine Merkmale erfüllt sind. Nur wenn ein Merkmal des klassischen Ein-
griffsbegriffs nicht vorliegt, muss ausführlich begründet werden, warum trotzdem
ein Eingriff vorliegen soll.

a) Finalität

Finalität liegt nur vor, wenn eine den grundrechtlichen Schutzbereich beeinträchti-
gende Wirkung einer staatlichen Maßnahme bezweckt ist. Unbeabsichtigte Neben-
folgen gehören nicht dazu.24 Für die beobachtenden verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen ist dies unproblematisch. Sie sind auf den Betroffenen fo-
kussiert und damit zielgerichtet.

20
Epping, Rdn. 378 und Pieroth/Schlink, Rdn. 61; Isensee in: Isensee/Kirchhof , HStR 5, § 111
Rdn. 61; Dreier in: Dreier, GG2 , Vorb. Rdn. 124 vgl. auch BVerfG 105, 279, 299 f.: „Die Merk-
male eines Grundrechtseingriffs im herkömmlichen Sinne werden [durch negative Äußerungen des
Staates über Sekten] allerdings nicht erfüllt. Danach wird unter einem Grundrechtseingriff im All-
gemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein
vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also im-
perativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt. Keines dieser Merkmale liegt bei
den Äußerungen vor, die hier zu beurteilen sind.“ Als eigenständiges fünftes Merkmal wird von
einigen die Grundrechtsverpflichtung des Staates genannt. Cremer, S. 147 f.; Eckhoff , S. 176.
21
Dreier in: Dreier, GG2 , Vorb. Rdn. 124.
22
Er mag in seiner extremen Form selbst aus rechtshistorischer Sicht nie randscharf konturiert
gewesen sein. Vgl. Cremer, S. 148 ff., der meint, einen klassischen Eingriffsbegriffs habe es vor
1949 nie gegeben, sondern dieser sei später konstruiert worden. Dafür, dass er bei Erlass des
Grundgesetzes vorausgesetzt wurde, spreche auch nichts.
23
Cremer, S. 149. Wenn Cremer gegen den klassischen Eingriffsbegriff mit der Existenz des
Art. 10 GG und Art. 13 Abs. 1, 3 und 5 GG argumentiert,24 ist das insofern überzeugend, als
in diese Rechte gerade nach ihrer durch den Wortlaut und die Historie, vgl. oben § 2, II, 3, nahe
gelegten Kernbedeutung durch heimliche Maßnahmen eingegriffen werden kann. Der klassische
Eingriffsbegriff verstößt als Regel ohne Ausnahme schon gegen die Systematik des Grundgeset-
zes.
24
Eckhoff , S. 186 ff.
74 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

b) Rechtswirkung

Rechtliche Wirkung haben staatliche Maßnahmen nur dann, wenn ihnen die Quali-
tät eines Rechtsaktes zukommt.25 Diese Rechtswirkung ist verdeckten Ermittlungs-
maßnamen nicht abzusprechen: Es handelt sich um richterliche oder ermittlungs-
behördliche Anordnungen oder ausführende Maßnahmen, die jedenfalls auf diesen
beruhen.26

c) Unmittelbarkeit

Das Unmittelbarkeitserfordernis ist in seinen Einzelheiten schon innerhalb des klas-


sischen Eingriffsbegriffs umstritten. Dabei geht es um die rechtliche Wertung von
Kausalitätsbeziehungen.27
Beispielsweise bei behördlichen Warnungen aus Gründen des Verbraucherschut-
zes stellt sich die Frage, ob damit in die Grundrechte der Produzenten eingegriffen
wird, deren Produkte Gegenstand der Warnung waren. Nach dem klassischen Un-
mittelbarkeitskriterium ist das nicht der Fall, da nicht direkt der Staat, sondern die
durch seine Warnungen veranlassten Verbraucher den Absatz der Produkte verhin-
dern oder Regressforderungen an die Produzenten stellen.
Auch die verdeckten Maßnahmen selbst ändern an den Rechten und Pflichten des
Betroffenen unmittelbar nichts. Soweit man unterstellt, dass sie faktische Folgen
auf die Handlungssteuerung des Betroffenen im Schutzbereich des Grundrechts aus
Art. 2 Abs. 1 GG haben, werden diese Folgen nicht unmittelbar durch die heimliche
Maßnahme verursacht, sondern sie werden über die Angst vor ihrer Möglichkeit
vermittelt. Nur soweit sich die Folge im Geheimnisbruch erschöpft, tritt die Wir-
kung unmittelbar ein, vgl. den Schutzbereich des Art. 10 GG und Art. 13 Abs. 3
GG.

d) Zwangsfunktion

Nach dem klassischen Eingriffsbegriff ist erforderlich, dass die Maßnahme auf eine
verbindliche Anordnung gerichtet ist, die nötigenfalls mit Befehl und Zwang durch-
gesetzt werden kann.28 Die erforderliche Imperativität oder Zwangsfunktion ist nur
dann erfüllt, wenn die Maßnahme gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt
wird.29
Dies ist bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen überaus problematisch, weil der
Betroffene von ihnen während ihrer Durchführung nichts erfährt. Sie werden in der

25
Eckhoff , S. 218 ff.
26
So auch zum Beispiel der (heimlichen) Postbeschlagnahme, Dreier in: Dreier, GG2 , Vorb.
Rdn. 124.
27
Eckhoff , S. 197 ff.
28
Vgl. Epping, Rdn. 378.
29
Klein, S. 175.
II. Klassischer Eingriffsbegriff 75

Regel nicht wahrgenommen und appellieren daher nicht an den Willen des Betrof-
fenen.

e) Ausweitung der Definitionsmenge von Zwang

Bereits oben30 wurde festgestellt, dass die verdeckten Maßnahmen im Sinne der
allgemeinen Bedeutung des Wortes „Zwang“ keinen Zwangscharakter haben. Zu
einem anderen Ergebnis gelangt man nur dann, wenn man den Zwangsbegriff über
die Grundbedeutung des Wortes hinaus im Hinblick auf den Eingriffsbegriff er-
weitert. Durch diese Ausdehnung des Zwangsbegriffs wird eine Veränderung des
Eingriffsbegriffs vordergründig vermieden.31

f) Unzutreffende Prämisse und ungünstige Folgen der Fehlbenennung

Ein solches ausweitendes Verständnis vermischt unzulässig die Benennungsfrage


mit dem Problem der Subsumtion unter den Eingriffsbegriff. Denn bei den meis-
ten Abhandlungen bleibt offen, ob es sich um eine schlicht sprachlich unpassende
Fehlbenennung handelt, die keine Aussage darüber beabsichtigt, ob damit eine
Zwangsmaßnahme als Kriterium des klassischen Eingriffsbegriffs gemeint sein soll.
Im letztgenannten Fall handelt es sich nicht nur um einen sprachlichen Missgriff,
sondern eine im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis vorgenommen Erweiterung
des Zwangsbegriffs.32
Die Frage, ob verdeckte Maßnahmen Zwangsmaßnahmen sind, kann daher nicht
als bloßes Bezeichnungsproblem abgetan werden. Die Bezeichnung als Zwangs-
maßnahme impliziert vielmehr eine falsche rechtliche Einordnung. Sie legt eine un-
zulässige Abkürzung zur Bejahung des Eingriffs durch verdeckte Maßnahmen nahe
und versperrt den Weg zur Problematisierung der Frage, ob heimliche Maßnah-

30
Siehe § 2, II, 2.
31
Eine parallele Problematik findet sich im Vollstreckungsrecht. In der einschlägigen Literatur
wird die Unterteilung in einen weiten und engen Zwangsbegriff diskutiert. Vgl. zum Meinungs-
spektrum Lemke, S. 52 Fn. 37. Der Streit hat sich auch in unterschiedlichen Begriffsbildungen der
Landespolizeigesetze niedergeschlagen, in denen dann unterschiedliche Begriffe verwendet wer-
den. Bachor in: Lisken/Denninger, Rdn. 467. Der enge Zwangsbegriff setzt eine Einwirkung auf
den entgegenstehenden Willen des Betroffenen voraus. Nach dem weiten Zwangsbegriff wird der
Wille des Betroffen bei der Zwangsausübung ignoriert. Lemke, S. 51 f. Auch in diesem Fall ist
die Ausweitung des Zwangsbegriffes vom Ergebnis her begründet. H. Pfeifer spricht zutreffend
von der „Janusköpfigkeit“ der Ersatzvornahme, die sich einmal als Zwangsmittel, das andere Mal
als zwangloses Vollziehungsmittel darstelle, Pfeifer, BWVBl 1957, S. 1. Der entgegenstehende
Wille des Pflichtigen werde für den weiten Zwangsbegriff vom Gesetz unterstellt,33 um Zwang als
Oberbegriff rechtfertigen zu können.
32
Ein solches Verständnis deutet sich bei Schlink an, der ungefragte Informationserhebungen als
„Ersatzvornahme“ zur Befragung ansieht und damit evtl. unbeabsichtigt eine dogmatische Paralle-
le zur Ausweitung des Zwangsbegriffs im Verwaltungsvollstreckungsrecht herstellt, Schlink, Die
Amtshilfe: Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung, S. 198.
76 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

men ohne Zwangsanwendung Eingriffe in Grundrechte sein können.33 Die Fehlbe-


nennung kommt jedenfalls der Auffassung entgegen, dass nur Zwangsmaßnahmen
in Grundrechte eingreifen können und nur Zwangsmaßnahmen einem Gesetzes-
vorbehalt unterliegen. Wenn danach verdeckte strafprozessuale Maßnahmen keine
Zwangsmaßnahmen wären, könnten sie auch keine Grundrechtseingriffe sein – ein
Ergebnis, das man offenbar vermeiden möchte.34
Ob ein Eingriff in Grundrechte vorliegt und ob dieser durch eine Zwangsmaß-
nahme erfolgt, sind zwei Fragen, die unabhängig voneinander zu beurteilen sind.
Die traditionelle Ansicht, nur eine Zwangsmaßnahme könne ein Grundrechtsein-
griff sein, wird nicht überzeugend begründet, sondern als Axiom behauptet.35 Für
die verdeckten Maßnahmen sind danach nicht alle Kriterien des klassischen Ein-
griffsbegriffs erfüllt.

2. Zwischenergebnis

Es fehlt an der Zwangsfunktion und der unmittelbaren Rechtswirkung. Würden


die klassischen Eingriffskriterien den Eingriffsbegriff abschließend definieren, wäre
das Thema der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen bereits an dieser Stelle erledigt.
Allerdings wird der klassische Eingriffsbegriff heute in allen seinen Kriterien durch
verschiedene Abschwächungen erweitert. Diese Aufgabe des abschließenden Cha-
rakters der Definition erfolgte zu Recht.
Denn durch die klassischen Kriterien werden nur bestimmte Formen staatli-
chen Handelns erfasst und bestimmte Wege zu bestimmten Wirkungen erfasst. Die
Wahl der Handlungsform ist für die verdeckten Ermittlungen nicht relevant, bei
diesem Problem geht es um den Unterschied zwischen rechtlich und nur faktisch
bedeutsamen Staatshandlungen und wie gezeigt ist an der rechtlichen Qualität der
Anordnungen nicht zu zweifeln. Bei den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen ist
aber nicht einzusehen, warum Unmittelbarkeit und Zwangscharakter einer Maßnah-
me gegeben sein müssen, wenn die tastsächlichen Auswirkungen auf die Freiheit
der Grundrechtsausübung auch mittelbar und ohne Zwang erreicht werden. Für den
geschützten Bürger ist nicht die Modalität der Freiheitsverkürzung entscheidend,
sondern deren Erfolg. Die Lehren zum modernen Eingriffsbegriff gehen daher zu-
treffend davon aus, dass die Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffs nicht als
abschließender Kriterienkatalog gesehen werden dürfen. Nur eine Erweiterung der
klassischen Kriterien gewährleistet einen effektiven Schutz der grundrechtlich ge-

33
Vgl. dazu aber unten § 8, III, 4.
34
Duttge entdeckt, dass Zwangsmaßnahmen immer ein Eingriff in Grundrechte sind und schließt
daraus implizit, dass jeder Eingriff in Grundrechte durch strafprozessuale Maßnahmen eine
Zwangsmaßnahme sei. Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozessrecht, S. 43
Fn. 110, 114, S. 43 ff., S. 141 ff.
35
Kritisch zur Vermischung von Täuschung, Zwang und Heimlichkeit schon Schmitz, S. 32 und
Guder, S. 73 f.
III. Moderner Eingriffsbegriff 77

währleisteten Freiheiten.36 Eine andere Frage ist jedoch, ob der Eingriff so weit
verstanden werden muss, dass jeder kausal verursachte Erfolg dem Staat als grund-
sätzlich rechtswidriger Eingriff zugerechnet werden muss oder ob die Grenzen des
klassischen Eingriffsbegriffs nur marginal verschoben werden. Antworten auf diese
Frage werden unter dem „modernen Eingriffsbegriff“ diskutiert.

III. Moderner Eingriffsbegriff

Der herrschende sog. moderne Eingriffsbegriff stellt anders als der klassische Ein-
griffsbegriff nicht mehr bestimmte Anforderungen an das staatliche Eingriffsver-
halten. Der Akzent wird vielmehr von der Handlung auf den Erfolg verlagert. Im
modernen Eingriffsbegriff wird die durch staatliches Handeln verursachte Auswir-
kung auf die Freiheiten des Betroffenen als wesentliches Kriterium erkannt.37 Dazu
werden sämtliche klassische Kriterien erweitert.38
Aus dem modernen Eingriffsbegriff ergeben sich allerdings die Abgrenzungs-
fragen, unter welchen Umständen ein Verhalten teilweise unmöglich ist und unter
welchen es nur erschwert ist. Ebenfalls noch nicht geklärt ist, ob die unbeabsich-
tigten Wirkungen mittelbarer Eingriffe auf Drittbetroffene erfasst werden sollen,
denen gegenüber der Staat nicht bewusst handeln wollte. Der moderne Eingriffsbe-
griff hat also zwar alte Probleme gelöst, aber auch neue geschaffen.
In der Literatur wird daher die Ansicht vertreten, der Eingriffsbegriff befinde sich
nach wie vor in einer „Krise“.39 Es bestünden dogmatische Begründungsdefizite40
und auch im Ergebnis sei der Begriff bis heute völlig ungeklärt:41 In der Literatur
werden zwar qualifizierte Kriterien vorgeschlagen, konnten sich aber als abstrakte
Maßstäbe zur Überwindung der herrschenden Kasuistik nicht durchsetzen.42
Die Erforderlichkeit einer Erweiterung des klassischen Eingriffsbegriffs darf
nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch gegen eine uferlose Ausdehnung gewich-
tige Bedenken bestehen. Mit dem Eingriff korrespondiert ein Rechtfertigungszwang
des Staates. Dem Staat wäre aber in vielen Fällen kein rechtmäßiges Handeln mehr
möglich, wenn ihm alle adäquat verursachten freiheitsbeeinträchtigenden Folgen
des Handelns seiner Organe als Eingriffe zugerechnet werden sollen. Der Ausweg

36
Gallwas, S. 45 ff.; Roth, S. 263 ff. Eine abschließende Definition durch den klassische Eingriffs-
begriff wird heute einhellig abgelehnt, Roth, S. 33; Albers, DVBl 1996, S. 234 Fn. 14; Dreier in:
Dreier, GG2 , Vorb. Rdn. 125, jeweils m. w. N.
37
Vgl. die insoweit grundlegende Arbeit von Gallwas und die nachfolgend ergangenen Urteile des
BVerfG zu Warnungen und Empfehlungen Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 59 Fn. 2, 3
m. w. N.; Dreier in: Dreier, GG2 , Rdn. 125 f. Fn. 523.
38
Vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 253.
39
Bethge, Der Grundrechtseingriff, S. 37.
40
So müssen wegen der Weite des Eingriffsbegriffs Abstriche beim Zitiergebot gemacht wer-
den. Bei ungezielten Eingriffen soll das Zitiergebot nicht gelten. Vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 324;
BVerfG, NJW 1999, 3399, 3400.
41
Roth, S. 34, 39; Lübbe-Wolff , S. 47 f.
42
Vgl. Dreier, GG2 , Art. 2 Abs. 1 Rdn. 51.
78 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

aus diesem Dilemma wird daher in einer begrenzten Erweiterung des Eingriffsbe-
griffs gesehen.43 Alle Kriterien, die in diesem Zusammenhang zur Erweiterung des
klassischen Eingriffsbegriffs herangezogen werden, sind allerdings umstritten.44

1. Ersetzung des Unmittelbarkeitserfordernisses

Einigkeit besteht darüber, dass das strenge Unmittelbarkeitserfordernis des klassi-


schen Eingriffsbegriffs nicht überzeugen kann. Der Staat kann sich nicht von der
Verantwortung für tatsächlich erfolgreiche Verkürzungen der Freiheitsausübungen
entziehen, indem er Dritte zwischen seine Handlungen und den Erfolg schaltet.
Ebenfalls kann nicht entscheidend sein, ob der letzte Schritt zur Freiheitsverkür-
zung ein eigenes Verhalten des Betroffenen selbst oder ein durch die Maßnahmen
bedingter Kausalverlauf ist.
Im Schrifttum wird daher vorgeschlagen, dass auf das Unmittelbarkeitserforder-
nis zugunsten eines schlichten Verursachungsprinzips ersatzlos verzichtet wird oder
dass das Unmittelbarkeitserfordernis durch andere Kriterien ersetzt wird.45 Damit
soll verhindert werden, dass ein grundrechtsverkürzender Erfolg, der durch unvor-
hersehbare Wirkungsmechanismen oder atypische Risiken staatlichen Verhaltens
vermittelt wird, als Eingriff des Staates ausscheidet.46

a) Theorie kausaler Verursachung

In Teilen der Literatur wird eine Theorie der rein kausalen Verursachung vertre-
ten.47 Danach ist jedes staatliche Verhalten ein Eingriff, soweit es zu einem grund-
rechtsbeeinträchtigenden Erfolg im Sinne einer „Condicio-sine-qua-non-Formel“
führt. Das Problem wird vor allem für die Beteiligung Dritter diskutiert. Diese Auf-
fassung kann aus zwei Gründen nicht überzeugen. Erstens werden solche weiten
Definitionen oft nicht konsequent durchgehalten. Schlink definiert beispielsweise:
„Ein Eingriff ist danach jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, wel-
ches in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht,
gleichgültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, recht-
lich oder tatsächlich (faktisch, informal), mit oder ohne Befehl und Zwang eintritt.“48

43
Einen Überblick der Diskussion bietet Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 77, 85 ff.
Eingehend zu den verschiedenen Lösungsvorschlägen Cremer, S. 150 ff.
44
Bei der modernen Erweiterung des Eingriffsbegriffs stehen heute drei klassische Merkmale der
Grundrechtsbeeinträchtigung im Vordergrund der Diskussion: „Finalität“, „Unmittelbarkeit“ und
„Intensität“. Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 85 ff.
45
Vgl. Bleckmann/Eckhoff , DVBl. 1988, S. 380.
46
Vgl. Isensee/Kirchhof , HStR 5, § 111 Rdn. 67; Fabio, JZ 1993, S. 695; weitere Nachweise bei
Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 88 f.
47
Sachs in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 182 f.
48
Pieroth/Schlink, Rdn. 253.
III. Moderner Eingriffsbegriff 79

Dann nimmt er diese Aussagen aber selbst teilweise wieder zurück:


„Die Folgeproblematik der Erweiterung des Eingriffsbegriffs ist nicht mit einer schneidi-
gen Formel zu lösen. Sowohl bei der Unterscheidung zwischen Unmöglichmachen und
bloßem Erschweren des Grundrechtsgebrauchs als auch bei der zwischen relativem und
irrelevantem Betroffensein von Dritten geht es um die Grenze zwischen Beeinträchtigung
und Belästigung. Aber diese Grenze ist schwierig zu ziehen.“49

Bei den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen können die beiden genannten Pro-


bleme – insbesondere bei der Frage nach dem Eingriff in das Grundrecht aus
Art. 2 Abs. 1 GG – zusammentreffen. Ob das Verhalten des Betroffenen überhaupt
beeinträchtigt wird, ist bereits unklar. Erst recht ist problematisch, welche Folgen
sich daraus für Dritte ergeben.
Zweitens sind auch gegen eine verfassungsrechtliche Zurechnungslehre, die rein
auf Kausalität des staatlichen Verhaltens für die Freiheitsbeeinträchtigung abstellt,
die aus der strafrechtlichen Literatur bekannten Gründe50 teilweise entsprechend
heranzuziehen. Die Kausalitätsbetrachtung ist wertneutral. Bei Grundrechtseingrif-
fen muss der Staat zwar keine strafrechtlichen Folgen tragen, doch wäre ihm ent-
sprechendes Eingriffshandeln verboten, nur weil es zufällige Folgen hat. Dem Staat
muss aber rechtmäßige Wahrnehmung seiner Aufgaben möglich sein. Jedenfalls bei
vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten wäre dies unter der Geltung einer reinen
Kausaltheorie zur Eingriffsbegründung nicht der Fall. Der Staat kann sich im Ge-
gensatz zum privaten Straftäter selbst Rechtfertigungsnormen schaffen. Allerdings
kann der Staat nicht immer alle Folgen seines Handelns voraussehen. Müsste er für
jedes Handeln, dass auch nur möglicherweise negative Folgen für die Freiheiten
der Einzelnen haben kann, gesetzliche Befugnisnormen in Form von Parlaments-
gesetzen schaffen, bestünde der Sache nach ein „Totalvorbehalt“ des Gesetzes für
jedes staatliche Handeln. Ein solcher „Totalvorbehalt“ des Gesetzes schränkt die
Exekutive unangemessen in der Erfüllung ihrer Aufgaben ein und überfordert die
Legislative.
Eine Vermischung aus naturwissenschaftlich zu betrachtender Kausalität und
normativer Zurechnung ist daher zu vermeiden. Die Kausalität kann wie im ma-
teriellen Strafrecht nur nicht entbehrliche Mindestbedingung für eine Zurechnung
der Beeinträchtigung zum Staatshandeln sein.

b) Objektive Zurechnung

aa) H. L.

Die h. M. in der verfassungsrechtlichen Literatur vertritt die über bloße Kausali-


tät hinausgehende verfassungsrechtliche Lehre von der objektiven Zurechnung. Sie
geht über die kausale Verursachung der freiheitsbeeinträchtigenden Folge durch

49
Pieroth/Schlink, Rdn. 257 ff.
50
Vgl. Jakobs, S. 185 ff.
80 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

den Staat hinaus und behandelt „echt normative Fragen“.51 Diese Ansicht ist der
Sache nach mit der strafrechtlichen Lehre von der objektiven Zurechnung52 eng
verwandt.53 Als allgemeiner Maßstab zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Zu-
rechnung wird die „objektive Vorhersehbarkeit“ der Grundrechtsbeeinträchtigung
angesehen.54

bb) Verfassungsrechtliche Risikoerhöhungslehre

Den strafrechtlichen Lehren entsprechend wird auch in der verfassungsrechtlichen


Literatur eine Ansicht vertreten, die den unklaren Maßstab der normativen objekti-
ven Zurechnung durch das ergänzende Kriterium der „Risikoerhöhung“ verbessern
will.55 Das Risiko „einer effektiven Grundrechtsbeeinträchtigung“ durch die staat-
liche Maßnahme muss im Vergleich zum Zustand ohne die staatliche Maßnahme
erhöht sein, damit ein dem Staat zurechenbarer Eingriff vorliegen kann.

cc) Eigene Ansicht

Gegen die Bezeichnung „Vorhersehbarkeit“ mag man einwenden, dass es in der Sa-
che darum geht, welches Maß an Vorausplanung und Risikoberechnung den staat-
lichen Gewalten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zuzumuten ist und nicht
darum, was vorhergesehen werden kann. Dabei geht es aber nur um die begriff-
liche Benennung des Kriteriums. Im Ergebnis ergeben sich keine Unterschiede.
Für die erforderliche Ausdifferenzierung der verfassungsrechtlichen objektiven Zu-
rechnung kann auf die weit entwickelte strafrechtliche Lehre von der objektiven
Zurechnung und die strafrechtliche Tatherrschaftslehre zurückgegriffen werden.56
Die strafrechtliche „Risikoerhöhungstheorie“57 ist eine nicht völlig deckungs-
gleiche Modifikation der strafrechtlichen Lehre von der objektiven Zurechnung.58
Danach ist die Zurechnung eines Taterfolges zur Handlung des Täters von einer

51
Rusteberg, S. 203.
52
Vgl. Wessels/Beulke, Rdn. 176 ff.
53
Vgl. Rusteberg, S. 203; Roth überträgt explizit die strafrechtlichen Kriterien der objektiven Zu-
rechnung auf die Eingriffsdogmatik.
54
Vertreten von Amelung, JR 1984, S. 257; Gallwas, S. 95; Bleckmann, Allgemeine Grundrechts-
lehren, S. 234. Ablehnend die extrem weiten Eingriffsdefinitionen von Duttge, Der Begriff der
Zwangsmaßnahme im Strafprozessrecht, Fn. 594; Eckhoff , S. 246 ff.; Sachs, JuS 1995, S. 305.
55
Cremer, S. 162 ff.
56
Vgl. zur objektiven Zurechnung im materiellen Strafrecht Rotsch, S. 183, 186 ff. So lässt sich
beispielsweise die Fallgruppe der Sozialadäquanz übertragen: Wenn eine staatliche Maßnahme
so geringe Folgen hat, dass diese nicht aus der Summe alltäglicher Lästigkeiten herauszufiltern
sind, kommt ihr kein eigener Eingriffscharakter zu. In der Lehre von der objektiven Zurechnung
entspricht diesem Kriterium die sog. „Sozialadäquanz“.
57
Begründet von Roxin, Strafrecht: Allgemeiner Teil. Grundlagen, der Aufbau der Verbrechens-
lehre, § 11 Rdn. 88 ff.
58
Vgl. Wessels/Beulke, Rdn. 199.
III. Moderner Eingriffsbegriff 81

ex ante zu bestimmenden Risikoerhöhung abhängig. Der gegen die Risikoerhö-


hungslehre in der strafrechtlichen Diskussion erhobene Einwand, etwaige Zweifel
müssten sich „in dubio pro reo“ für den Angeklagten auswirken,59 trifft die Ein-
griffslehre nicht. Eine entsprechende Übertragung dieses Grundsatzes zugunsten
des Staates, scheidet im vorliegenden Zusammenhang aus. Der Staat kann sich
durch Vorschriften, die dem Gesetzesvorbehalt genügen, selbst rechtfertigen. Er
muss nicht „in dubio pro reo“ vor ungerechtfertigten Strafen geschützt werden. Auf
die verfassungsrechtliche Zurechnungslehre kann daher ohne Bedenken die Risiko-
erhöhungstheorie angewendet werden.

2. Finalität

a) Ansicht in der Literatur

Nach der h. M. ist Finalität auch nach dem modernen Eingriffsbegriff kein notwen-
diges, aber ein hinreichendes Kriterium für einen Eingriff.60 Finalität bedeutet, dass
der Staat willentlich grundrechtliche Freiheiten verkürzt. Werden die Beeinträchti-
gungen nur in Kauf genommen, ist dies nach der h. M. nicht ausreichend, um allein
dadurch einen Eingriff zu bejahen.61 In diesen Fällen müssen die anderen Eingriffs-
kriterien vorliegen.

b) Eigene Ansicht

Der h. M. ist darin zuzustimmen, dass das Finalitätskriterium als hinreichendes


Kriterium tauglich ist. Für das Strafrecht ist ein Finalitätskriterium unabdingbar,
um die schweren Strafen der Vorsatzdelikte zu rechtfertigen.62 Die Zurechnung
des Erfolges zur Handlung ist im Strafrecht der erste normative Schritt zur Be-
strafung des Täters. Die Rechtfertigungsgründe des Strafrechts sind begrenzt und
reichen nicht aus, um unangemessene Bestrafungen zu vermeiden. Der Vorsatz ist
daher als begrenzendes Finalitätskriterium unabdingbar. Der Staat kann sich seine
Rechtfertigungsgründe im Rahmen des Gesetzesvorbehalts aber selbst durch Ge-
setze schaffen. Für den Eingriffsbegriff ist die Ausrichtung des Handelns auf den
Erfolg daher keine notwendige Voraussetzung. Die Finalität ist in der Regel nur ei-
ne abgekürzte Prüfung der Zurechnung. Wenn der Staat mit einer bestimmten Folge
rechnet und diese anstrebt oder in Kauf nimmt, sind in aller Regel die Kriterien der
objektiven Zurechnung erfüllt. Für den Eingriff ist also keine Finalität staatlichen
Verhaltens notwendig. Das Problem, ob auch in die Rechte sog. „Drittbetroffener“

59
Rengier, § 53 Rdn. 35.
60
Bleckmann/Eckhoff , DVBl. 1988, S. 377; Di Fabio, JZ 1993, S. 695; Lübbe-Wolff , S. 270.
61
Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 90.
62
Vgl. zur Begründung der finalen Handlungslehre Welzel, S. 5 ff.
82 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

eingegriffen wird, die nicht in ihren Rechten verkürzt werden sollten, aber dennoch
von der staatlichen Maßnahme erheblich betroffen werden, ist damit ebenfalls er-
ledigt. Da keine zielgerichtete Beeinträchtigung notwendig ist, kann der Staat auch
in Rechte Dritter eingreifen, die er in ihren Freiheiten nicht verletzen wollte.
Bei der Verwendung des Finalitätskriteriums im Sinne der h. M. besteht jedoch
die Gefahr, „gewollt“ und „billigend in Kauf genommen“ nicht trennscharf abzu-
grenzen. Es ist entscheidend, dass nur direkter Vorsatz und nicht bedingt vorsätz-
liches Verhalten das Kriterium der Finalität erfüllt. Der Staat handelt nicht ohne
weiteres rechtswidrig, wenn er zwar Freiheiten verkürzt, aber alle Anstrengungen
unternommen hat, dies zu vermeiden.

Beispiel 8 Der Staat weiß, dass ein bestimmtes Handeln ein Risiko für die natür-
lichen Freiheiten der Bürger birgt, etwa die Genehmigung eines Atomkraftwerks.
Er trifft also alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen, damit es zu keiner Verletzung
der grundrechtlich gesicherten Interessen der Bürger kommt, aber die Maßnahme
trotzdem durchgeführt werden kann. Hier kalkuliert die staatliche Stelle das Restri-
siko63 in ihre Planungen ein. Fraglich ist, ob ihr die Realisierung des Risikos dann
als staatlicher Eingriff zugerechnet werden kann.

Eindeutig ist, dass der Schaden ohne staatliches Handeln nicht eintreten wür-
de und auch nicht „vorhersehbar“ wäre, sonst wären keine Vorsorgemaßnahmen
erforderlich gewesen. Die Verwirklichung dieses Restrisikos ist aber nicht schon
deshalb ein Eingriff, weil der Staat das Risiko kannte. In solchen Fällen müssen
auch die übrigen Eingriffskriterien gegeben sein und können nicht durch die Ri-
sikokenntnis ersetzt werden. Der Staat dürfte andernfalls im Grundsatz überhaupt
keine Tätigkeiten entfalten, da sich selbst bei harmlosen Aktivitäten Risiken nicht
ausschließen lassen. Ein solches Verständnis würde zu einem gesetzlichen Totalvor-
behalt für staatliches Handeln führen, der im Grundgesetz nicht vorgesehen ist.64

63
Grundlegend zum Begriff des Restrisikos: BVerfGE 49, 89, 137 ff. Wenn das von der Rechts-
ordnung tolerierte Risiko „üblicherweise als Restrisiko bezeichnet wird, welches die Bürger als
sozialadäquate Last zu tragen haben“, Sach, S. 35 m. w. N. in Fn. 29, legt dies nahe, dass wegen
dieser Sozialadäquanz auch die objektive Zurechnung und damit zugleich ein Grundrechtseingriff
ausgeschlossen sein soll, so die herrschende Meinung für die objektive Zurechnung im Strafrecht,
vgl. Otto, Rdn. 70 m. w. N. Auch im materiellen Strafrecht wurde aber eine Lösung über die Recht-
fertigungsebene vertreten, vgl. Klug, Sozialkongruenz und Sozialadäquanz im Strafrechtssystem.
Die Einordnung des Restrisiko in die Fallgruppe der Sozialadäquanz ist nicht zutreffend. Sozi-
aladäquat sind unerhebliche Lästigkeiten. Schwere Folgen eines Restrisikos sind alles andere als
„sozialadäquat“. Dies triff auf die Explosion eines Kernkraftwerks ebenso zu, wie auf ein unbe-
absichtigtes Eindringen des Staates in die Privatsphäre der Bürger. Im Falle einer tatsächlichen
Beeinträchtigung liegt zwar ggf. ein Eingriff vor, doch ist dieser gerechtfertigt, sofern er dem
Gesetzesvorbehalt genügt. BVerfGE 55, 250, 254: „Risiken, die als solche erkannt sind, müssen
mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausge-
schlossen sein.“
64
Zum Argument des Totalvorbehaltes vgl. auch § 7, III, 1, a); § 9 und § 8, III, 4, g).
III. Moderner Eingriffsbegriff 83

3. Individuell konkrete Betroffenheit

a) Diskussion in der Literatur

Als weiteres Kriterium für den modernen Eingriffsbegriff wird teilweise in der
Literatur eine individuell konkrete Betroffenheit gefordert. Dann müsste für den
einzelnen Grundrechtsträger als Folge des staatlichen Handelns jeweils eine Frei-
heitseinbuße nachweisbar sein.65 Im klassischen Eingriffsbegriff ist ein solches Er-
fordernis bereits in der Imperativität bzw. Zwangsfunktion enthalten, denn Zwang
kann sich nicht gegen ein Kollektiv richten.

b) Kritik und eigene Ansicht

Weber-Dürler hält dieses Erfordernis für unhaltbar. Sie argumentiert, dass durch ab-
strakte Gesetze als solche, unstrittig in Grundrechte eingegriffen werden kann. Ge-
setze sind aber gerade nicht individuell-konkret, sondern abstrakt-generell. Weber-
Dürler folgert daraus, dass Gesetze das Erfordernis der individuell-konkreten Be-
troffenheit nicht erfüllen können. Sie sieht das Erfordernis allerdings als rein pro-
zessuales Problem der Klagebefugnis an.66 Dieser Analyse ist zuzustimmen. Die
Frage bei den zu untersuchenden gesetzlichen Vorschriften ist in der Regel nur, ob
sich in Grundrechte eingreifende Maßnahmen mit den gesetzlichen Vorschriften in
der StPO vereinbaren lassen. Das Gesetz ist dann Anlass für die vermittelte Be-
einträchtigung. Das Gesetz selbst kann aber ohne die Vermittlung einer tatsächlich
ausgeführten Maßnahme ein Grundrechtseingriff sein. Unter welchen Umständen
dies der Fall ist, bleibt eine Frage der Unmittelbarkeit.
Die Angst vor einer Art grundrechtlichen Popularklage ist unbegründet. Die Kla-
gebefugnisse für konkret-individuelle Maßnahmen durch Exekutive und Judikative
bemessen sich ohnehin an Art. 19 Abs. 4 GG. Eine „Popularklage“ in Form von
Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze (sog. Rechtssatzverfassungsbeschwerde)
ist hinzunehmen. Die Gesetze gelten für alle Bürger. Daher kann nicht überzeu-
gend begründet werden, warum sich der Einzelne dann nicht gegen diese auch ihn
betreffenden Gesetz wehren können soll. Die allgemeinen Probleme der Eingriffsin-
dividualisierung entschärfen sich wesentlich, wenn der prozessuale Nachweis eines
Grundrechtseingriffs von der individuell-konkreten Beeinträchtigung getrennt wird.
Der Nachweis individueller Betroffenheit ist ein an dieser Stelle nicht entschei-
dendes Problem des Verfassungsprozessrechts. Das Grundgesetz geht von einem

65
Kirchhof , S. 199; „Die Grundrechte in ihrer Ausprägung als subjektive Rechte des Einzelnen
schützen aber ausschließlich die individuelle Rechtssphäre des einzelnen.“ Heckmann, JZ 1996,
S. 885 Fn. 57 Ein Aufweichen dieses Erfordernisses würde den Einzelnen zum Hüter des objektiv-
rechtlichen Gehalts der Grundrechte machen und einer „allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle
staatlichen Handelns Tür und Tor öffnen“. Dies sei weder zum Grundrechtsschutz notwendig noch
sachdienlich und der gleichen Argumente mehr, Epniney, Der Staat, Nr. 34, 1995, S. 581.
66
Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 87 f.
84 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

materiellen Eingriff durch Gesetze selbst aus.67 Ob die individuelle Betroffenheit


„selbst, gegenwärtig und unmittelbar“ durch Gesetz besteht, ohne dass die Maß-
nahme durch die anderen Gewalten umgesetzt sein muss, ist eine prozessuale Frage,
der §§ 93 Abs. 3, 94 Abs. 4, 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG.68 Die Frage, ob ein Eingriff
vorliegt, ist von der Frage nach dem Nachweis dieses Eingriffs zu trennen. Ob die
konkrete Betroffenheit einer Einzelperson nachgewiesen werden kann, bedingt also
nicht den Eingriffsbegriff.
Andererseits sind keine rein kollektiven Effekte durch staatliche Maßnahmen
möglich, da Kollektive aus Einzelpersonen bestehen. Notwendig und ausreichend
ist, dass die Grundrechte unbestimmter Personen durch die Maßnahmen beein-
trächtigt werden. Dass überhaupt eine individuelle Person durch die zu prüfende
staatliche Maßnahme betroffen sein muss, ist eine triviale Voraussetzung des Ein-
griffsbegriffs, da die Grundrechte subjektive Rechte sind.69 Ob die staatliche Maß-
nahme abstrakt-genereller oder konkret-individueller Handlungsakt des Staates ist,
präkludiert die Entscheidung über die individuelle Betroffenheit nicht. Letzteres ist
eine Frage, die mit der Zurechnungsprüfung geklärt wird.

4. Zwangsähnlichkeit

a) Ansicht in der Literatur

Die Zwangsfunktion als Element des klassischen Eingriffsbegriffs lässt sich auf
Grundlage des modernen Eingriffsbegriffs nicht aufrechterhalten. Wirkte eine sons-
tige Grundrechtsbeeinträchtigung zwangsähnlich, komme sie einem Imperativ so
nah, dass eine Gleichstellung mit dem Erfordernis der Zwangsfunktion unumgäng-
lich sei. Zwangsähnlichkeit sei aber nur bei Fällen unwiderstehlicher Verhaltenslen-
kung anzunehmen und habe daher keine abschließende Abgrenzungsfunktion.70

b) Eigene Ansicht

„Zwangsähnlichkeit“ liefert lediglich einen Hinweis darauf, dass ein Eingriff nur
dann vorliegt, wenn tatsächlich die Freiheit des Einzelnen durch staatlichen Ein-
fluss gestört wird. Und zwar so, dass der Betroffene sich an die sozialen Normen
anpasst und seine eigentlich gewünschten Handlungen aufgibt. Der empfundene
Druck muss dabei so stark sein, dass er einem imperativen Verbot gleichkommt. Es
liegt in der Natur der Sache, dass ein Verbot weniger abschreckend wirken kann

67
BVerfGE 86, 382, 236 ff.; BVerfG NVwZ 2001, 790.
68
Vgl. Weber, JuS 1995, S. 114 ff.
69
Vgl. Scherzberg, DVBl. 1989, S. 1128 ff. Anderes gilt aber für den Anspruch auf Achtung der
Menschenwürde vgl. § 8, IV, 2.
70
Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 86.
III. Moderner Eingriffsbegriff 85

als eine Überwachung, denn die strafprozessuale Überwachung kann zur Verurtei-
lung des Betroffenen wegen einer Straftat führen. Die Übertretung eines Verbotes
wird dem Einzelnen unter Umständen leichter fallen, als das nicht verbotene, aber
belastende oder zweideutige Verhalten auszuführen.

Beispiel 9 Das strafbewährte Verbot einer Fundunterschlagung an einer auf der


Straße liegenden Brieftasche kann einen geringeren Effekt auf die Handlungssteue-
rung haben als die Regelung, dass an jeder Straßenecke heimliche staatliche Über-
wachung stattfinden darf.

Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, ist der Einzelne auch in Fällen der vermu-
teten heimlichen Überwachung in seiner Freiheit eingeschränkt. Der Staat nimmt
ihm in solchen Fällen zwar nicht die Entscheidungsautonomie, aber von der Wirk-
kraft her ist der psychische Druck zwangsähnlich. Dies leitet zur Frage nach der
Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung über.

5. Diskussion in der Literatur um die Intensität


der Grundrechtsbeeinträchtigung

a) Bestimmung einer Erheblichkeitsschwelle durch eine Gesamtbewertung

Um die Weite des modernen Eingriffsbegriffs zu begrenzen, wird in der Literatur


eine nicht näher bestimmte Mindestintensität der Grundrechtsverkürzung gefordert.
Wie bei der Zwangsähnlichkeit kommt es bei der Intensität der Beeinträchtigung auf
die tatsächliche Auswirkung der Maßnahme beim Betroffenen an. Im Gegensatz
zum klassischen Eingriffsbegriff, der keine Quantitätsschwelle voraussetzt, muss
beim modernen Eingriffsbegriff nach der h. M. eine gewisse Erheblichkeit der Be-
einträchtigung erreicht werden.71 Rebmann vertritt eine abweichende Ansicht, wel-
che die Gesamtbewertung am oben genannten Maßstab der Zwangsgleichheit aus-
richten will.

b) Verzicht auf eine Erheblichkeitsschwelle

Duttge72 und andere73 plädieren dafür, die Erheblichkeitsschwelle wegen deren


Unbestimmtheit gleich ganz aufzugeben. Dies führt zu einem extrem weiten Ein-
griffsbegriff.

71
Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 17 S. 1207; Lübbe-Wolff , S. 191;
Bleckmann/Eckhoff , DVBl. 1988, S. 380 f.; Pieroth/Schlink, Rdn. 267; Heckmann, JZ 1996, S. 885
Fn. 57 m. w. N.; Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, S. 87.
72
Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozessrecht, S. 106.
73
Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozessrecht, S. 106 Fn. 603, 604 m. w. N.
86 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

c) Eigene Ansicht

aa) Objektives Kriterium der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit

Der Kritik an der Erheblichkeitsschwelle ist in der Begründung zuzustimmen: Die


Anknüpfung an eine unbestimmte „Intensität“ der Beeinträchtigung bedeutet einen
Verzicht auf einen objektiven, rational nachprüfbaren Maßstab. Eine gesamtbetrach-
tende objektive Wertentscheidung darüber zu treffen, unter welchen Umständen
eine Person in ihren Freiheitsrechten beeinträchtigt ist, muss unbestimmt bleiben.
Eine Erheblichkeitsschwelle ist daher abzulehnen.
Der oben erwähnten von Rebmann vertretenen Auffassung, dass vor dem Hin-
tergrund des umfassenden strafprozessualen Aufklärungsgebotes alle Ermittlungs-
maßnahmen rechtlich zulässig seien, „die in ihrer Eingriffsintensität unterhalb der
Zwangseingriffe liegen, für die die Strafprozessordnung ausdrücklich Spezialer-
mächtigungen vorsieht,“ ist (nur) im Ansatz beizupflichten. Zwar gibt diese Ansicht
der Eingrenzung des Eingriffsbegriff mit dieser Zielvorgabe wenigstens eine ob-
jektive Kontur. Nicht zu folgen ist Rebmann darin, dass darüber hinaus „weite
Räume des Ermessens“ bestünden, weil der Vorbehalt des Gesetzes keine gesetzli-
che Grundlage für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen verlange.74 Der von dieser
Ansicht unterstellte Grundsatz besagt nämlich, dass jede zwanglose Maßnahme
weniger eingriffsintensiv ist, als eine zwangsbewehrte Maßnahme. Das ist aber kei-
neswegs zwingend. Es muss vielmehr ein Kriterium dafür entwickelt werden, unter
welchen Umständen eine zwanglose Maßnahme entsprechend intensiv wirkt. Dies
sollte aber nicht durch eine unbestimmte Gesamtbewertung ermittelt werden müs-
sen.
Ein Eingriff gerade des Staates liegt nicht vor, wenn die staatliche Maßnahme
keine besonders herausgehobene Stellung in einer Vielzahl verschiedener äquiva-
lenter Ursachen einnimmt. Die staatliche Maßnahme muss nicht nur ein objektiv
zurechenbarer Beitrag des Staates sein, sondern aus Sicht des Betroffenen der
entscheidende Grund für die Verkürzung seiner Freiheiten. Für den klassischen
Eingriffsbegriff ergab sich diese Begrenzung der Entscheidungsfreiheit aus der
Zwangsfunktion des Eingriffsbegriffs.75 Dieses Kriterium wurde aber nicht etwa
aufgegeben, weil eine Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit nicht notwendig wä-
re. Vielmehr ging es nur um Erweiterung der Art und Weise der Beeinträchtigung.
Diese Parallele zur Zwangswirkung ist ein objektives Kriterium zur Einschränkung
des weiten Eingriffsbegriffs, der grundsätzlich jede tatsächliche Veränderung einer
privaten Entscheidung erfasst, deren Mitursache staatliches Handeln ist. Dieser
Ansatz für ein objektives Kriterium ist aber nicht allgemein gültig, sondern betrifft
nur die allgemeine Handlungsfreiheit und ist im Rahmen dieses Grundrechts erst
im weiteren Verlauf der Arbeit näher auszuführen.76 Insofern wird noch zu unter-
suchen sein, ob ein zusätzliches objektives Korrektiv eingeführt werden muss, das

74
Rebmann, NJW 1985, S. 3 f.
75
Vgl. oben § 7, II, 1, d).
76
Vgl. unten § 8, II, 2 und § 8, III, 4 ff.
III. Moderner Eingriffsbegriff 87

die Veranlassung solcher Handlungen aus dem Eingriffsbegriff herausfiltert, die


zwar zurechenbar durch den Staat verursacht wurden und auch die Entscheidungen
des Einzelnen im Ergebnis verändern, aber völlig irrational motiviert sind. In den
folgenden, allgemeinen Ausführungen ist vorerst nur zu zeigen, dass der Eingriffs-
begriff für die jeweiligen Grundrechte nur bereichsspezifisch bestimmt werden
kann.

bb) Freiheitsbegriff des Grundgesetzes

Bei der Bestimmung des Eingriffsbegriffs besteht die Gefahr, dass aus dem Blick
gerät, dass es um die Beeinträchtigung von Freiheitsgrundrechten geht. Die Wir-
kung des staatlichen Verhaltens muss daher nicht irgendeine, sondern gerade ei-
ne freiheitsbeeinträchtigende Wirkung sein. Es ist unmöglich, den Eingriffsbegriff
sinnvoll zu erläutern, ohne auch den Gegenstand des Eingriffs in den Blick zu neh-
men. Daher muss an dieser Stelle kursorisch auf die Freiheitsgrundrechte und den
Freiheitsbegriff vorgegriffen werden.

aaa) Allgemeiner Freiheitsbegriff


Nach dem allgemeinen Freiheitsbegriff77 ist ein Mensch oder auch ein Gegenstand
frei, wenn er keinem fremden Einfluss unterliegt. Freiheit ist im ursprünglichen
Sinn zunächst immer Freiheit von etwas. Ein Mensch ist nur dann frei von frem-
dem Einfluss, wenn weder ein Gedanke (sei es ein Gefühl, eine bewusste oder eine
unbewusste Erkenntnis) noch ein Verhalten bei diesem Menschen durch eine äußere
Kraft beeinflusst wird. Eine vollständige Freiheit von allen äußeren Einflüssen ist
für den Menschen weder wünschenswert noch zu erreichen. Ob es sie geben kann,
mag ein metaphysisches Problem sein, Thema des Grundgesetzes ist diese Freiheit
nicht.

bbb) Den unterschiedlichen Freiheiten entsprechende Unterscheidung


verschiedener Eingriffsbegriffe
Das Grundgesetz stellt ein Konzept verschiedener Freiheiten auf, das teilweise über
diesen natürlichen Freiheitsbegriff hinausgeht. Art. 2 Abs. 1 GG garantiert die all-
gemeine Handlungsfreiheit, „zu tun und zu lassen was man will“. Diese Freiheit
erfasst alle möglichen Handlungen.78 Art. 10 und Art. 13 GG garantieren Freihei-
ten die nicht natürlich, sondern nur normativ bestehen. Sie garantieren die Freiheit
der Fernkommunikation und der räumlichen Privatsphäre von staatlicher Beobach-
tung. Auch Art. 1 Abs. 1 GG garantiert dem Einzelnen von einer Missachtung der

77
Vgl. zum Freiheitsbegriff instruktiv Poscher, S. 110 m. w. N. zu den grundlegenden Werken in
Fn. 4.
78
Einige Handlungsformen stehen unter besonderem Schutz, zum Beispiel die Meinungs- oder
Versammlungsfreiheit, Art. 5 und Art. 8 GG.
88 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

Menschenwürde frei zu sein. Aus diesen Unterschieden ergeben sich auch unter-
schiedliche Anforderungen an den Eingriffsbegriff. In dem Fall, dass der Gesetzge-
ber die Fernkommunikation durch Art. 10 GG vor heimlicher Beobachtung schützt,
ist es unerheblich, welche Auswirkungen diese Beobachtung auf die natürliche
Handlungsfreiheit hat. Andersherum kann nicht ohne weiteres von einer Beobach-
tung auf eine Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit geschlossen werden. Insoweit
müssen also zwingend unterschiedliche Eingriffsbegriffe gelten. Der Verfassungs-
geber könnte die normativen Freiheiten beliebig vermehren und beispielsweise die
Freiheit, nicht beobachtet zu werden, allgemein schützen. Entgegen dem Vorgehen
bei der umfassenden Handlungsfreiheit wurde aber kein allgemeines normatives
Recht auf Freiheit von Beobachtungen erlassen. Die h. M. hat mit dem allgemei-
nen Persönlichkeitsrecht ein zusätzliches, normatives Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
und Art. 1 Abs. 1 GG zusammengesetzt, das die ganz erheblichen Lücken in dem
Bereich der normativen Freiheiten weitgehend schließt. Es gewährleistet für be-
stimmte Fallgruppen die Freiheit der Person vor staatlicher Fremdwahrnehmung.
Ob dies Vorgehen mit der Verfassung zu vereinbaren ist, wird sich im späteren Ver-
lauf der Arbeit zeigen. An dieser Stelle muss zunächst festgehalten werden: Nur für
die allgemeine Handlungsfreiheit79 muss ein besonderer Eingriffsbegriff festgelegt
werden. Sind normative Freiheiten geschützt, ergibt sich auch der Freiheitsbegriff
aus entsprechender Auslegung des Grundrechts.80
Durch Auslegung der jeweiligen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind spe-
zielle objektive Kriterien zu entwickeln, die für die jeweilige Freiheit unbeachtliche
Einflüsse nicht als Eingriff gelten lassen. Die notwendigen Begrenzungen finden für
die allgemeine Handlungsfreiheit auf der Ebene der Zurechnung statt. Sie betreffen
neben der allgemeinen „Zwangsähnlichkeit“ die Frage, ob auch staatliches Han-
deln, das mitursächlich für völlig irrationale Entscheidungen des Einzelnen wird,
ein Eingriff in seine Handlungsfreiheit sein kann.81

6. Grundrechtsgefährdungen

a) Ansicht der Literatur und der Rechtsprechung

Neben den genannten Erweiterungen durch den modernen Eingriffsbegriff wird im


verfassungsrechtlichen Schrifttum die Erstreckung des Eingriffsbegriffs auf Grund-
rechtsgefährdungen diskutiert. Bestimmte „Grundrechtsgefährdungen“ seien unter
speziellen Voraussetzungen Grundrechtseingriffen gleichzustellen. Dies soll nur für
die Rechtsgüter gelten, die der Staat besonders zu schützen hat. Die Schutzgebo-

79
Und die hier aber nicht ins Gewicht fallenden speziellen Handlungsfreiheiten.
80
Ein „Geheimnisgrundrecht“ schützt zum Beispiel vor der Aufdeckung des Geheimnisses durch
Beobachtung.
81
Vgl. unten unter § 8, III, 4, b) und weiter zur Frage, ob schon die Willensbildungsfreiheit in
Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird § 8, II, 2.
IV. Zwischenergebnis 89

te seien nicht effektiv, wenn sie eine vollendete Beeinträchtigung voraussetzen.82


Diese Gleichstellung von Gefährdung und Eingriff ist bisher nur für Lebens- und
Gesundheitsgefahren nach Art. 2 Abs. 2 GG vorgenommen worden.83 Das BVerfG
hat aber über die Ansätze zum Lebens- und Würdeschutz hinaus keine dogmatisch
fundierte Ansicht zu Grundrechtsgefährdungen entwickelt.84

b) Eigene Ansicht

Das Grundgesetz nennt eine Schutzpflicht nur hinsichtlich der Menschenwürde.


Dass darüber hinaus andere Schutzpflichten bestehen können, ist keine Frage des
Eingriffsbegriffs.85 Eingriffe möglichst zu verhindern, ist eine Frage der Eingriffs-
begrenzung und damit eine der Verhältnismäßigkeit der Eingriffsvorschriften.
Für den Eingriffsbegriff ist festzuhalten, dass die entsprechende Beeinträchti-
gung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehen muss. Eine Gefähr-
dung ist nicht ausreichend, da der Gefahrbegriff „weder Anfang noch Ende hat“86
und so zur Abgrenzung untauglich ist. Ein Recht wird auch nicht schon durch die
Gefährdung verkürzt. Die Gefährdung des einen Grundrechts kann aber bereits die
Verkürzung des anderen Grundrechts sein. So kann die Gefährdung des Lebens eine
Einschränkung der Handlungsfreiheit bewirken. Andererseits kann eine Einschrän-
kung der Handlungsfreiheit die Menschenwürde nur gefährden. Grundrechtsgefähr-
dungen sind daher keine Eingriffe in die gefährdeten Rechtspositionen.

IV. Zwischenergebnis

Nach hier vertretener Ansicht liegt ein Grundrechtseingriff nur vor, wenn folgende
Anforderungen erfüllt sind:
1. Grundrechtlich geschützte Freiheiten einer Person müssen erfolgreich verkürzt
werden.

82
Feik, S. 41 f.
83
Feik, S. 41 f.; Bethge, Der Grundrechtseingriff, S. 43 f.; Vgl. allgemein zu den Grundrechtsge-
fährdungen Sachs in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 78 IV.2, S. 210 ff.
und Ossenbühl, Grundrechtsgefährdungen. „[Dass es eine Pflicht gibt, den Betroffenen nicht durch
ein Strafverfahren in Lebensgefahr zu bringen,] versteht sich für den Rechtsstaat des Grundgeset-
zes von selbst.“ BVerfGE 51, 324, 346 f. Grundrechtsgefährdungen sollen nach BVerfGE 51, 324,
347 „Grundrechtsverletzungen im weiteren Sinne“ sein.
84
Vgl. BVerfGE 49, 89, 141 f.; 53, 30, 57; 56, 54, 78. Die Schwelle für die Gleichstellung von
Gefährdungen gegenüber Eingriffen bleibt darüber hinaus offen: „Um welche Voraussetzungen es
sich dabei handelt, braucht hier nicht abschließend erörtert zu werden.“ BVerfGE 51, 324, 346 f.
85
So ähnlich auch Cremer, der die Begründung von Schutzrechten aus der Abwehrfunktion der
Freiheitsgrundrechte ebenfalls zurückweist. Cremer, S. 178.
86
„Unbestimmter Rechtsbegriff par excellence“, Di Fabio, S. 33.
90 § 7 Klärung des Eingriffsbegriffs

2. Ein solcher Erfolg liegt nur vor, wenn eine freie Entscheidungsfindung durch
fühlbaren staatlichen Einfluss im Ergebnis verändert wird („Freiheitsbeeinträch-
tigung“) (Art. 2 Abs. 1 GG).
3. Der Erfolg muss dem Handeln staatlicher Organe wenigstens im Sinne einer
Risikoerhöhungstheorie objektiv zurechenbar sein.
4. Für die einzelnen Grundrechte können sich jedoch abweichende Ergebnisse er-
geben: Wird durch spezielle Freiheiten der Eingriff normativ vorverlagert, kann
auch schon staatliches Verhalten, das die Entscheidungsfreiheit nicht unbedingt
beeinflusst, ein Eingriff sein (Art. 1 GG, Art. 10 GG, Art. 13 GG).
Für die einzelnen Grundrechte können sich abweichend spezielle Eingriffsvoraus-
setzungen ergeben. Ob die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
in Grundrechte eingreifen,87 ist mangels direkter Freiheitseinbuße nicht auf Anhieb
entscheidbar. Eingriffe lassen sich nicht für alle in Betracht kommenden Grundrech-
te und alle Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
unterstellen. Vielmehr kommt es darauf an, welche spezifischen Grundrechte be-
troffen sind.

87
Vgl. § 1, I, 1.
§ 8 Freiheitsgrundrechte und
Menschenwürdeschutz

Bisher wurde geklärt, dass ein Eingriff in Grundrechte durch verdeckte Ermittlungs-
maßnahmen generell möglich ist. Die klassischen Merkmale des Eingriffsbegriffs,
die durch verdeckte Ermitllungsmaßnahmen verfehlt werden, gelten nicht abschlie-
ßend. Vielmehr ist auf Grundlage des modernen Eingriffsbegriffs zu prüfen, ob die
in der StPO geregelten Maßnahmen Grundrechtseingriffe sind. Die Antwort hängt
aber nicht nur vom Eingriffsbegriff, sondern auch von den einzelnen Freiheitsgrund-
rechten ab. Bei verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen kommt ein
Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ebenso in Betracht, wie eine Verlet-
zung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG. Au-
ßerdem sind Eingriffe in andere Grundrechte zu untersuchen, insbesondere solche
gemäß Art. 10 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG. Zunächst ist jeweils der
Schutzbereich dieser Grundrechte zu bestimmen, soweit er für das Thema der vor-
liegenden Untersuchung von Interesse ist.1 Dabei ist in Erinnerung zu bringen, dass
mit der Feststellung eines Grundrechtseingriffs noch nicht gesagt ist, dass eingrei-
fende, verdeckte Ermittlungsmaßnahmen generell unzulässig sind. Entscheidend ist
die nach der Darstellung der Freiheitsgrundrechte zu erörternde Möglichkeit der
Rechtfertigung durch Vorschriften, die den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts
entsprechen. Aber auch diese Möglichkeit variiert teilweise mit den Grundrechten,
in die eingegriffen wird. Art. 1 GG und Art. 13 GG unterscheiden sich bezüglich
ihrer Eingriffsschranken deutlich von Art. 2 und Art. 10 GG.

1
Die primäre Funktion der Grundrechte ist die Eingriffsabwehr, vgl. Bethge, Der Grundrechtsein-
griff, S. 14. Die Schutzbereiche müssen daher in den Zusammenhang der Eingriffsabwehr gestellt
werden, vgl. § 7 und Pieroth/Schlink, Rdn. 249.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 91


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
92 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

I. Die h. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum


allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG

Um die verdeckten Maßnahmen umfassend und nicht nur für die Spezialfälle der
Telekommunikations- und Wohnraumüberwachung (Art. 10 und Art. 13 GG) ein-
ordnen zu können, wird zunächst untersucht, ob verdeckte Ermittlungsmaßnahmen2
in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein-
greifen. Dazu wird der Schutzbereich dieses weiten Grundrechts geklärt werden.

1. Die Unterscheidung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht


und allgemeiner Handlungsfreiheit:
„Zwei Stränge“ des Art. 2 Abs. 1 GG

Den weitesten Schutzbereich aller Grundrechte gewährt Art. 2 Abs. 1 GG. Traditio-
nell werden Art. 2 Abs. 1 GG nicht nur ein, sondern zwei Grundrechte entnommen,
nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit als Aktivitätsschutz und das allgemei-
ne Persönlichkeitsrecht als Integritätsschutz, die ihrerseits viele verschiedene sub-
jektive Rechte gewährleisten.3 Diese zwei Grundrechtsgarantien haben nach h. M.
unterschiedlichen Inhalt und sind nur auf eine gemeinsame „Wurzel“4 zurückzu-
führen:5
„So bedarf die Handlungsfreiheit des Menschen zum Schutz seiner freien Entfaltung der
Ergänzung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die Persönlichkeit selbst als Vor-
aussetzung ihrer Entfaltung schützt.“6

a) Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt jegliches menschliches Verhalten. In die-


sen weiten Schutzbereich wird immer dann eingegriffen, wenn ein Handeln oder
Unterlassen im Sinne des modernen Eingriffsbegriffs beeinträchtigt wird.7

2
Beispiele: Das heimliche Beschatten eines Verdächtigen ohne technische Mittel nach der Ermitt-
lungsgeneralklausel, §§ 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO. Die Überwachung mit technischen
Mitteln gemäß §§ 100h, 163 f StPO. Die Überwachung eines Gesprächs mittels Richtmikrofon auf
der Straße nach § 100f StPO. Die Anfangs im Beispielfall vorgestellte Ausspähung von Compu-
terspeichern mittels Trojanern.
3
Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2 Rdn. 41.
4
Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 2 Abs. 1 Rdn. 25.
5
Vgl. Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2 Rdn. 41 ff. und 59 ff.; Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 2 Abs. 1
Rdn. 68 ff.
6
Stein, S. 250.
7
Pieroth/Schlink, Rdn. 386 ff.
I. H. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 93

b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m.


Art. 1 Abs. 1 GG)

Die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen greifen nach h. M. nicht


in die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern nur in das allgemeine Persönlichkeits-
recht ein.8 Art. 2 Abs. 1 GG schützt – im Zusammenwirken mit Art. 1 Abs. 1
GG – das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht
schützt nach der Rechtsprechung des BVerfG „die engere persönliche Lebenssphä-
re und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“.9 Im Unterschied zur unbegrenzten
Weite der allgemeinen Handlungsfreiheit geht es beim allgemeinen Persönlich-
keitsrecht um engere Tatbestände, die der personalen Autonomie eines Menschen
im Sinne eines „Integritätsschutzes“ dienen.10 Der Schutzbereich des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts erweitert so einerseits den Schutzbereich des Rechts auf all-
gemeine Handlungsfreiheit, indem es dessen Aktivitätsschutz durch einen Schutz
der „passiven“ Seite des menschlichen Seins ergänzt. Andererseits teilt es nicht die
unbegrenzte Weite der allgemeinen Handlungsfreiheit. Es schützt nicht vor jeder
Wahrnehmung oder Adressierung der Person durch den Staat. Dieser Schutz be-
steht vielmehr nur für bestimmte Fallgruppen.
Das in diesem Sinne verstandene Recht ist vom BVerfG in Fortsetzung der äl-
teren zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt worden. In der Literatur wird
versucht, diese Rechtsprechung mit zusätzlichen dogmatischen Argumenten zu un-
termauern.11 Für dieses, von der allgemeinen Handlungsfreiheit abgespaltene, nur
lose mit der „Wurzel“ verbundene Grundrecht fände sich ein „überzeugendes theo-
retisches Fundament“12 im Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG:
„[Der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG] gibt über seinen genauen Sinn weit mehr her als die
Formel ,allgemeine Handlungsfreiheit‘. Er garantiert jedem das ,Recht auf freie Entfaltung
seiner Persönlichkeit‘. Danach hat jeder zunächst ein Recht auf Entfaltung seiner Persön-
lichkeit, also auf Selbstentfaltung. Zum Entfaltungsrecht kommt ein zweiter Aspekt hinzu,
das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Autonomierecht. Schließlich setzt
das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit einen Schutz der Persönlichkeitssphä-
re selbst voraus.“13

aa) Schutz der Integrität durch Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG

Der Schutz der „Integrität“ menschlichen Seins durch das allgemeine Persön-
lichkeitsrecht wird von der h. M. mit dem Einfluss des objektiven Achtungsan-
spruchs der Menschenwürde begründet. Dieser soll danach auf das Grundrecht aus
Art. 2 Abs. 1 GG „ausstrahlen“. Nach h. M. ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht

8
Rieß in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 163 Rdn. 39.
9
BVerfGE 54, 148, 153.
10
Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 2 Abs. 1 Rdn. 69.
11
Dem BVerfG wird lediglich teilweise vorgeworfen, es habe versäumt deutlich zu machen, dass
dieses Recht selbstständig neben der allgemeinen Handlungsfreiheit stehe, Stein/Frank, S. 252.
12
Stein/Frank, S. 255.
13
Stein/Frank, S. 255.
94 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

in seinem ganzen Schutzbereich mit Art. 1 Abs. 1 GG verbunden, „weil es wie die
Menschenwürde das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Einzelnen weniger mit
seinem Verhalten, als vielmehr in seiner Qualität als Subjekt schützt.“14 Das all-
gemeine Persönlichkeitsrecht umfasst danach sowohl den Schutz des Kernbereichs
der privaten Lebensgestaltung als auch den darüber hinausgehenden personalen
Integritätsschutz in sozialen Bezügen.

bb) Ausweitung der ursprünglich engen Definition des BVerfG

Die dogmatische Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begann be-


reits Ende des 19. Jahrhunderts im Zivilrecht.15 Als Grundrecht ist das allgemeine
Persönlichkeitsrecht erst nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich von den zi-
vilrechtlichen Senaten des BGH entwickelt worden.16 Das BVerfG nahm diese
Ansätze auf und gab dem verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht
eine eigenständige Entwicklungsrichtung.17 Das BVerfG ging anfangs von einem
engen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus.18 Auch heute ist
das verfassungsrechtliche vom zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht
getrennt.19 Der Einfluss des zivilrechtlichen Ursprungs wirkt in der verfassungs-
rechtlichen Dogmatik aber bis heute fort.20 Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht

14
Pieroth/Schlink, S. 391. So in der Sache auch Stern, Ehrschutz und allgemeine Gesetze, S. 815,
826; Vogelsang, S. 127 ff., Schmitt Glaeser in: Isensee/Kirchhof , HStR 6, § 129 Rdn. 28 f., der den
Unterschied zwischen „Tun“ und „Sein“ sieht; Cremer, S. 83 schreibt: „So verlangt das BVerfG
zu Recht, dass bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1
die Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist.“; weitere Nachweise bei Baston-Vogt,
S. 420 Fn. 507.
15
Mit den ersten Ansätzen in der Privatrechtswissenschaft wurde die Rechtswidrigkeit ungeneh-
migter Veröffentlichungen von Privatbriefen oder Tagebüchern begründet. Vgl. Gierke, § 81 I,
S. 703 f.; zu weiteren Nachweisen der Entwicklung vgl. Pawlowski, Rdn. 786 ff. Diese Meinung
wurde jedoch vorerst nicht von der Rechtsprechung anerkannt. RGZ 51, 369 ff., vgl. auch Ehmann,
AcP, Nr. 188, 1988, S. 230 ff. Nach 1945 konnte sich diese Ansicht dann durchsetzen.
16
Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 119 f. Es war die zivilrechtliche
Rechtsprechung, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuerst an die Artikel des Grundgesetzes
band: „Nachdem nunmehr das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde
(Art 1 GrundG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von
jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt
oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art 2 GrundG), muß
das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angese-
hen werden (vgl Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil 14. Aufl § 78 I 2; Enneccerus-Lehmann,
Schuldrecht 14. Aufl. §§ 233 2c; Coing SJZ 1947, 642).“, BGHZ 13, 334, 338. Vgl. auch BGHZ
24, 76; 26, 349; 31, 308 ff.; 39, 124.
17
Erstmals im „Elfes Urteil“, BVerfGE 6, 389, drei Jahre nach BGHZ 13, 334. Vgl. zur Entwick-
lung schon oben § 5, III, 1.
18
BVerfGE 54, 148, 153; 60, 329, 339; 63, 131, 142 f.
19
BVerfG-K, NJW 2006, 3409, 3410. Vgl. auch Baston-Vogt, S. 11–17.
20
Zur bis heute andauernden gegenseitigen Beeinflussung des zivilrechtlichen und verfassungs-
rechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts vgl. schon Ehmann, JURA 2011, 437 ff.
I. H. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 95

im Zivilrecht sehr weit ausgelegt wurde,21 war der Schutzbereich dieses Rechts mit
der anfänglichen Übernahme der zivilrechtlichen Dogmatik bereits auf Ausweitung
angelegt.
Spätestens mit dem Volkszählungsurteil22 wurde deutlich, dass die verfassungs-
gerichtliche Rechtsprechung den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeits-
rechts erweitern wollte. Das BVerfG stellte in diesem Urteil klar, dass es unter
den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung „kein belangloses Datum“
mehr gebe.23 Danach ist jede personenbezogene Informationssammlung ein Ein-
griff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da sich alle Informationserhebungen,
seien es Wort- oder Bildaufnahmen oder Datensätze heute elektronisch speichern
und weiterverarbeiten lassen. Das trifft auch auf die verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen zu. Die durch sie gewonnenen Informationen werden heute
nahezu sämtlich elektronisch gespeichert und unterliegen den damit verbundenen,
im Vergleich zur manuellen Verarbeitung potenzierten, Missbrauchsgefahren.
Obwohl Art. 1 Abs. 1 GG zur Begründung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
herangezogen wird und die Menschenwürde unantastbar ist, zieht das BVerfG aus
dieser Ausweitung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht
etwa den Schluss, nun alle Eingriffe in den Schutzbereich des Grundrechts für ver-
fassungswidrig zu erklären. Das Gericht stellt das allgemeine Persönlichkeitsrecht
vielmehr – soweit der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung nicht betroffen
ist – unter den durch den Grundsatz der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit er-
gänzten allgemeinen Gesetzesvorbehalt.24

2. Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts


als Bündelung verschiedener Konkretisierungen

Nach der h. M. ist das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht auf-


grund seines weiten Schutzbereichs in Fortsetzung der zivilrechtlichen Dogmatik
als „Rahmenrecht“ ausgestaltet.25 Das heißt, das Grundrecht wird in mehrere Un-
terkategorien (sog. „Konkretisierungen“)26 geteilt. Diese Fallgruppen betreffen
 die Außendarstellung des Einzelnen gegenüber dem Staat,
 die Wahrnehmung des Bürgers durch den Staat oder
 die Darstellung des Bürgers durch den Staat.

21
Vgl. den Sachverhalt in BGHZ 13, 334, 334. Dort ging es um die leicht veränderte Wiedergabe
eines anwaltlichen Schreibens, dieses gehörte aber nicht zum Kernbereich persönlicher Lebensge-
staltung, sondern zum Geschäftsbereich.
22
Vgl. § 5, III, 3.
23
BVerfGE 65, 1, 45, für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
24
Dies war bereits im Mikrozensusurteil angelegt: „Nicht jede statistische Erhebung über
Persönlichkeits- und Lebensdaten verletzt jedoch die menschliche Persönlichkeit in ihrer Würde
oder berührt ihr Selbstbestimmungsrecht im innersten Lebensbereich.“ BVerfGE 27, 1, 7.
25
Vgl. Pawlowski, Rdn. 792.
26
Vgl. Schmitt Glaeser in: Isensee/Kirchhof , HStR 62 , § 129 Rdn. 30.
96 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen betreffen gerade die Au-


ßendarstellung und Außenwahrnehmung, das nach außen dargestellte Selbstbild.
Der Bürger wird mittels verdeckter Ermittlungsmaßnahmen nicht unbedingt so
wahrgenommen, wie er sich dem Staat oder Dritten gegenüber darstellen will. Ein
allgemeines und umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung und Wahrneh-
mung der eigenen Person enthält Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
nach Auffassung des BVerfG allerdings nicht.27
Nur abgegrenzte Fallgruppen aus diesem allgemeinen Interesse an Außendar-
stellung und Außenwahrnehmung genießen grundrechtlichen Schutz.28 Das grund-
rechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht bündelt also nur verschiedene Fallgrup-
pen unter einer Gemeinsamkeit, ohne diese Gemeinsamkeit – Selbstdarstellung und
Außenwahrnehmung – in vollem Umfang zum Grundrecht zu erheben.

3. Rechte auf Selbstdarstellung und Außenwahrnehmung

Die im Folgenden dargestellten Grundrechtskonkretisierungen betreffen das Recht


des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wie er wahrgenommen wird.29 Das er dies bei
verdeckten Ermittlungen nicht kann, ist offensichtlich. Die Erläuterung der Kon-
kretisierungen ist aber notwendig, da nur so die Frage beantwortet werden kann,
welche Arten der Wahrnehmungen und der Erkenntnisgewinnung dem Staat nach
der Ansicht des BVerfG grundsätzlich verboten sind. Sind nach der Rechtsprechung
nur akustische und visuelle Wahrnehmungen personalen Verhaltens geschützt, wie
es sich in hörbar gesprochenem Wort, lesbarer Schrift oder sichtbarer Gestik aus-
drückt? Sind also nur Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO, Über-
wachung des gesprochen Wortes nach § 100f StPO, Überwachung des Verhaltens
mit technischen Mitteln nach §§ 100h, 163f StPO usw. Eingriffe? Oder ist auch die
Erhebung vorhandener abstrakter Daten über eine Person im Rahmen der Raster-
fahndung nach § 98a oder die heimliche Speicherung von Daten bei der polizei-
lichen Kontrollen nach § 163d StPO grundsätzlich verboten? Ist die Eingabe und
Speicherung von Daten durch den Bürger in seinem Computer ebenfalls – etwa vor
der Überwachung durch den im eingangs geschilderten Beispielfall30 erläuterten
Trojanereinsatz – geschützt?

27
BVerfGE 101, 361, 380.
28
Vgl. dazu die Ausführungen unten und zu weiteren variierenden Ausprägungen Dreier in:
Dreier, GG2 , Art. 2 Abs. 1 Rdn. 68 ff.; Jarras, NJW 1989, 858 f.; Degenhart, JuS 1992, 363 ff.
29
Die Einteilung in die Kategorien Selbstdarstellung und Selbstbewahrung folgt Pieroth/Schlink,
Rdn. 394, 397.
30
Siehe oben § 1, I.
I. H. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 97

a) Rechte am eigenen Bild und Wort

Im Rahmen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen dürfen nach ver-


schiedenen Regelungen der StPO Bild- und Tonaufnahmen angefertigt und zur
Ermittlung verwendet werden. Die Verwendung von Bild- und Sprachaufzeichnun-
gen fällt unter die Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Recht
am eigenen Bild und Wort.31
Der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort ist nicht auf bestimmte Inhalte und
Örtlichkeiten begrenzt, sondern bezieht sich allein auf die Selbstbestimmung über
die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation. Dazu gehören etwa die Her-
stellung einer Tonaufnahme oder die Kommunikationsteilhabe einer dritten Person.
Der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort hängt weder davon ab, ob es sich bei
den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte oder gar
besonders persönlichkeitssensible Daten handelt, noch kommt es auf die Vereinba-
rung einer besonderen Vertraulichkeit der Gespräche an.32 Entsprechendes gilt für
das geschriebene Wort und das Recht am eigenen Bild.
Dogmatisch begründet das BVerfG die Rechte zweifach. Sowohl die Heraus-
nahme des Erscheinungsbildes des Einzelnen aus dem Zusammenhang als auch die
Möglichkeit der Speicherung, Reproduktion und Veröffentlichung könnten die Per-
sönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen.
„Das Schutzbedürfnis ergibt sich [. . . ] – ähnlich wie beim Recht am eigenen Wort, in dessen
Gefolge das Recht am eigenen Bild Eingang in die Verfassungsrechtsprechung gefunden
hat (vgl. BVerfGE 34, 238 [246]) – vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild
eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fi-
xieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren. Diese
Möglichkeit ist durch den Fortschritt der Aufnahmetechnik, der Abbildungen auch aus wei-
ter Entfernung, jüngst sogar aus Satellitendistanz, und unter schlechten Lichtverhältnissen
erlaubt, noch weiter gewachsen.“33

Das BVerfG führt zur Begründung dieser Konkretisierung zudem Missbrauchsmög-


lichkeiten durch technische Bildmanipulationen an.
„[. . . ] Überdies kann sich mit dem Wechsel des Kontextes, in dem eine Abbildung repro-
duziert wird, auch der Sinngehalt der Bildaussagen ändern oder sogar absichtlich ändern
lassen.“34

Das BVerfG begründet den Schutz des gesprochenen Wortes durch das allge-
meine Persönlichkeitsrecht auch mit dem Schutz der persönlichen Ehre. Durch eine
Einbeziehung in den Schutzbereich werde vermieden, dass Äußerungen des Ein-
zelnen nach Außen gelangen, die seiner Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit
abträglich sein können.35

31
BVerfGE 34, 238, 246; 106, 28, 39. f.
32
BVerfGE 106, 28, 41.
33
BVerfGE 101, 361, 381.
34
BVerfGE 101, 361, 381 f.
35
BVerfGE 99, 185, 193 f., 114, 339. 346; Pieroth/Schlink, Rdn. 398.
98 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betrifft im Gegensatz zu den


Rechten am eigenen Bild und Wort nicht mehr nur einen bestimmten Bereich
der Persönlichkeitswahrnehmung wie Bilder oder Worte, sondern abstrakte, aber
personenbezogene Informationen bzw. „Daten“, die bereits losgelöst von der ur-
sprünglichen visuellen oder akustischen Wahrnehmung sein können. Dies sind
etwa Aussagen über die Größe eines Menschen, dessen Religionszugehörigkeit
oder dessen Gesundheitszustand. Diese Daten müssen nicht notwendig zum pri-
vaten Bereich der Persönlichkeit gehören. Der Schutzbereich des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung wird durch das BVerfG in diesem Sinne so
definiert:
„Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenver-
arbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwen-
dung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem
Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht
gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe
und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“36

Vom Schutzbereich umfasst sind lediglich personenbezogene Informationen.37


Die Informationen müssen aber nicht privat sein, sondern können auch öffentlich
oder zumindest einem größeren Personenkreis zugänglich sein, wie Telefonnum-
mern oder KfZ-Kennzeichen. Der Begriff des Personenbezugs ist relativ. Solange
es der speichernden Stelle mit verhältnismäßigem Aufwand möglich bleibt, den
Personenbezug wiederherzustellen, handelt es sich selbst bei vordergründig anony-
misierten Datensätzen weiterhin um personenbezogene Daten.38 Dies muss kon-
sequenterweise auch für das Rohmaterial der maschinenlesbaren Daten, also die
vorgenannten Bild- und Toninformationen gelten. Geschützt wird der Betroffene
davor, dass „seine“ personenbezogenen Informationen erhoben, registriert, gespei-
chert, weiter verarbeitet und verwertet werden.
Durch verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen werden personenbe-
zogene Daten erhoben, ohne dass der Betroffene dies bemerkt. Ihm fehlt also schon

36
BVerfGE 65, 1, 41.
37
Zöller, S. 27; Kunig, Jura 1993, S. 595, 599. „Daten“ wird teilweise nur in Bezug oder in
Parallele zu DIN ISO/IEC 2382 verwendet. Danach sind Daten (nur) Gebilde aus Zeichen oder
kontinuierliche Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informatio-
nen darstellen, vorrangig zum Zweck der Verarbeitung und als deren Ergebnis. In der Informatik
und Datenverarbeitung versteht man Daten als (maschinen-) lesbare und -bearbeitbare, in der
Regel digitale Repräsentation von Information. Bei Informationen als Gegenstand der verdeck-
ten Ermittlungsmaßnahmen geht es um Informationen, also Daten im weiteren Sinne, sei es das
gesprochene Wort oder eine einfach visuelle Wahrnehmung. Dabei wird unter Bezugnahme auf
die Umsetzung im einfachen Recht für Daten durch § 3 Abs. 1 BDSG als ausreichend erachtet,
dass Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder be-
stimmbaren Person sein sollen. In diesen Fällen ist eine Person bestimmt, wenn die Daten selbst
einen Rückschluss auf ihre Identität zulassen. Bestimmbarkeit liegt vor, wenn mit Hilfe der Um-
stände und zusätzlicher Kenntnisse der Bezug zu einer konkreten Person hergestellt werden kann.
38
Zöller, S. 27.
I. H. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 99

die Möglichkeit über diese Daten zu bestimmen. Nach dem BVerfG ist jede per-
sonenbezogene verdeckte Datenerhebung und deren weitere Verwendung durch die
Ermittlungsbehörden also – vorbehaltlich des Schutzes durch speziellere Grund-
rechte – ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbe-
stimmung.

c) Das neue Computergrundrecht

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen können auch in das vom BVerfG 2010 entwi-


ckelte neue Computergrundrecht39 eingreifen, weil Kommunikationsdaten auf elek-
tronischen Medien gespeichert sein können.
Das bereits zitierte Urteil des BVerfG zum Computergrundrecht40 behandelt
nur den Fall einer Überwachung informationstechnischer Systeme im Bereich der
Gefahrenabwehr durch Prävention im engeren Sinne. Dennoch ist das Computer-
grundrecht auch auf die verdeckten stafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen in der
StPO anzuwenden. Sinn der Ausformung eines „neuen“ Grundrechtes durch das
BVerfG kann nur dessen universelle Geltung sein.41 Mit dieser Grundsatzentschei-
dung schafft das BVerfG ein neu konkretisiertes Recht im Rahmen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts. Ein Eingriff in das Grundrecht erfolgt nach dieser Rechtspre-
chung durch
„[. . . ] eine staatliche Maßnahme, die mit dem heimlichen technischen Zugriff auf ein in-
formationstechnisches System im Zusammenhang steht.“42

Das neue Computergrundrecht schafft also Schutz vor staatlicher Ausspähung


informationstechnischer Systeme, mit denen der Einzelne Daten verarbeitet. Das
neue Grundrecht schließt Lücken im Grundsrechtsschutz: Die Kommunikations-
grundrechte erfassen den Schutz der Integrität der Computersysteme nicht, weil die
private elektronische Datenverarbeitung weder Teil noch Vorbereitung von Kommu-
nikation sein muss. Immer, wenn in privaten Informationsverarbeitungssystemen
gespeicherte Daten ausgespäht werden, ist das Computergrundrecht betroffen.43
Auf Heimlichkeit kommt es für den Eingriff entgegen der missverständlichen For-
mulierung des BVerfG44 nicht an. Die offene Infiltration eines Computers fällt nicht
aus dem Schutzbereich heraus, denn der Eingriff lässt sich nicht mit der Begründung

39
BVerfG 120, 274, 302: „als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität
informationstechnischer Systeme.“
40
BVerfG 120, 274, 302.
41
Vgl. Murswiek, der eine eigenständige Bedeutung neben dem Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung zwar ablehnt, aber die eigentliche Bedeutung des Computergrundrechts der
Rechsprechung in der allgemeinen Errichtung eines „Schutzzauns“ gegen Maßnahmen sieht, die
eine Ausspähung, Manipulation und Überwachung ermöglichen, Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2
Rdn. 73c.
42
BVerfG 120, 274, 310.
43
BVerfGE 120, 274.
44
BVerfG 120, 274, 310.
100 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

verneinen, dass der Betroffene bemerkt, dass die Daten in seinem Rechner gerade
ausgespäht werden.
Ob das neue Computergrundrecht ein Teilbereich des Rechts auf informationel-
le Selbstbestimmung sein soll oder ob es neben den bisherigen Konkretisierungen
stehen soll, ist strittig.45 Das BVerfG scheint sich für die letztgenannte Variante ent-
schieden zu haben und stellt das „neue“46 Grundrecht subsidiär neben das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung:
“[. . . ] verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Art. 1 i. V. m. Art. 1 Art. 1 GG)
in seiner besonderen Ausprägung als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit
und Integrität informationstechnischer Systeme. Diese Ausprägung des allgemeinen Per-
sönlichkeitsrechts schützt vor Eingriffen in informationstechnische Systeme, soweit der
Schutz nicht durch andere Grundrechte, wie Art. 10 oder Art. 13 GG, sowie durch das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet ist [. . . ].“47

„Dieses Recht fußt gleich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG; es bewahrt den persönlichen und privaten
Lebensbereich der Grundrechtsträger vor staatlichem Zugriff im Bereich der Informations-
technik auch insoweit, als auf das informationstechnische System insgesamt zugegriffen
wird und nicht nur auf einzelne Kommunikationsvorgänge oder gespeicherte Daten.“48

Das „neue“ Grundrecht ergänzt also den Grundrechtsschutz im Bereich Informa-


tionstechnik. Diese Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt vor
Eingriffen in informationstechnische Systeme, soweit der Schutz nicht durch ande-
re Grundrechte, wie insbesondere Art. 10 oder Art. 13 GG, sowie durch das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung49 gewährleistet ist.50

45
Dagegen Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2 Rdn. 73c; Eifert, NVwZ 2008, S. 521 f.; Volkmann,
JZ 2006, S. 591.
46
Wegen der insoweit ungeänderten Artikel des GG geht es nicht um ein im engen Wortsinn „neu-
es“ Grundrecht. Das Grundrecht ist nicht „neu“ im Sinne einer Verfassungsergänzung. Vielmehr
handelt es sich um die konkretisierende Auslegung der Art. 2 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 Abs. 1) GG
durch das BVerfG. Vgl. Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, S. 3534 ff.
47
BVerfGE 120, 206, 302.
48
BVerfGE 120, 206, 313.
49
So auch Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2 Rdn. 73c, der einerseits meint, das Grundrecht sei
neben dem Grundrecht auf Informationelle Selsbtbestimmung überflüssig, aber andererseits die
Rechtsprechung des BVerfG so interpretiert, dass der Schutz durch das Computergrundrecht Ein-
griffe verhindern soll, die Informationserhebungen nur vorbereiten. Nach dem hier vertretenen
und im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu erläuternden Ansatz kommt es auf solche Abgren-
zungen im Ergebnis nicht an, da es sich nur um standardisierte Begründungen für Eingriffe in die
allgemeine Handlungsfreiheit handelt, vgl. unten § 8, 2, 3.
50
Ob das BVerfG damit von zwischenzeitlichen Ansätzen abrücken will, nach denen ein Grund-
recht durch anderes – sogar ohne Schutzbereichseröffnung beider Grundrechte – verstärkt werden
könne, bleibt unklar: Nach der Ansicht des BVerfG erhält das allgemeine Persönlichkeitsrecht sein
besonderes Gewicht dadurch, dass das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 GG
mit der Menschenwürde aus Art. 1 GG gekoppelt wird, auch wenn die Menschenwürde nicht bei
jedem Eingriff berührt wird. Vgl. allgemein kritisch zur Dogmatik der Grundrechtsverstärkung
Borowski, 443 f. Weiterreichend ist die Frage, ob bei jeder neuen technischen oder gesellschaft-
lichen Entwicklung ein neues Grundrecht begründet werden muss. Dies ist zweifelhaft, da es
doch aus der Auslegung der geschriebenen Grundrechte besteht. Gibt es zum Beispiel auch ein
I. H. M. zur allgemeinen Handlungsfreiheit und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 101

4. Recht auf Selbstbewahrung

Als Recht auf Selbstbewahrung verleiht das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem


Einzelnen die Befugnis, sich zurückzuziehen, abzuschirmen, für sich und allein zu
bleiben.51 Zu diesen Bereichen des Rückzugs und der Abschirmung hat das BVerfG
eine „Sphärentheorie“ entwickelt.

a) Abgrenzung durch die sog. „Sphärentheorie“

Durch die bloße Benennung der Funktion des Rechts auf Selbstbewahrung wird
nicht ohne weitere Erläuterung klar, unter welchen Umständen ein Verhalten nicht
beobachtet werden darf. Das BVerfG gibt dem Recht auf Selbstbewahrung mit ver-
schiedenen „Sphären“ Konturen (sog. Sphärentheorie).52 Dies sind die Intimsphäre,
die Privatsphäre und die Sozialsphäre.
 Die Intimsphäre macht den „Kernbereich der privaten Lebensgestaltung“ aus.
In diese „tabuisierte“ Sphäre darf unter keinen Umständen – auch nur durch
bloße Einblicknahme – eingegriffen werden, weil dieser Kernbereich durch den
Einfluss der Menschenwürde unantastbar ist.53
 Die Privatsphäre ist ein Bereich privater, autonomer Lebensgestaltung, in dem
der Einzelne seine Individualität entwickeln und wahren kann.54 Die Privatsphä-
re ist nicht auf den eigenen häuslichen Bereich beschränkt, sondern erstreckt
sich auch auf Örtlichkeiten und Situationen, an und in denen begründeterma-
ßen objektiv davon ausgegangen werden darf, dass man der Öffentlichkeit nicht
ausgesetzt ist.

Grundrecht auf Integrität von gentechnikfreien Lebensmitteln oder ein Recht an Teilnahme an
Anti-Windkraft-Demonstrationen usw.? Im Endeffekt sind „neue Grundrechte“ als bloße Konkre-
tisierungen geschriebener Grundrechte rein deklaratorisch und kein dogmatisches Problem. Die
Feststellung eines „neuen“ Grundrechts hat insoweit nur eine größere Signalwirkung als wenn das
BVerfG es bei der schlichten Subsumtion unter Art. 2 Abs. 1 GG belassen hätte. Für die Rechtsan-
wendung in der StPO spielt diese Methodenfrage keine Rolle. Entscheidend ist, dass das BVerfG
dieses spezielle Grundrecht herausgestellt hat, da sich in der bisherigen Dogmatik Schutzlücken
in der Systematik der Grundrechtskonkretisierungen ergeben haben.
51
Pieroth/Schlink, Rdn. 394 ff.
52
Pieroth/Schlink, Rdn. 396; Riepl, S. 21 f.; BVerfGE 27, 1 „Mikrozensus“. Nach Schmitt-Glaeser
sind für die Bestimmung des Privatbereichs vier Theorien ausschlaggebend: Die Sphärentheorie,
welche die Personennähe als Kriterium zur Abgrenzung der drei Sphären nutzt; die Rollentheorie,
die auf die Betroffenheit in der jeweiligen Funktion, im Beruf, in der Familie, unter Freunden etc.
abstellt; die Theorie der autonomen Selbstdarstellung, die an die Entscheidungsfreiheit anknüpft;
die Kommunikationstheorie, welche die Integrität der Kommunikation als Unterscheidungsmerk-
mal benennt, Isensee/Kirchhof , HStR 6, § 129 Rdn. 14. Keine dieser Lehren konnte sich als
alleiniger Maßstab durchsetzen. Die Sphärentheorie ist zwar im Grundsatz anerkannt, doch muss
sie weiter konkretisiert werden. Dabei können die anderen Theorien Hilfe leisten. Vgl. Stern in:
Stern/Sachs/Dietlein, § 99 II 2, der die Sphärentheorie des BVerfG aber nicht heraushebt.
53
BVerfGE 80, 367, 373 f.
54
BVerfGE 35, 202, 220.
102 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

 Die Sozialsphäre ist die Sphäre, in welcher der Einzelne als gemeinschaftsbezo-
gene und gemeinschaftsgebundene Person im Rahmen des öffentlichen Lebens
mit anderen Gesellschaftsmitgliedern interagiert.55
In die letzten beiden Sphären darf nur durch bestimmte und verhältnismäßige
Gesetze eingegriffen werden. Der Schutz der Privatsphäre ist stärker als der Schutz
der Sozialsphäre. Er
„ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen [. . . ].“56

In die erweiterte Privatsphäre und in die Sozialsphäre darf eingegriffen werden,


wenn der Vorbehalt eines verhältnismäßigen und bestimmten Gesetzes57 beachtet
wird. Die Intimsphäre ist der öffentlichen Gewalt schlechthin verschlossen. Dabei
bleibt allerdings offen, unter welchen Bedingungen einerseits die für verdeckte Er-
mittlungen absolut verbotene Intimität und andererseits die leicht aufgrund eines
Gesetzes zu überwachende Sozialsphäre beginnen soll. Diese Frage wird innerhalb
der im weiteren Verlauf der Arbeit zu entwickelten eigenen Ansätzen ausführlich
beantwortet.58

b) Recht auf Privatsphäre

Für das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Wahrung des Kernbereichs der
privaten Lebensgestaltung ist nicht entscheidend, ob eine Information visuell oder
akustisch wahrgenommen wird. Unerheblich ist ferner, ob sie Daten aus einer Kar-
tei oder Speicherinhalte eines Computers betrifft. Der Schutzbereich wird vielmehr
„thematisch“ und „räumlich“ bestimmt.59 Für die thematische Einschränkung ist
der Wille zur Vertraulichkeit entscheidend. Räumliche Bereiche sind umfasst, wenn
sie die Annahme begründen, der öffentlichen Wahrnehmung entzogen zu sein. Ge-
meint ist, dass die Umstände auch objektiv und nicht nur nach dem Willen des
Betroffenen eine begründete Wahrscheinlichkeit liefern müssen, von anderen nicht
bemerkt zu werden.
Eingriffe in die Privatsphäre hängen nach dem BVerfG nicht davon ab, dass
Wahrnehmungen aufgezeichnet werden, also fotografiert oder Ton aufgenommen
wird. Ausreichend ist, dass Einblick genommen wird. Dieses Recht ist also teils

55
BVerfGE 65, 1, 44.
56
BVerfGE 89, 69, 82 f. Teilweise wird die Sphärentheorie als bloße Verhältnismäßigkeitsbe-
trachtung ohne Sinn für die Schutzbereichsabgrenzung gesehen, vgl. Wölfl, NVwZ 2002, S. 50.
Die Sphärentheorie ist aber bereits auf der Schutzbereichsebene erforderlich, da zunächst festge-
stellt werden muss, ob und wenn ja, in welche Grundrechte eingegriffen wird. Die Beteiligung des
Art. 1 Abs. 1 GG ist dabei keine von der Verhältnismäßigkeit erfasste Kategorie, da alle Eingrif-
fe in Art. 1 Abs. 1 GG unverhältnismäßig sind. In der öffentlichen Sphäre ist der Schutzbereich
lückenhaft und muss zunächst abgegrenzt werden, bevor Eingriffe möglich sind, die verhältnismä-
ßig sein könnten.
57
Vgl. § 9.
58
Siehe unten § 8, III und § 8, IV.
59
BVerfGE 101, 361, 384 ff.
II. Einwände gegen die Konstruktion eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts 103

enger, teils weiter als die anderen Konkretisierungen. Der Betroffene wird davor
geschützt, fotografiert oder abgehört zu werden, ohne dass die Umstände, in denen
er aufgenommen wird, privat sein müssen. Auch vor dem Sammeln persönlicher
Daten oder dem Ausspähen der in einem Computer gespeicherten Daten wird er
unabhängig davon geschützt, ob die Informationen aus seinem Privatbereich stam-
men. Die Privatsphäre wird hingegen teils umfangreicher definiert, weil sie auch
gegen die Beobachtung durch schlichte Einblicknahme einer Ermittlungsperson,
ohne den Einsatz technischer Mittel grundsätzlich geschützt ist.60
Mit verdeckten strafprozessualen Maßnahmen sollen in der Regel Personen be-
obachtet werden, die unbeobachtet bleiben wollen, sich vor dem Staat zurückziehen
und von ihm allein gelassen werden wollen. Im Groben wird damit bereits deutlich,
dass genau die vom BVerfG genannten Abschirmungen durch die verdeckten straf-
prozessualen Ermittlungsmaßnahmen umgangen werden sollen.

II. Grundsätzliche Einwände gegen die Konstruktion


eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Das Grundrecht wird von der h. M. geteilt in die allgemeine Handlungsfreiheit


als Schutz der aktiven Persönlichkeitsentfaltung und das allgemeine Persönlich-
keitsrecht zum Schutz des „passiven Mensch-Seins“ vor Fremdwahrnehmung und
Fremddarstellung. Im Hinblick auf den Wortlaut und eine subjektiv-historische
Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG61 ist die Zweiteilung des Grundrechts aus
Art. 2 Abs. 1 GG bedenklich. Diese Bedenken betreffen nicht die Ergebnisse,
die das BVerfG mit seiner Rechtsprechung erzielt, sondern die dogmatische Her-
leitung und Konsistenz dieses allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hieran Kritik zu
üben, mag auf Anhieb als dogmatisches Glasperlenspiel erscheinen. Für die hier zu
behandelnden Eingriffe durch strafprozessuale Maßnahmen sind diese Erwägungen
aber von ausschlaggebender Bedeutung. Wenn Art. 2 Abs. 1 GG nicht mit Art. 1
GG verbunden wird, ist es dogmatisch nicht zu begründen, warum Art. 2 Abs. 1
GG neben der Handlungsfreiheit auch Integritätsschutz für das „passive Mensch-
Sein“ bieten können soll. Ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG
durch verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen könnte also nicht bei den
Fallgruppen des allgemeine Persönlichkeitsrechts stehen bleiben, sondern müsste
über einen handlungsbeeinflussenden Effekt der Maßnahmen begründet werden.
Es führt daher kein Weg daran vorbei, die im vorangegangenen Kapitel vorgestellte
Rechtsprechung einer grundlegenden kritischen Analyse zu unterziehen.
Dass der Verfassungsgeber mit Art. 2 Abs. 1 GG nur die allgemeine Handlungs-
freiheit regeln wollte, ist unstrittig:

60
BVerfGE 101, 361, 383, mit weiteren ausführlichen Erläuterungen.
61
Vgl. für einen kurzen historischen Blick über die Entstehung Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2
Rdn. 1.
104 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

„Rechtlich gesehen ist er (Art. 2 Abs. 1) ein selbständiges Grundrecht, das die allgemei-
ne menschliche Handlungsfreiheit gewährleistet. Es waren nicht rechtliche Erwägungen,
sondern sprachliche Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, die ursprüngliche Fas-
sung „Jeder kann tun und lassen was er will“ durch die jetzige Fassung zu ersetzen (vgl. v.
Mangoldt, Parlamentarischer Rat, 42. Sitzung des Hauptausschusses, S. 533).“62
Nach subjektiv-historischer Auslegung ist also eine Interpretation des Art. 2 Abs. 1
GG, die über die allgemeine Handlungsfreiheit hinaus einen Integritätsschutz bietet,
nicht mit dem Willen des Verfassungsgebers vereinbar.

1. Zweiteilung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG


durch Einbeziehung des Art. 1 Abs. 1 GG?

Die h. M. stützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht nur auf Art. 2 Abs. 1 GG,
sondern auch auf Art. 1 Abs. 1 GG. So wird der Aktivitätsschutz der allgemeinen
Handlungsfreiheit um den allgemeinen Integritätsschutz der Person ergänzt. Damit
wird das Problem scheinbar gelöst, dass sich der Schutz der personalen Integri-
tät als passives „So-gesehen-werden“ durch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG
nicht mit der Auslegung dieser Vorschrift als Schutznorm einer aktiven allgemeinen
Handlungsfreiheit vereinbaren lässt. Wie zu zeigen sein wird, ergeben sich daraus
allerdings neue Probleme.
Das BVerfG nimmt ein solches einheitliches Grundrecht an, dessen gesamter
Schutzbereich sich sowohl aus Art. 1 Abs. 1 als auch aus Art. 2 Abs. 1 GG ergibt.63

62
BVerfGE 6, 32, 36 f. Cremer, S. 83: „Insoweit reicht [. . . ] angesichts der [. . . ] zurückgewie-
senen Gegenargumente und des letztlich unergiebigen Wortlauts der Hinweis auf die Genese des
Grundgesetzes, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass der Verfassungsgeber Art. 2 Abs. 1 GG als
ein Recht ,zu tun und zu lassen was man will‘, als allgemeine Handlungsfreiheit also, verstanden
wissen wollte“. Cremer, S. 83 Fn. 54 mit wörtlichen Zitaten aus den Ausschüssen zur sprachlichen
Kritik an „zu tun und zu lassen was man will“: Es wurde auf die Formulierung verzichtet, weil
sie „zu vulgär klingt“, weil sie „wenig schön“ ist. Andere sagten sie „klingt sehr schlecht“; „das
Würdevolle im Klang“ fehle.
63
Ständige Rspr. BVerfGE 34, 238 ff. – Tonband; BVerfGE 35, 202 ff. – Lebach; BVerfGE 65,
1 ff. – Volkszählung; 120, 274 ff. – Computergrundrecht. Diese Rechtsprechung erfährt jeden-
falls im Ergebnis Unterstützung aus der Literatur. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfahre
inhaltliche Bestimmung „von der Garantie der Menschenwürde her“. Zugleich ergebe sich aus der
Verbindung des Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 1 Abs. 1 GG eine Verstärkung des Schutzes. Da das Sein
und nicht nur das Verhalten betroffen sei, ließen sich Eingriffe „nicht so leicht rechtfertigen“ wie
solche in die allgemeine Handlungsfreiheit, Murswiek in: Sachs, GG6 , Art. 2 Rdn. 62. Murswiek
weist darauf hin, dass nicht zwei Grundrechte kumulativ zur Anwendung kämen. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 bei der Bestimmung von Inhalt und Gewähr-
leistungsumfang sei Art. 1 GG als Interpretationsrichtlinie zu beachten, Murswiek in: Sachs, GG6 ,
Art. 2 Rdn. 63. Nach h. M. schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht über die Einbeziehung des
Art. 1 Abs. 1 GG so vorwiegend das menschliche Sein als Qualität. Diese Ansicht setzt voraus,
dass der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde nur ein objektives Recht ist. Das Problem ei-
ner Verletzung des Achtungsanspruchs der Menschenwürde durch einen Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht wird damit aber nicht gelöst. Die Definition der Menschenwürdegarantie als
objektives Recht ändert nichts an ihrer Unantastbarkeit.
II. Einwände gegen die Konstruktion eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts 105

Welche staatliche Behandlung eines Menschen diesen Schutz auslöst, wird nor-
mativ bestimmt. Die Behandlung des Betroffen wird mit einem ethischen Makel
versehen und als verwerflich bewertet. Dabei sind nicht primär die möglichen Fol-
gen der Behandlung auf die Handlungsfreiheit des Einzelnen entscheidend. Ausrei-
chend ist eine Verächtlichmachung der Person. Diese abwertende Behandlung muss
nur sehr vage abstrake Gefahren für die Freiheiten des Einzelnen begründen kön-
nen. Daher gehören nach der Rechtsprechung auch Beobachtungen und sonstige
Informationserhebungen über intime Details des betroffenen Menschen zu solchen
Behandlungen, ohne dass die natürlichen Freiheiten des Betroffenen tatsächlich
nachweisbar beeinträchtigt werden müssen. Handlungsfreiheit oder Entscheidungs-
autonomie müssen nicht eingeschränkt werden, um einen Eingriff zu bejahen. Da-
her ist ein Eingriff durch diesen normativen Einfluss des Achtungsanspruchs der
Menschenwürde allein durch eine als entwürdigend oder anstößig bewertete Beob-
achtung möglich. Der bei den klassischen Freiheitsrechten gebräuchliche Eingriffs-
begriff gilt nicht, da das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG durch eine Einbeziehung
des objektiven Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG
zu einem Recht auf allgemeine Wahrung der persönlichen Integrität umgebildet
wird. Mit persönlicher „Integrität“ ist das Selbstbild gemeint, dass der Einzelne
durch Selbstdarstellung in der Gesellschaft zum Ausdruck bringen will. Zu dieser
persönlichen Integrität gehört der Anspruch, von der Gesellschaft so wahrgenom-
men zu werden, wie man gesehen werden will oder gar die Beobachtung als solche
zu verbieten. Dieses Recht auf eine bestimmte Art der Fremdwahrnehmung ist als
Grundrecht also streng genommen ein Anspruch gegen den Staat, bestimmte Wahr-
nehmungen des Einzelnen zu unterlassen, und kein klassisches Recht auf die eigene
aktive Entfaltung.
Die herrschende Meinung geht aber nicht so weit, jeden Eingriff in das allgemei-
ne Persönlichkeitsrecht als Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschen-
würde einzuordnen. Durch die Verbindung zwischen Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1
GG wird die Menschenwürde in ihrem Wert herabgesetzt und das Grundrecht aus
Art. 2 Abs. 1 GG erhält einen höheren Wert. Der Schutz des so zusammengefügten
Grundrechts besteht nicht nur gegenüber einer „entwürdigenden“ Behandlung im
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung. Er wirkt auch gegen eine „unschickli-
che“ oder „anstößige“ Behandlung im Bereich der weiteren Privatsphäre. Letzteres
ist im Sinne einer „abgeschwächten Menschenwürde“ zu verstehen, die auch außer-
halb des stärker geschützten Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung gilt.64 Ab-
geschwächt ist die Menschenwürde im allgemeinen Persönlichkeitsrecht deshalb,
weil die bestrittene65 h. M. davon ausgeht, dass ein Eingriff in die Menschenwürde
als solche in keinem Fall gerechtfertigt werden kann, weil sie nach Art. 1 Abs. 1

64
„[. . . ] jedem einzelnen Bürger [ist] eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig
vorbehalten. [Es besteht] also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit, welcher
der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist.“ BVerfGE 6, 32, 42; vgl. auch 34,
238, 245.
65
Zu diesem Streit finden sich nähere Ausführungen unten im Rahmen der Behandlung der Men-
schenwürde unter § 8, IV, 3, b).
106 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

GG unantastbar ist. Ein Eingriff in die Privat- bzw. Sozialsphäre sei hingegen in-
nerhalb der Schranken66 des Art. 2 Abs. 1 GG erlaubt, aber rechtfertigungsbedürf-
tig.67 Je näher ein Eingriff der Geheim- oder Intimsphäre kommt, umso gewichtiger
müssen nach dieser Ansicht die Interessen der Allgemeinheit sein, um ihn zu recht-
fertigen.68 Teilt man den Standpunkt der h. M., die von der Unantastbarkeit der
Menschenwürde ausgeht, lässt sich daraus keine widerspruchsfreie Lösung ablei-
ten. Auch an anderer Stelle bietet das BVerfG keine dogmatisch befriedigenden
Antworten auf diese Fragen.
Der entscheidende Einwand gegen die Verbindung von Art. 1 Abs. 1 mit
Art. 2 Abs. 1 GG zu einem allgemeinen Persönlichkeitsrecht besteht darin, dass
durch diese dogmatische Herleitung der h. M. der Anspruch auf Achtung der Men-
schenwürde unzulässig für Eingriff und Abwägung geöffnet und relativiert wird.69
Der Weg des BVerfG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Gesamtheit
unter Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu subsumieren, bleibt im Hinblick auf
die gefundenen Ergebnisse dogmatisch widersprüchlich. In einigen Entscheidungen
des BVerfG erkennt das Gericht einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1
GG,70 aber hält nicht den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung für be-
troffen. Zumindest diese Entscheidungen basieren daher auf der dogmatisch nicht
haltbaren Mischkonstruktion des Grundrechts. Denn dieser Ansatz geht – konse-
quent zu Ende gedacht – davon aus, das Schutzkonzept der Menschenwürde aus
Art. 1 Abs. 1 GG müsse nur mit einem anderen Grundrecht verbunden werden, um
die Definition dessen, was unter Würde zu verstehen ist, zu relativieren und so das
Antasten der Menschenwürde an der Verfassung vorbei zu legitimieren.
Das BVerfG greift nur deshalb zu dieser gefährlichen Konstruktion, weil es die
Bürger vor solchen Maßnahmen schützen will, die keine klassischen Eingriffe in
Freiheitsrechte sind, aber auch nicht so gravierend in die Privatsphäre eindringen,
dass sie entwürdigend sind. Es besteht die begründete Vermutung, dass das BVerfG
jedenfalls ursprünglich davon ausging, ein Eingriff in die allgemeine Handlungs-
freiheit ließe sich für bloß überwachende oder warnende Maßnahmen nicht begrün-
den. Wegen der unzureichenden Quellenlage ist unklar, ob das Gericht das ver-
fassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelte, weil das BVerfG
davon ausging, dass rein beobachtende Maßnahmen keine auch nur mittelbare Fol-
gen für die Handlungsfreiheit haben. Als alternative Erklärung ist anzunehmen,
dass das Gericht lediglich den klassischen Eingriffsbegriff verwendete, der eine
Zurechnung der durch die Überwachung verursachten Folgen ausschloss. Die plau-

66
„Schranken“ sind die einschränkenden Umstände, die sich hier aus dem Gesetzesvorbehalt er-
geben. Vgl. § 9.
67
Seit BVerfGE 65, 1, 43.
68
Mückenberger, KJ 1984, S. 5.
69
Die hier vertretene Argument des inneren dogmatischen Widerspruchs der h. M., ließe sich nur
entkräften, wenn sich die h. M. dazu durchringen würde, die Menschenwürde insgesamt Eingriff
und Abwägung zu öffnen. Diese Konsequenz wollen aber nur wenige ziehen, siehe unter § 8, IV,
3, b). Die eigene Ansicht zu diesem Grundsatzkonflikt findet sich unter § 8, IV, 3, c).
70
Zum Beispiel: BVerfGE 34, 238 – Tonband; BVerfGE 101, 361 – Caroline von Monaco II;
BVerfGE 106, 28 – Mithörvorrichtung; BVerfGE 115, 320 – Rasterfahndung II.
II. Einwände gegen die Konstruktion eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts 107

sible Erklärung für die riskante Konstruktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts


ist, dass das BVerfG diesen engen Eingriffsbegriff voraussetzte. Spätestens mit der
„Eppler-Entscheidung“71 vertrat das BVerfG das allgemeine Persönlichkeitsrecht
als umfassenden Persönlichkeitsschutz auch für den erweiterten Bereich der Pri-
vatsphäre. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in der Eingriffsdogmatik aber noch der
klassische Eingriffsbegriff. Auch das BVerfG hat sich damals nicht gegen diesen
Eingriffsbegriff, sondern für einen Integritätsschutz durch das allgemeine Persön-
lichkeitsrecht als Kombinationsgrundrecht ausgesprochen. Der Übergang hin zum
modernen Eingriffsbegriff setzte in der Rechtsprechung erst einige Jahre später
ein.72
Nach dem oben im Detail erläuterten73 klassischen Eingriffsbegriff sind die ver-
deckten Ermittlungsmaßnahmen keine Eingriffe in die allgemeine Handlungsfrei-
heit. Auf Grundlage des modernen Eingriffsbegriffs74 werden aber auch entfernte
mittelbare Folgen staatlichen Handelns erfasst. Eine Umgehung der Eingriffsan-
forderungen durch die gefährliche Konstruktion eines auch auf Art. 1 Abs. 1 ge-
stützten, aber eingriffsoffenen Grundrechts, ist nicht mehr notwendig.75 Nach dem
modernen Eingriffsbegriff können auch mittelbare Folgen für die Handlungsfreiheit
Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG sein. Die Anknüpfung an die allgemeine Handlungs-
freiheit muss nicht zu einer uferlosen Ausweitung des Grundrechtsschutzes führen.
Eine Beschränkung ergibt sich bereits daraus, dass ein negativer Einfluss auf die
allgemeine Handlungsfreiheit für mittelbare Eingriffe besonders begründet werden
muss. Schlagwörter wie „Integrität“ oder „Persönlichkeitssphäre“ sind dafür nicht
ausreichend. Zudem liegt nur dann ein beachtlicher mittelbarer Eingriff vor, wenn
die staatliche Maßnahme zu einer objektiv zurechenbaren Verhaltensbeeinflussung
führt, die ihren Grund wiederum gerade im staatlichen Verhalten findet.

2. Recht auf Freiheit von Beeinflussung der Willensbildung


aus Art. 2 Abs. 1 GG?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht könnte in der Sache nur noch dadurch gerettet
werden, dass die allgemeine Handlungsfreiheit bereits die Willensbildung schützt.
Im Folgenden ist zu untersuchen, welcher Freiheitsbegriff dem Art. 2 Abs. 1 GG
zugrunde liegt.

71
BVerfGE 54, 148.
72
BVerfGE 66, 39, 60; 105, 279, 299 ff.
73
Vgl. § 7, III.
74
Vgl. § 7, III.
75
Vgl. § 7, III.
108 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

a) Weiter Freiheitsbegriff in der Literatur

Eine Ansicht in der Literatur vertritt einen weiten Freiheitsbegriff. Dieser Begriff
setzt nicht am Entscheidungsergebnis, sondern am Entscheidungsprozess an und
erscheint daher schon von vornherein nur zur Klärung der Handlungsfreiheit nur
geeignet, wenn bereits der Beginn der Willensbildung zur Handlung gezählt wird.
Nach dieser Ansicht kommt es nicht auf die Veränderung des Ergebnisses des ur-
sprünglichen Handlungsentschlusses im Sinne einer „Condicio-sine-qua-non“ an.
Als Kriterium dient vielmehr der Einfluss in der Vorstufe zur Willensausführung,
der Willensbildung, auch wenn er keinen handlungsverändernden Effekt hat.76 Da-
nach wird Freiheit als Abwesenheit äußerer Einflüsse auf den Willensbildungspro-
zess verstanden. Eine latente Beeinflussung der Willensbildung durch psychischen
Druck (sei es durch Verursachung schlechten Gewissens oder Angst beim Betrof-
fenen), wäre also schon geeignet, die Freiheit zu beeinträchtigen. Nur wenn der
Betroffene frei von diesen Einflüssen seine Entscheidung treffen kann, ist er ganz
frei. Ob eine Person tatsächlich dem Druck nachgibt oder ob sie ihm widersteht
ist unerheblich. Allein, dass der Betroffene sich mental mit den möglichen negati-
ven Konsequenzen seines Widerstandes befassen muss, schränkt seine Freiheit ein.
Für diese Ansicht kommt es auf eine gesamtbewertende Erheblichkeitsschwelle an,
um minimale Effekte geistiger Beeinflussung auf die Entschließungsfreiheit aus
dem Eingriffsbegriff zu verbannen. Dass dieser Freiheitsbegriff für die allgemei-
ne Handlungsfreiheit gelten kann, erscheint abwegig, da ein bloßer Gedanke noch
keine Handlung beeinflussen muss. Insoweit müssen zunächst die Ebene der Ent-
schlussfassung77 und die der Handlungsausführung unterschieden werden. Staat-
liches Verhalten kann die Willensbildung und damit die Entschlussfassung eines
Einzelnen beeinflussen. Rechnet man diesen Prozess zur Handlung, läge eine Be-
einträchtigung der Handlungsfreiheit vor.

b) Ausführungsfreiheit

Nach einer möglichen extremen Gegenposition78 müssen dem Einzelnen tatsäch-


liche, physische Schranken gesetzt werden, damit seine Handlungsfreiheit beein-
trächtigt ist. Danach wäre selbst die nötigende Drohung mit dem Tod durch Er-
schießen keine Freiheitsbeeinträchtigung, da dem Betroffenen die Wahl zwischen
Tod und Leben gelassen wird. Er kann seine Handlung trotz Drohung durchfüh-

76
Vgl. zu diesem sog. „materiellen“ Freiheitsbegriff in Bezug zur Aussagefreiheit: Stalinski,
S. 120 ff.; zum Spezialproblem des Lügendetektors vgl. Seiterle, S. 216 ff.; Frister, S. 325 f.
77
Die Probleme und begrifflichen Unschärfen der allgemeinen Handlungslehren sollen hier nicht
Thema sein. Auch, ob ein Handlungsentschluss bewusst oder unbewusst getroffen wird, ist für den
Freiheitsbegriff unerheblich. Entscheidend ist, dass erst auf der geistigen bzw. neurobiologischen
Ebene ein Abwägungsprozess zwischen handlungshemmenden und -motivierenden Faktoren ab-
läuft, an dessen Ende der Entschluss zu handeln oder zu unterlassen steht.
78
Vgl. dazu Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht, S. 276
und die instruktive Darstellung bei Seiterle, S. 217, der diese Ansicht aber dezidiert ablehnt.
II. Einwände gegen die Konstruktion eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts 109

ren. Erst wenn die Drohung in die Tat umgesetzt würde, wäre seine Freiheit dann
beeinträchtigt. Nach dieser Ansicht wäre nur unmittelbarer Zwang in Form von
vis absoluta eine Beseitigung der Freiheit. Abstufungen zwischen Freiheitsbeein-
trächtigung und Freiheitsbeseitigung wären nicht möglich. Diese Freiheit kann also
auf verschiedene Weise aufgefasst werden. Nach einem absoluten Verständnis kann
Freiheit als Abwesenheit jeden fremden Einflusses verstanden werden. Nach einer
relativen Interpretation fehlt Freiheit erst dann, wenn dem Einzelnen Verhaltens-
weisen unmöglich sind.

c) Vermittelnde eigene Ansicht

Der hier sog. absolute Freiheitsbegriff ist für die allgemeine Handlungsfreiheit zu
weit, der hier sog. relative Freiheitsbegriff ist zu eng.
Die allgemeine Handlungsfreiheit ist die Freiheit, „zu tun und zu lassen, was
man will.“ Diese Freiheit kann nicht in die Freiheit umgedeutet werden, unbe-
einflusst Entscheidungen treffen zu können. Wer sich einem von außen kommen-
den psychischen Druck nicht gebeugt hat, ist in seinen Handlungsmöglichkeiten
nicht beschränkt worden. Er hat gehandelt wie er wollte. Dass ihm sein Entschluss
eventuell schwer gemacht wurde, weil er in seinem Entschließungsprozess einen
hemmenden geistigen Faktor durch überwiegende Motivation beseitigen musste, ist
unerheblich. Insoweit bleibt es beim Versuch eines Eingriffs oder der bloßen Ge-
fährdung der Freiheit.
Das hat aber keineswegs einen relativen Freiheitsbegriff zur Konsequenz, nach
dem ein Eingriff in die Handlungsfreiheit nur durch unmittelbaren Zwang mit vis
absoluta erfolgen kann. Vielmehr kann jedes Handeln oder Unterlassen des Einzel-
nen Folge eines staatlichen Handelns sein. Voraussetzung ist aber, dass der Einfluss
im Sinne einer „Condicio-sine-qua-non“ nicht nur die Entscheidungsfindung als
Prozess, sondern den Entschluss auch im Ergebnis beeinflusst. Entscheidend ist zur
Abgrenzung gegenüber einer unerheblichen Lästigkeit,79 dass der psychisch vermit-
telte Druck tatsächlich als negative Fremdbeeinflussung wahrgenommen wird. Der
Einzelne müsste sich ohne den fremden Einfluss für ein anderes Verhalten entschie-
den haben. Andernfalls handelt es sich bloß um die Veranlassung völlig frei erlebter
Auswahlentscheidungen. Letztlich kann es nur darum gehen, ob der Einzelne sich
durch die staatliche Maßnahme unter physischen oder psychischen Druck gesetzt
wird und darauf reagiert. Dieser Druck kann auch ohne physischen Zwang erfolgen

79
Ansatzpunkt für eine objektive Alternative zur oben abgelehnten Bestimmung einer Erheb-
lichkeitsschwelle per Gesamtbewertung kann dabei nur die Entscheidungsfreiheit der betroffenen
Person selbst sein. Dieser Ansatz ist subjektiv, weil er die tatsächliche subjektive Betroffenheit des
Einzelnen ins Zentrum stellt, aber objektiv, da eine tatsächliche Veränderung des Entscheidungs-
programms – etwa durch Befragung des Betroffenen – festgestellt werden kann. Bei der Freiheit
von Willensbeeinflussung wäre dies nicht möglich, da für diese Theorie auch die latente und un-
bewusste Belastung des Gefühlslebens ausreichend für eine Freiheitsbeeinträchtigung ist. Ob er
anders gehandelt hätte, kann der Betroffene in vielen dieser Fälle nicht einmal selbst erkennen und
mitteilen.
110 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

und auch ohne psychisch vermittelte Drohung mit zwangsweiser Durchsetzung von
Gegenmaßnahmen. Vielmehr kann dieser Einfluss auch der Angst vor staatlicher
Überwachung und deren Folgen geschuldet sein.

Beispiel 10 Das Verbot in geschlossener Ortschaft schneller als 50 km/h zu fahren,


löst wegen der dahinter stehenden Sanktionierung psychischen Druck aus. Daher
wird dieses Verbot eingehalten. Darin liegt eine Einschränkung der allgemeinen
Handlungsfreiheit. Bereits das Verbot und nicht erst die tatsächliche Durchsetzung
ist daher ein Grundrechtseingriff. Es besteht kein Grund, die Ankündigung einer
Geschwindigkeitsüberwachung anders zu behandeln. Jeder Autofahrer weiß, dass
die Warnung vor einem „Blitzer“ oder vor „Radarkontrollen“ einen weit erhebli-
cheren Einfluss auf die Handlungssteuerung haben kann als der imperative Verwal-
tungsakt in Form einer Allgemeinverfügung als klassischer Eingriff (Verkehrszei-
chen StVO Z 274-55 (50 km/h) oder Ortsschild Zeichen 310 der StVO). Generelle
Ankündigung von heimlicher Verkehrsüberwachung hat einen ähnlichen Effekt.

Abweichend vom Beispiel muss nicht einmal ein Verbot vorhanden sein. Die
sozialethische Missbilligung eines bestimmten Verhaltens kann ausreichen. Wenn
dies so ist, wird deutlich, dass auch die heimliche strafprozessuale Überwachung
ein Eingriff in Grundrechte sein kann.
Ein Eingriff in diese Freiheit liegt vor, wenn der Einzelne von einem geplan-
ten oder gewünschten Vorhaben Abstand nimmt und dabei durch staatlichen Druck
motiviert wurde.80
Als Konsequenz ist derjenige nicht in seiner Freiheit beeinträchtigt, der über
eine hohe mentale Widerstandskraft verfügt und durch äußeren Druck unbeeinflusst
bleibt. Nach hier vertretener Ansicht ist dies hinzunehmen, da er keines Schutzes
bedarf. Derjenige, der aber durch den Druck von seinen eigentlichen Zielen und
Plänen abgebracht wird, verliert seine Freiheit durch den äußeren Druck.81
Da nicht jeder, sondern nur der handlungsbeeinflussende Einfluss ein Eingriff
in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist, kann nach hier vertretener Auffassung
auf eine Erheblichkeitsschwelle verzichtet werden. Ob die Handlungsfreiheit beein-

80
Eine Werbung für eine staatliche Veranstaltung ist daher kein Eingriff, soweit damit keine auch
nur entfernt mögliche Sanktionierung verbunden ist. Auch staatliche Warnungen vor privaten Drit-
ten sind nicht ohne weiteres Eingriffe. Positive Verstärkungen, Lob und positive Anreize sind
jedenfalls keine Eingriffe in Freiheitsgrundrechte.
81
Allerdings ist auch in die Freiheit desjenigen ausnahmsweise eingegriffen, der trotz Drucks den
Entschluss trifft, den er auch ohne diesen Druck getroffen hätte, wenn dieser Druck bei ihm se-
kundäre Folgen auslöst, wie etwa Schlaflosigkeit und Reizbarkeit im Umgang mit der Familie.
In diesen Fällen verhält er sich nämlich unerwünscht anders, als er es ohne den staatlichen Ein-
fluss wollte. Außerdem ist zu untersuchen, ob nicht die konkret unbeeinflussten Personen in den
Genuss von „Schutzreflexen“ kommen. Schon wenn nur Wenige tatsächlich beeinträchtigt sind,
muss ein Gesetz den Eingriff rechtfertigen. Auch kann das Gesetz als generell-abstrakte Maßnah-
me selbst bereits ein Eingriff sein, wenn es Druck auf bestimmte Personen ausübt, die deshalb ihr
Verhalten ändern. Auch kann eine Maßnahme gegen eine Person, die sich davon nicht in ihren
Entscheidungen beeindrucken lässt oder sie nicht einmal wahrnimmt deshalb ein Eingriff in die
Entscheidungsfreiheit Dritter sein, die sich durch dieses Beispiel unter Druck gesetzt führen.
II. Einwände gegen die Konstruktion eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts 111

trächtigt ist oder nicht, kann ohne das unklare Korrektiv einer Gesamtbetrachtung
(Erheblichkeit) auf phänomenologischer Ebene festgestellt werden.
Außerhalb des allein durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kernbereichs der
privaten Lebensgestaltung und der gesetzten Grundrechte der Art. 10 und 13 GG
ist nur die Freiheit, sich aktiv zu entfalten, geschützt. „Normative“ Ansätze und
„Passivitätskonstruktionen“82 über eine irgendwie geartete „Verstärkungswirkung“
der Menschenwürde sind in diesem Bereich dogmatisch haltlos. Die genannten
Schlagwörter können den Bruch in den Konstruktionen nur kaschieren und nicht
beseitigen. 83

3. Konsequenzen aus der Notwendigkeit einer Beeinträchtigung


der Handlungsfreiheit

Der vorstehend erläuterte84 modifizierte Begründungsansatz, in dessen Rahmen


dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht neben der allgemeinen Handlungsfreiheit
und dem Schutzanspruch der Menschenwürde keine eigenständige Bedeutung zu-
kommt, hat erhebliche Konsequenzen. Aus diesem Ansatz folgt, dass nur eine
tatsächliche Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit einen Eingriff in
das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG begründen kann.85
Die Menschenwürde strahlt nicht so auf Art. 2 Abs. 1 GG aus, dass das
Grundrecht von einem Schutz der Handlungsfreiheit zum Anspruch auf eine „ab-
geschwächte Menschenwürde“ bzw. eine Menschenwürde „light“ würde. Wenn
die Menschenwürde nicht betroffen ist, muss es sich allein um tatsächliche Be-
einträchtigungen der Handlungsfreiheit handeln, ohne dass es auf eine ethische

82
Nach der h. M. schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht das passive menschliche „Sosein“
und nicht die aktive Handlungsfreiheit.
83
Damit die Menschenwürde nicht in dem hier kritisierten Sinne relativiert werden kann, wer-
den in der Literatur verschiedene Hilfskonstruktionen bemüht, um den Anspruch auf Achtung der
Menschenwürde als Grundlage des Integritätsschutzes in der erweiterten Privatsphäre zu entfer-
nen. Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 1 Rdn. 68, m. w. N. in Fn. 261; Starck in: von Mangold/Klein2 ,
Art. 2 Abs. 1 Rdn. 89; Härtel, Durch Gendiagnostik zum gläsernen Menschen? – Freiheitsrechte
in neuer Bewährug, S. 235; Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG57 , Art. 2 Abs. 1 Rdn. 189. Keine der
Ansichten kann jedoch überzeugen, da das Grundproblem in der Verbindung des Art. 2 Abs. 1
GG mit Art. 1 Abs. 1 GG liegt und gerade dies auch von den meisten abweichenden Ansichten
nicht in Frage gestellt, sondern nur näher begründet wird. Soweit versucht wird, Art. 1 Abs. 1 GG
durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG nach Art. 19 Abs. 2 GG zu ersetzen, Wölfl,
NVwZ 2002, S. 50 ff.; Lecheler, S. 216; Vgl. zum Wesensgehalt schon von Hippel; Häberle, Die
Wesensgehaltsgarantie des Artikel 19, Abs. 2, Grundgesetz und zur Problematik des „Wesens“ als
Begriff Scheuerle, AcP, Bd. 163, 1964.
84
Vgl. § 8, IV, 1, b).
85
Eine andere Interpretation dieses Rechts ist nicht zulässig, da das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1
GG keine Andeutung dazu macht. Dies ist zum Beispiel beim notwendig gesetzlich auszu-
formenden Eigentumsrecht anders. Ein eigentumsähnliches Verfügungsrecht über persönliche
Information müsste normativ begründet werden, dies ist nur für den Kernbereich der persönlichen
Lebensgestaltung möglich, aber auch dort nicht nötig.
112 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Missbilligung der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen im Sinne


der im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu erörternden Objektformel86 ankäme,
nach der die Menschenwürde dann angetastet wird, wenn der Mensch als „Objekt“
und nicht als „Subjekt“ behandelt wird. Ist der an anderer Stelle dieser Arbeit noch
im Detail zu erläuternde87 Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen,
wird dieser allein durch Art. 1 Abs. 1 GG nach der bestrittenen h. M. absolut, d. h.
ohne Rechtfertigungsmöglichkeit, geschützt.88 Der Schutz vor Überwachungen ist
daher zweigeteilt: In der erweiterten Privat- und Sozialsphäre besteht der Schutz
nur, soweit in die allgemeine Handlungsfreiheit nach dem modernen Eingriffsbe-
griff eingegriffen wird. Dieser Schutz wird außerdem nur relativ gewährleistet. Ein
Eingriff ist gerechtfertigt, wenn er dem Vorbehalt des Gesetzes entspricht.
Im Folgenden wird die Terminologie der Konkretisierungen des Art. 2 Abs. 1
GG als „Grundrechte“ beibehalten. Neue Grundrechte außerhalb der geschriebenen
Grundrechte des Grundgesetzes sind damit aber nicht gemeint. Diese Grundrech-
te haben nur Bestand, wenn sie nichts anderes als (standardisierte) Ergebnisse der
Begründungen eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit sind. Konkre-
tisierungen sind nur geschützt, wenn die jeweiligen Eingriffe die Handlungsmög-
lichkeiten des Betroffenen mittelbar beschneiden. Erst muss ein Eingriff durch die
relevante Fallgruppe ermittelt werden, dann kann sie, quasi spiegelbildlich, in einen
Schutzbereichsteil des allgemeinen Persönlichkeitsrecht umgewandelt werden und
wird dann „Grundrecht“ oder „Grundrechtskonkretisierung“ genannt.

III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

In den vorangegangen Ausführungen wurde geklärt, dass ein Integritätsschutz, ein


Schutz des „passiven-Menschseins“ entgegen der h. M. nicht außerhalb des später
zu erörternden und durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kernbereichs der privaten
Lebensgestaltung gewährleistet wird. Ein solches allgemeines Persönlichkeitsrecht
im Bereich der erweiterten Privatsphäre existiert nicht und kann daher nichts zur
Beantwortung der Frage nach der Grundrechtsrelevanz der verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen beitragen. Im Folgenden wird ausgehend von den in der Rechtspre-
chung des BVerfG und der Literatur zu findenden Ansätzen eine eigene Konzeption
vorgeschlagen. Ziel ist, allein aus Art. 2 Abs. 1 GG ein „neues“ Grundrecht als
Unterkategorie der allgemeinen Handlungsfreiheit zu konkretisieren, das die Fall-
gruppe der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen vollständig erfasst.
Der klassische Eingriffsbegriff ist zwar als zwingendes Konzept überholt. Sind
seine Merkmale erfüllt, ist das aber immer noch ein sicheres Zeichen für einen

86
Vgl. § 8, IV, 2, b).
87
Siehe unten § 8, IV.
88
Dieser Streit um die Möglichkeit der Rechtfertigung von Eingriffen in den Anspruch auf Ach-
tung der Menschenwürde wird weiter unten geklärt, § 8, IV, 3.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 113

Grundrechtseingriff. Sind die klassischen Merkmale hingegen nicht erfüllt, ist der
Eingriff zunächst nicht offensichtlich. Vielmehr muss nach den erweiterten Voraus-
setzungen des modernen Eingriffsbegriffs ausführlich begründet werden, warum
dennoch ein Eingriff vorliegt.89 Zum Schutzbereich des Grundrechts auf freie Ent-
faltung der Persönlichkeit gehören „Betätigungen“ jedweder Güte.90 Der heimli-
chen Beobachtung fehlt das klassische Zwangselement, um eine dem Wortsinn nach
nur aktiv zu verstehende „Entfaltung“ der Persönlichkeit unmittelbar zu beeinträch-
tigen. Daher ist ohne weitere Begründung nicht anzuerkennen, dass die „freie Ent-
faltung des Persönlichkeit“ als angegriffen zu betrachten ist, wenn eine Person nur
heimlich überwacht wird. Die heimliche Beobachtung im Rahmen strafprozessua-
ler Maßnahmen greift in die Handlungsfreiheit ein, wenn sie handlungssteuernde
Effekte im Sinne des modernen Eingriffsbegriffs auslöst. Diese Effekte können in
einer einschüchternden Wirkung bestehen. Ist die Einschüchterung von Bürgern
generell geeignet, die Handlungsfreiheit einzuschränken, besteht ein subjektives
Recht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG. Um die konkreten
Eingriffe durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in das Grundrecht auf allgemei-
ne Handlungsfreiheit zu begründen, muss ein solches Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung als Unterkategorie des Rechts auf allgemeine Handlungsfreiheit
bestimmt werden. Über die bereichsspezifischen Notwendigkeiten der verdeckten
strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen hinaus kann an dieser Stelle allerdings
keine vollständige Ausarbeitung dieses Grundrechts erfolgen.

1. Ansatzpunkt des BVerfG: Psychische Effekte

Nach den Begründungen des BVerfG zu Grundrechtseingriffen durch Beobach-


tung91 kann ein Missbrauch heimlich erlangter Informationen psychische Effekte
wie „Peinlichkeit“ hervorrufen.92 Private Informationen lösen bei ihrer Veröffentli-

89
Vgl. oben § 7, III.
90
Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 2 I Rdn. 27 und: „Schwierigkeiten bereitet die genaue Bestimmung
von grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen jenseits der klassischen, imperativen Eingriffe.“
Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 2 I Rdn. 51; Vgl. zum Eingriffsbegriff oben § 7, III.
91
Nach der Ansicht des BVerfG betreffen die Eingriffe das hier aus grundsätzlichen Erwägungen
abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht.
92
Bereits Schlink ordnet die Veröffentlichung privater Informationen oberhalb der „Lächerlich-
keits- oder Peinlichkeitsschwelle“ als Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit und nicht
in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, ohne freilich auf die Heimlichkeit einzugehen, vgl.
Schlink, Die Amtshilfe: Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewalteteilung in der Verwaltung,
S. 199. Eine solche „Schwelle“ kann bei den verdeckten Maßnahmen nicht angenommen werden,
da es nicht (nur) um Peinlichkeit, sondern um die Angst vor Strafverfolgung geht. Eine entspre-
chende Erheblichkeitsschwelle ist nur dann nicht überschritten, wenn die heimliche Maßnahme
die Entscheidungsautonomie nicht im Sinne einer „Unfreiwilligkeit“ stört (Vgl. oben § 7, III, 5,
c)). Diese Schwelle wird aber bei den gesetzlichen Regelungen der Maßnahmen immer überschrit-
ten sein, da auch Straftäter geschützt sind, die in jeder Lebenssituation begründete Angst vor einer
verdeckten Maßnahme haben können.
114 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

chung „Peinlichkeit aus“, gelten als unschicklich und provozieren negative Reaktio-
nen der Umwelt.93 Der daraus gezogene Schluss des BVerfG ist folgender: Fehlte
es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinan-
dersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden,
die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt
oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen
handelt.94
Wenn das BVerfG auch in anderen Entscheidungen Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG
mit der psychisch vermittelten Wirkung von Einschüchterungseffekten begründet,
dann ist die Freiheit von Einschüchterung die gemeinsame Grundlage der „Grund-
rechtskonkretisierungen“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das bedeutet, dass
die bisher bekannten „Grundrechte“ nur dann bestehen, wenn die Maßnahmen, vor
denen sie Schutz bieten, Einschüchterungswirkung haben.

2. Bedeutung der Einschüchterungswirkung in der Rspr.


des BVerfG und eigene Kritik

Die Einschüchterungswirkung staatlichen Handelns ist kein neues Argument in


der Grunrechtsdogmatik. Das BVerfG argumentiert selbst an verschiedenen Stel-
len mit Einschüchterungseffekten als Folgen staatlicher Maßnahmen. Das BVerfG
erwähnt zwar die Einschüchterungswirkungen als negative Folgen, ordnet den Zu-
sammenhang zwischen staatlichen Maßnahmen und einschüchterndem Effekt und
Grundrechtseingriff aber nicht klar dogmatisch ein. Vielmehr bleibt offen, welche
Funktion die Einschüchterungseffekte genau haben sollen. Mal erscheinen die Ein-
schüchterungseffekte als Begründungen für einen Eingriff in das hier abgelehnte
allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das BVerfG bildet insoweit aber keinen Obersatz,
der auf abstrakter Ebene die Anforderungen an die Eingriffe in das hier abgelehnte
allgemeine Persönlichkeitsrecht benennt. Die Argumentation des BVerfG findet so
kein Ziel, da Ausführungen in der Sache auf eine Begründung des Eingriffs in das
Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit hinauslaufen, aber dem Wortlaut nach das
allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffen.95 Auf der Grundlage der h. M. müsste
bereits eine ethisch zu missbilligende Verletzung der personalen Integrität ausrei-
chen. Die Erwähnung von freiheitsbeeinträchtigten Folgen weist zwar in Richtung
allgemeine Handlungsfreiheit, von der Differenzierung zwischen Aktivitäts- und
Integritätsschutz scheint sich das BVerfG aber verabschiedet zu haben, ohne dies je-
doch dogmatisch zu erläutern. Ein anderes Mal werden die Einschüchterungseffekte
durch Heimlichkeit als Verstärkungen eines bereits anderweitig bejahten Eingriffs

93
Weßlau sieht in verdeckten Datenerhebungen ebenfalls erhebliches „Verunsicherungspotential“
und leitet daraus einen Grundrechtseingriff ab, Weßlau, Vorfeldermittlugen: Probleme der Legali-
sierung „vorbeugender Verbrechensbekämpfung“ aus strafprozessrechtlicher Sicht, S. 196.
94
BVerfGE 101, 361.
95
Vgl. unten unter § 8, III, 2, gg).
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 115

begründet, dienen also nicht einer Eingriffsbegründung, sondern einer Intensivie-


rung.96
Die oben97 aufgeführte bisher vom BVerfG entwickelte Dogmatik zum allge-
meinen Persönlichkeitsrecht geht in Ansätzen auf die Einschüchterungswirkung
staatlicher Maßnahmen zurück. Die Begründung für Grundrechtseingriffe durch
Einschüchterung wird in den Unterkategorien des hier abgelehnten allgemeinen
Persönlichkeitsrechts aber niemals ausdrücklich genannt. Nur teilweise wird in der
Sache ein Zusammenhang zur allgemeinen Handlungsfreiheit hergestellt.98 Das
BVerfG nennt auch in vielen Entscheidungen zu anderen Freiheitsrechten ausdrück-
lich eine Einschüchterungswirkung als negative Wirkung oder umschreibt die Ein-
schüchterungswirkung jedenfalls.

a) Einschüchterungswirkung offener Maßnahmen im Versammlungsrecht

Am deutlichsten wird die Einschüchterungswirkung bei offenen Maßnahmen her-


ausgestellt. Dass eine Einschüchterungswirkung die Ausübung von Grundrechten
beeinträchtigen kann, ist im Versammlungsrecht und bezüglich des Art. 8 Abs. 2
GG lange anerkannt.99 Auch in diesen Fällen begründet das BVerfG seine Entschei-
dung in der Sache mit dem mittelbaren Einfluss auf die Handlungsfreiheit:
„Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert
wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise
auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen
Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil
die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines
auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und
freiheitlichen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]).“100

b) Einschüchterungswirkung bei unbestimmten Unterlassungsurteilen

Im Falle eines zivilrechtlichen Unterlassungsurteils hat das BVerfG einen Eingriff


in die Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG mit einer Einschüchterungswirkung be-
gründet. In dem zivilgerichtlichen Unterlassungsurteil wurden dem Betroffenen
Äußerungen über den Kläger untersagt. Der Urteilstenor war unbestimmt und der
Betroffene wusste nun nicht, wie er sich äußern durfte, ohne die Anforderungen
aus dem Urteil zu missachten. Dadurch fühlte sich der Betroffene so eingeschüch-
tert, dass er Äußerungen über das erforderliche Maß hinaus unterließ und durch

96
Vgl. unten unter § 8, III, 2, ee).
97
Vgl. oben unter § 8, II.
98
Da das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht nach der h. M. für Integritätsschutz
sorgt, besteht nach dieser Ansicht auch kein Bedarf, eine handlungssteuernde Wirkung der Maß-
nahme festzustellen.
99
Vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG2 , Rdn. 62; Limma, S. 5 ff.
100
BVerfGE 122, 342, 369.
116 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

den Druck möglicher finanzieller Konsequenzen auf seine Meinungsfreiheit unfrei-


willig verzichtete. Die mangelnde Bestimmtheit des zivilgerichtlichen Urteils hatte
also eine Einschüchterungswirkung, die zu einer Einschränkung einer grundrecht-
lich geschützten Freiheit führte:
„Um überschießende Wirkungen, insbesondere eine rechtlich nicht gebotene Zurückhal-
tung oder gar eine Einschüchterung bei weiteren Äußerungen auszuschließen, muss die Ver-
urteilung klar erkennen lassen, welche Aussage der Grundrechtsträger unterlassen soll.“101

c) Einschüchterungswirkung bei Verstößen gegen das Recht am eigenen Wort


und Bild

Das BVerfG begründet das Recht am eigenen Bild damit, dass Manipulationen des
Bildes in der Öffentlichkeit den Betroffenen diskreditieren können.102 Die Bildma-
nipulation muss nach hier vertretener Ansicht die nach dem Wortlaut des GG „freie
Entfaltung der Persönlichkeit“ durch einen Einschüchterungseffekt beeinträchtigen.
Die oben genannte Begründung des BVerfG für den Eingriff durch Abbildungen,
gibt aber nicht an, warum bestimmte Handlungen nicht mehr ausgeführt werden
könnten. Der Kausalzusammenhang zwischen Fotoaufnahmen bzw. deren Manipu-
lation und Entscheidungen der abgebildeten Person, bestimmte Handlungen aus-
zuführen oder zu unterlassen, wird nicht deutlich. Die Einschüchterungswirkung
wird nur zwischen den Zeilen und über den Begriff der „Peinlichkeit“ angespro-
chen. Unklar bleibt vor allem der letzte Begründungsschritt, der klarstellen muss,
warum persönliche Gefühle, die indirekt zu einem Unterlassen bestimmter Hand-
lungen führen, einem direkten Eingriff durch Zwang gleichgestellt werden. Weil
eine tatsächliche Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit notwendig
ist, lässt die Urteilsbegründung des BVerfG eine wesentliche Frage offen:
Warum soll sich jemand nicht verhalten können, wie er will, nur weil andere
schlecht über ihn denken könnten?103 Ist der Hinweis auf den Ehrschutz ein Rück-
griff auf Art. 1 Abs. 1 GG? Dies deutet zumindest die durchgängig verwendete Zi-
tierweise des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1
GG“ an.104

d) Einschüchterung und Privatsphäre

Das Gericht begründet den Schutz der Privatsphäre mit den einschüchternden Fol-
gen einer Beobachtung.
„Im Kern geht es aber um einen Raum, in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher
Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne daß er

101
BVerfG ZUM 2004, 560, 561.
102
Vgl. oben § 8, I, 3, a).
103
Dem BVerfG reicht insoweit bereits die Gefahr für den Grundrechtseingriff aus. Vgl. das Wort
„kann“ im vorangegangenen Zitat, BVerfGE 101, 361, 383 f.
104
Vgl. oben § 8, I, 1, b). Die Lösungen zu den Fragen finden sich unten unter § 8, III, 4.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 117

sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit. Bestünden solche Rückzugs-
bereiche nicht mehr, könnte der Einzelne psychisch überfordert sein, weil er unausgesetzt
darauf achten müßte, wie er auf andere wirkt und ob er sich richtig verhält. Ihm fehlten die
Phasen des Alleinseins und Ausgleichs, die für die Persönlichkeitsentfaltung notwendig
sind und ohne die sie nachhaltig beeinträchtigt würde.“105

Diese Begründung wäre bereits ausreichend, um einen Eingriff in die allgemeine


Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG zu begründen. Einige Handlungswei-
sen werden durch die Rückkoppelung der Außenwahrnehmung auf die Handlungs-
steuerung des Betroffenen beeinträchtigt oder unmöglich: Der Betroffene vermeidet
Kommunikation, die ihn verdächtig machen könnte und von der er weiß, dass sie
überwacht werden darf. Die so psychisch vermittelten Hemmungen beeinträchtigen
die allgemeine Handlungsfreiheit. Das gilt aber wegen der vermittelnden Wirkung
des staatlichen Verhaltens nur auf Grundlage des modernen Eingriffsbegriffs.106 Mit
der Begründung, dass die öffentliche Erörterung von Erkenntnissen aus dem Privat-
bereich „als peinlich empfunden wird“, nimmt das Gericht zutreffend die Psyche
des Einzelnen als Ansatzpunkt in den Blick. Der tatsächliche Kern der Grundrechts-
belastungen wird darüber hinaus aber nicht erläutert.

e) Einschüchterung und Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Zusätzlich zu den Erwähnungen der Einschüchterungswirkung durch das BVerfG107


finden sich ähnliche Ausführungen in der Begründung des Eingriffs in das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung. Das BVerfG begründet im Volkszählungs-
urteil einen Eingriff in das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht mit
einer subjektiven Komponente, die mittelbar über den Betroffenen selbst zu einer
Handlungsreduktion führt:
„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung
und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wis-
sen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob
abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert,
verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltens-
weisen aufzufallen. [. . . ] Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen
Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhe-
bung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser
Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich
selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“108

In der Entscheidung zur automatisierten Kennzeichenüberwachung geht das


BVerfG davon aus, dass ein Überwachungseingriff gegenüber einem Betroffenen

105
BVerfGE 101, 361, 383 f. mit weiteren ausführlichen Erläuterungen.
106
Alleweldt, S. 62 ff. m. w. N. Vgl. zur ausführlichen Diskussion des Eingriffsbegriffs, oben § 7,
III.
107
Vgl. ab § 8, III, 2.
108
BVerfGE 65, 1, 42 f. Volkszählung.
118 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

weniger belastend ist, der zu der Maßnahme Anlass gegeben hat, als bei einem Be-
troffenen, der keinen Anlass gegeben hat, und kommt insbesondere bezüglich der
letzteren Gruppe zur Begründung eines Eingriffs in das hier abgelehnte allgemeine
Persönlichkeitsrecht auf die Einschüchterungswirkung zu sprechen:
„Werden Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, in großer Zahl in den
Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, können von ihr auch allgemeine Einschüch-
terungseffekte ausgehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten
führen können [. . . ]. Die Unbefangenheit des Verhaltens wird insb. gefährdet, wenn die
Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen dazu beiträgt, dass Risiken des Missbrauchs und
ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen [. . . ]. Das aber ist gerade bei der seriellen
Erfassung von Informationen in großer Zahl der Fall.“109

Wichtig ist, dass hier allein aus der Streubreite der Maßnahme von dem „Ge-
fühl des Überwachtwerdens“ ausgehend auf „allgemeine Einschüchterungseffekte“
geschlossen wird. Der Zusammenhang zwischen Heimlichkeit und Einschüchte-
rungswirkung wird aber nicht erläutert. Das BVerfG geht vielmehr von einer nicht
weiter erläuterten „Verstärkungswirkung“ der Heimlichkeit aus:
„Die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden staatlichen Ermittlungsmaßnahme
führt zur Erhöhung des Gewichts der gesetzgeberischen Freiheitsbeeinträchtigung (vgl.
BVerfGE 107, 299, 321; 115, 166, 194; 115, 320, 353). Dem Betroffenen wird durch die
Heimlichkeit des Eingriffs vorheriger Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher
Rechtsschutz kann zumindest erschwert werden (vgl. BVerfGE 113, 348, 383 f.; BVerfG
NJW 2007, 2464, 2470 f.). Er kann also nicht selbst darauf hinwirken, die Eingriffsinten-
sität durch erfolgreichen Rechtsschutz zu verringern, etwa für die Zukunft zu beseitigen.
Die Heimlichkeit staatlicher Informationseingriffe betrifft darüber hinaus die Gesellschaft
insgesamt.“110

In den durch das BVerfG angesprochenen vorangegangenen Urteilen macht das


Bundesverfassungsgericht die Auswirkung heimlicher Überwachung auf die Ge-
sellschaft zum Thema:
„Die Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer späteren Auswertung [. . . ] [der]
heimliche[n] Überwachung [. . . ] Das würde nicht nur die Entfaltungschancen der Einzel-
nen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl.“111
„Vielmehr betrifft die heimliche Überwachung des Fernmeldeverkehrs auch die Kommuni-
kation der Gesellschaft insgesamt.“112

Ähnliche Ausführungen finden sich in weiteren Urteilen.113 Ist damit also eine Art
„Kollektivgrundrecht“ gemeint? – Diese im weiteren Gang der Arbeit noch einge-
hend zu diskutierende114 Frage ist für die Eingriffsqualität verdeckter Ermittlungen
von entscheidender Bedeutung, denn wenn der Einzelne von der Überwachung nie
oder erst nach Abschluss der Ermittlungen etwas erfährt, ist eine Beeinflussung ge-
rade seines Verhaltens unter Umständen nicht vorhanden. Ein Eingriff könnte in

109
BVerfG MMR 2008, 308, 309.
110
BVerfG MMR 2008, 308, 309.
111
BVerfGE 93, 181, 188.
112
BVerfGE 100, 313, 381.
113
BVerfGE 107, 299, 328; 109, 279, 354 f.
114
Siehe dazu unten § 8, III, 4, d).
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 119

solchen Fällen aber über einen allgemeinen Einschüchterungseffekt in der Bevöl-


kerung begründet werden.

f) Einschüchterung bei heimlicher Beobachtung

Das BVerfG nimmt mit Hilfe der Objektformel115 zu der Frage Stellung, ob die
spezifische Heimlichkeit der Ermittlungsmaßnahme mit der Menschenwürde kolli-
diert:
„Dabei führt ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung
des absolut geschützten Achtungsanspruchs. Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung,
geht damit nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher.“116

An dieser Stelle vermischt das Gericht Heimlichkeit und Beobachtung, ohne da-
bei der spezifischen Belastung durch die Heimlichkeit gerecht zu werden. Zwar
wird zuerst festgestellt, die Heimlichkeit führe an sich nicht zu einer Verletzung
des durch die Menschenwürde geschützten Achtungsanspruchs. Statt einer Begrün-
dung, warum die Heimlichkeit hier unbedeutend sein soll, folgt eine weitere apo-
diktische Aussage. Diese bezieht sich nicht auf Heimlichkeit, sondern allein auf die
Beobachtung als solche, ohne das Attribut der Heimlichkeit anzusprechen. Welche
Bedeutung dem Aspekt der Heimlichkeit in der heimlichen Beobachtung zukommt,
wird nicht erkennbar.

g) Heimliche Online-Durchsuchung

Im Urteil zur heimlichen Online-Durchsuchung begründet das BVerfG den Eingriff


in das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht mit der „Furcht vor Überwa-
chung“:
„Ein solcher heimlicher Zugriff auf ein informationstechnisches System öffnet der handeln-
den staatlichen Stelle den Zugang zu einem Datenbestand, der herkömmliche Informati-
onsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. [. . . ] Eine Erhebung
solcher Daten beeinträchtigt mittelbar die Freiheit der Bürger, weil die Furcht vor Überwa-
chung, auch wenn diese erst nachträglich einsetzt, eine unbefangene Individualkommunika-
tion verhindern kann. Zudem weisen solche Datenerhebungen insoweit eine beträchtliche,
das Gewicht des Eingriffs erhöhende Streubreite auf, als mit den Kommunikationspartnern
der Zielperson notwendigerweise Dritte erfasst werden, ohne dass es darauf ankäme, ob in
deren Person die Voraussetzungen für einen derartigen Zugriff vorliegen [. . . ].“117

Diese Urteilspassage bringt bereits einen großen Teil der Begründung für einen
Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und nicht des allgemeinen Persön-
lichkeitsrechts. Das Gericht spricht in der Sache sowohl die „Mittelbarkeit“ des
Eingriffs durch Einschüchterung als auch die betroffene „Freiheit der Bürger“ an.

115
Vgl. unter § 8, IV, 2, b).
116
BVerfGE 109, 279, 313.
117
BVerfGE 120, 274, 322 f.
120 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Eigentlich zu erwartende Ausführungen zu einem Schutz des allgemeinen Persön-


lichkeitsbildes finden sich hingegen nicht.

h) Heimliche Datenspeicherung

Im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung entwickelt das BVerfG schließlich einen


Grundsatz auf Offenheit und benennt die diffuse Bedrohlichkeit heimlicher Spei-
cherung und Verwendung personenbezogener Daten als grundrechtsbeeinträchti-
gende Wirkung im Rahmen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Um diese
Gefahren zu minimieren, stellt es detaillierte Forderungen zu den Benachrichti-
gungspflichten auf, die heimlichen Ermittlungsmaßnahmen nachfolgen müssen.118

i) Zusammenfassung

Mit dem Argument des Kontrollverlusts über persönliche Informationen wird die
subjektive Komponente des Grundrechts ausgebaut. So wird der psychische Druck
als abstrakte Gefahr konkretisiert. Diese liegt in der möglicherweise entstehenden
zurückhaltenden Wahrnehmung von Kommunikationsgrundrechten durch die Bür-
ger begründet. Der psychische Druck öffentlicher Anteilnahme kann zu Verunsi-
cherung und schließlich zu „Duckmäuser- und Mitläufertum“ führen. Die Entschei-
dung, darauf zu verzichten, Grundrechte wahrzunehmen, wäre in solchen Fällen
also nur teilweise frei getroffen worden.119
Das BVerfG sieht Heimlichkeit als eine verstärkende bzw. intensivierende
Komponente der Eingriffe in das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht
Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.120 Nicht nur die einschüchternden Effekte
der Informationserhebung werden durch Heimlichkeit verstärkt. Auch wenn die
Vorbereitung für den Einsatz von Zwangsmaßnahmen heimlich erfolgt, ergibt sich
ein verstäkter Einschüchterungseffekt im Vergleich zu offenen Maßnahmen. Die
Heimlichkeit gibt jeder Einschüchterung eine neue „kollektiv wirkende“ Qualität,
weil jeder Bürger damit rechnen muss, der Betroffene des staatlichen Zugriffs zu
sein. Daher erfasst das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Kon-
kretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Fallgruppe der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen nur unzureichend. Die Heimlichkeit ist eine zusätzliche
Begründung für die Entstehung einer über den konkret Betroffenen hinausreichen-
den Einschüchterungswirkung.

118
BVerfGE 125, 260, 335 f.
119
Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 153.
120
Das Gleiche gilt für Art. 10 und 13 GG.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 121

3. Ansichten in der Literatur zum Grundansatz


der Einschüchterungswirkung

a) Fundamentale Kritik an einem Eingriff durch Einschüchterung

In der Literatur werden dem Grundansatz einer Eingriffsbegründung durch Ein-


schüchterungswirkungen Inkonsequenz und Unschärfe vorgeworfen. Die Konstruk-
tion einer erhöhten Intensität des Grundrechtseingriffs durch Einschüchterungsef-
fekte infolge eines subjektiven Gefühls der Überwachung sei im Ergebnis nicht
tragfähig,
„zumal gänzlich hypothetisch bleibt, ob, bei welchen Personen und in welchem Umfang
tatsächlich Einschüchtertungseffekte entstehen und sich in einem Verzicht auf die Wahr-
nehmung von Grundrechten niederschlagen.“121
Außerdem sei mit der Dogmatik des BVerfG der Schutz so weit vorverlagert, dass
keine tatsächliche Beeinträchtigung gegeben sei:
„Aber wenn der Schutz vor Einschüchterung schon in einem Stadium einsetzen soll, wo die
tatsächliche Bedrohung noch weit entfernt ist, und wenn dieser Schutz auch unabhängig
davon gewährt werden soll, ob die Realisierung der Gefahren durch andere Vorkehrungen
verhindert werden kann, bedeutet er eine Prämie auf irrationale Angst.“122
Weiter wenden die Vertreter dieser Ansicht ein, die Schutzkonzeption des
BVerfG sei inkonsequent. Anerkannt sei, dass offene Videoüberwachung mit Auf-
zeichnung einen Eingriff darstelle. Lege man aber die Wertungen des BVerfG
konsequent zugrunde, ergäbe sich bei Videoüberwachung zu bloßen Observie-
rungszwecken ohne Aufzeichnung und sogar bei der bloßen Imitation einer
Überwachungsanlage die Folge, dass durchaus Einschüchterungseffekte verur-
sacht würden. Ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sei aber
nicht gegeben, da keine Informationen gesammelt würden.123
Die Bedenken in Bezug auf den subjektiven Einschlag von nicht direkt fühlbaren
Eingriffen werden angeblich auch nicht durch eine „Abstrahierung“ und „Kollekti-
vierung“ der Einschüchterungseffekte ausgeräumt.124 In der weiteren Bearbeitung
dieses Problems wird zu zeigen sein, dass diese auf den ersten Blick nicht von
der Hand zu weisenden Einwände beseitigt werden können. Sie beruhen auf ei-
nem restriktiven Verständnis des Eingriffsbegriffs und der Grundrechte, was auf
der Grundlage der bisher dargelegten Konzeption nicht geteilt werden kann.

b) Ansätze zu einem universellen Grundrecht auf „Freiheit von Furcht“

In der Dogmatik der Menschenrechte wurden früher ganz andere Ansätze entwi-
ckelt, die konträr zu den oben genannten Bedenken eines zu weit gehenden Schutzes

121
Thiel, S. 254.
122
Bull, Meilensteine auf dem Weg des Rechtsstaates, S. 327.
123
Thiel, S. 254 f.
124
Thiel, S. 256.
122 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

durch Einschüchterung stehen. Diese inzwischen vergessenen Überlegungen gingen


sogar weiter als die völlig unklare Einordnung des Schutzes vor Einschüchterung
durch die Rechtsprechung. Das BVerfG erklärt nicht, ob es die Einschüchterung
für den Eingriff für notwendig hält oder ob es sich um nicht konstitutives Beiwerk
handelt.
Eine sog. „Freiheit von Furcht“ gehörte immerhin zu den vier Grundfreiheiten,
die sich im universellen Menschenrechtsdiskurs als Grundlage für die Menschen-
rechtscharta der Vereinten Nationen125 herausstellten. Dieses Menschenrechtsver-
ständnis beeinflusste den Parlamentarischen Rat bei der Ausarbeitung der Grund-
rechte des Grundgesetzes.126 Franklin Delano Roosevelt reduzierte die Menschen-
rechte auf vier Freiheiten: Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit von Not und
Freiheit von Furcht.127 Nach diesem Konzept sollen diese vier Freiheiten die Ent-
faltung der Persönlichkeit sichern.
Im Grundgesetz wurden diese vier Freiheiten nur teilweise ausdrücklich umge-
setzt. Fraglich bleibt aber, ob nicht die allgemeine Handlungsfreiheit auch im Sinne
der Doktrin von den vier Freiheiten eine Freiheit von Furcht enthalten muss. Zu
Beginn der wissenschaftlichen Behandlung des Grundgesetzes wurde eine solche
Ansicht singulär von Maunz128 vertreten. Nach dieser Ansicht ergab die Auslegung
des Rechts auf „Freiheit der Person“, also des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG,
„auch das Freisein von Furcht“.
„Die „Freiheit der Person“ betrifft einmal das Freisein von körperlichem Zwang, insbe-
sondere durch Haft oder sonstigen „Freiheitsentzug“, dann aber auch das Freisein von
Furcht.“129
Die h. L. nahm diese Ansicht kaum zur Kenntnis. Sie argumentierte in weni-
gen Sätzen dagegen, Wortlaut und Sinn seien durch dieses weite Verständnis über-
dehnt.130 Auch in der Rechtsprechung des BVerfG fand diese Lehre keinen An-
klang. Die h. M. kam aber in ihrer äußerst knappen Diskussion dieser Ansicht nicht
umhin, ein Zugeständnis zu machen, das heute durch den modernen Eingriffsbegriff
Aktualität erfährt:
„Immerhin sind extreme Fälle denkbar, in denen die Freiheit der Person auch ohne direkten
Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit berührt ist, z. B. durch grundloses ständiges

125
„Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948“
(AEMR), Riedel, Uiverseller Menschenrechtsschutz – Vom Anspruch zur Durchsetzung, S. 26.
Vgl. auch Rensmann, S. 137, der allerdings nur eine Referenz an die vier Freiheiten in der Präam-
bel und eine Ablehnung in der Struktur erkennt.
126
Vgl. Bundestag/Bundesarchiv, S. 69 und Kimminich, Menschenrechtsschutz im geteilten
Deutschland, S. 155.
127
Diese Freiheiten, die nach dem Sturz der Diktatur als Basis einer neuen Weltordnung dienen
sollten, nannte Roosevelt in seiner Kongressrede vom 6.1.1941: Meinungsfreiheit (freedom of
speech and expression), Religionsfreiheit (freedom of every person to worship God in his own
way), Freiheit von Not (freedom from want) und Freiheit von Furcht (freedom of fear). Vgl. dazu
Wolgast, S. 215. Die Rede im Volltext findet sich unter Roosevelt.
128
Maunz2 , § 14 III 3.
129
Maunz2 , § 14 III 3.
130
von Münch in: von Münch, GG, Art. 2 Rdn. 64; Herzog/Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2,
Rdn. 49 Fn. 2.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 123

Observieren, „Beschatten“ u. ä. Wer sich nicht mehr „vor die Haustür traut“, ist in seiner
körperlichen Bewegungsfreiheit auch dann eingeschränkt, wenn ihm nicht verboten ist, vor
die Haustür zu gehen.“131

Dem ist zuzustimmen. Denn wenn die zurechenbar verursachte rational begründ-
bare Angst zu Vermeidungsverhalten führt, was noch mit eigenen Argumenten be-
gründet werden wird,132 kann ihr eine Eingriffsqualität nicht abgesprochen werden.
Nach dem modernen Eingriffsbegriff muss dies zudem nicht nur für einige weni-
ge Sonderkonstellationen, sondern für jedes einschüchternde Verhalten des Staates
gelten, dass zurechenbare Folgen auf die Handlungsfreiheit hat.
In jüngster Vergangenheit wurde eine Forderung nach einem Grundrecht auf
Freiheit von Einschüchterung von Dencker erneut erhoben. Er begründete dies aus-
drücklich mit der angsteinflößenden Wirkung verdeckter strafprozessualer Ermitt-
lungsmaßnahmen:
„Heimliche Eingriffe in Fernmeldegeheimnis, Hausrecht und Privatsphäre werfen einen
(berechtigten!) „Angstschatten“ über den tatsächlichen Bereich vorgenommener Eingriffe
hinaus; dieser Angstschatten ist selbst eine eigene und schwerwiegende Grundrechtsbeein-
trächtigung.“133

Die vorstehend genannten Ansätze allein liefern richtige Ergebnisse und Ansät-
ze, aber keine tragfähige dogmatische Begründung für ein Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung. Ein Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung muss auf
Art. 2 Abs. 1 GG, auf die allgemeine Handlungsfreiheit und nicht auf das hier ab-
gelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht zurück geführt werden. Der Ansatzpunkt
dazu ist der von Dencker so genannte „Angstschatten“ und die oben dargestell-
te Argumentation des BVerfG für eine mittelbar freiheitsbeschränkende Wirkung
über Einschüchterungseffekte staatlichen Handelns. Damit begründet das BVerfG
Eingriffe in das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Beobach-
tungen.

4. Eigene Argumente für ein Grundrecht auf Freiheit


von Einschüchterung als Konkretisierung der allgemeinen
Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG

Als Konkretisierung der allgemeinen Handlungsfreiheit134 aus Art. 2 Abs. 1 GG


besteht ein „Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung“, wenn und soweit staat-
liche Maßnahmen Einschüchterung hervorrufen und so die allgemeine Handlungs-

131
von Münch, GG, Art. 2 Rdn. 64; Denninger stützt das Grundrecht auf die „demokratische
Grundordnung“ Denninger, VVDStRL, Nr. 37, 1979, S. 7 ff., 27 ff.
132
Siehe unten § 8, III, 4.
133
Dencker, StV 1994, S. 683.
134
Bzw. nach herrschender Terminologie „des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“.
124 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

freiheit beeinträchtigen.135 Für die in dieser Arbeit behandelte Fragestellung kommt


es darauf an, ob gerade verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen eine sol-
che Wirkung haben.
Um in die Schutzbereiche des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG einzugreifen,
muss die verdeckte Überwachung bzw. schon deren gesetzliche Regelung tatsäch-
lich zu Einschränkungen der natürlichen Handlungsalternativen des Betroffenen
führen. Eine Maßnahme die weder direkt noch indirekt „fühlbar“ ist, stellt keinen
Grundrechtseingriff in das subjektive Recht auf Persönlichkeitsentfaltung dar. Die
staatliche Maßnahme muss die Entscheidungsautonomie beeinflussen, damit die
Verhaltensbeeinflussung auch ein Eingriff in die Handlungsfreiheit ist. Dies ergibt
sich bereits aus der obigen Definition des modernen Eingriffsbegriffs.136 Folgen-
de teilweise in der oben genannten Literatur anklingende Argumente gegen dieses
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung liegen auf der Hand und sind zu wi-
derlegen:
1. Man könnte einwenden, die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen begründeten
nur eine irrationale Angst, ein bloß abergläubisches Tabu und keine rational
nachvollziehbare Einschüchterung.
2. Selbst wenn die Gefahren real sein sollten, liege noch lange kein Eingriff vor.
Es handele sich bloß um eine Gefährdung und nicht um eine Beeinträchtigung.
Die Annahme eines Eingriffs sei eine unzulässige Vorverlagerung.
3. Weiter könnte man kritisieren, „der Betroffene“ sei gar nicht konkret betrof-
fen, jedenfalls solange er keine negativen Konsequenzen – etwa eine Haftstrafe
aufgrund eines Urteils – erleidet. Betroffen sei höchstens die Gesellschaft als
solche, die aber kein Grundrechtsträger ist. Es kann sich danach nur um ein
objektives Recht und kein subjektives Grundrecht handeln.
4. Sind die vorgennanten Argumente widerlegt, bliebe allein die Möglichkeit das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung durch Aufzeigen von als „absurd“
zu brandmarkenden Konsequenzen rhetorisch zu entwerten. Ein solches Argu-
ment wäre, dass Überwachungsattrappen ebenfalls einschüchternde Wirkung
hätten, aber wohl kaum ein Eingriff sein könnten.

a) Psychische Betroffenheit als tatsächliche Handlungssteuerung

Bei den verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ergibt sich eine ratio-


nale Begründung der Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 GG und damit
des Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit auch für solche völlig körperlo-
sen Maßnahmen. Entscheidend ist die psychische Betroffenheit, welche wiederum
rational sein muss, um das Gegenargument vom bloß abergläubischen „Tabu“ zu
widerlegen.

135
Vollständig müsste es daher „Grundrecht auf Freiheit von handlungsbeeinflussender Ein-
schüchterung“ heißen, die Formulierung wird hier und im Folgenden allein aus Gründen der
Prägnanz verkürzt.
136
Dazu oben § 7, III, 5, c).
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 125

Sozialwissenschaftliche Studien fehlen, die mit belastbaren Daten eine Angst


vor heimlicher strafprozessualer Überwachung und der Beeinflussung der Hand-
lungsfreiheit durch diese Überwachung bestätigen. Ein solcher Effekt ergibt sich
aber schon aus allgemeinen psychologisch erforschten menschlichen Verhaltens-
mustern137 und dem „common sense“, dem „Gesunden Menschenverstand.“138
Beobachtung kann Angst erzeugen. Erste Voraussetzung dafür ist, dass der Be-
troffene – wenn auch nur gefühlsmäßig diffus – der Beobachtung nachfolgende
negative Wirkungen erwartet. Dazu muss der Betroffene dem Beobachter Macht
zuschreiben. Wenn beim Betroffenen wegen dieser Angst die hemmenden Moti-
vationen die aktivierenden Wünsche unterdrücken, ist die Handlungsfreiheit durch
diese Angst und folglich durch die Beobachtung beeinflusst:

Beispiel 11 X wird von Y beobachtet, wie er einen Kontrabasskoffer in den Wald


trägt. Da sich in dem Koffer eine Leiche befindet, die X im Wald vergraben will,
hat er Angst, dass Y ihn bei der Polizei anzeigt, wenn er den Koffer öffnet und die
Leiche vergräbt. X nimmt daher von seinem Vorhaben Abstand und trägt den Koffer
mit der Leiche wieder nach Hause.

Auch das Gefühl der Peinlichkeit gehört zum Begriff der Angst in diesem Sin-
ne.139 Die so erzeugte Angst ist – und das ist psychologisch trivial – die Motivation
für einen Handlungsverzicht.140
Im nächsten Schritt muss untersucht werden, ob diese Angst auch durch heimli-
che Überwachung erzeugt werden kann.

Beispiel 12 In Abwandlung des vorigen Beispiels weiß X nicht, dass er von Y


beobachtet wird. Er vergräbt also die Leiche im Wald.

137
Der Einzelne, der eine Überwachung seiner Handlungen fürchtet, ist sich bewusst, dass er
selbst sich dafür entscheidet, der hemmenden Angst vor Überwachung oder der aktivierenden
Gegenmotivation zur eigentlich gewünschten Äußerung zu folgen. Es kommt also auf das psychi-
sche Erleben des Einzelnen an. Fühlt er sich einem wie auch immer verursachten und vermittelten
Druck des Staates ausgesetzt, liegt keine autonome Entscheidung vor. Psychologisch gesehen han-
delt es sich bei Eingriffen entweder um Bestrafung oder um sog. negative Verstärkung. Strafe
verstärkt das Nicht-Auftreten eines bestimmten Verhaltens. Tritt es doch auf, wird es bestraft.
Negative Verstärkung belohnt Vermeidungsverhalten. Die Belohnung kann aber bereits darin
bestehen, dass ein erwartetes Übel nicht eintrifft. Das Vermeiden bestimmter Handlungen, um
staatlicher Repression zu entgehen, wird positiv verstärkt, weil ein erwartetes Übel nicht eintritt.
Der andernfalls zu erwartende Stress bleibt aus und ein Gefühl der Erleichterung setzt ein, Musahl,
S. 155 ff.
138
Dabei handelt es sich keineswegs um zu disqualifizierende „Laienphilosophie“, vgl. Moore.
139
„Scham als Angst vor Schande und die Vermeidungshaltung ,peinlich aufzufallen‘ unter-
scheiden sich von ihrer Leiblichkeit her nicht nur in den Blickrichtungen und im schwächeren
Fluchtimpuls bei der Peinlichkeit, sondern auch darin, dass erstere der Angst selbst verwandter
ist. [. . . ] Damit ist die leiblich schwächere Peinlichkeit aber nicht etwa sozial weniger wirkungslos,
ganz im Gegenteil [. . . ]“, Landweer, S. 166 f.
140
Angst führt allgemein zu Vermeidungsverhalten. Zu den psychischen Mechanismen vgl. die
Konzepte zur sozialen Phobie, Essau, S. 52 ff.; Esser, S. 518 ff.; Bassler, S. 66 ff.
126 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

In diesem Beispiel besteht keine handlungsbeeinflussende Einschüchterung


durch die heimliche Beobachtung. Dies ist unabhängig von den tatsächlichen Spät-
folgen der Beobachtung. So kann Y im ersten Beispiel davon absehen X anzuzeigen
und dies von vornherein auch nicht beabsichtigen. Trotzdem besteht aus der Sicht
des X die Gefahr der Anzeige und der Verurteilung. Im zweiten Beispiel kann Y
den X anzeigen und ein Gericht eine Schuld des X erkennen. Angst und das Ver-
meidungsverhalten sind also unabhängig von den tatsächlich befürchteten Folgen.
Die konkrete Beobachtung kann zwar nicht unmittelbar Angst beim Betroffen ver-
ursachen, heimliche Beobachtung kann aber mittelbar zu handlungsbeeinflussender
Angst führen:

Beispiel 13 In Fortsetzung des zweiten Beispiels wird X angezeigt und wegen


fahrlässiger Tötung seiner Frau verurteilt. Im Prozess macht Y die entscheiden-
de Zeugenaussage und berichtet über seine heimliche Beobachtung. Nach seiner
Haftentlassung traut sich X nicht mehr, mit dem Kontrabasskoffer zu seinen Mu-
sikstunden zu fahren, da er befürchtet, wieder mit einem Verfahren überzogen und
verurteilt zu werden.

Beispiel 14 Y hängt auf der Straße Poster auf, auf denen er ankündigt, in Zu-
kunft die Nachbarn mit seiner Videokamera heimlich zu überwachen, wenn ihm
„Schlechtes“ über einen der Nachbarn berichtet werde. Er behält sich ausdrücklich
vor, das aufgezeichnete Material dann der Polizei zur Verfügung zu stellen. Der
Nachbar Z liest die Aushänge des Y und erfährt auch durch andere von der Rolle
des Y im Prozess gegen X. Z entschließt sich daher, nicht mehr X zu treffen, mit
dem er sonst regelmäßig ein Bier in der Eckkneipe getrunken hat.

Sowohl die „Wiederholungsgefahr“, die sich aus dem nachträglichen Aufdecken


der heimlichen Beobachtung ergibt als auch die Ankündigung, unter bestimmten
Umständen Beobachtungen mit dem Potential strafrechtlicher Folgen durchzufüh-
ren, führt bei X und Z zu Angst, die einen solchen psychischen Druck aufbaut, dass
sie diese Personen davon abbringt, ihren eigentlichen Wünschen nachzugehen. Die-
ser Druck wird also nicht unmittelbar beim Beobachteten durch die Beobachtung
aufgebaut. Vielmehr entsteht der Druck durch eine „Drohkulisse“, die durch das
Ausnutzen von den aus heimlichen Beobachtungen gewonnen Erkenntnissen und
durch Ankündigungen neuer heimlicher Beobachtungen und den möglichen Folgen
aufgebaut wird. Die konkrete Beobachtung ist also nur mittelbare Mitursache für
spätere Einschüchterungseffekte.
Das geheime Sammeln von Informationen über Personen zu strafprozessualen
Zwecken, kann also nur deshalb ein Grundrechtseingriff sein, weil diese Maßnah-
men, ihre Regelungen und Folgen, ein Klima der Angst vor Überwachung schaffen.
Daraus folgt, dass die Menschen sich zurückhalten, überhaupt zu kommunizieren.
Wenn sie kommunizieren, werden sie zudem sehr vorsichtig sein, um nichts „Ver-
fängliches“ zu äußern. In diesen Fällen verhindert Angst eine im Wortsinn gänzlich
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 127

„freie“141 Kommunikation. Diese Motivation ist nicht kleiner als jene, welche durch
ein imperatives Verbot des entsprechenden Verhaltens verursacht wird. Damit wä-
re sogar die oben diskutierte „Zwangsgleichheit“142 des Eingriffs gegeben. Durch
das möglicherweise bei einigen Bürgern induzierte Gefühl, dauernd heimlich über-
wacht zu werden, können sich sogar stärkere Effekte als bei solchen befehlenden
Maßnahmen ergeben, die bei Nichtbefolgung zwangsweise durchgesetzt werden
können. Bereits oben143 wurde das Beispiel eines Verbots im Straßenverkehr ange-
führt, das allein nur geringe Wirkungen hat, aber erst durch eine damit zusammen-
hängende Überwachung eine starke Handlungssteuerung entfaltet. Die einschüch-
ternden Folgen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen müssten auch
durch das staatliche Verhalten objektiv zurechenbar verursacht sein.144 Bereits die
gesetzlichen Regelungen der verdeckten Maßnahmen in der StPO schaffen ein Risi-
ko,145 dass Menschen aus Angst vor staatlicher Überwachung ihr Verhalten ändern.
Dieses Risiko hat sich auch bereits in einigen Fällen verwirklicht. Schon die Ver-
fassungsbeschwerden gegen verdeckte Maßnahmen sind Beispiele für zumindest
schlüssig behauptete, tatsächlich bewirkte Verhaltensänderungen.146 Hinzu kom-
men evidente, aber nicht in der Literatur nachweisbare Fälle, in denen Tatverdäch-
tige oder der sich verfolgt wähnende Täter Gespräche, die sie sonst führen würden,
vermeiden, weil sie mit staatlicher Überwachung rechnen. Dieser objektiv zure-
chenbare Effekt reicht für einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich aus. Auf
die strafpozessuale Ermittlungen übersetzt bedeutet das zusammengefasst: Hand-
lungssteuernde Einschüchterungseffekte entstehen vor allem durch die Gesetze, die
strafprozessuale verdeckte Ermittlungen gestatten und das tatsächliche Nutzen von
durch heimliche Ermittlungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnissen in Prozessen.
Konkrete verdeckte Maßnahmen sind ebenfalls notwendig um diese Drohkulisse
aufrecht zu erhalten, da sie sonst nicht glaubhaft wäre. Sie sind aber nur mittelbar an
der Handlungssteuerung durch Einschüchterungseffekte beteiligt. Die Kombination
von tatsächlichen Maßnahmen, Vorschriften die diese ankündigen und Ausnutzen
der gewonnen Erkenntnisse führen nachträglich zu Einschüchterungseffekten bei
Dritten. Dies sind diejenigen in deren Grundrecht eingegriffen wird, nicht der von

141
Es geht nicht um die Unterscheidung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit, sondern le-
diglich um die Qualität des staatlichen Einflusses auf die Selbstbestimmung, bei der von einem
Eingriff gesprochen werden kann, vgl. oben § 7, III, 5, c), aa). Ein ähnliches Problem besteht bei
der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 StGB im materiellen Strafrecht, vgl.
Eser in: Schönke/Schröder, § 24 Rdn. 42 ff. Dort wird eine Differenzierung nach autonomen und
heteronomen Gründen für die Freiwilligkeit des Rücktritts vertreten. Grundlage sind psycholo-
gisierende oder wertende Ansätze. Diese Lehre hat aber rücktrittsfreundliche Ziele und tendiert
daher mit teleologischen Argumenten zu einer leichten Bejahung der Freiwilligkeit. Beim Rück-
tritt geht es zudem um die Unterscheidung zwischen „ganz frei“ und „unfrei“. Dies ist insoweit
nicht auf den verfassungsrechtlichen Eingriffsbegriff übertragbar.
142
Vgl. oben § 7, III, 4.
143
Vgl. oben § 8, II, 2, c).
144
Vgl. oben § 7, III, 1.
145
Dazu oben § 7, III, 3, b), bb).
146
Zum Beispiel: Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität durch Burkhard Hirsch, abgedruckt in Vormbaum/Asholt, S. 9.
128 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

der Überwachung Betroffene. Für Letzteren ergibt sich noch eine zusätzliche Be-
gründung, wenn die Ermittlungsergebnisse gerade für ihn zu negativen Folgen wie
einer Verurteilung führen. Davon kann der Eingriff aber nicht abhängen.

b) Irrationale Ängste vor einem „Tabu“ oder rationale Lehren


aus der Geschichte?

Die Einschüchterungswirkung ist aber nur dann ein Eingriff in die allgemeine
Handlungsfreiheit, wenn alle Erfordernisse des modernen Eingriffsbegriffs erfüllt
sind. Neben den herkömmlichen Gesichtspunkten objektiver Zurechnung muss
noch das Kriterium der negativen Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit gegeben
sein.147 Dieses Kriterium muss durch das hier sog. „Vernünftigkeitsprinzip“ weiter
konkretisiert und seinerseits begrenzt werden. Damit wird dem möglichen Einwand
begegnet, es handele sich zwar um einen subjektiv fühlbaren Einschüchterungsef-
fekt, doch basiere dieser auf einem irrationalen „Tabu“148 , das indigenen Völkern
aus Amerika zugeschrieben wurde, die erst wenig Kontakt mit den Ideen rationaler
Wissenschaft hatten.
Das Fotografieren einer Person hatte nach deren Vorstellung einen negativen ma-
gischen Einfluss auf den Fotografierten, die Seele wird zumindest ein Stück weit
vom „Kasten“ der Fotokamera eingefangen, so dass der Fotograf Macht über den
Fotografierten erlangt.149
Ein weiterer Beleg über die angeborene Angst vor Missbrauch von Aufzeich-
nungen persönlichen Ausdrucks – in diesem Fall stimmlicher Art – ergibt sich aus
Grammophonaufzeichnungen im Rahmen von Forschungen an den der westlichen
Zivilisation fernen San (sog. Buschleuten) in Afrika 1931:
„,Wir werden wieder missbraucht. Wir befinden uns wieder in der Konservendose. Mir wur-
de gesagt, ich soll sprechen. Nun weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ich schreie nur, wie ein
Hund im Fangeisen.‘ Kanaje war wütend: ,Ich kenne die Leute nicht, die diese Dinge benut-
zen werden‘, erklärte er 1931 in den Trichter des Phonographen, der seine Worte aufnahm.
,Wer weiß, wer sie sind?‘ Die Frage verhallte ungehört. Der, der sie hätte beantworten kön-
nen, der Mann hinter dem Phonographen, verstand nicht, was der Südwestafrikaner sagte
und es interessierte ihn auch nicht besonders: Für Hans Lichtenecker waren Kanajes Worte
nur unverständlicher Kauderwelsch, nur eine weitere Stimmprobe in seiner Sammlung.“150

147
Vgl. oben § 7, III, 5, c) und § 7, III, 1, b), bb).
148
„Tabus sind unhinterfragt, strikt, bedingungslos, sie sind universell und ubiquitär, sie sind
mithin Bestandteil einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft. Dabei bleiben Tabus als
Verhaltensregeln unausgesprochen oder werden allenfalls durch indirekte Thematisierung (z. B.
Ironie) oder beredtes Schweigen angedeutet: Insofern ist das mit Tabu Belegte jeglicher ratio-
nalen Begründung und Kritik entzogen. Gerade auf Grund ihres stillschweigenden Charakters
unterscheiden sich Tabus von den ausdrücklichen Verboten mit formalen Strafen aus dem Bereich
kodifizierter Gesetze. [. . . ] Auslöser für tabuistische Vorkehrungsmaßnahmen ist ein Spektrum von
Wahrnehmungen, das von Ehrfurcht und Scheu über Angst und Panik bis hin zum Ekel reichen
kann.“, Wikipedia, Tabu.
149
Vgl. Karsten, Zeitschrift für Ethnologie 1916, S. 165; Theye, S. 225 ff.
150
Seethaler; David Eagleman gibt ein Erlebnis des Musiksammlers Arthur Alberts wieder, der in
den 1940ger Jahren mit einem Tonbandgerät Aufnahmen von Gesängen in Afrika machte. (S. 9):
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 129

Ist das heimliche Überwachen einer Person also keine reale Beeinträchtigung,
sondern ein Rest archaischen Aberglaubens, der das Zeitalter der Aufklärung über-
dauert hat oder ist diese „Urangst“ ein Anzeichen dafür, dass es sich bei der Freiheit
von Überwachung um ein durch rationale Vernunft begründbares Menschenrecht
handelt?
Freiheitsbeschränkendes privates Verhalten des Betroffenen selbst oder Dritter
ist nur dann durch staatliches Handeln zurechenbar verursacht und der Grund für
seine Entscheidung, wenn mit diesem Verhalten vernünftigerweise aus Ex-ante-
Sicht zu rechnen ist.151 Danach ist das Verhalten Dritter oder das Verhalten des
Betroffenen selbst nur dann dem Staat zurechenbar, wenn es auf einer rational
nachvollziehbaren Entscheidung desjenigen beruht, der eine Mitursache für die
Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit setzt. Dafür spricht an dieser Stelle, dass
irrationales Verhalten in der Regel unberechenbar ist und der Staat solches auch
nicht in seiner Handlungsentscheidungen einplanen kann. Die Zurechnung nicht
planbarer, unvernünftiger Entscheidungen des Betroffenen oder Dritter würde einen
faktischen gesetzlichen Totalvorbehalt für staatliches Handeln bedeuten, der offen-
sichtlich durch das Grundgesetz nicht vorausgesetzt wird. Damit ist die Zurechnung
negativer Freiheitseffekte dann gegeben, wenn tatsächliche Kausalität und Risiko-
erhöhung aus objektiver Ex-ante-Sicht zu verzeichnen sind. Damit schieden so,
lediglich zufällig mit staatlichem Handeln zusammenhängende Schadensverlage-
rungen aus. Dies gilt aber nur für den Regelfall, dass irrationales Verhalten nicht
berechenbar ist. Eine solche Einschränkung kann aber nicht mit den im Vorge-
henden dargestellten Argumenten begründet werden, wenn der Staat im Einzelfall
mit irrationalem Verhalten rechnen muss, weil beispielsweise eine wissenschaftlich
nicht haltbare Verschwörungstheorie in der Bevölkerung Verbreitung gefunden hat.
Das Grundgesetz schützt nur ausnahmsweise irrationales Verhalten. Ein Recht,
unbeeinflusst vom Staat irrational entscheiden zu können, ist nur mit der Religi-
onsfreiheit nach Art. 4 GG ausnahmsweise geschützt. Religionen erheben im Kern
gar keinen Anspruch auf Rationalität, der Staat darf sich aber dennoch nicht nach
Art. 4 GG in Glaubensangelegenheiten einmischen. Die geistige Integrität irratio-
naler Entscheidungsprozesse ist im Gegensatz zu tatsächlich ausgeübtem Verhalten
nicht ein durchgängig durch das Grundgesetz geschützter Wert. Wenn das Grund-
gesetz die Vernunftphilosophie der Aufklärung voraussetzt,152 entspricht es nicht
dessen Menschenbild, die abergläubische Entscheidungsfindung des Einzelnen zu
schützen. Grundsätzlich ist die bloße Störung abergläubischer Gedanken daher kein
Eingriff in Grundrechte. Eine andere Ansicht müsste die vernünftige Natur des
Menschen leugnen. Freie Entscheidungen können nur auf rationaler Basis getroffen
werden. Handlungsverhindernde Angst ist irrational, wenn sich die Gründe nicht in-

„Doch mit seinem Tonbandgerät handelte er sich immer wieder Ärger ein. Ein Westafrikaner, der
seine Stimme auf Band hörte, beschuldigte Alberts, seine Zunge gestohlen zu haben. Alberts ent-
kam einer Tracht Prügel nur knapp, indem er einen Spiegel aus der Tasche zog und den Mann
davon überzeugte, dass seine Zunge noch da war. [. . . ] Als Alberts einem anderen Stammesange-
hörigen die Musik vorspielte, staunte der über den ,mächtigen Zauber‘.“
151
So auch Roth, S. 312 ff.; Cremer, S. 162.
152
So Kahl, S. 1 und Fn. 2 m. w. N.
130 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

tersubjektiv nachvollziehen lassen. Das wäre etwa der Fall, wenn sich für die ängst-
lich erwarteten Folgen weder aus wissenschaftlichen Erkenntnissen noch histori-
schen Erfahrungen eine gewisse Wahrscheinlichkeit schlussfolgern lässt. Staatliche
Information über harmlose Tatsachen sind kein Eingriff in die Handlungsfreiheit,
auch wenn Einzelne daraufhin wegen Aberglaubens oder psychischer Verwirrung
massive Verhaltensänderungen zeigen. Die Handlungssteuerung aufgrund irratio-
naler Ängste kann nicht dem Staat als Verursacher zugerechnet werden. Sie ist
vom Einzelnen selbst verursacht und kann nur von ihm selbst durch eigene ver-
ständige Überlegungen ausgeräumt werden. Ansonsten wäre jede Handlung des
Staates ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, da jede staatliche Maß-
nahme irrationale Ängste auslösen kann. Daher ist ein subjektiv-objektiver Maßstab
zur Abgrenzung der unerheblichen Lästigkeiten von den Eingriffen heranzuziehen.
Im Gegensatz zur Lösung über das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Rahmen der
Eingriffsrechtfertigung ist so dogmatisch begründet, dass für diese unerheblichen
Beeinträchtigungen der allgemeinen Handlungsfreiheit kein Gesetzesvorbehalt gilt.
Die Erheblichkeit der Einwirkung in Freiheitsrechte ist daher mit der subjektiv
empfundenen Beseitigung der Freiheit der Entscheidungsfindung gleichzusetzen.
Wenn der Betroffene durch irrationale Missverständnisse staatliches Handeln für
bedrückend hält, ist dies allerdings kein Eingriff. Die subjektive „Freiheit der Ent-
scheidungsfindung“ und das objektive „Vernünftigkeitsprinzip“ ergänzen also das
Erfordernis objektiver Zurechnung.
Die durch psychische Einschüchterungseffekte ausgelösten Ängste153 wären
nach der Einschränkung des erweiterten Eingriffsbegeriffs durch dieses „Vernünf-
tigkeitsprinzip“, nur dann nicht durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, wenn es sich um
irrationale, abergläubische Ängste handelt.154
Die Ängste vor einem Missbrauch der gewonnenen Erkenntnisse verdeckter
staatlicher strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen können aber bereits wegen
ihrer historischen Dimension155 nicht als irrational abgetan werden. Dass ein Miss-
brauch erst nach dem Versagen verfahrensrechtlich verbindlicher Sicherheitsstufen,
wie dem Richtervorbehalt oder Begrenzungen auf bestimmte Taten oder Verdachts-
stufen möglich ist, ändert nichts daran, dass diese Sicherungen versagen können.156
Das Bestehen einer Sicherheitsinfrastruktur stellt durch die Gefahr eines politischen
Systemwechsels eine rational begründbare Gefahr dar. Dies legen auch Geller, v.

153
Vgl. oben § 8, III, 4, a).
154
Vgl. schon oben im Rahmen des Eingriffsbegriffs, § 7, III, 5, c). Wenn der Betroffene irrational
handelt, entscheidet er in eigener Verantwortung „freiwillig“ und wird nicht unter relevanten psy-
chischen Druck gesetzt. Diese Frage ist mit dem „Tabu-Phänomen“ verwandt, vgl. oben § 8, III,
4, a), aber nicht identisch. Beim „Tabu“ muss überhaupt kein psychischer Effekt das menschliche
Verhalten beeinflussen. Bei der Frage nach der Vernünftigkeit geht es um die Erheblichkeit eines
vorhandenen Effekts.
155
Die als bekannt vorausgesetzten verheerenden mittelbaren Auswirkungen auf Leib, Leben,
Freiheit und Eigentum der von solchen verdeckten Ermittlungen betroffenen Bürger machen deut-
lich, dass die Einschüchterungswirkung einen realistischen Hintergrund hat. Vgl. § 4, II, 3.
156
Vgl. hierzu das System der DDR, § 4, II, 2, in der gerade trotz im Gesetz verankerter Rechts-
staatlichkeit Missbrauch nicht verhindert wurde.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 131

Schlabrendorff und Rupp nahe, die sich zu diesem Thema in einer abweichenden
Meinung zum Abhörurteil des BVerfG äußern:
„Die Gefahr einer solchen Entwicklung mag, in Anbetracht der Erfahrungen seit 1949,
fernliegen. Man mag davon ausgehen, daß in einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demo-
kratie alle Normen „korrekt und fair“ angewendet und die Geheimdienste entsprechend
kontrolliert werden. Ob dies aber für alle Zukunft gesichert ist, und ob der mit der Ver-
fassungsänderung vollzogene erste Schritt auf dem bequemen Weg der Lockerung der
bestehenden Bindungen nicht Folgen nach sich zieht, vermag niemand vorauszusehen.“157

Damit ist die Angst vor verdeckten Ermittlungsmaßnahmen rational begründet.

c) Unzulässige Vorverlagerung durch bloße Gefährdung statt Eingriffs?

Die Ansicht in der Literatur, die die Relevanz der Einschüchterungswirkung für
Eingriffe in die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG ablehnt, argumentiert, dass die blo-
ße Möglichkeit einer Beeinträchtigung nicht ausreichend sei. Die einschüchternde
Wirkung sei aber nicht mehr als die Behauptung einer möglichen Beeinträchti-
gung.158
Richtig daran ist, dass ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit durch
verdeckte strafprozessuale Maßnahmen nur dann vorliegen kann, wenn eine Per-
son tatsächlich durch die Möglichkeit einer strafprozessualen Überwachung aus
psychischen Gründen betroffen ist.159 Die bloße Möglichkeit besteht immer, so-
lange es einen Staat mit Strafverfolgungsorganen gibt. Entscheidend ist nicht die
bloße Möglichkeit, sondern eine tatsächliche staatliche Maßnahme und deren tat-
sächliche Auswirkung. Die heimliche Beobachtung ist nicht als solche allein der
Eingriff, vielmehr ist sie nur unselbstständiger Teil der oben dargestellten Kombi-
nation aus dem die Maßnahmen gestattenden Gesetz und nachträglichen negativen
Auswirkungen (wobei letztere dann Zwangscharakter für den Betroffenen haben
und abschreckendes Beispiel für Dritte sind). Der Einwand, durch das Grundrecht
auf Freiheit von Einschüchterung werde die Gefahr eines Grundrechtseingriffs un-
zulässig bereits als Eingriff selbst ausgegeben, trifft daher nicht. Isoliert betrachtet
läge nur eine Gefährdung vor. Dieser spezielle Eingriff besteht aber nicht nur aus
der heimlichen Beobachtung, sondern ergibt sich erst aus den eben genannten zu-
sätzlichen Elementen.160

157
BVerfGE 30, 1, 47.
158
Vgl. oben § 8, III, 3, a).
159
Vgl. oben § 7, III, 3.
160
Die gesetzlichen Regelungen sind insoweit nicht konstitutiv. Selbstverständlich greift auch der
Staat ein, der ohne Rechtsgrundlage nur faktisch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen nutzt. Der
Einschüchterungseffekt ist dann umso größer.
132 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

d) Abstrahierung, Kollektivierung und Individualisierung


der Einschüchterungseffekte

Problematisch ist, dass die konkret-individuelle Maßnahme nicht fühlbar ist, weil
der Betroffene sie nicht bemerkt. Es ist aber auch nicht notwendig, dass der Beob-
achtete tatsächlich von den gegen ihn gerichteten Überwachungsmethoden weiß.
Ausreichend ist bereits ein Gesetz, das heimliche Eingriffe gestattet. Für einen
Grundrechtseingriff reicht aus, dass irgendjemand durch die Eingriffe betroffen
ist. Um das Erfordernis einer konkret-individuellen Betroffenheit zu begründen,
wird argumentiert,161 es wäre für einen wirksamen Grundrechtsschutz schädlich,
die individuelle Betroffenheit als Eingriffskriterium aufzugeben.162 Das Beharren
auf dem Merkmal der konkret-individuellen Betroffenheit ist gerade für die ver-
deckten Ermittlungsnahmen heikel, da der individuell Überwachte die Maßnahme
gar nicht bemerkt. Es ist aber auch nicht notwendig, dass jede Einzelmaßnahme
der verdeckten Ermittlungen tatsächliche Auswirkungen hat. Denn es sind bereits
die gesetzlichen Regelungen selbst, die einen Einschüchterungseffekt haben. Gegen
diese Gesetze muss eine Person nicht erst verstoßen, um belastet zu sein. Um in-
dividuell betroffen zu sein, genügt, dass die Person in ihrem Verhalten sanktioniert
werden kann, wenn sie gegen ein Strafgesetz verstößt. Dies muss konsequent auch
für verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen gelten.163
Die Abstraktion bzw. Kollektivierung liegt nur darin begründet, dass man zwar
um die psychischen Effekte einer Überwachungsmöglichkeit weiß, diese aber nicht
bei allen Personen im Einflussbereich der fraglichen Gesetze nachweisen kann. Dies
ist auch nicht notwendig. Völlig ausreichend ist, wenn nur einige Personen durch
die Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen einge-
schüchtert werden. Wenn gerade bei den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen mit
einem „allgemeinen Klima der Angst“ argumentiert wird, ist damit einerseits ge-
meint, dass die Ängste bei den Einzelnen notwendig diffus sein müssen, da sie
die Überwachung nicht kennen können. Andererseits ist auch schwer zu sagen,
wer sein Verhalten tatsächlich aufgrund einer „diffusen“ Bedrohungssituation um-
stellt. Ein genauer Einzelnachweis wird hier kaum gelingen.164 Schon wegen der
öffentlichen Diskussion und der Klagen vor dem BVerfG ist unbestreitbar, dass
Einzelne sich tatsächlich bedroht fühlen. Die Gegenansicht ist nicht überzeugend,
da die beeinträchtigende Wirkung nicht nur behauptet ist, sondern real eintritt. Al-
lein die diversen Klagen gegen gesetzliche Regelungen verdeckter strafprozessualer

161
Vgl. oben § 7, III, 3, a).
162
Missverständlich aber Epniney, Der Staat, Nr. 34, 1995, S. 582.
163
Die im Hinblick auf § 90 Abs. 2 BVerfGG prozessuale Frage, ob bereits abstrakt generelle
Gesetze, also hier die §§ 98 ff. StPO, Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG darstel-
len, ist bei materiellen Strafgesetzen ausdiskutiert, vgl. Henke/Gröschner, S. 82 und gilt auch für
belastende strafprozessuale Maßnahmen, BVerfGE 30, S. 16 ff., Leits. Nr. 1 und B II; Verfassungs-
beschwerde gegen das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
durch Burkhard Hirsch, abgedruckt in Vormbaum/Asholt, S. 9.
164
Der Nachweis ist ein verfassungsprozessuales Problem, vgl. § 7, III, 3, b).
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 133

Ermittlungsmaßnahmen zeigen, dass die verdeckten strafprozessualen Ermittlungs-


maßnahmen als Bedrohung wahrgenommen werden.
Weil das Grundrecht die allgemeine Handlungsfreiheit und damit alle Verhal-
tensweisen schützt, haben zudem nicht nur rechtstreue Bürger ein Grundrecht, ihr
Verhalten frei von manipulativer staatlicher Einschüchterung durchzuführen. Alle
Bürger haben das Grundrecht, frei von staatlicher Einschüchterung bei allen ih-
ren Handlungen zu sein. Zum Schutzbereich dieser „Freiheit von Einschüchterung“
gehört daher auch das Verhalten der Menschen, die Straftaten begangen haben
und nicht den Missbrauch, sondern den Gebrauch der entsprechenden Vorschrif-
ten verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen zu ihren Lasten erwarten.
Dieser weite Schutzbereich liegt in der Konsequenz des Art. 2 Abs. 1 GG, der
nicht nur gesetzmäßige Handlungen in seinen Schutzbereich aufnimmt, sondern
alle Handlungen. Bei Straftätern, die zu Recht eine Überwachung befürchten, ist
eine Einschüchterungswirkung also ebenfalls evident.165 Dass bestimmte Personen
durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich eingeschüchtert werden, ist da-
mit geklärt.
Die Abstrahierung und Kollektivierung der Einschüchterungseffekte ist lediglich
eine Hochrechnung der bekannten Einzelfälle auf die Gesamtgesellschaft. Gegen
die Verallgemeinerung ist ebenso wenig einzuwenden, wie gegen die Subsumtion
anderer offenkundiger Effekte auf die Entscheidungsfreiheit unter Grundrechtsein-
griffe in Art. 2 Abs. 1 GG. Besonders im Bereich der Verkehrsüberwachung werden
bereits durch die Ankündigung von Radarkontrollen Änderungen im Fahrverhal-
ten der Autofahrer veranlasst. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich
solche bekannten Effekte auch bei der Ankündigung strafprozessualer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen einstellen. Selbst wenn man bestehenden Unsicherheiten
ein größeres Gewicht einräumte, müsste „in dubio pro libertate“166 „entschieden“
werden. Nicht zulässig wäre, wenn Zweifel hinsichtlich der Grundrechtsbetrof-
fenheit zu Gunsten staatlicher Ermittlungsmaßnahmen angenommen würde. Denn
der Staat kann im Zweifel vorsorglich rechtfertigende Regelungen erlassen, der
Einzelne kann sich hingegen selbst nicht oder nur unzureichend gegen verdeckte
Maßnahmen wehren.
Die Konsequenz aus den Ansätzen des BVerfG ist also keineswegs ein Grund
für die Ablehnung der dogmatischen Konstruktion eines Grundrechts auf Freiheit
von Einschüchterung. Dieses Grundrecht vereinigt die bekannten Grundrechtskon-
kretisierungen – soweit sie keinen normativen Einschlag haben – unter einem Dach.

165
Der Eingriff kann jedoch durch die „verfassungsmäßige Ordnung“ gerechtfertigt sein, steht
also unter allgemeinem Gesetzesvorbehalt.
166
Vgl. zur Übertragung des Grundsatzes auf Schutzbereichsabgrenzungen: Quaritsch in: Isen-
see/Kirchhof , HSTtR 5, § 120 Rdn. 81. Dagegen spricht sich wegen „seines ,dubiosen‘, unbe-
stimmten an keiner Norm der Verfassung ausgerichteten Inhalts“ eine Ansicht in der Literatur
aus, die den Grundsatz aber immerhin als Hilfsfunktion im Rahmen verfassungskonformer Ausle-
gung gelten lassen will, vgl. Hochreiter, S. 117 f.
134 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

aa) Problem der individuellen Wirkung einer konkreten heimlichen Beobachtung

Die kollektivistischen Ansätze des BVerfG – die heimliche Überwachung beträfe


die gesamte Gemeinschaft der Bürger167 – führen zu einer weiteren Frage: Ist der
konkret heimlich Überwachte durch die jeweilige Maßnahme anderes betroffen als
die vielen anderen, welche nur deshalb betroffen sind, weil das abstrakte Gesetz für
sie eine Einschüchterung bedeutet?168
Einen solchen Unterschied gibt es nicht, da der konkret Betroffene die Maßnah-
me nicht spürt. Dies wird erst dadurch geändert, dass der unmittelbar Überwachte
durch den Staat von der Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird oder dass die ge-
wonnenen Erkenntnisse mitursächlich für spätere Zwangsmaßnahmen werden. Die
individuelle Betroffenheit müsste dann aber davon abhängen, ob der Staat den Ein-
zelnen informiert oder aufgrund von Erkenntnissen verurteilt, die er aus verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen gewonnenen hat.169 Die Information wäre nicht – wie dies
die derzeitige Rechtslage in § 101 Abs. 4 StPO im Einklang mit der Rechtsprechung
des BVerfG voraussetzt – eine Begrenzung des Eingriffs, sondern würde diesen
vollenden. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein, da die nachträgliche Offenheit
dem Überwachten nachträgliche Möglichkeiten gibt, rechtlich gegen die Maßnah-
me vorzugehen. Sie erweitert also seine Entscheidungsfreiheit und engt sie nicht
ein. Der unmittelbar heimlich Überwachte ist zwar nicht anders in seinem Grund-
recht aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt als jeder andere, dennoch muss gerade
er informiert und als Betroffener anders behandelt werden als die übrigen Bürger.
Grund dafür ist die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip170 gebotene Verringe-
rung der Einschüchterungswirkung. Diese wird nur dann erreicht, wenn gerade
der Beobachtete über die konkrete Maßnahme informiert wird und nicht alle an-
deren Bürger. Würden alle anderen über die Details der konkreten Beobachtung
informiert, wäre in der Öffentlichkeit bekannt, dass der individuell beobachtete
Gegenstand eines Strafverfahrens war, was wiederum negativ auf seine Handlungs-
freiheit zurückwirken könnte.
Wenn aber alle Bürger wissen, dass sie am Ende einer Beobachtung informiert
werden müssen, vermindert sich die individuelle Einschüchterungswirkung aller
Anderen, nicht nur die des konkret Betroffenen. Diese konkrete Information kann
durch eine abstrakte statistische Berichtspflicht ohne personenbezogene Daten er-
gänzt werden. So wird die Einschüchterungswirkung für alle durch das Gesetz
Betroffenen vermindert. Entsprechend muss für den individuellen Rechtsschutz ge-
gen konkrete Maßnahmen gelten, dass nur der Betroffene diesen erhält.

167
Vgl. das Zitat oben, in dem das BVerfG die Gefahr für das „Gemeinwohl“ anspricht, § 8, III,
2, ee).
168
Vgl. oben § 7, III, 3.
169
Wenn der Betroffene verurteilt wird, ist eine Begründung des Eingriffs durch eine zurechenbare
Verursachung der Verurteilung durch verdeckte Maßnahmen natürlich eine Eingriffsbegründung,
vgl. die Anforderungen des Eingriffsbegriffs oben § 7, III. Das löst aber nicht die Probleme der
dogmatischen Einordung vor der Verurteilung oder ohne Verurteilung, wenn die Maßnahme eine
entlastende Erkenntnis bringt. Das kann nicht den Eingriff bedingen.
170
Vgl. unten § 9, II.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 135

Damit unterscheiden sich die Einschüchterungseffekte durch verdeckte Ermitt-


lungen von klassischen Eingriffen in die allgemeine Handlungsfreiheit. Bei einem
klassischen Zwangseingriff ist in erster Linie die tatsächliche Durchführung der
Maßnahme ein Eingriff in die subjektiven Rechte der gezwungenen Person.171 Bei
den verdeckten Maßnahmen ist nicht die konkret-individuelle Maßnahme, sondern
die abstrakt- generelle Regelung der wesentliche Belastungsfaktor. Die konkret-
individuellen Maßnahmen sind nur nachträglich belastend, wenn ihre Ergebnisse
im Prozess verwertet werden. So wird der konkret Überwachte erst nachträglich
vermittelt über Zwangsmaßnahmen belastet.
Kommt diese nachträgliche Wirkung der Öffentlichkeit zur Kenntnis, können
auch dadurch Einschüchterungseffekte bei Einzelnen in der Öffentlichkeit entste-
hen. Die eigentliche Maßnahme hat also keine unmittelbare Wirkung. Erfolgen
weder eine Verurteilung noch sonstige Zwangsmaßnahmen, hat sie Einschüchte-
rungswirkungen. Diese Wirkungen sind ausreichend, da tatsächlich individuelle
Personen eingeschüchtert werden. Ob dies die überwachten Personen sind, ist nicht
entscheidend. Es handelt sich nicht172 um eine Schädigung des nicht fassbaren „Ge-
meinwohls“, sondern um eine Freiheitsbeeinträchtigung konkret Betroffener. Daher
ist das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ein subjektives Grundrecht und
nicht ein nur normativ begründbares objektives Recht. Dass alle Personen im Gel-
tungsbereich der StPO eingeschüchtert sein müssen, ist ebenso wenig notwendig
wie eine Einschüchterung der konkret heimlich überwachten Person. Alles Weite-
re ist eine prozessuale Frage der Klagebefugnis, die hier nicht zur Gänze geklärt
werden kann.

bb) Drittbetroffene

Bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen fallen auch Informationen über Personen


an, die nicht gezielt überwacht werden sollten. Denn im Rahmen verdeckter straf-
prozessualer Ermittlungsmaßnahmen werden auch Personen überwacht, die nichts
zur Ermittlung beitragen und mit deren Erscheinen seitens der Ermittler auch nicht
gerechnet wurde. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, weil er in § 101 StPO, der
für nahezu alle verdeckten Maßnahmen gilt, Benachrichtigungspflichten regelt, die
nach § 101 Abs. 4 Nr. 5, 7, 9 b) StPO „erheblich mitbetroffene Personen“ umfassen.
Fraglich ist, ob auch dadurch in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
eingegriffen wird. Der moderne Eingriffsbegriff setzt einen gezielten Eingriff gera-
de nicht mehr voraus.173 Dass nicht nur der Adressat, sondern auch Dritte betroffen
sein können, ist nur konsequent. Nach dem oben Gesagten ist ohnehin nicht nur die

171
Für das prozessrechtliche Rechtsschutzbedürfnis muss besonders begründet werden, warum
bereits die zugehörige Befugnisnorm ein Eingriff ist und warum ein Eingriff auch nach seiner Be-
endigung noch belastende Nachwirkungen hat, etwa durch Wiederholungsgefahr oder erhebliche
Grundrechtsbetroffenheit.
172
Jedenfalls nicht nur.
173
Vgl. oben § 7, III, 2.
136 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

individuelle, unmittelbare, sondern die durch Gesetz vermittelte, auf alle Individuen
ausstrahlende Fühlbarkeit für eine Einschüchterungswirkung ausreichend.
Wenn Schlink einerseits öffentliche Warnungen vor Produkten oder Vereinigun-
gen als Eingriffe in Grundrechte ansieht und andererseits den Verkehrsstau in Folge
einer Verkehrskontrolle als alltägliche Lästigkeit abtut,174 ist dem hinsichtlich der
Verkehrskontrolle nicht zu folgen. Entscheidend ist nicht, dass Folgen staatlichen
Verhaltens nach normativer Wertung unter dem Stichwort „Sozialadäquanz“ als läs-
tig und alltäglich abqualifiziert oder als bloß subjektive Empfindlichkeit entwertet
werden. Vielmehr geht es um die Effektivität der Handlungsbeeinflussung. Richtig
ist, dass nur eine gefühlsmäßige Beeinflussung ohne Einfluss auf die Handlungsent-
scheidungen des Einzelnen kein Eingriff in dessen Persönlichkeitsentfaltung sein
kann. Bei sog. „Drittbetroffenen“175 darf man aber davon ausgehen, dass auch die-
se sich durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen beeinflussen lassen. Die Gründe
hierfür sind rational, da bei Gebrauch oder Missbrauch der erhobenen Informatio-
nen zum Beispiel der Tatverdacht auf sie ausgeweitet oder zur privaten Bloßstellung
verwendet werden könnte.

e) Eingriffe durch Überwachungsattrappen als sinnwidrige Konsequenz

Die Ansicht, die eine Erheblichkeit der Einschüchterungseffekte für einen Eingriff
generell ablehnt, begründet dies, indem sie eine Konsequenz eines solchen Ein-
griffs für absurd erklärt.176 Als offenbar sinnwidrige Folge eines Eingriffs in die
Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG durch staatliche Einschüchterung wird von dieser An-
sicht vorgestellt, dass dann bereits auch eine bloße „Überwachungsattrappe“ in das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen müsste. Dies sei außerdem
dogmatisch widersprüchlich, weil nicht einmal Informationen erhoben würden.

Beispiel 15 Eine Überwachungsattrappe wäre zum Beispiel ein Hinweis auf Radar-
messgeräte zur Geschwindigkeitsüberwachung, die aber nicht vorhanden sind oder
die Attrappe eines Polizeiautos am Straßenrand.

Richtig daran ist, dass nicht in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
eingegriffen wird, wohl aber in die Handlungsfreiheit. Denn durch die Einschüchte-
rung wird sie mittelbar durch Vermeidungsverhalten verkürzt. Wenn man so will, ist
§ 100c StPO auch eine Art „Überwachungsattrappe“, da nur wenige177 tatsächliche
Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung angeordnet werden.
Eine wirklich absurde Konsequenz wäre es, deshalb einen Eingriff in das Grund-
recht aus Art. 2 Abs. 1 GG durch § 100c StPO jedenfalls in der Zeit, in der keine
Maßnahmen beantragt und durchgeführt werden, zu verneinen. Das Aufstellen von
Überwachungsattrappen ist daher genauso ein Eingriff in die Handlungsfreiheit wie

174
Pieroth/Schlink, Rdn. 261.
175
Vgl. oben § 7, III, 2, b).
176
Vgl. oben § 8, III, 3, a).
177
8 Maßnahmen im Jahr 2010, vgl. BTDrucks 17/3038 vom 24.09.2010.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 137

das Aufstellen von deaktivierten Selbstschussanlagen, deren Funktionsunfähigkeit


dem Bürger aber nicht bekannt ist. Er wird sich hüten an dieser Anlage so vorbei
zu laufen wie an einem Ort ohne diese Anlage. Entsprechend gehemmter wird sich
jemand verhalten, der sich von einer „Überwachungsattrappe“ beobachtet fühlt und
dies als negativ auffasst. Dieser „Vogelscheucheneffekt“ entfällt allerdings wieder,
wenn allgemein bekannt ist, dass es sich nur um Attrappen handelt.
Im Gegensatz zu gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen wird das Gefühl, im
Rahmen von Strafverfolgungsmaßnahmen beobachtet zu werden, in der Regel un-
angenehm aufgefasst werden. Diese einschüchternden Maßnahmen greifen in das
Recht ein, sich ungehemmt von staatlicher Einschüchterung zu entfalten. Dabei geht
es nicht darum, was der Staat tatsächlich weiß, sondern nur darum, welche Auswir-
kungen tatsächliches Wissen haben kann. Entscheidend sind die nachgewiesenen
negativen Effekte auf die Handlungsfreiheit. Diese entstehen in allen relevanten
Fällen aus Angst. Diese Angst der Betroffen kann sich aus tatsächlicher Informati-
onssammlung in Form von Wort, Bild oder Daten ergeben. Der Bürger hat Angst,
dass der Staat diese Daten gegen ihn gebraucht oder missbraucht und ändert dar-
um sein Verhalten. Die Angst kann sich aber auch aus der Vorspiegelung dieser
Gefahren ergeben.

f) Schutzlücke ohne Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung

Die Alternative zum Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung wäre, dem Staat
zu erlauben, seine Bürger in sprichwörtlich „lähmende“ Angst zu versetzen. Staats-
terror wäre gestattet, soweit er sich auf das bloße „In-Schrecken-Versetzen“ be-
schränken würde. Es wäre zynisch, dem Bürger zuzumuten, er solle gegen seine
rational begründete Angst handeln, um die tatsächlichen Folgen seines Weiterhan-
delns178 zu testen.

g) Konsequenzen des modernen Eingriffsbegriffs oder ergebnisorientierte


Einführung eines Totalvorbehalts des Gesetzes?

Der Aufnahme der Freiheit von Einschüchterung in den Schutzbereich des Grund-
rechts der allgemeinen Handlungsfreiheit kann man entgegenhalten, es gehe nur um
eine ergebnisorientierte Sichtweise, die einen Totalvorbehalt für staatliches Handeln
einführen wolle. So wird bereits gegen das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung argumentiert179 und dies ließe sich auch gegen das Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung anführen.

178
Vgl. § 4, II, 3.
179
Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 30 ff.
138 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Darauf ist zu erwidern, dass das Problem nicht eine ergebnisorientierte Manipu-
lation des Schutzbereichs, sondern Folge des heute allgemein anerkannten moder-
nen Eingriffsbegriffs ist.180

5. Konkretisierungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG als


formalisierte Begründungen für einen Eingriff in die allgemeine
Handlungsfreiheit

Nach h. M. besteht das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht aus ver-


schiedenen „Konkretisierungen“,181 vom Recht am eigenen Bild über das Recht auf
allgemeine Privatsphäre bis zum Computergrundrecht und weiteren sog. „Grund-
rechten“. Wie oben dargelegt besteht weder ein allgemeines Persönlichkeitsrecht
als gesondertes Grundrecht neben dem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit,
noch sind seine Kategorisierungen abgesonderte Grundrechte.
Art. 2 Abs. 1 GG enthält nur ein einheitliches Grundrecht, das durch Unter-
kategorien lediglich konkretisiert werden kann. Für den Bereich der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen lässt sich ein Teil des Schutzes der allgemeinen Hand-
lungsfreiheit als „Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung“ konkretisieren. Die
Einschüchterung führt zu Vermeidungsverhalten des eingeschüchterten Bürgers, al-
so einer mittelbaren Einschränkung seiner Handlungsfreiheit.
Die Fallgruppen bzw. Konkretisierungen des hier abgelehnten allgemeinen Per-
sönlichkeitsrechts müssen daher als Konkretisierungen des Grundrechts auf Freiheit
von Einschüchterung begriffen werden. Zwar werden sich praktisch selten abwei-
chende Rechtsfolgen ergeben, da das BVerfG selbst die Einschüchterungswirkung
in vielen Entscheidungsbegründungen erwähnt, dennoch sind auch im Ergebnis Un-
terschiede möglich. Die von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen werden
dadurch eingeschränkt, dass eine Einschüchterungswirkung vorliegen muss. Sind
etwa nur kommerzielle Verwertungsinteressen betroffen, kann kein Eingriff vorlie-
gen. Nach der Dogmatik des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung ist ein
Eingriff in das Recht am eigenen Bild bei verdeckten Ermittlungen aus Gründen sei-
ner Einschüchterungswirkung ein Grundrechtsverstoß und nicht wegen Verkürzung
kommerzieller Interessen des fotografierten Bürgers. Das Recht auf informationel-
le Selbstbestimmung ist vielmehr eine Unterkategorie des Rechts auf Freiheit von
Einschüchterung. Auch die anderen Konkretisierungen sind nicht aus normativen
Gründen der objektiven Missbrauchsgefahr durch die allgemeine Handlungsfrei-
heit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, sondern weil sie (unter Anderem wegen der
Missbrauchsgefahr) eine tatsächliche Einschüchterungswirkung haben. Alle Kon-
kretisierungen des hier abgelehnten allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind daher
Unterkategorien des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung. Das Grund-
recht auf Freiheit von Einschüchterung erfasst damit im Ergebnis den Schutzbereich

180
Vgl. § 7, III.
181
Britz spricht treffend von einer „kaskadenartigen Konkretisierung“, Britz, S. 4.
III. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 139

des hier abgelehnten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, soweit sich dessen Konkre-


tisierungen auch als Freiheiten von Einschüchterungen verstehen lassen. Das Recht
auf Freiheit von Einschüchterung ist aber nur eine Begründungshilfe für Eingriffe
in die allgemeine Handlungsfreiheit und hat nicht den Anspruch neben dem Grund-
recht auf allgemeine Handlungsfreiheit zu stehen. Ein solcher Anspruch ist aber mit
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verbunden.
Analysiert man die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht gebündelten Rechte,
handelt es sich in der Regel um formalisierte Begründungen für Eingriffe in die
allgemeine Handlungsfreiheit. Das BVerfG begründet zunächst ein Recht, zum Bei-
spiel das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht wird mit Ein-
schüchterungswirkungen begründet. In der Rechtsprechung fehlt lediglich der letzte
Begründungsschritt, diese Einschüchterungswirkung auch auf die Einschränkung
der allgemeinen Handlungsfreiheit zu beziehen. Die sog. „Grundrechtskonkreti-
sierungen“ sind also in der Sache nur formalisierte Ergebnisse von Begründungen
eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit. Die Frage, wie sich diese Kon-
kretisierungen zueinander verhalten, wenn mehrere dieser Konkretisierungen er-
füllt sind, ist daher obsolet. Intuitive Anknüpfungen an ein zivilrechtliches Vorver-
ständnis eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit normativem Einschlag müssen
überwunden werden,182 um Einschränkungen der Handlungsfreiheit vollständig zu
begründen.

182
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat sich im Zivilrecht erst nach dem Aufbrechen der
traditionellen, am Eigentumsrecht orientieren Herrschaftsstruktur eines Subjekts über ein Ob-
jekt durchsetzen können, vgl. Götting in: Götting/Scherz/Seitz, § 1 Rdn. 29. Doch wurde diese
Herrschaftsstruktur nur auf die eigene Person als Herrschaft des Subjekts über sich selbst erwei-
tert, um den ethischen Wert des Menschen vor totaler Kommerzialisierung zu bewahren. Einen
weitergehenden philosophischen Ansatz vertrat Max Stirner, der das „Eigentum an sich selbst“
ohne jeden kollektivistischen Einschlag radikal individualistisch begründete: „Was man der Idee
der Menschheit zuschrieb, das gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z. B., welche die Menschheit erst
erreichen soll, [. . . ] Ich nehme sie Mir als mein Eigenthum vorweg und treibe sie einstweilen in
der Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmuggler sich diese Rechenschaft über
ihr Thun zu geben wissen, aber der Instinct des Egoismus ersetzt ihr Bewußtsein. Von der Preß-
freiheit habe Ich dasselbe oben gezeigt. Alles ist mein eigen, darum hole Ich Mir wieder, was sich
Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich stets wieder, wenn Ich zu irgend einer Dienstbar-
keit Mir entschlüpfet bin. Aber auch dieß ist nicht mein Beruf, sondern meine natürliche That.“,
Stirner, S. 438. Hubmann kritisierte, dass man „Immaterialgüterrechte in Analogie des Eigentums
zu behandeln habe“, Hubmann, S. 116. Die zivilrechtliche Dogmatik hat zwar längst ihrerseits
verfassungsrechtliche Begründungen in sich aufgenommen, doch wurden damit nie alle eigen-
tumsähnlichen Ansätze aufgegeben. Deshalb kann der dynamische Aspekt als Grundlage aktiver
Entschließungs- und Handlungsfreiheit ohne dogmatische Probleme mit einem statischen Recht
(Menschenwürdegarantie) verbunden werden, nach dem Beobachtungen eigener Tätigkeit durch
andere und deren Verwertung durch diese verboten werden können. Die übergeordneten Aspekte
sind das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht an der Persönlichkeit und das Recht
auf Individualität, vgl. Götting in: Götting/Scherz/Seitz, § 1 Rdn. 1–3. In verfassungsrechtlichen
Kategorien kann aber nur Art. 2 Abs. 1 GG die Grundlage sein. Die Fragen kommerzieller Nutz-
barkeit und eigentumsähnlicher Normativierung können daher nicht als Begründung dienen, vgl.
Götting in: Götting/Scherz/Seitz, § 1 Rdn. 3.
140 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

6. Zwischenergebnis

Die gesetzlichen Regelungen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen


bergen ein rational begründetes Gefährdungspotential, das durch psychische Ein-
schüchterungswirkung zu Verhaltensänderungen der Bürger führt. Sie verkürzen so
die natürliche Handlungsfreiheit. Diese wird geschützt durch das Grundrecht auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG und die aus diesem Grund-
recht abgeleiteten Konkretisierungen.
Das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ist eine Konkretisierung des
„Übergrundrechts“ der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Fallgruppen des hier
abgelehnten allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Abwehrrecht gegen staatliche
Beobachtung und Überwachung sind nichts weiter als besondere Ausprägungen
des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung. Diese verschiedenen Unterka-
tegorien sind ebenfalls auf den Gedanken der durch Einschüchterung unterdrückten
Handlungsfreiheit zurückzuführen. Darüber hinausgehende Integritätsbeeinträchti-
gungen sind nicht von diesem Grundrecht erfasst. Alle Grundrechtskonkretisierun-
gen im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG sind formalisierte Begründungen für Eingriffe
in die allgemeine Handlungsfreiheit. Ein individuelles rein ethisch-normativ be-
gründetes Verfügungsrecht über die personale Außenwahrnehmung gegenüber dem
Staat ist auch grundsätzlich nicht für bestimmte Fallgruppen anzuerkennen. Nur für
den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung kann anderes gelten, da dieser
durch den Achtungsanspruch der Menschenwürde geschützt wird.
Wenn dieses Recht auf Freiheit von Einschüchterung bereits im Schutzbereich
eines anderen Grundrechts als der aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Handlungsfrei-
heit enthalten ist, wird nicht auch noch in das spezielle Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung eingegriffen. Zu einem Eingriff in Art. 10 oder Art. 13 GG käme
keine weitere Begründung hinzu. Es handelt sich lediglich um einen „besonders
starken Eingriff“ in diese Rechte.

IV. Recht auf einen unantastbaren Kernbereich privater


Lebensgestaltung gemäß Art. 1 Abs. 1 GG

Mit der oben vertretenen Aufgabe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist eine
klare Trennung des Art. 1 Abs. 1 und des Art. 2 Abs. 1 GG verbunden.183 Dies
lenkt den Blick darauf, dass es nicht etwa um ein allgemeines Persönlichkeitsrecht,
in das grundsätzlich eingegriffen werden dürfte, sondern dass es um eine Verlet-
zung der Achtung der Menschenwürde geht. Greifen verdeckte Ermittlungen in den
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ein, missachten sie die Menschenwürde

183
Eine andere Frage ist, ob alle Grundrechte auf eine philosophischen Metaebene in der Men-
schenwürde „wurzeln“. Entscheidend, ist dass die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG
unantastbar ist und die nachfolgenden Grundrechte antastbar sind, unabhängig davon, wie diese
Metapher von der „Wurzel“ zu verstehen ist.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 141

und stehen folglich auf einer Stufe mit Folter und nationalsozialistischen Rassege-
setzen. Nur wenn man verneint, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung
durch bloße Beobachtungen nicht verletzt wird, kann man dieser Konsequenz aus-
weichen. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass verdeckte Ermittlungsmaßnahmen
durchaus die Menschenwürde missachten können. Voraussetzung dafür ist aber,
dass mit dem überwachten Verhalten thematisch der Kernbereich der privaten Le-
bensgestaltung betroffen ist. Als bedeutende Einschränkung dieses Kernbereichs ist
zu untersuchen, ob ein inhaltlicher Bezug zu konkreten Straftaten die Zugehörigkeit
zum Kernbereich ausschließt. Außerdem wird zu zeigen sein, das nur absichtli-
che (finale) oder verächtliche Beobachtungen des Kernbereichs die Menschenwürde
missachten.
Für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungen ist Art. 1 Abs. 1 GG in der
eben genannten Hinsicht von besonderer Bedeutung. Tasten die verdeckten Ermitt-
lungsmaßnahmen die Menschenwürde an, darf der Staat sie um keinen Preis184
durchführen. Eine Rechtfertigung der Missachtung der Menschenwürde ist daher
unzulässig.185 Folgen und mögliche Gefährdungen können zwar durchaus Einfluss
auf die normative Bezeichnung als „menschenunwürdige Behandlung“ haben, ent-
scheidend ist aber, dass der Betroffene wie ein Objekt behandelt wird, nicht welche
Folgen dies für ihn tatsächlich hat. Daher lässt sich über diese Ansicht ein Eingriff
in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung durch verdeckte Ermittlungsmaß-
nahmen prinzipiell begründen.

1. Herleitung des Kernbereichsschutzes aus der Verfassung

Mit der obigen Ausarbeitung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung ist
klargestellt, dass der erweiterte Bereich der Privatsphäre nur durch die allgemeine
Handlungsfreiheit geschützt wird und insoweit die dogmatische Konstruktion eines
allgemeinen Persönlichkeitsrechtes abzulehnen ist. Eine andere Frage ist, ob das all-
gemeine Persönlichkeitsrecht als Kombination aus Gewährleistung der Handlungs-
freiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG für den Schutz der Intimsphäre
aufrecht erhalten werden sollte oder ob der Schutz dieses Bereichs allein durch
Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet ist.

184
Die Preislosigkeit der Menschenwürde war schon für Kant eines ihrer Wesensmerkmale. Im
Gegensatz zum Preis ist Würde bei Kant der absolute, niemals gegenrechenbare „innere Wert“ der
Menschheit. Der Grund für die Menschenwürde ist die Vernunft und damit die allein menschliche
Eigenschaft, nach ethischen Maßstäben urteilen und handeln zu können, vgl. Kant, Grundlegung
zur Metaphysik der Sitten, GMS 2. Abs. III. 60 ff. Mit zu „achten“ in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG wird
die ebenfalls von Kant erwähnte „Achtung“ und mit der „Unveräußerlichkeit“ der Menschenrechte
in Art. 1 Abs. 2 GG, wird das Konzept der Preislosigkeit Kants zitiert.
185
Selbst die Ansicht, die bei der Definition des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde eine
gewisse Relativierung durch gegenläufige Interessen einfließen lassen will, gibt der Menschenwür-
de ein besonderes Gewicht. Zu dieser Ansicht und den unterschiedlichen Ergebnissen, vgl. unten
§ 8, IV, 3, b).
142 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

a) Kernbereichsschutz nach der h. M. aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m.


Art. 1 Abs. 1 GG

Die Intimsphäre ist ein absolut geschützter, also unantastbarer Kernbereich privater
Lebensgestaltung. Nach h. M.186 resultiert er aus der Menschenwürdegarantie des
Art. 1 Abs. 1 GG sowie aus der Wesensgehaltsgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG187
gemäß Art. 19 Abs. 2 GG. Stürner fasst die h. M folgendermaßen zusammen:
„Die wohl herrschende Meinung betrachtet Art. 1 I 1 als ,oberstes Konstitutionsprinzip‘, das
als Auslegungskriterium auf die einzelnen Grundrechte einwirkt, so dass Art. 2 I und II GG
im Lichte des Art. 1 I 1 GG zu interpretieren ist. Es ist deshalb richtig, wenn das BVerfG
Art. 2 I GG als verletztes Grundrecht nennt, aber die Menschenwürde als wesentliches
inhaltliches Kriterium nennt.“188

b) Eigene Ansicht

Die Ansicht der h. M., den Kernbereichsschutz durch eine Verbindung von Art. 2
Abs. 1 GG zu schützen, ist inkonsequent. Der Schutz des allgemeinen Persönlich-
keitsrechts wird nur deshalb von der h. M. in einer Verbindung des Art. 2 Abs. 1 GG
mit Art. 1 GG verankert, weil Art. 2 Abs. 1 GG mit dem Schutz der Handlungsfrei-
heit alleine keinen reinen Integritätsschutz gewährleisten kann. Wenn der Kernbe-
reich der privaten Lebensgestaltung beobachtet wird, geht es nicht darum, dass die
Handlungsfreiheit eingeschränkt wird, sondern darum, dass die Beobachtung dieses
Bereichs „entwürdigend“ ist. Im Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist dies
im Gegensatz zur erweiterten Privatsphäre der Fall.
Auch die Beobachtung dieses Kernbereichs hat im Regelfall erst recht die ein-
schüchternde Wirkung, die mit jeder beobachtenden strafprozessualen verdeckten
Ermittlungsmaßnahme verbunden ist. Ist die beobachtende Maßnahme aber entwür-
digend, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG betroffen ist.189 Die „Abstrahierung der Würde vom Rechtsträger“ wird in der

186
BVerfGE 109, 279, 320 ff.; Lindemann, JR 2006, S. 193; Warntjen, S. 48 ff.
187
Er kann sich bei spezielleren Grundrechten entsprechend aus Art. 10 Abs. 1 oder 13 Abs. 1 GG
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 10 Abs. 2 ergeben.
188
Stürner, NJW 1981, S. 1757.
189
Anderes würde nur gelten, wenn Art. 1 Abs. 1 GG kein subjektives Recht enthielte, sondern
nur ein objektives Recht wäre. Die Frage, ob der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde ein
objektiver Grundsatz oder ein subjektives Grundrecht des Einzelnen ist, wird kontrovers disku-
tiert. In erster Linie geht es um die prozessuale Konsequenz, wer eine Verletzung des Anspruchs
auf Achtung der Menschenwürde einklagen kann, Art. 93 Nr. 4a GG. Diese Frage kann für das
vorliegende Thema offen bleiben. Für die verdeckten Ermittlungen ist nur relevant, ob auch dann
eine Verletzung der Pflicht zur Achtung der Würde vorliegt, wenn der Einzelne sich nicht gekränkt
fühlt oder die Maßnahme gar nicht bemerkt. Eine Würdekonzeption wird aber nicht vertreten, nach
der nur in solchen Fällen die Menschenwürde missachtet wird, in denen der Einzelne das Antasten
seiner Würde spürt und sie gerade ihm zum Nachteil gereicht. Es wird zumindest ein normativer
Einschlag der Menschenwürde anerkannt, nach dem eine individuelle Betroffenheit nicht mit einer
individuellen Fühlbarkeit oder Freiheitsbeeinträchtigung einhergehen muss. Das BVerfG hat dazu
nicht eindeutig Stellung genommen, aber beiläufig die Menschenwürde als Grundrecht eingeord-
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 143

Literatur anerkannt. 190 Zum Teil wird Art. 1 Abs. 1 GG sogar nur als Gewährleis-
tung eines objektiven, nicht eines auch subjektiven Rechts verstanden.191
Ein Unterschied in den Ergebnissen ergibt sich dazu gegenüber der h. M. freilich
nicht, da diese nur pro forma auf Art. 2 Abs. 1 GG hinweist. Welches inhaltliche
Verständnis der Menschenwürde der Kernbereichslehre zu Grunde gelegt werden
muss, ist mit der hier vertretenen Ansicht zur Trennung von Kernbereichsschutz
und allgemeiner Handlungsfreiheit aber noch nicht vorentschieden.192

2. Inhaltliche Definition der Menschenwürde

Der Inhalt der Menschenwürde ist umstritten. Auf einer hohen Abstraktionsebene
besteht aber Konsens über einige Grundaussagen. Unstreitig enthält sie ein ega-
litäres Prinzip, einen liberalen Grundsatz und eine soziale Komponente. Für die

net, vgl. BVerfGE 1, 322, 343; 14, 249, 255; 50, 256, 262; 61, 126, 137; 72, 105, 114 ff. In der
Literatur ist die Einordnung strittig. Die Argumente aus Wortlaut und Systematik sprechen eher
dafür, dass es sich um einen besonderen Grundsatz handelt, auf den weder die Schutzbereichsdog-
matik noch die Eingriffslehre der Freiheitsgrundrechte anzuwenden sind, Dreier, GG2 , Rdn. 128;
kritisch Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57 , Art. 1 Abs. 1 Rdn. 26. Zudem würde nach dieser
Ansicht eine solche Einordnung „Relativierung und Abwägung des Art. 1 Abs. 1 GG Vorschub
leisten“, Dreier, GG2 , Art. 1 Rdn. 127. Ein Rechtsschutzdefizit besteht auch bei einer Einordnung
als rein objektivem Grundsatz nicht, vgl. Art. 93 Nr. 4a GG, da Art. 1 Abs. 1 GG auch vom BVerfG
immer in Verbindung mit Freiheitsgrundrechten geprüft werde. Nach dieser Ansicht gäbe es keine
Notwendigkeit, die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG als beschwerdefähiges Grundrecht ein-
zustufen. Enders, S. 94 ff.; zum Streitstand siehe Dreier, GG2 , Art. 1 Rdn. 129, Fn. 422, 423. Für
die Einordnung des Menschenwürdeschutzes als Grundrecht, Stern in: von Mangoldt/Klein/Starck,
93 Rdn. 663, Kloepfer, Leben und Würde des Menschen, S. 71 ff. Danach gibt Art. 1 Abs. 1 GG
dem Einzelnen ein Individualgrundrecht auf Respektierung der Würde durch die Staatsgewalt.
Auch nach hier vertretener Ansicht ist die Menschenwürde ein individuelles Grundrecht, aber zu-
gleich objektiver Wert. Die objektive Seite kann nicht individuell eingeklagt werden, auf sie kann
der Einzelne auch nicht verzichten. Hinsichtlich des individuellen Anspruchs ist beides zulässig.
Eine Absage ist der Auffassung Dreiers zu erteilen, nach der es sich nur um ein objektive Recht
handelt. Daher wird im Folgenden nicht nur von einer Schutz- oder Achtungspflicht, sondern von
einem (individuellen) Anspruch auf Achtung der Menschenwürde gesprochen.
190
Enders, S. 129.
191
Dürig meint, es sei „ein Unding, ein subjektives Recht annehmen zu wollen, dessen Anspruchs-
inhalt man gleichzeitig vom konkreten Rechtsträger abstrahiert“ Es handele sich um die Setzung
einer zentralen Norm des nur objektiven Rechts, Dürig in: Maunz/Dürig, GG2 , Art. 1 Abs. 1 GG
Rdn. 4 in Fn. 3. Zustimmend und diese Ansicht erweiternd, Enders, S. 129 ff. Dem ist aber nicht
zuzustimmen. Der oberste Wert des Grundgesetzes steht auch dem einzelnen Menschen zu. Schon
nach der Konzeption Kants ist die Menschenwürde einerseits Idee und andererseits Eigenschaft
des Einzelnen (der Mensch selbst ist seine Würde). Das Gegenargument Dreiers, die Menschen-
würde habe sich noch immer mit Grundrechten verbinden lassen, kann nicht überzeugen, Dreier,
GG2 , Art. 1 Rdn. 129. Diese Methode des BVerfG ist gerade für die Verbindung mit der allgemei-
nen Handlungsfreiheit unsystematisch, da die Würde den Integritätsschutz betrifft und nichts mit
der Handlungsfreiheit zu tun haben muss. Gerade für den Integritätsschutz ist ein eigenständiges
Individualrecht auf Menschenwürde notwendig.
192
Vgl. dazu die ausführliche Streitdarstellung unten, § 8, IV, 2.
144 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ist nur der liberale Grundsatz


von Interesse, nach dem Individualität und Integrität des Menschen zu respektie-
ren sind. Darüber hinausgehende Bestimmungsversuche durch Negativdefinitionen
oder positive Bestimmungsansätze kommen nicht über abstrakte Begrifflichkeiten
hinaus, die für den kritischen Einzelfall wenig Aussagekraft entfalten. Radikale
Positionen, die bestimmten Menschen wegen ihres Soseins oder ihres Verhaltens
die Menschenwürde aberkennen, werden heute ohnehin nicht mehr vertreten. Die
diskussionswürdigen Bestimmungsversuche stehen in keinem Alternativ- oder Aus-
schlussverhältnis.193 Das BVerfG ist bezüglich bestimmter Formen der akustischen
Wohnraumüberwachung von einer solchen erniedrigenden Zerstörung menschli-
cher Intimität ausgegangen. Es hat nicht nur einen Eingriff in das Grundrecht auf
Unverletzlichkeit der Wohnung angenommen, sondern auch eine Verletzung des
„Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung“.194 Wird in den Kernbereich der pri-
vaten Lebensgestaltung eingegriffen, ist damit auch die Menschenwürde verletzt.195
Die verächtliche Behandlung eines Menschen durch andere Menschen als Tier, Un-
geziefer oder Sache (Objekt) soll danach nie wieder und unter keinen Umständen
zulässig sein.196 Allen im Parlamentarischen Rat Vertretenen war klar, dass die
Zeit des Nationalsozialismus durch entwürdigende Behandlung normabweichen-
der Menschen geprägt war. Dies wollte man für alle Zeiten verhindern,197 vgl.
Art. 20 Abs. 4, Art. 19 Abs. 2 GG und 79 Abs. 3 GG.

a) Ansicht des BVerfG zum Kernbereichsschutz bei überwachenden


strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen

Das BVerfG prüft einzelne Maßnahmen verdeckter strafprozessualer Ermittlungs-


maßnahmen ausdrücklich anhand der sog. Objektformel.198 Die Rechtsprechung
des BVerfG schränkt diese Formel dann aber für die Strafverfolgung dahingehend

193
Dreier, GG2 , Rdn. 50, 58.
194
BVerfGE 109, 279, 314 ff.
195
Pieroth/Schlink, Rdn. 378a.
196
„Wenn Art. 1 Abs. 1 GG sagt: ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘, so will er sie
nur negativ gegen Angriffe abschirmen. Der zweite Satz: ,. . . Sie zu achten und zu schützen
ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt‘ verpflichtet den Staat zwar zu dem positiven Tun des
,Schützens‘, doch ist dabei nicht Schutz vor materieller Not, sondern Schutz gegen Angriffe auf
die Menschenwürde durch andere, wie Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung usw.
gemeint.“, BVerfGE 1, 97, 105.
197
Vgl. die Diskussion um den Vorschlag v. Mangoldts als Reaktion auf den Nationalsozialismus
in Art. 1 Abs. 2 GG die folgende Formulierung zu verwenden: „deshalb erkennt das Deutsche
Volk de naturgegebenen Rechte erneut als Grundlage aller menschlichen Gemeinschaft an“. Dies
wurde abgelehnt, weil das GG nicht nur eine metanoia, eine Umkehr und Abkehr vom Nationalso-
zialismus sein sollte. Dass es aber auch eine solches Reaktion war, zeigt die zustimmende Replik
Schrages auf Heuss: „Viele unter uns und Tausende andere haben die Würde in der Nazizeit hoch-
gehalten, haben dafür Opfer gebracht und sind dafür in den Tod gegangen. Aber die Würde wurde
getreten wie es schlimmer nicht möglich war.“, zu alledem Bundestag/Bundesarchiv, S. 65 ff., 73.
198
Aus dem Verbot der Behandlung als bloßes Mittel zu anderen Zwecken hat sich die sog. Ob-
jektformel entwickelt. Danach darf der Einzelne nicht wie ein Objekt, wie eine Sache behandelt
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 145

ein, dass eine punktuelle Behandlung des Menschen als Objekt der Strafverfolgung
unvermeidbar sei und nicht immer gegen den Anspruch auf Achtung der Menschen-
würde verstoße. Der Wert als Mensch dürfe nur nicht grundsätzlich durch deren
Maßnahmen in Frage gestellt werden.199 Die Objektformel ist selbst interpretati-
onsoffen. Sie kann eng oder weit verstanden werden. Nach dem weiten Verständnis
darf der Mensch nicht bloß als „Objekt“ behandelt werden, nach dem engen Ver-
ständnis darf er nur nicht zum „bloßen Objekt“ degradiert werden.200 In den hier
zitierten Entscheidungen entschließt sich das BVerfG für das engere Verständnis
und relativiert so die Objektformel. Dass sei der Fall wenn er verächtlich behandelt
werde:
„Die Behandlung des Menschen durch die öffentliche Hand, die das Gesetz vollzieht, muß
also, wenn sie die Menschenwürde berühren soll, Ausdruck der Verachtung des Wertes, der
dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, also in diesem Sinne eine ,verächtliche
Behandlung‘ sein.“201

Mit Hilfe der Objektformel nimmt das BVerfG zu der Frage Stellung, ob die spezi-
fische Heimlichkeit der Ermittlungsmaßnahme mit der Menschenwürde kollidiert:
„Dabei führt ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung
des absolut geschützten Achtungsanspruchs. Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung,
geht damit nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher.“202

Nach der Ansicht des BVerfG ist der Eingriff durch heimliche beobachtende Maß-
nahmen im Privatbereich aber notwendigerweise schwer und kann auch in den
Kernbereich eingreifen.
„Bei Beobachtungen ist aber ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung zu
wahren [. . . ]. Würde der Staat in ihn eindringen, verletzte dies die jedem Menschen unan-
tastbar gewährte Freiheit zur Entfaltung in den ihn betreffenden höchstpersönlichen Ange-
legenheiten.203

Verdeckte strafprozessuale Beobachtungen sind daher nach Ansicht des BVerfG


nicht sämtlich verbotene Eingriffe in den Kernbereich der privaten Lebensgestal-
tung. Dies ist vielmehr gesondert für jede einzelne Regelung der verdeckten straf-
prozessualen Ermittlungsmaßnahmen zu klären.

aa) Äußerungsumstände und Äußerungsinhalte als Definitionskriterien

In der Rechtsprechung des BVerfG wird der Kernbereich der privaten Lebensgestal-
tung durch objektive Umstände der Verhaltensäußerung abgegrenzt. So gehört zwar
nicht die Privatwohnung an sich zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung,

werden. Dies Formel baut auf der Philosophie Kants auf und wurde zunächst in der Literatur,
namentlich von Wintrich und Dürig entwickelt, vgl. dazu unten § 8, IV, 2, b).
199
BVerfGE 30, 25 f.; 109, 279, 312 f.
200
Teifke, S. 12 ff.
201
BVerfGE 30, 25 f.
202
BVerfGE 109, 279, 313. Vgl. auch BVerfGE 34, 238, 249.
203
BVerfGE 109, 279, 313.
146 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

wohl aber das Verhalten in diesen Räumen, wenn es sich als intim oder besonders
vertraulich darstellt. Das BVerfG kommt deswegen zu dem Schluss, dass die heim-
liche akustische Wohnraumüberwachung den Kernbereich verletzt, wenn damit ein
solches Verhalten überwacht wird.204
Das Gespräch in der Wohnung soll schutzwürdiger sein, als außerhalb der Woh-
nung. Entscheidend ist aber, dass dieses Verhalten inhaltlich zum Kernbereich der
persönlichen Lebensgestaltung gezählt wird. Die äußeren Umstände sind daher als
widerlegliche Vermutung für die Kernbereichsbetroffenheit anzusehen.
„Ob ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob
er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist, also auch in welcher Art und In-
tensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt (vgl.
BVerfGE 80, 367 [374]). Maßgebend sind die Besonderheiten des jeweiligen Falles (vgl.
BVerfGE 34, 238 [248]; 80, 367 [374]). Entscheidend ist, ob eine Situation gegeben ist, in
der auf Grund von konkreten Hinweisen oder typischerweise und ohne gegenteilige tatsäch-
liche Anhaltspunkte im Einzelfall der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung
betroffen wird, etwa im Zuge der Beobachtung von Äußerungen innerster Gefühle oder von
Ausdrucksformen der Sexualität.“205

Dies wird für alle anderen äußeren Umstände ebenfalls gelten müssen, die für
einen intimen Charakter des Informationsaustausches oder der Verhaltensäußerung
sprechen. Nach dieser Rechtsprechung gibt es keinen, durch äußere Kriterien unab-
änderlich zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehörigen Bereich. Nur
durch das Verbot der Totalüberwachung werden bei einer konkreten Überwachungs-
situation absolute Freiräume offen gelassen. Verdeckte strafprozessuale Ermittlun-
gen missachten daher im Ausnahmefall auch dann nicht die Menschenwürde, wenn
sich der Betroffene mit dem Pfarrer im Beichtraum einer Kirche befindet. Das wäre
etwa der Fall, wenn der Pfarrer selbst im Verdacht steht, an der konkreten Straftat
mitgewirkt zu haben.
Das BVerfG macht aber auch deutlich, dass sich der Kernbereich der privaten Le-
bensgestaltung nicht auf das sog. „forum internum“ beschränkt. Das ist der Bereich,
in dem der Einzelne mit sich allein ist und Selbstgespräche führt oder Tagebücher
schreibt.206 Der Kernbereich geht vielmehr über die interne Selbstreflexion hinaus.
Im Konzept des Kernbereichsschutzes ist die soziale Natur des Menschen als wich-
tiger Teil seiner Würde angesprochen:
„Der Mensch als Person, auch im Kernbereich seiner Persönlichkeit, verwirklicht sich not-
wendig in sozialen Bezügen [. . . ]. Die Zuordnung eines Sachverhalts zum unantastbaren
Bereich privater Lebensgestaltung oder – soweit dieser nicht betroffen ist – zum Sozial-
bereich, der unter bestimmten Voraussetzungen dem staatlichen Zugriff offen steht, kann
daher nicht danach vorgenommen werden, ob eine soziale Bedeutung oder Beziehung über-
haupt besteht; entscheidend ist vielmehr, welcher Art und wie intensiv sie im konkreten Fall

204
BVerfGE 109, 279, 313 f.
205
BVerfGE 109, 279, 314 f.
206
Strenggenommen ist nach dem BVerfG schon das Äußern der Gedanken ein Schritt hinaus aus
dem „forum Internum“. Danach kommt es für die Zugehörigkeit eines Verhaltens nicht auf die
formale Art der Äußerung, sondern entscheidend auf deren Inhalt an. Unter welchen Umständen
dies gegeben ist, wird weiter unten zu beantworten sein.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 147

ist [. . . ].“207 [. . . ] „Ein gewichtiger Anhaltspunkt für die Menschenwürderelevanz des Ge-
sprächsinhalts ist die Anwesenheit von Personen des höchstpersönlichen Vertrauens. Der
Einzelne konstituiert seine Persönlichkeit in erster Linie im Wechselspiel mit anderen, also
in der Kommunikation.“208

Das BVerfG sichert sich insoweit Entscheidungsflexibilität. Zwar spricht eine Kom-
munikation mit eng vertrauten Personen dafür, dass der Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung betroffen ist, doch lässt das BVerfG mit der Formulierung „ge-
wichtiger Anhaltspunkt“ Raum dafür, dass andere Anhaltspunkte gegen den Kern-
bereich sprechen und überwiegen.

bb) Persönlichkeitsprofile erfassen den Kernbereich

Nicht nur, wenn der Mensch wie ein Tier mit all seinen Lebensäußerungen beobach-
tet wird, kann der Kernbereich der Persönlichkeit verletzt werden. Die wachsende
Missbrauchsgefahr, die durch zu viele gesammelte Informationen über den Einzel-
nen bei staatlichen Stellen entsteht, kann nach Ansicht des BVerfG so groß sein,
dass auch dann, wenn „nur“ eine „nahezu“ lückenlose Beobachtung stattfindet, die-
se letzte Lücke durch das Gefährdungsmoment quasi ausgeglichen wird. Dann ist
der Kernbereich bereits betroffen und die Menschenwürde ist verletzt:
„Eine zeitliche und räumliche ,Rundumüberwachung‘ wird regelmäßig schon deshalb un-
zulässig sein, weil die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass dabei höchstpersönliche Gespräche
abgehört werden. Die Menschenwürde wird auch verletzt, wenn eine Überwachung sich
über einen längeren Zeitraum erstreckt und derart umfassend ist, dass nahezu lückenlos alle
Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grund-
lage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (zu diesem Risiko vgl. BVerfGE 65, 1
[42 f.]).209

cc) Keine Kernbereichsbetroffenheit bei Bezug auf konkrete Straftaten

Im Tagebuchurteil210 vertritt das BVerfG die Auffassung, dass es einerseits für die
Zugehörigkeit eines Verhaltens zum Kernbereichs auf den Willen des Betroffenen
zur Geheimhaltung ankommt. Dieser Wille soll andererseits nur beachtlich sein,
wenn der geheim gehaltene Inhalt „höchstpersönlichen Charakters ist“. Entschei-
dend ist also die objektive Wertung des BVerfG bezüglich der „Geheimhaltungs-
würdigkeit“ und nur innerhalb dieses Rahmens der Wille des Einzelnen. Er darf nur
entscheiden, welche objektiv geheimhaltungswürdigen Informationen er tatsächlich
geheim halten will. Als inhaltliches Abgrenzungskriterium für das, was objektiv

207
BVerfGE 109, 279, 319.
208
BVerfGE 109, 279, 321.
209
BVerfGE 109, 279, 323.
210
BVerfGE 80, 367.
148 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

nicht geheimhaltungswürdig ist, stellt das BVerfG fest, dass Informationen nicht
zur privaten Lebensgestaltung gehören, die eine konkrete Straftat betreffen.211
Geht es um konkrete Straftaten, ist danach selbst die Aufzeichnung in einem
Tagebuch nicht schützenswert.212 Diese ständige Rechtsprechung hat das BVerfG
auch für die Überwachung elektronischer Kommunikation aufrechterhalten.
„Ob eine personenbezogene Kommunikation diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt da-
von ab, ob sie nach ihrem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und
Intensität sie aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt.
Maßgebend sind die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Nicht zu diesem Kernbe-
reich gehören Kommunikationsinhalte, die in unmittelbarem Bezug zu konkreten strafbaren
Handlungen stehen, wie etwa Angaben über die Planung bevorstehender oder Berichte über
begangene Straftaten.“213

b) Ansichten in der Literatur

Die überwiegende Ansicht in der Literatur geht der von Dürig214 ausgearbeiteten
Objektformel aus:215
„Die Menschenwürde ist betroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem blo-
ßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird.“216

211
BVerfGE 80, 367, 373 f.
212
BVerfGE 80, 367, 375. Kritisch dazu Kleb-Braun, CR 1990, S. 344 ff; Händel, NJW 1964, S.
1139; Wolter, Strafverteidiger 1990, S. 175 ff; Schmidt, Jura 1993, S. 591 und schon Sax, JZ, 1965,
S. 1 ff.
213
BVerfGE 124, 43, 70.
214
Dürig, AöR, Bd. 81, S. 117 ff.
215
„[. . . ] die Objektformel als abstrakte Bestimmung des Menschenwürdebegriffs ist ohne wei-
teres konsensfähig. Teilweise wird sie, da sie Selbstverständliches zum Ausdruck bringe, als
Leerformel bezeichnet.“ Teifke, S. 11; zur Kritik wegen der inhaltlichen „Leere“, Michael/Morlok,
Rdn. 135.
216
Dürig in: Maunz/Dürig, GG2 , Art. 1 Abs. 1 Rdn. 28; Dürig, AöR, Bd. 81, 1956, S. 127. Die
Formel geht auf die Vorarbeit Wintrichs zurück: „Da die Gemeinschaft sich aus freien eigenstän-
digen Personen aufbaut, die durch ihr Zusammenwirken das Gemeinschaftsgut verwirklichen, muß
aber der Mensch auch in der Gemeinschaft und ihrer Rechtsordnung immer ,Zweck an sich selbst‘
(Kant) bleiben, darf er nie zum bloßen Mittel eines Kollektivs, zum bloßen Werkzeug oder zum
rechtlosen Objekt eines Verfahrens herabgewürdigt werden.“ Wintrich, Über Eigenart und Me-
thode verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, S. 235 f. Die Formel lehnt sich an Kants zweite
Formel des kategorischens Imperativs an: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner
Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mit-
tel brauchst.“ „Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, dass jedes derselben sich
selbst und alle andere niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst
behandeln solle.“ Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, GMS 2. Abs. III. 60 ff;
Menschenwürde ist danach die vernünftige Einsicht in die wechselseitige Verpflichtung, andere
Menschen auch „als Zweck an sich selbst“ und „niemals bloß als Mittel“ zu behandeln. „Die
Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von ande-
ren noch sogar von sich selbst) bloß Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht
werden, und darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit).“ Kant, Metaphysik der Sitten.
Tugendlehre, MST § 38 (III 321). Bei Kant ist die Achtung der Würde normativer Achtungs-
anspruch. Nur die „Würde der Menschheit als vernünftiger Natur“ ohne einen zu erreichenden
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 149

Diese Ansichten unterscheiden sich im Ergebnis nicht von der dargestellten Recht-
sprechung die ebenfalls die Objektformel ins Zentrum ihrer Erwägungen stellt.217
Innerhalb der h. M. sind allerdings die Ansätze des BVerfG, die Objektformel
durch eine enge Interpretation zu relativieren, nach der eine punktuelle Behandlung
als Objekt zulässig ist,218 auch auf Kritik gestoßen.219 In der h. M. wird daher vor-
geschlagen, den Menschenwürdetatbestand positiv zu formulieren. Danach ist es
geboten, den Menschen als Subjekt zu behandeln. Zwar können dieses Subjektprin-
zip und die Objektformel gleichbedeutend verwendet werden, dies gilt allerdings
nur, wenn der zugrunde liegende Inhalt der Menschenwürde gleich verstanden wird.
Im Vergleich zur relativierten Objektformel der Rechtsprechung ist mit dem Sub-
jektprinzip, das auch vom BVerfG der Sache nach zum Beispiel im Abhörurteil
ergänzend herangezogen wird,220 eine Akzentverschiebung verbunden.
Dieser Kritik geht es aber nicht um eine Änderung der Ergebnisse des BVerfG,
sondern eher um die Gefahr, dass eine Relativierung der Objektformel auch zu einer
Relativierung der Menschenwürde führen kann. Kritisiert wird also die gefährliche
Symbolik. Im Ergebnis vertritt auch diese Unteransicht keine abweichenden Ergeb-
nisse zur Relevanz der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen für die Menschenwürde.
Auch nach dieser Ansicht verstieße nicht etwa jede verdeckte Überwachungsmaß-
nahme gegen die Menschenwürde, nur weil sie den menschlichen Willen vorüber-
gehend ignoriert. Sie kann aber nicht ohne dogmatische Inkonsequenz erklären,
warum dies zulässig sein soll.

c) Eigene Ansicht

Im Prinzip ist dem BVerfG im Hinblick auf die Verwendung der Objektformel zu-
zustimmen. Nicht die punktuelle Behandlung als Mittel ist entscheidend, sondern
die Entwertung des Einzelnen. Auf einer psychologischen Ebene ist der Respekt vor
dem fremden Willen des Anderen eventuell auch nur dem Eigennutz geschuldet.221
Jedenfalls ist die Durchsetzung des eigenen Willens nicht immer eine Entwürdigung
des Anderen, der auf die Durchsetzung seiner Zwecke verzichten muss.

Zweck, „also die Achtung für eine bloße Idee“ dient als sittliche Vorschrift. Vgl. Kant, Grundle-
gug zur Metaphysik der Sitten, GMS 2. Abs. III. 65 f. Konsequent zur Würde als „Idee“ ist eine
Verlegung der Würde daher nicht möglich, aber eine Verletzung der Pflicht, die Würde zu bewah-
ren. Nur das ist auch sinnvoll, da die Würde nicht etwa endet, wenn ein Mensch umgangssprachlich
„entwürdigt“ wird. Sie kann gerade nicht verloren gehen. Der Einzelne muss nach Kant die Würde
stellvertretend für die Würdeidee als Ganzes individuell bewahren. „Seine Pflicht ist es, die Würde
der Menschheit in seiner eigenen Person nicht zu verleugnen“, Kant, Über Pädagogik, VIII 240 f.
Dieses idealistische Würdekonzept hat auch Eingang in die Erwägungen des parlamentarischen
Rates gefunden.
217
Vgl. oben § 8, IV, 2, a).
218
Vgl. § 8, IV, 2, a).
219
Teifke, S. 12 ff.
220
Vgl. BVerfGE 30, 1, 40.
221
Dabei handelt es sich um eine metaphysische Frage, die hier offen bleiben muss.
150 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Beispiel 16 Der Torwart der Verlierermannschaft bei einem Fußballspiel wird nicht
entwürdigt, wenn gegen seinen Willen ein Tor geschossen wird. Der Bürger wird
nicht entwürdigt, wenn er gezwungen wird, Steuern zu zahlen. Er wird auch nicht
unbedingt entwürdigt, wenn er zeitweise Objekt strafprozessualer verdeckter Er-
mittlungsmaßnahmen ist.

Auf die ständige Beachtung des Willens des Betroffenen kann es daher nicht
ankommen müssen.
Nicht zutreffend ist die in der Tagebuchentscheidung zum Ausdruck kommende
Ansicht des BVerfG,222 es müsse sich um Informationen objektiv „höchstper-
sönlichen Charakters“ handeln, aus denen der Betroffene auswählen kann.223
„Höchstpersönliche“ Informationen tragen den Kernbereichsbezug schon objektiv
in sich. Der Betroffene hätte nur eine negative Auswahlmöglichkeit, Informationen
für nicht mehr höchstpersönlich zu erklären.
Nach der hier vertretenen Ansicht wird nicht der objektive Kernbereichsschutz,
sondern die subjektive Auswahlmöglichkeit des Einzelnen limitiert. Aus den einzel-
nen Handlungsalternativen, welche nach den traditionellen gesellschaftlichen Auf-
fassungen224 nicht schon zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zählen,
darf er Weitere auswählen. Entscheidend ist, was der Betroffene als intim empfin-
det und nur seinem persönlichsten Umfeld zugänglich machen will.

Beispiel 17 Eine ältere Dame D lässt sich von ihrem Cousin C die Bedienung ih-
res Computers erläutern. Einerseits fühlt sie sich zu Dank verpflichtet, andererseits
hat sie weder Lust noch Absicht den Umgang mit diesem Medium zu erlernen.
Sie schreibt daher ihrem Patenkind P, dass sie sich mit den erläuterten Program-
men nicht beschäftigt, P dürfe dies aber auf keinem Fall C weitersagen. Sowohl die
Lüge als auch die mangelnden Kenntnisse gehören für sie zu ihrem innersten Pri-
vatbereich, den sie nicht einmal ihrem privaten Umfeld zugänglich machen möchte.
Andererseits können für D andere objektiv zum Kernbereich gerechnete Verhaltens-
weisen nicht vertrauenswürdig sein.

Es gibt keinen Grund, warum der Einzelne nicht selbst definieren können soll,
was für ihn unbedingt privat und vertraulich sein soll. Zur Würde gehört gerade
auch die Freiheit über den Unterschied zwischen Privat und Öffentlich selbst zu
disponieren. Eine objektive Definition des Kernbereichs ist ebenfalls notwendig,
doch kommt sie nur subsidiär zum Tragen, wenn keine besonderen Präferenzen des
Betroffenen erkennbar sind. Praktisch wird dies bei dem Großteil der verdeckten
Maßnahmen der Fall sein.

222
BVerfGE 80, 367, 373 f.
223
Damit geht das Gericht über die Ausgrenzung von konkreten Straftaten aus dem Kernbereich
hinaus.
224
Ihr zuzuordnen sind Sachverhalte höchstpersönlichen Charakters wie Tagebucheinträge oder
Sexualität, wobei die Zuordnung auch davon abhängt, ob ein Sachverhalt aus sich heraus die Pri-
vatsphären anderer und nicht nur die des Betroffenen berührt.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 151

Die Themen dürfen nicht schon durch gesetzliche Regelungen als zum öffent-
lichen Bereich oder durch eine abschließende objektive Definition kernbereichsre-
levanter Themen definiert werden. Die Auswahlentscheidung muss allerdings nach
außen deutlich werden. Die Grenzen, die ein Privater dem Staat oder Dritten setzt,
müssen entweder durch den Durchschnittsstandard definiert oder durch individuelle
Äußerung erkennbar sein. Der Staat kann nicht verpflichtet sein, Grenzen einzuhal-
ten, die er nicht erkennen kann. Damit ist der Kernbereich der privaten Lebens-
gestaltung eine subjektive Auswahl aus einem objektiv in seinem Mindeststandard
garantierten Handlungsbereich. Ist nichts anderes bekannt, wird für jeden Einzelnen
das gesellschaftliche Durchschnittsverständnis von Intimität und Vertraulichkeit als
Kernbereich vermutet.

d) Konsequenzen

aa) Vertrauensbeziehungen

Im privaten Bereich, beispielsweise dem Gespräch unter Freunden, Vereins-, oder


Parteimitgliedern besteht keine Vermutung dafür, dass dieses Verhalten in den Kern-
bereich der privaten Lebensgestaltung fällt. Dies gilt auch, wenn der Teilnehmer-
kreis streng limitiert ist oder das Treffen in einem abgetrennten Privatraum (Hin-
terzimmer, Küche, Sèparèe) stattfindet. Der Einzelne kann den Kernbereich der
Persönlichkeit hier nur soweit auf diesen Bereich erweitern, als er diese Personen
zumindest durch eindeutig schlüssiges Verhalten zu Vertrauten macht, etwa durch
das Abschließen der Tür oder die Frage, ob andere Personen anwesend seien. Das
bloße Empfinden macht die Interaktion nicht dem Kernbereich zugehörig.
Andererseits folgt aus diesem Ansatz, dass das Verhalten des Betroffen nicht
schon deshalb aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung fällt, weil der
Gesprächs- oder Interaktionspartner die Vertrauensbeziehung einseitig, und oh-
ne dies dem Betroffenen mitzuteilen, aufkündigt. Die Ansicht des BVerfG, dass
der Schutz persönlicher Vertrauensbeziehungen nicht vom Telekommunikations-
geheimnis erfasst werde,225 ist zwar richtig, doch folgt daraus nicht, dass dieses
Vertrauen generell nicht schutzwürdig ist. Vielmehr ist dieses Vertrauen durch
das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung durch missbräuchliche staatliche
Manipulation geschützt. Es kann vorkommen, dass dieses Vertrauen den engsten
Familien- und Freundeskreis umfasst oder jedenfalls Themen betrifft, die keinen
direkten Bezug zu Eingriffen in Sphären Dritter haben. Sollen diese Äußerungen
unbedingt vertraulich bleiben und hat sich der Gesprächspartner damit einver-
standen erklärt, ist sogar der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde verletzt,
wenn der Staat diese Vertrauensbeziehungen manipuliert oder die entsprechenden
Gespräche überwacht.

225
Vgl. § 8, VI, 1, c), cc).
152 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Beispiel 18 X hat sich mit seinem Geschäftspartner Y angefreundet. Bei einem Bier
nach Abschluss der Geschäftsverhandlungen im Hinterzimmer eines Restaurants
oder auf der nachts menschenleeren Straße berichtet X dem Y, dass er als Kind
sexuell missbraucht wurde und dass er heute selbst manchmal pädophile Neigungen
verspürt.

Hat der Staat in diesem Fall Y bereits vorher als Verbindungsperson angeworben,
darf dieser nicht zu diesem Thema nachfragen oder sein Wissen zu Strafverfol-
gungszwecken weitergeben. Die Ermittlungsbehörden dürfen das Gespräch zwi-
schen X und Y auch nicht absichtlich auf solche Informationen hin abhören bzw.
die unbeabsichtigt angefallenen Informationen verwenden.
Fallen ungeplant Informationen aus dem Kernbereich der privaten Lebensge-
staltung bei verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen an und werden
diese nicht weiter beachtet und genutzt, ist dies keine Missachtung der Menschen-
würde. Bedingung dafür ist aber, dass gesetzliche Vorkehrungen getroffen werden,
die verhindern, dass solches Verhalten beobachtet wird. Der Einzelne wird dann
weder als bloßes Objekt noch verächtlich behandelt.226 Durch eine absichtliche
Einblicknahme in den Kernbereich kommt hingegen immer eine entwürdigende Ge-
ringschätzung des Betroffenen zum Ausdruck.

bb) Denunzianten und Spitzel im engsten Familienkreis

Das Ministerium für Staatssicherheit setzte in der DDR Spitzel im engsten Fami-
lienumfeld ein. Die Einblicknahme in diesen Bereich führt zu starken psychischen
Belastungen. Die Folgen reichen bis hin zur Desintegration der Familie durch Ver-
trauensverluste. Damit ging eine Zerstörung der wichtigsten sozialen Bindungen
des Einzelnen einher, der letztlich in seiner bürgerlichen Existenz vernichtet wer-
den konnte.227 Auch in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Denunziation
durch Spitzel im engsten Familienkreis gefördert und so die Entscheidung nicht re-
spektiert, sich in diesen Kreis ohne die Beobachtung der anderen Mitglieder der
Gesellschaft zurückzuziehen. Durch Denunziation von Spitzeln wurden zudem im
erweiterten Privat- oder Geschäftsbereich heimlich gewonnene Informationen an
den Staat weitergegeben. Im Falle von Systemfeinden bzw. -opfern kam es in der
Folge zu schwersten ungerechtfertigten Beeinträchtigungen an Leben, Leib, oder
Freiheit. Die schweren Folgen wirken sich wiederum auf die ethische Bewertung
der heimlichen Beobachtung aus.228 Bereits die verwerfliche Zweckbindung macht
sie zu Verstößen gegen die Pflicht, die Menschenwürde zu wahren. Aber auch ohne
diese Zweckbindung müssen solche Maßnahmen daher fortan als gefährlich für die
Achtung der Menschenwürde betrachtet werden.

226
Zur Erforderlichkeit eines zweistufigen – präventiven und nachträglichen – Kernbereichs-
schutzkonzepts vgl. unten § 15.
227
Vgl. § 4, II, 2.
228
Vgl. oben § 4, II, 1, c).
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 153

Ein aktueller Fall aus Großbritannien zeigt, dass auch in heutigen Rechtsstaa-
ten sogar Polizisten als Verdeckte Ermittler Liebesbeziehungen zu Verdächtigen
aufnehmen und teils über Monate nicht nur in das Privatleben der Betroffenen ein-
dringen, sondern dieses sogar prägen. Eine der so „überwachten“ Frauen fasste die
Empörung zusammen:
„Es ist unglaublich, dass die Polizei für eine Hausdurchsuchung zwar einen richterlichen
Beschluss benötigt, jedoch ein ausgeschickter Amtsträger mit Aktivisten leben und schlafen
darf, und dies offensichtlich ohne jegliche Aufsicht geschehen kann!“229
Ausreichend für eine Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde
ist, dass solch ein Bespitzelungsverfahren die aufgezeigten abstrakten Gefahren in
sich birgt. Denn in diesen Fällen wird es allgemein als auf ethisch niedrigster Stufe
stehende Behandlung eines Menschen eingeordnet.230 Eine konkrete Beeinträchti-
gung der Handlungsfreiheit ist nicht notwendig.

cc) Verneinung der Vernunftfähigkeit

Sicher ist, dass die Behandlung des Menschen als Tier oder Sache entwürdigend ist.
Dies ergibt sich schon aus der herrschenden Objektformel.231 Ständige Observati-
on, heimliche oder offene, ist eine Behandlung, die Tieren widerfährt, die sich in
Gefangenschaft befinden oder Wildtieren, die von Naturfilmern ständig verfolgt und
aufgenommen werden. Dabei werden alle Lebensäußerungen der Tiere beobachtet,
aufgezeichnet und einem (breiten) Publikum vorgeführt. Im Falle von Forschungs-
projekten werden die Tiere sogar mit Peilsendern versehen, damit man sie später
weiterverfolgen kann. Daten über die Tiere werden erhoben und mit Computerpro-
grammen weiterverarbeitet, um Verhaltensprofile der Tiere zu erstellen.
Ähnlich verfahren Eltern mit Kleinkindern. Die Objektformel ist allerdings zu
erweitern, denn auch die Behandlung eines Erwachsenen als Säugling oder eines
psychisch gesunden Menschen als psychisch krank ist entwürdigend. In diesen Fäl-
len wird die tatsächlich vorhandene Vernunft, die Entscheidungsfreiheit, negiert und
menschliches Mitleid durch Herabsetzung und Voyeurismus ersetzt.232

229
heise online, 17.12.2011.
230
Vgl. AG Heidenheim NJW 1981, 1628.
231
Vgl. § 8, IV, 2, b).
232
Aber selbst psychisch Kranke oder unvernünftige Kinder dürfen nicht vom Staat in allen Le-
benslagen ohne zwingenden Grund überwacht werden. Auch sie haben Menschenwürde. Über die
„Idee“ oder den „absoluten Wert“ der Würde ist die Konzeption an grundlegender Stelle für weite-
re Erwägungen offen. Denn auch geistig stark behinderte Menschen und Säuglinge tragen die Idee
der Würde in sich und sollen daher, soweit dies möglich ist, so behandelt werden als ob sie einen
Funken Vernunft in sich hätten und dürfen jedenfalls nicht mit dem Ausdruck der Verachtung für
ihr „Sosein“ behandelt werden. Dies ergibt sich daraus, dass sie entweder Vernunft in sich entwi-
ckeln können oder wenigstens daraus, dass sie als Teil der ganzen Menschheit stellvertretend auch
an deren Würde teilhaben. Diese normative Zuschreibung lässt sich nicht durch andere Begriffe
umgehen. Der Begriff der rein rationalen Vernunft ist nach Erkenntnissen der Neurowissenschaf-
ten um „Ich-Bewusstsein“ oder „Empfindungsfähigkeit“ zu erweitern, vgl. Heun, Humangenetik
und Menschenwürde. Beginn und Absolutheit des Menschenwürdeschutzes, S. 209 f; Braun, Die
154 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

dd) Heimliche Beobachtungen und Aufnahmen einer schutzlosen Person

Bereits in der Mikronzensus-Entscheidung geht das BVerfG davon aus, dass nicht
jede Beobachtung ein Eingriff in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist.
Das Gericht verneint zuerst einen Eingriff in den Kernbereich,233 stellt danach aber
fest, dass die Befragung in einen „Bereich privaten Lebens“ eingreife. In den könne
der Staat auch „ohne Verletzung der Menschenwürde und des Selbstbestimmungs-
rechts des Einzelnen eingreifen“.234 Dem ist zuzustimmen. Nicht jede Beobachtung
tastet die Menschenwürde an. Von der Art der schweren Missachtungen kann nicht
darauf geschlossen werden, dass jedes Minus zu solchen umfangreichen Maßnah-
men ebenfalls gegen den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde verstößt.

Beispiel 19 Wenn die heimliche Anfertigung einer Art „tierfilmerischen Dokumen-


tation“ über einen Verdächtigen entwürdigend ist, ist noch nicht das Anfertigen
einer Fotografie des Verdächtigen, der sich in der Öffentlichkeit bewegt, eine Miss-
achtung seiner Würde.

Die Würde wird missachtet, wenn es entweder zu einer besonders langen Ob-
servation kommt oder die Überwachung punktuell ein Verhalten folgender Art um-
fasst: Der Einzelne hat sich – und das ist entscheidend – seines eigenen Schutzes
vor Ausforschung begeben und beichtet seine innersten privaten Gedanken und Ge-
fühle einer vertrauenswürdigen Person. Dies gilt erst recht, wenn sich der Einzelne

besten Gründe für eine kategorische Auffassug der Menschenwürde, S. 86 und zum Einfluss der
Neurowissenschaften auf den Begriff der Menschenwürde, Wetz, S. 174 ff. Dies ändert nichts dar-
an, dass es Fälle gibt, in denen auch diese Fähigkeiten fehlen und trotzdem von menschlicher
Würde ausgegangen werden muss. Sonst ist der allgemeine Wert der Würde gefährdet. Aus der
Würdetheorie Kants und den Grundlagen der Mitleidsethik ergibt sich noch nicht zweifelsfrei,
warum die Menschenwürde als „Idee“ oder „Wert“ kollektiviert und abstrahiert wird und nicht
wie die ihr nachfolgenden Grundrechte nur vor individuellen Beeinträchtigungen schützt. Dieser
Grund liegt in der über die individuelle Erniedrigung hinausgehende Gefahr für die Behandlung
aller anderen. Dieses „Dammbruchargument“ ist die notwendige realistische Ergänzung zu dem
logisch schlüssigen idealistischen Würdekonzept Kants, dass die Gleichsetzung von Idee und Rea-
lität axiomatisch voraussetzt. Vgl. zum Dammbruchargument bei Menschenwürde und Folter,
Weilert, S. 179; Taupitz, S. 3 warnt allerdings vor der Gefahr, dass das „Dammbruchargument“
in der Menschenwürdediskussion leicht als „Totschlagargument“ oder „rhetorisches Trumpf-As“
verwendet werden kann, vgl. zum „Dammbruchargument“ auch Hefendehl, JZ 2009, S. 165 ff.
Ohne diesen Ansatz ist ein Antasten der Menschenwürde durch eine individuell folgenlose Maß-
nahme aber nicht möglich; sonst könnten nur körperliche Erniedrigungen die Menschenwürde
missachten. Bereits das verbale Absprechen der Menschenwürde kann eine Missachtung im Sinne
des Art. 1 Abs. 1 GG sein, vgl. zum Beispiel das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der
deutschen Ehre (RGBl. I S. 1146) – das sogenannte Blutschutzgesetz – sowie das Reichsbürgerge-
setz (RGBl. I S. 1146) von 1935. Der drohende Schaden ist, dass ein Mensch nicht nur punktuell,
sondern ganzheitlich als „Sache“ oder „Tier“ und nicht als Mensch behandelt wird, dass ihm Leib,
Leben und Freiheit so genommen werden, dass er seinen autonomen Lebensentwurf nicht mehr
ausleben kann. Wenn das verächtliche, erniedrigende Verhalten des Täters, dermaßen widerlich
ist, dass die Behandlung des Opfers den Aussagewert hat, „Du bist für mich kein Mensch mehr!“,
dann erst ist die Würde missachtet.
233
BVerfGE 27, 1, 7.
234
BVerfGE 27, 1, 8.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 155

der Selbstreflexion hingibt und diese zum Beispiel in einem Tagebuch äußert. Damit
liefert er sich quasi schutzlos einem Missbrauch der von ihm geäußerten Gedanken
aus. Diesen Moment der Schwäche und Verwundbarkeit darf der Staat nicht zur
Beobachtung des Betroffenen ausnutzen. Zu beachten ist allerdings die Einschrän-
kung, dass Details konkreter Straftaten nicht zu den innersten privaten Gedanken
gehören. Ob und unter welchen Umständen solche Informationen erhoben und ver-
wertet werden dürfen, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in das
Grundrecht auf Einschüchterung.

ee) Die Anfertigung von Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen

Die oben dargestellte Ansicht des BVerfG, dass mit der Dauer der Observation die
Wahrscheinlichkeit der Kernbereichsbetroffenheit zunimmt und außerdem Persön-
lichkeitsprofile angefertigt werden,235 muss weiter ausgearbeitet werden. Gemeint
ist mit „Rundumüberwachung“, dass durch eine Masse an Daten über Gespräche
und Bewegungen die letzten Lücken im Persönlichkeitsbild leicht ergänzt werden
können. So kann aus den wiederkehrenden Verhaltensmustern eines Menschen ein
detailreiches Bild seines Charakters entworfen werden. Letzte Lücken in der Über-
wachung lassen sich durch die Vielzahl an anderen Daten schließen, weil sich
daraus mit großer Wahrscheinlichkeit das weitere Verhalten des Betroffenen vor-
hersagen lässt. Für die „Rund-um-Überwachung“ durch Bild- und Tonaufnahmen
ist dies ab einer gewissen Dauer evident.
Diese Konsequenz ist allerdings für das Problem der Anfertigung von sog. Be-
wegungsprofilen einzuschränken: Ob in den Kernbereich der privaten Lebensge-
staltung allein dadurch eingegriffen werden kann, dass die Bewegungen des Betrof-
fenen über lange Zeit anhand von GPS-Überwachung oder Daten aus einer heimli-
chen Überwachung der Telekommunikationsverkehrsdaten aufgezeichnet werden,
ist nicht so einfach zu beurteilen wie die Kernbereichsrelevanz einer Überwachung
in Wort und Bild. Nicht jedes Bewegungsprofil lässt auf die Persönlichkeit schlie-
ßen.

Beispiel 20 Wird das Auto eines Betroffenen, das nur selten benutzt wird, mittels
GPS-Senders überwacht, ist daraus kein Persönlichkeitsprofil zu erschließen. Auch
reine Bewegungsprofile können aber im Falle eines über längere Zeit fest an die
Person gebundenen Senders etwa in den Schuhen oder im Hörgerät der Person einen
Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeit bedeuten.

Weitaus häufiger wird dies aber bei der Kombination236 unterschiedlicher Ob-
servationsmittel vorkommen.237

235
Siehe oben § 8, IV, 2, a), bb).
236
Vgl. dazu die Ausführungen unten, § 35.
237
Zum Problemkomplex Menschenwürde und Bewegungsprofile eingehend Roggan, Grenzenlo-
se Ortung im Strafverfahren?, S. 153 ff.
156 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

3. Öffnung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde


für Eingriff und Abwägung?

In der obigen Darstellung wurde vorausgesetzt, dass eine Verletzung des Anspruchs
auf Achtung der Menschenwürde durch verdeckte strafprozessuale Beobachtungen
in keinem Fall gerechtfertigt werden kann. Wenn ein Eingriff nicht zu rechtferti-
gen ist, dann ist jeder Eingriff in den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde
unzulässig und entsprechende verdeckte strafprozessuale Ermittlungen sind unter-
sagt. Regelungen, die sie erlauben, sind verfassungswidrig. Über diese Unantastbar-
keit der Menschenwürde besteht trotz des eindeutigen Wortlauts des Grundgesetzes
Streit.
Bestünde entgegen dem Wortlaut in besonderen Ausnahmefällen grundsätzlich
die Möglichkeit, Eingriffe zu rechtfertigen, so könnten auch besonders starke Inter-
essen der Strafverfolgung in diesem Sinne rechtfertigend wirken.

a) Ansicht der h. M.

Wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung nach der oben stehenden An-
sicht des BVerfG238 berührt ist, darf nach Auffassung der h. M. keine Abwägung
mehr stattfinden.239

b) Relativierung durch Öffnung für Eingriff und Abwägung?

Im Schrifttum gibt es Ansätze, die zwar die Unantastbarkeit der Menschenwür-


de nicht in Frage stellen, jedoch bei der Begriffsbildung den Definitionsumfang
der Menschenwürde abhängig von der Abwägung gegen andere Interessen bestim-
men.240 Herdegen verfolgt einen solchen Ansatz, nach dem die Menschenwürde
bei der Konkretisierung des Würdeanspruchs außerhalb eines engen Bereichs durch
Finalität geprägter Eingriffe der Abwägung zugänglich sei. Der Anspruch auf Ach-
tung der Menschenwürde ergebe sich in diesen Fällen erst aus einer Gesamtbetrach-
tung aller Interessen241 und nicht aus einer isolierten Betrachtung des Individuums.
Ein striktes Verbot jedes würderelevanten Eingriffs ersticke die Handlungsfähig-
keit staatlicher Organe.242 In der Literatur wird diese Ansicht von Makrutzki auch
speziell im Hinblick auf die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
vertreten: Die Menschenwürde sei dann nicht berührt, wenn die Tat, wegen der er-
mittelt wird, eine bestimmte, dem Katalog des § 100a StPO entsprechende Schwere

238
Vgl. oben § 8, IV, 2, a), cc).
239
BVerfGE 34, 238, 245.
240
Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57 , Rdn. 43 ff.; Dederer, JöR 2009, S. 117 ff.
241
Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57 , Art. 1 Abs. 1 Rdn. 43 ff.
242
Herdegen in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 45.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 157

habe, der Betroffene tatverdächtig sei und die anderen Ermittlungsinstrumente er-
schöpft seien.243

c) Eigene Ansicht

Dogmatisch kann unstrittig nicht überzeugen, dass ein Recht nicht berührt wird,
nur weil die durch dieses Recht geschützten Interessen durch entgegenstehende
Interessen überwogen werden. Die vorhergehend genannten einschränkenden An-
sichten bergen die Gefahr, Definitionsbildung und Abwägung zu vermischen. Die
soeben vorgestellte Interpretation Makrutzkis ist insofern problematisch.244 Richtig
ist zwar, dass bei der Bildung des Menschenwürdebegriffs nicht nur die Interessen
des Betroffenen Berücksichtigung finden, was dazu führt, dass die Objektformel in
ihrer strengen Form nicht durchgehalten werden kann. Der Einzelne darf unter Um-
ständen auch punktuell gegen seine Interessen als Mittel zu einem anderen Zweck
behandelt werden. Wenn aus dem Ansatz Makrutzkis aber folgen sollte, dass in
jedem Einzelfall eine reine Verhältnismäßigkeitsabwägung vorgenommen werden
muss um die Menschenwürde neu zu bestimmen, ist dem nicht beizupflichten. Die
genannte Ansicht setzt voraus, dass prinzipiell ein stärkeres allgemeines Interes-
se jedes Interesse des Betroffenen überwiegen könne. Im Umkehrschluss müsste
danach auch jede unverhältnismäßige Maßnahme eine Missachtung der Menschen-
würde sein. Das ist aber nicht richtig:

Beispiel 21 Eine Telefonüberwachung wegen einer Ordnungswidrigkeit wäre zwar


unverhältnismäßig, aber sie ist nicht ohne Weiteres entwürdigend.

Es besteht kein Konsens darüber, dass unangemessene Behandlungen eine Per-


son in ihrem Wert als Mensch in Frage stellen.
Ob verdeckte Überwachung gegen die Schwere der mutmaßlichen Tat oder ande-
re wichtige Interessen der Strafverfolgung abgewogen werden kann, ist gerade die
zu klärende Frage. Der unter anderem von Makrutzki vertretene Ansatz, dass bei der
Begriffsbildung auch andere Interessen als die des Betroffenen zu berücksichtigen
sind, trifft zwar zu, ist aber im Folgenden zu präzisieren, damit die aufgezeigten
dogmatischen Probleme und Gefahren einer Entwertung des Würdebegriffs einge-
dämmt werden. Missverständnisse scheinen vor allem deshalb zu entstehen, weil
Prüfungen konkreter Einzelfälle leicht mit der Bildung abstrakter Fallgruppen ver-
wechselt werden:
1. Abwägung im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung:
Konkretes Interesse X1 (Bürger) gegen konkretes Interesse Y1 (Staat).

243
Vgl. auch Makrutzki, S. 65 ff.; 103, der speziell verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnah-
men von V-Personen behandelt. Diese Ansicht müsste konsequent für alle anderen Maßnahmen der
verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gelten.
244
Makrutzki, S. 65 ff.; 103.
158 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Ergebnis: Interesse X1 überwiegt im konkreten Fall.


Folge: Die Durchsetzung des Interesses Y1 ist verfassungswidrig.
2. Abwägung im Rahmen der Begriffsbildung Menschenwürde:
Abstraktes Interesse X1 -Xn (Bürger) gegen Abstraktes Interesse Y1 -Yn (Staat).
Ergebnis: In der Fallgruppe X1 -X4 überwiegt Interesse XFallgruppe gegenüber al-
len staatlichen Interessen (Y1 -Yn ).
Folge: Durchsetzung eines beliebigen staatlichen Interesses Yn gegen XFallgruppe
ist in jedem Fall eine Missachtung der Menschenwürde.
3. Prüfung einer konkreten Maßnahme Z1 , die das konkrete Interesse X3 beein-
trächtigt, auf Missachtung der Menschenwürde:
Gehört X3 zu Interesse XFallgruppe ?
XFallgruppe besteht aus X1 -X4 . X3 gehört also zu XFallgruppe .
Die Beeinträchtigung von X3 ist also eine Missachtung der Menschenwürde.
Im Rahmen der Bildung des Menschenwürdebegriffs stehen sich zwei abstrakte
Interessen gegenüber:
1. Interesse des Einzelnen an Äußerungen in der Privatsphäre, ohne eingeschüch-
tert zu werden.
2. Interesse des Staates an Aufklärung von Straftaten.
Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist nur gegenüber der Fallgruppe „Inter-
esse, nicht von anderen absichtlich im Kernbereich der privaten Lebensgestaltung
beobachtet zu werden“, kein Überwiegen der staatlichen Interessen an der Aufklä-
rung von Straftaten möglich. Die Menschenwürde ist unantastbar und das bedeutet:
Wie berechtigt die widerstreitenden Interessen auch sein mögen, es gibt bestimmte
Interessen, die nicht abgewogen werden können.245
Entscheidend ist, dass die Menschenwürde gerade den unverhandelbaren und un-
antastbaren Freiraum des Menschen ausmacht. Sie ist der Minimalkonsens, den die
Verfassungsgeber über die Frage, was in höchstem Maße als verwerflich anzuse-
hen ist, getroffen haben. Ist dieser Konsens bei Erlass der Verfassung erreicht, kann
nicht plötzlich ein Gesichtspunkt, der generell nicht neu ist, im Einzelfall eine neue
Abwägung erfordern. Zwar ist auch die h. M. gezwungen, generelle Menschenwür-
deregeln bei neuen technischen Möglichkeiten aufzustellen.246 Das ist aber etwas
anderes als eine Abwägung gegen andere Interessen im Einzelfall. Diese Abwä-

245
Das führt auf der anderen Seite zu einem engen Verständnis des Schutzbereichs der Men-
schenwürde: Das Töten eines Menschen muss nicht gegen seine Menschenwürde verstoßen und
ist jedenfalls nicht wegen des Achtungsanspruchs aus Art. 1 Abs. 1 GG in jedem Falle verbo-
ten, obwohl eine stärkere Missachtung des Menschen als seine Vernichtung nicht möglich ist.
Die Trennung von Lebensschutz und Menschenwürde ergibt sich schon aus der Systematik des
Grundgesetzes, das diese Rechte in Art. 1 und Art. 2 GG trennt. Auch in der Philosophie wird
das „Dasein“ vom „Sosein“ getrennt, vgl. Heidegger, S. 42. Die sachliche Basis der normativ-
dogmatischen Funktion der Menschenwürde findet nach Enders, S. 129, ihre tatbestandliche
Grundlage in der Unterscheidung von innerem „Sein“ und äußerer Entfaltung der Persönlichkeit.
246
Dagegen hält Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 1 Abs. 1 Rdn. 49 die Menschenwürde insoweit für
ein untaugliches Instrument.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 159

gung hat bereits bei Bildung der Definition stattgefunden247 und darf nicht in jedem
Einzelfall wieder in Frage gestellt werden. Dogmatisch müsste sonst die Menschen-
würde als letzter unantastbarer Wert aufgegeben werden. Diese Relativierung der
Menschenwürde ginge über die notwendige Bildung neuer Fallgruppen hinaus. Es
gibt aber keinen Grund, bei bereits dem Verfassungsgeber bekannten Fallgruppen
eine neue Abwägungsentscheidung zu treffen. Der Verfassungsgeber war sich viel-
mehr darüber im Klaren, dass insbesondere die Nazis mit ihren Gräueltaten die
Menschenwürde missachteten.248 Die auf der Unantastbarkeit der Menschenwürde
beharrende h. M. wird daher dem ursprünglichen Sinn, den der Verfassungsgeber
mit Art. 1 Abs. 1 GG verbunden wissen wollte, eher gerecht als die Gegenposition,
die Eingriffe unter bestimmten Umständen zulassen will. Herdegen unterscheidet
bei der Begriffsbildung der Menschenwürde zwischen den unstrittigen Fallgruppen
(Kernbedeutung) und strittigen Fallkonstellationen (Randbereich). Für diese stritti-
gen Fallgruppen sei der entwürdigende Charakter nicht festgelegt und ergebe sich
erst aus einer Abwägung. Dem ist für relativ neue Gefahren zuzustimmen, bei denen
sich gerade noch kein Wertekonsens gebildet hat. Die verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen sind solch ein Fall.
Ergebnis dieses abwägenden Diskurses ist, dass dem Einzelnen ein letzter Be-
reich verbleiben muss, in dem er frei von absichtlicher Beobachtung durch den Staat
bleiben muss, auch wenn die entgegenstehenden Interessen von vitaler Wichtigkeit
für die Gemeinschaft sind. Aus der Sicht der Strafverfolgungsinteressen ist hinzu-
nehmen, dass Informationen, die mittelbar auf konkrete Straftaten schließen lassen,
nicht final überwacht und verwertet werden dürfen. Nur finale Eingriffe in den
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung sind Missachtungen der Menschenwür-
de und absolut unzulässig.249 Denn der unbeabsichtigte Einblick in den Kernbereich
trägt nicht den schweren sittlichen Makel der Würdeverletzung. Er wird vielmehr

247
Dass in der Sache bei der Bildung des Menschenwürdebegriffs nicht nur Interessen des Be-
troffenen, sondern auch gegenläufige Interessen berücksichtigt werden, zeigt Alexy u. a. an dem
Beispiel des Abhörurteils des BVerfG (BVerfGE 30, 1). Zwar findet keine Abwägung der Men-
schenwürde gegen Sicherheitsinteressen statt, aber der Begriff der Menschenwürde bzw. der
Menschenwürdeverletzung wird eng ausgelegt, so dass das Abhören von Gesprächen nicht unbe-
dingt dazu gehört. Alexy unterscheidet zwischen Menschenwürdeprinzip, das auch gegen andere
Prinzipien abgewogen werden darf und dem Ergebnis dieser Abwägung, der Menschenwürderegel,
die nicht mehr der Abwägung offen stehe, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 96 f. Vgl. dazu
auch den Streit um die Abwägbarkeit der Menschenwürde unter § 8, IV, 3, b). Aus einem ähnli-
chen Ansatz leitet Brugger, JZ 2000, S. 165 f., ab, dass die Folter von Terroristen unter bestimmten
Umständen (sog. Rettungsfolter zur Gefahrenabwehr) nicht gegen die Menschenwürde verstoße.
Die Menschenwürde ist dann trotz Einsatz eines grundsätzlich verwerflichen Mittels nicht berührt,
wenn bestimmte Gründe vorliegen. Dass die „Rettungsfolter“ nach h. M. gegen den Anspruch auf
Achtung der Menschenwürde verstößt, ist nicht von dogmatischen Gesichtspunkten, sondern von
subjektiven ethischen Überzeugungen abhängig.
248
Vgl. Dreier in: Dreier, GG2 , Art. 1 Abs. 1 Rdn. 22 m. w. N.
249
So nachdrücklich auch Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57 , Rdn. 44, der die Zweckrichtung
einmal als Abwägungstopos bei der Begriffsbildung nutzen will und ein anderes Mal als Ver-
letzungsgrund an sich einordnet. Vgl. auch Herdegen, JZ 2001, S. 775; Dreier in: Dreier, GG2 ,
Art. 1 Abs. 1 Rdn. 90. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht gilt für den Einblick in
den Kernbereich Letzteres: Die Absicht oder das sichere Wissen in den Kernbereich einzudrin-
160 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

auch von dem Betroffenen als Versehen und nicht als Missachtung seines Wertes
als Mensch angesehen werden.

Beispiel 22 X zieht sich in einer Umkleidekabine im Schwimmbad aus. Durch ein


technisches Versagen funktioniert das Schloss der Tür unbemerkt nicht. Y öffnet die
Tür und sieht X nackt. In diesem Fall wird sich X nicht entwürdigt fühlen, wenn Y
sich entschuldigt und die Tür sofort verlegen wieder schließt.

Ähnlich wie in diesen Beispiel ist auch bei einer heimlichen Beobachtung nur
dann von einer Missachtung der Menschenwürde auszugehen, wenn die Ermitt-
lungsbehörden absichtlich Einblick in den Kernbereich nehmen.

Beispiel 23 Die Polizeibeamtin P wertet aufgezeichnete Telekommunikation der in


einem BTM-Verfahren Beschuldigten X und Y aus. Seit einer Woche fallen keine
Informationen zu Drogendelikten an. Allerdings ist P inzwischen sehr an dem Pri-
vatleben von X und Y interessiert. X betrügt seine Freundin. Er verabredet sich im
Internetportal „Jappy“ mit älteren Frauen. Y berichtet er dann intime Details über
seine sexuellen Abenteuer. Da P sowohl den Internetanschluss als auch den Tele-
fonanschluss auswertet, ist sie stets genau informiert und erwartet jeden Tag eine
neue „Episode“ aus dem Privatleben von X und Y.

In diesem Fall ist eine Missachtung der Menschenwürde gegeben, da die Er-
mittlungsbehörden als Organe des Staates absichtlich oder zumindest wissentlich
(final) Einblick in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung nehmen. Ob die-
ses verfassungswidrige Verhalten mit § 100a Abs. 4 StPO zu vereinbaren ist, bleibt
späteren Erörterungen vorbehalten.250 Ebenfalls offen bleibt vorerst die Frage des
Missbrauchsschutzes.251

d) Konsequenzen

Der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde wird normativ definiert. Daher
kann durchaus bereits in den Begriffsinhalt einbezogen werden, dass die Motive
entscheidend sind, aus denen die staatlichen Behörden verdeckte Ermittlungsmaß-
nahmen durchführen. Der Begriff „Verletzungen der Menschenwürde“ teilt daher
nicht die Voraussetzungen des modernen Eingriffsbegriffs.

Beispiel 24 So wird der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde nicht verletzt,
wenn ein Polizeibeamter auf einen Angreifer schießt, um diesen kampfunfähig zu
machen. Das gilt selbst dann, wenn er dabei die absehbare Folge einer zu qualvol-
lem Siechtum führenden Verletzung des Angreifers in Kauf nimmt. Er will dabei

gen, begründet unabhängig von weiteren noch so lauteren Absichten allein die Missachtung der
Menschenwürde.
250
Vgl. unten § 23, I, 2.
251
Vgl. dazu unten § 15, IV, 4.
IV. Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG 161

die schwere Folge möglichst vermeiden. Würde der Beamte den Angreifer aber mit
Absicht in diesen Zustand versetzen, um ihn zu erniedrigen und zu quälen, wäre das
eine Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde.

Die Finalität ist also insoweit das entscheidende Kriterium. Auch ist eine Über-
wachung sehr intimer menschlicher Verhaltensweisen zur Strafverfolgung gestattet,
wenn nicht schon sicher abzusehen ist, dass es sich um kernbereichsrelevantes
Verhalten handelt und die Behörden alles tun, um ein solches Verhalten nicht wahr-
zunehmen und gegebenenfalls dennoch gewonnene Erkenntnisse löschen.
Der Anspruch auf Achtung der Würde wird daher auch nicht schon deshalb ver-
letzt, weil der Staat in die Privatsphäre des Einzelnen eindringt oder ihm Leid252
antut. Der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde ist nur verletzt, wenn dar-
in die Verachtung des Einzelnen in seinem menschlichen „Sosein“ zum Ausdruck
kommt.
Art. 1 Abs. 1 GG betrifft nicht nur den Einzelnen und dessen individuellen An-
spruch auf Achtung seiner Würde. Sondern es geht auch um die Würde des Staates
als Organ des Volkes und die Menschenwürde als „Wert an sich“, um der abstrak-
ten Gefahr des Rückfalls der Gesellschaft in die Barbarei vorzubeugen. Stehen die
staatlichen Behörden vor der Entscheidung, die persönliche Würde zu missachten,
um andere wichtige Interessen zu schützen, verlangt dies somit von den Behörden
„heroische Zurückhaltung“, weil selbst der Bestand des Staates und das Leben und
die Würde der übrigen Bürger es nicht wert sind, die Menschenwürde auch nur ei-
nes Einzelnen zu verletzen. Dahinter steht die Einstellung: Wir gehen lieber in Ehre
(Würde) unter, als Menschen wie Tiere zu behandeln und so selbst einander zu Tie-
ren zu werden.253 Mit der Achtung der Menschenwürde ist daher auch eine Absage
an eine reine Nützlichkeitsethik verbunden.

4. Zwischenergebnis zur Kernbereichslehre

Für die Praxis der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ergibt sich


aus der Kernbereichslehre, dass der „ermittlungsfeste“ Kernbereich der privaten Le-

252
So ist etwa die Auslieferung eines Bürgers an Terroristen, die diesen foltern und töten wollen,
nicht gestattet, auch wenn diese damit drohen, ein Atomkraftwerk zu sprengen. Vgl. auch zur Ver-
fassungswidrigkeit des Luftsicherheitsgesetzes BVerfGE 115, 118, 159: „Unter der Geltung des
Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (Menschenwürdegarantie) ist es schlechterdings unvorstellbar, auf
der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart
hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten.“
253
Vgl. Hobbes, Vom Menschen, Vom Bürger, S. 69, der den Rückfall in den Naturzustand mit
dem Vergleich, „der Mensch wird des Menschen Wolf“, beschreibt. Gerade diesen Naturzustand
möchte Hobbes um jeden Preis vermeiden. Jenseits des Staates, den er mit menschlicher Zivi-
lisation gleichsetzt, droht der Mensch nur als Tier zu agieren. Die Menschenwürde des jeweils
anderen wird nicht mehr geachtet, da er nur als Objekt der Bedürfnisbefriedigung oder zu meiden-
der bzw. bekriegender Ressourcenkonkurrent gesehen wird. Der Ausspruch „homo homini lupus“
ist ursprünglich ein Zitat des Römischen Komödiendichters Plautus.
162 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

bensgestaltung das ist, was objektiv als intim, privat oder vertraulich angesehen
wird und was erkennbar nach dem zumindest schlüssig ausgedrückten subjektiven
Dafürhalten zusätzlich vertraulich bleiben soll, ohne die öffentliche Sphäre zu be-
rühren. Was aber außerhalb von Vertrauensverhältnissen geäußert wird, gehört nicht
zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung.
Zum geschützten Kernbereich können bestimmte Verhaltensweisen gehören, wie
beispielsweise die Beichte über persönliche Schuld vor einem Geistlichen. Dies
trifft aber auch auf in ihrer Einzelheit unerhebliche Verhaltensweisen zu, die in
ihrer Zusammenschau ein „Bewegungsprofil“ und daher ein Persönlichkeitsprofil
liefern, womit die Lebenswelt des Betroffenen „durchleuchtet“ werden kann.
Zufällige Beobachtungen kernbereichsrelevanten Verhaltens sind keine Verlet-
zung des Achtungsanspruchs der Menschenwürde. Der Staat darf aber unter kei-
nen Umständen zielgerichtet Verhaltensweisen aus dem Kernbereich beobachten.
„Fahrlässige“ und „bedingt vorsätzliche“ Beobachtungen sind durch ein Schutzkon-
zept zur Risikominimierung möglichst zu vermeiden. So kann etwa ein Gespräch
unerwartet sehr private Wendungen nehmen, das im Rahmen einer Telekommuni-
kationsüberwachung nach § 100a StPO oder einer akustischen Überwachung des
Betroffenen in einem Park gemäß § 100f StPO aufgezeichnet wird. Wie dieses
Schutzkonzept gestaltet werden muss, ist eine Frage der konkreten Regelungen in
der StPO und wird an anderer Stelle dieser Arbeit erörtert.254

V. Das Nemo-tenetur-Prinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG

Neben dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist auch dann eine Miss-
achtung der Menschenwürde gegeben, wenn der Betroffene mit Zwang oder
Täuschung seitens der Ermittlungsbehörden dazu zu bewegt wird, sich selbst zu
belasten („Nemo-tenetur-Prinzip“).255 Das Verbot der Pflicht bzw. des Zwangs zur
Selbstbelastung wird durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen umgangen. Auch
Täuschungen und Gewaltanwendungen sind nicht notwendig, wenn man die Äu-
ßerungen des Betroffenen heimlich ausspähen kann. Insbesondere hinsichtlich sog.
„Hörfallen“256 wird das Nemo-tenetur-Prinzip diskutiert.

1. Das Nemo-tenetur-Prinzip in der Rechtsprechung des BVerfG

Das BVerfG geht ebenso wie die h. L. davon aus, das das Nemo-tenetur-Prinzip in
der Verfassung verankert ist. Das BVerfG hat im sog. Gemeinschuldnerbeschluss
ausführlich dargelegt, dass der Zwang sich selbst zu belasten sowohl gegen das

254
Siehe unten § 15.
255
Eisenberg, JR 2011, S. 407.
256
Vgl. dazu unten § 34, III.
V. Das Nemo-tenetur-Prinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG 163

hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch gegen das Grundrecht auf
allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 verstößt und außerdem die Men-
schenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) des Betroffen missachtet.257 Ein gegenüber den
bisherigen Ausführungen „neues Grundrecht“ ergibt sich danach also nicht.
Das BVerfG hat aber keinen kategorischen Verstoß heimlicher ÜQberwachungs-
aufnahmen gegen das verfassungsrechtliche Nemo-tenetur-Prinzip angenommen.
Das Nemo-tenetur-Prinzip wird zum Beispiel in der Tonband-Entscheidung258 nur
am Rande mit der Erwähnung des § 136 StPO gestreift. Für das BVerfG ist es
offenbar keine maßgebliche verfassungsrechtliche Kategorie für verdeckte Ermitt-
lungsmaßnahmen:
„Den bei einer solchen Abwägung schutzwürdigen Belangen des Beschuldigten trägt die
Strafprozeßordnung unter anderem dadurch Rechnung, daß sie ihn nicht zwingt, gegen sich
selbst auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Schutzwürdig ist aber der Beschuldigte
auch, wenn eine ohne sein Wissen auf Tonband festgehaltene Äußerung im Strafverfahren
gegen ihn verwendet werden soll. Damit ist allerdings noch nicht ausgeschlossen, daß in
Fällen, wo überwiegende Interessen der Allgemeinheit dies zwingend gebieten, auch das
schutzwürdige Interesse des Beschuldigten an der Nichtverwertung einer heimlichen Ton-
bandaufnahme zurücktreten muß.“259

2. Das Nemo-tenetur-Prinzip in der Rechtsprechung der BGH und


der Literatur

Der große Senat des BGH hat entschieden, dass die Freiheit von Zwang den Gegen-
stand des Nemo-tenetur-Prinzips ausmacht. In der Literatur wird ebenfalls mehr-
heitlich vertreten, dass nur Zwang oder List, die im Gegensatz zu verdeckten Ermit-
tungsmaßnahmen eine aktive Selbstbelastung des Betroffenen bewirken, gegen das
Nemo-tenetur-Prinzip verstoßen.260 Ellenbogen schließt aus diesem Grundansatz,
dass Nemo-tenetur-Prinzip könne nicht rein zwangsbezogen sein, da sonst verdeck-
te Ermittlungen generell unzulässig seien.261
Eine abweichende Ansicht sieht die Entscheidungsfreiheit des Beschuldigten,
in einem Strafverfahren gegen ihn mitzuwirken, in einem umfassenden Sinn ge-
schützt.262 Der 3. Senat des BGH nimmt einen Verstoß gegen das Nemo-tenetur-
Prinzip an, wenn ein Verdeckter Ermittler einen Beschuldigten unter psychischen

257
BVerfGE 56, 37, 43.
258
BVerfGE 34, 238.
259
BVerfGE 34, 238, 249, in dieser Entscheidung ging es allerdings um eine Aufnahme, die auf
eigene Initiative eines nicht betroffenen Privatmanns gefertigt wurde.
260
Jäger, Beweisverfahren und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 164 f.; Krey, Son-
derband der BKA Forschungsreihe 1993, Rdn. 169; Meyer-Goßner, StPO50 , Einl. Rdn. 29a; Rogall
in: SK-StPO, Vor § 133 Rdn. 139 f.; Hellmann, Rdn. 444; vgl. auch die Darstellung bei Verrel,
NStZ 1997, S. 361, 415.
261
Ellenbogen, Kriminalstatistik 2006, S. 547.
262
Engländer, ZIS (www.zis-oline.com); Kühne, Rdn. 904 f.; Eidam, S. 82 ff.; Eisenberg, Beweis-
recht der StPO: Spezialkommentar, Rdn. 571a; Roxin, NStZ 1997, S. 19; Weßlau, ZStW, Bd. 110,
164 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Druck setzt und so zu einer selbstbelastenden Aussage bringt. Entscheidend ist da-
nach, ob die Befragung vernehmungsähnlich ist.263 Engländer generalisiert dies
über den Fall hinaus, dass sich der Beschuldigte den Behörden gegenüber bereits
auf sein Schweigerecht berufen hat.264 Es gehe um die kommunikative Autono-
mie. Diese sei durch das Nemo-tenetur-Prinzip geschützt und das sei auf Verfas-
sungsebene angesiedelt.265 Welche Bedeutung die verschiedenen verfassungsrecht-
lichen Vorgaben bei der Konkretisierung des Nemo-tenetur-Prinzips haben, bleibt
bei alledem undeutlich.266 Die Positionen zum Nemo-tenetur-Prinzip sind „diver-
gierend“.267

3. Eigene Ansicht zum Nemo-tenetur-Prinzip

In der Literatur wird versucht, das Verbot einer Selbstbelastungspflicht vor staatli-
chen Behörden bzw. in vernehmungsgleichen Situationen, in das Verbot einer unbe-
wussten Selbstbelastung im Rahmen verdeckter Ermittlungen umzudeuten. Dies ist
nicht ohne weiteres möglich. Es sei denn, man ist bereit, die Konsequenz zu ziehen
und auf verdeckte Ermittlungsmaßnahmen ganz zu verzichten.
Die Antwort kann nicht allein aus „rechtsstaatlichem Vorverständnis“ entnom-
men werden. Sie muss von Art. 1 Abs. 1 GG und den nachfolgenden Grundrechten
ausgehend im Verbund mit allen in Betracht kommenden allgemeinen Grundsätzen
aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet werden. Danach ist entscheidend, ob die
entsprechenden Regelungen der StPO das Grundrecht auf Freiheit von Einschüch-
terung aus Art. 2 Abs. 1 GG in bestimmter und verhältnismäßiger Weise beschrän-
ken, ohne den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung zu verletzen. Auch
das Nemo-tenetur-Prinzip ist eine Ausprägung des Art. 1 Abs. 1 GG (i. V. m. dem
Rechtsstaatsprinzip). Nach hier vertretener Ansicht ist das Nemo-tenetur-Prinzip
als Verfahrensgrundsatz aber bereits begrifflich überfordert, die Erkenntnisse zur
grundrechtsbeeinträchtigenden Dimension der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen
aufzunehmen, da die in diesem Prinzip implizierte Freiheit von Handlungszwang –
„niemand muss sich belasten“ – nicht durch die verdeckten Maßnahmen beein-
trächtigt wird. Das Nemo-tenetur-Prinzip ist auf Maßnahmen beschränkt, die durch
ihren Einfluss eine aktive Selbstbelastung bewirken.268 Gleiches muss für ein Täu-
schungsverbot gelten.

S. 1; Renzikowski, JZ, Bd. 52, 1997, S. 710, 714 sieht es als Bestandteil des Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung.
263
BGHSt 52, 11.
264
Engländer, ZIS (www.zis-oline.com), S. 166; so ähnlich schon Esser, JR 2004, S. 106.
265
Engländer, ZIS (www.zis-online.com), S. 166.
266
Als einer der wenigen setzt sich Bosch, S. 27 ff. mit den verfassungrechtlichen Grundlagen
auseinander. Vgl. auch Rogall in: Wolter, SKStPO, Vor § 133 Rdn. 132.
267
Engländer, ZIS (www.zis-oline.com), S. 166; Weßlau, ZStW Bd. 110, S. 10.
268
Vgl. zu den eigenen Ansätzen unten § 30 und § 34 und zum grundsätzlichen Unterschied zwi-
schen verdeckten Maßnahmen und Zwang zur Selbstbelastung.
V. Das Nemo-tenetur-Prinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG 165

Der Unterschied zwischen nur in Ausnahmefällen die Menschenwürde miss-


achtenden verdeckten Ermittlungsmaßnahmen und von vornherein indiskutablen
Methoden wie Folter und Täuschung (Fälle des § 136a StPO) besteht darin, dass der
Staat bei diesen Methoden den Betroffenen zu einer bestimmten, dem Subjekt selbst
unerwünschten Handlung veranlasst. Bei verdeckter Beobachtung hat letztlich der
Betroffene die Kontrolle über seine Äußerungen, er wird nicht durch staatliche
Maßnahmen veranlasst, sich zu kompromittieren.269 Die Achtung der Menschen-
würde verlangt keinen generellen Schutz vor Selbstbelastung.270 Der durch Ein-
schüchterungseffekte erzeugte Druck, nichts Belastendes zu sagen, ist ethisch we-
niger problematisch als der Druck, sich selbst zu belasten. Das Dogma der Selbst-
belastungsfreiheit wird nicht relativiert, da die besonders verwerfliche manipulative
Instrumentalisierung des Einzelnen zu seinem eigenen Schaden nicht gegeben ist.
Eine völlige Ächtung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen wäre auch im Ver-
gleich zur Verwertung von Zeugenaussagen nicht nachvollziehbar. Die Gefahr, dass
ein Betroffener aufgrund einer falschen Zeugenaussage zu Unrecht verurteilt wird,
kann im Einzelfall wesentlich größer sein als die Gefahr, dass er durch verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen zu Unrecht verurteilt wird. Neben Sachbeweisen271 liefern
verdeckte Ermittlungsmaßnahmen trotz der bereits ausführlich dargestellten Nach-
teile für die Grundrechte des Betroffenen einen objektiven Beitrag zur Ermittlung
der Wahrheit.
Das Nemo-tenetur-Prinzip ist daher auf die verdeckten nur überwachenden Maß-
nahmen wie zum Beispiel §§ 100a, 100c, 100f StPO nach alledem nicht anzu-
wenden. Für den Bereich der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
kommt es danach nur für solche Maßnahmen in Betracht, die eine gemischte beob-
achtende und veranlassende Funktion haben. Dies ist der später noch genauer zu un-
tersuchende Einsatz von Verdeckten Ermittlern und von V-Personen.272 Weil diese
Maßnahmen verdeckt erfolgen und gleichzeitig veranlassend wirken, spricht alles
dafür, dass diese Maßnahmen auf einer natürlichen Betrachtungsebene belasten-
der als die „nur“ beobachtenden verdeckten Maßnahmen sind. Diese Kombination
aus Veranlassung und Heimlichkeit muss aber auch hinsichtlich der veranlassen-
den Wirkung eine bestimmte Qualität haben, die sonst bei offenen Maßnahmen zur
Verletzung des Nemo-tenetur-Prinzips führt. Insoweit ist die Heimlichkeit auszu-
klammern. Für die Verletzung der Selbstbelastungsfreiheit muss durch den (ver-
deckten) Ermittler ein psychischer Druck aufgebaut werden, der der Belastung in
einer staatlichen Vernehmungssituation entspricht. Entsprechendes gilt für die Täu-
schungen, die der Ermittler bzw. die V-Person ausführt. Die Täuschung ist darum
eine Missachtung der Menschenwürde, weil der Staat mit seiner Autorität einen
größeren Glauben in die Verlässlichkeit seiner amtlichen Aussagen hervorruft, als

269
Vgl. aber die später zu behandelnde besondere Problematik des Verdeckten Ermittlers § 30.
270
So schon Fischer, S. 95 ff.; Starck in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Rdn. 51; Möller, JZ
2005, S. 317.
271
Überwachungsprotokolle oder -aufnahmen werden sogar als Sachbeweis bezeichnet, vgl. (Stel-
lungnahme der Bayerischen Staatsregierung)Vormbaum, S. 47.
272
Vgl. unten § 30, I, 3 und ausführlich an diese Ausführungen anknüpfend § 34, III, 2.
166 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

wenn ein Privatmann, der nicht unmittelbar dem Gemeinwohl verpflichtet ist, ein
Versprechen abgibt. Indem der Staat einen Verdeckten Ermittler einsetzt, täuscht er
nicht aktiv, da er dieses Vertrauen gar nicht in Anspruch nimmt. Der Einsatz eines
Verdeckten Ermittlers hat nicht den Erklärungswert: „Ich, der Staat, verspreche dir,
Bürger, dies hier ist eine Zivilperson.“ Dieses Faktum wird gerade verschleiert. Für
eine Täuschung mit Autorität durch den verdeckten Beamten bzw. die V-Person
bleibt daher grundsätzlich kein Raum. Nur wenn der Verdeckte Ermittler solche
psychische Macht über den Betroffenen erlangt, dass sie einem staatlichen Einfluss
gleichkommt, ist eine Verletzung des Nemo-tenetur-Grundsatzes möglich.
Wenn ein verdeckter Ermittler in einer Wohnung aktiv am Leben des Betroffenen
teilnimmt, kann damit nach hier vertretener Ansicht unter besonderen Ausnah-
meumständen ein Eingriff erfolgen, der den Betroffenen noch stärker belastet als
eine akustische Wohnraumüberwachung:

Beispiel 25 X ist ein Verdeckter Ermittler und beginnt mit der Verdächtigen Y ein
Liebesverhältnis. Er erfährt so Details aus dem Kernbereich ihrer privaten Lebens-
gestaltung. Zudem sorgt der attraktive X dafür, dass Y ihm geradezu hörig wird.
Als Y bereits psychisch von X abhängig geworden ist, droht er ihr, sie zu verlassen,
wenn Sie kein Geständnis hinsichtlich der verfolgten Tat ablegt.

VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG

Neben den erörterten Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ist Art. 10 GG für die
verdeckten Ermittlungsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung. Diese Bestim-
mung ist ein Beleg dafür, dass der Verfassungsgeber heimliche Beobachtungen als
Grundrechtseingriffe sieht, weil das Geheimnis der Fernkommunikation ausdrück-
lich als geschütztes Grundrecht genannt wird. Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 1 GG
muss für einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG daher keine Beeinträch-
tigung der Handlungsfreiheit erfolgen. In den Schrankenregelungen unterscheiden
sich Art. 10 und Art. 2 Abs. 1 GG allerdings nicht. Die wichtigen Vorschriften
der Postbeschlagnahme (§§ 94, 99 StPO), der Telekommunikationsüberwachung
(§ 100a StPO) und der zugehörigen Erhebung von Verkehrsdaten (§ 100g StPO)
sowie die Regelung des „IMSI-Catchers“ (§ 100i StPO) und eventuell auch andere
Regelungen (§§ 100f, 100h und 163f StPO) greifen in dieses Grundrecht ein, was
im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu untersuchen sein wird.273
Nach der h. M. ergibt sich heute aus Art. 10 GG ein „einheitliches Grundrecht“,
das die „Vertraulichkeit individueller Kommunikation schützt, die wegen ihrer
räumlichen Distanz, auf Übermittlung durch Dritte angewiesen ist.“274 Dennoch
sind die in Art. 10 Abs. 1 GG genannten Gewährleistungen nach subjektiv-
historischer Auslegung einzeln zu behandeln, soweit sie Besonderheiten aufweisen.

273
Vgl. unten Fünfter Teil.
274
Thomas Böckenförde, S. 400; vgl. auch Jarass/Pieroth, Art. 10 Rdn. 6.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 167

Auch die h. M. beschreibt die Gewährleistungen trotz der erkannten Gemeinsamkeit


getrennt.275

1. Umfang des Schutzbereichs

Geschützt ist gemäß Art. 10 Abs. 1 GG mit allen drei Gewährleistungen das Ge-
heimnis der Fernkommunikation. Dieser spezielle Geheimnisschutz schützt nicht
vor jeder zurechenbaren Einflussnahme, sondern den Inhalt der vertraulichen Fern-
kommunikation vor Kenntnisnahme durch den Staat.276

a) Briefgeheimnis

Das Briefgeheimnis schützt jede Sendung, mit der erkennbar eine individuel-
le schriftliche Mitteilung transportiert wird, vor inhaltlicher Kenntnisnahme durch
den Staat. Darunter fallen auch Telegramme, Pakete und Päckchen, denn es soll aus-
reichen, dass die Sendung individuelle schriftliche Mitteilungen enthalten kann.277

b) Postgeheimnis

Postgeheimnis schützt auch solche Sendungen vor unbefugter Kenntnisnahme


durch den Staat, die keine individuellen schriftlichen Mitteilungen enthalten.278 Das
Postgeheimnis schützt in seiner ursprünglichen Bedeutung vor der Kenntnisnahme
der privaten Kommunikationsinhalte durch die staatliche Post und deren Weiterga-
be an den Staat.279 In gleicher Weise wie bisher die Staatspost280 sind nach wie vor
Postdienstleister verpflichtet, das Grundrecht zu beachten.281 Nach dem Ursprung

275
Pieroth/Schlink, Rdn. 826 f.
276
Zum Schutzbereich im Detail, vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 826 ff.
277
Pieroth/Schlink, Rdn. 829 f.
278
Pieroth/Schlink, Rdn. 835.
279
Vgl. 3. unter § 2, I.
280
BVerfGE 67, 157, 172.
281
Vgl. Badura in: Dolzer/u. a., Art. 10 Rdn. 31. Anders die h. M. Hermes in: Dreier, GG2 ,
Art. 10 Rdn. 28; Pieroth/Schlink, Rdn. 836 m. w. N., die aber über das Argument, „private Be-
förderer gehören nicht zum Staat“ kaum hinaus kommt. Für eine Wirkung auch zu Lasten der
privaten Dienstleister spricht die Herkunft des Postgeheimnisses, das in der Verfassungsgeschich-
te ursprünglich als gesondertes Recht gegen den privaten Postdienstleister vom gegen den Staat
gerichteten Briefgeheimnis getrennt war, vgl. oben. Durch die Privatisierung der Staatspost wird
also gleichsam die historische Funktionsverteilung wiederhergestellt, die der originären Bedeu-
tung des Postgeheimnisses in der Verfassungstradition entspricht.
168 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

des Grundrechts gehören dazu auch die nunmehr privaten Telekommunikations-


und Postdienstleister.282

c) Fernmeldegeheimnis (Telekommunikationsgeheimnis)

Art. 10 GG gewährleistet mit dem Fernmeldegeheimnis den Schutz jeglicher Te-


lekommunikation. Geschützt ist in erster Linie der Inhalt der Telekommunikation
vor heimlicher Kenntnisnahme durch den Staat, unabhängig davon, ob es sich um
E-Mails, Telefonate, SMS, Telefax-Nachrichten oder sonstige Formen handelt. Das
BVerfG beschreibt den Schutzbereich im Hinblick auf die oben genannte abstrakte
Gemeinsamkeit der über Dritte vermittelten Fernkommunikation:
„Der Gewährleistungsgehalt des Art. 10 Abs. 1 GG hat einen formalen Anknüpfungspunkt.
Erfasst sind alle Kommunikationsvorgänge, die sich der Telekommunikationstechnik unter
Nutzung einer entsprechenden Anlage und der darauf bezogenen Dienstleistungen eines
Dritten bedienen. Der Schutz richtet sich gegen Eingriffe in die durch die Telekommuni-
kationsanlage übermittelte Kommunikation. Geschützt ist die Vertraulichkeit der Nutzung
des zur Nachrichtenübermittlung eingesetzten technischen Mediums.“283

Die Kommunikation ist jedenfalls dann vom Schutzbereich umfasst, wenn sich die
entsprechenden Signale auf dem Übertragungsweg befinden. Dieser Weg, seien
es Leitungen, Funkfrequenzen oder Satellitensignale, gehört in der Regel Dritten
und ist dem Einfluss des Einzelnen entzogen. Daher wird der Schutz dieses Be-
reichs durch Art. 10 Abs. 1 GG besonders hervorgehoben. Dies kann als gesicherter
Grundbestand des Art. 10 GG gelten. Im Einzelnen bestehen aber verschiedene
Abgrenzungsprobleme zu anderen Grundrechten, insbesondere zum Recht auf all-
gemeine Handlungsfreiheit.

aa) Grundsätzliche Beschränkung auf laufende Kommunikation

Das BVerfG grenzt den oben umrissenen inhaltlichen Schutzbereich des Telekom-
munikationsgeheimnisses grundsätzlich formal danach ab, ob ein laufender Kom-
munikationsvorgang stattfindet.284

282
Nicht nur die Organisation erfolgt privatrechtlich, sondern auch die Anteilsmehrheit der Unter-
nehmen liegt inzwischen bei Privaten. Zur Bedeutung für die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen,
vgl. unten § 8, VI, 3, b).
283
BVerfGE 106, 28, 37.
284
BVerfGE 115, 166.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 169

bb) Verkehrsdaten

Die technischen Daten (Verkehrsdaten nach § 3 Nr. 30 TKG) der Telekommunikati-


on und die zugehörigen personenbezogenen Daten (Bestandsdaten gemäß § 3 Nr. 3
TKG),285 werden ebenfalls vom Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnis-
ses erfasst. Denn aus diesen Daten lässt sich erschließen, wer, wann, wie lange den
überwachten Anschluss genutzt hat oder von ihm aus angerufen wurde:
„Geschützt ist vielmehr auch die Vertraulichkeit der näheren Umstände des Kommuni-
kationsvorgangs, zu denen insbesondere gehört, ob, wann und wie oft zwischen welchen
Personen oder Telekommunikationseinrichtungen Telekommunikationsverkehr stattgefun-
den hat oder versucht worden ist [. . . ]. Ein Grundrechtseingriff ist jede Kenntnisnahme,
Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten sowie jede Auswertung ihres
Inhalts oder sonstige Verwendung durch die öffentliche Gewalt.“286

Dies gilt auch, wenn sie von der eigentlichen Kommunikation getrennt und bereits
abgesondert gespeichert sind. Zu den Verkehrsdaten gehören nach § 3 Nr. 30 TKG:
 der in Anspruch genommene Telekommunikationsdienst
 die Nummer oder die Kennung der beteiligten Anschlüsse (Anrufer und Ange-
rufener)
 personenbezogene Berechtigungskennungen
 die Kartennummer (bei Verwendung von Kundenkarten)
 eventuelle Standortdaten (bei Mobiltelefonen)
 Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung (Datum und Uhrzeit)
 die übermittelten Datenmengen
Die Telekommunikationsverkehrsdaten verlieren den Schutz durch Art. 10 GG
nicht dadurch, dass bereits eine staatliche Stelle von ihnen Kenntnis erlangt hat.
Das Grundrecht fordert eine klare Zweckbindung. Auch die Weitergabe der Da-
ten und Informationen an weitere Stellen ist daher ein Eingriff.287 § 100g StPO
lässt die Erhebung aller Verkehrsdaten unter Bestimmten Voraussetzungen zu. Ein
großer Teil der Regelungsmaterie des (nur im Bezug auf Vorratsdaten teilnichtigen)
§ 100g StPO fällt also trotz digitaler Informationstechnik unter Art. 10 GG. Denn
die meisten Verkehrsdaten sind dynamischer Natur, haben direkte Verbindung zu
Kommunikationsinhalten, wie zum Beispiel Identität der Teilnehmer oder Dauer
und Ort des Gespräches. Nur die mittelbar mit der Kommunikation verbundenen
Daten, insbesondere die Ortskoordinaten der Mobiltelefone, die im Standbybetrieb
aktuell gerade nicht zur Kommunikation verwendet werden, gehören nicht in den
Schutzbereich.

285
Eine Doppelnatur haben insoweit statische IP-Adressen, die sowohl Verkehrs- als auch
Bestandsdaten sind. Denn mit diesen Daten lässt sich ein konkreter Computer und dessen wahr-
scheinlicher Inhaber bestimmten. Dynamische IP-Adressen sind nur Verkehrsdaten, soweit eine
solche Zuordnung nicht erfolgen kann.
286
BVerfGE 125, 260, 309.
287
BVerfGE 125, 260, 333.
170 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

cc) Vertrauen in die Person des Gesprächspartners

Aus dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 10 GG wird das Vertrauen in
die Person des Gesprächspartners ausgeschlossen. Ein solches Vertrauen unterliegt
nach Auffassung des BVerfG keinem Grundrechtsschutz.288 Dies gilt nach dem
BVerfG auch dann, wenn nur einer der beteiligten Kommunikationsteilnehmer auf
staatliche Initiative hin die Strafverfolgungsbehörden am Endgerät mithören lässt.
Dies wird damit begründet, dass das Telekommunikationsgeheimnis das personen-
gebundene Vertrauen der Kommunikationsbeteiligten zueinander nicht schützt.289
Noch konkreter wird das BVerfG für den Fall der Internetkommunikation:
„Dagegen ist ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG zu verneinen, wenn etwa ein Teilnehmer
eines geschlossenen Chats der für die Verfassungsschutzbehörde handelnden Person seinen
Zugang freiwillig zur Verfügung gestellt hat und die Behörde in der Folge diesen Zugang
nutzt. Erst recht scheidet ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis aus, wenn die
Behörde allgemein zugängliche Inhalte erhebt, etwa indem sie offene Diskussionsforen
oder nicht zugangsgesicherte Webseiten einsieht.“290

Freiwillig ermöglichte Kommunikationsüberwachung ist kein Eingriff in das Recht


aus Art. 10 GG.291
Sachlich liegt nur in dem Falle ein besonderes Kommunikationsschutzbedürfnis
vor, in dem die Angriffspunkte der Übertragungstechnik durch den Staat oder die
Telekommunikationsdiensteanbieter ausgenutzt und missbraucht werden können.
Denn eine tatsächliche – nicht rechtliche – Schutzlosigkeit besteht nur, wenn Kom-
munikationsdaten übertragen werden. Dann hat der Einzelne seine Äußerungen der
von ihm unkontrollierbaren Gewalt des Telekommunikationsdiensteanbieters über-
geben. Art. 10 GG bewahrt den Betroffenen nur davor, dass der Staat sich des
Informationsmittlers bemächtigt oder sich sonst Zugang zu dessen Übertragungs-
wegen verschafft.

288
Dies kann das BVerfG freilich nicht durchhalten, denn wenn der Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung betroffen ist, ist auch nach dem BVerfG jede absichtliche Überwachung eine
Missachtung der Menschenwürde, gerade weil persönliches Vertrauen schutzwürdig ist, vgl. § 8,
IV, 2, a), aa); BVerfGE 109, 279, 321. Nach hier vertretener Auffassung gehört dieses Vertrauen,
auch wenn es nicht sehr privaten Inhalte betrifft, zum Schutzbereich des Grundrechts auf Freiheit
von Einschüchterung. Die „Alles-oder-Nichts-Lösung“ (Missachtung der Menschenwürde bei der
Eindringen in höchst private Vertrauensbeziehungen, aber kein Grundrechtsschutz bei darüber hin-
ausgehendem Ausforschen von Kommunikation in Vertrauensbeziehungen) überzeugt nicht.
289
BVerfGE 120, 274, 340 f.
290
BVerfGE 120, 274, 341.
291
Dass dies Vorgehen aber auch nicht in andere Grundrechte eingreifen soll, ist höchst fraglich.
Jedenfalls wenn der Staat an eine Kontaktperson herantritt und diese freiwillig staatlicher Überwa-
chung zustimmt, kommt nach hier vertretener Ansicht ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung in Betracht. Denn diese Privatperson ist nur Vermittler eines Zugriffs, der
dem staatlichen Verantwortungsbereich zugerechnet werden muss, siehe oben § 8, III, 6. Dieses
spezielle Problem wird unten unter im Detail behandelt.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 171

2. Abgrenzung des Telekommunikationsgeheimnisses gemäß


Art. 10 GG zum „Computergrundrecht“ aus Art. 2 Abs. 1 GG

Nur weil keine Telekommunikation stattfindet, weil etwa die Verbindung unterbro-
chen ist und der Betroffene weiter redet, ist der Einzelne mit seinem Verhalten
aber noch nicht schutzlos vor Überwachung. Faktisch kann eine Überwachung über
den Telekommunikationsdiensteanbieter dann nicht mehr stattfinden. Eine Über-
wachung durch technische Manipulation des Endgeräts und die Aufzeichnung der
Spracheingabe kann aber durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt werden. Das Recht
auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in der Form des Rechts
auf Freiheit von Einschüchterung dient insoweit als Auffanggrundrecht. Insoweit
kommt wegen der technischen Ablösung von sog. „Abhörwanzen“ durch die ein-
gangs dieser Arbeit geschilderten „Trojaner“ die Fallgruppe des „Computergrund-
rechts“ in Betracht. Auf einer abstrakten Metaebene ist aber auch der Schutzbe-
reich des Art. 10 Abs. 1 GG ein Ausschnitt aus dem Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung. Art. 10 GG wäre dann Spezialfall eines übergeordneten „Super-
grundrechts“. Das BVerfG formuliert dies so:
„Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gewährleisten die freie Entfaltung der Persönlich-
keit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Informationen
und schützen damit zugleich die Würde des Menschen.“292

Damit steht das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in einem „Ergänzungsver-


hältnis“293 zu den Grundrechten aus Art. 10 GG. Art. 10 GG enthält eine spezielle
Garantie, die bezogen auf den Fernmeldeverkehr die allgemeine Gewährleistung
des Rechts auf Freiheit von Einschüchterung verdrängt. Der Eingriff ist nur dann
an Art. 10 GG festzumachen,294 wenn Brief- oder Telekommunikation unmittel-
bar betroffen sind. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt die
außerhalb der Kommunikation mit technischen Mitteln liegenden Verhaltenswei-
sen. Auf eine genaue Abgrenzung des Schutzbereichs der Grundrechte aus Art. 10
GG gegen den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG kommt es
kaum an. Denn hinsichtlich der Bestimmung der Schranken, die der Gesetzgeber
einhalten muss, unterscheiden sich die Grundrechte nicht. Beide Grundrechte ste-
hen unter einfachem Gesetzesvorbehalt, so dass die wesentlichen Fragen nach der
Verfassungsmäßigkeit staatlicher Maßnahmen im Rahmen der Grundsätze der „Be-

292
BVerfGE 115, 166.
293
BVerfGE 115, 166, 188 f.
294
Unruh, S. 12.
172 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

stimmtheit“ und „Verhältnismäßigkeit“ beantwortet werden müssen.295 Die Frage,


warum trotzdem eine Abgrenzung nötig ist, wird aber nicht gestellt.296
Diese Abgrenzung ist aber weiterhin aus Gründen der Effizienz der Rechtsan-
wendung nötig, da im Gegensatz zu Eingriffen in Art. 10 GG ein Eingriff in die
allgemeine Handlungsfreiheit durch verdeckte Beobachtungen besonders begrün-
det werden muss.297
Bei der Fernkommunikation bestehen außerdem sachliche Besonderheiten, die
eine an die Überwachung im Herrschaftsbereich der Post- und Telekommunika-
tionsdiensteanbieter angepasste Behandlung im Grundgesetz bedingen, die über
die Anwendungseffizienz und eine formale Klarstellungsfunktion hinausgehen. Ein
den besonderen Verhältnissen der Fernkommunikation entsprechendes Schutzni-
veau ist auch das, was das BVerfG nur meinen kann, wenn es in der oben298 zitierten
Entscheidung von dem „speziellen Schutz des Fernmeldegeheimnisses“ und der
„besonderen Hürde“ des Art. 10 GG spricht. Gleiches gilt für eine Formulierung im
Urteil zum strafprozessualen Zugriff auf die Vorratsdatenspeicherung nach § 100g
StPO a. F.299 , in der das BVerfG von „spezifischer Berücksichtigung der Besonder-
heiten der durch eine vorsorgliche Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung
geschaffenen Datenbestände“300 redet. Der Schutzbereich indiziert also bei einem
Eingriff kein gegenüber dem allgemeinen Grundrecht auf Freiheit von Einschüchte-
rung besseres, sondern ein anderes, weil demgegenüber spezielles, Schutzkonzept.
Die Frage der Unterscheidung zwischen Telekommunikationsgeheimnis und
dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (Freiheit von Einschüchterung, Com-
putergrundrecht) muss daher insbesondere für die strittigen Fälle, die „Online-

295
Nach hier vertretener Ansicht ist das Grundrecht aus Art. 10 GG als spezielle Regelung des
Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung einzuordnen, da die Überwachung der Fernkom-
munikation wie jede heimliche Überwachung die oben beschriebenen Einschüchterungseffekte
hat. Für die Anforderungen an eine Rechtfertigung des Eingriffs ist nur ein Gleichlauf beider
Grundrechte konsequent. Die Identität der Schrankenregelungen erkennt auch das BVerfG in sei-
nen Entscheidungen zur E-Mail-Beschlagnahme und zur Vorratsdatenspeicherung, wenn es die
für das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelten „Maßgaben“ auf das spezi-
ellere Grundrecht aus Art. 10 GG überträgt, vgl. BVerfGE 124, 43, 56 f.; 125, 260, 310. Beide
Grundrechte sind gleichrangig (vgl. dazu § 9, II, 4, a)) und die Schrankendogmatik ist austausch-
bar. Daher ergibt die vom des BVerfG ausführlich begründete Unterscheidung zwischen Art. 10
GG und dem Computergrundrecht auf den ersten Blick keinen Sinn. Aulehner, S. 404 f. kritisiert
die verfassungsrechtliche Dogmatik allgemein. Das Herausgreifen eines singulären Grundrechts-
verhältnisses erfolge „gleichsam selbstverständlich“ und werde einer komplexen Situation aus
verschiedenen ranggleichen Grundrechts- und Verfassungspositionen oft nicht gerecht.
296
Das Urteil zur E-Mail Überwachung (BVerfGE 115, 166) setzt sich mit der Abgrenzung ein-
gehend auseinander. Für die Frage, wie stark das Schutzniveau für die Sicherung der jeweiligen
Grundrechte sein muss, ist die Bedeutung der Schutzbereichsunterscheidung zwischen Art. 10
GG und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die überragende Bedeutung des Verhält-
nismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
weitgehend nivelliert.
297
Dies ist hier ausführlich mit der Herleitung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung
gezeigt worden, vgl. oben § 8, III.
298
Siehe § 8, VI, 2, c).
299
Teilnichtig nach BVerfGE 125, 260.
300
BVerfGE 125, 260, 326.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 173

Durchsuchung“ und der Telekommunikationsüberwachung an der Quelle (Quellen-


TKÜ), geklärt werden. Bei der „Online-Durchsuchung“ wird der Datenspeicher
eines Computer mittels Trojaner durchsucht. Nur das Eindringen in den Computer
und das Ausleiten aus dem Computer hat insofern einen Bezug zu Telekommu-
nikation als zwar nicht der Betroffene, aber der manipulierende Staatstrojaner
Telekommunikation nutzt. Bei der „Quellen-TKÜ“ verhält es sich anders. Die
Eingabe des Betroffenen in das Endgerät wird (eventuell ebenfalls durch ein Tro-
janerprogramm) überwacht, kurz bevor die Daten durch den Betroffenen an die
Gegenstelle elektronisch übertragen werden.

a) Ansicht des BVerfG zur „Online-Durchsuchung“ und Art. 10 GG

Moderne Computer sind in den meisten Fällen zumindest zeitweise über Daten-
verbindungen mit dem Internet verbunden. Bereits das Aufrufen von einfachen
Internetseiten ist mit dem Senden und Empfangen von Informationen vom Com-
puter des Nutzer zum Server des Anbieters der Internetseite verbunden. Es handelt
sich also um durch Art. 10 GG geschützte Fernkommunikation. Die technisch ver-
mittelte Sprachkommunikation über Entfernungen entwickelt sich mehr und mehr
von der klassischen Telefonie hin zu Voice-over-IP-Verfahren.301 Sie verlagert sich
also vom klassischen Telefon zum Computer und zu Endgeräten, die sich direkt an
digitale Datenleitungen oder Funknetze anschließen lassen.
Das BVerfG hat diesbezüglich neue Gefahren ausgemacht, die durch Art. 10
Abs. 1 GG nicht erfasst werden und daher unter das Computergrundrecht fallen.
In diese Schutzlücke gehören die Infiltration und die Ausspähung des Computers
über Datennetze.302 Nach Ansicht des BVerfG fallen die Infiltration eines Compu-
tersystems mittels Trojanersoftware und die Ausspähung der gespeicherten Daten
im System nicht unter Art. 10 GG, wenn diese Daten nicht per Telekommunikation
übertragen werden. Dass die gespeicherten Daten per Telekommunikationsverbin-
dung ausgespäht werden, führt nicht zu einem Bruch des Fernmeldegeheimnisses:
„Hinsichtlich der Erfassung der Inhalte oder Umstände außerhalb der laufenden Telekom-
munikation liegt ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG selbst dann nicht vor, wenn zur Über-
mittlung der erhobenen Daten an die auswertende Behörde eine Telekommunikationsver-
bindung genutzt wird, wie dies etwa bei einem Online-Zugriff auf gespeicherte Daten der
Fall ist (vgl. Germann, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Internet, 2000, S. 497;
Rux, JZ 2007, S. 285 <292>).“303

Die Freiheit, nicht mit dem Staat per Internet zu kommunizieren, fällt nicht unter
Art. 10 GG. Eine negative Kommunikationsfreiheit ist nicht vom Schutzbereich
umfasst.

301
Auch „Internet-Telefonie“ genannt. Zu den technischen Hintergründen vgl. Bonnekoh, S. 26 ff.
und zu der Subsumtion unter das TKG ebenfalls Bonnekoh, S. 72 ff. Dies ist auch für die dyna-
mische Verweisung aus der StPO in das TKG bezüglich des derzeit teilnichtigen § 100g StPO
bedeutsam.
302
BVerfGE 120, 274, 308.
303
BVerfGE 120, 274, 308.
174 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

b) Eigene Ansicht

Der dargestellten Ansicht des BVerfG ist zuzustimmen. Eine heimliche Computer-
durchsuchung fällt dann nicht unter Art. 10 GG, wenn der Computernutzer nicht
mit einer anderen Person kommuniziert. Art. 10 Abs. 1 GG schützt nach seinem
Wortlaut nicht die generelle Telekommunikationsfreiheit, sondern das Telekom-
munikationsgeheimnis, also die Heimlichkeit der Kommunikation. Wenn der Be-
troffene nicht kommunizieren will, kann das Grundrecht folglich nicht betroffen
sein. Die Durchsuchung einer Festplatte oder eines RAM-Speichers greift nicht in
den Schutzbereich des Art. 10 GG ein, wenn der Computer nicht aktuell – zum
Beispiel über das Internet – mit einer Gegenstelle kommuniziert und gerade die-
se Kommunikation abgefangen würde. Art. 10 GG schützt die Geheimnisse der
Fernkommunikation von staatlicher Kenntnisnahme. Nicht geschützt ist eine nega-
tive Kommunikationsfreiheit, nach der es aus Art. 10 GG ein Recht gäbe, nicht vom
Staat angerufen zu werden. Auch das Durchsuchen des Computers über eine Daten-
leitung ist daher nur Gegenstand des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung
bzw. des Art. 13 GG.

c) Ansicht des BVerfG zur „Quellen-TKÜ“ und Art. 10 GG

Das BVerfG hält jedoch eine Überwachung der Telekommunikation durch eine Auf-
nahme an der Quelle dann für einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG und nicht in
das Computergrundrecht, wenn mit Hilfe der technischen Manipulation des End-
geräts nur laufende Kommunikation überwacht wird und nicht auch sonstige Daten
im Endgerät ausgespäht werden.304 Dies soll nach dem BVerfG auch gelten, wenn
das Endgerät ein „vernetztes komplexes informationstechnisches System“ ist, das
nicht nur zum Kommunizieren genutzt werden kann.305 Die Reichweite des Grund-
rechtsschutzes dürfe nicht allein am Unterschied zwischen einem Eingriff in die
durch Dritte kontrolliert Leitung oder einem durch den Betroffenen kontrollierten
Endgerät festgemacht werden. Diese „rein technisch definierte Abgrenzung“ werde
„angesichts der technologischen Entwicklungen und insbesondere der durch sie be-
dingten vielfältigen Konvergenzen der Übertragungswege, Dienste und Endgeräte“
dem Schutzanliegen des Art. 10 GG „nicht gerecht“. Auch wenn an einem End-
gerät, etwa einem Telefon, ein Abhörgerät angebracht und genutzt wird, liege ein
Eingriff vor:
„Wird der laufende Kommunikationsvorgang überwacht, liegt ein Eingriff in das Fern-
meldegeheimnis auch dann vor, wenn die Erfassung des Nachrichteninhalts am Endgerät
erfolgt.“306
Im Vordergrund des Telekommunikationsgeheimnisses aus Art. 10 GG stehe der
Schutz des Vertrauens in die Sicherheit der zur Nachrichtenübermittlung eingesetz-

304
BVerfGE 120, 274, 307.
305
BVerfGE 120, 274, 307.
306
BVerfGE 115, 166.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 175

ten Telekommunikationsanlage.307 Wenn das BVerfG den Schutzbereich definiert


und nicht wie in den oben genannten Entscheidungen in Wahrheit den gewünschten
Eingriff bestimmt, kommt es allerdings zu dem Ergebnis, dass nur die unkörperli-
che Übermittlung und nicht das Vertrauen in das eigene Endgerät geschützt werden
soll:
„Art. 10 Abs. 1 GG gewährleistet das Telekommunikationsgeheimnis, welches die unkör-
perliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Te-
lekommunikationsverkehrs [. . . ] vor einer Kenntnisnahme durch die öffentliche Gewalt
schützt [. . . ].308

Der Einzelne kann seine Telekommunikation kaum selber vor staatlichem Zugriff
schützen. Er kann sich weder durch das Aufsuchen eines besonders heimlichen
Ortes oder der Nachtzeit, noch durch die Auswahl seiner Gesprächspartner vor
dem Zugriff Dritter verbergen. Die Wege der Kommunikation, seien es Kabel-
oder Funksignale, stehen außerhalb seiner Kontrollmöglichkeit. Da die technischen
Kommunikationskanäle Dritten gehören, ist der Betroffene nur durch Verschlüsseln
oder Unterlassen der Kommunikation in der Lage, seine Informationen geheim zu
halten:309
„Der spezielle Schutz des Fernmeldegeheimnisses durch Art. 10 GG schafft einen Aus-
gleich für den technisch bedingten Verlust an Beherrschbarkeit der Privatsphäre, der durch
die Nutzung von Anlagen Dritter zwangsläufig entsteht, und errichtet eine besondere Hür-
de gegen den vergleichsweise wenig aufwendigen Zugriff auf Kommunikationsdaten, den
die Nutzung der Fernmeldetechnik ermöglicht. Demgegenüber wird die von dem Bürger
selbst beherrschbare Privatsphäre von anderen Grundrechten, insbesondere Art. 13 Abs. 1
GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt.“310

Nach der Ansicht des BVerfG311 ist das Abhören mit einem versteckten techni-
schen Gerät aber trotz der letztgenannten Ausführungen des Gerichts ein Eingriff
in Art. 10 GG. Gleiches gilt für das Abrufen einer E-Mail vom Server eines E-
Mail-Diensteanbieters, nicht jedoch das Abrufen einer E-Mail vom Computer des
betroffenen Endnutzers. In den Schutzbereich gehört nach dieser Ansicht die In-
stallation des Abhörgerätes am oder im Telekommunikationsgerät, wenn damit die
Kommunikation überwacht wird. Findet keine Kommunikation statt, kann höchs-
tens ein Eingriff in das Computergrundrecht vorliegen.

307
BVerfGE 106, 28, 37 f.
308
BVerfGE 125, 260, 309.
309
BVerfGE 115, 166.
310
BVerfGE 115, 166.
311
„So gewährt Art. 10 Abs. 1 GG auch Schutz, wenn an einem Endgerät, etwa einem Telefon, ein
Abhörgerät angebracht und genutzt wird. [. . . ] Im Vordergrund steht [der Schutz des] Vertrauens
in die Sicherheit der zur Nachrichtenübermittlung eingesetzten Telekommunikationsanlage [. . . ]“,
BVerfGE 106, 28, 37 f.
176 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

d) Eigene Ansicht

Historisch gesehen war nicht das Mitlesen von Briefen während des Schreibens
oder das Belauschen durch Spitzel während eines Telefongesprächs Bestandteil des
Art. 10 Abs. 1 entsprechenden Grundrechts. Geschützt werden sollte nur die In-
formation, die den eigenen Schutzbereich verließ.312 Denn nur in diesem Fall ist
wegen des Kontrollverlusts durch Abgabe der Information an den Herrschaftsbe-
reich eines notwendig einzuschaltenden Dritten kein Selbstschutz mehr möglich.
Ansonsten müsste auf die Fernkommunikation ganz verzichtet werden. Das eigene
Telefon oder den eigenen Computer kann der Betroffene hingegen selbst kontrol-
lieren.313 Wenn dies so ist, weil der spezielle Schutz des Fernmeldegeheimnisses
durch Art. 10 GG einen Ausgleich für den technisch bedingten Verlust an Be-
herrschbarkeit der Privatsphäre schafft, der durch die Nutzung von Anlagen Dritter
zwangsläufig entsteht,314 kann nicht plötzlich das Vertrauen in das eigene Kommu-
nikationsgerät zum Schutzbereich gehören.
Nach der Ansicht des BVerfG ist die technische Manipulation eines modernen
Mobiltelefons durch Aufschrauben und Einsetzen eines anderen Speicherbausteins
nur ein Eingriff in das Computergrundrecht. Dieser Eingriff wandelt sich aber zu
einem Eingriff allein in ein Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG, wenn nachgehend
durch den veränderten Chip die Kommunikation an eine dritte, mithörende Stelle
ausgeleitet wird. Dies ist dogmatisch inkonsistent. Dass im Endeffekt das Gespräch
aufgenommen wird, kann nicht entscheidend sein. Das Belauschen eines telefonie-
renden Menschen ist auch keine Telekommunikationsüberwachung. Der Einzelne
kann seine Telekommunikation kaum selber vor staatlichem Zugriff schützen, wenn
sie in den Machtbereich des Diensteanbieters übergegangen ist.315
Das BVerfG tut die Unterscheidung zwischen dem Schutz der Integrität des
Endgeräts und der Integrität der Übertragungswege „als eine rein technisch defi-
nierte Abgrenzung“316 ab, die „angesichts der technologischen Entwicklungen und
insbesondere der durch sie bedingten vielfältigen Konvergenzen der Übertragungs-
wege, Dienste und Endgeräte“ nicht gerecht wird. Dem ist zu widersprechen. Es
mag sein, dass moderne Endgeräte den Nutzer zuweilen überfordern. Dies ändert
jedoch nichts daran, dass seine Endgeräte seiner „alleinigen Einflussnahme“ unter-
liegen. Das BVerfG spricht von „einer Vielzahl von Leistungen und Diensten“, die
außerhalb der Kontrolle des Betroffenen liegen. Daraus schließt es, dass auch das
Endgerät außerhalb der Kontrolle des Betroffenen liegen muss. Wenn diese Dienste
Telekommunikation sind, werden sie durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt. Dies kann
also nicht das Problem sein. Entweder verwechselt das Gericht Telekommunika-
tionsdienste mit Computerprogrammen oder es nennt die Dienste, meint aber das

312
Vgl. oben § 3, III, 3.
313
Dass auch diese Anlagen nicht weniger intensiv, aber auf andere Weise geschützt werden müs-
sen, ist eine andere Frage, die analog der Schutzbereichsabgrenzung zwischen Art. 10 Abs. 1 GG
und Art. 2 Abs. 1 GG beantwortet werden muss. Vgl. oben § 8, VI, 2.
314
Vgl. oben § 8, VI, 2, c).
315
BVerfGE 115, 166.
316
BVerfGE 115, 166, 187; BVerfGE 106, 28, 38.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 177

Gerät, das die Richter möglicherweise nicht verstehen und darum für durch Dritte
beherrscht halten. Richtig ist, dass die Kontrolle des Endgerätes schwerer ist als
früher. Die Kontrolle eines Wahlscheiben-Telefons auf eine sog. „Wanze“ ist einfa-
cher, als zu erkennen, ob die ursprüngliche Steuerungssoftware eines Mobiltelefons
durch eine Trojaner-Software ersetzt wurde. Das ändert jedoch nichts daran, dass
diese Manipulation im Machtbereich des Inhabers stattfindet und er auf seinem Ge-
rät mit entsprechender Virenerkennungssoftware Kontrollmöglichkeiten hat, auch
wenn diese begrenzt sind.
Das BVerfG sagt einerseits, allein das Computergrundrecht und nicht Art. 10 GG
sei bei einer Online-Durchsuchung verletzt317 und nimmt andererseits den Stand-
punkt ein, die Integrität des Endgeräts gehöre zum Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1
GG. Dies wirft die Frage auf, warum der Schutzbereich nicht konsequent auch im
Fall der Online-Durchsuchung ausgeweitet wurde. Der einzig dogmatisch schlüssi-
ge Weg, einen Zusammenhang zwischen der Integrität des Endgeräts und Art. 10
GG herzustellen, würde darin liegen, wenigstens die Infiltration des Endgeräts über
das Datennetz als Verstoß gegen Art. 10 GG zu verstehen. Zumindest wurde die
Infiltration über die vom Endnutzer nicht kontrollierbare Datenleitung eingeleitet.
Dieser Lösungsweg ist aber aus den bereits genannten Gründen318 abzulehnen, die
negative Kommunikationsfreiheit ist nicht erfasst. Auch das BVerfG spricht sich
ausdrücklich dagegen aus:
„Das Grundrecht schützt dagegen nicht davor, dass eine staatliche Stelle selbst eine Tele-
kommunikationsbeziehung zu einem Grundrechtsträger aufnimmt.“319

Der Grund für das Beharren des Gerichts auf einem Endgeräteschutz allein durch
Art. 10 Abs. 1 GG320 trotz Einführung des Computergrundrechts, liegt vermutlich in
der zunächst durch das BVerfG – beraten durch ein Papier der EU-Kommission321 –
unterschätzten Dynamik der technischen Entwicklung. Für das Gericht war im Jahre
2002 (BVerGE 106, 28) das Computergrundrecht zwar schon zum Greifen nah.
Auch mangels besserer Alternativen wurde die Problemlösung in Art. 10 Abs. 1
GG verortet, indem der Schutzbereich entgegen dem ursprünglichen Sinn von der
Leitung auf das Endgerät ausgeweitet wurde. Im Jahr 2007 (BVerfGE 120, 274)
wurde anlässlich der Entscheidung zur Online-Durchsuchung deutlich, dass sich
erhebliche Schutzlücken aufgetan hatten. Erst dann wurde das Computergrundrecht
konkretisiert.
Die Ausspähung der Daten des Betroffenen konnte man nicht mehr begrifflich
unter Art. 10 Abs. 1 GG fassen. Nun erst wurde die Bedeutung der über Tele-
kommunikationsnetze verbundenen Computer für die private Lebensgestaltung voll
erkannt. Trotzdem wollte man die bereits gefestigte Erweiterung des Schutzbereichs

317
Vgl. § 8, VI, 2, a).
318
Vgl. § 8, VI, 2, b).
319
BVerfGE 120, 274, 340 f.
320
BVerfGE 120, 274, 309.
321
Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstech-
nologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen – Ein Schritt in Richtung Informationsge-
sellschaft, /* KOM/97/0623 endg. */.
178 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

des Art. 10 Abs. 1 GG auf den Endgeräteschutz nicht wieder korrigieren. Das ist im
Hinblick auf die Rechtssicherheit nachvollziehbar. Da jedes moderne Telefon aber
über einen Datenspeicher verfügt, gehört der Großteil der Endgeräte heute schon
zu den „komplexen informationstechnischen Systemen.“ Der Weg, der zu dieser
getrennten Regelung des Endgeräteschutzes geführt hat, wirkt chaotisch und ist da-
her dogmatisch nicht überzeugend. Eine klare Trennung zwischen dem Schutz der
Endgeräte und dem der Datenleitung ist demgegenüber vorzugswürdig.
Jede Installation von Hilfsmitteln zur Ausspähung von Kommunikation im
Machtbereich des Betroffenen ist daher ein zusätzlicher Eingriff in das Computer-
grundrecht oder in das allgemeine Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung.
Denn die Infiltration des Systems ist kein Ausspähen eines Geheimnisses während
der Datenübertragung und damit kein Eingriff in Art. 10 GG. Die sog. „Online-
Durchsuchung“ findet zudem nur teilweise – bei der Aus- und Einleitung der Daten
im vom Betroffenen unkontrollierbaren – Herrschaftsbereich eines Dritten statt.
Dieser Streit ist für die Frage der Art der Eingriffsschranken zwar nicht entschei-
dend, doch kommt ihm hinsichtlich der Frage, ob die Quellen-TKÜ Überwachung
der Telekommunikation im Sinne des § 100a Abs. 1 StPO ist, weitreichende Bedeu-
tung zu.322

e) Ansicht des BVerfG und der h. M. zur E-Mail-Beschlagnahme

In seiner Entscheidung zur E-Mail-Beschlagnahme hat das BVerfG dargelegt, dass


ein heimlicher Zugriff auf E-Mails, die auf einem Server des Internet-Service-
Providers gespeichert sind, in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheim-
nisses aus Art. 10 GG fallen. Es kommt nach der Ansicht des BVerfG auch nicht
darauf an, ob die E-Mails bereits geöffnet wurden. Dieser Ansicht ist für eine
Phase des E-Mail Verkehrs umstritten.323 Der E-Mail-Verkehr wird in vier Phasen
unterschieden:324
1. Das Absenden der E-Mail (Daten werden in „Pakete“ zerlegt und übertragen)
2. Rekombination der Fragmente und Zwischenspeicherung auf dem Server des
Empfängers
3. Abruf durch den Empfänger
4. Weitere Speicherung auf dem Server des Providers des Empfängers
Die Phasen 1. bis 3. sind weitgehend unstrittig Telekommunikation und fallen damit
unter das Fernmeldegeheimnis325 im Sinne des Art. 10 GG. Umstritten ist lediglich

322
Vgl. unten § 23, IV, 5, g).
323
Vgl. zur Streitdarstellung Meininghaus, S. 261 ff.
324
Übernommen von Meininghaus, S. 48 ff.; Klesczewski, ZStW 2011, 745.
325
BGH NJW, S. 1828 geht auf in Phase 3 (Zwischenspeicherung) nicht von Telekommunikation
aus. Da der BGH aber statt § 100a StPO § 99 SPO prüft und ausdrücklich darauf hinweist, die
E-Mail-Beschlagnahme sei in jeder Hinsicht vergleichbar mit der Beschlagnahme anderer Mittei-
lungen, welche sich zumindest bei einem Postdienstleister befinden, scheint er insoweit nicht das
Fernmeldegeheimnis, sondern das Brief oder Postgeheimnis für betroffen zu halten.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 179

die vierte Phase. Die h. M. stimmt insoweit dem BVerfG zu und fasst die E-Mail-
Beschlagnahme unterschiedslos unter Art. 10 GG.326

f) Eigene Ansicht

Man könnte allerdings für diese vierte Phase, in der die E-Mail schon abgerufen,
aber weiterhin auf dem Server des Providers gespeichert ist, annehmen, dass die
dort gespeicherten E-Mails dann aus dem Schutzbereich des Art. 10 GG fallen.
Nach Zugang sind Sendungen der Fernkommunikation allgemein nicht mehr von
Art. 10 GG geschützt.327 Insoweit wäre eine Parallele zum Briefverkehr zu ziehen:
Das Abrufen der E-Mail entspricht dem Abholen eines Briefes aus einem dem Post-
dienstleister gehörenden Postfach. In Fortsetzung dieser Parallele wäre zu fragen,
ob der Brief auch noch dem Brief- und Postgeheimnis unterliegt, wenn er wieder in
das Postfach zurückgelegt wird.
Ob das Beförderungsunternehmen auch noch bei der Kommunikation hilft, wenn
es lediglich nachträglich aufbewahrt, ist ebenso unklar, wie die Frage: Ist die auf
einem Server des Providers gespeicherte E-Mail Teil der in Art. 10 GG geschütz-
ten Fernkommunikation? Nach hier vertretener Ansicht sind beide Fälle gleich zu
behandeln. Richtig ist, dass der Schutzbereich des Art. 10 GG hinsichtlich einer
E-Mail dann eröffnet ist, wenn die spezifische Gefährdungslage der Fernkommuni-
kation vorliegt. Der Betroffene soll dann durch Art. 10 GG geschützt werden, wenn
er sich selbst nicht mehr schützen kann, weil er seine Information in Hände Drit-
ter geben muss. Ein solches Schutz- und Beförderungsinteresse besteht nicht bei
der externen Lagerung von Briefen, anderen Postsendungen oder E-Mails aus Ar-
chivierungsgründen für den Fall, dass sie bereits vollständig im Machtbereich des
Adressaten waren.

Beispiel 26 Wenn X eine Kiste gelesener Briefe von seinen Geschäftspartnern in


einer von Z gemieteten Lagerhalle unterstellt, ist Z nicht Postdienstleister geworden
und das Abholen der Briefe durch X ist auch kein Briefverkehr.

Beispiel 27 A mietet sich Speicherplatz auf einem externen Server (sog. „Cloud“),
er speichert dort den gesamten Inhalt seiner Festplatte. Darunter befindet sich auch
sein E-Mail-Archiv.

Durch die technische Auslagerung von Speicherkapazitäten von der privaten


Festplatte hin zu den Service-Providern besteht die Besonderheit, dass in den Stan-
dardeinstellungen moderner E-Mail-Programme die Daten komplett auf dem Server
des Providers bleiben. Absender und Empfänger haben lediglich Zugriff auf den
fremden Machtbereich. Die faktische Herrschaft über die E-Mail ist also geteilt und
die Gefahren der besonderen Verwundbarkeit durch einfachen staatlichen Zugriffs

326
Vgl. Keller, KR 2009, S. 491; Klesczewski, ZStW 2011, S. 746 m. w. N.
327
Vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 838.
180 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

bestehen fort. Die Kommunikation endet erst dann, wenn der Empfänger volle Kon-
trolle über die Nachricht erlangt, also die E-Mail abruft und auf dem Server des
Providers löscht. Dem Streit ist zwar im Hinblick auf die Frage, ob überhaupt ein
Eingriff in irgendein Grundrecht vorliegt, die Spitze gebrochen, da das Grundrecht
auf Freiheit von Einschüchterung als Auffanggrundrecht dient.328 Allerdings wird
zu zeigen sein, dass die Abgrenzung hinsichtlich der möglichen Subsumtion der
„Beschlagnahme“ einer E-Mail auf dem Server eines Providers unter das Merk-
mal „Telekommunikation“ in § 100a Abs. 1 StPO zumindest für die systematische
Auslegung des Begriffs in der StPO Bedeutung zukommt.329

3. Eingriff durch verdeckte strafprozessuale


Ermittlungsmaßnahmen

a) Eingriffsmöglichkeit in Art. 10 Abs. 2 GG vorausgesetzt

Die Fragen der Fühlbarkeit und Folgen des Grundrechtseingriffs können hinsicht-
lich des Schutzbereichs des Art. 10 GG dahinstehen, da diese Gesetzesvorschrift
den Schutzbereich in Abs. 1 und die Eingriffsmöglichkeit in Art. 10 Abs. 2 GG
ausdrücklich benennt und lediglich unter einfachen Gesetzesvorbehalt stellt. Selbst
wenn kein realer Gehalt hinter dem Grundrecht stünde, würde die rechtliche Rege-
lung des Art. 10 GG in diesem Fall den Schutzbereich erschaffen bzw. fingieren.
Der Verfassungsgeber ist insoweit berechtigt „Tabus“ zu setzen. Auf die Frage des
„Schutzgutes“ oder „Interesses“, das hinter Art. 10 GG steht, kommt es daher nicht
an. Der Eingriff muss unabhängig davon weder unmittelbar noch zielorientiert er-
folgen.330
Die gesetzlichen Vorschriften §§ 100a, 100g, 100i, 100g und evtl. 100f, 100h
und 163f StPO, die in Art. 10 Abs. 1 GG eingreifen, müssen sich an den so ge-
nannten „Schranken-Schranken“,331 die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes erge-
ben (Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit)332 , messen lassen,333 um den Eingriff
rechtfertigen zu können.
Da eine Telekommunikationsüberwachung in der Regel heimlich abläuft, ist
nicht mit jedem heimlichen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG zusätzlich ein Eingriff
in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG verbun-

328
Der E-Mail-Beschlagnahme kommt auch eine handlungssteuernde Einschüchterungswirkung
zu. Menschen die eine solche Beschlagnahme fürchten, werden unter Umständen ihre Handlungs-
möglichkeiten zur externen Speicherung nicht wahrnehmen.
329
Weicht der Begriff der Telekommunikation in der StPO vom verfassungsrechtlichen Begriff
ab? Vgl. unten § 23, V, c).
330
Zöller, S. 33 ff.
331
Näher inhaltlich dazu und zur Überflüssigkeit des sprachlichen Bildes Michael/Morlok, § 21
Rdn. 543.
332
Vgl. § 9 ff.
333
Vgl. dazu unten Vierter Teil und Fünfter Teil.
VI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG 181

den. Zwar können die Rechte aus Art. 10 Abs. 1 GG auch durch Zwang gebrochen
werden,334 doch geht das traditionelle Leitbild dieser Grundrechte von einer heim-
lichen Überwachung aus. Das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung bleibt
subsidiär. Die Begründung über eine handlungsbeeinflussende Wirkung des heim-
lichen Überwachens ist überflüssig.

b) Eingriff durch private Diensteanbieter

Telekommunikationsüberwachung erfolgt in der Regel über private Diensteanbie-


ter und diese geben die Daten an die Behörden weiter. Obwohl die Behörden nicht
selbst in die technischen Übertragungswege eindringen, liegt ein staatlicher Eingriff
vor. Das BVerfG begründet dies mit der Hilfsfunktion der Telekommunikations-
dienstleister:
„Die Eingriffsqualität des § 113a TKG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass
die in dieser Vorschrift vorgeschriebene Speicherung nicht durch den Staat selbst, sondern
durch private Diensteanbieter erfolgt. Denn diese werden allein als Hilfspersonen für die
Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden in Anspruch genommen.“335
Diese Begründung ist durch die subjektiv-historische Auslegung des Art. 10 Abs. 1
GG zu erweitern. Bereits in den konstitutionellen Anfängen sollte nicht nur das
Briefgeheimnis gegen den Staat, sondern sogar zuerst das Postgeheimnis gegen das
private Beförderungsunternehmen gesichert werden. Daran hat sich dadurch, dass
die Post zwischenzeitlich staatliche Behörde war, nichts geändert.336

c) Verstärkungswirkung des Eingriffs durch Heimlichkeit

Die Grundrechte aus Art. 10 GG bieten unabhängig von tatsächlichen Einschüch-


terungswirkungen Schutz vor verdeckten Ermittlungen, da der Verfassungsgeber
diese verfassungsrechtliche Vorschrift gerade zum Schutz vor in der Regel heim-
licher Überwachung der Fernkommunikation (Brief- und Telekommunikation) er-
lassen hat. Im Urteil des BVerfG zu den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nach
§ 100g StPO (Vorratsdatenspeicherung) geht es um Eingriffe in das Fernmeldege-
heimnis nach Art. 10 GG. Die Offenheit als teilweise Beseitigung der Einschüch-
terungswirkung wird als dogmatisch undefinierte „besondere verfassungsrechtliche
Anforderung“ nach „Transparenz“ auch im Rahmen des Art. 10 GG genannt:337
„Die Ausgestaltung einer vorsorglichen Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung,
wie sie in § 113a TKG vorgesehen ist, unterliegt besonderen verfassungsrechtlichen
Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Datensicherheit, des Umfangs der Datenver-
wendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.“338

334
Vgl. zur begrifflichen Unterscheidung zwischen Heimlichkeit und Zwang oben, § 2, II, 2.
335
BVerfGE 125, 260, 311.
336
Vgl. 3. in: § 2, I.
337
BVerfGE 125, 260, 325.
338
BVerfGE 125, 260, 325.
182 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

In konsequenter Fortsetzung der Rechtsprechung zu Art. 2 Abs. 1 GG, nach der die
Heimlichkeit die Intensität eines Grundrechtseingriffs verstärkt,339 sind die vorste-
hend genannten Erwägungen des BVerfG als Begrenzung des Eingriffs durch das
Prinzip der Erforderlichkeit zu interpretieren.
Das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung leistet die notwendige Hilfe,
um einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu begründen. Eine sol-
che Begründung ist für einen Eingriff in die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG
nicht notwendig, da hier die Ausspähung des Geheimnisses kraft normativer Set-
zung Eingriff ist. Das BVerfG hat also mit Recht keinen Grund gesehen, weiter
zur Heimlichkeit Stellung zu nehmen. Der Schutz vor heimlicher Ausspähung der
Kommunikation ist nach subjektiv-historischer Auslegung integraler Bestandteil
der Grundrechte aus Art 10 GG. Das Ausspähen der Fernkommunikation erfolgt
in aller Regel geheim.

4. Rechtfertigung

Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG müssen nach Art. 10 Abs. 2
GG gesetzlich geregelt sein. Durch die dichte Regelung der §§ 100a, 100g, 100i in
der StPO ist dies für die Maßnahmen der verdeckten Telekommunikationsüberwa-
chung unproblematisch. Fraglich ist lediglich, ob die Regelungen der entsprechen-
den Eingriffe auch bestimmt und verhältnismäßig sind. Dies betrifft in erster Linie
die gesetzliche Regelung in der StPO als solche. Vielfach wird mittels subjektiv-
historischer und verfassungskonformer Auslegungskriterien ein verfassungsmäßi-
ges Verständnis des Gesetzes zu erreichen sein. Bezüglich der tatsächlichen Maß-
nahme ist dann nur fraglich, ob diese unter die ausgelegte Regelung zu subsumieren
ist.

5. Zwischenergebnis

Nur diejenigen verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen greifen in


das Grundrecht aus Art. 10 GG ein, die Kommunikation auf ihrem elektronischen
Übertragungsweg betreffen oder die zugehörigen Verkehrsdaten technisch samt
automatisierter Personenzuordnung erheben. Mittelbar mit Telekommunikation zu-
sammenhängende Verhaltensweisen gehören nicht zum Schutzbereich. Entgegen
der Rechtsprechung des BVerfG gehört die technische Manipulation des Endgeräts
und die damit durchgeführte Gesprächsüberwachung nicht zum Schutzbereich des
Grundrechts aus Art. 10 GG. Nach subjektiv-historischer Auslegung müssen die
Schutzbereiche der Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und des Telekommunikationsge-
heimnisses nach Kontrollsphären abgegrenzt werden. Nur Maßnahmen außerhalb

339
Vgl. oben § 10, I.
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 183

des Kontrollbereichs des Betroffenen gehören in den Schutzbereich des Grund-


rechts aus Art. 10 Abs. 1 GG. Innerhalb des eigenen Kontrollbereichs gehören sie
in den Schutzbereich der Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Für die Frage, wie stark das Schutzniveau für die Sicherung der jeweiligen
Grundrechte sein muss, ist die Bedeutung der Schutzbereichsunterscheidung zwi-
schen Art. 10 GG und dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung nach
Art. 2 Abs. 1 GG durch die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
teilweise nivelliert worden. Die Schutzbereichsunterscheidung ist aber für die Ent-
scheidungseffizienz unverzichtbar und bedingt eine besondere, d. h. sachgerechte
Anpassung der Art und Weise des Grundrechtschutzes. Die Schutzbereichsunter-
scheidung hat zudem Bedeutung für die Bestimmtheit der Eingriffsgesetze.

VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG

In das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG kann durch verdeckte strafprozessuale Er-
mittlungsmaßnahmen eingegriffen werden, wenn die örtliche Privatsphäre der Woh-
nung berührt wird. Die Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung durch
strafprozessuale Gesetze ist bereits in Art. 13 Abs. 3 GG gestattet und beschränkt.
Das Grundgesetz stellt zwar Anforderungen an die gesetzliche Eingriffsgrundlage,
klärt allerdings nicht, was eine Wohnung ist, was eine bestimmte schwere Straftat
ist oder unter welchen Umständen eine Erforschung des Sachverhalts auf andere
Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

1. Schutzbereich

a) Schutz der Wohnung als Privatsphäre

Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG ist die Wohnung als Raum
der Persönlichkeitsentfaltung. Art. 13 GG schützt die Wohnung in ihrer Funktion,
dem Einzelnen Obdach zu bieten. Sie soll ihm Abschirmung und Rückzugs für sein
persönliches und eventuell auch geschäftliches Verhalten ermöglichen. Wann dieses
Verhalten selbst rechtmäßig und wann es rechtswidrig ist, sei nicht an Art. 13 GG,
sondern an den anderen Grundrechten zu messen. So gelten die Straf- und Zivil-
rechtsnormen, innerhalb ebenso wie außerhalb der Wohnung soweit sie mit anderen
Grundrechten zu vereinbaren sind. An Art. 13 Abs. 1 GG ist nur das Eindringen
in die Wohnung zu messen. Geschützt ist also das Allein-gelassen-Werden, „das
Recht, in diesen Räumen in Ruhe gelassen zu werden“,340 „[. . . ]-kurz: Die Stätte
privaten Lebens und Wirkens.“341 Art. 13 GG schützt nicht nur die Entscheidung

340
Pieroth/Schlink, Rdn. 252.
341
Hermes in: Dreier, GG1 , Art. 13 Rdn. 13.
184 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

über die Zutrittsgewährung. Außerdem wird die Entscheidungsfreit darüber, welche


Informationen aus dem Bereich der Wohnung des Betroffenen Dritten zugänglich
sind, geschützt, vgl. Art. 13 Abs. 3, 5 GG.342 Im Zusammenhang mit dieser funk-
tionellen Abgrenzung steht die ungeklärte Frage,343 welche räumlichen Bereiche
unter den Wohnungsbegriff zu fassen sind. Soll das Grundrecht auch geschäftli-
ches Verhalten schützen, gehört auch ein Geschäftsraum zur Wohnung. Schützt das
Grundrecht nur die höchstpersönliche Privatsphäre, gehört dieser Bereich nicht da-
zu.

b) Definition des Wohnungsbegriffs

Die Definition des Wohnungsbegriffs bestimmt den Schutzbereich des Grundrechts.


Dies ist insbesondere deshalb für die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen wichtig,
weil die strenge Schranke des Art. 13 Abs. 3 GG nur für Wohnungen gilt. Andere
Räume werden weniger umfassend geschützt. So hat der BGH das heimliche Ab-
hören von Selbstgesprächen nach § 100c StPO a. F. in einem Krankenhauszimmer
als Eingriff in die Privatsphäre der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG (und den
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung) gewertet.344

aa) Weite Ansicht der h. M.

Nach h. M. wird der Wohnungsbegriff weit ausgelegt. Er umfasst danach auch


Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume.345 Diese Ausdehnung des Schutzbe-
reichs über den natürlichen Wortsinn hinaus ist umstritten.346 Teleologisch wird
argumentiert, dass der Zweck – Schutz der Privatsphäre und der freien Persön-
lichkeitsentfaltung des Einzelnen – auch in solchen Räumen gelte. Zwar ist der
Wortlaut in der Umgangssprache auf Wohnung im engen Sinne, also die Räume
zum privaten Rückzug beschränkt, doch spricht die historische Auslegung indes
für einen weiten Wohnungsbegriff. Bereits Art. 6 der preußischen Verfassung von
1850 und Art. 115 WRV wurden in diesem Sinne verstanden. Hiervon wollten
weder der parlamentarische Rat noch der verfassungsändernde Gesetzgeber, der
1998 die Art. 13 GG um die Absätze drei bis sechs ergänzt hat, abrücken.347 Selbst
dem Publikumsverkehr gewidmete Gebäude und zum Aufenthalt genutzte Gärten
und Freiflächen vor Häusern sollen zum Schutzbereich gehören. Dies wird mit

342
Dreier, GG2 , Art. 13 Rdn. 12.
343
Vgl. Epping, Rdn. 656.
344
BGHSt 50, 206 ff.; vgl. auch Kolz, NJW 2005, S. 3248.
345
Zur genauen Umgrenzung des Schutzbereiches und des Begriffs „Wohnung“ vgl. BVerfGE 32,
54. Danach ist der Begriff der Wohnung weit auszulegen. Vgl. auch Epping, Rdn. 654 f.; Jarras
in: Jarass/Pieroth, Art. 13 Rdn. 4. Hafträume gehören nach Ansicht des BVerfG nicht dazu, vgl.
BVerfG, NJW 1996, 2643. Anderer Ansicht Ruthig, JuS 1998, S. 512.
346
Pieroth/Schlink, Rdn. 946 ff.
347
Epping, Rdn. 656.
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 185

der Rechtstradition, Parallelen in ausländischen Verfassungen und der Anfälligkeit


dieses Lebensbereichs in der Zeit des Nationalsozialismus begründet.348

bb) Wortlautgetreue, enge Gegenansicht

Die Subsumtion der Geschäftsräume, zu denen sogar Fußballstadien349 und ähn-


liche Großräume gehören sollen, unter den Begriff der Wohnung überschreitet
bereits die Wortlautgrenze. Eine Bank, ein Supermarkt oder eine Fußballarena
sind keine Wohnungen. Die Gegenansicht argumentiert daher mit dem eindeutigen
Wortlaut. Zudem seien bei öffentlich zugänglichen Gebäuden und Betriebsstätten
meist juristische Personen Grundrechtsträger, auf die sich der personale Gehalt des
Art. 13 Abs. 1 GG nicht erstrecke.350

cc) Vermittelnde Ansichten

Als eine vermittelnde Ansicht wird die Möglichkeit erörtert, den Schutz zunächst
mit der h. M. auf alle Räumlichkeiten auszudehnen, davon aber eine Rückausnahme
zu machen, wenn über den Zugang nicht individuell entschieden wird.351 Nach Her-
mes liegt der Kern der Kontroverse darin, dass die Schrankensystematik der Absätze
2 bis 7 des Art. 13 GG für Wohnungen im Wortsinne „passt“, auf Geschäfts- und
Betriebsräume aber nicht in Gänze sachgerecht übertragen werden kann. Für Durch-
suchungen seien die Schranken angemessen, für behördliche Besichtigungs- und
Kontrollbefugnisse „eklatant unpassend“.352 Ob es sich wegen der langen Tradition
dieser weiten Auslegung durch das BVerfG um verfassungsrechtliches Gewohn-
heitsrecht handelt oder ob die Ausweitung des Schutzbereichs des Art. 13 Abs. 1
GG methodisch eine verfassungsrechtliche Analogie darstellt,353 sei im Ergebnis
unerheblich. Entscheidend sei, dass in jedem Falle keine direkte Anwendung des
Art. 13 GG mit sämtlichen Schranken und der dazugehörigen Dogmatik erfolge.
Vielmehr sei auch nach der h. M. eine Abschwächung der strikten Schranken für
Geschäftsräume quasi als Wohnungen „zweiter Klasse“ zulässig.
Für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungen interessieren die Schranken
des Art. 13 Abs. 3, 5 GG. Nach der Argumentation von Hermes und des BVerfG
müsste es auch dabei auf die „Sachgerechtigkeit“ ankommen.

348
BVerfGE 32, 54, 69 ff.; zustimmend Herdegen in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 13 Rdn. 34
und Stern in: Stern/Sachs/Dietlein, § 99 IV 3.
349
So aber BVerfGE 97, 228, 265.
350
Vgl. Battis, JuS 1973, S. 29 f.
351
Diskutiert von Epping, Rdn. 658.
352
Hermes in: Dreier, GG1 , GG1 Art. 13 Rdn. 27.
353
Hermes spricht von der „Kreation eines neuen Grundrechts [. . . ], das mit Art 13 GG nur noch
die Schranke des Absatzes 2 gemeinsam hat“. Hermes in: Dreier, GG2 , Art. 13 Rdn. 27.
186 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

dd) Eigene Ansicht

Im Gegensatz zu den vorgenannten Ansichten ist es überzeugender an die Grund-


funktion des Art. 13 GG als besonderem Schutz der räumlichen Privatsphäre anzu-
knüpfen. Art. 13 GG ist wie Art. 10 GG eine besondere Ausprägung des Grund-
rechts auf Freiheit von Einschüchterung.354 Art. 13 Abs. 1 GG dient dem Schutz
der Wohnung als persönlichem Freiraum. Das Grundrecht ist kein Spezialfall des
Eigentumsschutzes. Sämtliche normativen Konstruktionen über zivilrechtliche Par-
allelwertungen gehen in die falsche Richtung.355 Wenn Art. 13 GG die Privatsphäre
schützt, ist damit nicht die rechtliche Privatherrschaft oder der Schutz der Freizeit
im Gegensatz zur beruflich verwendeten Zeit gemeint. Es geht vielmehr um den
Schutz von Verhalten vor öffentlichem Zugriff. Geschützt wird nicht dieses Ver-
halten direkt, denn es kommt nicht darauf an, was in diesen Räumen konkret getan
wird. Geschützt ist vielmehr die natürliche Gewähr für Vertraulichkeit, welche Räu-
me bieten, die der Öffentlichkeit durch physische Grenzen entzogen sind. Es kommt
daher darauf an, dass der „Bewohner“ der Wohnung diese faktisch gegenüber der
Öffentlichkeit beherrscht. Diese Beherrschung muss so weit gehen, dass er über den
Zugang unberechtigter Dritter356 zu diesen Räumen individuell entscheiden kann.
„Bewohner“ wäre danach auch ein Angestellter in seinem Büro, wenn dieses nicht
ohne individuelle Prüfung öffentlichem Publikumsverkehr geöffnet ist. Privat wäre
daher etwa der Besprechungsraum in einer Bank,357 zu dem Personen nur individu-
ell Zugang gewährt wird. Nicht dazu würde aber die Schalterhalle der Bank zählen,
zu der jeder Zugang hat und die daher nicht die Atmosphäre von Vertraulichkeit ver-
mittelt.358 Ebenfalls nicht in den Schutzbereich fiele ein Imbissstand, der von außen
eingesehen werden kann und zu dem jeder Zugang hat. Zum Schutzbereich würde

354
So auch in der Grundkonzeption, allerdings für das hier abgelehnte allgemeine Persönlich-
keitsrecht, Hermes in: Dreier, GG1 , Art. 13 Rdn. 12. Dieser Ansicht ist in Bezug auf die geringe
Relevanz der dogmatischen Einordnung für die Ergebnisse Recht zu geben.
355
Vgl. Hermes in: Dreier, GG1 , Art. 13 Rdn. 12.
356
Dies wird nicht dadurch geändert, dass bestimmte andere Personen rechtlich dazu befugt sind,
diesen Raum zu betreten. Zu denken wäre an die hierarchische Rangordnung in einem Unter-
nehmen. Auch ein Hausbesetzer ist zudem vom Schutzbereich erfasst, soweit sich die Besetzung
gefestigt hat. Denn es kann für den Schutz der Privatsphäre der Wohnung gegen den Staat nicht
davon abhängen, ob ein anderer Privater eine Räumungsklage gegen den Bewohner durchsetzen
kann. Daher kommt es auch nicht auf die rechtlichen Herrschaftsverhältnisse an, sondern auf die
faktische Herrschaft. Dies gilt aber nur, wenn diese dermaßen qualifiziert ist, dass der Betroffene
die Räume zu seinem privaten Rückzugsraum gemacht hat – also dort wohnt. Der sich nur vorüber-
gehend in fremden Räumen aufhaltende Einbrecher gehört nicht dazu. Auch der Strafgefangene
hat nach der zutreffenden Ansicht des BVerfG (NJW 1996, 2643.) keine Wohnung in der Haftan-
stalt, weil der Staat die faktische Herrschaft über die Räume nie verloren hat. Wenn der Gefangene
zeitweise allein gelassen wird, hat er dennoch keine faktische Macht über den Haftraum, den er
nicht einmal verlassen darf. Darin liegt der Unterschied zum Hausbesetzer, der die Räume des
Eigentümers durch eigene Macht aktiv in seine Herrschaft gebracht hat.
357
Sicher in den Schutzbereich fielen zudem die Arbeitsräume, der in § 162 StPO genannten Be-
rufsgruppen, deren Kommunikation mit Anderen besonderen Vertrauensschutz verdient.
358
Dort sind in aller Regel ohnehin Überwachungskameras der Bank installiert, so dass der Ge-
danke unbeobachtet zu sein, gar nicht erst aufkommen kann.
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 187

jedoch der hintere Raum des Imbissstandes gehören, zu dem nur die Angestellten
Zugang haben.
Allgemein wäre entscheidend, ob die in den Räumen betriebenen Geschäfte und
sonstigen Verhaltensweisen durch persönliches Vertrauen geprägt sind und ob sie
Rückzugsräume für die dort beschäftigten Menschen bieten.
Die Geschäftsräume sind nicht wie die Privatwohnung pauschal dem privaten
Bereich der Lebensgestaltung (Privatsphäre)359 zuzuordnen.360 Sind die Geschäfts-
bereiche von Vertraulichkeit zwischen Beschäftigtem und Publikum oder persön-
lichem Rückzug der Beschäftigten geprägt, muss die Schranke des Art. 13 Abs. 3
GG gelten. Es kommt demnach darauf an, ob der Raum faktisch dem öffentlichen
Verkehr geöffnet ist. Wer seine Räume dem Publikum ohne Differenzierung öffnet,
kann sich nicht darauf berufen, dass der Staat, also die verfasste Öffentlichkeit, dort
keinen Zugang haben soll.

Beispiel 28 Die strengen Anforderungen des Art. 13 Abs. 3, 5 GG etwa auf die
Überwachung eines Gesprächs zweier Verdächtiger als Kunden vor dem Kühlregal
in einem Supermarkt zu übertragen, wäre ein Widerspruch zu deren eigenem Ver-
halten. Denn sie begeben sich bewusst in die Öffentlichkeit und befinden sich nicht
in einem geschützten Privatraum. Die Wände des Supermarktes ändern daran so
wenig wie die eines Stadions oder der abgrenzende Zaun einer privaten Kuhwiese
neben einem öffentlichen Spazierweg.361

Dogmatisch ist eine analoge Anwendung der Schranken im Rahmen der Verhält-
nismäßigkeit beim Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung bzw. Privatsphäre
vorzugswürdig, da dem Problem der Wortlautgrenze so ausgewichen werden kann.
Außerdem enthält das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung den Kernge-
danken des Schutzes der Privatsphäre vor staatlichem Einblick und kann so mühelos
die zu übertragenden Schranken aus Art. 13 Abs. 3, 5 GG aufnehmen. Die ge-
nannten Räume stehen einer Wohnung insoweit gleich, weil dort auch regelmäßig
Verhalten stattfindet, dass vertraulich bleiben muss. Eine noch weitere Ausdehnung
des Art. 13 Abs. 3, 5 GG entsprechenden Schutzes ist allerdings abzulehnen. Die
Räume, die nicht der genannten Definition entsprechen, sind durch das Grundrecht
auf Freiheit von Einschüchterung hinreichend geschützt und benötigen die Schran-
ke des Art. 13 Abs. 3 GG nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG seht ein Auffanggrundrecht
zur Verfügung, sodass Schutzlücken nicht auszumachen sind.
Findet der Schutz von Geschäftsräumen unter der Regie des Art. 2 Abs. 1 GG
statt, wird die hergebrachte Schrankendogmatik für Geschäftsräume problemlos auf

359
Vgl. § 8, I, 4, b).
360
Vgl. dazu auch den gesellschaftlichen Wandel zu Intimisierung der Wohnung und Öffnung der
Arbeitsräume bei Hermes in: Dreier, GG2 , Art. 13 Rdn. 14 f.
361
Beiflächen zu Häusern, wie Gärten oder Höfe, gehören in der Regel nicht zum (analog) erwei-
terten Schutzbereich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese Flächen zum dauernden privaten
Rückzug (wohnen) genutzt werden und durch physische Grenzen abgeschirmt sind oder eine große
Entfernung zum nächsten bebauten Grundstück oder öffentlicher Infrastruktur besteht. In diesen
Fällen verführen sie dazu, in ähnlich ungezwungener Weise zu kommunizieren wie innerhalb der
eigentlichen Wohnung. Zu weiteren Beispielen vgl. Hermes in: Dreier, GG2 , Art. 13 Rdn. 19 ff.
188 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

diese übertragen werden können. Der sich aus Art 2 Abs. 1 GG ergebende Schutz
der Geschäftsräume hat im Vergleich zum Schutz der eigentlichen Wohnräume ein
abgesenktes Niveau. Dabei wird jedoch nicht der dogmatische Fehler begangen,
Räume, die keine Wohnräume sind, unter Art. 13 GG zu subsumieren.

2. Abgrenzung zu anderen Fallgestaltungen und Grundrechten

a) Abgrenzung zu Art. 10 GG

Verfassungsrechtlich ergeben sich auf Grundlage der h. M. Unterschiede zwischen


dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG und dem Grundrecht
des Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar stehen Art. 10 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in einem
Ergänzungsverhältnis. Aber der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG und der des
Art. 13 Abs. 1 GG sollen in Ausnahmefällen gemeinsam eröffnet sein können. Au-
ßerdem enthält Art. 13 GG in Abs. 3 eine spezielle Eingriffsschranke, die insoweit
seine Vorrangstellung belegt.362

b) Abgrenzung zum Computergrundrecht Art. 2 Abs. 1 GG

Die Abgrenzung zwischen dem Schutz der Privatsphäre der Wohnung nach Art. 13
GG und dem Computergrundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG (als Unterkategorie des
Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung) ist von entscheidender Bedeutung
für den eingangs dieser Arbeit genannten Beispielfall363 verfassungsrechtliche
Möglichkeit eines Einsatzes von Staatstrojanern als strafprozessualer verdeckter
Ermittlungsmaßnahme. Art. 13 Abs. 4 GG erlaubt den Einsatz technischer Über-
wachungsmittel lediglich zur Abwehr dringender Gefahren. Art. 13 Abs. 5 GG
konkretisiert diese Möglichkeit für die Sicherung eines Verdeckten Ermittlers in
eine Wohnung. Art. 13 Abs. 3 GG erlaubt als strafprozessuale technische Über-
wachung nur die akustische Wohnraumüberwachung. Diese Regelung muss daher
systematisch als Ausnahme verstanden werden.364 Ist die Online-Durchsuchung ein
Eingriff in die die Privatsphäre der Wohnung, ist sie zu strafprozessualen Zwecken
kategorisch ausgeschlossen. Ist sie nur ein Eingriff in das Grundrecht auf Frei-
heit von Einschüchterung bzw. das Computergrundrecht, kann die strafprozessuale
Online-Durchsuchung gerechtfertigt werden. Voraussetzung wäre dann ein Gesetz,
das den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügt.

362
Vgl. zur grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Grundrechte § 9, II, 4, a).
363
Siehe oben § 1, I.
364
„Die technische Wohnungsüberwachung zu Strafverfolgungszwecken ist durch Abs. 3 auf
Lauschangriffe begrenzt.“ Kühne in: Sachs, GG6 , Art. 13 Rdn. 41.
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 189

Nicht jeder Computer wird in einer Wohnung betrieben. Fraglich ist aber, ob
Art. 13 GG das Computergrundrecht verdrängt, wenn ein Computer, dessen Daten
heimlich ausgespäht werden, in einer Wohnung steht.

c) Ansicht des BVerfG

Das BVerfG sieht keinen Anlass, aus dem Grundgesetz einen „doppelten“ Schutz
des Computers in der Wohnung aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 13 GG abzuleiten. Ein
Eingriff in den Schutzbereich aus Art. 13 GG liegt danach auch dann nicht vor,
wenn der Computer in einer Wohnung steht:
„ Denn der Eingriff kann unabhängig vom Standort erfolgen, so dass ein raumbezoge-
ner Schutz nicht in der Lage ist, die spezifische Gefährdung des informationstechnischen
Systems abzuwehren. Soweit die Infiltration die Verbindung des betroffenen Rechners zu
einem Rechnernetzwerk ausnutzt, lässt sie die durch die Abgrenzung der Wohnung ver-
mittelte räumliche Privatsphäre unberührt. Der Standort des Systems wird in vielen Fällen
für die Ermittlungsmaßnahme ohne Belang und oftmals für die Behörde nicht einmal er-
kennbar sein. Dies gilt insbesondere für mobile informationstechnische Systeme wie etwa
Laptops, Personal Digital Assistants (PDAs) oder Mobiltelefone. Art. 13 Abs. 1 GG schützt
zudem nicht gegen die durch die Infiltration des Systems ermöglichte Erhebung von Daten,
die sich im Arbeitsspeicher oder auf den Speichermedien eines informationstechnischen
Systems befinden, das in einer Wohnung steht (vgl. zum gleichläufigen Verhältnis von Woh-
nungsdurchsuchung und Beschlagnahme BVerfGE 113, 29 <45>).“365

Art. 13 GG erfasst demnach keine Systeme außerhalb der Wohnung. Innerhalb der
Wohnung schützt er auch nicht vor einem quasi körperlosen Eindringen auf die
Festplatte oder andere Speichermedien durch einen bloßen elektronischen Zugriff
über bestehende Datenleitungen.366 Dies entspricht der verfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung zur Beschlagnahme. Bei der behördlichen Maßnahme, die über
die eigentliche Durchsuchung hinausgeht, ist Art. 13 GG nicht berührt, sondern
nach dem BVerfG das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht.367 So ist das
Suchen nach beschlagnahmefähigen Gegenständen, zum Beispiel nach einem Com-
puter, ein Eingriff in Art. 13 GG, aber das Beschlagnahmen und Durchsuchen des
gefundenen Computers selbst nur ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG,368 denn diese Maßnahmen folgen nur mittelbar aus der Durchsuchung.
Das BVerfG besteht darauf, dass das Grundrecht auf Computerschutz zu Art. 10
und Art. 13 GG subsidiär ist,
„ [. . . ] soweit diese keinen oder keinen hinreichenden Schutz gewähren.“369

Nach Ansicht des BVerfG kann es allerdings unter Umständen doch zu einer Über-
schneidung der Schutzbereiche kommen:

365
BVerfGE 120, 274, 310 f.
366
BVerfGE 120, 274.
367
BVerfGE 113, 29, 45.
368
Das BVerfG geht auch hier konsequent vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus.
369
BVerfGE 120, 274, 303.
190 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit


Art. 1 Abs. 1 GG) tritt hier nicht hinter das ebenfalls betroffene Grundrecht aus Art. 13 GG
(dazu unten III.) zurück. Art. 13 GG geht zwar als spezielleres Freiheitsrecht regelmäßig
Art. 2 Abs. 1 GG vor [. . . ]. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – auch in seiner Ausprä-
gung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung – wird aber dort nicht verdrängt, wo
sich der Schutzbereich dieses Grundrechts mit demjenigen eines speziellen Freiheitsrechts
nur partiell überschneidet oder in den Fällen, in denen ein eigenständiger Freiheitsbereich
mit festen Konturen erwachsen ist [. . . ].“370

d) Debatte in der Literatur

Die zwischen Rux371 und Hornung372 geführte Debatte darüber, ob die Infiltration
eines Computers in das Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG eingreift, wurde vom BVerfG
zwar zur Kenntnis genommen, doch entschied das BVerfG, nur einen Eingriff in
das Computergrundrecht anzunehmen.

e) Eigene Ansicht

Die vom BVerfG aufgezeigte Parallele zur Beschlagnahme von Gegenständen in


einer Wohnung373 überzeugt, muss aber differenziert behandelt werden. Bei der
Beschlagnahme geht es um den Entzug und die Untersuchung von Sachen, die nur
indirekt etwas über das Verhalten des Betroffenen in seiner Wohnung aussagen kön-
nen. Bei einer Online-Durchsuchung wird der Computer wird nicht beschlagnahmt,
sondern durch einen Trojaner fortwährend ausgeforscht. Jedenfalls, wenn bei einem
Trojanereinsatz nicht nur Daten ausgelesen werden, sondern auch die Eingabe von
Daten in den Computer beobachtet wird, ist das eine Überwachung dessen, was in
der Wohnung geschieht. Verhalten in der Privatsphäre der Wohnung fällt aber unter
den Schutz des Art. 13 GG. Dass nicht der ganze Raum betrachtet wird, sondern
nur ein Teilausschnitt privaten Verhaltens in der Wohnung – nämlich die Bedie-
nung eines Computers – ändert daran nichts. Im Gegenschluss zu Art. 13 Abs. 4 GG
sind Videoaufnahmen in einer Wohnung auch nicht deshalb zulässig, weil sie nur
einen kleinen Ausschnitt, etwa die Abstellkammer, betreffen. Auch das mögliche
Argument, ein Computer müsse nicht in einer Wohnung eingesetzt werden, trifft
nicht, da die meisten Verhaltensweisen sowohl in als auch außerhalb einer Woh-
nung ausgeführt werden können. Auch ein Stuhl oder ein Tisch können außerhalb
einer Wohnung verwendet werden. Ein geschriebenes Buch kann bei einer Durch-
suchung (Art. 13 Abs. 2 GG, §§ 94 ff. StPO) beschlagnahmt werden, gleiches gilt
für den Entwurf eines Briefes, der kurz vor der Durchsuchung geschrieben wurde.
Auch die Schale eines Apfels im Küchenmülleimer darf beschlagnahmt werden,

370
BVerfGE 115, 166, 187.
371
Rux, JZ 2007; Rux, JZ 2007.
372
Hornung, JZ 2007.
373
Vgl. oben § 8, VII, 2, c).
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 191

wenn der Apfel kurz zuvor geschält wurde. Allerdings darf mit technischen Mit-
teln das Schreiben des Buches oder des Briefes ebenso wenig heimlich überwacht
werden wie das Schälen des Apfels. Der Computer selbst darf beschlagnahmt und
durchsucht werden.
Hinsichtlich des Computers könnte man entsprechend technisch differenzieren:
Die Eingabe von Informationen dürfte nach einer rein technischen Differenzierung
unter keinen Umständen mittels Trojaner überwacht werden, wohl aber bereits ge-
speicherte Informationen.
Dagegen ist einwenden, dass dieses Argument haarspalterisch ist. Da durch den
in kleinen Abständen erfolgenden dauernden Zugriff auf gerade erst im Arbeitsspei-
cher (RAM) nur kurzfristig festgehaltene Inhalte im Endeffekt die zulässige Aus-
forschung gespeicherter Information faktisch nicht von einer Simultanüberwachung
flüchtigen Verhaltens zu unterschieden werden kann: Wenn alle fünf Minuten eine
Durchsuchung des Arbeitszimmers in der Wohnung eines Betroffenen stattfände
und die jeweils von ihm geschriebene Manuskriptseite durch die Ermittlungsbeam-
ten beschlagnahmt würde, wäre auch kaum eine Unterscheidung zwischen Überwa-
chung des Verhaltens und Durchsuchung der Wohnung sinnvoll. Durch quantitative
Steigerung kann also eine Durchsuchung qualitativ in eine Überwachung umschla-
gen. Einziges Gegenargument bleibt, dass ähnlich wie beim Telefongespräch durch
die Internetverbindung gleichsam eine Tür nach außen geöffnet wird. Daher könnte
man argumentieren, dass der Einzelne sich so des Schutzes seiner Privatwohnung
als Ort des Rückzugs und des intimen Austausches begibt. Schließlich wird sein
Computer Teil des Internets und damit der Öffentlichkeit. Will er für sich blei-
ben, kann er die Internetverbindung unterbrechen und so die Gefahr einer Online-
Durchsuchung beseitigen.
Im Unterschied zum Telefongespräch will der Betroffene die Daten, die aus-
geforscht werden, gerade nicht nach außen zu einer anderen Person übertragen.
Das Argument, die Internetverbindung öffne den Computer nach außen und schlie-
ße die Speicherplätze des Computers aus dem Schutzbereich der Privatsphäre der
Wohnung aus, ist aber so wenig überzeugend wie die Einlassung, ein Zimmer in
einem Haus sei nicht von Art. 13 GG geschützt, weil das Haus über eine öffentliche
Straße sozial vernetzt sei. Auch in dieses Zimmer des Hauses darf nicht heimlich
mit technischen Überwachungsmitteln zur Strafverfolgung eingedrungen werden,
nur weil Fenster oder Türen geöffnet sind. Anders wäre nur zu urteilen, wenn In-
haber des Hauses der Öffentlichkeit ungefiltert Zutritt gewährt, wie etwa im oben
beschriebenen Beispiel eines Supermarktes.374 In diesem Fall ist der Raum gerade
keine Wohnung und genießt nicht den vollen Schutz des Art. 13 GG. Entsprechend
ist bei einem Computer zu differenzieren. Nur weil die Möglichkeit besteht, dass
von außen eingedrungen wird, ist der Raum noch nicht rechtlich für den Zugriff
anderer geöffnet. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Computer über kei-
nerlei Schutzvorkehrungen verfügt und zusätzlich gespeicherte Inhalte explizit der
Öffentlichkeit oder auch nur besonderen Personen zur Verfügung gestellt werden.
Eine Überwachung des Computers ist insoweit auch innerhalb von Wohnungen

374
Vgl. § 8, VII, 1, b), dd).
192 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

verfassungsrechtlich nicht als Eingriff in Art. 13 GG zu werten. Es handelt sich


vielmehr um einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
bzw. das Computergrundrecht, der im Gegensatz zu einer technischen strafprozes-
sualen Überwachung der Wohnung (Art. 13 Abs. 4 GG) gerechtfertigt werden kann.
Ähnliches muss für Computer außerhalb von Wohnungen gelten. Diese dürfen trotz
Sicherheitsvorkehrungen des Betroffenen überwacht werden, wenn die Anforderun-
gen an Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit vorliegen. Letztere sind wegen der
Bedeutung des Computers für die Persönlichkeitsentfaltung und der zu überwin-
denden Hindernisse (Firewall, Virenschutz) den Anforderungen des Art. 13 Abs. 3
GG angenähert.
Die Online-Durchsuchung ist also bei Computern in Wohnungen nicht zulässig.
Eine Ausnahme gilt nur, wenn soweit die Inhalte vom Betroffenen der Öffentlich-
keit gewidmet sind. Außerhalb von Wohnungen ist eine Online-Durchsuchung unter
den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts als ein Eingriff in das Computergrund-
recht gestattet.

3. Eingriff durch verdeckte strafprozessuale


Ermittlungsmaßnahmen

a) Überwachung der Wohnung durch körperliches Eindringen


in die Wohnung

Für die Beurteilung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen ist entscheidend, un-


ter welchen Umständen sie in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG eingreifen.
Ob ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG vor-
liegt, bestimmt sich nach dem modernen Eingriffsbegriff.375 Allerdings gilt hier die
bereichsspezifische Erweiterung, dass rein Beobachtungen nicht einschüchtern und
keine Auswirkung auf die Handlungsfreiheit haben müssen. Ähnlich wie Art. 10
GG dem Wortlaut nach Geheimnisschutz bietet, regelt Art. 13 GG konkludent den
besonderen Schutz der Privatsphäre in der Wohnung vor verdeckten strafprozes-
sualen Ermittlungsmaßnahmen. Denn Art. 13 Abs. 3 GG stellt gerade besondere
Schranken für heimliche strafprozessuale Überwachungen auf. Art 13 GG erfasst
bei den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen auch jede Installation technischer Über-
wachungsgeräte und das persönliche Ermitteln in Wohnungen.

b) Überwachung des Inneren der Wohnung von außen

Es kommt darauf an, ob nicht nur das physische Eindringen in die Wohnungen, son-
dern auch das Beobachten durch Fenster oder Belauschen durch Horchen an Türen
etc. in den Schutzbereich fällt. Betrachtet man Art. 13 Abs. 1 GG isoliert, ist nicht

375
Pieroth/Schlink, Rdn. 253 ff. und § 7, III.
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 193

eindeutig, ob der Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG betroffen ist, wenn Daten
der in Wohnungen installierten Geräte ausgewertet werden. Aus Art. 13 Abs. 3 GG
ergibt sich, dass „akustische Überwachung des Wohnraumes“ in den Schutzbereich
des Art. 13 Abs. 1 GG fällt. Daher kommt es nicht darauf an, wo die Überwa-
chungsgeräte installiert sind, sondern nur darauf, dass die Geräusche innerhalb der
Wohnung abgehört werden. Das gleiche gilt für visuelle Wohnraumüberwachung,
da diese ebenfalls von außen erfolgen kann. Zu beachten ist aber, dass es um die ge-
schützte Privatheit in der Wohnung geht. Wird in einer Wohnung – etwa bei offenem
Fenster – so laut gesprochen, dass man dies auf der Straße hören kann, liegt kein
Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG vor, wenn die dort gehörten Gespräche aufgezeich-
net werden. Es existieren aber inzwischen technische Geräte, die die normalerweise
unhörbaren akustischen Signale verstärken und Aufnehmen können, die durch die
Schwingungen der Fensterscheiben oder ähnliche Effekte nach aus der Wohnung
außen dringen. Nutzen die Ermittlungsbehörden solche Geräte von außen, um Ge-
spräche im Inneren einer Wohnung abzuhören, ist dies auch ein Eingriff in das
Grundrecht aus Art. 13 GG.

4. Rechtfertigung, Schranken des Eingriffs durch verdeckte


Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 und 5 GG

Eingriffe in die Privatsphäre der Wohnung können gerechtfertigt werden. Die „Un-
verletzlichkeit“ ist im historischen Kontext zu sehen. In der Unverletzlickeitsformel
verbirgt sich danach nur die einfachgesetzliche Eingriffsmöglichkeit.376 Für die ver-
deckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen sind in Art. 13 Abs. 3 und Abs. 5
GG allerdings Sonderregelungen für Eingriffe enthalten, die weit über den einfa-
chen Gesetzesvorbehalt hinausgehen. Dadurch, dass der Schutzbereich weit und
der Eingriff modern verstanden wird, bedürfen viele Handlungen der Sicherheits-
und Ordnungsbehörden der Rechtfertigung im Hinblick auf Art. 13 GG. Für die
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen sind die Beschränkungen aus
Art. 13 Abs. 3, 5 GG bedeutsam. Art. 13 Abs. 3 GG regelt explizit die Beschränkun-
gen der Strafverfolgung bei akustischer Wohnraumüberwachung und ist daher für
die vorliegende Arbeit von entscheidender Bedeutung. Art. 13 Abs. 3 GG stellt fol-
gende Anforderungen an eine strafprozessuale akustische Wohnraumüberwachung
Räume so dürfen zur Verfolgung der Tat durch technischer Mitteln von Wohnungen
akustisch überwacht werden:
1. Bestimmte Tatsachen müssen den Verdacht begründen, dass jemand eine durch
Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat.
2. Die Erforschung des Sachverhalts muss auf andere Weise unverhältnismäßig
erschwert oder aussichtslos sein.

376
Vgl. Kühne, S. 340. Wenn in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen wird, ohne dass
dies gerechtfertigt werden kann, ist das Grundrecht verletzt.
194 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

3. Der Beschuldigte muss sich vermutlich in den überwachten Räumen aufhalten.


4. Die Maßnahme bedarf richterlicher Anordnung durch einen mit drei Richtern
besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen ein-
zelnen Richter getroffen werden.
5. Die Maßnahme ist zu befristen.
Das BVerfG hat sich im Urteil über den „Großen Lauschangriff“ mit der Frage
beschäftigt, ob die Einführung des Art. 13 Abs. 3 GG verfassungswidriges Verfas-
sungsrecht ist. Die Senatsmehrheit urteilte, dass Art. 13 Abs. 3 GG nicht gegen
Art. 17 Abs. 3 GG verstoße.377 Die Minderheitsvoten zum Urteil über den „Großen
Lauschangriff“378 hielten Art. 13 Abs. 3 GG für mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht ver-
einbar und daher für nichtiges, „verfassungswidriges Verfassungsrecht“:
„Im Jahre 1971 haben die Verfassungsrichter Geller, v. Schlabrendorff und Rupp es noch
als eine fernliegende, aber dennoch nicht ganz auszuschließende Gefahr angesehen, dass
Art. 13 GG einmal dahin erweitert werden solle, dass „unter bestimmten Voraussetzun-
gen Haussuchungen ohne Zuziehung des Wohnungsinhabers und dritter Personen vorge-
nommen und dabei auch Geheimmikrofone unter Ausschluss des Rechtsweges angebracht
werden dürften“ (vgl. BVerfGE 30, 1; Abweichende Meinung, S. 30 [46 f.]). Inzwischen
scheint man sich an den Gedanken gewöhnt zu haben, dass mit den mittlerweile entwickel-
ten technischen Möglichkeiten auch deren grenzenloser Einsatz hinzunehmen ist. Wenn
aber selbst die persönliche Intimsphäre, kein Tabu mehr ist, vor dem das Sicherheitsbedürf-
nis Halt machen kann, dann stellt sich auch verfassungsrechtlich die Frage, ob das Men-
schenbild, das eine solche Vorgehensweise erzeugt, noch einer freiheitlich-rechtsstaatlichen
Demokratie entspricht.“379

Der Senatsmehrheit ist entgegen der Abweichenden Ansichten zuzustimmen. Wie


oben gezeigt wurde, ist der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung
durch Art. 1 Abs. 1 GG garantiert, der insoweit andere Verfassungsbestimmun-
gen verdrängt. Auch die Gesetzesvorbehalte der Art. 2 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2
GG sind nicht schon deshalb verfassungswidriges Verfassungsrecht, weil sie dem
Wortlaut nach auch Gesetze, die die Menschenwürde missachten, zulassen. Da die
Wohnung nur unter strengen Voraussetzungen überwacht werden darf, ist auch nicht
der Wesensgehalt des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 aufgehoben.
Art. 13 Abs. 5 GG regelt den Einsatz technischer Mittel zum Schutz der bei ei-
nem Einsatz in der Wohnung tätigen Ermittlungspersonen. Damit ist der Streit über
die Zulässigkeit des Einsatzes Verdeckter Ermittler in Wohnungen380 zugunsten der
Zulässigkeit des Einsatzes innerhalb der Schranken des Art. 13 Abs. 3, 5 GG ent-
schieden. Über den Einsatz des Ermittlers und über Maßnahmen zu dessen Schutz
muss der Richter gesondert entscheiden. Art. 13 Abs. 7 GG dient als subsidiärer
Auffangtatbestand für Eingriffe der Gefahrenabwehr und hat keine direkte Bedeu-
tung für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen.

377
BVerfGE 109, 279, 309 ff.
378
BVerfGE 109, 279, 382 ff.
379
BVerfGE 109, 279; Abweichende Meinung 382, 390 f.
380
Vgl. BVerfGE 57, 250, 284.
VII. Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG 195

a) Erfordernis einer schweren Straftat

Weil Art. 13 Abs. 3 GG eine durch Gesetz einzeln bestimmte, besonders schwe-
re Straftat als Voraussetzung für eine akustische Wohnraumüberwachung fordert,
muss das Delikt durch Angabe des Gesetzes und des Paragraphen genau benannt
sein. Eine Kategorisierung bloß über Mindeststrafen wäre nicht ausreichend. Die-
se besondere Schwere der Tat im Einzelfall muss der Gesetzgeber in bestimmter
Weise angemessen regeln. Die Umsetzung dieses Erfordernisses in § 100c Abs. 1
StPO muss sich systematisch widerspruchslos in die bestehende Ordnung schwerer
Taten des materiellen Strafrechts einfügen und darf zudem ein gewisses absolu-
tes Minimum nicht unterschreiten, ab dem von einer schweren Tat keine Rede
mehr sein kann. Wie diese Regelung in der StPO ausgestaltet sein muss, schreibt
Art. 13 Abs. 3 GG nicht vor. Die Frage, ob diese Maßgabe verfassungsgemäß um-
gesetzt wurde, muss daher im Rahmen der Erläuterung der in der StPO geregelten
Merkmale der Einzelmaßnahmen erfolgen.381

b) Subsidiarität der Maßnahme

Art. 13 Abs. 3 GG bestimmt zudem ausdrücklich die Subsidiarität der (verdeckten)


akustischen Wohnraumüberwachung. Danach darf akustische Wohnraumüberwa-
chung nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere
Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos ist. Das bedeutet, dass die
akustische Wohnraumüberwachung immer das letzte Mittel der Ermittlungsmaß-
nahmen sein muss. Der Verfassungsgeber deutet hier an, dass es durchaus eine
abstrakte Rangfolge der Ermittlungsmaßnahmen geben kann. Soweit gleichrangi-
ge Grundrechte betroffen sind, ist dies allerdings eine Frage der Erforderlichkeit im
Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.382 Wie später zu zeigen sein wird,
hat der Gesetzgeber die Rangfolge der Ermittlungsmaßnahmen für die verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen in der StPO aber nur fragmentarisch und zudem wider-
sprüchlich durch sog. „Subsidiaritätsklauseln“, etwa die in § 100c Abs. 1 StPO,
geregelt.383

381
Wie zu zeigen sein wird, ist höchst zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die Formulierung aus
Art. 13 Abs. 3 GG tatsächlich umgesetzt oder ob er sie vielmehr „abgeschrieben“ hat und für un-
besehen auch für weitere Fälle außerhalb der Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung
verwendet (§§ 100a Abs. 1 Nr. 2, 100f Abs. 1 Hs. 4 StPO), vgl. § 13, II und zu § 100c StPO
speziell § 24, III, 2.
382
Vgl. dazu unten den eigenen Vorschlag zur Entwicklung objektiver Kriterien § 8, IV, 3, c).
383
Vgl. § 14.
196 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

5. Zwischenergebnis

Die in Art. 13 Abs. 3, 5 GG für die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der akus-


tischen Wohnraumüberwachung aufgestellten speziellen Schranken des Rechts auf
Unverletzlichkeit der Wohnung sind wie folgt zu verstehen:
1. Der Begriff der Wohnung in Art. 13 GG wird traditionell sehr weit ausgelegt.
Entgegen dem umgangssprachlichen Wortlaut wird nicht nur die Wohnung, in
der jemand sein Privatleben verbringt, unter diesen Begriff subsumiert, sondern
auch Räume, die ausschließlich geschäftlich oder freizeitlich genutzt werden.
In der weitesten Auslegung wird weder nach Größe oder faktischer Abgren-
zung der Räume noch danach differenziert, ob der Zutritt zu den Räumen kon-
trolliert oder reglementiert wird. Vereinzelt wird demgegenüber ein enger, am
Wortlaut des Art. 13 GG orientierter Wohnungsbegriff vertreten, der nur dem
Privatleben dienende Räume erfasst. Diese beiden extremen Positionen sind zu-
gunsten einer vermittelnden Ansicht abzulehnen. Der Schutz der Schranken des
Art. 13 Abs. 3, 5 GG wird entsprechend auf andere zum privaten oder geschäft-
lichen Leben bestimmte Räume übertragen. Nicht in diesem strengen Sinne
geschützt werden allerdings Räume, welche die faktisch über den Zugang ent-
scheidende Person der Öffentlichkeit unkontrolliert zu Verfügung stellt.
2. Art. 13 Abs. 3 GG erfordert, dass die Anlasstat für eine akustische Wohnraum-
überwachung in der StPO durch Angabe des Gesetzes und des Paragraphen
genau benannt wird. Taten, die keine Verbrechen sind, können nicht als beson-
ders schwere Straftaten im Sinne des Art. 13 Abs. 3 GG eingeordnet werden.
3. Die akustische Wohnraumüberwachung darf immer nur das letzte Mittel der
Ermittlungsmaßnahmen sein.

VIII. Grundrecht auf rechtliches Gehör


gemäß Art. 19 Abs. 4 GG

1. Verdeckte Maßnahmen und Art. 19 Abs. 4 GG

Art. 19 Abs. 4 GG garantiert jedem, der von staatlichen Maßnahmen betroffen ist,
einen subjektiven Anspruch auf rechtliches Gehör. Art. 19 Abs. 4 GG ist als Verfah-
rensgrundrecht bei allen Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungs-
maßnahmen betroffen, da sich durch die Heimlichkeit faktisch keine Möglichkeit
zur Rechtsverfolgung ergibt.384 Zwar ist der Beschuldigte auch gegenüber dem
Richter im Ermittlungsverfahren nicht minderberechtigt, doch ist er faktisch von ei-
ner effektiven Rechtsverfolgung vor oder während der Maßnahme ausgeschlossen.
Der Betroffene erfährt in der Regel erst von der Maßnahme, wenn diese beendet

384
BVerfGE 30, 1, 15 f., 18 f.
VIII. Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 19 Abs. 4 GG 197

ist. Das BVerfG hält daher die besondere Begründung eines Rechtsschutzinteresses
nicht für erforderlich:
„Setzt ein Grundrechtseingriff aus verfassungsrechtlich gerechtfertigten Gründen Heim-
lichkeit voraus, wird ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen, die etwaige Rechtswid-
rigkeit der Maßnahme anschließend gerichtlich feststellen zu lassen, nicht nur ausnahms-
weise anzunehmen sein.“385

Die Eingriffe in Art. 19 Abs. 4 GG sind durch vorgeschalteten Richtervorbehalt


und nachträglichen Rechtsschutz im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu minimie-
ren. Denn die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit bei einer heimlichen Ermittlungs-
maßnahme wird zum Teil dadurch kompensiert, dass bei einer solchen Maßnahme
von Amts wegen ein Richter den Antrag auf Anordnung der verdeckten Maßnah-
me überprüft. Damit fehlt dem Betroffenen aber immer noch die Gelegenheit, seine
eigenen rechtlichen Bedenken gegen die Maßnahme vorzubringen. Dies muss da-
her nachholbar sein. Dazu muss dem Betroffenen ein entsprechender nachträglicher
Rechtsbehelft zur Verfügung stehen. Diesen muss er ohne Darlegung eines beson-
deren Rechtsschutzinteresses auch gegen die bereits erledigte Maßnahme einlegen
dürfen. Der Gesetzgeber hat den Rechtsschutz, vornehmlich gegen erledigte ver-
deckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, im später noch zu erläuternden
und an § 19 Abs. 4 zu messenden § 101 Abs. 7 S. 2 StPO geregelt.386

2. Verhältnis des Art. 19 Abs. 4 GG zum Grundrecht auf Freiheit


von Einschüchterung

Neben dem Verlust der rechtlichen Abwehrmöglichkeit des Eingriffs wird dem Be-
troffenen auch jedes tatsächliche Ausweichen und Abwehren des Eingriffs in seine
Rechte durch heimliches Vorgehen genommen.
Das BVerfG nimmt einen Eingriff in Art. 19 Abs. 4 GG und außerdem einen
Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG oder das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung durch entsprechende verdeckte Ermittlungsmaßnahmen an.387 Im Vergleich
zu offenen Maßnahmen sei der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbe-
stimmung „intensiviert“. Dabei liegt die Intensivierung aber nicht in dem Eingriff
in Art. 19 Abs. 4 GG. Denn diesen Eingriff behandelt das Gericht schließlich ge-
sondert und zieht ihn nicht als „Verstärker“ mit dem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung bzw. Art. 10 GG zusammen. Dies ergibt nur Sinn, wenn ein zu-
sätzliches Grundrecht – nämlich das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG – vorhanden ist.

385
BVerfGE 107, 299.
386
Vgl. unten § 17.
387
BVerfGE 67, 157, 169, zum Spezialfall des Art. 10 Abs. 1 GG.
198 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

IX. Freiheitsgrundrechte aus Art. 4 ff. GG

Neben den vorstehend ausführlich vorgestellten Grundrechten kann durch die


verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen in verschiedene weitere
Grundrechte eingegriffen werden. Soweit Grundrechte spezifische Ausprägun-
gen der Handlungsfreiheit sind, ist dies zwingend. In die Grundrechte aus Art. 4
GG,388 Art. 5 GG,389 Art. 6 GG,390 Art. 8 GG,391 Art. 9 GG,392 Art. 12 GG393 kann
daher durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen eingegriffen werden.
Eine Observation engsten familiären Verhaltens kann danach beispielsweise in
das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG eingreifen. Verfassungsrechtlich ist in diesen
Fällen von einer Verstärkungswirkung auszugehen, wenn gleichzeitig in das Grund-
recht auf Freiheit von Einschüchterung eingegriffen wird:
„Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts [nach hier vertretener Ansicht des
Rechts auf Freiheit von Einschüchterung] erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1
und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die
für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche
Fürsorge gehört [. . . ]. Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6
GG im einzelnen auswirkt, läßt sich nicht generell und abstrakt bestimmen. Zwar wird es
regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewußt
der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen
oder gar in deren Mittelpunkt stehen. Insoweit liefern sie sich den Bedingungen öffentlicher
Auftritte aus. Im übrigen kann der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten
spezifischer Eltern-Kind-Beziehungen grundsätzlich aber auch dort eingreifen, wo es an
den Voraussetzungen der örtlichen Abgeschiedenheit fehlt.“394

Diese „Verstärkungswirkung“ hat das BVerfG nur bezüglich Art. 6 Abs. 1 und 2 GG
ausdrücklich benannt, dogmatisch spricht aber nichts dagegen, dieses methodische
Prinzip auch bezüglich anderer Grundrechte anzuwenden.
Selbst wenn man die Eigentumsgarantie als reinen Schutz eines Integritätsin-
teresses und nicht als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit sieht395 und
folglich Beobachtungen des Privateigentums nicht ohne weiteres Art. 14 GG be-
rühren können, ist eine Beschränkung möglich. Die Installation eines GPS-Senders

388
Die Überwachung religiöser Handlungen kann über Einschüchterungseffekte zur Vermeidung
dieser Praktiken führen.
389
Beobachtung von wissenschaftlicher Forschung, von Presseerzeugnissen oder der Interne-
taktivität Betroffener kann über die beschriebenen Einschüchterungseffekte die Presse- und
Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG berühren.
390
Die Überwachung der Familienmitglieder oder gar das Anwerben von V-Personen aus diesem
Bereich kann den familiären Zusammenhalt belasten.
391
Gerade die Versammlungsfreiheit wird durch die Angst vor Überwachung behindert.
392
Personen die sich Vereinigungen anschließen wollen, die wahrscheinlich heimlich überwacht
werden, zum Beispiel Motoradclubs oder rechtsextreme Parteien, werden sich unter Umständen
von dieser Erwartung abschrecken lassen.
393
Die Berufsfreiheit kann ebenfalls durch Einschüchterungseffekte betroffen sein.
394
BVerfGE 101, 361, 386.
395
Vgl. zum aufeinander aufbauenden Verhältnis von Freiheit und Eigentum Wieland in: Dreier,
GG2 , Art. 14 Rdn. 1.
X. Weitere Grundrechte? 199

an einem Auto oder die eines Trojaners in einen Computer können aber Art. 14 GG
unmittelbar betreffen.

X. Weitere Grundrechte?

1. Allgemeines Grundrecht auf ein faires Verfahren?

Neben den genannten Grundrechten wird auch ein Grundrecht auf eine faires Straf-
verfahren aus der Verfassung abgeleitet. Wie zu zeigen sein wird, gehen die dog-
matischen Grundregelungen insoweit nicht wesentlich über die bereits erörterten
Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und den Anspruch auf Achtung der Menschen-
würde nach Art. 1 Abs. 1 GG hinaus. Zusätzlich wird dieses Grundrecht noch in
Art. 20 Abs. 3 GG verankert. Wenn die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen „un-
fair“ sind, bestünde daher ein weiterer Grund für die grundsätzliche Unzulässigkeit
verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Im Folgenden wird dargestellt, dass sich die
Anforderungen an ein faires Verfahren aus den oben erläuterten Grundrechten erge-
ben. Das Verfahren ist nicht fair, wenn die genannten Grundrechte – insbesondere
das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung und der Anspruch auf Achtung
der Menschenwürde – verletzt sind. Die Verfahrensfairness ist insoweit eher ein
Ergebnis als ein Ort der Deduktion.

a) BVerfG: Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG

Das BVerfG nimmt über die genannten Grundrechte hinaus ein Prozessgrundrecht
auf ein „faires“ Verfahren an. Ein faires und rechtsstaatliches Verfahren hat danach
eine freiheitssichernde Funktion und ist als Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V.
m. Art. 20 Abs. 3 GG396 mit Verfassungsrang versehen:
„Der in der Rechtsprechung anerkannte Anspruch auf ein faires gerichtliches Verfahren
gilt als generelles Prinzip in allen Prozessordnungen. [. . . ] Das Recht auf ein faires Verfah-
ren als eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, das in der Verfassung nur zum Teil näher
konkretisiert ist, enthält keine im Einzelnen bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf viel-
mehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist es grundsätzlich
Sache des Gesetzgebers, zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisie-
rung eines Verfassungsgrundsatzes zu wählen. Erst wenn sich unter Berücksichtigung aller
Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten
ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können
aus diesem allgemeinen Prozessgrundrecht konkrete Forderungen für die Ausgestaltung des
Strafverfahrens im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens
gezogen werden.“397

396
BVerfGE 57, 250, 274 f.; 75, 183, 190 f.; BVerfG NJW 1996, S. 1811; BVerfG DVBl 2001,
118.
397
BVerfG DVBl 2001, 118.
200 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

Das BVerfG ist sich also der Schwäche der Konstruktion eines solchen Grundrechts
bewusst: Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip ist als solches im Grundgesetz nicht
geregelt, sondern wird nur an wenigen Stellen sinngemäß erwähnt. Daraus lässt
sich nur schwer eine konkrete Regel für anstehende Rechtsprobleme ableiten. Das
BVerfG behilft sich damit, zwar ein Grundrecht auf Verfahrensfairness anzuerken-
nen, aber nur dann auf dieses Grundrecht zurückzugreifen, wenn es zu evidenten
Ungerechtigkeiten im Verfahren kommt.

b) Ansicht der h. L.

Auch nach Ansicht der h. L. ist das Recht auf ein faires Verfahren ein Grundrecht.
Dabei wird versucht, Fallgruppen näher zu definieren. Wie das hier abgelehnte
allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht dieses Grundrecht der Verfahrensfairness
danach aus einem Bündel konkretisierter Rechte bzw. „unterschiedlicher Einzelele-
mente“. Der Grundsatz der Verfahrensfairness ist dabei durch eine „vollständige Of-
fenheit geprägt.“ Er geht anders als im angestammten angloamerikanischen Rechts-
raum „in Deutschland auf keine Tradition zurück und ist daher bar jeder Struktur.“
398
Mit einigem Aufwand wird versucht Art. 6 der Europäischen Menschenrechts-
konvention (EMRK) als Grundlage des fairen Verfahrens in das Grundgesetz zu
implementieren oder die Vorschrift wenigstens den Grundrechten im Rang anzu-
gleichen, um konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung eines fairen Verfahrens in
Verfassungsrang zu erheben.399 Über seine Verankerung in Art. 6 EMRK hinaus
ist sein Geltungsgrund ungeklärt.400 Mit diversen Begründungen wird der Fair-
nessgrundsatz in der Verfassung verankert.401 Sein genauer Inhalt lässt sich wegen
seines abstrakt-formalen Charakters auch von der Literatur kaum angeben.402

398
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , Einl. Abschn. I Rdn. 103.
399
Die EMRK ist ursprünglich ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der im Rahmen des
Europarats geschlossen wurde und dafür sorgen soll, dass die in ihm genannten Menschenrechte
eingehalten werden. Kraft gesetzlicher Übernahme kommt der EMRK der Rang eines einfachen
Bundesgesetzes zu. Die EMRK steht in ihrem Rang unterhalb der Grundrechte des Grundgesetzes.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BVerfG der Inhalt und Entwicklungsstand der EMRK
bei der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei bei der Auslegung
der Grundrechte des Grundgesetzes die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte (EGMR) in Straßburg zu beachten, auch wenn eine parallele Bestimmung zu § 31
BVerfGG fehlt, BVerfG NJW 2004, 3407 ff.; BVerfGE 74, 358, 370. Denn Art. 46 EMRK ver-
pflichtet die Mitgliedstaaten, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil
des EGMR zu befolgen. Die EMRK wirkt danach als Auftrag an den Gesetzgeber, über die Aus-
strahlungswirkung bei der Auslegung auf das deutsche Strafverfahrensrecht. Vgl. Satzger, Jura
2009; Eisele, JA 2005.
400
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , Einl. Abschn. I Rdn. 103.
401
Vgl. den Versuch einer Klärung der Verankerung im Grundgesetz bei Tettinger, S. 2 ff.
402
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , Einl. Abschn. I Rdn. 107.
X. Weitere Grundrechte? 201

c) Eigene Ansicht

Der Stand der verfassungsrechtlichen Dogmatik des Fairnessgrundsatzes ist ernüch-


ternd. Zwar mag es ein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG
auf ein faires Verfahren geben, da es keine Rechtfertigung dafür geben kann, ei-
ne Person in einem unfairen Prozess zu verurteilen. „Faires Verfahren“403 bedeutet
aber nichts anderes als „gerechtes Verfahren“. Damit wäre ein Anknüpfungspunkt
an den Wortlaut des Art. 20 GG – „Recht“ – gefunden. Allein daraus lässt sich aber
nicht deduzieren, unter welchen Umständen ein Verfahren gerecht ist. Ermittlungs-
maßnahmen, die bereits gegen den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde
verstoßen, werden traditionell als ungerecht eingeordnet. Dafür ist aber kein neu-
es Grundrecht auf Verfahrensfairness notwendig. Diese Fälle werden vollständig
durch die Gewährleistung des Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Ein Verzicht auf ver-
deckte Ermittlungsmaßnahmen gehört jedenfalls nicht zu diesem Kernbestand des
rechtsstaatlichen Verfahrens. Für die verdeckten Ermittlungen ergibt sich aus die-
sem Generalprinzip daher nichts. Im Weiteren ist zu klären, ob an die verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen wenigstens durch konkrete Ausgestaltungen des General-
prinzips Anforderungen gestellt werden müssen, die oben noch nicht erörtert wur-
den.404

2. Keine Anwendung des Art. 6 EMRK auf die verdeckten


Ermittlungsmaßnahmen

Selbst wenn der Inhalt eines Grundrechts auf eine „faires“ Verfahren aus Art. 6
EMRK entnommen wird und dieses Recht auf die gleiche Rangstufe mit den Grund-

403
Der Anglizismus „fair“ bedeutet allgemein „anständig, ehrlich, gerecht, tolerant, rücksichts-
voll“. Er ist im deutschen Sprachraum zunächst im Bereich des internationalen Handels und
vor allem im Sport über das „fair play“ Ende des 19. Jahrhundert verwendet worden, vgl.
Schulz/Basler, S. 641. „Fair“ bedeutet im letzteren Sinne zunächst „regelgerecht“ aber auch „ka-
meradschaftlich, anständig“. Damit ist aber auch die Konnotation verbunden, dass beide Seiten des
sportlichen Wettkampfs eine Chance haben zu gewinnen. Dies ist ein schiefes Bild, das dem Straf-
prozess nicht gerecht wird. Gegenüber den strafprozessualen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen
ist der Betroffene von vornherein ohne Chance. Durch das verdeckte Vorgehen ist ihm jede Ge-
genwehr abgeschnitten. Solange er nichts von dem Verfahren weiß, wird er keine Anträge stellen,
er wird sich nicht an den Richter wenden, der ihn folglich auch nicht anhört. Die Strafverfolgungs-
behörden hören den Betroffenen vielmehr ab, ohne dass er sich dagegen wehren kann oder nutzen
andere, unvorhergesehene verdeckte Mittel. Selbst das im Deutschen, traditionell im Bereich des
Sports und nicht des Rechts gebräuchliche „fair“ passt nicht auf die verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen. Eine gegenüber dem Beschuldigten verdeckte strafprozessuale Ermitt-
lung ist in sportlichen Kategorien ein „permanentes Foul“ am Betroffenen. Zur Bedeutung dieses
eingedeutschten Wortes vgl. Schulz/Basler, S. 1063 f.
404
Selbst die Verneinung eines gesonderten Grundrechts auf eine faires Verfahren bedeutet selbst-
verständlich nicht, dass es verfassungsrechtlich zulässig wäre, unfair zu mit Verdächtigen zu
verfahren. Es geht nur um die dogmatische Verankerung, die sich alternativ direkt in den Frei-
heitsgrundrechten finden lässt.
202 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

rechten aus dem Grundgesetz gestellt werden kann, enthält Art. 6 EMRK keine
besonderen Kriterien für die Behandlung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen.405

3. In Betracht kommende Konkretisierungen des Rechts


auf ein faires Verfahren

Wenn der Fairnessgrundsatz zu den Menschenrechten gehört, lässt sich aus ihm ein
Kerngehalt der Gewährleistung einer eigenverantwortlichen Teilhabe am Verfah-
ren ableiten. Daraus folgt nach der Ansicht Kühnes beispielsweise eine geschützte
Geheimsphäre zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Verteidigungsbefug-
nissen, die Unzulässigkeit von Täuschungen, das Nemo-tenetur-Prinzip und die
Anerkennung von Beweisverboten. Letztere dienen insbesondere zum Schutz des
Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung.406 Während die Geltung anderer
Prozessprinzipien im Ermittlungsverfahren strittig ist, gilt dies nicht für das Nemo-
tenetur-Prinzip.407 Wie oben ersichtlich408 besteht aber kein Anlass das Nemo-
tenetur-Prinzip als Grundrecht außerhalb des Art. 1 Abs. 1 GG zu verankern. Der
Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Verfahrsfairness ist lediglich Ergeb-
nis der Missachtung der Menschenwürde.

405
Es ist bereits höchst zweifelhaft, ob Art. 6 EMRK auf das Ermittlungsverfahren anzuwenden
ist. Art. 6 EMRK ist dem Wortlaut nach nur auf einen Angeklagten im gerichtlichen Verfahren an-
wendbar. Der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren ist nicht Angeklagter. Er befindet sich nicht
im gerichtlichen Hauptverfahren, das dann mit dem „ganzen Verfahren“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1
EMRK gemeint wäre. Dafür spricht auch der Sinnzusammenhang der Norm, die offenbar nicht
auf das Ermittlungsverfahren zugeschnitten ist. Entschieden für eine Anwendbarkeit auf das
Ermittlungsverfahren hat sich der EGMR ausgesprochen, der das Ermittlungsverfahren in eine
Gesamtwürdigung des Verfahrens einbezieht. Der EGMR hat sich in verschiedenen Entscheidun-
gen mit der Fairness der verdeckten Ermittlungsmethoden beschäftigt, EGMR, Schenk v. Schweiz,
Serie A Nr. 140; EGMR, Allan v. Vereinigtes Königreich (48539/99), StV 2003, 257 m. Anm. Ga-
ede; EGMR, Teixeira de Castro v. Portugal, Reports 1998-IV; EGMR, Kostovski v. Niederlande,
Serie A Nr. 166; EGMR, Kruslin v. Frankreich, Serie A Nr. 176; Huvig v. Frankreich, Serie A
Nr. 176-B; EGMR Valenzuela Contras v. Spanien, Reports 1998-V. Nach hier vertretener Ansicht
wäre nur ein Bezug zu Art. 8 EGMRK zutreffend, den der EGMR in anderen Entscheidungen zu
verdeckten Ermittlungsmaßnahmen auch feststellt, vgl. EGMR, Bykov v. Russland, Nr. 4378/02
(NJW 2010, 213); Lüdi v. Schweiz, Serie A Nr. 238. Auch in der Literatur ist die Anwendung
auf das Ermittlungsverfahren kein Streitthema, vgl. Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf
konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, S. 7, 188 ff., der den
abweichenden Sprachgebrauch zum deutschen Strafverfahren mit einer zwingenden völkerrecht-
lichen Auslegung der Vorschrift erklärt. Der Streit soll in dieser Arbeit aber nicht weiter vertieft
werden.
406
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , Einl. Abschn. I Rdn. 107 f.
407
„Anerkannt ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit als „Kernbereich“ der Garan-
tie eines fairen Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, 6 Abs. 1 S. 1 EMRK)
auch dann verletzt sei kann, wenn die Ermittlungsbeamten ein Schweigen des Beschuldigten durch
Täuschung zu überwinden trachten [. . . ].“ Eisenberg, JR 2011, S. 407.
408
Vgl. oben § 8, V, 3.
X. Weitere Grundrechte? 203

a) Beweisverwertungsverbote

Die Beweisverwertungsverbote hinsichtlich der durch Eingriffe in den Kernbereich


der privaten Lebensgestaltung gewonnen Informationen ergeben sich bereits aus
Art. 1 Abs. 1 GG und sind so grundrechtlich verankert.409

b) Waffengleichheit

Das BVerfG hat neben den oben besprochenen gefestigten Prinzipien aus dem Fair-
nessgrundsatz die Erforderlichkeit einer gewissen verfahrensrechtlichen Waffen-
gleichheit von Staatsanwalt und Beschuldigtem abgeleitet.410 Die Waffengleichheit
bietet einen abstrakteren Rahmen als andere klassische Prozessprinzipien. Dieses
Prinzip könnte zur Unrechtmäßigkeit der verdeckten strafprozessualen Ermittlun-
gen führen, da eine ausgewogene Verteilung von Angriffs- und Verteidigungsmit-
teln im verdeckten Ermittlungsverfahren nicht gegeben ist.

aa) Relativierung im Ermittlungsverfahren

Das Prinzip der Waffengleichheit wirft grundsätzliche Fragen auf, da Staat und
Einzelner sich im Strafverfahren schon wegen der strukturellen Verschiedenheit
der Prozessfolgen nicht als Gleiche gegenüberstehen können. In der Literatur wird
vertreten, dass mit Waffengleichheit natürlich keine Gleichstellung gemeint sei.
Es sollten nur die verfahrensspezifischen Unterschiede ausgeglichen werden.411 Es
ist unbestritten, dass die Waffengleichheit zur Beschreibung des gesamten Ermitt-
lungsverfahrens kaum geeignet ist und dieses Prinzip seine Wirkung vor allem im
gerichtlichen Erkenntnisverfahren entfalten kann.412

bb) Eigene Ansicht gegen die Geltung des Prinzips bei verdeckten Maßnahmen

Für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen gilt das Prinzip der


„Waffengleichheit“ zwischen Verteidigung und Strafverfolgungsbehörden nicht. Im
Hauptverfahren ist der Beweisantrag des Angeklagten nicht weniger wert als einer
der Staatsanwaltschaft, das Schlussplädoyer nicht mehr als das letzte Wort des An-

409
Dies wirft die Frage auf, zu welchen Folgen der einfache Rechtsmissbrauch bzw. einfache
Rechtsanwendungsfehler – ohne Kernbereichsbetroffenheit – bei den verdeckten strafprozessualen
Ermittlungen auf der Ebene der Beweisverwertung führt. Die Beantwortung dieser Frage ist ohne
Auseinandersetzung mit den allgemeinen gänzlich ungelösten Problemen den Beweisverwertung
nicht möglich. Diese Probleme können nicht im Rahmen der vorliegenden Arbeit gelöst werden.
Sie müssen im größeren Zusammenhang der Beweisrechtsdogmatik behandelt werden.
410
BVerfGE 38, 105, 111; Tettinger, S. 31 m. w. N.
411
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , Einl. Abschn. I Rdn. 117.
412
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , Einl. Abschn. I Rdn. 118.
204 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

geklagten. So richtig und wichtig der Begriff der Waffengleichheit für die Prozess-
handlungen im Hauptverfahren ist,413 so unpassend ist er für das Ermittlungsverfah-
ren. Die Strafverfolgungsbehörden beherrschen nicht nur das Ermittlungsverfahren,
sondern haben objektiv gesehen auch die besseren „Waffen“. Die Strafverfolgungs-
behörden haben unter Umständen das Recht, den Beschuldigten mittels unmittel-
baren Zwangs zu verhaften, dieser hat aber nicht das Recht, sich mit Zwang gegen
Ermittlungsbehörden dem Verfahren zu entziehen.414 Gleiches gilt entsprechend für
die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen.

cc) Unpassende sprachliche Bilder

Das Ermittlungsverfahren hat nichts mit einem sportlichen Wettkampf oder einem
Duell zu tun. Das Assoziationen an den Sportbereich weckende Fairnessprinzip
oder die aus ihm angeblich auch für das Ermittlungsverfahren folgende Waffen-
gleichheit – die sich dann aber so ausdrückt, dass nur die eine Seite Waffen benutzen
darf 415 – sind für das Ermittlungsverfahren nur sehr begrenzt belastbar. Vielmehr
geht es um den Kampf zweier typischer Weise strukturell ungleich „bewaffneter“
Parteien, bei dem die ungleich mächtigere staatliche Seite ihre Übermacht gegen-
über dem Beschuldigten oder anderen Betroffenen verhältnismäßig und gerecht
einsetzen muss. Erst recht versagt das Prinzip der Waffengleichheit bei den verdeck-
ten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen. Hier kann man auch durch einen
Verweis auf die unterschiedlichen sachlogischen Strukturen von Verteidigung und
Anklagevertretung416 keine Waffengleichheit feststellen.

c) Eigenständiger Verfahrensgrundsatz für verdeckte


Ermittlungsmaßnahmen

Gerade die fehlende Waffengleichheit bringt aber die Strafverfolgungsbehörden in


die umso größere Verantwortung, die Würde desjenigen zu wahren, dessen Vertei-
digungsmöglichkeit sie untergraben hat:

413
Schon Mittermaier, ZStR 1861, Spalte 37 meinte: „Gerechtigkeit hört auf, wenn nicht Gleich-
heit der Waffen gegeben ist.“ Das BVerfG leitet sie direkt aus dem Gebot des fairen Verfahrens ab,
BVerfG NJW 1975, 103; 1983, 1043.
414
Vgl. nur § 113 StGB usw.
415
Dabei wird dann in der Literatur versucht, durch eine Umdeutung des ursprünglichen Begriffs
die Waffengleichheit auch für das Ermittlungsverfahren zu retten. Sie sei nicht „als mathemati-
sche oder logische Egalität“ zu verstehen Kühne, § 9 Rdn. 174. Woraus man schließen muss, dass
die Anwendung der Waffengleichheit auf das Ermittlungsverfahren unlogisch ist und daher bes-
ser erst gar nicht auf selbiges angewendet werden sollte. A. a. zur Geltung des Grundsatzes der
Waffengleichheit vgl. Kühne, § 9 Rdn. 174.
416
Müller, NJW 1976, S. 1065.
X. Weitere Grundrechte? 205

„Der Anspruch auf Respektierung der Menschenwürde und des Rechts zur freien Entfal-
tung der Persönlichkeit setzt [. . . ] den ganz und gar unabhängigen Menschen gar nicht mehr
voraus, sondern knüpft auch an dessen Hilfsbedürftigkeit und Schutzlosigkeit an.“417
„Verfahrensfairness“ wäre daher – wenn dieser Begriff für die verdeckten Maß-
nahmen überhaupt beibehalten werden soll – bei den verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen nicht „Waffengleichheit“ oder „Selbstbelastungsfreiheit“,
sondern in erster Linie Achtung der Menschenwürde und Einhaltung der Verhält-
nismäßigkeit bei Grundrechtseingriffen.

d) Fehlende Abstimmung der Prozessprinzipien auf die verdeckten


Ermittlungsmaßnahmen

Die klassischen Prozessmaximen sind als Reaktionen auf Zwang und Täuschung
geschaffen worden. Da der massenhafte Einsatz verdeckter strafprozessualer Er-
mittlungsmaßnahmen eine historisch neuere Entwicklung ist,418 sind diese auf kon-
krete andere Maßnahmen ausgerichteten Prinzipien nicht geeignet, die verdeckten
Maßnahmen vollständig zu erfassen. Die Argumentation über „Leerlauf“ und „Um-
gehung“419 der Aussagefreiheit kann ebenso wenig Klärung bringen, wie der An-
satz, die Begriffe von Täuschung und Zwang umzudefinieren.420
Jedes Unterfangen in dieser Hinsicht wird bei den letzten Gründen dieser Prin-
zipien ansetzen müssen. Diese lassen sich nur in den Grundrechten finden. Das
Rechtsstaatsprinzip ist nur in seinen anerkannten Konkretisierungen für deduktive
Schlussfolgerungen zu gebrauchen. Eine Ableitung aus dem „Rechtsstaatsprinzip“
als solchem ist daher nicht sinnvoll. Wird im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips
nicht an die im Zusammenhang mit den Grundrechten stehenden Prinzipien wie
Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit, sondern an Konkretisierungen des fairen
Verfahrens angeknüpft, besteht die Gefahr damit nur das Ergebnis subjektiver Vor-
stellungen über Verfahrensfairness zu benennen.
Eine Lösung kann nur bei den Freiheitsgrundrechten ansetzen. Der Eingriff in
die oben genannten Grundrechte muss ins Verhältnis zu den Staatsaufgaben bzw.
Schutzpflichten gesetzt werden.421 Die in den vorangegangenen Abschnitten gefun-

417
Lüderssen, Verbrechensprophylaxe durch Verbrechensprovokation, S. 365.
418
Vgl. oben Zweiter Teil.
419
Das Umgehungsargument nutzt der EGMR beim angeblichen Unterlaufen der Aussagefreiheit
durch einen Verdeckten Ermittler, EGMR StV, 2003, 257, 259. Dabei unterliegt der EGMR jedoch
einer petitio principii, da er den Schutz nicht nur vor Zwang, sondern vor Täuschung voraussetzt,
anstatt ihn zu begründen. So auch Engländer, ZIS (www.zis-oline.com), S. 165 Fn. 15 m. w. N.
420
Vgl. dazu bereits § 7, II, 1, f).
421
Ebenfalls bei den Grundrechten setzt Joerden an, der die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen
im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch rechtsstaatsadäquate „Einhegung“ begrenzt sieht, vgl.
Joerden, S. 84 ff. Die Rechtfertigung entnimmt er nicht wie hier direkt den Schutzpflichten, son-
dern der Sozialbindung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu schlägt er zehn
Parameter möglicher Legitimierbarkeit für eine Schrankenbildung vor, vgl. Joerden, S. 89. Diese
Parameter finden sich teilweise auch in den hier vorgeschlagenen konkreten Verhältnismäßigkeits-
kriterien, vgl. § 9, VI.
206 § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

denen Zwischenergebnisse können insofern Grundlage für tragfähige Grundsätze


des „verdeckten“ Ermittlungsverfahrens geben, die bisher im Rahmen bekannter
Prinzipien des Strafprozessrechts nur rudimentär vorhanden sind.422

4. Zwischenergebnis

Selbst wenn man das Recht auf ein faires Verfahren als gesondertes Grundrecht
anerkennt, enthält es keine eindeutigen Vorgaben für die verdeckten strafprozessua-
len Ermittlungsmaßnahmen. Die Probleme müssen über die bekannten Grundrechte
und die traditionellen rechtsstaatlichen Prinzipien gelöst werden. Ein Grundrecht
auf ein faires Verfahren würde unmittelbar an den Begriff der Gerechtigkeit anknüp-
fen, der sich aber erst aus einer Abwägung der allgemeinen Sicherheitsinteressen
gegen die individuellen grundrechtlich geschützten Individualinteressen ergibt.

422
Vgl. oben § 6, IV, 1. Vgl. auch unten § 9, VI.
§ 9 Vorbehalt des Gesetzes

Grundrechtseingriffe sind dem Staat grundsätzlich verwehrt. Die meisten der oben
genannten Grundrechte stehen jedoch unter einem Gesetzesvorbehalt. In sie darf
also aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Dieser Gesetzesvorbehalt enthält
zwei Aspekte. Erstens die Bestimmtheit und zweitens die Verhältnismäßigkeit. Die
den Grundrechtseingriff gestattenden Gesetze müssen bestimmt sein. Die Bürger
müssen wissen, in welchen Fällen der Staat gegen sie vorgehen darf. Nur dann
können sie sich in ihrem Verhalten im Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts auf
die Eingriffsregelung einstellen oder sich gegen ungerechtfertigte Eingriffe wehren
(Prinzip der Rechtssicherheit).
Aufgrund des Verfassungsprinzips der Gewaltenteilung müssen die Gesetze auch
deshalb klar und präzise gefasst sein, weil der parlamentarische Gesetzgeber und
nicht die Gerichte oder die Verwaltung die wesentlichen Entscheidungen treffen sol-
len. Ob generell Ausnahmen vom Grundrechtsschutz zugelassen werden sollen, ist
so wesentlich, dass die Entscheidung vom Parlament getroffen werden muss. Sei-
ne demokratische Legitimation erfährt das Parlament unmittelbar per Wahl durch
das Volk. Richter und Verwaltungsbeamte sind nicht unmittelbar vom Volk gewählt
und daher nur mittelbar demokratisch legitimiert. Sie entscheiden allein oder in
kleinen Gremien. Lassen die Gesetze zu weite Auslegungsspielräume oder sind sie
sonst unklar, verlagert sich die Gesetzgebungskompetenz faktisch von der dafür zu-
ständigen parlamentarischen Legislative auf die Exekutive und auf die Judikative
(Demokratieprinzip und Prinzip der Gewaltenteilung).
Die den genannten Anforderungen entsprechenden Eingriffsgesetze sind aber
nur dann Rechtfertigungen für Grundrechtseingriffe, wenn sie dafür sorgen, dass
der Einzelne in seinen Grundrechten möglichst geschont wird. Das ist der Fall,
wenn die Gesetze verhältnismäßig sind (Verhältnismäßigkeitsprinzip).
Sowohl der Bestimmtheitsgrundsatz als auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip
haben Verfassungsrang, ohne ausdrücklich im Grundgesetz geregelt zu sein. Die
Erfordernisse des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips
sind für die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die verdeckten strafprozes-
sualen Ermittlungen von entscheidender Bedeutung. Das Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung bewirkt, dass jede personenbezogene verdeckte Ermittlungs-
T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 207
DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
208 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

maßnahme einer gesetzlichen Regelung als rechtmäßiger Eingriffsgrundlage be-


darf.1 Zumindest der allgemeine Gesetzesvorbehalt aus Art. 2 Abs. 1 GG2 gilt damit
für die verdeckten Maßnahmen. Für Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 GG
gilt ebenfalls ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Eingriffe in die anderen speziellen
Grundrechte sind besonders beschränkt:
 Für Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 13 GG sind spezielle Gesetzesvor-
behalte in Art. 13 Abs. 3 und 5 GG angeordnet.
 Art. 19 Abs. 4 GG ist durch den an den Gesetzgeber gerichteten Gestaltungsauf-
trag immanent begrenzt3
 Der durch den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1
GG geschützte Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist vorbehaltlos ge-
währleistet.
Einige der verdeckten strafprozessualen Maßnahmen, die der Gesetzgeber ihrer
Art nach für besonders eingriffsintensiv hielt, hat er durch entsprechende Spezial-
vorschriften in der StPO geregelt. Im Übrigen dient die Ermittlungsgeneralklausel
aus §§ 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO als Auffangregelung.4 Die struk-
turellen und inhaltlichen Anforderungen, die an diese Regelungen gestellt werden
müssen, sind mit der Erfüllung der formalen Voraussetzungen des Gesetzesbegriffs
aber noch nicht geklärt. Unproblematisch zu bejahen ist die Frage, „ob“ es Gesetze
zur Regelung verdeckter Maßnahmen gibt. Entscheidend ist die nicht ausdrücklich
in der Verfassung geregelte Frage nach dem „Wie“ der Gesetzesausgestaltung:
1. Wie müssen die Gesetze beschaffen sein, damit sie verständlich sind und die
wesentlichen Voraussetzungen der verdeckten Maßnahmen regeln? (Bestimmt-
heit)
2. Wie müssen diese bestimmten Gesetze inhaltlich ausgestaltet sein, um den
Grundrechtsschutz nicht mehr als erforderlich und angemessen einzuschrän-
ken? (Verhältnismäßigkeit)

1
Eine Auseinandersetzung mit der strittigen Lehre vom gesetzlichen Totalvorbehalt ist daher nicht
notwendig. Näher dazu Riepl, S. 20 f. mit Verweisen auf einen der Begründer Schwan, VerwArch
1975, S. 127 f.; kritisch demgegenüber schon Gallwas, Der Staat 1979, S. 507 ff. und im Hinblick
auf einen befürchteten Ersatz des Totalvorbehalts durch die Ausprägungen des allgemeinen Per-
sönlichkeitsrechts Ladeur, DÖV 2009, 45 ff.; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt
im Strafprozessrecht, S. 30 ff.
2
Trotz der Wortwahl des Verfassungsgebers ist die Schrankentrias wegen des weiten Schutz-
bereichs als einfacher Gesetzesvorbehalt anzusehen, vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 406 f. Kritisch
Rensmann, S. 131, der von einer „entmaterialisierten, zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt um-
funktionierte Schrankentrias“ spricht.
3
BVerfGE 10, 264, 268; BVerfGE 107, 395, 408.
4
Eine Frage der speziellen Voraussetzungen in der StPO ist, ob ohne besondere gesetzliche
Regelungen mit der sog. „Ermittlungsgeneralklausel“ eine bestimmte und den inhaltlichen Anfor-
derungen an den Vorbehalt des Gesetzes genügende Regelung für verdeckte Maßnahmen besteht.
Vgl. Wollweber, NJW 2000, S. 3623; Meyer-Goßner, StPO50 , § 161 Rdn. 1, dazu im Detail unten
§ 34.
I. Bestimmtheitsgrundsatz 209

I. Bestimmtheitsgrundsatz

Der Bestimmtheitsgrundsatz hat auch im Ergebnis derart weitreichende Bedeutung


für die vorliegende Untersuchung, dass seine eingehende Behandlung unerlässlich
ist. Viele Regelungen der verdeckter strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ent-
halten Rechtsbegriffe wie „schwer wiegt“ (§ 100a Abs. 1 StPO) oder „erheblich“,
die sich kaum fassen lassen und daher die Frage nach einer Bestimmtheit der ent-
sprechenden Regelung der Eingriffsbefugnis aufwerfen.

1. Dogmatische Herleitung des Grundsatzes

Das angesprochene „Wie“ der Gesetzesausgestaltung wird im Hinblick auf die Ge-
nauigkeit der Regelung durch den sog. „Bestimmtheitsgrundsatz“ ausgearbeitet.
Dieser leitet sich aus ebenso fundamentalen wie im Ansatz trivialen verfassungs-
rechtlichen Vorgaben der Rechtssicherheit und der Gewaltenteilung ab. Die eingrei-
fenden Gesetze müssen verständlich sein. Der Gesetzgeber muss zudem in der je-
weiligen Norm das „Wesentliche“5 selbst regeln und darf die Regelungshoheit nicht
durch unbestimmte Gesetze an die Rechtsanwender delegieren. Dies wird durch
den Grundsatz der Normenbestimmtheit gewährleistet. Das Prinzip der Rechtssi-
cherheit betrifft die Normenverständlichkeit für den Bürger und das Prinzip der
Gewaltenteilung umfasst die Interpretationsspielräume, die der Gesetzgeber den
Rechtsanwendern überlässt. Beide Prinzipien sind Konkretisierungen des Rechts-
staatsprinzips. Diese zwei unterschiedlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsprin-
zips stellen in ihrer Synthese strenge Anforderungen an die gesetzliche Bestimmt-
heit. Richtige Ergebnisse werden nur erzielt, wenn man beide Grundpfeiler der
Gesetzesbestimmtheit betrachtet.6 Es ist weder genug, dass ein Betroffener die
Norm verstehen kann, noch dass der Gesetzgeber das Wesentliche selbst regelt.

5
Wie hier bezieht Staupe, S. 139 ff. die sog. Wesentlichkeitstheorie in den Vorbehalt des
Gesetzes ein. Von einer „engen Wechselwirkung“ zwischen Vorbehalt des Gesetzes und We-
sentlichkeitstheorie geht Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 144, 399 ff. aus. Ähnlich auch Nierhaus,
Bestimmtheitsgebot und Delegationsverbot, S. 727 f. Im Ergebnis macht das keinen Unterschied.
6
Papier und Möller erwägen in ihrer kritischen Behandlung des Gebrauchs des Bestimmtheits-
grundsatzes, die beiden Begründungen des Bestimmtheitsgebots deutlicher zu unterscheiden. Dies
sind nach ihrer Ansicht einerseits die Rechtssicherheit als „Rechtsstaatsunterprinzip“ und ande-
rerseits der Gesetzesvorbehalt. Nach hier vertretener Ansicht sind dies „Rechtssicherheit“ und
„Gewaltenteilung“, beide Grundsätze sind vom Gesetzesvorbehalt abhängig. Für die sich aus den
beiden unterschiedlichen Gründen ergebenden Anforderungen gelten danach aber dieselben re-
lativ unscharfen Maßstäbe. Die Identität der gewonnenen Kriterien spreche nach dieser Ansicht
gerade dafür, dass nur ein einheitliches Bestimmtheitsgebot bestehe, Papier/Möller, AöR, S. 199;
so auch Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 400 f. Das Bestimmtheitsgebot ließe sich aus jedem der
gängigen Teilaspekte des Rechtsstaatsprinzips, Gewaltenteilung, Gesetzesbindung, Rechtsschutz,
Gewährleistung persönlicher Grundrechte, Rechtssicherheit, ableiten. Dies führe zwar nicht zu
einer übersichtlichen Dogmatik, unterstreiche aber die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots, Pa-
pier/Möller, AöR, S. 178 ff.
210 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

Sowohl das Prinzip der Gewaltenteilung als auch das der Rechtssicherheit kon-
kretisieren die Anforderungen, die an die gesetzlichen Regelungen der verdeck-
ten strafprozessualen Ermittlungen gestellt werden müssen. Diese Regelungen sind
nur notwendig, da die entsprechenden Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt stehen.
Beide Begründungen gestalten daher diesen Parlamentsvorbehalt aus.7

2. Ansicht des BVerfG zu den inhaltlichen Anforderungen


an die Normenbestimmtheit

a) Kriterien der Bestimmtheit nach der „Wesentlichkeitstheorie“ des BVerfG

Das BVerfG hat mit der „Wesentlichkeitstheorie“8 ein Konzept entwickelt, das Kri-
terien der Bestimmtheit aufstellt. Diese Theorie bestimmt, wie genau in Grundrech-
te eingreifende Gesetzte die ihnen unterliegenden Sachverhalte regeln müssen.9 Die
Wesentlichkeitstheorie wird aus dem Demokratieprinzip10 den Grundrechten11 oder
dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet.12

aa) Parallele zu Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG

Verfassungsrechtlich sind Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit aus


Gründen der Gewaltenteilung zu stellen. Für den Erlass von Rechtsverordnungen
ist dies in Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG13 geregelt. Diese Vorschrift ist nicht – zumin-

7
Ob die Rechtssicherheit außerhalb des Parlamentsvorbehalts eine eigenständige Bedeutung hat,
kann jedenfalls für die hier behandelten Vorschriften dahinstehen.
8
BVerfGE 33, 125; BVerfGE 47, 46; 49, 89; BVerfGE 83, 130, 152; BVerfG NJW 1998, 2515,
2520; in der Sache auch BVerfGE 110, 141, 175 f. Vgl. aus der Literatur Kloepfer, JZ 1984, S. 689;
Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof , HStR 5, § 101 Rdn. 46 ff.; Seiler, S. 64 ff.; Eberle, DÖV 1984.
9
Beispiele zur Beschreibung des „Wesentlichen“ finden sich in der Judikatur: BVerfGE 34, 165,
192 f.; 49, 89, 127; 109, 29, 37; 101, 1, 34.
10
Dies betont Vöneky, S. 214 ff. Gewaltenteilung ist aber kein exklusives oder konstitutives Kenn-
zeichen einer Demokratie. Vgl. dazu Würtenberger in: Klein, S. 27 ff.: „Entfaltet sich Freiheit
in und durch Gesetze, in und durch Justizorganisation, in und durch die – modern gesprochen –
bürgerliche Rechtsordnung, so kommt die Staatsorganisation als Bedingung der Freiheitlichkeit
in den Blick. Denn weder die Demokratie noch die Aristokratie sind für Montesquieu ihrer Natur
nach freiheitliche Staatsformen. [. . . ] Die Begrenzung der richterlichen Gewalt auf den Wortlaut
des positiven Rechts schafft eben Freiheit vor richterlicher Willkür.“
11
Die Rechtsprechung hat die Wesentlichkeitstheorie mit dem Ziel der Grundrechtssicherung ge-
schaffen. Vgl. auch Axer, S. 350: „Wesentlichkeit bedeutet in der verfassungsrechtlichen Judikatur
primär Grundrechtswesentlichkeit.“
12
Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 157 ff.
13
Das Verhältnis zwischen dem Parlamentsvorbehalt und der Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1
S. 2 GG ist umstritten. Einerseits wird eine kumulative Staffelung vertreten. Danach regelt der
Parlamentsvorbehalt das „Ob“ der Delegation, Art. 80 GG das „Wie“. Andererseits wird die sog.
„Identitätsthese“ vertreten, nach der Parlamentsvorbehalt und Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG auf einem
I. Bestimmtheitsgrundsatz 211

dest nicht direkt – auf die Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen


anzuwenden, da es insoweit nicht um Verordnungsermächtigungen geht. Hinter
dieser Regelung steht aber folgender Gedanke, der sich auch im Hinblick auf die
Bestimmtheit aller in Grundrechte eingreifenden Vorschriften fruchtbar machen
lässt:
„Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht da-
durch entäußern können, daß es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive über-
trägt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Pro-
gramm so genau umrissen zu haben, daß schon aus der Ermächtigung erkennbar und vor-
hersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll.“14

Also wird die Gewaltenteilung durch Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG dahingehend kon-


kretisiert, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz
bestimmt werden. Dieser Gedanke kann als Positivierung des allgemeinen Verhält-
nisses zwischen rechtsanwendender Exekutive, Judikative und Gesetzgeber verstan-
den werden:15
„Heute ist es ständige Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, – losgelöst vom
Merkmal des „Eingriffs“ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der
Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen
Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfGE 34, 165 [192 f.]; 40, 237 [249]; 41, 251 [260];
45, 400 [417 f.]; 47, 46 [78 ff.]; 48, 210 [221]). Die Art. 80 Abs. 1 und 59 Abs. 2 Satz 1
zweiter Halbsatz GG sowie die besonderen Gesetzesvorbehalte sind Ausprägungen dieses
allgemeinen Gesetzesvorbehalts.“16

Zwingende Vorgaben lassen sich daraus aber nicht für den Gesetzesvorbehalt ablei-
ten. Das BVerfG belässt es insoweit bei sehr abstrakten Erwägungen:
„Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in ersten Linie den tragenden
Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und ver-
bürgten Grundrechten zu entnehmen. Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der
Gesetzgeber, wie der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert (BVerfGE 34,
165 [192]), mit der zur Prüfung vorgelegten Norm die wesentlichen normativen Grundla-
gen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der
Verwaltung überlassen hat.“17

Über die genannte Spezialvorschrift zu den Rechtsverordnungen und Art. 103 Abs. 2
GG hinaus sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Parlamentsgesetze
nicht ausdrücklich festgelegt. Analoge Anwendungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG
oder des Art. 103 Abs. 2 GG auf die Gesetzgebung hinsichtlich des Strafprozess-
rechts sind nicht schon offensichtlich begründet.

identischen Prinzip beruhen. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG sei nur eine besondere Konkretisierung des
Gesetzesvorbehalts, weil sie ähnlich umschrieben werde und beide in Rechtsstaats- und Demokra-
tieprinzip wurzeln sollen. Vgl. zum Ganzen Axer, S. 347 f. m. w. N. Nach hier vertretener Ansicht
sind sie dem Prinzip der Gewaltenteilung zuzuordnen, aber gehören beide zum Vorbehalt des Ge-
setzes.
14
BVerfGE 1, 14, 60; 7, 282, 301; 23, 62, 72 f.; 41, 251, 265 f.; 58, 257, 277.
15
Eine Parallele sieht auch Alleweldt, S. 300. Für einen weitgehenden Unterschied zur Wesent-
lichkeitstheorie aber Bauernfeind, S. 216 f.
16
BVerfGE 49, 89, 126.
17
BVerfGE 49, 89, 126.
212 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

Für die Regelung der verdeckten Maßnahme der Verkehrsdatenerhebung und


Vorratsdatenspeicherung nach § 100g StPO stellt das BVerfG aber folgende Anfor-
derungen auf, die fast wörtlich mit den Kriterien für die Verordnungsermächtigun-
gen aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG übereinstimmen:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen die Voraussetzungen
für die Datenverwendung und deren Umfang in den betreffenden Rechtsgrundlagen umso
enger begrenzt werden, je schwerer der in der Speicherung liegende Eingriff wiegt. Anlass,
Zweck und Umfang des jeweiligen Eingriffs sowie die entsprechenden Eingriffsschwellen
sind dabei durch den Gesetzgeber bereichsspezifisch, präzise und normenklar zu regeln.“18
Das BVerfG konkretisiert dies in seiner Entscheidung zum Computergrundrecht
weiter. Dort geht das Gericht auf die Wesentlichkeitstheorie als Grundlage des
Bestimmtheitsgebots ein. Ferner werden die Steuerungswirkung für die Exekuti-
ve und die Kontrollfunktion der Gerichte herausgestellt. Auch die Rechtssicherheit
der Bürger wird angeführt, die ihr Verhalten auf die Regelungen einstellen können
müssen:
„Je nach der zu erfüllenden Aufgabe findet der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten
zur Regelung der Eingriffsvoraussetzungen vor. Die Anforderungen des Bestimmtheits-
grundsatzes richten sich auch nach diesen Regelungsmöglichkeiten [. . . ]. Bedient sich der
Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe, dürfen verbleibende Ungewissheiten nicht so
weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Nor-
men ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind [. . . ].“19

bb) Einzelfallgerechtigkeit und Flexibilität der Rechtsprechung

Das BVerfG behält so im Einzelfall maximale Urteilsflexibilität:


„In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen
Gesetz bedarf, läßt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der
geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln.“20

b) BVerfG: Strenge Anforderungen an die Bestimmtheit wegen Bezug


zu den Grundrechten und zur Rechtssicherheit der Bürger

Für die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen – jedenfalls in präventivpolizeilicher


Hinsicht – hat eine jüngere Entscheidung des BVerfG den Rahmen der verfas-

18
BVerfGE 125, 260, 328.
19
BVerfGE 120, 274, 315 f.
20
BVerGE 49, 89, 126 f. Hält das BVerfG die Norm für einen nicht besonders schweren
Grundrechtseingriff, können die Eingriffsvorschriften also weniger genau sein. Vgl. auch Wilms,
Rdn. 1090. Die Wesentlichkeit einer Regelung wird auch nach der Literatur in erster Linie aus
der Berührung grundrechtlich geschützter Lebensbereiche und der Intensität der Grundrechtsbe-
einträchtigung abgeleitet, vgl. Sachs in: Sachs, GG6 , Art. 20 Rdn. 117.
I. Bestimmtheitsgrundsatz 213

sungskonformen Auslegung bzw. Reduktion bei erheblichen Grundrechtseingriffen


eingeschränkt, was ebenfalls für eine Aufwertung des Bestimmtheitsgrundsatzes
spricht.21
Das Bestimmtheitsgebot hat einen starken Bezug zu den Freiheitsgrundrechten.
Jeder Bürger kann sich zumindest auf sein Grundrecht der allgemeinen Handlungs-
freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip berufen,
wenn er durch eine unbestimmte gesetzliche Regelung in seinem Verhalten beein-
trächtigt wird.22
An anderen Stellen schwächt das BVerfG aber die selbst aufgestellten strengen
Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit wieder ab.

3. Abschwächung durch Vergleich zu Art. 103 Abs. 2 GG

Das BVerfG folgert an anderer Stelle für das Strafverfahrensrecht – am Beispiel


der Regelung der verdeckten langfristigen Observation – ein Gebot der Normen-
verständlichkeit aus dem Rechtsstaatsprinzip und grenzt es damit von der strengen
Fassung des Art. 103 Abs. 2 GG für das materielle Strafrecht ab:
„Da die strengere Fassung des Gebots der Gesetzesbestimmtheit in Art. 103 Abs. 2 GG
für Vorschriften des Strafverfahrensrechts grundsätzlich keine Geltung beansprucht (vgl.
BVerfGE 25, 269 [286 f.]; 63, 343 [359]), ergeben sich die Anforderungen an Normen-
klarheit und Tatbestandsbestimmtheit hier aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3,
Art. 28 Abs. 1 GG). Danach muss eine Norm in ihren Voraussetzungen und in ihrer Rechts-
folge so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr
Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 21, 73 [79]; 25, 269 [285]; 87, 287
[317 f.]; stRspr).“23

4. Proportionalität der Bestimmtheitsanforderungen


zur Eingriffsintensität

Entsprechend dem Vorgehen bei der sog. Wesentlichkeitstheorie geht das BVerfG
auch hinsichtlich der aus dem Prinzip der Rechtssicherheit gefolgerten Bestimmt-
heitsanforderungen davon aus, dass die Bestimmtheit der Gesetze mit der Eingriffs-
intensität sinken darf:
„Es ist weiter zu berücksichtigen, daß das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit die
notwendige Ergänzung und Konkretisierung des aus dem Demokratie- und Rechtsstaats-
prinzip folgenden Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes darstellt. Es muß deshalb im
Lichte dieses Verfassungsprinzips und seiner Auslegung durch die Rechtsprechung inter-
pretiert werden. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muß der Grundrechtsrelevanz

21
Vgl. dazu im Detail Cornils, JURA 2010, S. 443 m. w. N.
22
Vgl. BVerfGE 114, 1, 53.
23
BVerfGE 112, 304, 315.
214 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die
Rechtsstellung des Betroffenen ein, so müssen höhere Anforderungen an den Bestimmt-
heitsgrad der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich
handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert.“24

Zu beachten ist also, dass sich auch nach dem BVerfG25 das Gebot der Normen-
bestimmtheit „im Einzelfall nach Art und Schwere des jeweiligen Eingriffs in die
Grundrechte“26 richten soll. Der Maßstab der Bestimmtheit
„ist von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität
der Maßnahme abhängig.“27

Die Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit der Norm sind daher umso strik-
ter, je „stärker die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage es dem Norm-
adressaten erschwert, Grundrechte auszuüben.“28

5. Abschwächung der strengen Anforderungen durch Verweis


auf Auslegungskriterien

Zusätzlich zur Abschwächung der Bestimmtheitsanforderungen durch Proportio-


nalität der Bestimmtheit zur Eingriffstiefe werden die strengen Anforderungen in
einem anderen Urteil durch einen Verweis auf die Lösung von Auslegungsproble-
men durch herkömmliche Auslegungsmethoden abgeschwächt:
„Dies hat jedoch nicht zur Folge, daß die Norm dann überhaupt keine Auslegungsproble-
me aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit
herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (vgl. BVerfGE 17, 67
[82]).“29

6. Anpassung an Sachzwänge

Allgemein passt das BVerfG den Grundsatz nicht nur an die Eingriffsintensität,
sondern auch an die Komplexität der Regelungsmaterie an:
„Geringere Anforderungen sind vor allem bei vielgestaltigen Sachverhalten zu stellen [. . . ]
oder wenn zu erwarten ist, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse alsbald ändern werden
[. . . ]. Es bleibt somit ausreichend Raum für eine sachgerechte und situationsbezogene Lö-
sung bei der Abgrenzung von legislativen und exekutiven Kompetenzen.“30

24
BVerGE 58, 257, 278.
25
BVerfGE 58, 257, 278; 98, 218, 252; 125, 260, 328.
26
Towfigh, Der Staat 2009, S. 42.
27
BVerfGE 58, 257, 277 f.
28
Towfigh, Der Staat 2009, S. 42.
29
BVerfGE 83, 130, 145.
30
BVerfGE 49, 168, 181.
I. Bestimmtheitsgrundsatz 215

Die genauen Kriterien dafür benennt das Gericht freilich nicht. Der Gesetzgeber
habe nur so bestimmt zu regeln, „wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden
Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.“31

7. Ansichten in der Literatur

a) Zustimmung zur Rechtsprechung

In der Literatur besteht ein gespaltenes Meinungsbild. Teilweise wird der


Rechtsprechung des BVerfG zur Abstufbarkeit des Bestimmtheitsgebots gefolgt.
Beispielsweise vertritt Schulze-Fielitz ebenfalls die Auffassung, das Bestimmt-
heitsprinzip sei graduell abstufbar. Die Erfüllung des Gebots sei „weiterhin durch
Konvention über den Detaillierungsgrad der Normierung von Sachverhalten ge-
kennzeichnet“. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sei erlaubt, wenn sie
mit herkömmlichen Methoden auslegungsfähig seien.32
Teilweise geht die Literatur sogar über die Maßstäbe der Rechtsprechung hinaus:
In der Literatur wird die Minderheitenansicht vertreten, die Vorgabe, der Betroffe-
ne müsse „anhand der gesetzlichen Regelung die Rechtslage so erkennen können,
dass er sein Verhalten daran auszurichten vermag,“33 sei eine völlig an der Realität
vorbei gehende Anforderung, die nur mit rechtspolitischen Motiven zu erklären und
„nicht einmal für den Bereich des Strafrechts [. . . ] plausibel“34 sei.

b) Kritik in der Literatur an der „Unbestimmtheit des Bestimmtheitsgebots“

In der Literatur wird kritisiert, das Wesentlichkeitskriterium sei wegen der zuvor
dargestellten Rechtsprechung unbestimmt.35 Daher verwundere, wie dieses Krite-
rium die Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit konkretisieren können soll.
Überwiegend wird in der Literatur parallel zur Bemängelung der Wesentlichkeits-
theorie auch im Hinblick auf die bürgerliche Rechtssicherheit eine „bestimmtere“
Handhabung des Bestimmtheitsgebots selbst gefordert.36 Zwischen dem Anspruch
auf gesetzliche Bestimmtheit und dessen tatsächlicher Umsetzung bestehe eine „tie-
fe Kluft“. Dies betrifft zuerst den Gesetzgeber,37 aber auch das BVerfG, das Chan-
cen zur Korrektur teilweise ungenutzt gelassen habe.38 Die Kritik erkennt an, dass

31
BVerfGE 49, 168, 181.
32
Schulze-Fielitz in: Dreier, GG2 , Art. 20 Rdn. 130 ff.
33
BFH, Beschl. v. 6. September 2006, XI R 26/04, juris, Abs. 43.
34
Towfigh, Der Staat 2009, S. 50, der dies zusätzlich mit dem Verweis auf Beispiele und der
allgemeinen Wirkungsweise des Rechts begründet.
35
Axer, S. 350.
36
Papier/Möller, AöR, S. 196 ff.
37
Stern, Das Staatsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, S. 830.
38
Kunig, Rechtsstaatprinzip, S. 396 ff.
216 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

eine Entwicklung hin zu einer „bestimmteren Handhabung des Bestimmtheitsge-


bots“ durch das BVerfG stattgefunden hat.39 Die „Lücke zwischen Anspruch und
Wirklichkeit“ sei aber noch nicht geschlossen. Die Bemühungen seien fortzusetzen,
die Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit zu präzisieren.40

8. Eigene Ansicht

Die Aussagen des BVerfG zur Bestimmtheit erscheinen nicht kohärent und lassen
die Anforderungen an die Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlun-
gen weitgehend im Unklaren. Grundsätzlich werden strenge Anforderungen an die
Bestimmtheit des in Grundrechte eingreifenden Gesetzes gestellt. Diese werden
aber durch vier Einschränkungen vom BVerfG wesentlich abgemildert:
1. Die Anforderungen an die Bestimmtheit der strafprozessualen Normen müssen
nach Ansicht des BVerfG nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG
genügen.
2. Der Bestimmtheitsmaßstab solle sich graduell und proportional zur Intensität
der Grundrechtsbelastung ändern.
3. Auslegungsprobleme dürfen nach dem BVerfG bestehen bleiben, wenn sich der
Sinn der Norm mit „mit herkömmlichen juristischen Methoden“ erschließen
lässt.
4. Der Gesetzgeber dürfe bei komplexen und dynamische Regelungsmaterien we-
niger bestimmte Regelungen schaffen.
Durch diese Abschwächungen wird letztlich das Bestimmtheitsgebot selbst zu
einer unbestimmten Regel.

a) Zu (1.) Unterschied zwischen Art. 103 Abs. 2 GG und dem prozessualen


Bestimmtheitsgebot

Die Auffassung des BVerfG, dass der strenge Bestimmtheitsgrundsatz des


Art. 103 Abs. 2 GG nicht im Prozessrecht gilt, führt zu der Frage, ob ein „ab-
geschwächter“ Bestimmtheitsgrundsatz im Strafprozessrecht existiert und wie er
gegebenenfalls ausgestaltet sein soll. Für die verdeckten strafprozessualen Ermitt-
lungsmaßnahmen lässt sich ein Unterschied zum materiellen Strafrecht in den
Bestimmtheitsanforderungen nicht sicher aus der Rechtsprechung des BVerfG her-
leiten. Das Gericht hält sich aber die Möglichkeit offen, die Anforderungen für das
gesamte Strafrozessrecht gegenüber dem materiellen Strafrecht abzusenken.
Jedenfalls für den Regelungsbereich der verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen sprechen gewichtige Gründe gegen eine Unterscheidung.

39
Papier/Möller, AöR, S. 198 und Sachs, GG6 , Art. 20 Rdn. 126.
40
Papier/Möller, AöR, S. 199.
I. Bestimmtheitsgrundsatz 217

Art. 103 Abs. 2 GG ist keine Ausnahmevorschrift für das materielle Strafrecht. Für
den Einzelnen ist es unerheblich, ob die Verurteilung wegen unbestimmter Vor-
schriften des Prozessrechts oder unbestimmter Vorschriften des materiellen Rechts
erfolgt. Für ihn kommt es darauf an, dass der Staat ihn wegen Vorschriften bestraft,
auf die er sich nicht einstellen konnte. Das Strafprozessrecht muss dem Betroffenen
verständlich machen, wie die Ermittlungsbehörden mit ihm verfahren dürfen.41
Der allgemeine Erfolg der Grundrechtseingriffe durch verdeckte strafprozessua-
le Ermittlungsmaßnahmen besteht in ihrer Einschüchterungswirkung. Diese Wir-
kung wird durch unbestimmte Gesetze nicht etwa gerechtfertigt, sondern potenziert.
Gerade weil die Grundrechtseingriffe an zentralen Stellen über einen psychisch
vermittelten „Angst-“ bzw. „Einschüchterungsfaktor“42 zustande kommen, ist eine
Verständlichkeit der gesetzlichen Regelungen auch für die Betroffenen erforderlich.
Denn wenn der Grundrechtseingriff so vermittelt wird, dass der Einzelne nicht weiß,
welche Informationen der Staat über ihn erhoben hat, ist eine klare Gesetzeskennt-
nis notwendig, um zu vermeiden, dass ein Klima der Angst entsteht. Wissen die
Bürger nicht, welchen Teil der Kommunikation der Staat überwachen darf, können
sie zum Beispiel veranlasst sein, politische Kommunikation in der Familie zu un-
terlassen oder regierungskritische Internetseiten und Zeitungen zu meiden. Wenn
gerade wegen der Gefahr dieses Effekts übermäßige verdeckte strafprozessuale
Ermittlungsmaßnahmen zu vermeiden sind, muss der Bürger anhand der gesetz-
lichen Regelungen klar erkennen können, in welchen Bereichen er unter welchen
Bedingungen in seiner sozialen Interaktion und sonstigen Persönlichkeitsäußerung
überwacht werden darf und wann er vor strafprozessualer Überwachung sicher ist.
An die Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen müs-
sen schon daher die gleichen strengen Bestimmtheitsanforderungen gestellt werden
wie an Regelungen des materiellen Strafrechts. Aus den Anforderungen an den
Vorbehalt des Gesetzes ergibt sich daher ein Art. 103 Abs. 2 GG entsprechendes
Analogieverbot daher auch für das Strafprozessrecht.43

b) Zu (2.) graduelles Absinken der Bestimmtheitsanforderungen proportional


zur Eingriffsintensität

Das BVerfG geht davon aus, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit propor-
tional von der Eingriffsintensität abhängen. Dies führt ebenfalls zur Relativierung
des Bestimmtheitsmaßstabs. In der Sache bedeutet die proportionale Abhängigkeit,

41
Die Erlaubnis zu verdeckten Maßnahmen betrifft in erster Linie die Strafverfolgungsbehörden,
die ihr Verhalten – nämlich ob und wie sie verdeckt ermitteln – nach den Normen der StPO aus-
richten müssen. Dies ändert aber nichts daran, dass auch der Betroffene an ihnen ablesen können
muss, wie mit ihm in Strafsachen verfahren werden darf.
42
Vgl. § 8, III, 4, a).
43
So auch Jäger, GA, Bd. 153, 2006, S. 625, 628; Volker Krey, S. 34 ff. m. w. N.; Krey, ZStW
1989, S. 855; Klesczewski, ZStW 2011, S. 751.
218 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

dass nach Ansicht des BVerfG mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Be-
stimmtheit geklärt werden soll.44 Es verhält sich aber anders herum.
Die Eingriffsintensität kann nur festgestellt werden, wenn inhaltlich klar ist, was
die Regelung erlaubt und was nicht. Weil die Einschätzung der Eingriffsintensität
von der Bestimmtheit der Regelung abhängig ist, kann die Eingriffsintensität somit
schon aus logischen Gründen nicht zu einer Relativierung des Bestimmtheitsgrund-
satzes führen. Daher ist einem „absoluten“ Bestimmtheitsgebot gegenüber dem
„relativen“ Bestimmtheitsgebot des BVerfG der Vorzug zu geben. Die Intensität
des Grundrechtseingriffs ist kein Faktor, der die Anforderungen an die Gesetzesbe-
stimmtheit beeinflussen kann.

c) Zu (3.) Abschwächung der Anforderungen durch „herkömmliche


juristische Methoden“

Die Auffassung des BVerfG, die Ermittlung des Sinns einer Norm mit „herkömm-
lichen juristischen Methoden“ sei für die Bestimmtheit ausreichend, bedeutet im
Ergebnis, dass die Bestimmtheit um die Bestimmbarkeit erweitert wird. Grund-
sätzlich ist nichts daran auszusetzen, dass der Gesetzgeber Normen schafft, die
Auslegungsprobleme enthalten, wenn diese ihrerseits mit anerkannten Methoden
der Auslegung gelöst werden können. Eine wissenschaftlich exakte Sprache gibt es
außerhalb der Mathematik nicht und sie ist nach den Erkenntnissen der Sprachphi-
losophie45 auch nicht praktikabel. Zu kritisieren ist aber, dass mit dem Verweis auf
„die herkömmlichen Methoden“ unbestimmt bleibt, welche dazu zählen. Auch ist
unklar, ob das BVerfG für das Strafprozessrecht an einer grundsätzlichen „Metho-
denbeliebigkeit“ festhält, derzufolge keinem methodischen Kriterium grundsätzlich
Vorrang einzuräumen ist und nach der auch objektiv-teleologische Auslegungsziele
zulässig sind.46 Deutlich wird diese in der gesamten Rechtsprechung herrschende
Auffassung in einer Entscheidung des BGH:
„Die Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der im weiteren Ge-
setzgebungsverfahren im Ergebnis nicht in Frage gestellten Begründung des Regierungs-
entwurfs ergibt, ist eine mit anderen gleichrangige Auslegungsmethode (vgl. hierzu Vogel,
Juristische Methodik S. 129; Wank, Die Auslegung von Gesetzen 3. Aufl. S. 49 f.). Ein
Auslegungskanon mit einer feststehenden Rangfolge der Auslegungsmethoden wird in der
juristischen Methodenlehre heute ganz überwiegend nicht mehr vertreten (vgl. Christensen/
Kudlich, Theorie richterlichen Begründens S. 375 ff.; Looschelders/Roth, Juristische Me-
thodik im Prozeß der Rechtsanwendung S. 192 ff.). Vielmehr sind die Auslegungsmethoden
für jede auszulegende Gesetzesnorm einerseits nach ihrer Nähe zum Normtext, andererseits

44
„Die Bestimmtheit einer Regelung [muss] ihrer Grundrechtsrelevanz entsprechen“, Ohler,
S. 273.
45
Vgl. die letztlich gescheiterten frühen Versuche von Carnap und Wittgenstein, wobei Letzterer
in seinem Spätwerk die Erschaffung einer logischen Sprache aufgab und sich der Analyse der
Normalsprache und der „Spieltheorie“ zuwendete, Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen.
46
BVerfGE 1, 299, 312; 11, 126, 130 st. Rspr.
I. Bestimmtheitsgrundsatz 219

nach der Stichhaltigkeit der konkreten einzelnen Argumente zu gewichten (vgl. Christen-
sen/Kudlich aaO S. 377 ff.).“47

Weil das objektiv-teleologische Auslegungskriterium eine der vom BVerfG ge-


meinten herkömmlichen Methoden ist, wird allein damit schon der Bestimmtheits-
grundsatz konterkariert. Durch sie kann einer Norm ein anderer Sinn als der vom
Gesetzgeber gemeinte unterschoben werden. Dies soll dann durch geänderte ge-
sellschaftliche Verhältnisse gerechtfertigt sein.48 Durch teleologische Auslegung
verliert eine Vorschrift also Berechenbarkeit.49 Sie führt daher zu Rechtsunsicher-
heit. Auch die methodische Beliebigkeit50 als solche trägt nicht zur Bestimmtheit
von Gesetzen bei. Das BVerfG zeigt sich bezüglich der methodischen Probleme
und Streitigkeiten indifferent. Über den Kanon der „herkömmlichen juristischen
Methoden“ besteht Streit. Das BVerfG hätte daher eindeutig Stellung beziehen müs-
sen. Ohne dies bleibt die Bezugnahme auf „herkömmliche“ Methoden selbst unbe-
stimmt. Wenn es keine klare Rangfolge der Auslegungsmethoden gibt, kommt es
dazu, dass der Einzelfall entscheidet und das Ergebnis generell unbestimmt bleibt.
Die vom BVerfG angenommene Beliebigkeit hinsichtlich der Auslegungsmethoden
lässt sich nicht halten und sollte durch eine Rangfolge der Auslegungsmethoden
ersetzt werden. Aus dem Erfordernis der gesetzlichen Bestimmtheit folgt, dass die
subjektiv-historische Auslegung nicht nur im materiellen Strafrecht, sondern auch
im Strafprozessrecht Priorität genießen muss. Welche Reihenfolge darüber hinaus
die richtige ist, kann hier nicht im Einzelnen begründet werden, ohne den Rahmen
der Arbeit zu verlassen. Die hier zugrunde gelegte Ansicht ist von mir an anderer
Stelle ausführlich dargelegt und begründet worden.51
Der Sinn des Gesetzes ist in erster Linie nach dem Willen des historischen
Gesetzgebers zu bestimmen. Es muss also danach gefragt werden, was der Ge-
setzgeber ursprünglich mit dem Gesetz zu Ausdruck bringen wollte. Eine objektiv-
teleologische „Setzung“ des Gesetzesziels und eine dem entsprechende Auslegung

47
BGH, HRRS 2008 Nr. 407, Abs. 10.
48
Vgl. zur objektiv-teleologischen Auslegung Bode, S. 29 f. Anders Roxin, Strafrecht: Allge-
meiner Teil. Grundlagen, der Aufbau der Verbrechenslehre, AT I § 7 Rdn. 70: „[Strafrechts-
wissenschaft ist Strafrechtsfindung und die liegt] [. . . ] in der schöpferischen Ausarbeitung (d. h.
Entwicklung und Systematisierung der gesetzgeberischen Zielvorstellungen selbst Kriminalpolitik
im Gewande der Dogmatik.“
49
Zu dieser Gefahr auch Vogel, Strafgesetzgebung und Strafrechtswissenschaft, S. 117, der an-
merkt, dass Gefahren für Rechtssicherheit bestünde. Trotzdem ist die teleologische Auslegung für
ihn die „Krone“ der Auslegung.
50
Bzw. „Methodenpluralismus“, vgl. Vogel, Strafgesetzgebung und Strafrechtswissenschaft,
S. 113.
51
Für eine Rangfolge der Auslegungsmethoden speziell im materiellen Strafrecht Bode, S. 26 f.
Allgemein gegen eine Lockerung der Gesetzesbindung durch (zu weite) Auslegung und Rechts-
fortbildung: Hillgruber, JZ 2008, S. 746 ff., Rüthers, Rd. 696 ff., 707 ff. Walz schlägt folgende
allgemeine Bearbeitungsreihenfolge vor: I. Stufe: Wortlautauslegung, II. Stufe: Gemeinschafts-
konforme Auslegung, III. Stufe: Verfassungskonforme Auslegung, IV. Stufe: Historische (und
auch subjektiv-teleologische Auslegung), V. Stufe: Systematische Auslegung, VI. Stufe: Teleo-
logische Auslegung, 1. Normtextnahe teleologische Auslegung, 2. Normtextferne teleologische
Auslegung, siehe Walz, ZJS 2010, S. 489. Dem kann nur bedingt zugestimmt werden.
220 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

bedingen hingegen eine unrechtmäßige Kompetenzverschiebung von der Gesetzge-


bung hin zum Rechtsanwender. Damit ist aber nur das Ziel der Auslegung fest-
gelegt, nämlich den Willen des Gesetzgebers zu ermitteln.52 Um diese Ziel zu
erreichen, ist auch für das Strafprozessrecht folgende Rangfolge der Auslegungs-
kriterien vorzugswürdig:
1. Der Wortlaut ist Grenze und erster Zugang zum Sinn des Textes.
2. Da Worte aber nur kontextabhängige Bedeutungen haben, ist die systematische
Auslegung unabdingbares Hilfsmittel. Dazu gehört auch die verfassungskonfor-
me Auslegung, sie genießt nur in den Fällen einen Sonderstatus, in denen das
BVerfG den Willen des Gesetzgebers verkürzt.53
3. Die Ermittlung der Gesetzgebungshistorie, zum Beispiel anhand von Gesetz-
entwurfsbegründungen, steht gleichberechtigt neben der systematischen Ausle-
gung. Historische Auslegung und systematische Auslegung sind gleichrangig,
da sie beide den sprachlichen Kontext bilden, in dem die jeweilige Einzelnorm
oder das jeweilige einzelne gesetzliche Merkmal stehen. Stehen gesetzessyste-
matische und gesetzgebungshistorische Auslegungsergebnisse in einem Wider-
spruch, ist die Norm unbestimmt.

d) Zu (4.) Anpassung an komplexe Regelungsmaterie

Die Auffassung des BVerfG, der Gesetzgeber könne nur im Rahmen des sachlich
Möglichen Regelungen treffen, führt – auf die Spitze getrieben – dazu, dass es für
die Bestimmtheit ausreicht, wenn nur noch Experten Gesetze verstehen.54
Adressaten der Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sind sowohl
die Ermittlungsbehörden als auch die normunterworfenen Bürger.55 Bereits durch
die Außenwirkung der Vorschriften ist dies zwingend. Sie geben den Ermittlungs-
behörden Befugnis und Grenzen an, aber auch den Bürgern, die sich so auf die
Grundrechtseingriffe einstellen können. Die Beschränkung der Bestimmtheit durch
das sachlich Mögliche darf nicht dahingehend ausgedehnt werden, dass eine Ver-
ständlichkeit für Experten als ausreichend angesehen wird. Dies gilt jedenfalls,
wenn die Möglichkeit besteht für durchschnittliche Bürger verständliche Regelun-
gen zu schaffen. Die abweichende Ansicht aus der Literatur56 ist abzulehnen.
Der Gesetzgeber darf keine in Grundrechte eingreifenden Gesetze zu strafpro-
zessualen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen erlassen, wenn er nicht in der Lage

52
Vgl. zum Ganzen Bode, S. 26 ff.
53
Wie oben gezeigt, vgl. § 6, IV, 8, darf der einfache Rechtsanwender dies nur im Ausnahmefall.
54
Vgl. zur praktischen Erheblichkeit für das hier behandelte Thema zum Beispiel § 14, II, 2. und
§ 26, III, 2.
55
Die Rechtsprechung unterscheidet bei den Anforderungen an die Gesetzesverständlichkeit zu-
treffend nach dem Adressatenkreis. Danach kommt es darauf an, dass nicht irgendjemand, sondern
der Adressat der Vorschrift seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen
kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag, vgl. st. Rspr.; BVerfGE 108, 52, 75;
BVerfGE 83, 130, 145; Herzog, NJW 1999, S. 25; Papier/Möller, AöR, S. 184.
56
Towfigh, Der Staat 2009, S. 52.
I. Bestimmtheitsgrundsatz 221

ist, mit ihnen durchschnittlichen Rechtsanwendern und Betroffenen verständlich


zu machen, unter welchen Umständen strafprozessuale verdeckte Ermittlungsmaß-
nahmen erlaubt sind. Zwar kann es faktisch so sein, dass Gesetze dem „gemeinen
Volk“ nur noch über „Intermediäre“57 verständlich zu machen sind. Dies kann aber
nur als Hilfe dienen, damit der Normunterworfene selbst verstehen kann, was er-
laubt und was verboten ist. Nach dieser Hilfe muss der durchschnittliche Bürger den
Normtext selbstständig lesen und verstehen können. Als Vermittler des Rechts wer-
den Verwaltung, Anwaltschaft oder Judikative58 genannt. Der Ausweg auch „die
Judikatur auf das Bestimmtheitsprinzip zu verpflichten“59 und so scheinbar vom
Gesetzgeber gelassene Lücken durch die Judikative als Ersatzgesetzgeber aufzufül-
len, ist abzulehnen. Eine solche Vorgehensweise verstieße gegen den Grundsatz der
Gewaltenteilung.60
„Rechtssicherheit durch bestimmte Gesetze“ ist ebenso wie der Gesetzesvorbe-
halt nach der „Wesentlichkeitstheorie“ nicht nur eine rechtspolitische Forderung.
Sie liegt den Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips zu Grunde und dient der
Wahrung der Grundrechte. Das Gesetzlichkeitsprinzip in seiner modernen Form
wurzelt im naturrechtlichen Rechts- und Staatsdenken der europäischen Aufklä-
rung.61 Gesetzesstrenge Kodifikationen wie das ALR und die Josephina62 hatten
zwar nicht in erster Linie subjektiven Freiheitsschutz der Bürger im Sinn, sondern
sollten das Verhältnis zwischen Souverän und Richter klären, sind aber dennoch in
Bezug auf Bestimmtheit teilweise noch heute vorbildlich.63 „Geistesgeschichtlich
gesehen gehört das Gesetzesbestimmtheitsgebot zu einer der fortschrittlichsten Er-
rungenschaften der liberalen Rechtsstaatskonzeption seit der Aufklärung.“64 Il-Su
Kim zitiert daher schon den „Voraufklärer“ Hobbes:
„Die Freiheit hängt vom Schweigen der Gesetze ab. In Fällen, wo der Souverän keine Regel
vorgeschrieben hat, besitzt der Untertan die Freiheit etwas nach eigenem Ermessen zu tun
oder zu unterlassen.“65
Hobbes akzeptiert zudem nur 1. „notwendige Gesetze“ und 2. „verständliche Ge-
setze“:
1. „Man mag ein Gesetz für gut halten, wenn es dem Souverän nutzt, obgleich es für das
Volk nicht notwendig ist, aber das ist nicht so. Denn das Wohl des Souveräns und das des
Volkes kann man nicht trennen. 2. Es gehört daher zum Amt eines Gesetzgebers [. . . ], die

57
Towfigh, Der Staat 2009, S. 52.
58
Krey, Sonderband der BKA Forschungsreihe 1993, S. 127.
59
Krey, Sonderband der BKA Forschungsreihe 1993, S. 127.
60
So in der Sache auch Kim, S. 129.
61
Köhler, S. 77; vgl. auch Vormbaum, S. 70 und Cattaneo unter Bezugnahme auf Feuerbach.
62
Das Josephinische Strafgesetz (Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Be-
strafung, kurz: Josephina, Josefina oder StG 1787) war ein von Joseph II. erlassenes Strafrecht für
die Erbländer der Habsburger. Es war von 1. Januar 1787 bis 1803 in Kraft. Es bestand aus zwei
getrennt durchnummerierten Teilen („Kriminal-Verbrechen“ und „politische Verbrechen“).
63
Bereits der Vorgängerin Josef II., Maria Theresia (1740–1780), wird das Zitat zugeschrieben
„Ein Gesetz ist erst dann legitim, wenn selbst der letzte Schweinehirte in Galizien es verstehen
kann“, Helfrich, S. 82.
64
Kim, Der Gesetzlichkeitsgrudsatz im Lichte der Rechtsidee, S. 123.
65
Hobbes, Leviathan, S. 250.
222 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

Ursache für den Erlaß eines Gesetzes verständlich abzufassen und den Hauptteil des Geset-
zes selbst so kurz, aber in so angemessenen und aussagekräftigen Termini wie möglich.“66

Eine Abschwächung des Bestimmtheitsgebots durch die Verengung des Adres-


satenkreises auf Spezialisten des Strafprozessrechts kommt nach alledem nicht in
Betracht.

9. Zwischenergebnis

Die Bestimmtheit der Gesetze, die die verdeckten strafprozessualen Ermittlungs-


maßnahmen regeln, wird durch das Prinzip der Gewaltenteilung und das Prinzip der
Rechtssicherheit vorgegeben. Eine proportionale Beziehung zwischen Bestimmt-
heit und Intensität der Grundrechtseingriffe besteht nicht. Die Bestimmtheit der
einfachen Gesetze darf entgegen der h. M. nicht mit der verfassungsrechtlichen
Eingriffsintensität abnehmen. Jeder Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG und die anderen Grundrechte durch Maßnahmen
verdeckter strafprozessualer Ermittlungen muss durch den Gesetzgeber im Rahmen
des sachlich Möglichen klar und bestimmt geregelt werden.

II. Verhältnismäßigkeit

Vorangehend wurde geklärt, dass die Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaß-


nahmen bestimmt sein müssen. Damit sind die Anforderungen an die eingreifenden
Gesetze aber nicht erschöpft. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit von über-
ragender Bedeutung um zu prüfen, ob die Regelungen der verdeckten strafprozes-
sualen Ermittlungsmaßnahmen verfassungsgemäß sind. Nur ein verhältnismäßiges
Gesetz kann einen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Von dieser Verhältnismäßig-
keit als Anforderung an den Gesetzgeber die Vorschriften inhaltlich besonders rück-
sichtsvoll im Hinblick auf die Grundrechte auszugestalten, ist die Frage zu trennen,
ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip direkte Geltung im einfachen Recht beanspru-
chen kann und somit unmittelbar für die Rechtsanwender gilt. Diese Frage wird
erst bei der Erörterung der gesetzgeberischen Regelungen zu beantworten.67 Im
Folgenden geht es um die Vorgaben für den Gesetzgeber. Dabei soll ein Beitrag
geleistet werden, die in der Verfassung nicht ausdrücklich genannten Kriterien der
Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Regelungen der verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen inhaltlich zu festigen.

66
Hobbes, Leviathan, S. 295 f. Zur weiteren Verankerung in der rechtlichen Tradition Europas,
vgl. Kim, Der Gesetzlichkeitsgrudsatz im Lichte der Rechtsidee, S. 123 ff.
67
Vgl. § 20.
II. Verhältnismäßigkeit 223

1. Verfassungsrechtliche Herleitung

Verhältnismäßigkeit ist die Korrelation zwischen „Zweck und Mittel“. Das Mittel
liegt mit den Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-
men fest. Nach h. M. ist der Grundsatz im verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprin-
zip und den Grundrechten selbst verankert.68 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist
„nach ersten Ansätzen der Judikatur des BayVerfGH vom BVerfG allmählich als
verfassungsrechtliches Prinzip herausgearbeitet und ist als solches heute weitge-
hend anerkannt, gilt zudem auch im Europarecht.“69

2. Bedeutung für den Vorbehalt des Gesetzes

Dem Gesetzesvorbehalt wird nicht schon durch jede bestimmte gesetzliche Rege-
lung genüge getan. Das Gesetz muss außerdem inhaltlich verhältnismäßig sein.
Diese Schranke des Eingriffs wird in Weiterführung des räumlichen Bildes vom
Schutzbereich und dem Eingriff oder der Beschränkung als Schranken-Schranke
bezeichnet.70 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit modifiziert den Vorbehalt des
Gesetzes so, dass unter der Bindung der Gesetzgebung an die Grundrechte der
grundrechtliche Vorbehalt des Gesetzes zum Vorbehalt des verhältnismäßigen Ge-
setzes geworden ist.71

68
BVerfGE 19, 342, 348 f.: „In der Bundesrepublik Deutschland hat der Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, im
Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Frei-
heitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit
beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist.“ Dies ist h. M.,
vgl. auch Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 448; Cremer, S. 270 f. Fn. 504 m. w.
N.
69
Sachs, GG6 , Art. 20 GG, Rdn. 145; Neben einigen anderen Ansätzen, die Art. 19 Abs. 2 oder
Art. 3 GG bemühen, vgl. zu den verschiedenen Begründungsansätzen die Darstellung bei Lind-
ner, S. 221 f. wird auch vertreten, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht das Ergebnis
der Auslegung und Interpretation einzelner Verfassungsbestimmungen sei, sondern als eigen-
ständiger ungeschriebener Grundsatz Verfassungsbestimmung sei. Dessen Rechtsquelle sei das
Verfassungsgewohnheitsrecht, vgl. Wolff , Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundge-
setz, S. 238 ff., 465.
70
Zur Überflüssigkeit des sprachlichen Bildes Michael/Morlok, § 21 Rdn. 543.
71
Vgl. Schlink, EuGRZ 1984, 459 f.; Pieroth/Schlink, Rdn. 284. Entgegen der hier vertretenen
Ansicht werden Bedenken vorgebracht, dass das vom Grundgesetz verfasste System von grund-
rechtlichen Gewährleistungen einerseits und Schrankenvorbehalten andererseits über den Weg der
Verhältnismäßigkeitsprüfung aus den Angeln gehoben wird. Pfeiffer/Hannich in: KK 6 , Einleitung
Rdn. 31; Scholz, NJW 1983, S. 709; Ress in: Kutscher/Ress/Teitgen, S. 7. Diese Befürchtungen
sind aber unbegründet, da es ein besonders „verfasstes System“ so nicht gegeben hat. Im Rege-
lungsbereich der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gäbe es nur eine Dichotomie zwischen dem
nicht weiter bestimmten Gesetzesvorbehalt für die Grundrechte aus Art. 10 und Art. 2 Abs. 1 GG
und den Schranken des Art. 1 Abs. 1 und des Art. 13 Abs. 3 GG. Wenn allein die Unterscheidung
dieser Grundrechte in den Schranken gemeint ist, bedeutete das, verdeckte Ermittlungsmaßnah-
224 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt eine Eingriffsregelung nur


dem Vorbehalt des Gesetzes, wenn sie geeignet, erforderlich und der Eingriff ge-
genüber der legitimen Zielverfolgung angemessen ist.72 Auf der insbesondere von
Schlink bestrittenen73 letzten Stufe der Angemessenheit kommt es darauf an, wel-
ches Gewicht das Interesse hat, gegen das der Grundrechtseingriff abgewogen wird.
Für die Eingriffe in Grundrechte durch heimliche Maßnahmen konkretisiert das
BVerfG das Prüfungsprogramm folgendermaßen:
„Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und
die Erfordernisse einer wirksamen Rechtspflege können in mannigfacher Weise mitein-
ander in Widerspruch geraten. Ein gerechter Ausgleich dieser Spannungen läßt sich nur
dadurch erreichen, daß den unter dem Blickpunkt der Erfordernisse einer wirksamen
Rechtspflege erforderlich erscheinenden Eingriffen das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ständig als Korrektiv entgegengehalten wird [. . . ].
Das bedeutet, daß jeweils zu ermitteln ist, welchem dieser beiden verfassungsrechtlich
bedeutsamen Prinzipien im konkreten Fall das größere Gewicht zukommt.“74

3. Geeignetheit zur Erreichung eines legitimen Zwecks

Ein Gesetz zur Regelung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen muss geeignet


sein, einen legitimen Zweck zu verfolgen. Zweck der verdeckten strafprozessua-
len Ermittlungsmaßnahmen ist unstrittig die Aufklärung von Straftaten. Ist dieser
Zweck mit der Verfassung vereinbar, ist er ein legitimes öffentliches Interesse, das
Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen kann. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber zu
entscheiden, welche öffentlichen Zwecke legitim sind, und er besitzt eine entspre-
chende Einschätzungspärogative. Dies ist aber verfassungsrechtlich zu überprüfen.
Der Zweck der Aufklärung von Straftaten findet sich bereits in den Aufgabenzu-
weisungen des Art. 74 GG in den Oberbegriffen „Strafrecht“ sowie „Gerichtsver-
fahren“ und ist deshalb ein legitimer Zweck. Teilweise wird die Aufklärung von
Straftaten sogar als Schutzpflicht des Staates gesehen, die mit den Grundrechten
auf einer Rangstufe steht.75

men wären außerhalb von Wohnungen und Telefonkommunikationsleitungen durch eine einzige
generalklauselartige Befugnisnorm gerechtfertigt und bis an die Grenze des Kernbereichs schon
bei dem geringsten Anlass zulässig.
72
Daraus ergeben sich die Untergrundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessen-
heit.
73
Schlink Abwägung im Verfassungsrecht, passim.
74
BVerfGE 34, 238, 249.
75
Die Verankerung in der Verfassung ist auch für die Prüfung der Angemessenheit wichtig, da die
Verfassungsvorschriften – zum Beispiel Art. 20 Abs. 3 GG, in dem die Schutzpflichten verankert
werden – im Vergleich zu schlichten öffentlichen Interessen ein besonderes Gewicht haben, vgl.
Michael in: Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, S. 198. Vgl. zur Bedeutung
in der Angemessenheit § 9, II, 5, c), bb).
II. Verhältnismäßigkeit 225

4. Erforderlichkeit

Die Erforderlich ist eine Regelung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen76 wenn


keine mildere Regelung möglich ist, die eine mindestens gleich effektive Aufklä-
rung des Tatverdachts gestattet. Die Erforderlichkeit erscheint vordergründig als
objektiver Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Zur Prüfung der Erforderlichkeit
wird die Frage nach dem mindestens gleich effektiven milderen Mittel zur Zwecker-
reichung gestellt. Das Mittel ist in diesem Fall die jeweilige gesetzliche Regelung
der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen. Diese gesetzliche Vor-
schrift ist dann erforderlich, wenn die durch sie vertypte Maßnahme so geregelt
ist, dass sie nur dann eingesetzt werden darf, wenn sie ihrerseits erforderlich ist.
Zu prüfen ist also in erster Linie, ob eine Maßnahme gleich oder weniger effektiv
ist, was in der Tat allein durch fachliche kriminalistische Einordnung ohne weitere
Bewertung erfolgen kann.
Der Grundsatz der Erforderlichkeit baut auf der Voraussetzung auf, dass die ver-
deckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen gegeneinander und gegenüber
offenen Maßnahmen nach der mit ihnen verbundenen Grundrechtsbelastung in eine
Rangfolge gebracht werden können. Diese Voraussetzung ist aber hoch problema-
tisch. Zwar wird Konsens über die Effizienz der Maßnahmen anhand objektiver
fachlicher Maßstäbe zu finden sein, es besteht aber keine Einigkeit über die unter-
schiedliche Bewertung der Eingriffsbelastungen. So steht nicht a priori fest, wie die
Gewichte einer Hausdurchsuchung (Eingriff in Art. 13 GG) im Verhältnis zu einer
Überwachung im öffentlichen Raum mit technischen Mitteln (Art. 2 Abs. 1 GG) zu
verteilen sind. Der Erforderlichkeitsgrundsatz sagt nichts darüber aus, welche Maß-
nahme „milder“ ist. Allgemeine Etikettierungen wie Eingriffs-„Intensität“77 oder
die Frage nach der Betroffenheit eines „sensibleren Bereichs“78 führen nicht zu
weiterem Erkenntnisgewinn, weil sie letztlich nur für eine Gesamtbewertung der
Eingriffsfolgen stehen. Wie belastend ein Eingriff ist, kann nur normativ bestimmt
werden, also vordringlich durch den Verfassungs- bzw. durch den Gesetzgeber.
Fehlen solche Angaben in der Rechtsordnung, kann nur auf naturalistisches Vor-
verständnis zurückgegriffen werden.

a) Abstrakte Rangfolge der Grundrechte?

Außerhalb des Grundgesetzes ist die Erforderlichkeit für Notwehr und Notstand
essentiell. Im Rahmen des Notstandes nach § 34 StGB kann eine Interessenabwä-
gung als Wertmaßstab auf die durch Geldstrafe oder Zeitdauer der Freiheitsstrafe
vergleichbaren Strafrahmen zurückgreifen. Die Verletzungen der geschützten In-
teressen bzw. Rechtsgüter sind so durch den Gesetzgeber bewertet worden und

76
Grundsätzlich wird die Frage gestellt: Gibt es mildere, gleich effektive Maßnahmen? Maßnahme
in diesem Sinne kann auch ein Gesetz sein, zum Beispiel die Regelung der §§ 100a, 100b StPO.
77
Vgl. Cremer, S. 156.
78
Eichhoff , S. 295.
226 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

die sich daraus ergebende Rangfolge ist für den Rechtsanwender bei seiner In-
teressenabwägung zumindest ein normativer Anhaltspunkt für eine Systematik des
Gesetzgebers. Ein vergleichbares Vorgehen ist im Verfassungsrecht so einfach nicht
möglich. Auch eine Parallele zu einfach gesetzlichen Regelungen ist nicht zuläs-
sig, weil die Erforderlichkeit so durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt werden
könnte. Verfassungsrechtlich wäre dann nur eine Überprüfung auf Widersprüche in
der Gesetzgebung möglich. Das BVerfG interpretiert seine Rolle als Verfassungs-
wächter aber zurecht nicht dermaßen eingeschränkt. Ein in sich schlüssiges, aber
zum Beispiel ein bestimmtes Grundrecht radikal vernachlässigendes Konzept des
Gesetzgebers, kann nicht verfassungsgemäß sein.
Nach h. M. sind die Grundrechte des Grundgesetzes grundsätzlich gleich-
rangig.79 Dies kann jedoch hinsichtlich der Hauptfunktion der Grundrechte als
Eingriffsabwehrrechte nur gelten, wenn Grundrechte Schranken haben, die gleich
strenge Anforderungen an eine eingreifende Maßnahme stellen. Ein Grundrecht
ist offensichtlich wichtiger als das andere, wenn in das eine Grundrecht nicht, in
das andere aber durch jedes bestimmte und verhältnismäßige Gesetz eingegriffen
werden darf. Ebenso ist ein Grundrecht höherrangig als ein anderes, wenn in das ei-
ne Grundrecht nur unter strengen oder qualifizierten Voraussetzungen eingegriffen
werden darf und das andere Grundrecht unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt
steht. Daher ist ein Unterschied zwischen dem Eingriff in das eine oder das andere
Grundrecht der Art nach nur relevant, wenn unterschiedlich strenge Schranken-
regelungen vorhanden sind.80 Bei den verdeckten strafprozessualen Ermittlungen
sind insbesondere Art. 13 Abs. 3, 5 GG hervorzuheben, die besonders strenge
Eingriffsschranken aufstellen. Eine Sonderstellung genießt zudem der Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung, der nach Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützt ist.81
Insoweit ergibt sich eine klare Rangfolge:
1. Anspruch auf Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)
2. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1, 3, 5)
3. Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung (Art. 2 Abs. 1 GG) und Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG).82

79
Die Grundrechte sind bis auf wenige Ausnahmen im Rang der Art nach gleich, da vom je-
weiligen Schutzbereich eine Bandbreite verschiedener Fälle erfasst wird, vgl. Alexy, Theorie der
Grundrechte, S. 520 und zu den differierenden Ansichten und Versuchen einer abstrakten Rangfol-
gebildung Eichhoff , S. 292 ff., 295 m. w. N., die aber das Fazit ziehen muss: „Nach alledem bleibt
allerdings für die größeren Teile der persönlichen Grundrechte das Rangverhältnis untereinander
offen.“
80
Vgl. aber Lothar Michael in: Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegewart, S. 197,
Fn. 208 m. w. N., der eine abstrakte Ungleichgewichtigkeit als Abweichung von der abstrakten
Gleichrangigkeit diskutiert. Vgl. auch Eichhoff , S. 292 ff.
81
Weil er die Integrität des Menschen in seinem „So-Sein“ schützt und wegen seiner Doppelnatur
als subjektives Recht des Einzelnen auf individuelle Abwehr von Maßnahmen, die die Würde an-
tasten und als objektives Recht, das dem Staat entwürdigendes Handeln verbietet, ist der Anspruch
auf Achtung der Menschenwürde allerdings kein klassisches Freiheitsgrundrecht.
82
Art. 19 Abs. 4 GG soll Grundrechtsschutz durch Gerichte gewährleisten. Es steht daher als
„Hilfsgrundrecht“ auf der Stufe des jeweiligen Grundrechts.
II. Verhältnismäßigkeit 227

Dies betrifft aber nur eine abstrakte Reihenfolge der Art nach. Freilich können auch
die Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG im konkreten Einzelfall genau-
so schwerwiegend sein wie Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.83
Auch wenn verschiedene Eingriffe das nämliche Grundrecht oder unterschiedliche
Grundrechte gleichen Ranges betreffen, können diese Eingriffe im konkreten Fall
unterschiedlich belastend sein.

Beispiel 29 Das einmalige Abhören eines unwichtigen Alltagstelefonats oder die


Fotoaufnahme eines Menschen in der Öffentlichkeit ist weniger belastend als ei-
ne monatelange Beschattung durch einen als Arbeitskollegen getarnten Verdeckten
Ermittler.

b) Fehlende „Wägbarkeit“

Der Vergleich immaterieller Interessen muss wegen der fehlenden physischen Wäg-
barkeit und der fehlenden verfassungsrechtlichen Größenangaben objektiviert wer-
den, um einen unvermeidbaren subjektiven Einfluss möglichst gering zu halten. So-
weit es um die Grundrechte geht, kann die subjektive Einschätzung des Betroffenen
bzw. ein gesellschaftlicher Durchschnitt dessen, was für belastend gehalten wird,
als Hilfe bei der Objektivierung der Kriterien dienen.84 Die hinter den Grundrech-
ten stehenden Interessen lassen sich nur schwer quantifizieren. Immerhin gibt es
im Eigentumsbereich finanzielle Wertmaßstäbe. Körperlich wirksame Beeinträchti-
gungen lassen sich in gewissem Maße in eine Rangfolge bringen. Ein einheitlicher
Maßstab, anhand dessen psychische Beeinträchtigungen mit den vorgenannten mo-
netären oder körperlichen Beeinträchtigungen verglichen werden können, ist bisher
nicht ausgearbeitet worden. Bei den verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen geht es um psychische (Einschüchterungs-)Effekte.85

c) Objektive Kriterien

Die Probleme der „Belastungsintensität“ sind dem Grundsatz der Erforderlichkeit


vorgelagert und daher keine Argumente, die das Konzept der Erforderlichkeit als
solches diskreditieren können. Dem an sich logischen Konzept fehlt aber der Maß-
stab, wenn keine Bewertungskriterien für die Belastungsintensität durch verdeckte
strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen angegeben werden können.

83
Die oben besprochen Übertragung der Schranken des Art. 13 Abs. 3, 5 GG auf das Grundrecht
auf Freiheit von Einschüchterung beruht auf diesem Gedanken, vgl. § 8, VII, 1, b, dd).
84
Letztendlich kann der Einzelne in gewissem Umfang selbst entscheiden, wie wichtig ihm seine
Grundrechte sind, vgl. unter § 8, IV, 2, c). Da Meinungsumfragen dazu schlecht möglich und Sta-
tistiken nicht vorhanden sind, bleibt es insoweit bei Schätzungen. Die Schätzungen dürfen – wenn
keine persönlichen Präferenzen bekannt sind – nur anhand von möglichst objektiven Kriterien
getroffen werden.
85
Vgl. § 8, III, 4, d).
228 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

Ausgehend vom Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung müssen sich Kri-
terien für die Unterscheidung der Belastungsintensität verdeckter strafprozessua-
ler Ermittlungsmaßnahmen an der Stärke der Einschüchterungseffekte orientieren.
Dies sind folgende Kriterien:

aa) Dauer der Maßnahme

Mit der Dauer einer Maßnahme wächst die Zahl der gewonnenen Informationen.
Je mehr Erkenntnisse über das Leben des Betroffenen gesammelt werden, desto
stärker ist der einschüchternde Effekt.

bb) Speichern der Informationen, mittelbar oder unmittelbar

Wenn ein Verhalten unmittelbar durch technische Geräte aufgezeichnet wird, ist
ein stärkerer psychischer Einschüchterungseffekt zu erwarten, als wenn sich ei-
ne beobachtende Person Notizen zum Geschehen macht. Damit korrespondiert auf
der anderen Seite ein großer Überzeugungsfaktor bei der Beweiswürdigung. Eine
Videoaufzeichnung eindeutigen Verhaltens lässt sich schwerer abstreiten als eine
Zeugenaussage darüber. Dies verstärkt wiederum den Einschüchterungseffekt.

cc) Ergiebigkeit der Überwachungsmittel

Auch die Art und Anzahl der Überwachungsmittel kann die Belastung beeinflus-
sen. Je mehr Mittel eingesetzt werden, desto umfangreicher ist die Überwachung.
Erfolgt zusätzlich zu einer akustischen Überwachung mittels Mikrofon noch eine
visuelle Überwachung mittels Kamera, ist die Überwachung wegen der stärkeren
Einschüchterungswirkung belastender als eine mit nur einem technischen Mittel.
Auch die Art der Mittel kann also die Einschüchterungswirkung verstärken. So
ist die Aufnahme von Sprache wegen der höheren Informationsdichte des gespro-
chenen Wortes in der Regel belastender als eine Bildaufnahme ohne Ton. Dem
entsprechen im Ergebnis verschiedene Fallgruppen der Grundrechte. Der Eingriff
in die allgemeine Handlungsfreiheit durch Einschüchterung kann über verschiedene
„Rechte“ im Sinne der h. M. begründet werden. Diese Rechte sind nur Unterkate-
gorien des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung:86

Beispiel 30 So ist das Recht am eigenen Bild, am eigenen Wort und dem Recht auf
Privatsphäre betroffen, wenn der Betroffene per Videoaufzeichnung bei einem Pri-
vatgespräch im Park beobachtet wird. Der Betroffene ist dann stärker eingeschüch-

86
Wie oben gezeigt, vgl. § 8, III, 5, handelt es sich bei Grundrechtskonkretisierungen im Rahmen
des Art. 2 Abs. 1 GG um Begründungen für Einschränkungen der Handlungsfreiheit.
II. Verhältnismäßigkeit 229

tert als wenn er nur auf der Straße ohne weitere Hilfsmittel bei einem einsamen
Spaziergang kurzfristig ohne technische Hilfsmittel beschattet wird.

Durch den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Mittel kann es bei bestimm-


ter Dauer der Überwachung zu einer den Achtungsanspruch der Menschenwürde
verletzenden Totalüberwachung oder der Anfertigung von Persönlichkeitsprofilen
kommen.87

dd) Schwierigkeit, natürliche Hindernisse zu überwinden

Eine Maßnahme ist wegen des stärkeren Einschüchterungseffekts umso belastender,


je schwieriger es ist, natürliche oder technische Sicherungen zu überwinden. So ist
eine Maßnahme umso belastender, je mehr sich der Betroffene nach den natürlichen
Verhältnissen darauf verlassen darf, dass er nicht überwacht wird. Danach ist eine
klare Reihenfolge der zu überwindenden natürlichen Sicherungen aufzustellen:
1. Wohnung und andere Privaträume (visuelle und akustische Sicherung durch die
Wände)
2. Distanz (Absicherung durch freies Blickfeld)
3. Vertrauenswürdige Personen (Sicherung durch Information weniger ausgesuch-
ter Personen)
4. Telekommunikation und Briefverkehr (Normative Anhebung auf Niveau 3.
durch Art. 10 GG).
Der Schwierigkeit der Überwindung entspricht aus der Perspektive des Be-
troffenen die Leichtigkeit und Qualität der Sicherung. In einer Wohnung oder
anderen geschlossenen Räumen ist der Betroffene vor fremder Beobachtung durch
die festen Grenzen des Raumes vor Blicken und Lauschangriffen geschützt. Auch
Art. 13 Abs. 3 GG lässt sich entnehmen, dass der Verfassungsgeber ebenfalls von
dieser Vorrangstellung ausgeht. Eine weitere Sicherungsmaßnahme beruht auf ei-
nem anderen Effekt. Schafft der Betroffene Distanz zwischen sich und möglichen
Beobachtern, ist er dadurch gesichert. Mangels Sichtschutzes ist diese Sicherung
aber weniger gut als die umfassende Abschottung in einem geschlossenen Privat-
raum:

Beispiel 31 Auf einem Berggipfel ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ein an-
derer Äußerungen mithört, die ein Einzelner dort einem Vertrauten erzählt. Eine
Unterhaltung auf einer belebten Straße kann hingegen leicht von Passanten mitge-
hört werden.

Ist kein erheblicher physischer Schutz zu anderen vorhanden, kann sich der Ein-
zelne weniger auf natürlichen Schutz verlassen. Insoweit ist das Vertrauen in seinen
Kommunikationspartner eine „natürliche“ bzw. „menschliche“ Sicherungsmaßnah-
me.

87
Vgl. dazu schon § 8, IV, 2, a), bb).
230 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

Beispiel 32 Ein Gast in einer Bar erzählt seinem Thekennachbarn Geschichten aus
dem Krieg. Hier kann sich der Gast nur auf den bekanntermaßen oft trügerischen
ersten Eindruck verlassen, wenn er meint, der andere würde die Geschichte für sich
behalten und nicht weitererzählen.

Die Fernkommunikation ist noch schlechter gesichert. Die Übertragungswege


fallen gänzlich in die Herrschaftsbereich der Diensteanbieter, die für den Kommu-
nizierenden anonyme Unternehmen sind. Die Diensteanbieter haben kein eigenes
Interesse am Schutz der Privatsphäre ihrer Kunden.88 Eine Telefonleitung und erst
recht ein Funksignal wird zudem nicht ständig von der Betreibergesellschaft über-
wacht. Die Übertragungswege oder die Diensteanbieter können daher leicht durch
den Staat so manipuliert werden, dass die Ermittlungsbehörden Informationen über
die Inhalte der Fernkommunikation gewinnen. Das Schutzniveau dieser Kommuni-
kation wird aber durch Art. 10 GG normativ angehoben. Da das Brief-, Post-, und
Fernmeldegeheimnis aber unter nur einfachem Gesetzesvorbehalt steht, ist es nicht
stärker geschützt als persönliche Kommunikation unter Anwesenden.
Gegenüber diesen Maßnahme sind entsprechende offene Ermittlungsmaßnah-
men weniger belastend. Zudem ist die Frage der Speicherung von Bedeutung, da
diese zu einer Prolongierung des Eingriffs führt und so mit dem Kriterium der Maß-
nahmedauer eng verwandt ist.

ee) Inhaltliche Betroffenheit der Privatsphäre

Mit der Schwierigkeit, natürliche Sicherungen zu überwinden, ist die inhaltliche


Betroffenheit der Privatsphäre verbunden. Werden Äußerungen persönlicher In-
formationen überwacht, ist die Maßnahme belastender als wenn eine Person über
allgemeine Themen spricht. Ergänzend ist die Nähe zum Kernbereich der persönli-
chen Lebensgestaltung bzw. Menschenwürde allgemein einzubeziehen.89

Beispiel 33 A wird von einem Callcenter aus angerufen. Der Mitarbeiter des Call-
centers vermittelt eine kurze Werbebotschaft. A sagt, er habe kein Interesse und legt
auf. Am Tag darauf telefoniert A mit einem Arbeitskollegen und teilt diesem mit,
dass ihm schwere Fehler bei der Buchprüfung unterlaufen sind.

Im ersten Fall ist der Inhalt des Gesprächs nicht geeignet, peinliche Informa-
tionen über A zu erhalten. Man kann daraus lediglich schließen, dass er – wie die

88
Dass sie aus kommerziellen Interessen für diesen Schutz eintreten, ist nicht mit einem originären
Schutzinteresse vergleichbar. Das reine Interesse am Gewinn lässt sich auch in vielfältiger Weise
durch den Staat ausnutzen.
89
In der Literatur wird folgende Formel aufgestellt Eichhoff , S. 295: „Je sensibler der Bereich
ist, desto stärker wird die Menschenwürde betroffen sein.“ Dass darf jedoch nicht auf die Bestim-
mung des milderen Mittels angewendet werden, da ein Eingriff in den Anspruch auf Achtung der
Menschenwürde nicht zu rechtfertigen ist.
II. Verhältnismäßigkeit 231

meisten anderen Menschen – wenig Interesse an Telefonwerbung hat. Die Kon-


versation im zweiten Fall betrifft zwar nicht den Kernbereich der persönlichen
Lebensgestaltung, das Einräumen von beruflichen Fehlern würde A in der Öffent-
lichkeit aber eher peinlich sein als die Ablehnung der Telefonwerbung.

ff) Zusammenfassung der Kriterien

Die in diesem Abschnitt genannten Kriterien für die belastende Wirkung der ver-
deckten Maßnahmen lassen sich wie folgt zusammenzufassen:
 Dauer der Maßnahme
 Speichern der Informationen, mittelbar oder unmittelbar
 Art und Anzahl der Überwachungsmittel
 Schwierigkeit, natürliche Hindernisse zu überwinden
 Inhaltliche Betroffenheit der Privatsphäre.

gg) Vergleich zwischen beobachtenden und körperlich wirkenden Eingriffen

Nach intuitivem Empfinden ist eine mittels Zwang durchgesetzte Ermittlungsmaß-


nahme generell belastender als eine heimliche Maßnahme. Verurteilt und inhaftiert
zu werden ist zweifellos belastender als heimlich überwacht zu werden. Denn die
heimliche Überwachung ist „nur“ eine vorbereitende Maßnahme, die der Über-
wachte nicht einmal bemerkt. Sie kann ohnehin nur die nur die Wahrscheinlichkeit
einer Verurteilung erhöhen. Die mittelbar durch die Maßnahmen und ihre Regelun-
gen verursachte einschüchternde Wirkung kann durchaus der Wirkung zwangsbe-
wehrter Ver- oder Gebote gleichkommen. Davon geht auch die Verfassung aus. Der
entsprechende Nachweis wurde oben in der Darstellung des Eingriffsbegriffs,90 der
Ausarbeitung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung91 und der Aus-
führungen zu Art. 13 Abs. 3 GG92 geführt. Eine offene Maßnahme unter Einsatz
von unmittelbarem Zwang ist durch das Überwinden der natürlichen Schutzberei-
che entsprechend einzuordnen.93 Ob die natürlichen Sicherheitsschranken durch
Zwang, Täuschung oder Heimlichkeit überwunden werden, macht für den Betrof-
fenen keinen Unterschied. Entscheidend ist, dass die Maßnahme den natürlichen
Schutz missachtet.
Eine Maßnahme, die in die Wohnung oder den Körper des Betroffenen eindringt
(Blutabnahme, Auspumpen des Magens) ist schwerwiegender als ein bloßes Fest-
halten, etwa zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Wie aber diese Maßnahmen
zu den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen stehen, kann nicht aus dem Grundge-

90
Vgl. § 7, III, 4, b).
91
Vgl. § 8, III, 4, a).
92
Vgl. § 8, VII, 4.
93
Die Ausarbeitung einer Rangfolge der Zwangsmaßnahmen würde den Rahmen dieser Arbeit
sprengen.
232 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

setz abgelesen werden, sondern muss sich aus einer Abwägung aller Umstände im
Einzelfall ergeben. Lediglich Art. 13 Abs. 3 GG geht von einer starken Belastung
durch die akustische Wohnraumüberwachung aus. Die dortigen Anforderungen ge-
hen sogar teilweise über die Schranken des Art. 104 Abs. 1 GG hinaus. Für die
Untersuchungshaft muss binnen 48 Stunden eine richterliche Entscheidung erfol-
gen, eine Anordnung der akustischen Wohnraumüberwachung ist auch im Eilfall
nicht ohne richterliche Entscheidung zulässig. Dass die Vorschrift des Art. 13 Abs. 3
GG dahingehend zu erweitern ist, dass verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaß-
nahmen immer belastender sind als Zwangsmaßnahmen oder ob Art. 13 Abs. 3 GG
eine Ausnahme darstellt, ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen. Nur aufgrund
des modernen Eingriffsbegriffs,94 der mittelbare Wirkungen einbezieht, sind beob-
achtende Maßnahmen Eingriffe. Mit dem modernen Eingriffsbegriff ist kein Dogma
verbunden, nach dem durch die Eingriffserweiterung subsumierbare Eingriffe we-
niger belastend wären als solche, die schon unter dem klassischen Eingriffsbegriff
ein Eingriff waren. Dies ist auch nicht sinnvoll, da es auf die Folgen für den Betrof-
fenen und nicht auf den Eingriffsweg ankommt. Ob die Entscheidungsfreiheit durch
Zwang oder durch psychisch manipulierende Einschüchterung beeinträchtigt wirkt,
ist unerheblich. Die Folgen heimlicher Eingriffe sind nicht in jedem Fall weniger
oder stärker belastend als Eingriffe durch Zwangsmaßnahmen.95

hh) Zusammenfassung

Mangels anderer Anhaltspunkte kommt es für die objektiven Kriterien der


Grundrechtsbelastung auf emotionale Belastungen des Betroffenen an. Offenes
körperliches Eindringen in die privaten Sphären des Betroffenen hat durch den
unmittelbaren Eindruck eine starke Belastung und Verunsicherung zur Folge. Der
subtilere Einschüchterungseffekt durch heimliche Überwachung gleicht die fehlen-
den Gewalt durch seine Unberechenbarkeit aus. Somit ist Heimlichkeit einfachem96
zwangsweisen Vorgehen im Ergebnis der Belastungswirkung gleichzustellen. Ob
eine Wohnung offen durchsucht oder heimlich überwacht wird, hat daher einen
gleichwertigen Effekt. Die erzwungene Blutabnahme zu Untersuchungszwecken
ist so belastend wie die heimliche Ausforschung bereits ärztlich gewonnener Daten
über eine Blutuntersuchung. Der Art nach lässt sich also keine höhere Belastung
durch die eine oder andere Maßnahme feststellen. Art. 13 Abs. 3 GG ist daher nicht
zu einem allgemeinen Grundsatz zu erweitern, nach dem heimliche Maßnahmen
stets belastender als Zwangsmaßnahmen wären.

94
Vgl. § 7, III.
95
Vgl. § 7, III, 5, c), aa); § 8, III, 1.
96
Qualifizierter Zwang wäre solcher, der die Menschenwürde antastet, insbesondere also solcher
zur Erzwingung einer aktiven Selbstbelastung. Dieser wiegt schwerer als eine verdeckte Maßnah-
me, die ihrerseits nicht den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung antastet.
II. Verhältnismäßigkeit 233

5. Angemessenheit

Die Angemessenheit oder „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ wird von der


h. M. abstrakt mit folgender Formel zusammengefasst:
„Je intensiver ein Eingriff ist, desto gewichtiger müssen die den Eingriff legitimierenden
Gründe sein“97

Allgemein hat der Gesetzgeber zur Umsetzung des Angemessenheitsgrundsatzes


zahlreiche Kautelen in der StPO geschaffen, die in der Literatur grob in drei Kate-
gorien eingeteilt werden98: „Stärke des Tatverdachts“ (z. B. „bestimmte Tatsachen,
die den Verdacht begründen“ in § 100a Abs. 1 StPO)99, „Dignität der anordnenden
Stelle“ (z. B. qualifizierter Richtervorbehalt in § 100d Abs. 1 StPO) und dem „Ge-
wicht des Vorwurfs“ (vgl. Katalog und Tatschwereklausel in § 100a Abs. 1 Nr. 2,
2 StPO). Ob die Umsetzung für das Gesamte Regelungskonzept der verdeckten Er-
mittlungsmaßnahmen ausreichend ist, wird erst bei der Erörterung der einzelnen
Maßnahmen zu untersuchen sein.100 Zunächst muss der schon in Geltung und Stel-
lenwert umstrittene sowie im Inhalt unklare Grundsatz geklärt werden.
Ob die Angemessenheit tatsächlich ein Kriterium ist, das im Rahmen der Ver-
hältnismäßigkeit zu prüfen ist, wird bestritten. Dabei geht es um die Frage, ob
die Angemessenheit ein gesetzliches Steuerungselement des Verfassungsrechts ist
oder ob es sich um eine Erlaubnis zu subjektiver Willkür der Rechtsanwender, des
BVerfG und der anderen Staatsorgane handelt, welche schließlich die Verfassungs-
prinzipien beachten sollen.

a) Ansicht des BVerfG

Nach dem BVerfG muss der Eingriff „in angemessenem Verhältnis zu dem Ge-
wicht und der Bedeutung des Grundrechts“ stehen.101 Das Maß der den Einzelnen
treffenden Belastung (muss) „noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der All-
gemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen“.102 Damit bekennt sich das BVerfG zu
einer Berücksichtigung des Abwägungsgedankens in der Angemessenheitsprüfung
und setzt sich wegen seiner oft allgemein gehaltenen Formulierungen diesbezüglich
der Kritik aus.

97
Cremer, S. 156; vgl. auch Wolff , Ungeschriebenes Verassungsrecht uter dem Grundgesetz,
S. 230.
98
Roxin/Schünemann, § 29 Rdn. 5.
99
Dort allerdings nicht Stärke im Ergebnis, sondern besonderes Begründungserfordernis.
100
Vgl. Fünfter Teil.
101
BVerfGE 67, 157, 173.
102
BVerfGE 67, 1, 57.
234 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

b) Kritik in der Literatur

Gegen Rechtsprechung und herrschende Lehre103 hält eine Minderheitenansicht104


die Angemessenheit für überflüssig und prüft nur Geeignetheit und Erforderlichkeit.
Diese Ansicht argumentiert, die Beurteilung, ob ein Grundrechtseingriff angemes-
sen ist, sei als rein subjektive Entscheidung dem Gesetzgeber vorbehalten.105

c) Eigene Ansicht

aa) Argumente gegen den Angemessenheitsgrundsatz

Die Befürworter des Angemessenheitsgrundsatzes wollen eine „Kosten-Nutzen-


Rechnung“ aufstellen, können aber in diesem Sachzusammenhang keine klaren
Kriterien für einen Bewertungsmaßstab aufstellen.106 Bereits bei der Art nach un-
terschiedlichen Rechtsgütern bzw. Interessen wird eine Beurteilung unsicher und
ist letztlich von subjektiven Erwägungen abhängig. Das gilt insbesondere für die
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen.

Beispiel 34 Ein Eingriff in das Eigentum einer Person, um einer anderen Person zu
helfen, ist nach dem Geldwert der Schäden bestimmbar. Ob aber ein Eingriff in das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung durch die heimliche Überwachung
einer Person schwerer wiegt als der damit mittelbar verbundene Schutz vor Verbre-
chen durch erfolgreiche Strafverfolgung, ist nicht anhand eines solchen Maßstabs
zu beurteilen.

Wie oben im Rahmen der Erläuterung des Erforderlichkeitsgrundsatzes festge-


stellt, sind die Grundrechte in abstrakter Hinsicht gleichwertig.107 Unklar ist aber
welches Gewicht den gegenläufigen Interessen der Strafverfolgung zukommt. In
Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ist die Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht und

103
Statt vieler Epping, Rdn. 56 ff.
104
Pieroth/Schlink, Rdn. 299.
105
Vgl. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 127 ff., 199 ff., zustimmend Roellecke, NJW
1977, S. 888; ebenfalls ablehnend Isensee, JZ 1996, S. 1090; Ernst Wolf , S. 86 ist der Ansicht,
Interessen und Güterabwägung bedeute „Willkür statt Rechtserkenntnis“. Ossenbühl, Maßhal-
ten mit dem Übermaßverbot, S. 157 nennt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen „großen
Weichmacher“ und schreibt vom „Übermaß des Übermaßverbots“ sowie „Maßhalten mit dem
Übermaßverbot“. Für eine Beibehaltung der Abwägungslehre mit Verbesserungsvorschlägen vgl.
die Nachweise bei Lindner, S. 218, Fn. 156.
106
Es mag Fälle außerhalb der verdeckten strafprozessualen Ermittlungen geben, in denen eine
solche Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile einer Maßnahme nach einem pekuniären Maß-
stab erfolgen kann.
107
Diese abstrakte Ranggleichheit ist sogar notwendig, damit eine Abwägung im konkreten Fall
überhaupt stattfinden kann, vgl. Lothar Michael in: Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der
Gegewart, S. 197. So schon Canaris, S. 75, der die Gleichrangigkeit komparativer Elemente als
Strukturmerkmal bezeichnet und Alexy, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft NF 25,
1985, S. 17, der das Kollisionstheorem durch eine Abwägung im konkreten Fall geprägt sieht.
II. Verhältnismäßigkeit 235

das Verfahrensrecht vorgesehen. Welchen Stellenwert die durch das Strafrecht ge-
schützten Belange haben, ergibt sich daraus jedoch nicht.

bb) Abwägung der Grundrechte des Betroffenen gegen eine Schutzpflicht aus den
Grundrechten

Nach der derzeitigen Gesetzeslage geht das BVerfG davon aus, dass der Staat ver-
pflichtet ist, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Diese Schutzpflicht
wird aus den Grundrechten gefolgert und betrachtet die Sicherheit der Bevölkerung
sowie deren Individualinteressen an Leib, Leben und Freiheit als Verfassungswerte,
die mit anderen hochwertigen Gütern im gleichen Rang stehen. Das BVerfG spricht
eine allgemeine Schutzpflicht auf Sicherheitsgewährleistung speziell für den heim-
lichen Eingriff in Computersysteme an:
„Die Schutzpflicht findet ihren Grund sowohl in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 als auch in Art. 1
Abs. 1 Satz 2 GG [. . . ]. Die vermehrte Nutzung elektronischer oder digitaler Kommu-
nikationsmittel und deren Vordringen in nahezu alle Lebensbereiche erschwert es der
Verfassungsschutzbehörde, ihre Aufgaben wirkungsvoll wahrzunehmen. Auch extremisti-
schen und terroristischen Bestrebungen bietet die moderne Informationstechnik zahlreiche
Möglichkeiten zur Anbahnung und Pflege von Kontakten sowie zur Planung und Vor-
bereitung, aber auch Durchführung von Straftaten. Maßnahmen des Gesetzgebers, die
informationstechnische Mittel für staatliche Ermittlungsmaßnahmen erschließen, sind ins-
besondere vor dem Hintergrund der Verlagerung herkömmlicher Kommunikationsformen
hin zum elektronischen Nachrichtenverkehr und der Möglichkeiten zur Verschlüsselung
oder Verschleierung von Dateien zu sehen (vgl. zur Strafverfolgung BVerfGE 115, 166
<193>).“108

In diesem Urteil wird festgestellt, dass die Schutzpflichten zur Verbrechensbe-


kämpfung aus Art. 2 Abs. 2 und auch aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG folgen. Die
im Einzelnen strittigen Fragen der Begründung einer solchen Schutzpflicht können
dahinstehen. Entscheidend ist, dass die Strafverfolgung einer verfassungsrechtli-
chen Pflicht des Staates dient. Daraus folgt für die Angemessenheitsprüfung, dass
die grundrechtlich geschützten Interessen des von der heimlichen Überwachung
Betroffenen mit einer ranggleichen Schutzpflicht auf Sicherheitsgewährleistung ab-
zuwägen sind.
Zwar ist die Interessenabwägung durchaus kein unbekanntes Phänomen, vgl.
§ 34 StGB. Die Vergleichsmethode ist daher unstrittig. Unklar ist, wann es zu einem
Ungleichgewicht kommt, ob extreme Unterschiede oder schon das kleinste Über-
wiegen der „Kosten“ gegenüber dem „Nutzen“ die Angemessenheit beseitigt. Nicht
klar ist, wie diesbezüglich überhaupt die Parameter einer Kosten-Nutzen-Rechnung
aussehen sollen. Bei jeder Gesetzgebung muss notwendig einem bestimmten In-
teresse der Vorzug vor einem anderen gegeben werden. Welches Interesse jeweils
überwiegen soll, ist die zentrale Aufgabe politischer Entscheidungsfindung bei der
Gesetzgebung. Das verfassungsrechtliche Angemessenheitsprinzip kann also nur
ein wesentliches Missverhältnis betreffen.

108
BVerfGE 120, 274, 319 f.
236 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

cc) Differenzierte Betrachtung des Angemessenheitsgrundsatzes

Auf den Angemessenheitsgrundsatz ist aber trotz der beachtlichen Gegenargumen-


te nicht vollständig zu verzichten. Er ist allerdings nur durch den Gesetzgeber und
das BVerfG und nicht durch die einfachen Gerichte und Behörden anzuwenden.
Die durch Schlink vorgetragene Kritik am Angemessenheitskriterium verlagert das
Problem in die Erforderlichkeit, womit nichts gewonnen ist.109 Nach der Ansicht
Schlinks wird bereits das Effizienzkriterium „gleich wirksames Mittel“110 nicht kon-
sequent angewendet, da das durchschlagskräftigere Mittel in den meisten Fällen
sicherer und wirksamer sein wird als das mildere. So ist die Wahrscheinlichkeit, den
Tatverdacht aufzuklären, in der Regel eher durch eine Maßnahme nach § 100c StPO
gegeben als durch eine informatorische Zeugenbefragung oder die Information aus
öffentlich zugänglichen Quellen wie z. B. einer Tageszeitung. Die Alternative wird
daher nur näherungsweise gleich wirksam sein müssen. Hier kommt es zu unter-
schiedlichen Interpretationen. Wenn Schlink als erklärter Gegner des Proportionali-
tätsprinzips die meisten Fälle über die Erforderlichkeitsprüfung erledigen will,111 ist
dies also nur um den Preis möglich, diese Prüfung um eine unbestimmte Wertung
zu erweitern. Unbestimmt wäre, in welchen Fällen eine Übereinstimmung in der
Effektivität der Maßnahmen gegeben ist und womit die Zweckmäßigkeit der Maß-
nahmen untersucht und verglichen werden muss. Damit wird dem Gesetzgeber die
Entscheidung abgenommen, welche Entscheidung zweckmäßiger ist. Die Abgren-
zung des Bereichs der „ungefähren“ Übereinstimmung wird dann mit subjektiven
Erwägungen überfrachtet, die auf nichts anderes als Angemessenheitserwägungen
hinauslaufen.
Methodisch ehrlich ist es, die Erforderlichkeit schlicht technisch unter dem
Blickwinkel der Wirksamkeit der Maßnahme zu Alternativen (Effizienz) zu be-
trachten und die Angemessenheit ausdrücklich als Wertungsebene zu belassen.
Entscheidend ist, dass ein vollständiger Verzicht in der Sache zur Folge hätte,
das strafprozessuale verdeckte Ermittlungsmaßnahmen bis an die Grenze des
Kernbereichsschutzes und der Sinnlosigkeit „maßlos“ betrieben werden könn-
ten. Was angemessen ist, ist aber wesentlich und daher vom Gesetzgeber zu regeln.
Insbesondere der Grundsatz der Gewaltenteilung verbietet eine Subjektivierung
der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Judikative und Exekutive. Das
BVerfG richtet das Gebot richterlicher Unabhängigkeit primär gegen die vollzie-
hende Gewalt:
„Im Amte ist der Richter nicht Träger subjektiver Freiheitsrechte, sondern – weisungsunab-
hängig weil gesetzesgebunden – einer der wichtigsten Garanten objektiver Freiheitlichkeit
des Verfassungsstaates.“112

109
So in der Sache auch Hirschberg, S. 172 ff. Vgl. aus österreichischer Perspektive Stelzer, S. 150
Fn. 174.
110
Pieroth/Schlink, Rdn. 285.
111
Vgl. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, Insbesondere S. 75 f. und passim.
112
BVerfGE 12, 81, 88, 26, 72, 93; 38, 1, 21; vgl. auch Gröschner, S. 14 und Gröschner in:
Isensee/Kirchhof , HStR 3, § 23.
II. Verhältnismäßigkeit 237

Diese Gesetzesgebundenheit des Richters wird gelockert, wenn Gerichte nach sub-
jektiven Überzeugungen über Angemessenheit urteilen müssen. Ossenbühl kritisiert
die Erosion der Gewaltenteilung (nicht nur durch die richterliche Angemessenheits-
prüfung, sondern auch durch Verhältnismäßigkeitserwägungen im weiteren Sinne):
„Die Grundrechtsprüfung verschwimmt zur Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der damit ver-
bundene Verlust an Strukturen und Rechtssicherheit ist das eine, die mit der Verhältnis-
mäßigkeitsprüfung einhergehende Machtverschiebung im Gefüge der Staatsfunktion das
andere. In die Leerformel des Verhältnismäßigkeitsprinzips werden Zwecksetzungen, Tat-
sachenfeststellungen (sei es als Einzeltatsachen oder legislative facts), Prognosen und Ein-
schätzungen eingespeist und in einem schwer rationalisierbaren Vorgang miteinander in
Beziehung gesetzt. Dies ermöglicht der kontrollierenden Instanz ein Maximum an Bewe-
gungsfreiheit zwischen judical self restraint und umfassender Kontrolle. Man mag dies
auf Ebene des Verfassungsrechts im Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und
Gesetzgeber hinnehmen. Im übrigen Bereich der Rechtsordnung eröffnet der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit der entscheidenden Verwaltungsinstanz oder dem kontrollierenden
Richter die Möglichkeit zur Einzelfallgerechtigkeit, aber auch den selbst erteilten Dispens
vom Prinzip der Gesetzmäßigkeit.“113

Unerlaubte Übergriffe durch das BVerfG in originäre Aufgaben des Gesetz-


gebers sind aber nur scheinbar. Das ergibt sich schon aus den oben genannten
Grundlagen der Verbindung des Verfassungs- mit dem Strafprozessrecht.114 Da der
Gesetzgeber aufgrund seines Initiativrechts zuerst handeln darf, nimmt das BVerfG
nur seine eigene Aufgabe wahr, wenn das Gericht den Gesetzgeber daraufhin kriti-
siert und ihm Vorgaben macht. Insbesondere wenn vom BVerfG Regelungen wegen
Unbestimmtheit oder Unverhältnismäßigkeit für nichtig erklärt werden, muss es
detaillierte Vorgaben machen, da der Gesetzgeber offenbar nicht in der Lage war,
selbst detaillierte und verhältnismäßige Regelungen zu schaffen. Zudem ist gerade
wegen der Maßstabslosigkeit des Grundsatzes notwendig, dass das BVerfG genaue
inhaltliche Kriterien angibt.
Der Gesetzgeber muss die Angemessenheit selbst regeln. Das BVerfG hat die
alleinige Kompetenz, diese Umsetzung anhand des Angemessenheitsgrundsatzes
zu überprüfen. Der Gesetzgeber darf die Umsetzung des Grundsatzes nicht auf die
einfachen Rechtsanwender übertragen, indem er insoweit undeutliche Normen er-
lässt. Daher ist auch nicht gestattet, über verfassungskonforme Auslegung115 den
Rechtsanwender auf eine eigene Einschätzung dessen, was Angemessenheit ist, zu
verweisen. Unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine Auslegung zulassen, in deren Er-
gebnis eine Abwägung durch den Rechtsanwender steht, sind als verfassungswidrig
zu beurteilen, wenn diese Begriffe nicht im Rahmen anderer Auslegungskriteri-
en zu festigen sind. Denn sonst ist die gesetzliche Vorschrift unbestimmt und ein
verfassungswidriger Eingriff in die betreffenden Grundrechte. Im Fall der verdeck-
ten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen besteht jedenfalls ein Eingriff in das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung durch staatliche belastende Maßnah-

113
Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, S. 158.
114
Vgl. § 6.
115
Vgl. dazu § 6, IV, 3.
238 § 9 Vorbehalt des Gesetzes

men. Damit ist die grundsätzliche Wirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes


auf die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen geklärt.

6. Zwischenergebnis

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen sind im Gegensatz zu Zwangsmaßnahmen, die


Selbstbelastung erzwingen sollen, dann erlaubt, wenn sie verhältnismäßig sind. Im
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG neben Art. 10 und Art. 13 GG besonders zu
beachten. Verdeckte, beobachtende Maßnahmen führen, anders als der Zwang zur
Selbstbelastung, nicht immer zur Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Men-
schenwürde. Wenn aber durch eine Überwachung des Kernbereichs der privaten
Lebensgestaltung der Fall sein sollte, sind auch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen
absolut verboten.
Die Regelungen der strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen müssen zur För-
derung der Sicherheitsinteressen der Bevölkerung geeignet, erforderlich und an-
gemessen sein. Die Angemessenheitsprüfung darf nicht vom Gesetzgeber auf die
rechtsanwendende Judikative und auch nicht auf die Exekutive übertragen wer-
den. Offene Rechtsbegriffe innerhalb der Regelungen verdeckter strafprozessualer
Ermittlungsmaßnahmen können daher nicht „verfassungskonform ausgelegt“ bzw.
„verfassungskonform reduziert“ werden, wenn die Offenheit sowohl Raum lässt für
ein Verständnis, das zu angemessenen wie auch zu unangemessenen Ergebnissen
führen kann. Ergibt sich ein angemessenes Ergebnis nicht zwanglos durch ande-
re Auslegungskriterien, ist die gesetzliche Regelung verfassungswidrig, weil sie
entweder zu unbestimmt oder unverhältnismäßig ist. Hat der Gesetzgeber die un-
angemessenen Fälle nicht bedacht und ist die Norm nicht nur weitgefasst sondern
mehrdeutig, ist die Regelung zu unbestimmt. Hat er die Norm absichtlich weit ge-
fasst, ergibt die subjektiv-historische Auslegung eine unverhältnismäßige Regelung.
Die Erforderlichkeit kann hingegen in begrenztem Maße zur verfassungskonfor-
men Auslegung von Rechtsbegriffen verwendet werden. Unzulässig ist allerdings
eine verfassungskonforme Reduktion eindeutiger Rechtsbegriffe. Unterschiede in
der Belastung eines Betroffenen durch Ermittlungsmaßnahmen werden bei der Er-
forderlichkeitsprüfung vorausgesetzt, sind aber ungeklärt. Diese Unterschiede sind
anhand objektiver Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Dabei sind folgende Kri-
terien besonders zu berücksichtigen:
 Dauer der Maßnahme
 Speichern der Informationen mittelbar oder unmittelbar
 Art und Anzahl der Überwachungsmittel
 Schwierigkeit, natürliche Hindernisse zu überwinden
 Inhaltliche Betroffenheit der Privatsphäre.
§ 10 Bedingter Anspruch auf Offenheit
strafprozessualer Überwachung

Zum Abschluss der allgemeinen Ausführungen ist noch als Konsequenz der bespro-
chenen verfassungsrechtlichen Vorgaben zusammenzufassen, unter welchen Um-
ständen die Ermittlungsbehörden zwar Ermittlungsmaßnahmen ergreifen, aber die-
se nicht verdeckt sondern nur offen ausführen dürfen.
Weil die Abwehr „diffuser Bedrohlichkeit“ durch ein Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung gewährleistet ist, sorgt Offenheit der Ermittlungsmaßnahmen
dafür, dass dieser Faktor entfällt, der die Handlungsfreiheit psychisch begrenzt. Da
es ein Recht auf Freiheit von Einschüchterung gibt, muss es unter bestimmten Um-
ständen einen Anspruch auf Offenheit geben, der Betroffenen zu diesem Recht
verhilft. Fraglich bleibt, wie ein Anspruch auf Offenheit staatlicher Ermittlungs-
maßnahmen verfassungsrechtlich einzuordnen ist und unter welchen Bedingungen
er geben ist.

I. Ansatz des BVerfG: Verstärkungswirkung der Heimlichkeit

Das BVerfG selbst spricht von einem „Grundsatz der Offenheit der Erhebung und
Nutzung von personenbezogenen Daten“.1 Diesen Grundsatz und die entsprechen-
den „Transparenzanforderungen“ begründet das Gericht mit einer „diffusen Be-
drohlichkeit“ heimlicher Datenspeicherung.2
„Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz der Datenverwendung er-
lauben eine geheime Erhebung der nach § 113a TKG gespeicherten Daten nur, wenn dies
aus überwiegenden, gesetzlich näher zu konkretisierenden Gründen erforderlich und rich-
terlich angeordnet ist.“3

1
BVerfGE 125, 260 335 f.
2
BVerfGE 125, 260, 353.
3
BVerfGE 125, 353.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 239


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
240 § 10 Bedingter Anspruch auf Offenheit strafprozessualer Überwachung

Das BVerfG geht davon aus, dass die Heimlichkeit der strafprozessualen Ermitt-
lungsmaßnahmen tatsächlich nur eine „Intensivierung“ oder „Verstärkung“ der Ein-
griffe in Grundrechte ist.4
Nach Ansicht des BVerfG soll die heimliche Infiltration eines vernetzten Compu-
tersystems das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG besonders intensiv verletzen. Dar-
um definiert das BVerfG neben dem Schutzbereich des neu konkretisierten Compu-
tergrundrechts auch, unter welchen Bedingungen die heimliche Überwachung ein
Eingriff in dieses Recht ist:
„Unter einem heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System ist demgegen-
über eine technische Infiltration zu verstehen, die etwa Sicherheitslücken des Zielsystems
ausnutzt oder über die Installation eines Spähprogramms erfolgt. Die Infiltration des Ziel-
systems ermöglicht es, dessen Nutzung zu überwachen oder die Speichermedien durchzu-
sehen oder gar das Zielsystem fernzusteuern.“5

„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der hier behandelten Ausprägung schützt insbe-


sondere vor einem heimlichen Zugriff, durch den die auf dem System vorhandenen Daten
ganz oder zu wesentlichen Teilen ausgespäht werden können.“6

Wie bereits erwähnt7 kommt es nach der Ansicht des BVerfG zu einer Verstär-
kungswirkung des Einschüchterungseffektes durch die Heimlichkeit. Die Heimlich-
keit wird darüber hinaus nicht dogmatisch eingeordnet. Dem Urteil lässt sich nur
entnehmen, dass die Heimlichkeit durch Einschüchterungseffekte den Eingriff in
das Grundrecht verschlimmert.8

II. Ansätze in der Literatur

Meurer9 deutet ein Grundrecht auf Offenheit strafprozessualer Maßnahmen in Op-


position zum BGH10 als „Grundsatz“ des Ermittlungsverfahrens an.11 Teilweise

4
Vgl. § 10, I; § 8, III, 2, e).
5
BVerfG 120, 260, 276.
6
BVerfG 120, 260, 314.
7
Vgl. § 8, III, 2, e).
8
BVerfGE 120, 260, 326: „[. . . ] [Heimliche Zugriffe des Staates auf informationstechnische Sys-
teme können] das Vertrauen der Bevölkerung beeinträchtigen, dass der Staat um eine möglichst
hohe Sicherheit der Informationstechnologie bemüht ist. (2) Der Grundrechtseingriff, der in dem
heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System liegt, entspricht im Rahmen einer prä-
ventiven Zielsetzung angesichts seiner Intensität nur dann dem Gebot der Angemessenheit, wenn
bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechts-
gut hinweisen [. . . ].“
9
Meurer, Informelle Ausforschung, S. 1294 f.
10
BGHSt 42, 139, 149 f.
11
Meurer deutet dieses Grundrecht nur an, da er zwar kritisiert, der BGH lehne einen allgemeinen
Grundsatz der Offenheit staatlicher Ermittlungen ab, dann aber ausdrücklich nur den Grundsatz
der Offenheit von Vernehmungen und das Nemo-tenetur-Prinzip als Gegenargumente nennt und
dies mit grundrechtlichen Erwägungen zu Art. 1 Abs. 1 GG und zum Recht auf informationelle
Selbstbestimmung vermischt. Da er sich auf Dencker, StV 1994, S. 683 bezieht, spricht aber alles
III. Eigene Schlussfolgerung aus dem Recht auf Freiheit von Einschüchterung 241

wird ein Grundrecht auf generelle Offenheit staatlicher Maßnahmen auch als Teil-
haberecht aus dem Demokratieprinzip gefolgert.12

III. Eigene Schlussfolgerung aus dem Recht auf Freiheit


von Einschüchterung

Würde der „Grundsatz“ auf Offenheit als Grundrecht im Rahmen des Art. 2 Abs. 1
GG eingeordnet werden, hätte dies erhebliche Konsequenzen, nicht nur für die
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen, sondern für das Ermittlungs-
verfahren als Ganzes. Gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung dieses Anspruchs
müssten bereitgestellt werden, Ausnahmen müssten gesondert geregelt werden.
Der Einzelne hat nach dem oben dargelegten Verständnis des allgemeinen Geset-
zesvorbehalts das Recht, wenn er schon eingeschüchtert wird, nur im erforderlichen
und angemessen Maß eingeschüchtert zu werden. Daraus ergibt sich unter Umstän-
den ein Anspruch auf Offenheit als Ergebnis der verhältnismäßigen Einschränkung
des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung. Die Verminderung der Ein-
schüchterungswirkung durch Offenheit der Maßnahme kann aber schon deshalb zu
keinem eigenständigen Grundrecht auf Offenheit führen, weil eine offene Überwa-
chung nicht jede Grundrechtsbelastung beseitigt.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu beachten, dass offene Über-
wachung weniger grundrechtsbelastend ist als entsprechende verdeckte Überwa-
chung. Die Einschüchterungswirkung wird insgesamt durch offenes Vorgehen re-
duziert. Weil die Heimlichkeit zu einer Unberechenbarkeit der Überwachung führt,
ist die Verhaltensbeeinflussung durch verdeckte Überwachung insgesamt belasten-
der für die allgemeine Handlungsfreiheit als eine offene Überwachung. Dies gilt
zunächst für die Anzahl der betroffenen Personen. Weil niemand weiß, ob er kon-
kret beobachtet wird, fühlen sich auch Personen überwacht, die gar nicht beobachtet
werden.
Auch die Auswirkungen auf den Einzelnen, der sich beobachtet fühlt, sind stär-
ker als bei einer offenen Überwachung. Da der Einzelne nicht weiß, durch welche
Mittel, wie lange und in welchen Situationen er überwacht wird, ist das Gefühl der
Angst und Hilflosigkeit dauerhafter und stärker als bei punktueller offener Überwa-
chung, auf die er sein Verhalten besser einstellen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass
die Ermittlungsbehörden wegen offener Überwachung zu Erkenntnissen kommen,
die zur Verurteilung des Betroffenen führen, ist mithin geringer als die Wahrschein-
lichkeit, dass der Betroffene aufgrund effektiverer verdeckter Ermittlungsmaßnah-
men überführt wird.13

dafür, dass er wenigstens einen allgemeinen verfassungsrechtlichen „Grundsatz“ auf Offenheit des
Strafverfahrens vertritt. Meurer, Informelle Ausforschung, S. 1294 f.
12
Wegener, S. 391.
13
Eine andere Frage ist, dass der Überwachte, der etwa sieht, dass ihm ein Polizist „auf Schritt und
Tritt“ folgt, stärker eingeschüchtert ist, als ein anderer, der heimlich überwacht wird und auch nicht
mit dieser Möglichkeit rechnet. Die heimliche Überwachung ist aber wegen ihres Gesamteffektes
242 § 10 Bedingter Anspruch auf Offenheit strafprozessualer Überwachung

Daraus ergibt sich innerhalb des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persön-
lichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein gestuftes Abwehrkonzept.14 Entsprechend betrifft
die Freiheit von einschüchternder Überwachung das „Ob“ der Überwachung und
der Anspruch auf Offenheit der Überwachung das „Wie“ der Maßnahme. Damit
enthält Art. 2 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung, aus dem
sich ein Recht auf Freiheit von Überwachung ergibt und für die Fälle, dass eine
Überwachung an sich ausnahmsweise gerechtfertigt ist, auf der zweiten Stufe ein
Anspruch auf Offenheit der Überwachung:
1. Der Einzelne hat grundsätzlich das Recht nicht überwacht zu werden.
2. Wird ein Bürger überwacht, darf dies nur aufgrund bestimmter und verhältnis-
mäßiger Regelungen und durch entsprechende Maßnahmen geschehen.
3. Wird der Einzelne überwacht, kann er nur dann rechtmäßig heimlich überwacht
werden, wenn die Heimlichkeit erforderlich und in Anbetracht der Schwere der
Anlasstat angemessen ist.
4. Aus 1.–3. erklärt sich auch die vom BVerfG angesprochene nebulöse „Eingriffs-
intensivierung“ anderer Grundrechtseingriffe durch Heimlichkeit.

trotzdem belastender. Es sei nochmals daran erinnert, dass der konkret heimlich Überwachte nicht
der eigentlich Leidtragende der heimliche Überwachung sein muss. Vielmehr kommt es entschei-
dend auf die nachfolgenden und durch die Befugnisregelungen als solche bewirkten Effekte (auf
Dritte) an.
14
Eine ähnliche Konstruktion eines abgestuften Grundrechts gibt es auch im Rahmen der Dog-
matik der Berufsfreiheit, bei der zwischen Berufswahl (dem „Ob“ der Berufsausübung) und
Berufsausübungsfreiheit (dem „Wie“ der Berufsausübung) unterschieden wird. Vgl. dazu Pie-
roth/Schlink, Rdn. 894 ff.
Teil IV

Die allgemeinen Voraussetzungen der


strafprozessualen verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen
§ 11 Übersichten

Im vorhergehenden Teil wurde erläutert, dass die Regelungen der verdeckten Er-
mittlungsmaßnahmen Eingriffe in Grundrechte sein können. Gegebenenfalls müs-
sen diese Eingriffe gerechtfertigt werden. Die Regelungen müssen dazu den Anfor-
derungen der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit genügen. Im Folgenden wird
untersucht, ob die in der StPO vom Gesetzgeber verwendeten grundlegenden Struk-
turmerkmale diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen.

I. Die grundlegenden Strukturelemente der einzelnen


Eingriffstatbestände

Eine allgemeine Regelung für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-


nahmen besteht nur teilweise in § 101 StPO. Sie betrifft Benachrichtigungs- und
Löschungspflichten sowie den Rechtsschutz. Fragmentarische Regelungen finden
sich noch in der allgemeineren Vorschrift des § 160a StPO. Im Hinblick auf die
verfassungsrechtlichen Anforderungen lässt sich daraus ein noch weiter zu über-
prüfendes Grundmodell für die Regelung der verdeckten strafprozessualen Ermitt-
lungsmaßnahmen abstrahieren:
1. Tatverdacht1
2. Anlasstaten2
3. Subsidiarität3
4. Kernbereichsschutz4
5. Anordnungskompetenz5

1
Vgl. § 12.
2
Vgl. § 13.
3
Vgl. § 14.
4
Vgl. § 15.
5
Vgl. § 16.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 245


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
246 § 11 Übersichten

6. Rechtsschutz6
7. Informations- und Löschungspflichten7
 Annexbefugnisse?8
 Allgemeine Verhältnismäßigkeitsregelung?9
 Maßnahmenkombination?10
Die Strukturelemente 1. bis 7. finden sich der Sache nach nicht in vielen Regelun-
gen der Standardmaßnahmen11 oder in § 101 StPO bzw. dem allgemeineren § 160a
StPO. Weder in § 101 StPO noch in den Regelungen der Standardmaßnahmen ist
die Behandlung von Eingriffsmaßnahmen aufgeführt, die nicht direkt zur Über-
wachung dienen, aber sie unmittelbar vorbereiten. Dazu zählen zum Beispiel die
Installation eines Abhörgeräts im Auto eines Betroffenen oder die im Eingangsfall
genannte Infiltration eines Computers mit einem Trojaner. Wie diese „Installati-
onsmaßnahmen“ zu behandeln sind, wird nach den Ziff. 1. bis 7. erörtert. Ähnlich
verhält es sich mit der „allgemeinen Verhältnismäßigkeitsklausel“, die zwar auch
nicht in der StPO geregelt ist, aber von der h. M. als ungeschriebener Bestandteil der
Vorschriften über das Strafverfahren angesehen wird. Ob sie tatsächlich eventuelle
Mängel der Gesetze ausgleichen kann, die sonst zur Verfassungswidrigkeit führen
würden, wird nach den bereits in der StPO vorhandenen „Regelungsbausteinen“
zu prüfen sein. Ebenfalls nicht gesondert in der StPO geregelt ist die Kombination
mehrerer Standardmaßnahmen. Auch diese Problematik erlangt Bedeutung für die
Verfassungsmäßigkeit aller Regelungen der Standardmaßnahmen. Zu diesem Pro-
blem kann aber erst sinnvoll Stellung genommen werden, nachdem die Regelungen
der Standardmaßnahmen einzeln besprochen worden sind.

II. Tabellarische Übersicht zu den einzelnen Maßnahmen

Die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen sind in der StPO wie in


der untenstehenden Tabelle dargestellt geregelt.

6
Vgl. § 17.
7
Vgl. § 18.
8
Vgl. § 19.
9
Vgl. § 20.
10
Vgl. § 35.
11
Vgl. dazu im Einzelnen Tab. 1, § 11, II.
Tab. 1 Die Tabelle bezieht sich auf die listenmäßige Darstellung im oben vorgestellten Grundmodell. Die dort unter den 8. und 9. angegebenen Punkte sind
nicht in die Tabelle aufgenommen worden. Die gesetzlich ungeregelte Maßnahmenkombination betrifft eine Kombination der Maßnahmen und ist daher nicht
für die Einzelmaßnahmen darstellbar. Die (hier bestrittene) allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel ist ebenfalls ein allgemeiner Sonderpunkt und kein Teil
der Regelungen der Einzelmaßnahmen

Maßnahme Tatverdacht Anlasstaten Subsidiarität Kernbereichs- Anordnungs- Rechtsschutz Information*


schutz kompetenz und Löschung

§§ 94, 97, 99 Bestimmte Tatsachen Alle Straftaten Keine Regelung Keine Re- Gericht §§ 101 Abs. 7 Unverzügliche
StPO gelung (nur S. 2 Weiterleitung,
§ 160a StPO wenn Zurück-
und § 97 StPO) behaltung nicht
erforderlich +
§ 101 StPO
§§ 98a StPO Zureichende tatsächliche 6 Deliktsgrup- Erheblich weniger er- Keine Re- Gericht §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO
Anhaltspunkte pen folgversprechend oder gelung (nur S. 2
wesentlich erschwert § 160a StPO)
§ 100a StPO Bestimmte Tatsachen Katalog mit Andere Maßnahmen § 100a Abs. 4 § 100b StPO §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO
II. Tabellarische Übersicht zu den einzelnen Maßnahmen

11 Punkten wesentlich erschwert S. 1 StPO Gericht, Eilfall S. 2 StPO


+ Einzelfall oder aussichtslos StA
schwerwiegend
§ 100c StPO Bestimmte Tatsachen Katalog mit Andere Maßnahmen we- § 100c Abs. 4, § 100d StPO §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO
7 Punkten sentlich erschwert oder 5, 6 S. 2 StPO Landgerichts- S. 2
+ Einzelfall aussichtslos Nur gegen StPO kammer, § 74a
schwerwiegend den Beschuldigten Abs. 4 GVG,
Eilfall Vorsit-
zender

* Die hier aus satztechnischen Gründen gewählte Formulierung „Information und Löschung“
entspricht den unter 6. genannten „Informations- und Löschungspflichten“.
247
248

Tab. 1 (Fortsetzung)

Maßnahme Tatverdacht Anlasstaten Subsidiarität Kernbereichs- Anordnungs- Rechtsschutz Information


schutz kompetenz und Löschung

§ 100g StPO Bestimmte Tatsachen Erhebliche § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Keine Re- § 100b StPO § 101 Abs. 7 § 101 StPO
Bedeutung und i. V. m. S. 2 StPO Ermitt- gelung (nur Ermittlungs- S. 2
im Einzelfall lung des Aufenthaltsorts § 160a StPO) gericht, Eilfall
schwerwiegend sonst aussichtslos, An- StA
oder mittels gemessenheit, keine
TK begangen Echtzeit § 100g Abs. 1
S. 1 Nr. 1 StPO für die
Ermittlungsmaßnahmen
erforderlich
§ 100h StPO Gegen den Beschuldig- Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 sonst Keine Re- Polizei und § 101 Abs. 7 § 101 StPO
ten: keine Regelung; alle Straftaten erheblich weniger er- gelung (nur StA S. 2 StPO
gegen andere: Abs. 1 Abs. 1 Nr. 2 folgversprechend oder § 160a StPO)
Nr. 1 keine Regelung, Tat erheblicher wesentlich erschwert
Abs. 1 Nr. 2 bestimm- Bedeutung Abs. 1 Nr. 2
te Tatsachen ergeben
Verbindung mit Be-
schuldigtem
§ 100i StPO Bestimmte Tatsachen Erhebliche Abs. 1 erforderlich, Keine Re- § 100i Abs, 3 §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO
Bedeutung + Abs. 2 technisch unver- gelung (nur i. V. m. § 100b S. 2
im Einzelfall meidbar § 160a StPO) StPO Gericht,
schwerwiegend Eilfall StA
§§ 94, 110 Bestimmte Tatsachen Erhebliche Abs. 1 Keine Re- Gericht, Eilfall §§ 98 Abs. 2 § 101 StPO
Abs. 3 StPO Bedeutung + gelung (nur StA StPO
im Einzelfall § 160a StPO
schwerwiegend und § 97 StPO)
§ 11 Übersichten
Tab. 1 (Fortsetzung)

Maßnahme Tatverdacht Anlasstaten Subsidiarität Kernbereichs- Anordnungs- Rechtsschutz Information


schutz kompetenz und Löschung

§ 110a StPO Zureichende tatsächliche Erhebliche Vergehen: Sonst aus- § 110c kein § 110b Abs. 1 §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO;
Anhaltspunkte Bedeutung sichtslos oder wesentlich über Legende StPO, StA, S. 2 § 110b Abs. 3
in 4 Delikts- erschwert Verbrechen: hinausgehen- Eilfall Poli- StPO Identität
gruppen + alle Besondere Bedeutung des Täuschen zei; Abs. 2 des VE kann
Verbrechen sonst aussichtslos bei Wohnung, Zustimmung uU weiter
bei Wiederho- § 160a StPO des Gerichts, geheim bleiben
lungsgefahr Eilfall StA
§ 161 Abs. 1 Zureichende tatsächliche Alle Straftaten, Keine Regelung Keine Re- StA und Poli- § 98 Abs. 2 Keine Rege-
S. 1 i. V. m. Anhaltspunkte, § 152 § 152 StPO gelung (nur zei StPO ana- lung
§ 163 S. 2 StPO § 160a StPO) log oder 23
StPO EGGVG
§ 163d StPO Bestimmte Tatsachen; Taten nach Maßnahme nicht außer Keine Re- Gericht, Eil- § 101 Abs. 7 § 101 StPO
wenn Tatsachen die §§ 100a und Verhältnis zur Sache gelung (nur fall StA und S. 2 StPO
II. Tabellarische Übersicht zu den einzelnen Maßnahmen

Annahme rechtfertigen 111 StPO § 160a StPO) Ermittlungs-


personen
§ 163e StPO Zureichende tatsächliche Tat von er- Keine Regelung Keine Re- Gericht, Eilfall §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO
Anhaltspunkte heblicher gelung (nur StA § 101 S. 2
Bedeutung, § 160a StPO) StPO
nur gegen den
Beschuldigten
§ 163f StPO Zureichende tatsächliche Tat von er- Andere Weise erheblich Keine Re- Gericht, Eil- §§ 101 Abs. 7 § 101 StPO
Anhaltspunkte heblicher weniger Erfolg verspre- gelung (nur fall StA und S. 2
Bedeutung chend oder wesentlich § 160a StPO) Ermittlungs-
erschwert personen
249
§ 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht
einer Straftat „begründen“

Erstes Strukturelement der Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen ist


die spezielle Ausgestaltung der Verdachtsbegründung. Nur wenn „bestimmte Tat-
sachen“ den „Verdacht“ einer Straftat „begründen“, darf eine verdeckte Maßnah-
me angeordnet werden. In jeder der aufgeführten gesetzlichen Regelungen ist das
Vorliegen eines Tatverdachts Anordnungsvoraussetzung. Die inhaltlichen Anforde-
rungen an die Begründung des Tatverdachts betreffen die Angemessenheit einer
geeigneten und erforderlichen Maßnahme. Nur wenn der Verdacht besonders –
durch bestimmte Tatsachen – begründet werden kann, ist auch der Grundrechts-
eingriff durch eine verdeckte Maßnahme dem Ziel der Aufklärung des Verdachts
gegenüber angemessen:1
Bei fast allen Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen, in §§ 99, 100a, 100c, 100f, 100g, 100h, 100i, 110a StPO verwendet der
Gesetzgeber in Bezug auf die Grundlagen des Tatverdachts den Begriff „bestimmte
Tatsachen“. Die Formulierung findet sich zudem wörtlich in Art. 13 Abs. 3 GG:
„Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln be-
stimmte besonders schwere Straftat begangen hat“

Das BVerfG hat jüngst die Formulierung „bestimmte Tatsachen“ ausgelegt und
dabei zum wiederholten Male erkennen lassen, dass es diese Regelung des Tat-
verdachts den Grundrechtseingriffen durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen ge-
genüber für angemessen hält:
„Der durch ,bestimmte Tatsachen‘ begründete Verdacht unterliegt höheren Anforderungen
als der bloße Anfangsverdacht, wenn er auch nicht den Grad eines ,hinreichenden‘ oder gar
,dringenden‘ Tatverdachts erreicht, den andere Normen der Strafprozessordnung vorsehen.
Er erfordert eine konkretisierte Verdachtslage (vgl. BVerfGE 109, 279 <350>). Eine An-
hebung der in § 160a Abs. 4 StPO enthaltenen Verdachtsstufe ist von Verfassungs wegen
nicht geboten [. . . ].“2

1
Vgl. BVerfGE 109, allgemein für Ermittlungsmaßnahmen BVerfG NJW 2009, 281.
2
BVerfG EuGRZ 2011, S. 696, 712. Das Gericht hält die Regelung jedenfalls im Zusammenwir-
ken mit den weiteren Restriktionen der Anlasstat (Tatkataloge, besondere Schwere der Tat) für
angemessen, auf die es im Anschluss an das aufgeführte Zitat hinweist. Das auch die gesetzlichen

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 251


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
252 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

Im Folgenden wird die vom BVerfG implizit vertretene Ansicht untersucht, ob die
Regelung eine den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt, ob damit
tatsächlich eine „konkretisierte Verdachtslage“ gemeint ist und was „konkretisiert“
insoweit bedeutet.

I. Ansichten in der Literatur

1. Ergänzung der Entwurfsbegründung


durch die Kommentarliteratur

Die Literatur beschränkt sich teilweise darauf, die im weiteren Verlauf dieses Ab-
schnitts noch zu erläuternden Ausführungen der Gesetzesbegründung zu konkreti-
sieren, nach der mit der Formulierung „bestimmte Tatsachen“ eine „gewisse Kon-
kretisierung“ des Verdachts erreicht werden sollte.3 In der Kommentarliteratur wird
das Zitat aus der Entwurfsbegründung so ergänzt, dass „bestimmte Tatsachen den
Verdacht ergeben“, wenn aufgrund „der Lebenserfahrung“ oder „der kriminalisti-
schen Erfahrung“ mit einiger Wahrscheinlichkeit auf eine Katalogtat geschlossen
werden kann. Dazu müsse sich der Schluss aus
1. Zeugenaussagen
2. Observationen
3. sachlichen Beweisanzeichen wie Fingerspuren oder
4. den Ergebnissen eines Schusswaffenvergleichs
ergeben.4
Die Konkretisierung soll sich durch „äußerlich wahrnehmbare Ereignisse“ erge-
ben.5 Auch wird statt der Konkretisierung durch eine Flucht in Kasuistik schlicht
auf „Umstände“ verwiesen, die „in erheblichem Maße darauf hindeuten“, dass je-
mand eine Katalogtat begangen hat.6

2. Kritik in der Literatur

Teilweise werden kritische Stimmen in der Literatur laut, die monieren, dass der
Begriff „bestimmte Tatsachen“ wegen oder trotz der knappen Entwurfsbegründung

Anforderungen an der Tatschwere in Bezug auf die Bestimmtheit höchst problematisch ist, wird
im weiteren Verlauf dieser Arbeit dargestellt, vgl. § 13.
3
Vgl. BTDrucks V/1880 S. 11.
4
Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 100a Rdn. 42.
5
Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 112 Rdn. 23.
6
Nack in: KK 6 , § 100a Rdn. 34 und auch zur Auflistung von Beispielen für die Parallelnorm § 112
Abs. 2 S. 1 StPO a. a. O.
II. Eigene Kritik an der Literatur 253

erhebliche Verständnisprobleme bereitet. Nach dieser Ansicht ist der Ausdruck „un-
klar“.7 Aus der gesetzlichen Formulierung wird gefolgert, dass entweder dem Be-
griff „bestimmte Tatsachen“ keine Bedeutung beigemessen wird und es inhaltlich
bei einer Tautologie zum Anfangsverdacht bleibe8 oder dass „wenn man [dem
Ausdruck] Sinn abgewinnen will“ es sich um äußerlich wahrnehmbare Ereignisse
handeln müsse, die „zu deuten der Beobachter keiner oder nur einfacher Schlüsse
bedarf.“9

3. Eigene Kritik

Allein aus der Gesetzesbegründung und der systematischen Auslegung innerhalb


der StPO ergibt sich kein klares Ergebnis dessen, was der Gesetzgeber mit „be-
stimmte Tatsachen“ gemeint hat. Kryptisch bleibt die Formulierung der Entwurfs-
begründung „Tatsachenmaterial aus der äußeren und inneren Geschehenswelt“. Wo
sollen Tatsachen sonst herstammen, wenn nicht aus der Welt? Ebenso unsinnig
wirkt der Ausschluss „bloßer Vermutungen und Schlussfolgerungen“, denn jede
Vermutung hat immer Tatsachen zur Grundlage. Auch eine Schlussfolgerung muss
an konkrete Tatsachen anknüpfen, sonst gibt es keine Grundlage, aus der Schlüsse
zu ziehen wären.10
Eine naheliegende Auslegungsvariante wäre daher, „bestimmte Tatsachen“ den
„tatsächlichen Anhaltspunkten“ als Grundlage des Anfangsverdachts gleichzustel-
len. Das Ziel des Gesetzgebers, die verfassungsrechtliche Vorgabe der Verhältnis-
mäßigkeit umzusetzen, wäre dann aber an der Unklarheit der Regelung gescheitert.
Es wäre unangemessen, wenn bereits ein vager Anfangsverdacht einen Grundrecht-
seingriff durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen rechtfertigen würde. Wie zu zei-
gen sein wird, ist diese Gleichsetzung aber keineswegs zwingend.
Immerhin hat der Gesetzgeber aber das Ziel einer „gewissen“ Konkretisierung
des Verdachts in der Gesetzesbegründung angegeben,11 so dass auf dieser Grundla-
ge eine weitere Klärung möglich erscheint.

II. Eigene Kritik an der Literatur

Die von der Literatur geforderte äußere Erkennbarkeit der Tatsachen und Leich-
tigkeit der Schlussfolgerung ergeben eine Auslegungsmöglichkeit, die aber nicht
wirklich zu einer Klärung führt, sondern selbst unbestimmt bleibt. Schlüsse müssen
immer erfolgen, eine Tatsache erklärt nichts von allein und unter welchen Umstän-

7
Wendisch in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 112 Rdn. 27.
8
Wendisch in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 112 Rdn. 27.
9
Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO26 § 112 Rdn. 23.
10
So schon Schlüchter, S. 209.
11
BTDrucks V/1880 S. 11.
254 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

den Schlüsse nicht erforderlich sind, ist rätselhaft. Unter welchen Bedingungen sie
einfach sind, bleibt Ergebnis einer rein subjektiven Erheblichkeitsprüfung.

III. Entwicklung einer eigenen Ansicht

1. Wortlautauslegung

Die durch den Gesetzgeber gestellten Anforderungen an den Tatverdacht bzw. an


dessen Begründung für verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen ergeben
sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Normen. Die Frage der Bestimmtheit
ist hier mit derjenigen nach der Verhältnismäßigkeit verbunden. Lassen sich die
gesetzlichen Begriffe nicht klären, sind sie unbestimmt. Die Regelung wäre schon
deshalb verfassungswidrig. Lässt sich der Begriffsinhalt fixieren, kommt es darauf
an, ob der Inhalt verhältnismäßig ist.
Zunächst ist zu prüfen, welche Bedeutung der Formulierung „bestimmt“ zu-
kommt, um das Subjekt in der Satzkonstruktion – bestimmte Tatsachen – zu klären.
Nachfolgend wird zu fragen sein, ob das Wort „begründen“ zur Konkretisierung des
Tatverdachts beiträgt.
Tatsachen sind sinnlich wahrnehmbare Vorgänge oder Zustände aus Gegenwart
oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. Wenn man „bestimmt“ als
„gewiss“ oder „sicher“ versteht, ist damit kein Erkenntnisgewinn gegenüber der ein-
fachen Verwendung des Wortes „Tatsache“ verbunden. „Bestimmte Tatsachen“ ist
danach ein Pleonasmus. Dass eine Tatsache ungewiss ist, ist nicht möglich.12 Etwas
kann nicht gleichzeitig tatsächlich und vermeintlich sein. Ungewiss kann nur die
Kenntnis der Tatsache sein. Dass der Gesetzgeber zur Umsetzung verfassungsrecht-
licher Vorgaben eine „gewisse Konkretisierung“ des Verdachts erreichen wollte,13
ist nicht wörtlich, sondern sinngemäß als „bestimmte Kenntnis von Tatsachen“ zu
verstehen.14 Damit ist aber nur gesagt, dass sich „bestimmt“ auf die Kenntnis der
Tatsachen bezieht. Ob „bestimmt“ bedeutet, dass die Tatsachen „sicher bekannt“
sind, im Sinne von „eindeutig festgestellt“ oder ob bestimmt im dezisiven Sinne
gebraucht wird und bedeutet, dass die Tatsachen „als besondere Einzelheiten aus-
gewählt“ sind, ist damit noch nicht geklärt.
Unabhängig von der genauen Definition von „bestimmt“ in diesem Zusammen-
hang ergibt sich ein zweites Problem aus dem wörtlichen Verständnis von „Tatsa-
chen“. Durch die Weite des Begriffs „Tatsachen“ lassen sich unübersehbar viele
Sachverhalte darunter subsumieren. „Sicher bekannt“ kann auch das kriminalisti-
sche oder statistische Erfahrungswissen der Ermittler sein. Das Erfahrungswissen
eines bestimmten Kriminalbeamten ist eine konkrete Tatsache. Da sowohl subjek-

12
So schon Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 111 Rdn. 11. Aus unbestimmten Tatsachen
könne ohnehin nichts gefolgert werden, Wendisch in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 112 Rdn. 27.
13
BTDrucks V/1880 S. 11.
14
BTDrucks V/1880 S. 11.
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht 255

tive Gedanken als auch objektive Umstände Tatsachen sind, besteht die ganze Welt
ausschließlich aus Tatsachen. Der Begriff Tatsache trennt lediglich die Realität von
der Irrealität.15
Fraglich ist, ob Tatsachen wie, zum Beispiel „Gerüchte“, „Gerede“ oder anony-
me Anzeigen dann bestimmte Tatsachen sind. Dies sind menschliche Äußerungen,
denen man Tatsachenqualität schwerlich absprechen kann. Diese Tatsachen sind
auch individualisiert, da es jeweils um konkrete Äußerungen geht. Der Ausdruck
„bestimmte Tatsachen“ ist so unklar, dass er sich allein durch den ersten Zugang
zum Wortlaut nicht erschließen lässt.16 Allein die Auslegung nach dem Wortlaut ist
also unergiebig.

2. Hinweise aus der Gesetzesbegründung

Der Gesetzeswortlaut ist aber trotz des unbefriedigenden Ergebnisses der reinen
Wortlautauslegung nur dann unbestimmt und verfassungswidrig, wenn er sich mit
den Auslegungskriterien in der oben genannten Rangfolge17 nicht ermitteln lässt.
Nach dieser Rangfolge der Auslegungsmethoden kommt dem Willen des Gesetzge-
bers besondere Bedeutung zu. Für den Willen des Gesetzgebers lassen sich konkrete
Anhaltspunkte in der entsprechenden Gesetzesbegründungen finden.
Nach der Gesetzesbegründung zum G-10-Gesetz von 196718 wird für den Tat-
verdacht verlangt, dass bestimmte, objektiv feststellbare Tatsachen vorliegen. Es
muss sich um äußerlich wahrnehmbare Ereignisse handeln. Zu deren Feststellung
darf der ermittelnde Beobachter nur folgende Grundlagen aus äußeren Tatsachen
für seine Schlussfolgerungen ableiten:
„Bloße Vermutungen oder Schlussfolgerungen allein reichen danach nicht aus. Vielmehr
muß der Verdacht für eine der aufgeführten Straftaten durch schlüssiges Tatsachenmaterial
aus der äußeren oder inneren Geschehenswelt bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung
erreicht haben.“19

Der Gesetzesformulierung kann man unter Zuhilfenahme der Gesetzesbegrün-


dung von 2007,20 Folgendes entnehmen:
„[Beim Tatverdacht muss] entsprechend dem bisherigen Recht – selbstverständlich – noch
nicht feststehen [. . . ], dass eine schwere Straftat vorliegt; eine solche Feststellung kann viel-
mehr erst am Ende des gerichtlichen Hauptverfahrens getroffen werden. Hinreichend – aber
auch erforderlich – für die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung ist weiter-

15
Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, 1.1: „Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen“.
16
So auch KG NJW 1965, 1390 zur gleichlautenden Formulierung in § 112 Abs. 2 S. 1 StPO und
Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 112 Rdn. 23.
17
Vgl. § 9, I, 8, c).
18
G-10-Gesetz, BTDrucks V/1880.
19
BTDrucks V/1880 S. 11.
20
Die Entwurfsbegründung, BTDrucks 16/5846, betrifft § 100a StPO, der hier beispielhaft für die
Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen steht.
256 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

hin der auf bestimmte Tatsachen gründende Verdacht, dass eine schwere Straftat begangen,
in strafbarer Weise versucht oder durch eine andere Straftat vorbereitet wurde.“21

Weder im Zuge der Gesetzesreform 2007 noch mit dem OrgKG zu Beginn der
1990er Jahre wurde weiter zu der Formulierung in den Gesetzesbegründungen Stel-
lung genommen.22 Es bleibt bei den Ausführungen zu Einführung der Formulierung
in die Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in § 100a StPO durch das
G-10-Gesetz von 1968.23 Der Gesetzgeber wollte danach mit der Gesetzesformulie-
rung „bestimmte Tatsachen“ erreichen, dass ein „gewisses Maß an Konkretisierung“
Voraussetzung für die Bejahung eines Tatverdachts bei den verdeckten strafprozes-
sualen Ermittlungsmaßnahmen ist.24 In der Gesetzesbegründung wird aber nicht
geklärt, unter welchen Umständen ein Maß an Konkretisierung ein „gewisses“ ist.
Nach welchen Kriterien „bloße Gerüchte und Vermutungen“ von bestimmten Tat-
sachen abzugrenzen sind, bleibt daher offen.
Auch die Lektüre der Gesetzesbegründung beseitigt bei den schwierigen Grenz-
fällen nicht die Ratlosigkeit des Rechtsanwenders, unter welchen Umständen Tat-
sachen so bestimmt sind, dass sie einen Verdacht begründen.

3. Systematische Vergleiche innerhalb der StPO

Neben den Gesetzesbegründungen kann sich der Wille des Gesetzgebers konklu-
dent aus der Systematik des Gesetzes ergeben. Ein Vergleich mit der Verwendung
der Formulierung „bestimmte Tatsachen“ an anderer Stelle ist ebenso sinnvoll wie
ein Vergleich mit anderen Regelungen des Tatverdachts. Zudem kann sich durch
Bezüge in den jeweiligen Regelungen selbst eine weitere Konkretisierung ergeben.

a) Vergleich mit § 112 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 StPO

Bestimmte Tatsachen sind nicht zwingend mit dem Tatverdacht verknüpft. Neben
der Kennzeichnung der Beurteilungsgrundlage des Tatverdachts verwendet der Ge-
setzgeber die identische Formulierung für die Bestimmung der Begründung der
Haftgründe bei der Untersuchungshaft. Im Rahmen des § 112 Abs. 2 S. 1 StPO
wurde der Begriff vor der Einführung des § 100a StPO verwendet. Dort dient der
Begriff „bestimmte Tatsachen“ zwar nur zur Annahme eines Haftgrundes, dieser
steht aber als weitere Voraussetzung neben dem eigentlichen – im Fall des § 112
Abs. 1 StPO dringenden – Tatverdacht. Trotzdem ist grundsätzlich von einer ent-
sprechenden Bedeutung der Verwendung von „bestimmten Tatsachen“ in beiden

21
BTDrucks 16/5846, S. 40.
22
BTDrucks 12/989.
23
BTDrucks V/1880 S. 11.
24
BTDrucks V/1880, S. 11.
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht 257

Bereichen auszugehen. Hat doch der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum


G-10-Gesetz ausdrücklich eine Übernahme des Begriffes gewollt.25
Nach der Gesetzesentwurfsbegründung zu § 112 StPO soll der Ausdruck „be-
stimmte (objektiv) festgestellte Tatsachen“ bedeuten.26 Damit sollen aus Perspekti-
ve eines Beobachters äußerlich wahrnehmbare Ereignisse gemeint sein.27

b) Vergleich zu den in der StPO geregelten „Verdachtsarten“

Wichtig für das Verständnis der Formulierung „bestimmte Tatsachen“ ist, dass es
nicht um den Tatverdacht, sondern die Tatsachengrundlage dieses Verdachts geht.
Grundsätzlich liegt jeder Bejahung eines Tatverdachts eine Wertung zugrunde,28
die irgendeine Grundlage haben muss. Ein Tatverdacht kann unabhängig von sei-
ne Grundlage niemals rein objektiv festgelegt werden, weil immer die subjektive
Bewertung des Prüfenden Eingang in die Entscheidung findet. Ein gewisses Maß
an Objektivierung im Sinne intersubjektiver Nachprüfbarkeit ist nur zu erreichen,
indem Bewertungskriterien festgelegt werden. Der Gesetzgeber operiert jedoch bei
den drei klassischen Verdachtsstufen „Anfangsverdacht“ (§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1
StPO),29 „hinreichender Tatverdacht“ und „dringender Tatverdacht“ mit Zieldeter-
minanten. Bewertungskriterien bei der Frage, ob der vorgegebene Verdachtsgrad
(Ziel) erreicht ist, müssen sich mangels Angabe im Gesetz aus dem Standard krimi-
nalistischer Erfahrung ergeben. Die in den Regelungen der verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen am häufigsten zu findende Formulierung,
„wenn [. . . ] bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teil-
nehmer eine [. . . ] Straftat begangen [. . . ] hat,“30

enthält keine Zielvorgabe für einen bestimmten Verdachtsgrad.31


Statt des Ergebnisses einer Tatsachenbewertung wird hier die Tatsachengrundlage,
die den Verdacht begründet beschrieben. Bei strikt grammatischer Auslegung ist es
völlig unerheblich, wie stark der Tatverdacht ist. Daher nehmen die „bestimmten
Tatsachen“ eine Sonderstellung unter den Verdachtsregelungen ein. Dies spricht
dafür, dass es sich um ein Kriterium zur Objektivierung oder Begründung des

25
„Wie bei der Feststellung des Haftgrundes für die Anordnung der Untersuchungshaft (§ 112
Abs. 2 und 3), so müssen auch hier bestimmte Tatsachen die Grundlage [bilden]“, BTDrucks
V/1880 S. 11.
26
BTDrucks IV/1020 S. 2.
27
Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO26 § 112 Rdn. 23 f.
28
Lohner, S. 185; Eisenberg, Beweisrecht der StPO: Spezialkommentar, § 27, Rdn. 10.
29
Definiert durch „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“.
30
§§ 97, 100a, 100c, 100f, 100g, 100h, 100i, 110a StPO.
31
Schäfer vertritt eine Auffassung, die demgegenüber auf einen Verdachtsgrad zwischen Anfangs-
verdacht und dringendem Tatverdacht hinausläuft: Auf der einen Seite sollen Vermutungen nicht
ausreichen, auf der anderen Seite sei ein dringender Tatverdacht nicht erforderlich. Auf Rechts-
widrigkeit und Schuld brauche sich der Verdacht – wie bei anderen Verdachtsarten – nicht zu
erstrecken, vgl. Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 111 Rdn. 10.
258 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

Bewertungskriteriums handelt. Das ist aber keine besondere „vierte Art der Ziel-
vorgabe“ für einen Tatverdacht.32

aa) Vergleich: „dringender Tatverdacht“ und „bestimmte Tatsachen, die den


Verdacht ergeben“

In § 112 Abs. 1 StPO bezieht sich das „dringend“ als Adjektiv direkt auf „Tat-
verdacht“ als grammatisches Subjekt. So ist die grammatische Verknüpfung der
Wortgefüge „bestimmte Tatsachen“ und „Tatverdacht“ in § 100a Abs. 1 StPO nicht
beschaffen. Zum Beispiel in § 100a StPO heißt es: „[. . . ] wenn bestimmte Tatsachen
den Verdacht begründen, dass jemand [. . . ]“. Das Wort „Tatsachen“ ist selbst gram-
matisches Subjekt, „bestimmte“ ist das zugehörige Adjektiv, „Verdacht“ ist nur
Objekt. Folgt man dem Wortlaut der Normen und nimmt die Beziehungsstrukturen
im Satzgefüge ernst, reicht für verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen
vielmehr ein einfacher Verdachtsgrad.

bb) Vergleich zur Regelung des Anfangsverdachts nach §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1
StPO

Ein wesentliches Auslegungsproblem besteht bereits darin, überhaupt eine Abgren-


zungsfunktion im Vergleich zum „normalen“ Anfangsverdacht nach §§ 152 Abs. 2,
160 Abs. 1 StPO zu finden. Die Gesetzbegründung schweigt zu der Frage, ob durch
den Bezug auf „bestimmte Tatsachen“ im Ergebnis eine Steigerung des Verdachts-
grades im Vergleich zum Anfangsverdacht nach §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO
entsteht. Fraglich ist, ob ein Unterschied zwischen „bestimmten Tatsachen“ und
„zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten“ des § 152 Abs. 2 StPO besteht. Tatsa-
chen lassen sich nicht von „tatsächlichen Anhaltspunkten“ unterscheiden. Anhalts-
punkte sind nichts anderes als Informationswerte. Ein Unterschied besteht zwischen
„zureichend“ und „bestimmt“. „Zureichend“ weist auf die Erfüllung eines bestimm-
ten Erkenntnisziels hin. Zureichend bedeutet, dass es vom kriminalistischen Stand-
punkt aus lohnend ist, Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Aus objektiver Sicht
muss sich die Wertung rechtfertigen lassen, „dass an der Sache etwas dran sein
könnte.“ „Zureichend“ sind daher schon Anhaltspunkte, die mit nur vager Wahr-
scheinlichkeit auf eine unbestimmte Straftat hindeuten. Auch diese Wertung ergibt
sich erst nach Prüfung auf Grundlage kriminalistischer Erfahrung. Aus bestimm-
ten Tatsachen erschließt sich nach kriminalistischer Erfahrung, aber ohne weitere
eingehende Erforschungen, dass eine Tat begangen wurde hat. Das heißt aber noch
nicht, dass weder diese Tatsachen im Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungs-
maßnahmen hinreichend für die Eröffnung des Hauptverfahrens sein müssen noch
dass der Tatverdacht dringend sein muss.

32
So auch BGH JR 2011, 404, 405: „Die Norm verlangt danach [. . . ] keinen bestimmten Ver-
dachtsgrad [. . . ].“
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht 259

Damit wäre der gesetzgeberische Wille verwirklicht, eine Konkretisierung des


Verdachts über die Methode der Verdachtsermittlung und nicht über ein bestimmtes
Verdachtsergebnis zu erreichen. Beim Anfangsverdacht können die tatsächlichen
Anhaltspunkte verschieden interpretiert werden und müssen noch nicht überwie-
gend für eine Straftat sprechen.

Beispiel 35 Wenn sich X öfter an einer Stelle in einem Park aufhält, die als Um-
schlagplatz für Drogen dient, mag dies ein tatsächlicher Anhaltspunkt nach § 152
Abs. 2 StPO für den Beginn von Ermittlungsmaßnahmen sein. Aus dieser Tatsache
ergibt sich jedoch nicht zwingend, dass es überhaupt eine konkrete Straftat gegeben
hat und wer daran beteiligt war. Sie ist lediglich ein Anhaltspunkt für eine Straftat,
keine Tatsache, die inhaltlich einen Tatverdacht bestimmt.

Fraglich bleibt, ob der gesetzgeberische Wille, im Ergebnis einen Verdachtsgrad


von „gewisser Konkretisierung“ im Gesetz zu verankern, mit dieser Auslegung er-
reicht ist.

cc) Vergleich mit § 98a StPO: Personalisierung des Tatverdachtes durch das
Bezugswort „jemand“

Aus dem Vergleich des durch „bestimmte Tatsachen“ begründeten Tatverdachtes


mit der entsprechenden Verdachtsregelung der Rasterfahndung könnte sich erge-
ben, dass diese tatsächlichen Hinweise auf eine bestimmte Person konzentriert sein
müssen. In der Regelung der Rasterfahndung, § 98a StPO, beziehen sich die dort
„tatsächliche Anhaltspunkte“ genannten Tatsachen lediglich auf Personengruppen
und lassen noch keine Individualisierung des Verdächtigen zu. Ist bei § 100a StPO
und anderen verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen von „bestimm-
ten Tatsachen“ die Rede, „die den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder
Teilnehmer eine schwere Straftat“ begangen hat, könnte dies also bereits eine Kon-
kretisierung des Täters bedeuten. „Jemand“ wäre also nur wegen des generellen
Charakters der Norm unbestimmt, wiese aber auf eine bei der Anwendung jeweils
konkretisierte Einzelperson hin.
Im Gegensatz dazu heißt es in § 98a StPO:
„[. . . ] liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat [. . . ] be-
gangen worden ist, so dürfen [. . . ] personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte,
auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, [. . . ] erhoben werden.“

In verschiedenen Regelungen, die bestimmte Tatsachen erfordern, ist zudem ex-


tra aufgeführt, dass sich die Maßnahme gegen den Beschuldigten oder mit ihm
vermutlich in Kontakt stehende Personen richten muss, vgl. §§ 100a Abs. 3, 100c
Abs. 1, 100i Abs. 1, 100h Abs. 2 Nr. 2 StPO. Die Vorschriften gehen also davon aus,
dass es bereits einen Beschuldigten gibt. Dies spricht dafür, dass sich der Verdacht
nicht nur schlüssig aus den Tatsachen ergeben, sondern er auch auf eine bestimmte
Person individualisiert sein muss. Dafür ist ausreichend, dass sich die Eigenschaft
260 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

des Tatverdächtigen – unabhängig von der strittigen Definition des Beschuldigten-


begriffs – aus den Umständen ergibt.
Die bestimmten Tatsachen müssen also nicht schlüssig eine Person nach Namen
und Wohnort identifizieren, aber bereits auf eine – wenn auch noch unbekannte –
Person konkretisiert sein. Sonst wären selbst bei einem dringenden Verdacht auf ei-
ne Straftat und einen Täter, der nur durch die Umstände individualisiert wäre, keine
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zu dessen Identifizierung zu-
lässig. Ein Grund, den nur nach den Umständen bekannten Verdächtigen besser zu
stellen als den Verdächtigen, dessen Identität bereits bekannt ist, ist nicht ersicht-
lich.

Beispiel 36 So ist der Verdacht bereits in dieser Weise konkretisiert, wenn der ver-
mutliche Täter laut einer Zeugenaussage Person X angerufen wird, nicht jedoch,
wenn nur bekannt ist, dass Person X etwas über die Tat weiß und lediglich krimina-
listische Erfahrung dafür spricht, dass der Täter bei ihr anrufen könnte.

c) „Begründung“ des Tatverdachts durch Tatsachen mit einem bestimmten


„Informationswert“

Eine weitere, leicht vom oben stehenden Lösungsvorschlag der Literatur33 abwei-
chende Auslegungsmöglichkeit besteht darin, das Wort „bestimmte Tatsachen“
nicht mit Betonung der formalen Aspekte, sondern als „inhaltlich bestimmt“ zu
verstehen. Dies ist durch die in diesem Zusammenhang unterschätzte Bedeutung
des Wortes „begründen“ zu verstehen. Die Tatsachen müssen nämlich von solcher
Qualität sein, dass sie einen Tatverdacht begründen können. Dieser systematische
Zusammenhang ergibt Folgendes: Für die „Bestimmtheit“ der Tatsache kommt es
nicht auf die Individualität oder äußere Erkennbarkeit der Tatsache an. Eine Tat-
sache ist vielmehr nur so bestimmt wie die mitgeteilten Inhalte. Entscheidend ist
nicht die äußere Form, sondern der „Informationswert“ der Tatsache. „Bestimmt“
ist hier im Sinne von inhaltlich „eindeutig“ gemeint.
Nach dieser Auslegung sind Tatsachen in ihrer Funktion als Sprachzeichen bzw.
Symbol für einen bestimmten Inhalt auf ihre Bestimmtheit zu untersuchen. Diese
Lösung ist mit dem Kontext des Ermittlungsverfahrens zu erklären. Bei den Ermitt-
lungsmaßnahmen geht es immer um den typischen Informationswert der Tatsachen,
die später im Verfahren zum Beweis oder als Ermittlungsansatz benötigt werden
und nicht um sonstige objektive Verwendbarkeiten.
„Bestimmte Tatsachen“ meint daher „Tatsachen, die typischerweise einen aus-
gewählten bzw. besonderen Informationswert haben“. Das heißt, der Informations-
wert muss auf etwas Bestimmtes, Ausgewähltes, Individuelles – den Verdacht einer
konkreten Straftat – gerichtet sein. Nicht erforderlich ist, dass dieser Informations-
wert sicher ist. Die Formulierung des Gesetzgebers in der Entwurfsbegründung
zum Ausschluss von „bloßen Vermutungen“ würde – wörtlich verstanden – nur

33
Vgl. § 12, II.
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht 261

Halluzinationen der Ermittler ausschließen. Sinnvoll ist nur eine Auslegung, nach
welcher „Tatsachen unbestimmt sind“, wenn sie keine Informationswerte haben, die
typischerweise bzw. eindeutig in Verbindung mit anderen Tatsachen und krimina-
listischer Erfahrung auf eine Straftat hinweisen. Die verlangte bestimmte Richtung
des Informationsgehalts ergibt sich allerdings aus kriminalistischer Erfahrung. Tat-
sachen haben aus sich heraus keine bestimmte Informationsrichtung. Diese ergibt
sich vielmehr aus menschlichen Zuschreibungen. Das Attribut „bestimmt“ setzt al-
so einen objektiven Standard an kriminalistischer Erfahrung voraus.

Beispiel 37 Das Messer in einer Leiche ist eine solche Tatsache mit bestimmter
Informationsrichtung, ebenso wie die Aussage des Zeugen Y, dass X einen Mord
begangen hat. Auch eine anonyme Aussage ist dafür ausreichend.

Beispiel 38 Ein blutiges Messer in einer Metzgerei hat nicht den typischen Infor-
mationswert dafür, dass eine Straftat begangen wurde.

Dass die Schlussfolgerungen einfach sind, ist keine Bedingung für die Eindeu-
tigkeit. Auch komplizierte Schlussfolgerungen – man denke nur an Wirtschafts-
strafverfahren mit umfangreichem Tatsachenmaterial – können auf Tatsachen mit
bestimmten Informationswerten beruhen.

4. Verfassungskonforme Auslegung

Die oben34 entwickelte Auslegung ist sachlich überzeugend, doch ist auch die Ent-
scheidung für eine Gleichbehandlung der „bestimmten Tatsachen“ mit den „tatsäch-
lichen Anhaltspunkten“ des Anfangsverdachts auslegungstechnisch möglich. Nach
den allgemeinen Ausführungen ist diese Auslegungsmöglichkeit aber durch eine
verfassungskonforme Auslegung als unvertretbar auszuschließen, wenn der Gesetz-
geber sich in der Entwurfsbegründung auf Verfassungsprinzipien bezieht, die er
einzuhalten gedenkt und die Norm in dieser Auslegungsvariante verfassungswidrig
wäre.
In der Entwurfsbegründung deutet der Gesetzgeber wegen des Eingriffs in
Art. 10 GG eine einschränkende Linie bei Anwendung der Telekommunikations-
überwachung an:
„Wegen der grundrechtsbeschränkenden Wirkung dieser Überwachungsmaßnahmen ist ih-
re Anordnung an streng zu prüfende Voraussetzungen geknüpft.“35

Denn auf dieses Zitat folgen unmittelbar in der Begründung die Ausführungen zur
Qualität des Tatverdachtes. Es besteht also Grund zu der Annahme, dass mit der Re-
gelung des Tatverdachtes das Verhältnismäßigkeitsprinzip umgesetzt werden sollte.

34
Siehe § 12, III, 3, c).
35
BTDrucks V/1880, S. 11.
262 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

Der Gesetzgeber wollte also eine ausdrücklich verfassungskonforme Regelung des


Tatverdachts treffen.
Unter den verschiedenen Auslegungsvarianten ist wegen der logischen Proble-
me des Begriffs der „bestimmten Tatsachen“ auch eine Auslegung vertretbar, die
zu einer Gleichbehandlung der Verdachtsbegründung durch „bestimmte Tatsachen“
mit den Voraussetzungen der „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ in § 152
Abs. 2 StPO führt. Diese Auslegung wäre als verfassungskonform zu verwerfen,
wenn eine so unklare Verdachtsbegründung zur Unverhältnismäßigkeit der Ein-
griffsregelungen führen würde.36

a) Verfassungsrechtliche Vorgaben aus der Rechtsprechung des BVerfG

Das BVerfG geht davon aus, dass der Tatverdacht in einem proportionalen Zu-
sammenhang zur Schwere des Tatverdachts stehen muss, damit die Angemessen-
heit der betreffenden Vorschrift gewahrt wird.37 Außerdem hat das Gericht in der
Entscheidung zum Computergrundrecht nochmals klargestellt, dass schon ein zu
niedriger Verdachtsgrad eine Vorschrift verdeckter strafprozessualer Ermittlungs-
maßnahmen38 verfassungswidrig machen kann:39
„In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und
dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte
gehört es zur Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der wider-
streitenden Interessen zu erreichen (vgl. BVerfGE 109, 279 [350]). Dies kann dazu führen,
dass bestimmte intensive Grundrechtseingriffe nur zum Schutz bestimmter Rechtsgüter und
erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen. In dem
Verbot unangemessener Grundrechtseingriffe finden auch die Pflichten des Staates zum
Schutz anderer Rechtsgüter ihre Grenze (vgl. BVerfGE 115, 320 [358]). Entsprechende
Eingriffsschwellen sind durch eine gesetzliche Regelung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE
100, 313 [383 f.]; 109, 279 [350 ff.]; 115, 320 [346]). (b) Ein Grundrechtseingriff von ho-
her Intensität kann bereits als solcher unverhältnismäßig sein, wenn der gesetzlich geregelte
Eingriffsanlass kein hinreichendes Gewicht aufweist.“40

Würde bereits ein auf kriminalistische Erfahrung und generelle Tatsachen ge-
stützter Verdacht zu verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen berech-
tigen, bestünde die Gefahr, dass auch die weiteren restriktiven Merkmale umgangen
würden. Die Beschränkung der Anlasstaten würde hinfällig, wenn sich Tatsachen
nicht zu einem konkreten Verdacht verdichten lassen und nur der Anfangsverdacht
einer Straftat besteht. Eine solches Auslegungsergebnis wäre als verfassungswidrig
zu verwerfen.

36
Die drohenden Konsequenzen der hier vertretenen Auffassung für den Anfangsverdacht nach
§ 152 Abs. 2 StPO sind nicht Thema dieser Arbeit.
37
BVerfGE 115, 320, 360 ff.
38
Insoweit ist die Erwähnung des „Verdachtsgrads“ als „obiter dictum“ zu verstehen. In der Ent-
scheidung ging es um geheimdienstliche Maßnahmen und damit nur um „Gefahrstufen“.
39
BVerfGE 120, 274, 326.
40
BVerfGE 120, 274, 326.
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht 263

b) Zusammenfassung

Zwischen „tatsächlichen Anhaltspunkten“ und „bestimmten Tatsachen“ besteht also


kein tautologisches Verhältnis. „Bestimmte Tatsachen“ bedeutet im erörterten Zu-
sammenhang, dass ein Tatverdacht vorliegen muss, der nicht bloß auf theoretischen
Erwägungen beruht und dessen Inhalte den Schluss auf eine individualisierte Straf-
tat zulassen. Die Konkretisierung der Tatsachengrundlage verstärkt typischer- aber
nicht notwendigerweise den Tatverdacht. Der gemeinte Verdacht ist also nicht mit
dem hinreichenden oder dringenden Tatverdacht gleichzusetzen. Vielmehr ist die
Verdachtsbegründung im Sinne einer der oben erörterten inhaltlichen Bestimmtheit
des Informationswertes der Tatsachen zu verstehen. Die Tatsachen weisen typi-
scherweise bzw. eindeutig auf eine Straftat hin.

c) Verfassungsmäßigkeit der verbleibenden Auslegungsmöglichkeit

Ist die oben vorgeschlagene Auslegungsvariante41 ebenfalls verfassungswidrig, wä-


re die Norm als solche verfassungswidrig, da keine wesentlich abweichende ver-
fassungsmäßige Auslegungsvariante mehr möglich wäre. Das wäre der Fall, wenn
die Verfassung nicht eine allgemeine inhaltliche Bestimmtheit der Informations-
werte von Tatsachen als verhältnismäßig ausreichen ließe. Konsequent würde sie
vielmehr gebieten, dass auch in jedem Einzelfall die Verdachtsbegründung mit der
Schwere der Anlasstat abgewogen werden muss. Dann müssten Geeignetheit, Er-
forderlichkeit und auch die Angemessenheit des Eingriffs bei jeder Anwendung der
Vorschriften auf einen konkreten Fall überprüft werden. Nur im Falle der Verhält-
nismäßigkeit des Tatverdachtsgrades zur Anlasstat inklusive der Angemessenheit
dürfte ein Tatverdacht bejaht werden.
Die oben aufgeworfene Frage, ob die Regelung eine Einzelfallabwägung enthal-
ten muss, ist zu verneinen. Denn eine solche Regelung wäre nicht verfassungsmä-
ßig, sondern verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber die Angemessenheit selbst
regeln muss.42
Die Gesetzesbegründungen enthalten nur die allgemein gehaltene Erwägung,
Art. 10 GG beachten zu wollen. Daraus lässt sich die Beantwortung der Frage,
welcher Tatverdacht bei welcher Tat angemessen ist, nicht auf den Rechtsanwen-
der abwälzen. In den vorgehend zitierten Ausführungen des BVerfG ist explizit der
Gesetzgeber und nicht der Rechtsanwender zu dieser Gestaltungsaufgabe aufgeru-

41
Für die verwandte, aber unkonkrete Ansicht der Literatur gilt dies erst recht, daher wird sie nicht
gesondert behandelt.
42
Siehe oben, § 9, II, 5, c).
264 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

fen.43 Zudem steht dem auch ein Vergleich mit § 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO entgegen,
der die Einzelfallbetrachtung explizit auf die Tatschwere bezieht. Der Gegenschluss
ergibt, dass dies nicht für den Verdachtsgrad gilt. Hätte der Gesetzgeber eine Paral-
lele gewollt, hätte er dies auch im Gesetz deutlich machen müssen.

5. Formales Begründungserfordernis

Neben dem bestimmten Informationswert der Tatsachen weicht der Gesetzestext


auch in dem Bezug zwischen Tatsachen und Verdacht von den üblichen Formulie-
rungen ab. So müssen „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“ (§ 152
Abs. 2), in § 160 Abs. 1 StPO ist nur die Rede davon, dass die Staatsanwaltschaft
von dem Verdacht „Kenntnis erhält“. Wenn ein Tatverdacht durch bestimmte Tat-
sachen begründet sein muss, ergibt sich daraus eine weitere Konsequenz für die
Anordnung. Ob der Tatverdacht begründet war, muss sowohl im Antrag der StA
als auch in der Anordnung des Ermittlungsgerichts überprüft werden können. Da-
her korrespondiert mit dem inhaltlichen Begründungserfordernis ein formales. Die
Staatsanwaltschaft und das Ermittlungsgericht sind verpflichtet, die „bestimmten
Tatsachen“ schriftlich anzugeben, so dass sich daraus schlüssig ein Tatverdacht er-
gibt. Ein bloßes Zitieren der Gesetzesvorschriften reicht nicht aus. Die Tatsachen
müssen im Einzelnen bezeichnet werden. Auf die entsprechenden Teile der Ermitt-
lungsakte ist beim Antrag Bezug zu nehmen, so dass der Ermittlungsrichter und das
evtl. später nach § 101 Abs. 7 S. 2 StPO überprüfende Gericht die Begründetheit
nachvollziehen kann.

43
„Entsprechende Eingriffsschwellen sind durch eine gesetzliche Regelung zu gewährleisten“,
BVerfGE 120, 274, 326.
III. Entwicklung einer eigenen Ansicht 265

6. Konsequenz für Initiativermittlungen

a) Fehlender Verdacht

Bei Initiativermittlungen44 ist zunächst gar kein Verdacht bezüglich einer konkreten
Straftat vorhanden, dieser entsteht vielmehr erst, wenn die Ermittler auf konkrete
Spuren stoßen. Gerade im Bereich der organisierten Kriminalität, zum Beispiel im
Drogenhandel, sind die Behörden der Taten zu Initiativermittlungen gezwungen,
weil die Tat keine unmittelbaren Opfer hat. Im Bereich der organisierten Krimi-
nalität sind verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen zudem besonders
wirksam und oft notwendig, um Erkenntnisse zu erlangen, da wenige Opferzeugen
existieren und die Tätergruppen abgeschottet agieren.

b) Inhaltliche Unbestimmtheit

In den eben genannten Fällen werden zu Anfang der Initiativermittlungen keine der
speziellen Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
durchgeführt, da es an Tatsachen mit einem bestimmten, auf eine Straftat gerichte-
ten Informationswert fehlt.
Bei Initiativermittlungen bestehen zu Anfang nur sehr allgemeine Kenntnisse,
z. B. dass es in der Stadt B ein Rotlichtmilieu gibt. Diese Kenntnisse sind teilweise
nicht konkret genug, um inhaltlich bestimmt zu sein. Allerdings sind sie auch nicht
personalisiert genug, um einen erfolgversprechenden Ermittlungsansatz zu liefern,
so dass insoweit schon allein nach kriminalistischen Gesichtspunkten Überwachun-
gen mit technischen Mitteln unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit ineffektiv sein
dürften. Eine solche Ressourcenverschwendung läge vor, wenn etwa sämtliche Te-

44
Zum Begriff: Rau, Country Report on Germany, S. 334 f. m. w. N., Generell ablehnend zu In-
itiativermittlungen: Schaefer, NJW, S. 3756. Bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
sind dafür die Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft be-
achtenswert: Vgl. zum Beispiel 33a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Nds. SOG oder die Ziffer 6. der Richtlinie
über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten
Kriminalität Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 16.7.2008 – 4208-S4.84, P23.23-12334/4 (Nds.MBl.
Nr. 30/2008 S. 825) (OK-Richtlinie 1990). „Da Initiativermittlungen der Klärung sowohl eines
Anfangsverdachts als auch einer Gefahrenlage dienen können, betonen die Richtlinien die po-
lizeirechtlichen Möglichkeiten zu Initiativermittlungen; für Fälle der Gefahrenabwehr zu der –
nach herrschender Lesart – auch die vorbeugende Verbrechensbekämpfung gezählt wird, stehe der
Staatsanwaltschaft eine Leitungsbefugnis nicht zu.“, Pütter, Föderalismus und Innere Sicherheit.
Die Innenministerkonferenz zwischen exekutivischer Politik und politisierter Exekutive, S. 275.
„Warum die Justiz der Ziffer 6 dieser Richtlinien, wo es den Begriff der sogen. „Initiativermitt-
lungen“ gibt, zugestimmt hat, der bedeutet, dass im Bereich der organisierten Kriminalität auch
unterhalb der Schwelle des sogenannten Anfangsverdachts Ermittlungsmaßnahmen aufgenommen
werden können, ist nicht ganz verständlich [. . . ] bewährte Abgrenzung Gefahrenabwehr – Sache
der Polizei, Strafverfolgung – Sache der Justiz, der Staatsanwaltschaft – durcheinandergeraten ist
und damit auch das gleichgewichtige Spiel der Kräfte, auf dem unser rechtsstaatliches Strafver-
folgungssystem beruht.“Schaefer, Zur Entwicklung des Verhältnisses Staatsanwaltschaft-Polizei,
S. 195.
266 § 12 „Bestimmte Tatsachen“, die den Verdacht einer Straftat „begründen“

lefonanschlüsse im betreffenden Stadtgebiet abgehört würden. Dies wäre dann ein


Fall, in dem nach dem Willen des Gesetzgebers kein ausreichend konkretisierter
Tatverdacht vorläge. Auch der reine Wortlaut der Normen der verdeckten strafpro-
zessualen Ermittlungsmaßnahmen, soweit er den Begriff „bestimmte Tatsachen“
enthält, stünde dem entgegen, weil nicht individualisierte (bestimmte) Tatsachen
den Verdacht begründen, sondern generelle, inhaltlich unbestimmte Tatsachen.45

7. Konsequenz für den Beurteilungsspielraum des Anordnenden

Für die Bestimmung des Verdachtsgrades wird dem Ermittlungsrichter ein Beurtei-
lungsspielraum zuerkannt, so dass sowohl Tatgericht als auch Revisionsgericht die
ermittlungsrichterliche Beurteilung nur begrenzt überprüfen dürfen.46 Unter wel-
chen Umständen ein Tatverdacht für die Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme
erheblich genug sei, lasse sich daher kaum in handhabbare abstrakte Formeln fas-
sen. Es handele sich also um einen nur quantitativ und nicht qualitativ von anderen
Verdachtsgraden abgrenzbaren Steigerungsbegriff, der ganz wesentlich von der Ein-
zelfallbetrachtung des jeweiligen Ermittlungsrichters bestimmt wird.47
Ein solcher Beurteilungsspielraum ist aber entgegen der Rechtsprechung des
BGH nicht anzuerkennen. Eine Stütze für eine solche Rechtsschutzverkürzung gibt
es im Gesetz nicht. Das Schrifttum lehnt die Auffassung des BGH mehrheitlich
ab.48 Der Kritik ist zuzustimmen, da es sinnlos wäre, inhaltliche Anforderungen
an die Bestimmtheit des Tatverdachts zu stellen, wenn diese der Einschätzung des
Rechtsanwenders obliegen. Der oben gefundene Maßstab für die „bestimmten Tat-
sachen“ ist auch nicht „kaum handhabbar“. Zwar muss die Überprüfung nach Ab-
schluss der Maßnahme die Tatsachenlage ex ante und nicht ex post berücksichtigen,
doch gibt es keinen Grund, einen Beurteilungsspielraum anzuerkennen.

45
Problematisch im Hinblick auf die Umgehung des Verbots der verdeckten Initiativermittlun-
gen durch Maßnahmen der §§ 98 ff. StPO erscheint, dass nach Polizei oder Geheimdienstrecht
übermittelte Daten aus verdeckten präventiven Ermittlungsmaßnahmen in das Strafverfahren über-
geleitet werden dürfen, vgl. zum Beispiel für die Polizei in Brandenburg nach § 42 Abs. 1 S. 1
BbgPolG. §§ 18 bis 22a BVerfSchG regeln die Übermittlung von Informationen zwischen den
Ämtern für Verfassungsschutz und anderen Behörden. Die Übermittlung von personenbezogenen
Daten von den Strafverfolgungsbehörden an die Verfassungschutzämter ist in allen Fällen erlaubt,
in denen die Informationen den Aufgaben der Ämter dienen. Für alles weitere wird auf die detail-
lierten Regelung in den genannten gesetzlichen Vorschriften verwiesen. Diesen Hinweisen kann
im Rahmen dieser Arbeit aber nicht nachgegangen werden, da sie das Thema sprengen, weil sie
zu den verdeckten präventivrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen überleiten.
46
BGHSt 41, 30; BGH StV 98, 242; BGHSt 47, 322. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass
unabhängig von der Wahrnehmung der für die Verdachtsprognose erforderlichen Tatsachen auf
allen Ebenen der Verdachtsfindung und bei allen Verdachtsstufen eine Subsumtion hinsichtlich der
strafrechtlichen Relevanz des festgestellten Tatbestandes zu erfolgen habe. Nach dieser Ansicht
bestehe im Rahmen des Legalitätsprinzips ein gewisser „Wertungsspielraum“, Lohner, S. 185;
Eisenberg, Beweisrecht der StPO: Spezialkommentar, § 27, Rdn. 10.
47
BGHSt 41, 30; BGH StV 98, 242; BGHSt 47, 322.
48
Vgl. zum Teils kritischen Schrifttum Fezer, HRRS, Nr. 6., S. 240 Fn. 3.
§ 13 Anlasstaten

Bisher wurde geklärt, dass ein Tatverdacht bestehen muss und unter welchen Um-
ständen er begründet ist. Aber nicht nur an die Verdachtsbegründung, sondern auch
an die Straftat als Gegenstand des Verdachts sind nach den oben besprochenen ver-
fassungsrechtlichen Vorgaben besondere Anforderungen zu stellen. Die Schwere
der Anlasstat muss gegenüber der Belastung durch den jeweiligen Grundrechtsein-
griff angemessen sein. Es wird aber zunächst zu prüfen sein, ob der Gesetzgeber
insoweit bestimmte Regelungen der Tatschwere getroffen hat. Dazu bedient er sich
zweier Mittel: Einerseits wird in einigen Regelungen ein Katalogsystem verwendet
in dem schwere Taten der Art nach genannt sind. Immer wenn ein solcher An-
lasstatenkatalog vorhanden ist, wird aber auch verlangt, dass die Tat im Einzelfall
schwerwiegend sein oder eine im Einzelfall eine erhebliche Bedeutung haben muss.
Dies gilt auch für einige Regelungen die über keine Anlasstatenkataloge verfügen.

I. Anlasstatenkataloge

Anlasstatenkataloge konkretisieren die Zielpunkte der Aufklärung durch die ver-


deckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen und füllen so die Vorgabe der
Normenverständlichkeit1 aus. Nicht für alle verdeckten Ermittlungsmethoden sind
die Anlasstatenkataloge gleich. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Schwe-
re des Grundrechtseingriffs in einem proportionalen Verhältnis zur Strafhöhe der
Taten im Katalog stehen sollte.
„Ein Grundrechtseingriff von hoher Intensität kann bereits als solcher unverhältnismäßig
sein, wenn der gesetzlich geregelte Eingriffsanlass kein hinreichendes Gewicht aufweist.“2

1
Vgl. § 9, I.
2
BVerfGE 120, 274, 327; vgl. auch BVerfGE 115, 230, 360 f.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 267


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
268 § 13 Anlasstaten

Da die Normenbestimmtheit kein variabler Faktor ist, der proportional mit einer ver-
muteten typischen Eingriffsintensität steigen kann,3 ist die Bestimmtheit für alle in
die Grundrechte eingreifenden verdeckten Maßnahmen gleich zu handhaben. Dar-
aus folgt, dass, wenn der Katalog verfassungsrechtlich wegen des Bestimmtheits-
grundsatzes erforderlich ist, alle verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-
men an Anlasstatenkataloge gekoppelt werden müssen.
Die Differenzierung der Anlasstatenkataloge kann also nur den Sinn haben, die
verfassungsrechtliche Angemessenheit4 in der StPO umzusetzen. Hierbei obliegt
es der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, ob und wie er zwischen den
einzelnen verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen unterscheidet. Ob
die Vorschriften verfassungsgerichtlicher Überprüfung standhalten, ist eine Frage,
die den jeweiligen speziellen Regelungen vorbehalten ist.

II. Schwerwiegende Tat auch im Einzelfall

Während das Katalogsystem wenig Auslegungsschwierigkeiten bereitet, ist das zu-


sätzliche Erfordernis, dass „die Tat auch im Einzelfall schwer wiegen muss“ rechts-
dogmatisch nicht eindeutig. Anordnungsvoraussetzung ist nicht nur, dass es sich um
eine Tat aus dem jeweiligen Straftatenkatalog handelt. Zusätzlich wird in §§ 100a
Abs. 1 Nr. 2, 100c Abs. 1 Nr. 2, 100f Abs. 1 Hs. 4 StPO verlangt, dass die Tat auch
im Einzelfall schwerwiegend ist.

1. Wortlautauslegung

Beispiel 39 Ein Zeuge hat ausgesagt, dass X als Kurier ca. 100g Amphetaminta-
bletten von Berlin nach Frankfurt (Oder) transportiert hat. Staatsanwalt S prüft, ob
er mit Erfolg eine Telekommunikationsüberwachung für des Anschluss des X be-
antragen kann. § 29 BtMG findet er im Katalog des § 100a. Wiegt diese Tat aber
auch im einzelnen Fall schwer?

Der isoliert betrachtete Wortlaut legt für das Verständnis eine umfangreiche Ab-
wägung der Tatschwere im Einzelfall nahe. Bei einer vollumfänglichen Einzelfall-
abwägung würde der jeweilige Anlasstatenkatalog zur bloßen Mindestvorausset-
zung verkommen, und eine Erosion an Bestimmtheit wäre die Folge. Die Norm
wäre insgesamt unbestimmt, da nicht klar wäre, unter welchen Umständen eine Tat
„schwerwiegend“ ist. Weder ist ein klares Ziel vorgegeben, noch sind Kriterien für
die Ermittlung der Tatschwere angegeben. Dem Gesetzgeber wäre zumindest die
Zielangabe leicht möglich, indem er etwa eine bestimmte zu erwartende Strafhöhe

3
Siehe § 9, I, 9.
4
Vgl. § 9, II, 6.
II. Schwerwiegende Tat auch im Einzelfall 269

angegeben hätte. Isoliert betrachtet ist „schwerwiegend“ ein unbestimmter Begriff


und kann durch „angemessene Straferwartung“ ersetzt werden. Dieser Teil der Vor-
schrift wäre damit nur ein Hinweis für den Rechtsanwender, die verfassungsrecht-
liche Angemessenheitsprüfung selbst durchzuführen. Die Angemessenheitsprüfung
darf der Gesetzgeber aber nicht auf den Rechtsanwender verlagern.5 Die Folge einer
strengen Wortlautauslegung wäre mithin die Verfassungswidrigkeit der Norm.

2. Subjektiv-historische Auslegung

Das oben6 dargestellte verfassungswidrige Ergebnis der strengen Wortlautausle-


gung kann korrigiert werden, wenn der unbestimmte Begriff „schwerwiegende Tat“
durch subjektiv-historische7 in seiner Bedeutung gefestigt werden kann. Mit der
Anforderung, dass „die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt“, knüpft der Gesetz-
geber nicht an den Tatbestand einer Straftat, sondern an die Straferwartung als
Rechtsfolge an und damit auch an die Strafzumessung.8 Was genau mit der gesetzli-
chen Formulierung gemeint ist, erschließt sich nicht direkt aus der Norm und muss
daher wie bei jedem unbestimmten Rechtsbegriff erst durch Auslegung ermittelt
werden. „Schwere“ ist ein Relativbegriff, der seinen Maßstab nicht angibt. G. Wolf
macht dies mit dem Beispiel anschaulich, dass zwar bestimmt werden kann, dass
ein Sack Zement schwerer als ein Ziegelstein ist, aber ein absoluter Schwerebe-
griff auch bei dinglichen Gegenständen subjektiv bleiben muss. Ob ein Gewicht im
Vergleich zur Körperkraft eines Menschen von diesem als schwer empfunden wird,
ist von der persönlichen Konstitution und Empfindung abhängig. Die Übertragung
des Schwerebegriffs aus dem physikalischen Bereich auf Straftaten kann daher erst
recht nicht zu einem eindeutigen Begriff führen.
In der Gesetzesbegründung finden sich keine selbsterklärenden Ausführungen
zur „schwerwiegenden Tat im Einzelfall“. Die Begründung verweist vielmehr auf
die Entscheidung BVerfGE 107, 299, 322 (zu 100g a. F. StPO), in der sich eine
positive Formel für die Kriterien findet. Nach dieser Formel ist eine Straftat im
konkreten Fall von erheblicher Bedeutung, wenn sie „etwa auf Grund des angerich-
teten Schadens und des Grades der Bedrohung der Allgemeinheit“9 eine erhebliche
Bedeutung habe. Damit wird zwar der Ansatzpunkt auf den Erfolg hin konkreti-
siert, doch sind die Ausführungen an dieser Stelle nur beispielhaft und außerdem
verlagert sich das Problem dann lediglich auf den Schaden. Denn wann ist dieser
erheblich bzw. schwerwiegend?

5
Vgl. § 9, II, 6.
6
Vgl. § 13, II, 1.
7
Oder – was später zu zeigen sein wird – durch systematische Auslegung.
8
So auch Gerhard Wolf , S. 203: „[Die] Schwere der Tat [ergibt sich] aus denjenigen Tatumstän-
den, die für die Strafzumessung heranzuziehen sind.
9
1 BVR 330/96 vom 12.3.2003 Absatz-Nr. 76.
270 § 13 Anlasstaten

a) Rechtsprechung – BVerfGE 107, 299, 322

Hier und im Folgenden soll den Auslegungshinweisen aus der Entscheidung BVerf-
GE 107, 299, 322 nachgegangen werden. Wie zu zeigen sein wird, liegt insoweit
eine „Verweisungskette“ vor, die insgesamt analysiert werden muss.
Die fragliche Passage in der Entscheidung des BVerfG bezieht sich zwar auf
eine Straftat von erheblicher Bedeutung und gibt an, wann eine solche im Ein-
zelfall gegeben ist. Dies könnte für die Katalogtaten nach § 100a StPO fruchtbar
gemacht werden. Für ein Minimum an Bestimmtheit, Rechtssicherheit und effekti-
ver Strafrechtspflege sollten sich wenigstens Zielbestimmungen (bestimmte Straf-
erwartungen) oder handhabbare quasi tatbestandliche Kriterien für ein solches Prü-
fungsprogramm benennen lassen (bestimmte Schadenshöhe, bestimmte Schwere
der Verletzung). Zur Begründung und Erläuterung der oben genannten Formel ver-
weist das BVerfG auf eine frühere eigene Entscheidung in anderer Sache.10 Dort
findet man aber nur den Ansatz einer Einzelfallbetrachtung für eine Tat von „erheb-
licher Bedeutung“:
„Zwar betraf das eingestellte Verfahren eine Katalogstraftat des § 81g StPO, doch sind Aus-
nahmen von der Regelwirkung möglich und bedürfen der Prüfung, wenn Anhaltspunkte
hierfür gegeben sind. Hier bot allein schon die Tatsache, dass die gefährliche Körper-
verletzung allenfalls versucht worden war, vor allem aber die psychische Erkrankung des
Beschwerdeführers genügenden Anlass zu einzelfallbezogener Erörterung.“

Überzeugend ist, dass keine ausnahmslose Prüfungspflicht verlangt wird, sondern,


„wenn Anhaltspunkte hierfür vorliegen, [. . . ] Ausnahmen von der Regelwirkung“
möglich sind. In der Sache wäre der Fall jedenfalls im Rahmen des § 100a StPO ge-
nau anders zu entscheiden. Auf eine psychische Erkrankung kommt es gerade noch
nicht an, da auch statt der Anklage ein Antrag im Maßregelverfahren in Betracht
kommt, was im Ermittlungsverfahren nicht immer sicher ausgeschlossen werden
kann.

aa) Verweisung des BVerfG auf VerfGBB StV 2002, S. 57, 58: Strenge
Einzelfallprüfung mit Begründungspflicht

Die Entscheidung BVerfGE 107, 299, 322 verweist ihrerseits auf eine Entscheidung
des VerfG des Landes Brandenburg,11 ein Urteil, in dem es um § 81g StPO geht, der
ebenfalls die „erhebliche Bedeutung“ einer Straftat zur Voraussetzung hat, jedoch
in einem ganz anderen, präventiv polizeilichen Kontext:
„Schon die Qualifizierung der Anlasstat als Straftat von erheblicher Bedeutung durch das
Amtsgericht erscheint nach Lage des Falles allzu schematisch [. . . ] [der Fall hätte eine]
genauere Auseinandersetzung mit Art und Maß der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen
objektiven Tatbeteiligung nahegelegt. [. . . ] Auch hätte die Begründung näher auf den sich
nach dem bisherigen Ermittlungsstand abzeichnenden Grad der persönlichen Schuld des

10
Genauer auf BVerfG NJW 2001, 2320, 2321.
11
VerfGBB StV 2002, S. 57, 58.
II. Schwerwiegende Tat auch im Einzelfall 271

Beschwerdeführers eingehen müssen. [Es war nicht auszuschließen, dass sich der Täter in
einer] psychischen Ausnahmesituation [befand] und [die Tat] von daher Rückschlüsse auf
die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten nicht uneingeschränkt zulässt. Dies lässt
darauf schließen, dass Amtsgericht und Landgericht unter Verkennung der verfassungs-
rechtlichen Anforderungen davon ausgegangen sind, dass das Vorliegen eines Regelbei-
spiels im Sinne von § 81g Abs. 1 StPO von einer Prüfung der Erheblichkeit der Straftat
entbindet.“12

Der indirekte Bezug auf diese Entscheidung lässt befürchten, dass nach Ansicht
des Gesetzgebers tatsächlich bei jeder Tat auch im Rahmen des § 100a StPO im
Normalfall bzw. schon beim geringsten Anlass eine Einzelfallprüfung stattfinden
soll, die auch die persönliche Schuld des Täters mit einbezieht.
Die Übertragung des in dem letztgenannten Urteil angemahnten Prüfungspro-
gramms auf die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ist metho-
dologisch grundsätzlich abzulehnen. Während bei § 81g StPO Vorsorge für die
Aufklärung zukünftiger Taten getroffen werden soll, geht es bei den verdeckten
strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen nur um die Aufklärung begangener Ta-
ten, ohne dass es auf eine Negativprognose für die Zukunft ankommt. Auch der
Grad der persönlichen Schuld kann in aller Regel praktisch nicht bewertet werden,
soweit es um persönliche Umstände aus der Lebensgeschichte des Verdächtigen
geht und nicht um objektive Umstände der Tat.
Die Frage, welche Umstände für die Beurteilung der Tatschwere heranzuziehen
sind, ist „das zentrale Problem der Strafzumessungslehre.“13 Die Strafzumessung
nach § 46 StGB erfordert eine umfassende Abwägung der Umstände, die für und ge-
gen den Täter sprechen: Motive des Täters (Ziele und Beweggründe), die Gesinnung
und der aufgewandte Wille des Täters zur Tatbegehung, die Art der Begehungswei-
se und die Folgen der Tat, das Vorleben des Täters (insbesondere Vorstrafen), seine
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, das Nachtatverhalten, die Bemü-
hungen um Schadenswiedergutmachung oder die Bemühungen um einen Ausgleich
mit dem Opfer (Täter-Opfer-Ausgleich). Diese Abwägung kann nicht sinnvoll vor-
greiflich von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren durchgeführt werden,
soweit es um verdeckte Ermittlungsmaßnahmen geht. Denn die fraglichen Erkennt-
nisse mögen sich erst im Laufe des weiteren Ermittlungsverfahrens ergeben und sie
liegen oft erst bei Abschluss der Ermittlungsmaßnahmen vor.14
Außerdem stehen die Ermittlungsmaßnahmen der StPO nicht nur dem Schuld-
strafrecht, sondern auch dem Recht der Maßregeln und Sicherungen zur Verfügung.
Der Ansatz, bereits im Ermittlungsverfahren vor der Entscheidung der StA über die
Erhebung der Anklage aus Strafzumessungserwägungen die Ermittlung abzubre-
chen, ist daher problematisch. Rein in der Person des Täters liegende Schuldaspekte
sollten jedenfalls keine Rolle spielen.

12
VerfGBB StV 2002, S. 57, 58.
13
Gerhard Wolf , S. 203.
14
Das führt auch nach der Ansicht G. Wolfs, der den Begriff der Schwere der Tat im Rahmen des
§ 140 Abs. 2 StPO untersucht, zu einer Verkomplizierung, vgl. Gerhard Wolf , S. 205.
272 § 13 Anlasstaten

bb) Verweis des BVerfG auf Ansicht in der Literatur: Vergleich mit § 98a StPO

BVerfGE 107, 299, 322 verweist für die Kriterien zur schwerwiegenden Tat im
Einzelfall weiter auf einen Beitrag von Welp.15 Wie groß der Schaden und die
Bedrohung für die Allgemeinheit sein sollen oder wenigstens welche Vergleichs-
kriterien hier gelten sollen, findet sich dort nicht. Welp bezieht sich wiederum auf
Niehaus, der das Problem im Rahmen des § 98a StPO behandelt.16 Dort geht es
aber nicht um eine „schwerwiegende“ Straftat, sondern um eine von erheblicher
Bedeutung.

b) Weitere Ansichten in der Literatur

In der Kommentarliteratur17 wird zu § 100c StPO klargestellt, dass Mord und Tot-
schlag unabhängig vom konkreten Einzelfall schwerwiegend sind. Dazu wird auf
BVerfGE 109, 346 verwiesen. Aus der Entscheidung lässt sich nach hier vertrete-
ner Auffassung allerdings nichts Entsprechendes ableiten.

c) Eigener Ansatz

aa) Schwere Straftaten, die nicht schwerwiegend sind

Geht man den Hinweisen der Entwurfsbegründung und Literatur nach, kommt man
also nicht zu einem in sich widerspruchsfreien Konzept für die „schwerwiegen-
de Tat im Einzelfall“. Während der unbestimmte Begriff „Straftat von erheblicher
Bedeutung“ (im Rahmen des 81g StPO) ohne Abwägung im Einzelfall gar nicht
handhabbar ist, wirkt die nachgeschaltete „Korrekturklausel“ in §§ 100a, 100c, 100f
StPO auf den ersten Blick überflüssig.
Bei den Katalogtaten wiegen die meisten Taten immer auch im Einzelfall schwer.
Dies gilt bei den Straftaten gegen das Leben ohne Einschränkung. Andere Delikte
in den Katalogen sind Verbrechen, die teilweise sogar das Wort „schwer“ im Na-
men führen.18 In anderen Fällen werden in den Katalogen nur die Regelbeispiele
– also per gesetzlicher Definition „besonders schwere Fälle“19 – herausgehoben.
Hier erscheint es unsinnig, noch eine Einzelfallprüfung nachfolgen zu lassen, um
herauszufinden, ob der Betrug in einem besonders schweren Fall auch im Einzelfall
ganz konkret schwerwiegend ist oder ob die gemeinschaftliche (und daher selbst-
verständlich schwerwiegende) Vergewaltigung20 im einzelnen Fall schwer wiegt.

15
Welp, GA 2002, S. 539.
16
Niehaus, S. 156.
17
Nack in: KK 6 , § 100c, Rdn. 12.
18
§ 100a Abs. 2 Nr. 1 j) Alt. 2.
19
§ 100a Abs. 2 Nr. 1 n).
20
§ 100a Abs. 2 Nr. 1 f) Alt. 3.
II. Schwerwiegende Tat auch im Einzelfall 273

bb) Minder schwerer Fall nicht notwendig „nicht schwerwiegend“

In der Gesetzesbegründung wird dargelegt, dass es Fälle geben soll, in welchen


eine schwerwiegende Tat nicht ausgeschlossen ist, obwohl Hinweise auf eine nicht
schwerwiegende Tat – also eine Tat im mittleren oder leichten Bereich – vorliegen.
An der folgenden Stelle der Gesetzesbegründung findet sich ein die Grenzen der
sprachlichen Logik strapazierender Hinweis, dass ein benannter minder schwerer
Fall einer Straftat nicht zwingend bedeutet, dass die Tat nicht schwerwiegend sei.
Denn gerade im Ermittlungsverfahren sei meist noch nicht absehbar, ob die die
Strafzumessung betreffenden Voraussetzungen eines minderschweren Falles wirk-
lich vorliegen.21 Eine umfassende Abwägung der Tatumstände und Täterpersön-
lichkeit kann wegen fehlender Kenntnis und Zeit im Ermittlungsstadium nur in
seltenen Fällen stattfinden.
Zum anderen soll nach der Gesetzesbegründung ein minder schwerer Fall trotz-
dem eine schwerwiegende Tat sein, wenn
„die Auswirkungen auf das Opfer im Einzelfall so schwer wiegen, dass die mit einer Tele-
kommunikationsüberwachung verbundenen Eingriffe verhältnismäßig erscheinen.“22

Diese Ausführungen bringen die Begriffsdefinition aber nicht voran. Bei schweren
Auswirkungen auf das Opfer wird aber schon kein minder schwerer Fall vorliegen.
Weitere Erläuterungen enthält die Gesetzesbegründung an dieser Stelle nicht. Sie
ist daher für die Auslegung nur mit großer Einschränkung zu gebrauchen.
Im Grunde wird eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nahegelegt, um die Tatschwe-
re zu bestimmen. Mäßig erhellend ist dabei einerseits der Verweis auf die BVerfG-
Entscheidungen, die sich mit der Straftat erheblicher Bedeutung nach §§ 81g, 100g
a. F. StPO oder dem Nds. SOG beschäftigten, bei denen mangels Katalog mit einer
enumerativen Auflistung der Einzeldelikte eine umfassende Abwägung im Ein-
zelfall notwendig ist. Widersprüchlich wirkt der Hinweis, dass nicht einmal das
Vorliegen eines minder schweren Falls dazu zwingt, die Tat nicht als schwerwie-
gend zu werten.
Soll der Rechtsanwender eine positive Gesamtabwägung jeder Tat im Einzelfall
vornehmen und prüfen, ob diese mit dem Indiz übereinstimmen? Oder reicht es
aus, wenn die „Katalogtat“ bei triftigem Anlass nur darauf hin geprüft wird, ob sie
besonders gravierend im Hinblick auf Schaden oder Bedrohungsfaktor ist?
Die Gesetzesbegründung kann nach alledem den interpretationsbedürftigen Ge-
setzeswortlaut nicht abschließend klären, lässt also einen großen Spielraum für die
Auslegung der „schwerwiegenden Tat im Einzelfall“. Bindend für die Rechtsan-
wendung ist sie ohnehin nicht, es gilt der Wortlaut der §§ 100a, 100c, 100f StPO.
Das Gesetz lässt sich allein durch die subjektiv-historische Auslegung nach der Ent-
wurfsbegründung nicht klären.

21
BTDrucks 16/5846, S. 40.
22
BTDrucks 16/5846 S. 40.
274 § 13 Anlasstaten

3. Systematische Auslegung

Eine schärfere Konturierung des Begriffs der „schwerwiegenden Tat im Einzelfall“


ist nur möglich, wenn die nicht eindeutigen Ansätze der Entwurfsbegründung mit
Hilfe systematischer Auslegung weiter entwickelt werden. Führt auch dies nicht zu
einem eindeutigen Ergebnis, ist die Norm unbestimmbar und verfassungswidrig.

a) Art. 13 Abs. 3 GG

Offensichtlich ist die Formulierung eine direkte Übernahme des Art. 13 Abs. 3 GG.
Der Gesetzgeber wollte praktikable Normen für die Strafverfolgung zu schaffen und
dabei keine verfassungswidrigen Vorschriften riskieren. Um insoweit keinen Fehler
zu begehen, hat sich der Gesetzgeber damit beholfen, Art. 13 Abs. 3 GG nahezu
wörtlich in § 100a Abs. 1, § 100c Abs. 1 und § 100f Abs. 1 StPO wiederzugeben.23
Die Verfassungsmäßigkeit ist damit aber noch nicht gesichert. Wie oben gezeigt,24
ist es Aufgabe des Gesetzgebers selbst die verfassungsrechtlichen Vorgaben in ein-
faches Recht umzusetzen. Er darf die Konkretisierung dieser Vorgabe nicht gänzlich
dem Rechtsanwender überlassen.

b) Bezug zu den Anlasstatenkatalogen: In der Regel eine „schwere“ Tat

Durch eine Bezugnahme auf die Anlasstatenkataloge ließe sich folgende Ausle-
gung vertreten: Mit den Anlasstatenkatalogen hat der Gesetzgeber zumindest für
einige Regelungen der verdeckten Maßnahmen die grundsätzliche Entscheidung
getroffen, dass diese schweren Straftaten in ihrer typischen Form zur verdeckten
strafprozessualen Ermittlung berechtigen sollen.25 Die Tatschwereklausel ist ein
Ausnahmetatbestand für ungewöhnliche Fälle, die als besonders leicht aus dem
Rahmen des Üblichen bei einem durchschnittlichen schweren Delikts fallen. Im
Normalstandard ist eine Katalogtat also schwer.
Ein ähnlicher Ansatz wird bei der Prüfung der Gebotenheit der Notwehr im ma-
teriellen Strafrecht verfolgt, die für den Regelfall nicht mehr als einen Merkposten
darstellt, aber in besonderen Konstellationen wie der Notwehr gegen Schuld-
unfähige und der Notwehrprovokation normtextlicher Ort für eine wesentliche
Abwägungsentscheidung ist.26 Die entsprechende Übertragung dieses Ansatzes
auf die Auslegung der „schwerwiegenden Tat im Einzelfall“ bringt auf den ersten

23
Die wörtliche Vorgabe aus dem GG erwähnt nur die akustische Wohnraumüberwachung. Da-
mit ist aber nicht zwingend der Gegenschluss verbunden, dass die Maßnahmen nach §§ 100a,
100f StPO weniger strenge Anordnungsmerkmale haben müssen als § 100c StPO. Ein zu hohes
Schutzniveau existiert insoweit nicht.
24
Vgl. § 9, VI.
25
Natürlich gilt dies nur, wenn auch die anderen Merkmale für die Anordnung erfüllt sind.
26
Vgl. Otto, § 8, Rdn. 66 ff.
II. Schwerwiegende Tat auch im Einzelfall 275

Blick mehr Rechtssicherheit im Vergleich zur subjektiven Einzelfallabwägung des


Rechtsanwenders. Allerdings muss dieser nun bestimmen, unter welchen Umstän-
den eine grundsätzlich schwere Straftat untypisch leicht ist.
Unklar bleibt allerdings, ob Grundlage die kriminalistische Erfahrung des
Rechtsanwenders, ein virtueller Mittelwert aus Kriminalstatistiken oder sonsti-
ges Datenmaterial sein soll. Wiederum offen ist, welcher Grad der Abweichung
eine Tat untypisch leicht macht (nur benannte oder unbenannte minderschwere
Fälle? Zu erwartende Bewährungsstrafen?) und wie dieser zu messen ist (welche
Rolle spielt eine – eventuell noch gar nicht absehbare – persönliche Schuld?). Da-
mit wird der eine unbestimmte Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzt: Der eine
unbestimmte Rechtsbegriff „im Einzelfall besonders schwerwiegend“ wird durch
„im Einzelfall von der zu vermutenden regelmäßigen Schwere aufgrund besonderer
Umstände abweichend“ ersetzt.
Damit entfällt zwar eine anlasslose Einzelfallprüfung. Ein Konkretisierungsge-
winn ist damit aber nicht verbunden. Denn die Grundfrage wird nur negativ formu-
liert, bleibt aber ungeklärt. Zusätzlich müssten noch die „besonderen Umstände“
vorher weiter kategorisiert werden, was zu neuen Unwägbarkeiten führt:
1. Unter welchen besonderen Umständen haben die Ermittlungsbehörden triftigen
Anlass, eine Einzelfallprüfung durchzuführen?
2. Welche Merkmale muss die Tat erfüllen, die nicht schwer wiegt?
Sowohl der erste als auch der zweite Schritt sind Aufgaben, die nicht de lege
lata eindeutig lösbar sind, sondern die der Gesetzgeber de lege ferenda übernehmen
muss. Er hat das hier ausgearbeitete Konzept so nicht in der Gesetzesentwurfsbe-
gründung festgehalten oder angedeutet. Der gesetzgeberische Wille bleibt unklar,
der Wortlaut des Gesetzes geht nicht über eine Andeutung verschiedener Ausle-
gungsmöglichkeiten hinaus. Die vorstehend dargelegte systematische Auslegungs-
möglichkeit bringt keinen wesentlichen Fortschritt hinsichtlich der Rechtssicher-
heit, zudem ist sie dogmatisch nicht zwingend geboten.

4. Keine verfassungskonforme Auslegung

Eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich, da alle Auslegungsvari-


anten zur Unbestimmtheit der Norm führen. Die Verfassungsmäßigkeit der Norm
kann nicht durch das Verwerfen einzelner Auslegungsvarianten hergestellt wer-
den. Eine verfassungskonforme Reduktion des unbestimmten Begriffsumfangs zur
Normerhaltung ist daher ebenfalls abzulehnen. Der Gesetzgeber würde sonst trotz
Regelungsmöglichkeit kompetenzwidrig von der Pflicht freigestellt, die Angemes-
senheit zu regeln.27

27
Die verfassungskonforme Reduktion ist bereits aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen
vgl. § 6, IV, 4.
276 § 13 Anlasstaten

III. Zwischenergebnis

Der Gesetzgeber versucht, durch die offene Tatschwereklausel die verfassungs-


rechtliche Angemessenheitsabwägung auf den Rechtsanwender zu übertragen. Dies
kann im Idealfall zur größtmöglichen Einzelfallgerechtigkeit führen. Mangels fest-
stehender Kriterien ist dies aber zu sehr von den subjektiven Wertungen des Rechts-
anwenders abhängig. Der Gesetzgeber hätte die Grenze der Angemessenheit genau
beschreiben müssen.28 Der unbestimmte Rechtsbegriff verstößt daher gegen den
verfassungsrechtlichen Grundsatz der Normenbestimmtheit.29 Der Gesetzgeber hat
das Wesentliche – nämlich die Angemessenheit der verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen gegenüber den Grundrechtsbelastungen des Betroffenen –
nicht selbst geregelt. Die Tatschwereklausel deutet auf eine weder im Ziel noch
in den Kriterien definierte Einzelfallabwägung hin. Sie ist unbestimmt und verfas-
sungswidrig.

IV. Straftat von erheblicher Bedeutung

1. Wortlautauslegung

In §§ 98a Abs. 1, 100g Abs. 1 Nr. 1, 100h Abs. 1 a. E., 100i Abs. 1, 110a Abs. 1,
163e Abs. 1, 163f Abs. 1 StPO ist eine Straftat von „erheblicher Bedeutung“ ei-
nes der Anordnungsmerkmale. Nach dem Wortlaut der Norm ist unbestimmt, unter
welchen Umständen eine Straftat eine erhebliche Bedeutung hat. „Erheblich“ ist ein
unbestimmter Begriff. Er ist nicht fassbarer als der oben genannte Begriff „schwer-
wiegend“.

2. Subjektiv-historische Auslegung

a) Gesetzentwurfsbegründungen

In den Gesetzentwurfsbegründungen konnte dem Begriff keine Struktur gegeben


werden.30 Exemplarisch ist die Begründung für die Verwendung in § 163e StPO.
Auf eine weitere Definition im Gesetz wurde aus Gründen der Praktikabilität ver-
zichtet:
„Er ist ein unbestimmter Begriff, für den der Rechtsprechung kaum sachliche Auslegungs-
hilfen an die Hand gegeben wurden.“31

28
Vgl. § 9, II, 5, c).
29
Vgl. § 9, I.
30
Vgl. BTDrucks 14/1484 S. 24; BTDrucks 13/10791, S. 5; BTDrucks 16/5846 S. 39 f.
31
Schoreit in: KK 6 , § 163e Rdn. 12; vgl. auch Hilger, NStZ 1992, S. 462.
IV. Straftat von erheblicher Bedeutung 277

b) Definitionsversuche durch BVerfG und h. M.

Wissenschaft und Rechtsprechung haben versucht, die unbestimmte Formulierung


„Straftat von erheblicher Bedeutung“ in ihrem Bedeutungsgehalt zu festigen. Es soll
sich bei einzelfallbezogener Beobachtung um eine Straftat „oberhalb der Kleinkri-
minalität“ handeln.32 Nach der h. M. muss die Tat mindestens dem Bereich „der
mittleren Kriminalität“ zuzuordnen sein, „den Rechtsfrieden empfindlich stören“
und dazu „geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheb-
lich zu beeinträchtigen.“33 Es kommt nicht auf eine abstrakte Betrachtung, sondern
eine konkrete Analyse nach Art und Schwere der Tat im Einzelfall an.34 Andere
verlangen eine maßnahmeangepasste Auslegung im Sinne einer Angemessenheits-
prüfung. So verlangt Schoreit für die „erhebliche Bedeutung“, dass die Straftat „aus
der Masse der Kriminalität heraussticht“, durch den „Verdacht organisierter Be-
gehungsweise“ oder weil sie „gemeingefährlich bzw. gemeinschädlich“ ist.35 Die
gesetzliche Bestimmtheit der entsprechenden Normen wird trotzdem nicht verneint.
Das BVerfG bestätigt die Bestimmtheit der Formulierung:
„Der Gesetzgeber hat den Einsatz technischer Mittel in § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b
StPO [Zählung nach der damaligen Fassung des Gesetzes 2004!] nur bei einer Anlasstat
,von erheblicher Bedeutung‘ zugelassen. Auf weitere Konkretisierung, etwa mittels eines
Straftatenkatalogs, hat er verzichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat freilich wiederholt
festgestellt, dass schon das Merkmal der ,erheblichen Bedeutung‘ Grundrechtseingriffe im
Strafverfahren einer hinreichend bestimmten Begrenzung unterwirft. Eine solche Straftat
muss mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sein, den Rechts-
frieden empfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der
Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 103, 21 [34]; 107, 299 [322];
109, 279 [344]).“36

Nach Ansicht des BVerfG könne auch die gesetzliche Ausgestaltung der minder-
schweren Fälle bedeutsam werden.
„Dabei grenzen die in der Vorschrift genannten Regelbeispiele den unbestimmten Rechts-
begriff weiter ein. Dadurch wird dem Bestimmtheitsgebot hinreichend Rechnung getragen
(vgl. Graf, Rasterfahndung und organisierte Kriminalität, 1997, S. 265 ff.; krit. Lindemann,
KJ 2000, S. 86 ff.).“37

Das kann aber nur für die Minderheit der Deliktsregelungen gelten, die überhaupt
benannte Regelbeispiele enthalten. Das Argument gilt nicht allgemein. Das BVerfG
sieht das Problem also durch zwei aufeinander aufbauende Argumente gelöst:
1. Die Anforderungen an die Bestimmtheit bei verfahrensrechtlichen Normen sei-
en niedriger Anzusetzen als im materiellen Strafrecht.

32
Hilger, NStZ 1992, S. 462.
33
BVerfGE 112, 304, 316; Meyer-Goßner,StPO54 , § 98a Rdn. 6 m. w. N.
34
vgl. BVerfGE 103, 21, 34; 107, 299, 322; BTDrucks 13/10791, S. 5; BTDrucks 16/5846 S. 39 f.;
Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 98a Rdn. 27 m. w. N.
35
Schoreit in: KK 6 , § 163e Rdn. 13.
36
BVerfGE 112, 304, 316.
37
BVerfGE 103, 21, 34.
278 § 13 Anlasstaten

2. Wegen dieser geringen Anforderungen reiche es nach dem BVerfG aus, die-
sen undefinierten Rechtsbegriff mit drei weiteren Kriterien zu konkretisieren:
„Straftat von erheblicher Bedeutung“, „mindestens mittlere Kriminalität“,
„empfindlich“ (gestörter Rechtsfrieden), „erheblich“ (gestörtes Gefühl der
Rechtssicherheit)

c) Eigene Ansicht

„Mittlere“ Kriminalität ist aber ebenso wenig verbindlich definiert wie eine Straf-
tat „erheblicher Bedeutung“. Allein aus dem Wortlaut ist damit kaum mehr als
eine negative Abgrenzung zu einem normalen Ladendiebstahl und einer Beför-
derungserschleichung verbunden. Es sind zwar verschiedene Vorschläge für eine
Abgrenzung gemacht worden,38 Einigkeit konnte jedoch nicht erzielt werden. Wann
der Rechtsfrieden „empfindlich“ gestört sein soll, erörtert das BVerfG nicht. Auch
die Rückverfolgung der Einzelnachweise aus Literatur und Rechtsprechung lässt
diesbezüglich keine eindeutige Grenzbestimmung des Begriffs eines empfindlich
gestörten Rechtsfriedens zu. Ebenso unklar bleibt die Frage, unter welchen Um-
ständen die Tat geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit „erheblich“ zu be-
einträchtigen. Das BVerfG erklärt also, dass der eine unbestimmte Rechtsbegriff
der „Straftat von erheblicher Bedeutung“ durch drei weitere unbestimmte Begrif-
fe – „mindestens mittlere“ (Kriminalität), „empfindlich“ (gestörter Rechtsfrieden),
„erheblich“ (gestörtes Gefühl der Rechtssicherheit) konkretisiert werden soll. Da
keiner dieser Begriffe seinerseits geklärt ist, kann die Argumentation des BVerfG
nicht überzeugen.
Die Begriffe tragen nicht zur klaren Konturierung „der Straftat von erhebli-
cher Bedeutung“ bei, sondern geben der Opportunität der Ermittlungsbehörden und
der freien Abwägung der Gerichte Raum. Denn die Einschätzung der statistischen
Einordnung in die allgemeine Kriminalitätslage und die Effekte der Tat auf „Rechts-
frieden“ und die „Gefühle“ der Bevölkerung sind objektiv nicht fassbar. Sie hängen
vielmehr von der subjektiven Einschätzung derjenigen ab, die mit Kriminalität und
ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung zu tun haben. Das sind die Ermittlungs-
behörden und die Gerichte, welche nichts mehr als ihre eigenen subjektiven Erfah-
rungen und Grenzziehungen zum Maßstab machen müssen. Unklar bleibt, wie das
Zusammenspiel der Gerichte und der Ermittlungsbehörden genau ausgestaltet ist.
Wird die Einschätzung von Polizei und Staatsanwaltschaft durch die Gerichte auf
Plausibilität geprüft? Nehmen die Gerichte unbeeinflusst ihren eigenen Maßstab
aus der gesammelten Erfahrung der Rechtsprechung wahr? Eine gefestigte und in
der Wissenschaft allgemein akzeptierte Rechtsprechung mit eindeutigen Grenzkri-

38
BVerfG NJW 2009, 2431, 2435: nicht mehr ohne weiters bei Höchstmaß unter 5 Jahren; Nack
in: KK 6 , § 110a Rdn. 21: „Müsste die Anklage beim LG bzw. OLG erhoben werden?“; Hart-
mann/Schmidt, 639: Höchststrafe von mindestens drei Jahren; Wilhelm, S. 3 Mindeststrafrahmen
ab drei Monate bzw. 6 Monate; Rieß, GA 2004, S. 623 ff., Schnabel, DuD 2007, S. 428, Meyer-
Goßner, StPO50 , § 98a Rdn. 5 f.: Strafrahmenobergrenze bei über 2 Jahren.
V. Zwischenergebnis 279

terien ist jedenfalls nicht belegt. Sie wäre auch nicht ausreichend, denn das BVerfG
konzentriert sich nur auf die Normenverständlichkeit als Gebot der Fairness des
Rechtsstaates gegenüber dem Bürger als Normadressaten und lässt dabei die oben
dargelegte Begründung des Bestimmtheitsgebots aus dem Prinzip der Gewaltentei-
lung39 außer Acht. Es geht aber nicht nur darum, dass der Adressat die Vorschrift
verstehen kann, sondern auch darum, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Ent-
scheidungen selbst treffen muss und nicht an die Verwaltung oder Rechtsprechung
delegieren darf. Die Vorschläge aus der Literatur sind rein rechtspolitischer Natur
und führen zu keiner weiteren Klärung. Die Ansiedlung oberhalb der Kleinkrimi-
nalität40 führt nicht weiter, da erheblich durch „nicht klein“ ersetzt wird. Damit
ist nichts gewonnen. Der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung lässt sich
daher auch durch Auslegung nicht bestimmen. Einen zwingenden Grund für den
Gesetzgeber, diese Frage offen zu lassen, gibt es nicht. Zwar kann er den kompletten
Einzelfall nicht voraussehen, doch ist es unproblematisch, eine zu erwartende Straf-
höhe oder sonstige Kriterien für die erhebliche Bedeutung anzugeben. Eine verfas-
sungskonforme Auslegung unter Einbeziehung der Verhältnismäßigkeit im engeren
Sinne (Angemessenheit) ist abzulehnen.41 Im Gegensatz zur oben behandelten42
Tatschwereklausel ist für die „Straftat von erheblicher Bedeutung“ in einigen Fäl-
len noch nicht einmal ein Anlasstatenkatalog als Orientierungspunkt gegeben, von
dem aus ein konkretisierender Vergleich zu atypisch leichten Taten gezogen werden
könnte. Die Unbestimmtheit liegt in diesen Fällen auf Grundlage der hier entwickel-
ten Ansicht zur verfassungskonformen Auslegung43 auf der Hand.

V. Zwischenergebnis

Die betreffenden Normen sind wegen Unbestimmtheit des Anordnungsmerkmals


verfassungswidrig.

39
Vgl. § 9, I, 2, a) ff.
40
Hilger, NStZ 1992, S. 462.
41
Dies ergibt sich konsequent aus dem oben gefundenen Ergebnis § 9, II, 6.
42
Vgl. § 13, II.
43
Vgl. § 6, IV, 3.
§ 14 Subsidiaritätsklauseln

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen dürfen nach den verfassungsrechtlichen Vor-


gaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur angeordnet werden, wenn sie
erforderlich sind. Sie sind nur dann erforderlich, wenn keine für die Verfolgung
der konkreten Tat im Wesentlichen gleich effektive, aber für die Grundrech-
te weniger belastende Alternative zur Verfügung steht.1 Zur Umsetzung des
Erforderlichkeitsprinzips hat der Gesetzgeber die speziellen Regelungen der ver-
deckten Ermittlungsmaßnahmen mit sog. „Subsidiaritätsklauseln“ versehen. Solche
Subsidiaritätsklauseln treten als negative Anordnungsvoraussetzungen in unter-
schiedlichen Formulierungen des Gesetzes auf.
Verschiedene Regelungen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen
enthalten insofern die Bestimmung, dass die Ermittlungsmaßnahme nur angewen-
det werden darf, wenn alternative Maßnahmen auf andere Weise „aussichtslos“ oder
„wesentlich erschwert“ sind. Aber nicht jede Regelung der verdeckten strafprozes-
sualen Ermittlungsmaßnahmen enthält eine ausdrückliche Subsidiaritätsklausel. Ob
das Regelungskonzept in der StPO dafür sorgt, dass nur erforderliche Maßnahmen
angeordnet werden dürfen, ist indes fraglich.2 Die Subsidiaritätsklauseln müssen
bestimmt sein und inhaltlich nicht nur den Vorstellungen des Gesetzgebers entspre-
chen, sondern tatsächlich die Anforderungen der Erforderlichkeit umsetzen. Die
bereits oben im Detail beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen sind
grundsätzlich streng von der gesetzgeberischen Umsetzung zu trennen.

1
Vgl. § 9, II.
2
Die h. M. ergänzt die übrigen Regelungen durch eine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklau-
sel, die alle Lücken im Schutzkonzept schließen kann. Dieses Vorgehen wird mit einer direkten
Wirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips begründet. § 160a StPO deutet an, dass auch der Ge-
setzgeber voraussetzt, dass ein solcher ungeschriebener Grundsatz für alle Ermittlungsmaßnahmen
gilt. Ob diese ungeschriebene Regelung gilt, ist eine allgemeine Frage, die vorliegend ausgeklam-
mert und erst am Ende dieses Teils der Arbeit beantwortet wird, vgl. § 20.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 281


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
282 § 14 Subsidiaritätsklauseln

Tab. 2 In der Tabelle sind den unterschiedlich formulierten Subsidiaritätsklauseln die gesetzli-
chen Regelungen der StPO zugeordnet, in denen sie verwendet werden. Sehr selten wird direkt
auf Begriff „erforderlich“ zurückgegriffen. Die übrigen Umsetzungen des Erforderlichkeitsgrund-
satzes sind in einer Reihenfolge von der schwächsten zur strengsten Erforderlichkeitsprüfung von
links nach rechts sortiert

Maßnahme erforder- Maßnahme weniger Maßnahme erheblich Maßnahme aussichts-


lich erfolgversprechend weniger erfolg- los oder wesentlich
oder erschwert versprechend oder erschwert
erschwert

§ 100g Abs. 1 zu Nr. 1 § 98a § 163e Alt. 2 § 97 V


§ 100i Abs. 1 § 100h Abs. 1 100a Abs. 1 Nr. 3
§ 100h Abs. 2 zu Nr. 2 § 100c Abs. 1 Nr. 4
§ 163e Alt. 1 § 100f Abs. 1 u. 2
§ 163f Alt. 1 u. 2 § 100g Abs. 1 zu Nr. 2
+ angemessen
§ 100h Abs. 2 zu Nr. 1
§ 110a

I. Subsidiaritätsklauseln der StPO im tabellarischen Vergleich

Statt der oft in der StPO zu findenden Formulierung „weniger erfolgversprechend


oder erschwert“ in 100g Abs. 1 StPO a. F. ist in der neuen Fassung3 des § 100g
Abs. 1 zu Nr. 1 StPO „erforderlich“ getreten. Für den Verdacht bezüglich einer mit-
tels Telekommunikation begangenen Straftat bleibt es nach § 100g Abs. 1 Nr. 2
StPO aber wie bisher bei „aussichtslos oder wesentlich erschwert“ unter der wei-
teren Bedingung, „dass die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhält-
nis zur Bedeutung der Sache steht“. Diese Bedingung ist in der Zusatzbedingung
des § 100g Abs. 3 StPO aber wieder für verzichtbar erklärt, wenn die Tat auch
von erheblicher Bedeutung ist. So kommt es bereits in einem Paragrafen zu drei
verschieden Subsidiaritätsklauseln. In den Regelungen der verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen finden sich insgesamt vier verschiedene Subsidiaritätsklauseln, wie in
der Tab. 2 dargestellt.

II. Wortlautauslegung sich widersprechender


Subsidiaritätsklauseln

Nach streng wortlautkonformem Verständnis darf jede Maßnahme verdeckter straf-


prozessualer Ermittlungsmaßnahmen nur dann angewendet werden, wenn sie das
letzte effektive Mittel zur Ermittlung ist. Dies führt dazu, dass jede angeordnete

3
Geändert durch die Reform von 2007, vgl. § 5, V. Die Entscheidung des BVerfG zur teilweisen
Verfassungswidrigkeit ist insoweit nicht relevant.
II. Wortlautauslegung sich widersprechender Subsidiaritätsklauseln 283

verdeckte strafprozessuale Maßnahme sowohl gegenüber offenen Ermittlungsmaß-


nahmen als auch gegenüber allen anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im-
mer nur das letzte Mittel sein dürfte. Der Gesetzgeber wollte so offensichtlich den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, jedenfalls den Bestandteil der Erforderlichkeit,
umsetzen. Der Wortlaut orientiert sich dabei an der Vorgabe des Art. 13 Abs. 3 GG,
die verallgemeinert wurde.
Eine besondere Problematik liegt wegen der genannten Wortlautauslegung im
Zusammentreffen mehrerer, sich widersprechender Subsidiaritätsklauseln. Ange-
nommen, zwei Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-
men a und b sind kriminalistisch sinnvoll und die zugehörigen Regeln A und B
enthalten jeweils eine Subsidiaritätsklausel, nach der die Maßnahme nur rechtmä-
ßig ist, wenn nicht „ohne wesentliche Erschwerung auf andere Weise“ ermittelt
werden kann. Dann ist jeweils eine andere Weise der Ermittlung ohne Erschwe-
rungen möglich, nämlich bei Subsumtion unter Regelung A Maßnahme b oder bei
Subsumtion unter Regelung B Maßnahme a. Für diese Fälle widersprechen sich die
Maßnahmen inhaltlich.

Beispiel 40 Die Ermittlungsbehörden stehen vor der Frage, ob eine Telekommuni-


kationsüberwachung nach § 100a StPO für den Telefonanschluss des X angeordnet
werden darf (a). § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO bestimmt, dass die Maßnahme nur ange-
ordnet werden darf, wenn Alternativen „aussichtslos oder wesentlich erschwert“
sind (A). Als Alternative kommt nach Ansicht der StA eine Überwachung von
möglichen Gesprächen des Verdächtigen auf der Straße mittels Richtmikrofon (b)
gemäß § 100f StPO in Betracht. Auch diese Maßnahme darf aber nach § 100f
Abs. 1 StPO nur angeordnet werden, wenn Alternativen „aussichtslos oder wesent-
lich erschwert“ sind (B). Die StA fragt sich, ob nicht § 100f StPO und § 100a StPO
gegenseitig in einem Alternativerhältnis stehen und sich somit so ausschließen, da
keine der Maßnahmen angewendet werden darf, weil die jeweils andere Maßnahme
als mögliche Alternative zur Verfügung steht.

Dabei ergeben sich zwei Möglichkeiten das Regelungskonzept in der StPO aus-
zulegen: Dieser Widerspruch kann durch andere Alternativen mit ähnlichen Subsi-
diaritätsregelungen beliebig erweitert werden.
1. Die Klauseln heben sich im Kollisionsfall wegen Widersprüchlichkeit auf und
sind insoweit als unwirksam zu ignorieren (Aufhebungslösung).
2. Die Klauseln sind in eine richtige Reihenfolge zu bringen, die sich aus ei-
ner durch verfassungsrechtliche Vorgaben bestimmten Systematik ergibt. Dazu
ist eventuell eine verfassungskonforme Auslegung nötig (erhaltungsorientierte
Auslegung).
284 § 14 Subsidiaritätsklauseln

1. Aufhebungslösung

Sich widersprechende Regeln auf gleicher Rangstufe heben sich gegenseitig auf.4
Die speziellen Subsidiaritätsklauseln stehen für die genannte Problemkonstellati-
on wechselseitig im Widerspruchsverhältnis. Die Regelungen wären also insoweit
faktisch unwirksam.5
Konsequent könnte dann eine jede Maßnahme angeordnet werden, da die Aus-
wahlbeschränkung auf die mildeste Maßnahme wegfällt. In diesem Falle könnten
die Maßnahmen ohne Rücksicht auf eine mögliche Abstufung nach Belastungsin-
tensität nach Opportunität der Ermittlungsbehörden angewendet werden. Rücksicht
auf Belastungsunterschiede durch unterschiedliche Grundrechtsbetroffenheit zwi-
schen den Maßnahmen müsste nicht genommen werden.

2. Erhaltungsorientierte Auslegung der Subsidiaritätsklauseln

Eine erhaltungsorientierte Auslegung hat zur Folge, dass die Subsidiaritätsklausel


auch im Kollisionsfall erhalten bleibt. Ermittlungsmaßnahmen „auf andere Weise“
müssten dann generell als Ermittlungsmaßnahmen auf „andere weniger belasten-
de Weise“ verstanden werden. Wenn diese Belastungen verfassungskonform als
„grundrechtsbelastende Weise“ verstanden werden und zugleich für alle weiteren
belastenden Maßnahmen das Verhältnismäßigkeitsprinzip mit dem allgemeinen Er-
forderlichkeitsgrundsatz gilt, kommt es zu keinen Kollisionen. Nur in dem Fall, dass
zwei Maßnahmen gleich schwer wiegende Grundrechtseingriffe sind, darf die Er-
mittlungsbehörde auswählen, welche Maßnahme sie anwendet. Damit wären sämt-
liche Kollisionsfälle der speziellen Subsidiaritätsklauseln untereinander gelöst.6
Die vom Rechtsanwender in Betracht gezogene Maßnahme müsste also in der
konkreten Anwendung gegenüber allen anderen Ermittlungsalternativen auf Erfor-
derlichkeit überprüft werden. Dabei müsste die für den Betroffenen bzw. seine
Grundrechte mildeste unter den gleich effektiven Maßnahmen ausgewählt werden.
Die Literatur und ihr folgend die Gesetzesbegründung zur Reform von 20077 ver-
weisen auf eine Einzelfallabwägung. In deren Rahmen sei unter Beachtung des Ver-
hältnismäßigkeitsgrundsatzes danach zu fragen, welche Maßnahme „in concreto“

4
Bekannter Rechtssatz, der sich traditionell schon aus der Logik ableitet, vgl. Grotefend, S. 243.
5
Die auf der Hand liegende einfache Lösung des Grundproblems benennt schon Schäfer in:
Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 110a Rdn. 31: „Wörtlich genommen blockieren sich diese Subsidiari-
tätsklauseln gegenseitig.“
6
Nimmt man noch eine Geltung der Erforderlichkeit im übrigen Strafprozessrecht über eine ver-
fassungskonforme Auslegung an, werden auch insoweit die Konfliktfälle gelöst. Zum Streit um
die Geltung einer allgemeinen ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel vgl. § 20.
7
Siehe § 5, V.
III. Systematische und subjektiv-historische Auslegung 285

den milderen Eingriff darstellt.“8 Nur bei gleich „tief“ eingreifenden Maßnahmen
sollen die Ermittlungsbehörden danach ein Wahlrecht haben.9
Die beiden genannten Lösungsmöglichkeiten führen zu unterschiedlichen Er-
gebnissen.
Für die Aufhebungslösung spricht, dass die Vorschriften nach ihrem Wortlaut
syntaktisch fehlerhaft sind. Dem Gebot der Normenklarheit genügen solche Fehler
in der Regel nicht.10 Diese verfassungsrechtliche Anforderung an die Rechtssicher-
heit ist daher grundsätzlich nicht erfüllt. Die Vorschriften können daher nur dann
noch den Anforderungen an die Normenklarheit genügen, wenn sich der Fehler mit-
tels der herkömmlichen Auslegungsmethoden in der oben geschilderte Rangfolge11
beseitigen lässt.
Gegen eine erhaltungsorientierte Auslegung ist einzuwenden, dass die Erforder-
lichkeitsprüfung zu einer Entscheidung führt, die dem Rechtsanwender in der kon-
kreten Situation eine genaue Kenntnis des Verfassungsrechts und insbesondere der
Rechtsprechung des BVerfG abverlangt. Denn er muss nun nicht nur entscheiden,
welche Ermittlungsmaßnahme kriminalistisch zweckmäßig und mit dem einfachen
Recht zu vereinbaren ist, sondern auch, welche die Grundrechte des Betroffenen am
geringsten belastet.
Wegen der aufgezeigten Nachteile im Hinblick auf die Normenbestimmtheit
können nur die systematische und subjektiv-historische Auslegung Klarheit über
das Verständnis der Subsidiaritätsklauseln bringen. Sie müssen zeigen, dass die ab-
strakten verfassungsrechtlichen Erwägungen sich so festigen lassen, dass praktisch
verwertbare Kriterien angegeben werden können. Andernfalls wären die Regelun-
gen insofern „unvermittelbares Expertenrecht“.12

III. Systematische und subjektiv-historische Auslegung

1. Parallele Regelungen der Erforderlichkeit im StGB

Die Erforderlichkeit ist nicht nur für die Anordnung der verdeckten Ermittlungs-
maßnahmen entscheidend, sondern findet sich auch in anderen Rechtsbereichen.
In § 32 Abs. 2 StGB wird mit der Erforderlichkeit der Notwehr dem Einzelnen in
einer Notsituation abverlangt, Belastungen anderer in die richtige Reihenfolge zu
bringen. Es erscheint daher nicht sinnvoll, die Erforderlichkeit trotz der Probleme
bei der Bestimmung der Vergleichsgrößen ganz aus der Rechtsanwendung zu ver-
bannen. Allerdings kann der Verteidiger im Notwehrbereich die Verletzungsfolgen
nach allgemein bekannten Rangfolgen (Leben vor Eigentum, pekuniärer Maßstab

8
Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , Rdn. 31 und dort Fn. 92 m. w. N.
9
Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , Rdn. 31.
10
Vgl. dazu § 9, I.
11
Vgl. § 9, I, 8, c).
12
Vgl. zu dieser Gefahr § 9, I, 8, d).
286 § 14 Subsidiaritätsklauseln

bei Sachwerten etc.) abschätzen und muss keine detaillierten Kenntnisse der Fall-
gruppen des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung besitzen.
Weder die oben genannte „Aufhebungslösung“ noch die „erhaltungsorientierte
Auslegung“ kann evident überzeugen.

2. Verfassungskonforme und historische Auslegung

Folgt man der oben13 angesprochenen Aufhebungslösung führt das zur Ver-
fassungswidrigkeit der Regelung. Denn es existiert sonst keine ausdrückliche
Regelung in der StPO, welche die Erforderlichkeit der verdeckten Ermittlungsmaß-
nahme gewährleisten kann.
Ob nur das BVerfG oder auch der einfache Rechtsanwender diese Auslegung
„verwerfen“ kann, kommt darauf an, was der Gesetzgeber mit den Subsidiari-
tätsklauseln erreichen wollte. Wenn er hier eine verfassungskonforme Regelung
schaffen wollte, entspricht die verfassungskonforme Auslegung der subjektiv-
historischen Auslegung. Jeder Rechtsanwender ist dann gehalten, diese verfas-
sungswidrige Auslegungsalternative nicht weiter zu verfolgen.14
Die Deckungsgleichheit zwischen historischer und verfassungskonformer Aus-
legung ist auch bei der Auslegung der Subsidiaritätsklauseln zu beachten. Der Ge-
setzgeber wollte bereits bei Erlass des § 100a StPO, dass „in das Grundrecht des
Art. 10 GG nicht weiter als unbedingt nötig eingegriffen wird.“ Die Subsidiari-
tätsklausel sei eine „rechtstaatlichen Grundsätzen entsprechende Beschränkung“.
Beispielhaft stellt der Gesetzgeber in der Entwurfsbegründung zum G-10-Gesetz
die Erhebung von Verkehrsdaten als vorrangige Alternative zur Überwachung dar.
Auch damit macht er klar, dass „andere“ weniger belastende Maßnahmen gemeint
sind, obwohl er dies nicht ausdrücklich erklärt.15
An dieser Regelungsabsicht hat sich auch durch die Einführung neuer Vorschrif-
ten und Maßnahmen nichts geändert. So formuliert die Entwurfsbegründung zur
Reform der verdeckten Maßnahmen von 2007 beispielhaft zu § 100g StPO:
„Durch diese strenge Subsidiaritätsklausel wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in be-
sonderer Weise Rechnung getragen.“16

Zudem bezieht sich die Entwurfsbegründung auf die oben genannte Kommentie-
rung Schäfers, der eine Einzelfallentscheidung nach dem Verhältnismäßigkeitsprin-
zip vorschlägt.17 Die Aufhebungslösung ist daher nach verfassungskonformer und
subjektiv-historischer Auslegung nicht vertretbar.

13
Vgl. § 14, II, 1.
14
Vgl. § 6, IV, 8.
15
BTDrucks V/1880 S. 12.
16
BTDrucks 16/5846 S. 52. Auch für § 163f StPO wird die Subsidiaritätsklausel mit der Eingriff-
sintensität in Verbindung gebracht, BTDrucks 16/5846 S. 66.
17
BTDrucks 16/5846 S. 52 und § 14, II, 2.
III. Systematische und subjektiv-historische Auslegung 287

a) Differenzierung nach Belastungsintensität

Wenn eine weitere, von der Aufhebungslösung abweichende erhaltungsorientierte


Auslegungsvariante18 als überzeugende Lösung gefunden werden kann, die inhalt-
lich den Anforderungen der Erforderlichkeit genügt, ist die Verfassungsmäßigkeit
sichergestellt.
Es ist möglich, die Ermittlungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Grundrechts-
belastungen in eine Reihenfolge zu bringen. Unterscheidungskriterium ist danach,
welche Maßnahme von verschiedenen ungefähr gleich effektiven Alternativen am
wenigsten belastend ist. Dafür ist wiederum die Systematik der StPO und der in den
Gesetzesbegründungen zum Ausdruck gekommene und im Gesetz in den Subsidia-
ritätsklauseln angedeutete Wille des Gesetzgebers entscheidend.

b) Belastungsunterschiede zwischen der Art der verdeckten und offenen


Maßnahmen

Jedenfalls die Regelungen der Maßnahmen, welche der Gesetzgeber mit einer Sub-
sidiaritätsklausel versehen hat, sprechen dafür, dass er offene Maßnahmen weniger
belastend als verdeckte Maßnahmen wertet. Auch in der Literatur wird die Ansicht
vertreten, dass die mit Subsidiaritätsklauseln versehenen Regelungen der verdeck-
ten Maßnahmen gegenüber den „klassischen“ Eingriffsbefugnissen in der StPO
eine gesteigerte Eingriffsintensität aufweisen.19 Die Gesetzesentwurfsbegründung
bezieht sich zudem auf diese Ansicht.20
Für diese Lösung könnte man mit dem oben gefundenen Ergebnis argumen-
tieren, dass mit verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen immer eine
zusätzliche Einschüchterungswirkung verbunden ist. Dogmatisch liegt daher ein
Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung oder wegen der Heim-
lichkeit zumindest ein Verstärkung des Eingriffs in ein spezielles Grundrecht vor.21
Allerdings lässt sich über den Sonderfall des Art. 13 Abs. 3 GG (akusti-
schen Wohnraumüberwachung) kein Grundsatz aus der Verfassung ableiten, nach
dem Heimlichkeit belastender als eine entsprechende Zwangsmaßnahme (Haus-
durchsuchung, Art. 13 Abs. 2 GG) ist. Eine heimliche Maßnahme ist nur im
Vergleich zu einer ihr genau entsprechenden – aber offen durchgeführten – Über-
wachungsmaßnahme belastender.

18
Vgl. § 14, II, 2.
19
Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 110a Rdn. 31.
20
BTDrucks 16/5846 S. 66.
21
Vgl. § 8, III, 6 für Art. 2 Abs. 1 GG. Im Schutzumfang der Art. 10 und Art. 13 GG ist das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung enthalten, so dass es nicht gesondert erwähnt wer-
den muss. Auch in diesen Fällen ist die heimliche Maßnahme aber belastender als die offene. Die
besondere Begründung des Eingriffs über einen Einschüchterungseffekt ist dann nicht notwendig.
Die Tatsache, dass eine heimliche Maßnahme belastender ist als eine entsprechende offene Maß-
nahme, wird dadurch aber nicht obsolet. Lediglich wenn die Überwachung so weit geht, dass die
Menschenwürde angetastet wird, erübrigen sich wegen des absoluten Verbots alle Vorrangfragen.
288 § 14 Subsidiaritätsklauseln

Beispiel 41 Das heimliche Überwachen einer Person mittels Videoaufnahme ist


belastender, als wenn dieser Person zuvor mitgeteilt wird, dass sie nun mit einer
Videokamera überwacht und das Verhalten der Person aufgezeichnet wird. Im ers-
ten Fall kann sich der Betroffene nicht vor der Überwachung schützen, da er nicht
weiß, wann und wo er überwacht wird. Gerade diese fehlende Möglichkeit, sich auf
„unsichtbare“ staatliche Überwachung einzustellen, ist Inhalt des Grundrechts auf
Freiheit von Einschüchterung.

c) Belastungsunterschiede in konkreten Fällen

Die Belastung durch eine offene Maßnahme, die über das Kriterium der Offenheit
hinaus weitere Unterschiede zu einer konkreten verdeckten Maßnahme aufweist, ist
nicht in jedem Falle ihr gegenüber als geringer einzuordnen. Entscheidend ist die
konkrete Einschüchterungswirkung der Maßnahme im Einzelfall, auch wenn sich
diese Wirkung nicht auf den überwachten Betroffenen bezieht.22

Beispiel 42 Für den überwachten Betroffenen ist es belastender, wenn die Ermitt-
lungsbehörden erst seine Wohnung – im Falle der Weigerung gewaltsam – durch-
suchen und zwangsweise sein Blut für eine Untersuchung abnehmen, als wenn sie
ihn heimlich in der Öffentlichkeit außerhalb seiner Wohnung gemäß § 100h StPO
in einer unverfänglichen Alltagssituation fotografieren. Dies gilt ebenfalls für die
Einschüchterungseffekte die andere Menschen durch das Beispiel einer solchen
Maßnahme und die Regelung des § 100h StPO betreffen.

„Andere Weise“ in den Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen


muss als „andere, weniger belastende Weise“ im Sinne des Erforderlichkeitsprin-
zips ausgelegt werden.
Die oben bereits angesprochene23 Parallele zu § 35 Abs. 1 StGB spricht ebenfalls
dafür, hier den Gesetzesbegriff der „anderen Weise“ durch eine Auslegung mit dem
Begriff „weniger grundrechtsbelastende“ attributiv zu ergänzen.
Eine gesetzliche Andeutung ist mit der Formulierung „nicht auf andere Weise“
vorhanden. Dieses erläuternde bzw. ergänzende Verständnis ist in der Dogmatik des
materiellen Strafrechts lange anerkannt, so dass der Gesetzgeber auch davon aus-
gehen durfte, hier nicht rein wörtlich verstanden zu werden. Die sich durch rein
wörtliches Verständnis ergebenden Widersprüche sind als Redaktionsfehler einzu-
ordnen, die wahrscheinlich durch die undifferenzierte Übernahme der singulären
Formulierung24 des Art. 13 Abs. 3 GG für mehrere andere Maßnahmen entstanden
ist.

22
Oben wurde bereits gezeigt, dass nicht nur das Grundrecht des konkret Überwachten betroffen
ist und es daher nicht auf seine subjektive Empfindung ankommt, vgl. § 8.
23
Vgl. § 6, VI.
24
Diese Formulierung ergibt wörtlich auch nur in ihrer Singularität Sinn, weshalb der Verfassungs-
geber sie auch nur für den einen Sonderfall der akustischen Wohnraumüberwachung als absolut
belastendsten erlaubten Überwachungsgrundrechtseingriff verwendet hat.
III. Systematische und subjektiv-historische Auslegung 289

Die Kriterien für die unterschiedlich belastenden Wirkungen der Ermittlungs-


maßnahmen sind bereits im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar-
gelegt worden.25 Diese Kriterien sind im Rahmen der Auslegung der Subsidia-
ritätsklauseln zur Bestimmung des milderen Mittels heranzuziehen. Dies ist im
Gegensatz zur Übertragung des Angemessenheitsmaßstabs durch verfassungskon-
forme Auslegung nicht kategorisch ausgeschlossen.26

3. Bestimmtheitsanforderungen und derzeitige Regelungslage

Der Gesetzgeber verfehlt in den Fällen geschriebener Subsidiaritätsklauseln auch


nicht die Minimalanforderungen der Normenbestimmtheit. Die Regelungsrangfol-
ge ist von variablen Kriterien abhängig, die nur schwer abstrakt vorgegeben werden
können. Bereits bei einer Abgrenzung der verdeckten Maßnahmen untereinander ist
der Vergleich verschiedener Kriterien notwendig.27 Kommen noch die Kriterien für
die Bestimmung der Belastung durch Zwangsmaßnahmen und offene informatio-
nelle Eingriffe hinzu, ist dies gesetzestechnisch nicht mehr darstellbar. Es müssten
komplexe Vorschriften geschaffen werden, die wiederum Regeln enthalten müss-
ten, wie jede konkrete Maßnahme von jeder anderen konkrete Maßnahme in ihrer
Grundrechtsbelastung oder „Eingriffsintensität“ zu unterscheiden sei. Eine vollstän-
dige Regelung der Kriterien muss zu einer Unverständlichkeit der Normen führen
und ist daher nicht erstrebenswert. Zwar mögen einige sinnvolle abstrakte Kriterien
in die Norm als Regelbeispiele eingeführt werden.28 Dass durch die derzeitige Ge-
setzeslage bestehende Bestimmtheitsminus ist aber tolerierbar, weil es durch die im
vorgeschlagene Möglichkeit der Auslegung beseitigt werden kann:
 Dauer der Maßnahme
 Speichern der Informationen, mittelbar oder unmittelbar
 Art und Anzahl der Überwachungsmittel
 Schwierigkeit, natürliche Hindernisse zu überwinden
 Inhaltliche Betroffenheit der Privatsphäre.29
Die Belastung durch einzelne Maßnahmen kann im Wesentlichen über die Ein-
schätzung der Schwierigkeit, natürlichen Schutz vor Überwachung zu überwinden,
beurteilt werden. Dieser Maßstab ist auch ohne detaillierte Kenntnisse des Verfas-
sungsrechts aufzufassen und anzuwenden.

25
Vgl. § 9, II, 4, c), § 9, VI.
26
Gegen eine Übertragung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes spricht grundsätzlich das Rege-
lungsprimat des Gesetzgebers. Wie gezeigt betrifft dies aber vordringlich die Angemessenheit,
§ 9, II, 6.
27
Vgl. § 9, II, 4, c).
28
Vgl. § 9, II, 4, c).
29
Vgl. bereits § 9.
290 § 14 Subsidiaritätsklauseln

IV. Zwischenergebnis

1. Das Fehlen geschriebener Subsidiaritätsklauseln


führt zu Verfassungswidrigkeit

Das Fehlen geschriebener Subsidiaritätsklauseln führt zu Verfassungswidrigkeit der


betreffenden Regelungen. Die Maßnahmen, denen eine Subsidiaritätsklausel fehlt,
sind verfassungswidrig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht be-
achten.30

2. Auslegung geschriebener Subsidiaritätsklauseln

Die verfassungskonforme Auslegung verbietet eine Auslegungsvariante, nach der


sich die Subsidiaritätsklauseln gegenseitig aufheben. Die subjektiv-historische und
systematische Auslegung ergibt stattdessen, dass die Formulierung „auf andere
Weise“ als „auf weniger grundrechtsbelastende Weise“ zu verstehen ist.31
Der Gesetzgeber verfehlt in den Fällen geschriebener Subsidiaritätsklauseln
nicht die Minimalanforderungen der Normenbestimmtheit. Der Regelungsgehalt
kann durch Auslegung gefestigt werden.

3. Vorschlag für eine allgemeine Subsidiaritätsklausel


de lege ferenda

Der Gesetzgeber könnte vom Ansatz der speziellen Subsidiaritätsklauseln ausge-


hend, wenigstens die „andere Weise“ der Ermittlung – nämlich, dass diese für den
Betroffenen weniger belastend ist – benennen. Ein indirekter Verweis auf die „Ver-
hältnismäßigkeit“ wie in § 160 Abs. 2 StPO kann eine solche Konkretisierung nicht

30
Von der h. M. wird ein solcher Grundsatz über eine direkte Wirkung des verfassungsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsprinzips „hineingelesen". Die Geltung ungeschriebener Subsidiaritätsklau-
seln ist aber höchst zweifelhaft, § 20.
31
Dieses Verständnis wäre bei genauer Analyse eine verfassungskonforme Auslegung. Da Wörter
ergänzt werden, könnte es sich bei genauer Analyse auch um eine verfassungskonforme Ergän-
zung handeln. Nach hier vertretener Auffassung ist die Grenze zu einer Ergänzung aber noch
nicht überschritten, da im subjektiv-historischen Vergleich zu § 34, 35 StGB ein solches Verständ-
nis im Wortlaut enthalten sein kann. Es handelt sich allerdings um einen kritischen Grenzfall.
Eine vollständige Diskussion über den Übergang zwischen zulässiger verfassungskonformer Aus-
legung und unzulässiger Ergänzung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden, vgl.
zum Problem § 6, IV, 6. Zur Sicherheit ist dem Gesetzgeber eine Neuregelung zu empfehlen, die
das Problem beseitigt, vgl. § 14, IV, 3.
IV. Zwischenergebnis 291

ersetzen. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben müssen durch den Gesetzgeber um-


gesetzt, nicht lediglich schlagwortartig zitiert werden.
Der Gesetzgeber würde dem bisherigen teilweise verfassungswidrigen Zustand
abhelfen, wenn er spezielle Subsidiaritätsklauseln auch an die Regelungen der ver-
deckten Maßnahmen anfügen würde, die bisher über keine solche Klausel verfügen.
De lege ferenda könnte er aber mit dem gleichen Erfolg eine allgemeine ausdrückli-
che Erforderlichkeitsklausel erlassen. Diese müsste dann die Ansätze der speziellen
Subsidiaritätsklauseln zur ausdrücklichen Umsetzung des Erforderlichkeitsprinzips
mit den fragmentarischen Andeutungen des § 160a StPO vereinigen. § 160a StPO
nennt mit den Verweisen auf §§ 53, 53a StPO wenigstens einige Kriterien, die es bei
der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten gilt. Eine solche Neuregelung wäre
beispielsweise durch eine Ergänzung des § 160a StPO durch einen Abs. 6 möglich:
(6) Soweit nicht anders bestimmt, darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn die
Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldig-
ten auf eine andere, den Betroffenen voraussichtlich weniger belastende Weise weniger
erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Für die Bewertung der Belastung des
Betroffenen ist insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Schwierigkeit der Überwin-
dung natürlicher Sicherungen der Privatsphäre ausschlaggebend. Heimliche Überwachun-
gen sind grundsätzlich nicht weniger belastend als Zwangsmaßnahmen.
§ 15 Kernbereichsschutz

Bisher wurde gezeigt, dass für die Angemessenheit der Regelungen eine der Schwe-
re nach bestimmte Anlasstat und für die Erforderlichkeit eine zumindest mit ein-
deutigem Ergebnis auslegbare Subsidiaritätsregelung notwendig ist. Diese Punkte
betreffen die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen durch die Regelungen der verdeck-
te Maßnahmen in die Grundrechte aus Art. 2, Art. 10 und Art. 13 GG. Oben wurde
gezeigt, dass die Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen den durch
Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung nicht ver-
letzen dürfen. Zudem wurde angesprochen, dass der Gesetzgeber ein Schutzkonzept
schaffen muss, um Einblicke in den Kernbereich möglichst zu verhindern.1 Im Fol-
genden wird dies weiter ausgeführt und dargelegt, wie dieses Schutzkonzept in der
StPO auszugestalten ist.
Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betrifft in erster Linie das Ver-
halten des Einzelnen, wenn er sich vor anderen zurückzieht, um allein und ungestört
zu sein. Außerdem gehört soziale Interaktion zu diesem Kernbereich, wenn die Be-
teiligten vertraulich handeln wollen. Entscheidend ist in jedem Fall, dass es dem
Einzelnen erkennbar darauf ankommt, Außenstehende von diesem Verhalten aus-
zuschließen, weil er es für intim bzw. höchstpersönlich und daher niemanden etwas
angehend hält. Diese subjektive Komponente des Kernbereichs wird durch ein ob-
jektives Kriterium begrenzt. Betrifft das Verhalten inhaltlich die rechtlich geschütz-
ten Interessen Dritter, gehört es nicht zum Kernbereich. Äußerungen über konkrete
Straftaten gehören daher nicht zum Kernbereich.2

1
Vgl. § 8, IV, 2, d), aa).
2
Vgl. § 8, IV und § 8, I, 4, a).

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 293


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
294 § 15 Kernbereichsschutz

I. Schutzauftrag des Staates gegen sich selbst aus


Art. 1 Abs. 1 GG

Von der Definition des Kernbereichs ist die Frage nach dessen Schutz abzugrenzen.
Der Schutz des Kernbereichs persönlicher Lebensgestaltung ist eine verfassungs-
rechtliche Vorgabe.3 Der Kernbereichsschutz ist Bestandteil des in Art. 1 Abs. 1
S. 2 GG genannten staatlichen Auftrages die Menschenwürde zu schützen. Der
Staat achtet so darauf, das Risiko der Einblicknahme in den Kernbereich zu mini-
mieren. Der Staat schützt die Menschenwürde quasi vor dem Staat selbst, nämlich
davor durch die Staatsorgane missachtet zu werden.

a) Irrelevanz von Zufall und planbarem Restrisiko

Richtig ist, dass nicht jede Kenntnisnahme von kernbereichsrelevantem Verhalten


eine Missachtung der Menschenwürde ist. Da auch im Rahmen intimer Vertrauens-
verhältnisse Straftaten und Unglücke geschehen können, brechen diese die Öffent-
lichkeit angehenden Sachverhalte den Kernbereich quasi von innen auf. Dies gilt
auch bereits für die Gefahr und die Anscheinsgefahr solcher Situationen. Staatliche
Wahrnehmung berührt dann schon nicht den Kernbereich, weil der Anspruch auf
Achtung der Menschenwürde nicht verletzt wird. Diesen zufälligen Beobachtun-
gen fehlt das abwertende und entwürdigende Moment. Ein solches Restrisiko der
Kenntnisnahme ist unvermeidbar, wenn der Staat seine Aufgaben wahrnehmen soll.
Dies gilt insbesondere, wenn er sie als Dienst zugunsten des Betroffenen durch-
führen will, um dessen Würde zu schützen. Dieses unvermeidbare Restrisiko ist
dem Staat aber nach der oben vertretenen Ansicht zum allgemeinen Eingriffsbe-
griff zuzurechnen.4 Damit läge ein Eingriff vor, der nicht zu rechtfertigen wäre. Die
Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde lässt sich aber nicht
abschließend mit dem modernen Eingriffsbegriff erklären. Zu den allgemeinen Kri-
terien muss noch das wertende Attribut „entwürdigend“ hinzukommen.
Wenn unbeabsichtigte Beobachtungen des Verhaltens im Kernbereich erlaubt
sind, ist diese Erlaubnis nicht das Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsabwägung.
Sie ist vielmehr Ergebnis einer Bestimmung dessen, was entwürdigend ist. Zur
Entwürdigung gehört immer auch eine jedenfalls für einen objektiven Beobachter
verächtlich und abschätzig wirkende „Behandlung“ des Betroffenen. Diese kann
bereits im verächtlich oder abschätzig wirkenden Ansehen bzw. Beobachten des
Betroffenen in einer intimen oder hilflosen Situation bestehen.

3
Vgl. die verfassungsrechtliche Vorgabe, § 8, IV, 1, b).
4
Vgl. Anm. in Bsp. 8 § 7, III, 2, b).
I. Schutzauftrag des Staates gegen sich selbst aus Art. 1 Abs. 1 GG 295

b) Risikoverringerung durch „Kernbereichsschutz“

Verfolgen die Ermittlungsbehörden bei der verdeckten Überwachung verfassungs-


mäßige Zwecke und ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme solchen Verhaltens auf
ein Minimum reduziert, ist die dennoch erlangte Kenntnis nicht in entwürdigen-
der Weise gewonnen worden. Die Maßnahme ist nicht entwürdigend, obwohl die
Kenntnisnahme sogar als Restrisiko eingeplant wurde, weshalb man wenn man
trotz der Unerwünschtheit von einem billigenden „In-Kauf-Nehmen“ im Rechts-
sinne ausgehen muss.
Wenn der Gesetzgeber Verfahren wie die verdeckten strafprozessualen Ermitt-
lungsmaßnahmen regelt, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Beobachtung
kernbereichsrelevanter Verhaltensweisen. Im Fall der verdeckten Ermittlungsmaß-
nahmen kann nicht mehr von einer zufälligen Kenntnisnahme gesprochen werden,
insbesondere, aber nicht nur, wenn diese in Wohnungen stattfinden. Die Kenntnis-
nahme ist nicht zufällig und unvermeidbar, wenn der Staat Vorsorge gegen eine sol-
che unerwünschte Kenntnisnahme trifft. Das kann geschehen, indem er dafür sorgt,
dass erlangte Kenntnisse nicht weiter verwendet und angefallene Daten gelöscht
werden. Die schwache Finalität einer auf Vermeidung gerichteten aber Restrisiken
einplanenden Observation ist nicht ausreichend, um diese Beobachtung als „ent-
würdigend“ zu bewerten.

1. Kein absolutes Verbot finaler Beobachtung des Kernbereichs

Ein zufälliger oder berechenbarer aber unvermeidbarer Einblick in den Kernbereich


ist keine entwürdigende Behandlung.5
Der Kernbereichsschutz ist aber nur in wenigen Vorschriften der verdeckten Er-
mittlungsmaßnahmen ausdrücklich geregelt und zwar in § 100a Abs. 4 und 100c
Abs. 4 StPO. Diese nur punktuelle Regelung des Kernbereichsschutzes wirft die
Frage auf, ob damit eine ausreichende Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vor-
gaben des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG erfolgt ist. Ermöglichen die Regelungen Eingriffe

5
Ein wissentlicher oder absichtlicher Einblick in der Kernbereich ist jedenfalls dann nicht ent-
würdigend, wenn er Rettungszwecken dient. Das ist aber kein Fall der bei den strafprozessualen
Ermittlungen eintritt. Bei den Eingriffen in die vorbehaltlich gewährleisteten Grundrechte, welche
dem Art. 1 GG nachfolgenden, entspricht dies einem vorsätzlichen Eingriff. Bei diesen „norma-
len“ Grundrechten wäre er gerechtfertigt, wenn er verhältnismäßig ist. In der Sache findet so eine
Art Verhältnismäßigkeitsprüfung statt, die aber der Eingriffs- bzw. der Verletzungsabgrenzung
dient. Im Gegensatz zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist der Maßstab für das zulässige Rest-
risiko des Ein-„blicks“ in den Kernbereich auf Optimierung gerichtet. Je höher das Restrisiko ist,
desto restriktiver muss das Schutzkonzept sein. Vergleiche zu den geforderten vor- und nachträgli-
chen Sicherungsmaßnahmen im Detail, § 15, III. Bei der Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen der
„echten“ Verhältnismäßigkeitsprüfung müsste nicht auf weniger effektive Maßnahmen zurückge-
griffen werden. Für die Anpassung des Restrisikos gilt unmittelbar ein Angemessenheitsmaßstab,
der weniger effektive Maßnahmen verlangt.
296 § 15 Kernbereichsschutz

in den Kernbereich, ohne entsprechende Sicherungen aufzustellen, sind sie verfas-


sungswidrig.6

2. Allgemeine Anforderungen an den Schutz des Kernbereichs

Die Kernbereichsbetroffenheit ist durch den Bezug zu konkreten Straftaten ausge-


schlossen. Der Einzelne kann aber weitgehend selbst entscheiden, was für ihn zum
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehört. Daher liegt ein gewisses Risi-
ko einer Fehleinschätzung durch die Ermittlungsbehörden darin, dass in der Praxis
schwer zu unterscheiden ist, unter welchen Umständen ein Bezug zu konkreten
Straftaten besteht und unter welchen es sich nur um private Inhalte handelt.7 Das
damit „verbundene Risiko des Eingriffs in den Kernbereich privater Lebensgestal-
tung“ kann verfassungsrechtlich hingenommen werden. Bedingung dafür sind nach
dem BVerfG entsprechende Sicherungsvorkehrungen zur Vermeidung der Kernbe-
reichsverletzung.8 Für die Vermeidung der Gefahr, Persönlichkeitsprofile zu erstel-
len, gelten danach auch besondere Schutzvoraussetzungen, die aber nach Ansicht
des BVerfG bereits de lege lata eingehalten seien.9 Das Bundesverfassungsgericht
hat für die Wohnraumüberwachung10 ein detailliertes Konzept ausgearbeitet, das
den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gewährleistet. Dieses zwei-
stufige Konzept verlangt vom Gesetzgeber vordringlich zu verhindern, dass die
Ermittlungsbehörden kernbereichsrelevante Daten erheben. Das gilt auch für an-
dere Fälle, in denen der Kernbereich gefährdet sein kann. Dogmatisch hinterlässt

6
Dass staatliche Behörden über das verfassungsrechtlich Erlaubte hinaus auch in den Kernbereich
eingreifen und daher Regelungen zum Kernbereichsschutz erforderlich sind, zeigt ein Beispiel aus
Bayern: In diesem Fall wurde gegen Personen aus dem neonazistischen Milieu wegen Straftaten
gegen das Waffengesetz ermittelt (Vgl. die Schilderung des Falles durch Zypries). Das Schlaf-
zimmer eines Verdächtigen wurde nach dem verfassungswidrigen § 100c a. F. StPO mit einer
Kamera optisch und akustisch überwacht. Als sog. „Zufallsfund“ wurden Vorbereitungen zu ei-
nem Anschlag gegen die Grundsteinlegung einer Synagoge entdeckt. In der politischen Bewertung
heiligen die Ergebnisse das Mittel. So äußerte sich der damalige Innenminister im Nachhinein
in einem Interview, merkur-online.de, 15.11.11: „Keine Versäumnisse? Im Gegenteil: Wir sind
bei Rechtsextremisten härter vorgegangen als bei Linksextremisten – weil die Zustimmung in
der Bevölkerung hier viel größer ist. Manchmal gingen wir sogar weiter, als der Rechtsstaat
eigentlich erlaubt. Was meinen Sie? Es ging um den geplanten Anschlag auf die Grundsteinle-
gung der Münchner Synagoge. Da haben wir einem der Hauptverdächtigen eine Videokamera im
Schlafzimmer installiert. Ich habe das damals besten Gewissens angeordnet, aber das Bundesver-
fassungsgericht hat im Nachhinein festgestellt, dass es sich beim Schlafzimmer um einen absolut
geschützten Bereich handelt, in dem eine Überwachung per Videokamera unzulässig ist. Aber nur
durch diese Videokamera haben wir festgestellt, wo sich der Sprengstoff befindet.“
7
Vgl. § 8, IV, 2, a), aa).
8
BVerfGE 109, 279, 331 ff.
9
BVerfGE 112, 30, 319 f und ausführlich § 35.
10
Das BVerfG sieht – jedenfalls in der Wohnung – keinen Unterschied zwischen dem Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung des Wohnungsinhabers und dem des Gastes, vgl. BVerfGE 109,
279, 311, 325.
II. Formale und inhaltliche Kriterien des Kernbereichsschutzes 297

dieses Schutzkonzept Fragen: Ist der „Kernbereichsschutz“ keine Frage der Kern-
bereichsverletzung, sondern betrifft er die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die
Privatsphäre und in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung? Oder lässt
das BVerfG mit dem Schutzkonzept eine Missachtung der Menschenwürde zu? Ent-
fällt die Missachtung der Menschenwürde, nur weil dagegen Schutzvorkehrungen
getroffen wurden? Wie wäre Letzteres logisch zu erklären?
Im Ergebnis ist die Ansicht des BVerfG so zu deuten, dass eine unbeabsichtigte
Kenntnisnahme von kernbereichsrelevantem Verhalten keine Verletzung des Ach-
tungsanspruchs sein soll. Das BVerfG legt an dieser Stelle implizit die Finalität aus
dem klassischen Eingriffsbegriff als Bedingung für eine Verletzung des Kernbe-
reichs zugrunde.

II. Formale und inhaltliche Kriterien des Kernbereichsschutzes

Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung kann an formale, d. h. äuße-


re Kriterien anknüpfen, indem etwa das Eindringen in Wohnungen oder das Über-
wachen des Kontakts mit bestimmten Personen (geistlicher Seelsorger oder Ver-
teidiger) verboten wird, ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich in diesen
Räumen kernbereichsrelevantes Verhalten stattfindet oder ob mit der Bezugsper-
son tatsächlich kernbereichsrelevante Inhalte besprochen werden. Ein anderer Weg
besteht darin, zwar zu gestatten, bestimmte tatsächliche Privatbereiche wie die Tele-
kommunikation der Überwachung zu öffnen, aber wenn die Kommunikation inhalt-
lich Kernbereichsthemen betrifft, die Kommunikationsüberwachung zu verbieten.
Es ist hier für den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich zwingend, eines der bei-
den Konzepte zu bevorzugen, er muss nur für ausreichenden Schutz sorgen.

III. Zeitlich zweistufiges Schutzkonzept des BVerfG

Das BVerfG hat für Art. 10 GG,11 Art. 13 GG12 und nun auch für das Computer-
grundrecht13 ein in einen vor- und einen nachträglichen Kernbereichsschutz geteil-
tes Konzept entwickelt:
1. Danach muss zunächst darauf hingewirkt werden, dass die Erhebung kernbe-
reichsrelevanter Daten unterbleibt, „soweit wie informationstechnisch und er-
mittlungstechnisch möglich.“ Entscheidend sind dabei konkrete Anhaltspunkte
des Einzelfalls. Wenn der Betroffene kernbereichsrelevante Inhalte mit Infor-
mationen über das konkrete Ermittlungsziel verbindet, um eine Überwachung
zu vermeiden, ist die Überwachung trotzdem zulässig.

11
BVerfGE 113, 348, 391 f.
12
BVerfGE 109, 279, 324.
13
BVerfGE 120, 274, 339.
298 § 15 Kernbereichsschutz

2. Wenn diese Anhaltspunkte nichts Konkretes für eine Kernbereichsbetroffenheit


hergeben, müssen die angefallenen Informationen „in einem geeigneten Ver-
fahren“ trotzdem nachträglich auf kernbereichsrelevante Inhalte durchgesehen
werden. Diese müssen gelöscht werden. Sowohl Weitergabe als auch Verwer-
tung sind nicht gestattet.

IV. Fragmentarische Regelung des Kernbereichsschutzes


in der StPO

Das zweistufige Schutzkonzept des BVerfG ist auf den gesamten Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung anzuwenden. Der Gesetzgeber hat ein zweistufiges Kon-
zept für den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung an einigen Stellen in der
StPO entwickelt, um diese Anforderungen des BVerfG zum Kernbereichsschutz zu
erfüllen.14

1. Erste Schutzstufe

a) Maßnahmegebundene Schutzklauseln

Auf der ersten Schutzstufe ist in §§ 100a Abs. 4, 100c Abs. 4 StPO der Kernbe-
reichsschutz unter anderem durch eine den Ermittlungsbehörden auferlegte Pflicht
zur Unterlassung der Maßnahme bei zu vermutender Kernbereichsbetroffenheit ge-
währleistet. In anderen Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungs-
maßnahmen fehlt diese Stufe. Ob diese Regelungen verfassungswidrig sind, hängt
davon ab, ob die Maßnahmen ihrer Art nach so ungefährlich für den Kernbereich
der persönlichen Lebensgestaltung sind, dass keine besonderen Schutzvorkehrun-
gen notwendig sind. Das ist aber eine Frage der einzelnen Regelungen, die jeweils
am geeigneten Ort weiter unten in dieser Arbeit geklärt wird.

b) § 160a StPO

aa) § 160a Abs. 1 StPO

Nach § 160a Abs. 1 StPO ist die Verwertung von Erkenntnissen aus Ermittlungs-
maßnahmen, die zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgruppen nach 53 Abs. 1
S. 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 StPO genannte Person, einen Rechtsanwalt, eine Person
nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung StPO betreffen, nicht erlaubt, wenn
diese Personen auch im konkreten Fall das Zeugnis verweigern dürften. Auch die

14
BVerfGE 109, 279, 311, 325.
IV. Fragmentarische Regelung des Kernbereichsschutzes in der StPO 299

fragmentarische Regelung des § 160a StPO füllt aber nach hier vertretener Ansicht
die Schutzlücken nicht vollständig. Die Reglung des § 160a Abs. 1 StPO bietet nur
einen nachträglichen Schutz und erfasst nicht alle Situationen, in denen Einblick in
den Kernbereich genommen wird.

bb) § 160a Abs. 2 StPO

Ähnlich wie § 160a Abs. 1 StPO für den Kontakt mit Berufsgeheimnisträgern ist
in § 160a Abs. 2 StPO der Kernbereichsschutz für die Kommunikation mit Ange-
hörigen nur ansatzweise allgemein geregelt. In diesem Fall greift der Schutz nicht
nur nachträglich hinsichtlich der Verwertung der Erkenntnisse, sondern bereits vor
der Ermittlungsmaßnahme ein. § 160a Abs. 2 StPO erfasst die vor einer Ermitt-
lungsmaßnahme deutlich werdende Gefahr, dass der Kernbereich berührt werden
könnte. Ob vor jeder Maßnahme eine Prüfung durchzuführen ist, bleibt unklar. Ent-
scheidend ist, dass Kommunikation mit den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b
oder Nr. 5 genannten Personen zu erwarten ist, das Erkenntnisse anfallen, über
welche die genannten Personen das Zeugnis verweigern dürften. Die Maßnahme
muss von vornherein unterbleiben, wenn eine Verhältnismäßigkeitsabwägung dies
nahelegt („soweit geboten“). „Soweit [. . . ] möglich“, ist die Maßnahme zu be-
schränken. Dieser Verweis auf eine allgemeine Prüfung der Verhältnismäßigkeit
kann verfassungsrechtlich nicht richtig sein, jedenfalls wenn § 160a Abs. 2 StPO
eine abschließende Regelung des Kernbereichsschutztes sein soll. Denn der Kern-
bereichsschutz dient der Sicherung der unabwägbaren Menschenwürde und darf
daher gerade nicht einer Abwägung unterliegen. Zudem ist die Gruppe der Perso-
nen in § 160a Abs. 2 StPO eng begrenzt. Wie oben gezeigt, hängt die Möglichkeit
der Kernbereichsbetroffenheit aber von den Umständen des Einzelfalls ab.15
Das BVerfG hat in einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden, dass die Vor-
schrift des § 100a StPO auch hinsichtlich des Kernbereichsschutzes verfassungsge-
mäß ist und klargestellt, dass die Regelungen des § 160a Abs. 1 StPO dem Schutz
der Menschenwürde dient, soweit sie ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus
dem Bereich zeugnisverweigerungsberechtigter Personen enthält und die Gesprä-
che mit Familienangehörigen betrifft, § 160 Abs. 2 StPO.16
Eine vollständige Regelung der oben genannten verfassungsrechtlichen Vorga-
ben des Kernbereichsschutzes17 ist in der Vorschrift des § 160a StPO jedoch nicht
enthalten.

15
Vgl. § 8, IV, 2, c).
16
BVerfG EuGRZ 2011, 696, 712.
17
Vgl. § 15, I, 2.
300 § 15 Kernbereichsschutz

Tab. 3 Anordnungs- und Genehmigungsfristen für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

Anordnungsfristen § StPO Genehmigungsfristen § StPO

3 Monate 100a, 100g, 100f, Gerichtlich nach Eil- Alle verdeckten Maß-
(163f, 100i verweisen fall 3 Werktage nahmen
in 100b)
1 Monat, ab dem 6. 100c
Monat durch OLG

c) Anordnung- und Genehmigungsfristen

Viele der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen dürfen nur befristet


angeordnet18 werden, vgl. Tab. 3:
Die in der Tabelle genannten Anordnungsfristen dienen dem Schutz des Kern-
bereichs, da durch die Befristungen das Herstellen von Bewegungs- und Persön-
lichkeitsprofilen19 erschwert wird. Eine absolute Höchstfrist ist jedoch selbst im
Fall des § 100c i. V. m. § 100d Abs. 1 S. 4 StPO nicht vorgesehen. Nach dem
Gesetzeswortlaut ist daher eine theoretisch nie endende, durchgehende Überwa-
chung des Betroffenen im Ermittlungsverfahren zulässig. Die Befristungen sind
daher hinsichtlich des Kernbereichsschutzes funktionell als Missbrauchskontrolle
der Staatsanwaltschaft durch das Ermittlungsgericht zu verstehen. Dies gilt eindeu-
tig auch für die Genehmigungsfristen, nach denen ein aus Dringlichkeitsgründen
versäumte Entscheidung des Ermittlungsgerichts nachgeholt werden muss.20

2. Zweite Schutzstufe

a) Maßnahmegebundene Löschungspflichten

Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maß-
nahme nach § 100a Abs. 1 StPO erlangt wurden, dürfen nach § 100a Abs. 4 StPO
nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen.
Entsprechendes gilt leicht abgewandelt für § 100c Abs. 1, Abs. 5 S. 2 StPO. In
der Praxis können Informationen über kernbereichsrelevante Inhalte kaum von In-
formationen über konkrete Straftaten zu trennen sein. So kann sich ein Gespräch
über intime Details aus dem Privatleben in wenigen Worten zu einem Gespräch
über konkrete Straftaten wandeln. § 100a Abs. 4 StPO schafft hier Vorsorge, indem
danach nur von einer Überwachung abzusehen ist, wenn zu befürchten ist, dass „al-

18
Anordnungsfristen laufen immer ab Anordnung. Es gibt also keine Vorratsfristen.
19
Vgl. § 8.
20
Diese Fristen dienen auch der vorbeugenden Sicherung des Grundrechts auf rechtliches Gehör
nach Art. 19 Abs. 4 GG, da die dem Betroffenen faktisch abgeschnittene Möglichkeit des Rechts-
behelfs teilweise durch die vorgreifliche Prüfung des Gerichts ersetzt wird, vgl. § 8, VIII, 1.
IV. Fragmentarische Regelung des Kernbereichsschutzes in der StPO 301

lein“ kernbereichsrelevante Inhalte erörtert werden. Die Aufzeichnung ist außerdem


bei entsprechenden Anhaltspunkten nachträglich auf kernbereichsrelevante Inhalte
durchzusehen, die zu löschen sind. Dabei ist eine Teillöschung der Aufzeichnungen
mit entsprechenden Computerprogrammen möglich und zulässig.21

Beispiel 43 A ruft seine in München wohnende Frau aus Hamburg an. Er berichtet
ihr bei dem überwachten Telefongespräch, dass er eine urologische Erkrankung hat
und dass sie seinem Abnehmer ausrichten solle, dass er das Heroin erst eine Woche
später übergeben könne.

§ 100c Abs. 5 S. 1 StPO verfügt wegen der Simultanüberwachung durch Er-


mittlungsbeamte eine unverzügliche Unterbrechung, wenn kernbereichsrelevante
Inhalte unbeabsichtigt abgehört werden. Die Beschränkungen der Überwachungs-
maßnahmen durch Regelungen zum Kernbereichsschutz gelten allerdings nicht,
wenn die kernbereichsrelevanten Informationen nur vorgetäuscht werden. Wenn
Betroffene die Kernbereichsschutzklauseln missbrauchen, fallen redundante Infor-
mationen an. Diese werden in der Praxis oft nicht von Informationen zu unterschei-
den sein, die tatsächlich den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen und
der Tataufklärung dienen.

Beispiel 44 Der Drogenhändler B telefoniert mit seinem mutmaßlichen Komplizen


C. B teilt C mit, dass er sehr aufgeregt sei, weil „die Alte schwanger ist“ (wörtlich)
und die Geburt seines Kindes am 18.2.2012 im Krankenhaus stattfinden wird. Dies
ist aber ein nur zwischen B und C vereinbarter Sprachcode. In Wirklichkeit geht es
darum, dass eine größere Drogenlieferung am 18.2.2012 an einem bestimmten Ort
erfolgen soll.

Besteht der konkrete Verdacht auf eine Vortäuschung kernbereichsrelevanter In-


formationen, ist die Löschung der gespeicherten Inhalte nach Aufklärung des Vor-
täuschungsverdachts der Vermeidung von Informationserhebung vorzuziehen. Die
Maßnahme könnte sonst durch versierte Verdächtige leicht umgangen werden, in-
dem etwa angebliche Informationen aus dem privaten Kernbereich in das Gespräch
eingestreut werden. Sogar die Nutzung einer kodierten Sprache aus Versatzstücken
mit Kernbereichsbezug wäre möglich. Gerade die Zweistufigkeit des Kernbereichs-
schutzes lässt hier bei Zweifeln zunächst eine Speicherung und dann eine Untersu-
chung der Informationen zu. Es handelt sich auch nicht um einen entwürdigenden
Eingriff in den Kernbereich, wenn sich später wider Erwarten herausstellt, dass der
Verdacht unbegründet war und es sich tatsächlich um kernbereichsrelevante Infor-
mationen handelt.22 Es gibt also kein absolutes Verbot, bei einem entsprechenden
Umgehungsverdacht Informationen zu erheben und zu speichern, die oberflächlich
betrachtet den Kernbereich betreffen.

21
Dass dies den Beweiswert der Aufzeichnung vor Gericht im Vergleich zu einer vollständigen
Aufnahme mindern wird, ist eine andere Frage. Dem Gericht ist jedenfalls die Dauer und der
Abschnitt der Löschung mitzuteilen.
22
Vgl. dazu § 15, I, 0, b).
302 § 15 Kernbereichsschutz

b) Allgemeine und spezielle Löschungspflichten

§ 101 Abs. 8 StPO enthält eine spezielle Löschungspflicht für verdeckte Ermitt-
lungen und § 489 Abs. 2 StPO eine allgemeine Löschungspflicht. Diese Klauseln
können aber allein keinen Kernbereichsschutz garantieren.23

c) Kernbereichsschutz durch Beweisverwertungsverbot

Ein Teil der zweiten, nachträglichen Stufe des Kernbereichsschutzes ist die Re-
gelung eines an die Kernbereichsbetroffenheit anknüpfenden Beweisverwertungs-
verbots. Wenn eine verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme rechtswidrig
erfolgt, kann dieser nicht gerechtfertigte Eingriff noch vertieft werden, indem die
gewonnenen Erkenntnisse zu Beweiszwecken im Strafprozess verwertet werden.
Beweisverwertungsverbote sind nur punktuell in der StPO geregelt.24
Bei einer Verletzung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung sieht
§ 100a Abs. 4 S. 2 StPO allerdings ein spezielles Verwertungsverbot vor. Wenn
der Gesetzgeber dieses Mittel für den Kernbereichsschutz in § 100a StPO vorsieht,
besteht kein Grund in anderen Fällen, bei denen ebenfalls die Gefahr einer Kern-
bereichsbetroffenheit besteht, auf diesen Schutz zu verzichten. Regelungen anderer
verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen sind daher ebenfalls mit ei-
ner solchen Klausel zu versehen, wenn die Gefahr einer Kernbereichsbetroffenheit
nicht deutlich geringer sein sollte. Ein entsprechendes Verwertungsverbot muss von
Verfassungs wegen allgemein für alle Verletzungen des Kernbereichs bestehen.

23
Zu den Bestimmungen und ihrer Funktion im Einzelnen, vgl. gesondert § 18, III.
24
Der allgemein als hochproblematisch und ungeregelt geltende Zustand des Beweisverwertungs-
rechts ist zumindest für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen im Hinblick auf
Verhältnismäßigkeit und Normenbestimmtheit bedenklich. Auch die grundrechtsdogmatische Be-
gründung eines eventuellen Verbots ist noch unklar, vgl. Hermes in: Dreier, GG2 , Art. 13 Rdn. 42
m. w. N. Die Probleme der Beweisverwertungsverbote sind aber kein zu klärendes Spezifikum
der Regelungen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen. Auch der insoweit in Frage
kommende § 136a Abs. 1 StPO kann nicht speziell für die verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen (verfassungskonform) so ausgelegt werden, dass unrechtmäßige verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen seiner Täuschungsalternative unterfallen, denn eine tatbestandliche Täu-
schung kann nicht von der Berechtigung des Täuschenden abhängen. Rechtmäßige verdeckte
Ermittlung sind – soweit sie überhaupt Täuschungscharakter haben, was in der Regel verneinen
ist – Ausnahmen vom Täuschungsverbot. Vgl. zum Problemkomplex die Lösungen von Jäger
bezüglich unselbstständiger Verwertungsverbote speziell bei verdeckten strafprozessualen Ermitt-
lungen Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 169 ff. (zu
Hörfallen und V-Personen u. 204 ff. zu den §§ 100a ff. StPO); Hanack, StV 1998, S. 527; Händel,
NJW 1964, S. 1139, bezüglich der Privatsphäre allgemein; Brenner; Wolfslast, NStZ 1987, S. 103;
Prittwitz, StV 2009, S. 437; Rothfuß, StraFo 1998, 289 ff. Eine harmonische Integration des Grund-
satzes der Mitwirkungsfreiheit in eine Strafverfahrenswirklichkeit, die den systematischen Einsatz
von Verdeckten Ermittlern und V-Leuten kennt, sei nicht möglich, vgl. Weßlau, ZStW, Bd. 110,
S. 1 ff.
IV. Fragmentarische Regelung des Kernbereichsschutzes in der StPO 303

Ein solches allgemeines verfassungsrechtliches Verwertungsverbot ist aber für


die weiteren Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
nicht geregelt.

3. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines allgemeinen


gesetzlichen Kernbereichsschutzkonzepts in der StPO

Soweit die Möglichkeit besteht, dass eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme zu ei-


nem Einblick in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung führt, muss ein
Kernbereichsschutzkonzept bestehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich dies
Möglichkeit realisier, auf ein Minimum reduziert. Ein Grund dafür, dass einige der
verschiedenen Regelungen der verdeckten Maßnahmen nicht über das oben dar-
gestellte Schutzkonzept verfügen müssen, besteht nur, wenn die Regelungen nach
ihrer Art keine Gefahr für den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung darstel-
len oder über ein qualitativ gleichwertiges anderes Schutzkonzept verfügen. Dies
wird jeweils für die einzelnen Maßnahmen zu prüfen sein.25 Zunächst ist aber zu
klären, ob nicht ein allgemeiner ungeschriebener Grundsatz des Kernbereichsschut-
zes über Art. 1 Abs. 1 GG direkt in der StPO gilt und die bestehenden Lücken im
Kernbereichsschutz – zum Beispiel in § 100f oder 100h StPO – schließt.

a) Ansicht des BVerfG

Auch das BVerfG geht wie die hier vertretene Ansicht davon aus, dass der Kern-
bereich nach dem von ihm selbst entwickelten Konzept geschützt werden muss.
Das BVerfG hat seine oben dargestellte Rechtsprechung zum Kernbereichsschutz
aber kürzlich selbst in Frage gestellt. Zwar ist es nicht davon abgewichen, dass
der Schutz bestehen muss, doch sieht das Gericht ein solches Schutzkonzept oh-
ne Angabe einer Vorschrift der StPO als im Strafverfahren geltendes Recht an.
Das BVerfG nennt lediglich Art. 1 Abs. 1 GG, der offenbar ohne gesetzgeberische
Umsetzung unmittelbare Wirkung im Strafverfahren haben soll. Dieser allgemeine
Grundsatz sei auch im Rahmen der §§ 94 ff. StPO von den Rechtsanwendern zu
berücksichtigen.26

b) Eigene Ansicht

Eine direkte lückenfüllende Wirkung des Kernbereichsschutzkonzepts in der StPO


ist entgegen der oben genannten Ansicht des BVerfG27 abzulehnen.

25
Vgl. zum Beispiel § 21, II, 1.
26
BVerfGE 124, 43, 69 f.
27
BVerfGE 124, 43, 69 f.
304 § 15 Kernbereichsschutz

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, den verfassungsrechtlich gebotenen Kernbe-


reichsschutz adäquat abstrakt-generell, also in einem Gesetz, umzusetzen. Dies ist
nicht Aufgabe der rechtsanwendenden Exekutive oder der Gerichte. Die Exeku-
tive muss die erlassenen Gesetze beachten und so das Schutzkonzept in die Tat
umsetzen. Alles andere widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der
vom BVerfG selbst aufgestellten „Wesentlichkeitstheorie“28 hinsichtlich der Grund-
rechtseingriffe. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Rechtssicherheit
muss der Gesetzgeber klar und eindeutig Befugnisse und Schranken der Exekutive
regeln, soweit es um Maßnahmen geht, die in Grundrechte eingreifen. Das gera-
de der Kernbereichsschutz, der die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG vor
Missachtung schützt, „unwesentlich“ sein soll, kann nicht überzeugen. Das Gegen-
teil ist der Fall. Gerade eine solche Regelung muss durch den Gesetzgeber erfolgen.
Insoweit gelten die Ausführungen zur Ablehnung der unmittelbaren Wirkung des
Verhältnismäßigkeitsprinzips in der StPO entsprechend.29 Auch eine analoge An-
wendung des § 100a Abs. 4 S. 2 StPO ist abzulehnen, da erst mit der Reform
von 200730 für mehrere Vorschriften Verweisungen auf diese Regelung erlassen
wurden. Von einer unbewussten Lücke kann daher nicht ausgegangen werden. Ent-
sprechende Vorschriften ohne Beweisverwertungsverbot für kernbereichsrelevante
Erkenntnisse sind daher verfassungswidrig.
De lege ferenda wäre ein allgemeines Verwertungsverbot für kernbereichsre-
levante Erkenntnisse in § 101 StPO zu regeln. Eine nur partielle Regelung in
§ 100a und § 100c StPO ist für den gesamten Regelungsbereich der verdeck-
ten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen verfassungsrechtlich gesehen nicht
ausreichend.

4. Notwendigkeit einer dritten Stufe: Missbrauchsschutz?

Werden diese Anforderungen umgesetzt, ist eine Missachtung der Menschenwür-


de ausgeschlossen. Allerdings sind die Personen, denen etwa die Auswertung von
Telekommunikationsdaten (Gesprächen, E-Mails, etc.) obliegt, nicht daran gehin-
dert, aus Übereifer oder privatem Interesse trotzdem Einblick in den Kernbereich
zu nehmen, vgl. dazu das obige Fallbeispiel, indem eine Polizeibeamtin das Privat-
leben der Beschuldigten aus voyeuristischem Interesse vorschriftswidrig mit den
Mitteln der Telekommunikationsüberwachung verfolgt.31 Dem könnte nur dadurch
ein Riegel vorgeschoben werden, dass der Richter selbst – ähnlich wie bei der Post-
beschlagnahme – die Auswertung beginnen oder vollständig überwachen muss. Die
überwachenden Beamten würden dann ihrerseits überwacht. Eine solche Maßnah-

28
BVerfGE 33, 125; BVerfGE 47, 46; 49, 89; BVerfGE 83, 130, 152; BVerfG NJW 1998, 2515,
2520; in der Sache auch BVerfGE 110, 141, 175 f. Vgl. ausführlich § 9, I, 2, a).
29
Vgl. § 6; § 20, III.
30
Vgl. § 5, V.
31
Vgl. § 88, I, 4.
V. Zwischenergebnis 305

me überfordert nach hier vertretener Ansicht aber die Mittel der Judikative und
trägt nur unverhältnismäßig wenig zur Vermeidung von Missbrauchsfällen bei. Sie
findet auf die Spitze getrieben letztlich kein Ende – Wer soll den Richter kontrollie-
ren? Wer überwacht dessen Kontrolleur? Zudem ist auch beim weit gefährlicheren
Führen einer Schusswaffe durch die Ermittlungsbeamten keine richterliche Auf-
sicht notwendig, um Missbrauch zu vermeiden. Alternativ wären verschärfte Diszi-
plinarmaßnahmen zur Abschreckung denkbar. Das ist aber nur zusammen mit der
generellen Frage zu beantworten, wie auf rechtswidriges Verhalten von einzelnen
Beamten angemessen reagiert werden muss und nicht Thema dieser Arbeit.
Schon im Hinblick auf das auch hier vertretenen zweistufige Schutzkonzept sind
die Anforderungen an die beteiligten Beamten nicht zu überspannen. Die in einer
Verfassungsbeschwerde vorgetragene Ansicht, dass insbesondere bei der Telekom-
munikationsüberwachung, entsprechend § 100c Abs. 4 StPO eine Simultanüber-
wachung und keine Aufzeichnung zum Kernbereichsschutz notwendig sei, wurde
durch das BVerfG mit überzugenden Gründen abgelehnt:32 Eine solche Überwa-
chung wäre bei der Beteiligung von Ausländern wegen der Übersetzungsschwie-
rigkeiten und der Möglichkeit eines nur vorgetäuschten Kernbereichsgespräch nicht
zwingend.

V. Zwischenergebnis

Der Kernbereichsschutz muss für alle Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen


Ermittlungsmaßnahmen nach dem zweistufigen Schutzkonzept des BVerfG geregelt
werden. Danach muss vor der Durchführung der Maßnahmen Vorsorge getroffen
werden, dass diese bei wahrscheinlicher Kernbereichsbetroffenheit unterbleiben.
Nachträglich müssen Informationen, die aus dem Kernbereich stammen aber trotz
größter Vorsicht unvermeidbar anfallen, gelöscht und die entsprechende Verwer-
tung als Beweis verboten werden. Rechtsschutz muss durch Informationspflichten
und einen Rechtsbehelf ermöglicht werden. Regelungen, die dem nicht entspre-
chen, sind verfassungswidrig. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Maßnahmen ihrer
Art nach keine Gefahr für den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung darstellen
oder gleichwertigen Schutz auf andere Weise bieten.

32
BVerfG EuGRZ 695 ff.
§ 16 Anordnungskompetenzen

Die Entscheidung, ob eine verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme


durchgeführt wird, erfolgt durch eine gerichtliche oder ermittlungsbehördliche An-
ordnung. Die Anordnungskompetenzen sind weitgehend vereinheitlicht. Die vom
Gesetzgeber als besonders belastend eingestuften verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen stehen unter Richtervorbehalt. Der Richtervorbehalt ist bei
genauerer Analyse eine Umsetzung des Erforderlichkeitsprinzips. Die Anordnung
durch das Gericht ist grundsätzlich das mildere Mittel im Vergleich zur Anordnung
durch Staatsanwaltschaft und Polizei. Das Gericht übt eine Missbrauchskontrolle
aus. Daher gestaltet sich die Maßnahme gegenüber der Anordnung aus der Sphä-
re der weisungsgebundenen Behörden als weniger grundrechtsgefährdend. Durch
die zwingende richterliche Vorprüfung werden die Folgen des Eingriffs in Art. 19
Abs. 4 GG soweit wie möglich minimiert. Der Betroffene hat regelmäßig keine
Kenntnis von der heimlichen Maßnahme und kann die bevorstehende oder lau-
fende Maßnahme nicht durch einen Rechtsbehelf verhindern. Denn nur mit einem
Rechtsbehelf kann er seine eigenen rechtlichen Monita geltend machen. Dieser
Mangel rechtlichen Gehörs wird teilweise dadurch ausgeglichen, dass das Ermitt-
lungsgericht ohne Anhörung des Betroffenen prophylaktisch über die Anordnung
entscheiden muss.1 Es ist für die Effizienz der Maßnahme nicht erforderlich, dem
Betroffenen gar keinen gerichtlichen Schutz bis zum Ende der Maßnahme zu
gewähren. Diese besondere Art eines „In-camera“-Verfahrens stellt sich als schwä-
cherer Rechtsschutz im Vergleich zur öffentlichen Verhandlung dar, bei der der
Betroffene zudem seine Einwände einbringen kann.
Für die Maßnahme nach § 100c StPO gilt nach § 100d Abs. 1 StPO ein uneinge-
schränkter und qualifizierter Richtervorbehalt. Für Maßnahmen nach §§ 100a, 100g,
100f, 98a StPO ist subsidiär die Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft in § 100b
StPO gegeben. § 100i Abs. 3 StPO verweist insoweit in § 100b StPO. Für § 100f
StPO stellt das seit 2008 eine Neuerung dar, ist aber systematisch konsequent, da die
Belastung der Grundrechte bei diesem hier so genannten „kleinen Lauschangriff“
nicht geringer wiegt als bei einer Telefonüberwachung. Nur weil einmal das Grund-

1
Vgl. § 8, VIII, 1.
T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 307
DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
308 § 16 Anordnungskompetenzen

recht auf Freiheit von Einschüchterung bzw. das Recht auf Privatsphäre und das
andere Mal Art. 10 GG betroffen ist, wird der Betroffene noch nicht unterschiedlich
stark belastet. Bezüglich der Eingriffsintensität sind beide Maßnahmen grundsätz-
lich gleichwertig. Eine subsidiäre Anordnungskompetenz für Ermittlungspersonen
der Staatsanwaltschaft nach § 152 GVG besteht nur noch für Fälle der Daten-
speicherung bei Grenzkontrollen nach § 163d Abs. 2 StPO2 und der langfristigen
Observation nach § 163f StPO. Für den Verdeckten Ermittler gilt nach § 110b
Abs. 1 StPO die Besonderheit, dass die Staatsanwaltschaft dem Vorschlag der Poli-
zei zustimmen muss. Für Einsätze, die sich gegen einen bestimmten Beschuldigten
richten oder bei denen eine Wohnung betreten wird, ist die Zustimmung des Ge-
richts notwendig, § 110b Abs. 2 StPO. Die Staatsanwaltschaft ist wiederum nur im
Eilfall für die Zustimmung zuständig. Für Maßnahmen nach § 100h StPO besteht
eine originäre Zuständigkeit der Polizei. Nach der gesetzlichen Vorstellung steht sie
unter Leitung der Staatsanwaltschaft.

I. Aufgabe des Gerichts bei der Anordnung

Die Anordnungskompetenz für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-


nahmen liegt im Wesentlichen in Händen der Ermittlungsgerichte. Wenn nicht Zwe-
cke der Strafverfolgung eine verdeckte strafprozessuale Maßnahme bedingen, kann
sie zu privaten oder politischen Zwecken missbraucht werden. Gerade letzterer
Fall ist durch die Historie der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen3 eine besonders
beängstigende Vorstellung. Die Bürger können sich wegen der Heimlichkeit der
Maßnahme nicht selbst vor der Überwachung schützen, deshalb ist der Grund-
rechtsschutz auf ein möglichst objektives staatsinternes Anordnungsverfahren zur
Sicherung der Legitimität der Maßnahmen angewiesen.
Die verbleibenden nichtrichterlichen Anordnungskompetenzen betreffen ver-
deckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, die der Gesetzgeber als wenig
belastend für den Betroffenen angesehen hat (vgl. § 100h und die Ermittlungsge-
neralklausel nach § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO). Der Richter spricht
bei der Anordnung Recht, ist aber nicht weniger als ein Organ der Exekutive an
die Verfassung gebunden. Durch die richterliche Anordnung werden die Folgen
des Eingriff in Art. 19 Abs. 4 GG minimiert und die Missbrauchsgefahr verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen durch die richterliche Unabhängigkeit eingedämmt.4

2
Soweit man diese Maßnahme überhaupt zu den verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen zählt.
3
Vgl. Zweiter Teil.
4
„Indessen bedarf es zur Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergänzen-
der verfahrensrechtlicher Vorkehrungen für Durchführung und Organisation der Datenerhebung.“,
BVerfG 65, 1, 2.
II. Zweckmäßigkeitsprüfung durch das Gericht 309

II. Zweckmäßigkeitsprüfung durch das Gericht

Aus dem Wortlaut des Gesetzes geht nicht eindeutig hervor, ob der Richter selbst-
ständig kriminalistische Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen darf. Nach syste-
matischer Auslegung könnte die allgemeine Regelung des § 162 Abs. 2 StPO für
gerichtliche Untersuchungshandlungen durchgreifen. Danach hat das Gericht die
gesetzliche Zulässigkeit der Untersuchungsmaßnahmen inklusive der inhaltlichen
Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen, nicht aber die Notwendigkeit, Zweck-
mäßigkeit und Angemessenheit des Antrags der Staatsanwaltschaft.5 Dies soll aber
nicht für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen gelten, die mit Grundrechtsein-
griffen verbunden sind.6 Die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
sind zwar keine Zwangsmaßnahmen, doch trotzdem Grundrechtseingriffe.7
Daher müsste sich der Entscheidungsumfang bei der Anordnung verdeckter
strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen konsequent ebenfalls auf die Zweckmä-
ßigkeit und nicht nur auf die Überprüfung von Ermessensfehlern der Staatsanwalt-
schaft erstrecken. Diese Überprüfung ist aber keine Mittelauswahl, sondern nur
eine Überprüfung des Mittels auf Auswahlfehler.
Wenn nach der h. M. Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der
Maßnahme in jedem Fall wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen
sind, muss der Richter die Maßnahme auf ihre kriminalistische Eignung prüfen und
auch mit anderen, milderen Maßnahmen vergleichen. Weil Zweckmäßgikeit und
Rechtmäßigkeit somit zusammenfallen, muss der Ermittlungsrichter die Zweckmä-
ßigkeit im Hinblick darauf überprüfen, ob eine andere Maßnahme gleich geeignet,
aber milder für den Betroffenen ist. Dann muss er prüfen, ob die Zweckverfolgung
gerade durch die gewählte Maßnahme dem Grundrechtseingriff gegenüber ange-
messen ist. Die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die anordnenden
Gerichte wird aber in dieser Arbeit bestritten. Nach hier vertretener Ansicht ist die
Verhältnismäßigkeit aber kein Grundsatz, der ohne weitere Umsetzung durch den
Gesetzgeber in der StPO gilt. Zu prüfen wäre im Falle geschriebener Subsidiaritäts-
klauseln die Subsidiarität der Maßnahme, welche die Elemente der Geeignetheit
und Erforderlichkeit enthält, nicht aber die Prüfung der Angemessenheit beinhal-
tet.8
Fraglich bleibt lediglich, ob das Gericht die Maßnahme deshalb anhalten darf,
weil es sie für fachlich unzureichend hält. Darf es zum Beispiel eine Postbeschlag-
nahme ablehnen, weil ihm eine Telekommunikationsüberwachung als wirksamer
erscheint oder darf es einen Antrag auf Telekommunikationsüberwachung ableh-
nen, weil es eine akustische Wohnraumüberwachung für die Ermittlungsmaßnah-
men als förderlicher ansieht? Diese Fälle können nur vorkommen, wenn die mildere
Maßnahme im Vergleich zur schärferen die Ermittlungsmaßnahmen „wesentlich

5
BVerfGE 31, 46; BGHSt 7, 207; 15, 238; KG JR 1965, 268; Zöller in: HK, § 162, Rdn. 9, m. w.
N.
6
Zöller in: HK, § 162, Rdn. 10; Wohlers in: SK-StPO, § 162, Rdn. 29.
7
Vgl. § 8, III, 4.
8
Zu genauen Erläuterung vgl. § 20.
310 § 16 Anordnungskompetenzen

erschweren“ würde. Bei Aussichtslosigkeit wäre sie bereits ungeeignet und daher
abzulehnen. Gegen eine solche Kompetenz spricht das mangelnde Initiativrecht des
Gerichts. Kriminalistische Ermittlungsinitiativen sollen vom Ermittlungsgericht ge-
rade nicht ausgehen, sonst hätte es neben Recht und Pflicht zur Anordnung auf
Antrag auch eine „Verschärfungskompetenz“ erhalten.

III. Eigene Ansicht

Mit der Anordnung durch das Gericht ist eine funktionelle Vermischung von Exeku-
tive und Legislative verbunden. Dies ist im Hinblick auf den Schutz der Rechte aus
Art. 19 Abs. 4 GG und die genannten anderen Grundrechte möglichst zu vermeiden.
Nach verfassungskonformer Auslegung ist das Gericht daher nur zur Rechtsprüfung
verpflichtet und befugt. Der Anschein, dass der Richter Zweckmäßigkeitsentschei-
dungen bei der Anordnung trifft und auf „der Seite“ der Staatsanwaltschaft steht,
muss vermieden werden. Im Gesetzestext sollte de lege ferenda klargestellt werden,
dass der Richter nicht anordnet, sondern lediglich „genehmigt“ oder „prüft“. Inhalt-
lich ist fraglich, ob das Ermittlungsgericht es bei einer Art Schlüssigkeitsprüfung
des Antrages der Staatsanwaltschaft belassen kann oder sogar darauf beschränkt
ist. Im Sinne des Grundrechtsschutzes muss das Gericht die Angaben zum Tat-
verdacht anhand aller maßgebenden bis zum Beurteilungszeitpunkt angefallenen
Ermittlungsergebnisse9 prüfen und bei Zweifeln Informationen von der Staatsan-
waltschaft nachfordern. Eine Prüfung allein des Antrags ist nicht genügend. Daher
ist der Richter auf Rechtskontrolle beschränkt. Er darf keine andere Maßnahme an
die Stelle der beantragten Maßnahme setzen und auch keine Maßnahme ablehnen,
weil er eine andere Maßnahme für effizienter hält.

9
So auch BGH, JR 2011, 404, 406. Zustimmend und zur Staatshaftung bei unvollständigen Infor-
mationen Schäfer, Vom Umgang mit dem Ermittlungsrichter, S. 1299 ff.
§ 17 Rechtsschutz

Nach Art. 19 Abs. 4 GG muss gegen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gericht-


lich vorgegangen werden können, auch wenn sie bereits abgeschlossen und erledigt
sind.1

I. Rechtsweg und Einordnung der Maßnahmen

Für den Rechtsweg, den der von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen Betroffene


beschreiten kann und die damit verbundenen unterschiedlichen Rechtsbehelfe ist
zunächst entscheidend, ob es sich bei den Anordnungen um Rechtsprechung oder
um Verwaltungsakte handelt. Auf Grundlage der herrschenden funktionalen Ein-
teilung bestehen das Ermittlungsverfahren und damit auch die hier behandelten
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen aus verwaltungsinternen Vor-
bereitungsakten,2 Justizverwaltungsakten und Rechtsprechung.
Für die rechtlichen Interventionsmöglichkeiten des Betroffenen ist nur die äu-
ßere Gestalt der Maßnahme wichtig. Die äußere Gestalt findet die Maßnahme im
letzten Entscheidungsakt des internen Verwaltungsverfahrens, das nicht mehr nur
Verwaltungsinterna betrifft, sondern ohne weitere staatliche Vermittlung Wirkung
für die Bürger hat. Das ist bei den verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen entweder eine Entscheidung des anordnenden Gerichts – also Rechtspre-

1
Vgl. § 8, VIII, 1.
2
Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich bei den Fällen, in denen zwei Behörden
intern zusammenwirken, aber nach außen nur eine einheitliche Entscheidung getroffen wird, re-
gelmäßig lediglich um eine und nicht um zwei rechtlich selbstständige Entscheidungen. Lediglich
die dem Bürger gegenüber ergehende abschließende Maßnahme ist ein Verwaltungsakt, während
die Mitwirkung der anderen Behörde ein Verwaltungsinternum darstellt. Diese Ansicht wird da-
durch bestätigt, das eine Bekanntgabe des Mitwirkungsaktes dem Bürger gegenüber grundsätzlich
nicht vorgesehen ist, Gornig, S. 42. Wenn aber die Handlungsentscheidung durch einen Akt der
Rechtsprechung erfolgt, ist in Konsequenz auch nur ein Akt der Rechtsprechung gegeben, dem
verschiedene verwaltungsinterne Entscheidungen vorausgegangen sind.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 311


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
312 § 17 Rechtsschutz

chung3 – oder eine der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei,4 also ein Justizverwal-
tungsakt.

II. Verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten?

Grundrechtsschutz durch die richterliche Anordnung ist allein nicht ausreichend.


Der Betroffene muss wegen Art. 19 Abs. 4 GG und der anderen einschlägigen
Grundrechte zur Minimierung von Einschüchterungseffekten seine eigenen Argu-
mente gegen eine Maßnahme der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen zumindest im Nachhinein vorbringen können. Dazu muss ihm wenigstens
ein Rechtsbehelf gegen diese Maßnahmen zur Verfügung stehen. Nach der über-
kommenen h. M. stehen mit dem Rechtsbehelf nach § 101 Abs. 7 S. 2 StPO, der
Beschwerde nach § 304 StPO und dem Rechtsbehelf nach § 98 Abs. 2 StPO analog
drei Rechtsbehelfe zur Verfügung. Für die Postbeschlagnahme besteht mit der di-
rekten Anwendung § 98 Abs. 2 StPO eine spezielle Möglichkeit der Überprüfung.

1. § 101 Abs. 7 S. 2 StPO

§ 101 Abs. 7 S. 2 StPO stellt einen Rechtsbehelf gegen alle in § 101 Abs. 1 StPO
genannten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung.5 Danach können alle
nach § 101 Abs. 2 StPO Betroffenen diesen Rechtsbehelf beim Ermittlungsgericht6
einlegen. Dies gilt unabhängig davon, ob dieses Gericht die Maßnahme selbst ange-

3
Aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung und dessen Konkretisierung in
§ 4 EGGVG und § 42 DRiG ergibt sich klar, dass Richter bis auf wenige Ausnahmen nicht zu-
gleich Aufgaben der Verwaltung und Rechtsprechung wahrnehmen dürfen. Vgl. BVerwGE 5, 69:
„Ob ein Gericht (Richter) rechtsprechende Tätigkeit oder Justizverwaltung ausübt, richtet sich
demgemäß nicht nach dem sachlichen Gehalt der Tätigkeit, sondern ob die Erledigung in rich-
terlicher Unabhängigkeit oder als weisungsgebundene Maßnahme erfolgt.“ Vgl. auch Schäfer in:
Löwe/Rosenberg, StPO24 , Einl. Kap. 8 Rdn. 11. „Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, auch Aufga-
ben, die nicht Rechtsprechung im materiellen Sinn sind, dem Richter anzuvertrauen. Hat sich der
Gesetzgeber hierzu entschlossen, so muss das Verfahren mit den verfassungsrechtlichen Garantien
des gerichtlichen Verfahrens ausgestattet sein. Art. 92 GG garantiert deshalb in jedem vom Ge-
setzgeber als Rechtsprechung eingeführten Verfahren, auch wenn der Gesetzgeber zur Zuweisung
gerade dieser Materie zur rechtsprechenden Gewalt verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewe-
sen wäre, den gesetzlichen und unabhängigen Richter und das rechtsstaatliche Gerichtsverfahren
des IX. Abschnitts des GG.“, BVerfGE 22, 49, 78.
4
Nur noch in wenigen Ausnahmen darf die Polizei subsidiär oder originär über die Maßnahme
entscheiden, vgl. § 16.
5
Vgl. dazu auch den Überblick bei Singelnstein, NStZ 2009, S. 481 ff.
6
Bzw. beim Gericht der zuständigen Staatsanwaltschaft. Für die akustische Wohnraumüberwa-
chung ist zudem eine besondere Kammer am LG zuständig, § 100d Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 74a
Abs. 4 GVG.
II. Verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten? 313

ordnet hat oder ob die Staatsanwaltschaft oder Polizei eigenverantwortlich handelte.


Der Rechtsbehelf kann binnen zwei Wochen nach Benachrichtigung eingelegt wer-
den. Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf ist die sofortige Beschwerde
zulässig, die wiederum fristgebunden ist, § 311 Abs. 2 StPO. Nach dem Wortlaut
des § 101 Abs. 7 S. 2 StPO ist der Rechtsbehelf nur bei erledigten Maßnahmen
zulässig. In der Literatur wird diskutiert, ob die Norm auch Anwendung findet,
wenn die Überwachung noch läuft. Diese Frage ist keineswegs ein abseitiges Rand-
problem. Denn wenn der Verteidiger den Rechtsbehelf vorsorglich auf Verdacht
oder auch ins „Blaue hinein“ einlegt, könnte er so herausfinden, ob eine verdeck-
te Maßnahme – etwa eine sich über Monate hinziehende Telefonüberwachung –
aktuell gegen den Beschuldigten durchgeführt wird. Da kein besonderes Rechts-
schutzbedürfnis dargelegt werden muss, könnte der Rechtsbehelf auch nicht über
diesen Weg für unzulässig erklärt werden. Die Heimlichkeit der Maßnahme wür-
de in solch einem Fall durch das Rechtsschutzverfahren aufgehoben, das wegen
der allgemeinen Grundsätze des gerichtlichen Verfahrens nicht verdeckt stattfinden
kann. Argumentiert wird, dass sich aus der Hinweispflicht „auf die Möglichkeit
nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7“ gemäß § 101 Abs. 4 S. 2 StPO er-
gebe, dass die Maßnahme erledigt sein muss.7 Dieses systematische Argument ist
aber nicht überzeugend. § 101 Abs. 4 S. 2 StPO regelt die Hinweispflicht und nicht
den Rechtsschutz. Die Hinweispflicht kann schlecht die Pflicht zum Hinweis auf
Rechtsschutz gegen laufende verdeckte Ermittlungen umfassen, wäre so doch die
Heimlichkeit der Maßnahme durch einen solchen Hinweis aufgehoben. Ähnliches
gilt für die Einlegungsfrist. Diese Frist soll das Ende, nicht den Anfang der zuläs-
sigen Einlegung eines Rechtsbehelfs bestimmen. Nähme man den Fristbeginn als
Voraussetzung der Zulässigkeit, könnten die Ermittlungsbehörden durch rechtswid-
riges Unterlassen der Benachrichtigung den Rechtsschutz dauerhaft hemmen. Die
Gegenansicht8 hält den Rechtsbehelf auch für nicht erledigte Maßnahmen für zuläs-
sig. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung und Art. 19 Abs. 4 GG ist die andere Auslegungsmöglich-
keit als verfassungswidrig zu behandeln und nicht weiter zu verfolgen. Ohne ein
überzeugendes Argument aus dem Wortlaut würde dem Betroffenen Rechtsschutz
gegen die Maßnahme versagt. Es ist unter den in dieser Arbeit dargelegten Voraus-
setzungen verfassungsrechtlich zulässig, den Betroffenen heimlich zu überwachen
und ihm so durch die Heimlichkeit der Maßnahme faktisch den Rechtsschutz zu ver-
sagen. Nicht zulässig ist, dass der Betroffene auch keine rechtlichen Möglichkeiten
hat. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert insoweit eine unbedingte rechtliche Schutzmög-
lichkeit. Als Ausnahme von der Regel, dass nach Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich
keine Einschüchterung erfolgen darf und dass gegen jede belastende Maßnahme
Rechtsschutz möglich sein muss, um sie gegebenenfalls zu verhindern und nicht
erst wenn die Maßnahme vorbei ist, muss § 101 Abs. 7 StPO wortlautgetreu weit

7
Engländer, Examens-Repetitorium Strafprozessrecht, Rdn. 171.
8
Gercke in: HK, § 101 Rdn. 16); Meyer-Goßner, StPO54 , § 101 Rdn. 25a.
314 § 17 Rechtsschutz

ausgelegt werden.9 Erfährt der Betroffene früher von der Maßnahme oder vermutet
er sie, kann der Rechtsbehelf erst recht eingelegt werden.
Eine wegen der oben dargelegten Begründung abzulehnende Ansicht in der Li-
teratur sieht insoweit zwar eine Rechtsschutzmöglichkeit gegeben, hält den Rechts-
behelf nach § 101 Abs. 7 S. 2 StPO für unzulässig. Vor Erledigung der Maßnahme
soll sich der Rechtsschutz – wenn die Maßnahme denn ungeplant bekannt wird –
nach dem im Folgenden noch zu besprechenden herkömmlichen Konzept nach § 98
Abs. 2 analog richten.10 Der Betroffene müsse nach dieser Ansicht nachvollziehbar
darlegen, dass sich eine verdeckte Maßnahme gegen ihn richte.11

2. Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO analog

Nach dem Wortlaut des § 98a Abs. 2 StPO erfasst die Norm andere verdeckte Über-
wachungsmaßnahmen als die Postbeschlagnahme nicht. Weder wird bei anderen
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen etwas beschlagnahmt, noch
fehlt in vielen Fällen eine richterliche Anordnung. Die Gesetzesbegründung ging
trotzdem davon aus, dass § 98 Abs. 2 StPO weiterhin anwendbar bleiben sollte.12

a) H. M. nach der Einführung des § 101 Abs. 7 StPO

Die h. M. geht wegen vorstehend genannten Wortlautarguments nur von einer ana-
logen Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO auf alle strafprozessualen Ermittlungs-
maßnahmen aus, die über keine dem § 101 Abs. 7 S. 2 StPO entsprechende Sonder-
regelung verfügen.13 Nach dieser Ansicht wird eine doppelte Analogie vertreten:
§ 98 Abs. 2 StPO gilt danach sowohl für erledigte Maßnahmen als auch für solche
Maßnahmen, die nur durch die Ermittlungsbehörden und nicht durch das Ermitt-
lungsgericht angeordnet werden.14 Diese Ansicht erstreckt den Rechtsschutz nach
§ 98 Abs. 2 StPO aber nicht auf die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen soweit sie

9
Auch in der Literatur wird inzwischen teilweise davon ausgegangen, dass die Benachrichtigung
nicht notwendig ist und dass deren Unterlassen jedenfalls beanstandet werden kann, vgl. Singeln-
stein, NStZ 2009, S. 482; a. A. Wesemann, StraFo 2009, S. 507.
10
Meyer-Goßner, StPO54 , § 101 Rdn. 25a.
11
Nack in: KK 6 , § 101 Rdn. 34; Meyer-Goßner, StPO54 , § 101 Rdn. 25a.
12
Vgl. BTDrucks 16/5846, S. 62.
13
BGHSt 28, 57; 37, 79, 82; Meyer-Goßner, StPO54 , § 98 Rdn. 23; Laser, NStZ 2001, S. 123 f.
Im Detail zu § 98 Abs. 2 StPO vgl. auch Glaser, S. 335 und passim, der zu einer Ablehnung
der entsprechenden Anwendung kommt und gegen nicht beendete Maßnahmen § 23 EGGVG für
einschlägig hält.
14
Selbst wenn es um die Art und Weise der Durchführung einer nichtrichterlichen Maßnahme
geht, wird nicht wie in der älteren Rechtsprechung (OLG Karlsruhe NStZ 1992, 97; OLG Koblenz
StV 1994, 284) § 23 EGGVG, sondern § 98 Abs. 2 StPO analog angewendet vgl. Meyer-Goßner,
StPO54 , § 98 Rdn. 23.
II. Verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten? 315

in § 101 Abs. 1 StPO geregelt sind und damit von § 101 Abs. 7 S. 2 StPO erfasst
werden. Insoweit ist § 101 Abs. 7 S. 2 StPO nach dieser Ansicht lex specialis.15

b) Eigene Ansicht

Für die in der Gesetzesbegründung erwähnte analoge Anwendung des § 98 Abs. 2


StPO auf alle verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ist mangels ge-
setzlicher Lücke mit Erlass des § 101 Abs. 7 StPO kein Raum mehr. Die Analogie
ist auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung geboten. Zwar ging der Ge-
setzgeber auch bei der Einführung des § 101 Abs. 7 S. 2 StPO davon aus, die bisher
anerkannte analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO nicht zu verändern.16 Diesem
gesetzgeberischen Willen kommt jedoch hier keine Bedeutung zu. Für eine Analo-
gie ist eine planwidrige Gesetzeslücke notwendig.17 Mit §§ 101 Abs. 7 S. 2 StPO,
304 StPO ist der Bereich bereits geregelt.
Auch soweit eine Maßnahme nicht in § 101 Abs. 1 i. V. m. § 101 Abs. 7 S. 2 StPO
geregelt ist, wird die Lücke durch § 304 StPO (richterliche Anordnung18) und § 23
EGGVG (polizeiliche Anordnung) gefüllt. Warum § 23 EGGVG nicht anwendbar
sein soll, ist unklar, da die Norm nach dem Wortlaut eindeutig solche Fälle erfasst.
Es handelt sich bei den staatsanwaltschaftlichen bzw. polizeilichen Maßnahmen um
Justizverwaltungsakte, die subsidiär von § 23 Abs. 1 EGGVG erfasst werden.19,20

15
BGHSt 53,1; Meyer-Goßner, StPO54 , § 101 Rdn. 25a; Singelnstein, NStZ 2009, S. 482.
16
BTDrucks 16/5846, S. 62: „Die ausdrückliche Regelung über den nachträglichen Rechtsschutz
[. . . ] hat im Wesentlichen die Funktion, den Betroffenen den Nachweis eines Rechtsschutzbe-
dürfnisses im Einzelfall zu ersparen, führt aber nicht dazu, dass die schon bislang anerkannten
Rechtsbehelfe verdrängt werden (vgl. Löffelmann, a. a. O., § 100d StPO, Rn. 10). So kann der von
einer noch andauernden verdeckten Ermittlungsmaßnahme Betroffene – so er von der Maßnahme
Kenntnis erlangt – stets Rechtsschutz entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO erlangen.“
17
Vgl. Larenz, S. 368 m. w. N.
18
Praktisch kaum relevant. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen die durch den Richter angeordnet
werden, fallen in der Regel unter § 101 Abs. 1 StPO.
19
Das kann etwa bei verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen aufgrund der Annah-
me einer Ermittlungsgeneralklausel nach § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO der Fall sein,
die nicht in § 101 Abs. 1 StPO erwähnt ist. Ob diese generell geeignet ist, verdeckte Ermittlungs-
maßnahmen zu rechtfertigen, ist aber bereits stark zu bezweifeln, siehe § 34.
20
Justizverwaltungsakte sind in § 23 Abs. 1 EGGVG definiert. Verwaltungsakte der Justiz-
behörden auf dem Gebiet der Strafrechtspflege sind demnach als Justizverwaltungsakte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen und den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Entscheidend
ist, dass die jeweilige Justizbehörde die Maßnahme in Wahrnehmung ihrer spezifischen Aufgabe
auf dem Gebiet der Strafrechtspflege trifft. Sie muss im funktionalen Sinn „als Justizbehörde“ tätig
geworden sein, Lorenz, § 11 Rdn. 73 m. w. N. Es besteht also durch die organisatorische Zuordnung
der Behörde keine Sicherheit über den Charakter der Handlungsform. Unter diesem Aspekt wird
beispielsweise die Einordnung der polizeilichen Tätigkeit als problematisch angesehen, weil diese
organisatorisch zur Verwaltung gehöre, funktionell aber durch ihre doppelte Aufgabenstellung prä-
ventiver Gefahrenabwehr und repressiver Strafverfolgung gekennzeichnet sei. Träfen beide Ziele
in einer Maßnahme zusammen, entscheide der Schwerpunkt der Regelung, Lorenz, § 11 Rdn. 76
m. w. N.
316 § 17 Rechtsschutz

Diese ist jedoch aufgrund der in § 23 Abs. 3 EGGVG festgehaltenen Subsidiarität


nur zulässig, wenn die Maßnahme nicht schon § 101 Abs. 7 S. 2 StPO unterfällt.
Zudem käme höchstens eine analoge Anwendung des § 101 Abs. 7 S. 2 StPO
statt der des § 98 Abs. 2 StPO in Frage, weil § 101 Abs. 7 S. 2 StPO insoweit näher
an der Sache ist. § 98 Abs. 2 StPO ist also in keinem Fall analog auf die verdeckten
strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen anzuwenden.

3. § 304 StPO

Die Regelung des vorstehend erläuterten § 101 Abs. 7 S. 2 StPO verdrängt andere
allgemeine Rechtsbehelfe gegen Ermittlungsmaßnahmen. Daher ist auch die einfa-
che fristlose Beschwerde nach § 304 StPO gegen eine verdeckte Ermittlungsmaß-
nahme nach § 101 Abs. 1 nicht zulässig. § 304 StPO gilt nur für den theoretischen
Fall, dass eine verdeckte Maßnahme, die nicht unter § 101 Abs. 1, 7 fällt, richterlich
angeordnet wird.

III. Unterschiede zwischen richterlichen und behördlichen


Anordnungen

Die richterlichen und ermittlungsbehördlichen Anordnungen sind unterschiedslos


mit dem Rechtsbehelf nach § 101 Abs. 7 S. 2 StPO anfechtbar, soweit die Rege-
lungen der Maßnahmen in § 101 StPO aufgezählt sind. Gegen die ermittlungsbe-
hördlichen Anordnungen, die nicht unter § 101 StPO fallen, ist allerdings keine
Beschwerde nach § 304 StPO zulässig, da diese Maßnahmen keine Gerichtsent-
scheidungen sind. Der Rechtsweg nach § 23 EGGVG gewährt insoweit ausreichend
Rechtsschutz. Ein besonderer Instanzenzug oder ein unbefristeter Rechtsbehelf sind
keine verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG.21

IV. Zwischenergebnis

Das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass ein nachträglicher Rechtsbe-
helf gegen die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung
stehen muss. Dem Betroffenen ist Möglichkeit zu gewähren, seine eigenen Ar-
gumente gegen eine verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme zumindest
im Nachhinein vorbringen können. Der Rechtsbehelf nach § 101 Abs. 7 StPO ist
sowohl nachträglich im Standardfall als auch während der laufenden Maßnahme
zulässig. Nach h. M. stehen für nicht in § 101 Abs. 1 StPO geregelte Maßnahmen

21
Vgl. BVerfGE 65, 76 90; 74, 358, 377; 78, 7, 18.
IV. Zwischenergebnis 317

mit § 98 Abs. 2 StPO ein Rechtsbehelf zur Verfügung. Für die analoge Anwendung
des § 98 Abs. 2 StPO ist mangels gesetzlicher Lücke kein Raum, und sie ist auch
nicht verfassungsrechtlich geboten. § 23 EGGVG erfasst die § 101 Abs. 7 und § 304
StPO nicht unterfallenden Fälle verdeckter Maßnahmen.
§ 18 Berichts- und Löschungspflichten

Berichts- und Löschungspflichten sorgen dafür, dass Einschüchterungseffekte durch


verdeckte Ermittlungsmaßnahmen so gering wie möglich ausfallen. Wird öffentlich
gemacht, in welcher Art und welchem Umfang verdeckte strafprozessual ermittelt
wird, ist die „diffuse Bedrohungslage“ für die Bevölkerung besser einschätzbar,
als wenn das allgemeine Ausmaß der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen und die
konkrete Betroffenheit geheim bleiben. Die Löschungspflichten verhindern, dass
die einmal angefallenen Daten für andere als die genehmigten Zwecke verwendet
werden können.

I. Statistische Berichtspflicht

Die statistische Berichtspflicht der Staatsanwaltschaften1 dient dem Grundrecht auf


Freiheit von Einschüchterung durch strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, in-
dem sie für allgemeine Transparenz sorgt und so Einschüchterungseffekte verrin-
gern kann. Durch die anonymisierte Veröffentlichung der Statistiken ist die indivi-
duelle Unsicherheit nicht beseitigt.

II. Individuelle Benachrichtigungspflichten

1. Vorgabe aus dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung

Weil der Eingriff in das Recht auf Freiheit von Einschüchterung und in das Recht
auf Offenheit strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen auf das nach dem Verhält-

1
Vgl. die entsprechenden Berichte des BfJ, Übersicht Telekommunikationsüberwachung (Maß-
nahmen nach § 100a StPO) für 2009; Übersicht Telekommunikationsüberwachung (Maßnahmen
nach § 100g StPO) für 2009.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 319


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
320 § 18 Berichts- und Löschungspflichten

nismäßigkeitsprinzip erforderliche Maß zu beschränken ist, muss wenigstens nach-


träglich eine individuelle Benachrichtigung erfolgen. Die Benachrichtigungspflich-
ten dienen nicht nur dem Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG, sondern auch
dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung staatlicher Eingriffsmaßnahmen.
Problematisch ist, dass zwar Rechtsschutz später nachgeholt, aber tatsächliche Ab-
wehr nicht nachgeschoben werden kann. Dennoch ist die Benachrichtigungspflicht
auch wegen des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung notwendig. Die psy-
chisch wirksamen Einschüchterungseffekte können durch ständige – wenn auch
nachträgliche – Information verringert werden. Diese Benachrichtigungspflichten
lassen sich indes nicht einfach auf „das Rechtsstaatsprinzip“ zurückführen.

2. Ansprüche aus § 29 VwVfG und § 147 StPO

Im allgemeinen Verwaltungsrecht besteht mit § 29 VwVfG ein Anspruch auf ermes-


sensfehlerfreie Entscheidung über die Offenlegung von Verwaltungsverfahren, der
aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird.2 In § 147 Abs. 1 StPO ist der Informa-
tionsanspruch des von der Ermittlung Betroffenen speziell als Akteneinsichtsrecht
geregelt. Ermessen steht der Justizverwaltung dabei im Gegensatz zur allgemeinen
Regel grundsätzlich nicht zu. Die Versagung der Akteneinsicht ist als Ausnahme in
§ 147 Abs. 2 StPO allerdings wiederum in das Ermessen der Behörden gestellt.
Die verdeckten strafprozessualen Maßnahmen betreffen das Ermittlungsverfah-
ren. Nach dem Abschluss der Ermittlungsmaßnahmen enthält eine Aufdeckung in
Bezug auf die Akteneinsicht nur für die Enttarnung von Verdeckten Ermittlern oder
V-Personen Besonderheiten, die auch nach dem konkreten Verfahren im „Milieu“
eingesetzt werden sollen. Dieses Recht auf Information, konkretisiert als Recht auf
Akteneinsicht, wird also nur in dem Stadium geltend gemacht, in dem es unter
einem Ermessensvorbehalt bezüglich des Untersuchungszwecks steht. Es „kann
versagt werden [. . . ] soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann“, § 147
Abs. 2 Satz 1 StPO. Grundsätzlich muss also der Betroffene nachfragen, um Aus-
künfte über die Verwendung seiner Daten zu erhalten. Dieser Anspruch darf zudem
nur vom Verteidiger des Beschuldigten geltend gemacht werden. Der Betroffene ist
aber nicht notwendig der Beschuldigte. Er wäre daher auf den schwächeren allge-
meinen Anspruch auf bloß ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag
auf Akteneinsicht angewiesen.3 Dies ist für den Betroffenen besonders misslich, da
er in aller Regel keine Kenntnis von der ihn betreffenden Maßnahme hat und so
selbst dieses eingeschränkte Recht faktisch kaum ausüben kann.
Bei dem Informationsanspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip geht es vordringlich
um das reibungslose Funktionieren der Justizverfahren. Information und Kontrol-
le dienen nur diesem übergeordneten Zweck und sind daher beschränkt. Weil der
Bürger ein Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung verdeckter Ermittlungs-

2
Engel in: Isensee/Kirchhof HStR 4, S. 480.
3
Das Ermessen ist in diesen Fällen nicht an die Gefährdung des Untersuchungszwecks gebunden.
III. Löschungspflichten 321

maßnahmen hat, kehren die Berichtspflichten in § 101 StPO den Grundsatz der
§§ 29, 30 VwVfG um und verpflichten daher den Staat zur Offenlegung der Er-
mittlungsmaßnahmen. Weder muss die Auskunft beantragt werden, noch besteht
Ermessen hinsichtlich einer Zurückstellung der Benachrichtigung. Die individuel-
le Benachrichtigung darf nur wegen „Gefährdung des Untersuchungszwecks“ oder
der Gefährdung der in § 101 Abs. 5 StPO genannten Rechtsgüter zurückgestellt
werden. Ist eine solche Gefährdungslage nicht gegeben, muss benachrichtigt wer-
den. Die Entscheidung ist nicht von weiteren Zweckmäßigkeitserwägungen abhän-
gig. Selbst wenn es sich bei der „Gefährdung des Untersuchungszwecks“ um einen
unbestimmten Rechtsbegriff handeln sollte, sind die Anforderungen gerichtlich voll
überprüfbar. Die Benachrichtigungspflichten dienen sowohl dem Grundrecht aus
Art. 19 Abs. 4 GG als auch dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung.

III. Löschungspflichten

Die Löschungspflichten betreffen nur das Recht auf informationelle Selbstbestim-


mung als Teil des Grundrechts auf Einschüchterung. Durch die Speicherung der
Informationen ergeben sich tatsächliche Einschüchterungseffekte. So wird die Ein-
schüchterung verstärkt, die bereits durch die gesetzliche Regelung und Praxis der
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ausgelöst wird. Denn erst mit
der Speicherung werden die heimlich gesammelten Informationen für die Verwen-
dung im Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren aufbereitet. Erst gespeichert
können sie als Beweise vorgelegt werden und zu einer strafrechtlichen Verurteilung
in einer Hauptverhandlung führen. Je länger die Daten gespeichert sind, desto grö-
ßer ist die Gefahr, dass sie irgendwann gegen den Betroffenen im weiteren Gang des
Strafverfahrens verwendet werden. Zudem steigt die Gefahr, dass die Daten jenseits
des nach § 477 Abs. 2 StPO Zulässigen zu außerprozessualen Zwecken missbraucht
werden, um dem Betroffenen zu schaden.

1. Spezielle Löschungspflichten

§ 101 Abs. 8 StPO regelt eine spezielle Löschungspflicht für Daten, die im Rahmen
verdeckter Ermittlungsmaßnahmen angefallen sind. Die Löschung muss stattfinden,
wenn die Daten nicht mehr erforderlich sind. Das ist erst der Fall, wenn keine Zwei-
fel mehr hinsichtlich des Fehlens einer sinnvollen Verwendung im gerichtlichen
Verfahren bestehen. Eine gewisser Konflikt ergibt sich daraus, dass der Betroffene
überprüfen lassen will, ob und was für Informationen über ihn gespeichert wurden.
Aus dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ergibt sich als Ergebnis der
Verhältnismäßigkeitsprüfung ein bedingter Anspruch auf Offenheit.4 Daher muss,

4
Vgl. § 10.
322 § 18 Berichts- und Löschungspflichten

um die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu wahren, nur solange verdeckt ermittelt


werden, wie dies für das konkrete Verfahren erforderlich ist. Daher ist die Lö-
schung erst durchzuführen, nachdem der Betroffene über die anstehende Löschung
informiert wurde. Der Betroffene kann dann entscheiden, ob er die Daten zur ge-
richtlichen Überprüfung oder anderen Zwecken einsehen oder zu anderen Zwecken
kopieren will oder ob er eine ersatzlose Löschung vorzieht.
Dieses Ergebnis führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm, da das Merk-
mal „erforderlich“ verfassungskonform so auszulegen ist, dass eine Löschung erst
erforderlich ist, wenn der Betroffene mit ihr einverstanden ist und die Daten daher
auch für ihn nicht mehr erforderlich sind.
Die Löschungspflicht erfasst auch sonstiges Beweismaterial und nicht nur elek-
tronische Daten.5

2. Allgemeine Löschungspflichten

Das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass bereits § 489 Abs. 2 StPO Löschungs-
pflichten enthält, die nach Ansicht des BVerfG in dieser Entscheidung zu einem
adäquaten Schutz auch im Rahmen verdeckter Ermittlungsmaßnahmen beitragen.6
Diese Vorschrift gilt nur für verdeckte Maßnahmen nach § 110 Abs. 3 StPO und der
Ermittlungsgeneralklausel nach § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO gelten,7
da die anderen Maßnahmen von der spezielleren Vorschrift des § 101 Abs. 8 StPO
erfasst werden.

5
Dafür auch Meyer-Goßner, StPO54 , § 101 Rdn. 27. „Zufallsfunde“, die nach § 477 Abs. 2 StPO
weitergegeben werden dürfen, müssen nicht gelöscht werden, wenn sie zur Gefahrenabwehr rele-
vant sind, vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 101 Rdn. 27.
6
BVerfGE 124, 43, 73 f.
7
Das BVerfG sieht diese Vorschrift als „Grundrechtssicherung durch Verfahren“. Diese Auffas-
sung ist auf Grundlage der Ansicht des BVerfG konsequent, da das Gericht von einem materiellen
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im einfachen Strafprozessrecht ausgeht, der hier abgelehnt
wurde, vgl. § 20, III. Die Maßnahmen, die nicht unter § 101 Abs. 8 StPO fallen, sind aber
hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit höchst zweifelhaft. Zwar regelt § 489 Abs. 2 StPO Lö-
schungspflichten für Daten, die nicht mehr für ihre bezeichneten Zwecke erforderlich sind, doch
kann die Regelung keine materiellen Mängel der Verhältnismäßigkeit heilen.
§ 19 Sog. Annexbefugnisse

„Annexbefugnisse“1 erlauben den Strafverfolgungsbehörden Maßnahmen durchzu-


führen, die zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, aber eine gesetzlich ge-
regelte Maßnahme ermöglichen oder unterstützen. Bei verschiedenen technischen
Maßnahmen der strafprozessualen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen (§§ 100a,
100c, 100g, 100h, 163f StPO) können für die heimliche Überwachung technische
Geräte in der Sphäre des Betroffenen installiert werden. Diese Geräte können Mi-
krofone, Kameras, Peilsender bzw. -empfänger oder mit Computerprogrammen be-
stückte elektronische Speichermedien sein. Sie können in der Wohnung, dem Auto,
der Kleidung oder den elektrotechnischen Systemen – vom PC bis zum Mobil-
telefon – installiert werden. Durch die immer weitergehende technische Minia-
turisierung sind weiteren Einsatzmöglichkeiten von Überwachungsgeräten kaum
Grenzen gesetzt. So können auch Lebensmittel, Bücher, Haustiere oder Schulta-
schen von Kindern mit Überwachungsgeräten versehen werden. Wird ein solches
Gerät installiert, ist damit ein hier sog. „Installationseingriff“ verbunden. Das ist
ein Grundrechtseingriff, der eine Überwachungsmaßnahme vorbereitet, diese nicht
selbst durchführt aber trotzdem in ein Grundrecht eingreift. Fraglich ist, ob die-
se Maßnahme unter die Regelung, welche die Überwachung gestattet, subsumiert
werden kann oder ob eine zusätzliche gesetzliche Regelung als Eingriffsgrundlage
nötig ist. Dies ist zunächst ein methodisches Subsumtionsproblem der einfachen
Rechtsanwendung.

I. Entscheidungen der Rechtsprechung

Der BGH hat Annexbefugnisse im Grundsatz anerkannt.


„Die bei dem Einbau des Empfängers und der Gewinnung der Daten durchgeführten Maß-
nahmen wie das heimliche Öffnen des PKW, die Benutzung der Fahrzeugbatterie sowie

1
Teilweise werden die Maßnahmen auch „Annexkompetenzen“ genannt, vgl. Klesczewski, ZStW
2011 S. 744.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 323


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
324 § 19 Sog. Annexbefugnisse

die Erhebung, Speicherung, Übermittlung und die kartographische Umsetzung der ,GPS‘-
Positionsdaten gehören zur Verwendung der ,GPS‘-Technik und sind daher ebenfalls gemäß
§ 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO rechtmäßig. Die Vorschrift gestattet den Strafverfol-
gungsbehörden im Wege der Annexkompetenz unter Beachtung des Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes auch die Vornahme der für den Einsatz des technischen Mittels notwendigen
Begleitmaßnahmen. Hierzu kann auch, sofern im konkreten Fall kein milderes Mittel in
Betracht käme, trotz des damit verbundenen Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 14 GG
die kurzzeitige Verbringung des Fahrzeugs in eine Werkstatt gehören (Nack in KK 4. Aufl.
§ 100 c Rdn. 15).“2

Das BVerfG hat sich dieser Auslegung angeschlossen.3

II. Kritik in der Literatur

Die Annahme von Annexkompetenzen ist teils mit nachvollziehbaren Argumenten


als Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes eingeordnet worden.4 Teils wurde
die Rechtsprechung positiv aufgenommen.5 Monografisch hat sich Kratsch mit den
Annexkompetenzen bzw. Befugnissen6 beschäftigt und sich dezidiert gegen die
Verfassungsmäßigkeit der Annexkompetenzen ausgesprochen. Die Annexbefugnis-
se seien mit verfassungsrechtlichen Vorgaben wie dem Vorbehalt des Gesetzes, dem
Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Zitiergebot unvereinbar. Ei-
ne Lösung über Analogien hält Kratsch ebenso wenig für verfassungsmäßig wie
eine erweiternde Auslegung des Haupteingriffs. Die Annexbefugnisse seien aus-
drücklich zu regeln. Die Gefahr einer zu großen Regelungsdichte bestehe nicht;
zum Beleg werden Vorschläge für neue Regelungen der Installationseingriffe ange-
führt.7

III. Eigene Ansicht

Der Vorbehalt des Gesetzes ist als Vorbehalt des bestimmten Gesetzes zu verstehen.
Dies hat zur Folge, dass jeder Grundrechtseingriff mit der gleichen Bestimmtheit
geregelt werden muss.8 Weniger belastendende Folgen eines Eingriffs im Vergleich
zu einem anderen Eingriff sind nicht weniger wesentlich. „Installationseingriffe“
müssen daher gesetzlich bestimmt werden. Diese Maßnahmen müssen durch Aus-

2
So für die Anbringung von GPS-Sendern an Fahrzeugen im Rahmen der insoweit inhaltsgleichen
früheren Regelung, § 100c StPO a. F. des jetzigen §§ 100h, 163f StPO: BGHSt 46, 266, 273 f.
3
BVerfGE 112, 304, 316.
4
Kühne, S. 272.
5
Bär, TK-Überwachung, § 100a Rdn. 32 und Bär, MMR 2008, S. 325 ff.
6
Zur Begrifflichkeit Kratzsch, S. 17 ff.
7
Vgl. dazu die wesentlichen Ergebnisse Kratzsch, S. 283 ff. und speziell zu den verdeckten Maß-
nahmen Kratzsch, S. 252 ff.
8
Vgl. § 9, I, 2.1.
IV. Zwischenergebnis 325

legung der jeweiligen gesetzlichen Hauptregelung des Eingriffs unter diese selbst
subsumiert werden können. Andernfalls sind sie nicht rechtmäßig.
Wenn die Überwachungsmaßnahme ihrer Art nach in jedem Fall durch einen
Installationseingriff vorbereitet werden muss, ist dieser im Regelungsumfang der
Vorschrift enthalten. Ebenfalls ausreichend ist es, wenn der „Installationseingriff“
ein typisches9 Kennzeichen der Durchführung der Maßnahme ist und der Gesetzge-
ber sich gerade eine solche Vorgehensweise bei Erlass der Regelung vorgestellt hat.
In diesem Fall muss sich durch subjektiv-historische Auslegung ein entsprechend
weiter Umfang des Gesetzes ermitteln lassen. Dass der „Installationseingriff“ unter
die Hauptregelung fällt, ist nicht selbstverständlich und bedarf der Andeutung im
Gesetz und der Begründung in den Gesetzgebungsmaterialen.
Wenn der Installationseingriff eine Maßnahme ist, die nicht typischerweise zur
Vorbereitung der Überwachung gehört und auch nicht in den Gesetzesmaterialien
erwähnt wird, kann er nicht unter die Überwachungsregelung subsumiert werden.
Ob dies für die Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-
men der Fall ist, kann nicht pauschal, sondern nur jeweils nach Auslegung der
einzelnen gesetzlichen Vorschrift entschieden werden. Grund für diese Ablehnung
weitgehender Annexbefugnisse sind Eingriffe in mehrere, teils unterschiedliche
Grundrechte. Nur weil ein Grundrechtseingriff gestattet wird, ist noch nicht klar,
dass auch in andere Grundrechte oder durch unterschiedliche Maßnahmen in ein
Grundrecht mehrfach eingegriffen werden darf. Zwischen beobachtenden und den
in die Integrität des Betroffenen direkt physisch eingreifenden Maßnahmen besteht
zudem ein kategorialer Unterschied. Daher können die physischen Eingriffe auch
dann nicht als „Minusmaßnahmen“ zu beobachtenden Eingriffen verstanden wer-
den, wenn die wesentliche Belastung von der beobachtenden Maßnahme ausgeht.
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus den Grundrechten und dem Grundsatz der
Normenverständlichkeit10 erfordern eine gesonderte Rechtsgrundlage, wenn nicht
typischerweise mit einem solchen Eingriff gerechnet werden muss.

IV. Zwischenergebnis

Wenn die Überwachungsmaßnahme ihrer Art nach in jedem Fall durch einen In-
stallationseingriff vorbereitet werden muss, ist dieser im Regelungsumfang der Vor-
schrift enthalten. Ebenfalls ausreichend ist es, wenn der „Installationseingriff“ ein
typisches Kennzeichen der Durchführung der Maßnahme ist und der Gesetzgeber
sich gerade eine solche Vorgehensweise bei Erlass der Regelung vorgestellt hat.
In diesem Fall muss sich durch subjektiv-historische Auslegung ein entsprechend
weiter Umfang des Gesetzes ermitteln lassen. Dass der „Installationseingriff“ un-
ter die Hauptregelung fällt, ist nicht selbstverständlich und bedarf der Andeutung

9
Näher zum Kriterium der Typizität als Kennzeichen eines zulässigen Installationseingriffs
Schneider, NStZ 1999, S. 389.
10
Vgl. § 9, I, 9. Soweit nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit betroffen ist, gehört dazu auch
das Zitiergebot.
326 § 19 Sog. Annexbefugnisse

im Gesetz und der Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien. Wenn der Instal-


lationseingriff eine Maßnahme ist, die nicht typischerweise zur Vorbereitung der
Überwachung gehört und auch nicht in den Gesetzesmaterialien erwähnt wird, kann
er nicht unter die Überwachungsregelung subsumiert werden.
§ 20 Allgemeine ungeschriebene
Verhältnismäßigkeitsklausel

Nach h. M. ist die Verhältnismäßigkeit nicht nur ein Grundsatz, mit dem beurteilt
wird, ob eine gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist. Die Verhältnismäßig-
keit ist nach dieser Ansicht auch eine unmittelbare Norm des einfachen Strafpro-
zessrechts und füllt Lücken in geschriebenen Regelungen der StPO, wenn diese
Vorschriften ansonsten unverhältnismäßige Eingriffe in die Rechte des Betroffenen
wären.1 Entspricht eine Regelung des Ermittlungsverfahrens – isoliert betrachtet –
nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit, wird sie
nach Ansicht der h. M. also grundsätzlich durch eine unmittelbare Wirkung des Ver-
hältnismäßigkeitsprinzips verfassungsmäßig ergänzt.2 Diese ungeschriebene Ver-
hältnismäßigkeitsklausel soll danach nicht nur Geeignetheit und Erforderlichkeit,
sondern auch die Angemessenheit umfassen.
Wie bereits bei den allgemeinen Voraussetzungen des oben vorgeschlagenen
Grundmodells3 teilweise erläutert wurde und unten noch weiter auszuführen sein
wird, ist das Regelungskonzept der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in der StPO
so unvollständig, dass die einzelnen Regelungen in vielen Fällen wegen mangeln-
der Bestimmtheit oder wegen Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig sind. Wenn
das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip unmittelbar in der StPO gelten wür-
de, könnten eventuell bestehende verfassungsrechtliche Defizite dieser Regelungen
hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit durch eine solche ungeschriebene Verhältnis-
mäßigkeitsklausel beseitigt werden.

1
BVerfGE 32, 373, 379; Pfeiffer/Hannich in: KK 6 , Einleitung Rdn. 30 f.; Meyer-Goßner, StPO54 ,
Einl Rdn. 21.
2
Vgl. BVerfGE 16, 202 f.; Pfeiffer/Hannich in: KK 6 , Einleitung Rdn. 30 f.
3
Vgl. § 11, I.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 327


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
328 § 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel

I. Einfaches Gewohnheitsrecht

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip könnte schon als ungeschriebener Grundsatz ein-


fachen Rechts aus traditionellem Gewohnheitsrecht im Strafverfahren gelten.4 Eine
verfassungsmäßige Verankerung wäre dann überflüssig. Die Erforderlichkeit ist in
anderen Gesetzen ausdrücklich als allgemein gültiger Grundsatz geregelt, wie zum
Beispiel im § 3 Abs. 1 BbgPolG. Ein allgemeiner Grundsatz des einfachen Straf-
prozessrechts, dass die genannten Rechte nicht übermäßig zu belasten sind, ist in
der StPO nicht ausdrücklich festgehalten. Allerdings liegen die Anfänge für seine
Geltung und Anerkennung bereits im 18. Jahrhundert. Schon im preußischen Poli-
zeirecht ist ein Übermaßverbot entwickelt worden.5

II. Ansicht der h. M.: Unmittelbare Geltung der


Verhältnismäßigkeitsklausel wegen verfassungsrechtlicher
Verankerung

Selbst wenn man unterstellt, dass es einen allgemeinen einfachrechtlichen Grund-


satz der Verhältnismäßigkeit mit gewohnheitsrechtlicher Geltung schon immer ge-
geben hätte, wäre er spätestens mit dem Erlass des Grundgesetzes in Verfassungs-
rang erhoben worden.6 Im Grundgesetz ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwar
auch nicht ausdrücklich genannt, aber er ist Dreh- und Angelpunkt der Rechtsan-
wendung des Verfassungsgerichts bei Grundrechtsfragen.7

4
Auch Bettermann favorisiert die unmittelbare Geltung altbewährter Rechtsgrundsätze, um Kom-
petenzen vor angeblichen Übergriffen durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zu schützen und für
die einfache Judikative zu reservieren. Speziell zum Gleichheitssatz und nicht zum Verhältnismä-
ßigkeitsprinzip, Bettermann, S. 46.
5
Kersten, S. 267 ff. Damals wurde es aber noch nicht klar in seine Teile geschieden, vgl. Lerche,
S. 21 Fn. 6. Schon Svarez benannte den auch bei den Problemen der verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen zugrunde liegenden Konflikt als ersten Grundsatz des öffentlichen Staats-
rechts: „[. . . ], dass der Staat die Freiheit der Einzelnen nur so weit einzuschränken berechtigt ist,
als es notwendig sei, damit die Freiheit und Sicherheit aller bestehen könne.“, Conrad/Kleinheyer,
S. 486 f. Gleichzeitig müsse der Schaden, welcher durch die Einschränkung der Freiheit abgewen-
det werden solle, „bei weitem erheblicher sein als der Nachteil, welchen das Ganze oder auch die
Einzelnen durch eine solche Einschränkung leiden.“ Zur Geschichte des Verhältnismäßigkeits-
prinzips ausführlich: Stern, Entstehung und Ableitung des Übermaßverbots, S. 165 ff. Bis zum
Inkrafttreten des GG war es ein polizeirechtliches und kein allgemeines Rechtsprinzip, Ossenbühl,
Maßhalten mit dem Übermaßverbot, S. 158.
6
Die Motive für den Aufstieg des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus dem einfachen Polizeirecht in
die Verfassung liegen nicht zuletzt im Missbrauch der staatlichen Macht durch den Nationalsozia-
lismus begründet, Kraft, BayVBl. 2007, S. 577 f. Dies gilt aus den oben genannten Gründen, § 4,
II, 3, auch besonders für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen.
7
Vgl. § 9, II. Der Gesetzgeber macht selten den Fehler, ohne Rechtsgrundlage in Grundrechte
einzugreifen. Zu verfassungsrechtlichen Streitigkeiten führen in der Regel nur die Fälle, in denen
es um die Verhältnismäßigkeit der eingreifenden Regelung geht. Wenn dieser Grundsatz in die
II. Ansicht der h. M.: Unmittelbare Geltung der Verhältnismäßigkeitsklausel 329

Nach Rechtsprechung und Lehre ändert die verfassungsrechtliche Verankerung


nichts an der unmittelbaren Geltung des Grundsatzes im einfachen Recht.8 Sie ist
vielmehr dadurch bedingt:
„Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wirkt gegenüber der gesamten Staatsgewalt. In der
Judikatur des BVerfG dominiert die Anwendung auf die Gesetzgebung; für eine unmittel-
bare Anwendung auf Verwaltung und Rechtsprechung bleibt nur bei nicht abschließenden
gesetzlichen Regelungen Raum; die Umsetzung gesetzlich zwingender verhältnismäßiger
Rechtsfolgen kann ihrerseits den Grundsatz nicht verletzen.“9

Konsequent müsste das auch in der StPO gelten. Hinsichtlich der rechtlichen Über-
prüfung von Verwaltungsakten hat sich mit der Kodifikation der Verwaltungsge-
setze und der Einführung der Verwaltungsgerichte nicht nur ein formaler, sondern
auch ein moderner inhaltlicher Prüfungsmaßstab der „Verhältnismäßigkeit“ heraus-
gebildet:
„Diese Grundsätze werden nach ständiger Rechtsprechung wie geschriebene Normen an-
gewendet [. . . ]. Soweit es an einer Kodifikation fehlt, gelten die allgemeinen Grundsätze
entweder als Gewohnheitsrecht oder als Richterrecht. Diese Grundsätze sind – woran man
denken könnte – nicht beliebig erfunden, sondern stellen sich zum großen Teil als Konkre-
tisierungen fundamentaler Verfassungsprinzipien dar.“10

Die h. M. nimmt an, dass auch in der StPO eine allgemeine ungeschriebene Ver-
hältnismäßigkeitsklausel gilt:
„Bei allen Maßnahmen des 8. Abschnittes ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Einl. Rn
30) zu beachten. Der bei Durchführung der Maßnahme zu erwartende Schaden, der auch
die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte umschließt, darf nicht außer Verhältnis zu
dem beabsichtigten Erfolg stehen. Die Auswirkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Stets ist eine Abwägung zu treffen, die
die Schwere der Straftat und Stärke des Tatverdachts, aber auch die Erforderlichkeit der
Maßnahme berücksichtigt. An der Erforderlichkeit fehlt es, wenn weniger einschneidende
Mittel zur Verfügung stehen.“11

In der strafprozessualen Lehre bestehen keine Zweifel an der unmittelbaren Wir-


kung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:
„Im geltenden Strafverfahrensrecht ist dieser Grundsatz ausdrücklich in verschiedene Vor-
schriften aufgenommen, [. . . ]. Er beherrscht mit verfassungsrechtlichem Rang die gesamte
Verfahrensgestaltung. Das Verbot des Übermaßes setzt auch der Rechtmäßigkeit eines sonst
zulässigen Eingriffs bei dessen Anordnung, Vollziehung und Fortdauer eine Grenze (vgl.
BVerfGE 32, 373, 379; 34, 238, 246). Nach allem stellt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
dem Richter die Aufgabe, bei einem Eingriff im Einzelfall eine Abwägung der Bedürfnisse

StPO in seiner heutigen Bedeutung in die StPO hineininterpretiert wird, dann ist dies eine direkte
Folge der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Prinzips.
8
Vgl. jüngst speziell zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der §§ 94, 110 StPO,
BVerfGE 124, 66 ff., 70.
9
Sachs, GG6 , Art. 20 Rdn. 148.
10
Peine, Rdn. 166. Weiteres zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, insbesondere bei Ver-
waltungsermessensentscheidungen im Allgemeinen Verwaltungsrecht findet sich ebenfalls dort,
Peine, Rdn. 138, 222, 573, 758.
11
BVerfGE 32, 373, 379; Nack in: KK 6 , Vorbem. § 94 Rdn. 6; Meyer-Goßner, StPO54 , Einl.
Rdn. 20 f.
330 § 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel

der Strafrechtspflege unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung der Grundrech-


te vorzunehmen (BVerfGE 20, 162, 189). Dabei ergibt sich eine Stufung der Zulässigkeit
prozessualer Eingriffe nach der Schwere des Tatvorwurfs und der Stärke des Tatverdachts.
So kann eine Maßnahme zunächst unzulässig sein, aber nach gewissen Beweiserhebungen
zulässig werden (Meyer-Goßner Einl. Rn 22).“12

In der Literatur wird immerhin erkannt, dass die Subsidiaritätsklauseln der ver-
deckten Ermittlungsmaßnahmen „in der jüngeren Gesetzgebung“ den Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatz konkretisieren. Ausprägungen der Verhältnismäßigkeit sind
auch die unterschiedlichen Verdachtsschwellen, die Tatbestandskataloge und die
Beschränkung der Zulässigkeit auf erhebliche Straftaten.13 Dass dies keine Laune
des Gesetzgebers, sondern eine verfassungsrechtliche Vorgabe des Bestimmtheits-
gebots und des Grundrechtsschutzes ist, wird jedoch nicht erörtert. Die Konsequen-
zen für die hergebrachte Auffassung des „lückenfüllenden“ Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes werden ebenfalls nicht gezogen:
„Aus diesem Grund und wegen des geringeren Grades an normativer Vorstrukturierung
kommt der unmittelbare Rückgriff auf dieses Prinzip vor allem im Ermittlungsverfahren in
Betracht, wo es ein notwendiges Korrelat zum Grundsatz seiner freien Gestaltung darstellt.
[. . . ] Namentlich in neuerer Zeit neigt der Gesetzgeber dazu, die Wahrung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Maßnah-
me oder die Unverhältnismäßigkeit als Unzulässigkeitskriterium zu normieren [. . . ].“14

Nach dieser h. M. sind auch die unterschiedlich ausgestalteten Subsidiaritäts-


klauseln, ferner die Verwendung erhöhter Verdachtsschwellen, die Kopplung
an bestimmte Deliktskataloge und die Tatschwere deklaratorische Regelungen
des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Wegen der unterschiedlichen Entstehungszeit
lässt sich nach dieser Ansicht daraus keine „Schwereskala“ ableiten.15 Danach
wird der Rechtsanwender bloß an das Verhältnismäßigkeitsprinzip erinnert. Das
rechtfertige deshalb in den übrigen Fällen, in denen das Gesetz schweigt, keinen
Umkehrschluss.16

III. Eigene Ansicht

Nach hier vertretener Ansicht ist die vorstehend dargestellte Argumentation der
h. M. nicht ohne weiteres überzeugend. Der von der h. M. eilig verneinte Gegen-
schluss drängt sich gerade bei den gesetzlichen Umsetzungen des Verhältnismä-
ßigkeitsprinzips nahezu auf. Dies gilt insbesondere im Rahmen der Regelung der
verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob sich
die h. M. durch einen indirekten Nachweis des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausrei-

12
Pfeiffer/Hannich in: KK 6 , Einleitung Rdn. 31.
13
Pfeiffer/Hannich in: KK 6 , Einleitung Rdn. 31.
14
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 Einl. Abschn. I Rdn. 99 f.
15
Diese „Schwereskala“ lässt sich allerdings mit dem oben dargestellten Ansatz aus der Verfas-
sung und den „natürlichen“ Belastungsempfindungen entwerfen, vgl. das Konzept § 9, II, 4, c).
16
Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 Einl. Abschn. I Rdn. 99 f.
III. Eigene Ansicht 331

chend untermauern lässt oder ob es bei fragmentarischen Ansätzen bleibt und der
Gegenschluss zwingend ist.

1. Indirekter Nachweis einer Verhältnismäßigkeitsklausel durch


§ 160a Abs. 2 StPO?

§ 160a Abs. 1 und Abs. 2 StPO regeln allgemeine Ermittlungsverbote für Maß-
nahmen gegen zeugnisverweigerungsberechtigte Personen.17 Dieser Personenkreis
reicht von Rechtsanwälten bis zu Angehörigen des Verdächtigen. Das Ermittlungs-
verbot gilt aber nicht generell, sondern nur falls zu befürchten ist, dass Informatio-
nen ermittelt werden, über welche diese Personen das Zeugnis verweigern dürften.
Insoweit regelt der Gesetzgeber einen Ausschnitt aus den Anforderungen an die
Verhältnismäßigkeit und an den Kernbereichsschutz. Dies ist keine vollständige
Umsetzung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips.
Der Gesetzgeber geht seit der Reform von 2007 in § 160a Abs. 2 StPO davon
aus, dass für die darüber hinausgehenden Anforderungen aus dem verfassungsrecht-
lichen Verhältnismäßigkeitsprinzip eine allgemeine ungeschriebenen Verhältnismä-
ßigkeitsprüfung für die Anwendung strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen be-
steht. Denn § 160a Abs. 2 StPO kann als indirekter Hinweis darauf angesehen
werden, dass der Gesetzgeber von der Existenz einer allgemeinen ungeschriebe-
nen Verhältnismäßigkeitsklausel im Strafprozessrecht ausgeht. Diese Ansicht wird
durch die Gesetzesbegründung bestätigt. Dort wird eine ausdrückliche Regelung
der Subsidiarität damit begründet, dass bisher nur das allgemeine Verhältnismäßig-
keitsprinzip für die diese Fallgruppe gegolten hat:
„Auch unter Berücksichtigung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung empfiehlt
sich jedoch [eine Regelung durch eine Subsidiaritätsklausel] für diese Fallgruppe, für
die bislang außer dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine einschränkenden
Merkmale im Hinblick auf die Schwere oder Erheblichkeit der Anlassstraftat geregelt sind
[. . . ].“18

Wie gezeigt,19 ist es dem Gesetzgeber nicht gestattet, die Angemessenheits-


prüfung auf den Rechtsanwender zu delegieren. § 160a StPO ist zwar eine nach-
trägliche Andeutung des Gesetzgebers, dass er von der Geltung eines allgemeinen
Verhältnismäßigkeitsprinzips in der StPO ausgeht. Fragmentarisch ist auch die An-
gemessenheit in § 160a Abs. 2 StPO umgesetzt. Darüber hinaus ist § 160a StPO aber
keine Regelung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, sondern setzt dieses voraus. Der
Gesetzgeber hat für einige Bestandteile des Verhältnismäßigkeitsprinzips an ande-
ren Stellen Regelungen geschaffen, indem er beispielsweise Subsidiaritätsklauseln
für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in den §§ 98a ff. StPO eingefügt hat. Diese

17
Vgl. jüngst ausführlich zur Besprechung der Personengruppen BVerfG EuGRZ 2011, 696 ff.
18
BTDrucks 16/5846 S. 52.
19
Vgl. § 9.
332 § 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel

punktuellen Regelungen in der StPO ergeben aber noch keine allgemeine Verhält-
nismäßigkeitsklausel.

2. Parlamentsvorbehalt und § 160a Abs. 2 StPO

Fraglich bleibt, ob durch einen vagen Bezug in § 160a Abs. 2 StPO auf eine
gewohnheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsklausel die Anforderungen des Parla-
mentsvorbehalts eingehalten werden. Dabei geht es nicht darum, ob § 160a Abs. 2
StPO diese Voraussetzungen einhält. Die Vorschrift beschränkt die Befugnisse
der Ermittlungsbehörden und erweitert sie nicht. Die Vorschriften der StPO, für
die § 160a Abs. 2 StPO gilt, sind verfassungsgemäß, wenn diese verhältnismäßig
sind. Deren Verhältnismäßigkeit würde auch gewahrt, wenn eine allgemeine Hilfs-
vorschrift wie § 160a Abs. 2 StPO die Erforderlichkeit und Angemessenheit der
Regelung im Normengefüge sichert. Wenn dies nicht der Fall ist und es auch durch
§ 160a StPO nicht zu einer bestimmten Regelung kommt, sind die entsprechenden
Regelungen der Eingriffsbefugnisse (§§ 98a ff. StPO soweit keine punktuellen
Regelungen gegeben sind) verfassungswidrig.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers erfolgt die allgemeine Regelung der Ver-
hältnismäßigkeit im Strafverfahren über die punktuellen Umsetzungen im Rahmen
der Regelungen der Standardmaßnahmen und darüber hinaus gewohnheitsrechtlich.
Der Gesetzgeber wollte dieses Konzept durch § 160a Abs. 1 und Abs. 2 StPO ledig-
lich ergänzen. Dies ist aber in Bezug auf die Bestimmtheit und die Angemessenheit
unzulässig. in Bezug auf die Geeignetheit und Erforderlichkeit ist zwar eine all-
gemeine Regelung erlaubt, doch muss auch bei dieser allgemeinen Regelung der
konkrete Bezug zu den strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen hergestellt wer-
den. Es reicht nicht aus, dass die allgemeine Klausel wörtlich „Erforderlichkeit“
oder „Verhältnismäßigkeit“ verlangt oder wie im Fall des § 160a Abs. 2 StPO die
Prüfung der Verhältnismäßigkeit sogar nur erwähnt, statt sie zu regeln. Eine solche
„salvatorische Klausel“ gibt dem Gesetzanwender nichts Bestimmtes vor. Wenn der
Gesetzgeber schlicht begrifflich Bezug auf die Kategorien des Verfassungsrechts
nimmt, setzt er diese nicht um. Denn er gibt damit dem Rechtsanwender nur auf,
sich an die Verfassung zu halten. Der Gesetzgeber regelt so „das Wesentliche“ nicht
selbst, sondern überlässt die Umsetzung den Rechtsanwendern. § 160a Abs. 2 StPO
ergänzt die von den Rechtsanwendern entwickelten gewohnheitsrechtlichen Rege-
lungen nur rudimentär.

3. Analogie zum Polizeirecht?

Zwar wurde bereits angeführt, dass wenigstens die Erforderlichkeit in anderen


Rechtsbereichen ein bewährter Rechtsbegriff ist. Eine solche allgemeine Verhält-
III. Eigene Ansicht 333

nismäßigkeitsklausel findet sich in verschiedenen Polizeigesetzen, so zum Beispiel


im Brandenburgischen Polizeigesetz (BbgPolG):
„§ 3 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maß-
nahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit vor-
aussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil
führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnah-
me ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht
werden kann.“

Eine Parallele der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zum


Polizeirecht kann hier nicht überzeugen. In den modernen Polizeigesetzen ist die
Verhältnismäßigkeitsklausel ausdrücklich geregelt. Das Polizeirecht verfolgt nicht
den gleichen Zweck wie das Strafprozessrecht. Repressive und präventive Ge-
fahrenbekämpfung rechtfertigen nicht unbedingt die gleichen Mittel. Ob in den
Polizeigesetzen gefahrenabwehrrechtliche Generalklauseln und flankierend allge-
meine Verhältnismäßigkeitsklauseln verfassungsgemäß sind, ist eine Frage, deren
Bearbeitung den thematischen Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Jedenfalls
besteht ein kategorialer Unterschied zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfol-
gung, der es durchaus rechtfertigen kann, bei der Strafverfolgung einen unflexiblen
Maßnahmenkatalog zu nutzen. Die Gefahrenabwehr kann drängenden Interessen
dienen, welche sogar die Tötung eines Menschen rechtfertigen (finaler Rettungs-
schuss),20 während dies bei strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen unter keinen
Umständen zu rechtfertigen ist.
Aus dem Vergleich mit dem Polizeirecht lässt sich also nichts für eine allgemeine
Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der StPO entnehmen. Die unterschied-
liche Zwecksetzung spricht eher dagegen als dafür. Eine Analogie kommt außerdem
schon wegen der bewussten Regelungslücke nicht in Betracht. Zudem ist höchst
zweifelhaft, ob so die Anforderungen an die Normenbestimmtheit erfüllt werden
können.

4. Gegenschluss zu den vorhandenen Regelungen

Unklar bleibt, warum der Gesetzgeber nur partiell ausdrücklich spezielle Regelun-
gen der Verhältnismäßigkeit in die StPO eingefügt hat.
Im Hinblick auf die älteste Maßnahme, die Postbeschlagnahme nach § 99 StPO,
hat der Gesetzgeber eine Anpassung der Regelung versäumt. Nur bei den Regelun-
gen der relativ modernen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hat der Gesetzgeber
die Grundsätze der Normenbestimmtheit und der Erforderlichkeit stärker beachtet.
Der Gesetzgeber musste sich insoweit an die Entwicklung in der Rechtsprechung
des BVerfG hin zu strengeren Maßstäben anpassen. Das BVerfG entschied aber

20
Vgl. dazu Waadt, S. 3 ff.
334 § 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel

nur punktuell zu den jeweils gerügten Vorschriften.21 Eine konsequente Regelung


der Erforderlichkeit im Ermittlungsverfahren zu schaffen, hat der Gesetzgeber da-
her für verzichtbar gehalten und sich mit einem indiziellen Hinweis des durch das
BVerfG, die einfache Rechtsprechung und Lehre entwickelten Status quo in § 160a
StPO beholfen. Ein solcher indizieller Hinweis ist aber noch keine verhältnismä-
ßige Regelung. Diese „Regelung“ hat der Gesetzgeber selbst nämlich gerade nicht
vorgenommen.
Zu vermuten ist, dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Normenbestimmt-
heit außerdem bei „weniger“ intensiven Eingriffen ) für „weniger“ erheblich hält
(§ 100h als weniger intensiver Eingriff im Vergleich zu § 100a StPO). Diese Auf-
fassung, die von einer Proportionalität der Gesetzesbestimmtheit zur Eingriffstiefe
ausgeht, wurde bereits oben grundsätzlich abgelehnt.22 Wenn der Gesetzgeber da-
von ausgeht, dass nur Maßnahmen, die er für besonders grundrechtsbelastend hält,
einer konkreten besonderen Regelung der Erforderlichkeit bedürfen, würde dies
dem Grundsatz der Normenbestimmtheit nicht gerecht. Denn dieser Grundsatz ist
nach hier vertretener Ansicht nicht als abgestufte Anforderung zu verstehen. Viel-
mehr wird für jeden Grundrechtseingriff unabhängig von dessen Intensität eine
gleichbestimmte Regelung verlangt. Nur weil eine Maßnahme typischerweise we-
niger belastend als eine andere ist, ändert das nichts an den Anforderungen der
Normenbestimmtheit.23
Das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip kann nicht als „Lücken-
füller“ für Versäumnisse des Gesetzgebers dienen, die eigentlich zur Verfassungs-
widrigkeit der betreffenden Vorschrift führen würden. Sämtliche vorhandenen Vor-
gaben der speziellen Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-
nahmen wären sonst überflüssig. Der Gesetzgeber könnte auf sie zugunsten einer
allgemeinen ungeschrieben Verhältnismäßigkeitsklausel verzichten. Diese würde
immer dann einspringen, wenn sich eine Lücke im Regelungskonzept der StPO
auftut, weil eine entsprechende ausdrückliche Regelung fehlt. Welche der ungere-
gelten Maßnahmen gegenüber welchen Eingriffen zulässig sind, regelt dann aber
nicht der Gesetzgeber. Vielmehr machen Rechtsprechung und Exekutive adäquate
Regelungen unter sich aus. Dies ist mit der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG nicht
zu vereinbaren.24

21
Vgl. auch die Entscheidung BVerfG EuGRZ 2011, 695 ff., in der das BVerfG eine Ausein-
andersetzung mit § 100f StPO wegen Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insoweit nicht
vornimmt.
22
Vgl. oben § 9, I, 8, b).
23
§ 9, I.
24
Vgl. oben § 9, I. Das BVerfG setzt sich zudem in der kürzlich ergangenen Entscheidung zur Gel-
tung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips in den § 94 ff. StPO in gewissen Widerspruch
zu seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung. Dort war die allgemeine Verhältnismäßig-
keitsklausel gerade nicht als verfassungsrechtlich ausreichende Regelung angesehen worden, vgl.
BVerfG 125, 250, 352: „[. . . ] [Nicht verfassungsgemäß ist, dass der Gesetzgeber Straftaten in
Bezug auf ihre Schwere ] nach Maßgabe einer allgemeinen Abwägung im Rahmen einer Ver-
hältnismäßigkeitsprüfung als möglichen Auslöser einer Datenabfrage ausreichen lässt. Mit dieser
Regelung werden die nach § 113a TKG gespeicherten Daten praktisch in Bezug auf alle Straftat-
bestände nutzbar. Ihre Verwendung verliert [. . . ] ihren Ausnahmecharakter.“
III. Eigene Ansicht 335

Eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel ist de lege lata nur dann ein Be-
standteil der StPO, wenn man an sie glaubt. Nachgewiesen werden kann sie nicht.
Die Auslegungsvariante, nach der das Verhältnismäßigkeitsprinzip ergänzend zur
Lückenfüllung herangezogen wird, ist also als verfassungswidrig zu verwerfen.

5. Zwischenergebnis

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt nicht unmittelbar im Ermittlungsverfahren.


Die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit müssen vom Gesetzgeber in den spe-
ziellen Befugnisregelungen oder einer Verhältnismäßigkeitsklausel umgesetzt wer-
den.
De ferenda könnte eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel dann verfas-
sungsgemäß geregelt werden, wenn diese Klausel so beschaffen ist, dass mit ihr
gesetzliche Abgrenzungskriterien festgelegt werden, die eine sichere Bewertung
der Belastung durch Grundrechte ermöglichen. Sonst muss der Gesetzgeber für ver-
deckte Ermittlungsmaßnahmen weitere Befugnisregelungen schaffen.
Teil V

Besondere Voraussetzungen
§ 21 Postbeschlagnahme
gemäß §§ 97, 99, 100 StPO

Die Regelung der Postbeschlagnahme ist seit 1877 in der StPO enthalten und
wurde seitdem kaum verändert.1 Das Grundgesetz macht allerdings andere Vor-
gaben als die Reichsverfassung von 1871. Die Vorschriften der §§ 97, 99, 100
StPO zur Postbeschlagnahme müssen den heutigen verfassungsrechtlichen Anfor-
derungen entsprechen. Dass dies nicht ohne Zweifel ist, zeigt schon die Kritik von
Papier/Dengler an den § 94, 95, 103 StPO, deren Übertragung auf die Postbe-
schlagnahme zu untersuchen sein wird:
„Damit jedoch Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verfassungs-
rechtlich gerechtfertigt sind, bedarf es nach dem den Grundrechten immanenten Grundsatz
vom Vorbehalt des Gesetzes einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, an der es
im vorliegenden Fall fehlt. Die §§ 94, 95, 103 StPO, auf die die Staatsanwaltschaft ihre
Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stützt, stellen zwar förmli-
che Gesetze dar, jedoch entsprechen sie nicht (mehr) den verfassungsrechtlichen Anfor-
derungen, die an gesetzliche Grundlagen zu stellen sind, die zu Eingriffen in das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigen. Damit auf der Grundlage einer ge-
setzlichen Ermächtigung in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen
werden darf, müssen sich aus dieser dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit ent-
sprechend ,die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den
Bürger erkennbar ergeben‘ “2

Während Papier/Dengler das BVerfG auf ihrer Seite wähnten, hat das Gericht
jüngst in der Entscheidung zur E-Mail-„Beschlagnahme“ zumindest §§ 94, 110
StPO als bestimmte und verhältnismäßige Grundlage für einen Eingriff in Art. 10
GG durch eine E-Mail-Beschlagnahme auf dem Server eines Diensteanbieters
angesehen.
„§ 94 StPO kann ohne Verfassungsverstoß als Ermächtigung auch zu Eingriffen in Art. 10
Abs. 1 GG verstanden werden.“3

1
Vgl. § 4, I, 1.
2
Papier/Dengler, BB 1996, S. 2545, die sich auf das Volkszählungsurteil, BVerfGE 65, 1, 44,
beziehen.
3
BVerfGE 124, 43, 58.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 339


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
340 § 21 Postbeschlagnahme gemäß §§ 97, 99, 100 StPO

Es ist daher davon auszugehen, dass das BVerfG diese Linie auch im Hinblick auf
die nicht im genannten Urteil erwähnte Postbeschlagnahme folgen würde. Ob die
Ansicht des BVerfG zutreffend ist, wird im Folgenden zu klären sein.

I. Anwendungsbereich

1. Heimliche Überwachung des Post- und Briefverkehrs

Bei der Postbeschlagnahme werden Briefe auf dem Postwege abgefangen und be-
schlagnahmt. Die eigentliche Anordnungsbefugnis enthält § 99 StPO. Beschlag-
nahmt dürfen danach nur solche Sendungen werden, die sich auf dem Postweg bei
staatlichen oder Privaten Dienstleistern befinden. Es muss sich um Post des Be-
schuldigten handeln, was sich auch konkludent aus dem Inhalt ergeben kann. Nach
§ 97 StPO dürfen bestimmte Sendungen nicht beschlagnahmt werden. Dazu gehört
insbesondere der Briefwechsel mit zeugnisverweigerungsberechtigten Personen.

2. E-Mail-Beschlagnahme auf dem Server des Providers


gespeicherter Nachrichten?

Nach der Rechtsprechung des BGH fällt auch die Beschlagnahme von E-Mails, die
bei einem Service-Provider zwischengespeichert sind, unter § 99 StPO.4 Dies erfuhr
in der Literatur5 Kritik, da die E-Mail-Beschlagnahme dem Fernmeldegeheimnis
unterfalle. Entscheidend gegen eine Einordnung der zwischengespeicherten E-Mail
spricht aber, dass es sich dem Wortlaut nach eindeutig nicht um eine Postsendung
oder ein Telegramm handelt. Der BGH wendet § 99 StPO analog an:
„[Die Beschlagnahme einer zwischengespeicherten E-Mail ist] auch unter Berücksichti-
gung des heutigen Kommunikationsverhaltens in jeder Hinsicht vergleichbar mit der Be-
schlagnahme anderer Mitteilungen, welche sich zumindest vorübergehend bei einem Post-
oder Telekommunikationsdiensteleister befinden, bspw. von Telegrammen, welche gleich-
falls auf dem Telekommunikationsweg dorthin übermittelt wurden.“

Nach der hier vertreten Ansicht zu den Auslegungsmethoden ist eine Analogie –
zumal zu Lasten des Betroffenen – auch im Strafprozessrecht nicht zulässig.6 Die
„Beschlagnahme“ einer E-Mail gehört daher nicht in den Anwendungsbereich des
§ 99 StPO.7

4
BGH NJW 2009, 1828; vgl. auch KK 6 , § 100a Rdn. 22.
5
Vgl. Klesczewski, ZStW 2011 S. 746.
6
Vgl. § 9, I, 8, a).
7
Das BVerfG wendet die Beschlagnahmeregelungen der §§ 94, 110 StPO und nicht § 99 StPO
an, vgl. BVerfGE 124, 43 72 f.; Kasiske, StraFo 2010, S. 228 ff. stimmt dem BVerfG und dem
BGH insoweit zu, dass die Beschlagnahme Vorschriften einschlägig seien, will dies aber nur für
II. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG 341

II. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

Erlaubt die Regelung der Postbeschlagnahme eine Verletzung des Kernbereichs


der privaten Lebensgestaltung, ist die Vorschrift deshalb verfassungswidrig. Eine
Rechtfertigung käme nicht in Betracht.

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Bei der Möglichkeit einer Kernbereichsverletzung durch die Maßnahme muss der
Regelungsumfang durch Ausnahmen so eingeschränkt werden, dass die sonst sub-
sumierbare Verletzung des Kernbereichs ausgeschlossen wird. Die Vorschrift muss
nach dem zweistufigen Schutzkonzept des BVerfG ausgestaltet sein.8

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Durch einen Vergleich der Regelungen der Postbeschlagnahme mit dem oben vorge-
stellten Grundmodell9 und den Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung
drängt sich die Frage auf, warum §§ 99, 100 StPO auch nach der Reform 2007
keine Kernbereichsschutzklausel enthalten. Denn wie gezeigt, ist ein Kernbereichs-
schutzkonzept notwendig, um finale Einblicke in die absolut geschützte private
Lebensgestaltung zu verhindern. Für die Telekommunikationsüberwachung ist ein
entsprechendes Schutzkonzept zudem in § 100a Abs. 4 StPO ausdrücklich geregelt.
Ein Grund weshalb dies nicht bei der Postbeschlagnahme erfolgen können soll, ist
nicht ersichtlich: Ein Verzicht auf Kernbereichsschutz gegenüber dem vergleichba-
ren § 100a StPO würde nur dann nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschriften
über die Postbeschlagnahme führen, wenn die Postbeschlagnahme keine Gefahr für
den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung darstellen oder dieser Schutz
auf andere Weise wirksam hergestellt würde.
Eine wesentliche Differenz bezüglich der Kernbereichsbetroffenheit zwischen
der Postbeschlagnahme und der im weiteren Verlauf der Arbeit noch genauer zu
behandelnden Regelung der Telekommunikationsüberwachung besteht nicht. Aber

offengelegte Maßnahmen gelten lassen. Insgesamt kritisch zu der Entscheidung des BGH und auch
insoweit zur Ansicht des BVerfG: Klesczewski, ZStW 2011 S. 746 f.
8
Vgl. § 15, V. Das BVerfG würde insoweit den fehlenden Kernbereichsschutz in die StPO
hineininterpretieren. Das ist aber aus den oben genannten Gründen zur Ablehnung des Ver-
hältnismäßigkeitsprinzips entsprechend zu verneinen, da es sich bei der generell-abstrakten
Ausgestaltung eines Schutzkonzeptes für das Strafverfahren um Gesetzgebung und nicht um
Gesetzesausführung handelt. Dies ist eine Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Ermittlungs-
behörden. Vgl. § 20, III und unten zu § 110 StPO § 29, III, 2.
9
Vgl. § 11, I.
342 § 21 Postbeschlagnahme gemäß §§ 97, 99, 100 StPO

nur für letztere findet sich in § 100a Abs. 4 StPO ein besonderer Kernbereichs-
schutz. Einblicke in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung können sich
allerdings nicht nur beim Mithören von Telefonaten oder Lesen von E-Mails erge-
ben. Sie können sich auch durch das Lesen fremder Briefe eröffnen:

Beispiel 45 X schreibt seiner Freundin, dass er Minderwertigkeitskomplexe hat,


weil er in der Kindheit von seiner Mutter geschlagen wurde.

Hier ist für die Frage wie privat diese Äußerung ist, nicht entscheidend, ob die-
se Äußerung schriftlich im Brief oder fernmündlich erfolgt. Die Regelungen der
Postbeschlagnahme lassen also eine wesentliche Schutzlücke.

a) Regelung des § 97 StPO

Zwar regeln die Beschlagnahmeverbote nach § 97 StPO einen Teil des Kernbe-
reichsschutzes, weil die Kommunikation mit den dort genannten Zeugnisverwei-
gerungsberechtigten Personen mit einiger Wahrscheinlichkeit den Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung betreffen kann. Die Regelung ist aber insoweit unvoll-
ständig. Die erkennt auch die h. M. an, die zwar eine analoge Anwendung auf
andere Personen ablehnt,10 aber davon ausgeht, dass sich Schutzlücken durch Be-
schlagnahme Verboten schließen lassen, die sich direkt aus dem Grundgesetz er-
geben.11 Eine solche direkte Geltung des Verfassungsrechts an Stelle der StPO ist
aber aus den oben dargelegten grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen.12

Beispiel 46 Die Kernbereichsbetroffenheit kann auch durch zuvor bekannt gewor-


dene Inhalte anderer Äußerungen oder eine enge Vertrauensbeziehung zu einer
Geliebten zu vermuten sein.

§ 97 StPO ist daher keine allgemein den Kernbereichsschutz genügend gewähr-


leistende Norm.13

b) Regelung des § 160a StPO

Die Regelung des § 160a StPO kann die genannte Schutzlücke ebenfalls nicht
schließen, sie geht hier insoweit auch nicht über den spezielleren § 97 StPO hin-
aus.

10
Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 97 Rdn. 11.
11
Vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 97 Rdn. 2.
12
Vgl. die Ausführungen zur verfassungskonformen Ersetzung und Ergänzung unter § 6, IV, 5 ff.
13
Vgl. § 15, IV, 1, b).
III. Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG 343

3. Zwischenergebnis

Die Vorschrift des § 99 StPO ist daher bereits wegen fehlenden Kernbereichsschutz-
konzepts verfassungswidrig.

III. Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis


aus Art. 10 Abs. 1 GG

Die Regelung der Postbeschlagnahme in §§ 97, 99, 100 StPO greift in den Schutz-
bereich des Art. 10 GG ein. Der Kernbereich ist hier durch Art. 10 Abs. 1 i. V. m.
Art. 1 Abs. 1 GG geschützt.14
„Art. 10 GG ist das für die Postbeschlagnahme wesentliche Grundrecht. Als Schutz der
Selbstbestimmung über Informationen weist das Grundrecht aus Art. 10 GG Besonder-
heiten auf, die es insbesondere mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
teilt: Anders als bei anderen Grundrechten besteht typischerweise die Gefahr, dass ein erster
Eingriff (Erhebung der Information) sich durch den weiteren Umgang mit kommunika-
tionsbezogenen Informationen durch Speicherung, Verwendung und Weitergabe vertieft.
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in das Grundrecht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung müssen darauf abgestimmt sein. Deshalb gewährleistet Art. 10 GG
neben dem Schutz vor der Erhebung auch das Selbstbestimmungsrecht über den weiteren
Umgang mit kommunikationsbezogenen Informationen durch Speicherung, Verwendung
und Weitergabe. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in das Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung müssen deshalb auch bei der Auslegung von
Art. 10 GG herangezogen werden. [. . . ] Die Schutzrichtung von Art. 10 GG gegenüber un-
gewollten Informationserhebungen durch Dritte weist dieses Grundrecht als wesentlichen
Bestandteil des Schutzes der Privatsphäre aus.“15

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG
als Auffanggrundrecht nicht betroffen. Art. 10 GG ist nach dieser Ansicht im Ver-
hältnis zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung spezieller, sofern es um
Datenerhebung und -verarbeitung im Geheimnisbereich des Art. 10 Abs. 1 GG
geht.16 Auch das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ist nicht zusätzlich
betroffen. Ein Eingriff in Art. 10 GG muss zwar Informationen erheben, er erfolgt
aber nicht notwendig heimlich. Dennoch ist dem historisch geprägten Schutzbe-
reich gerade der Schutz vor heimlichen Eingriffen immanent. Offenes Überwachen
von Telekommunikation ist eine krasse Ausnahme.17

14
Art. 10 GG ist insoweit spezieller als Art. 2 Abs. 1 GG. Dogmatisch sind keine zusätzlichen
Unterschiede zum weiter gefassten Schutz des Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung
durch Art. 2 Abs. 1 GG gegeben.
15
Dreier in: Dreier, GG1 , Art. 10 Rdn. 14, 16.
16
BVerfGE 100, 313, 358.
17
Dies findet im Wesentlichen in den früher sog. „besonderen Gewaltverhältnissen“ statt. Dies
trifft heute nur noch auf Häftlinge zu.
344 § 21 Postbeschlagnahme gemäß §§ 97, 99, 100 StPO

IV. Rechtfertigung der Eingriffe in das Post- und Briefgeheimnis


aus Art. 10 Abs. 1 GG gemäß Art. 10 Abs. 2 S. 1 GG

Ein Eingriff in die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG ist grundsätzlich nach Art. 10
Abs. 2 S. 1 GG gerechtfertigt, da er aufgrund eines Gesetzes erfolgt. Diese ge-
setzliche Grundlage rechtfertigt den Eingriff aber nicht, wenn sie unbestimmt oder
unverhältnismäßig ist.

1. Bestimmtheit der Regelung

Die Regelung der Postbeschlagnahme muss bestimmt sein. Daran bestehen keine
Zweifel. Denn sowohl die Anlasstaten als auch die übrigen Anordnungsmerkmale
sind eindeutig benannt. Dass diese Merkmale einen teilweise sehr weiten Bereich
von Sachverhalten erfassen – so kann zum Beispiel jede Straftat eine Anlasstat
sein – ist keine Frage der Bestimmtheit, sondern das nachfolgende Problem der
Verhältnismäßigkeit.

2. Verhältnismäßigkeit der Regelung

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als Übermaßverbot darf das relevante Ge-


setz in das übergeordnete Grundrecht (Art. 10 GG) nur möglichst schonend ein-
greifen. Der Eingriff durch das Gesetz, §§ 94, 97, 99, 100 StPO, muss geeignet,
erforderlich und angemessen sein.

Beispiel 47 Ein Fahrrad im Wert von 100 C wurde gestohlen. A ist als Ersttäter
aufgrund einer anonymen Anzeige verdächtig. Zeugen stehen zur Verfügung und
am Tatort könnten Fingerabdrücke gesichert wurden. Nach dem Wortlaut der §§ 94,
97, 99, 100 StPO ist die Postbeschlagnahme als Mittel erster Wahl zur Aufklärung
eines einfachen Verdachts eines Fahrraddiebstahls zulässig.

Dieses Beispiel illustriert die Frage, ob die in diesem Fall nach dem Wortlaut der
Vorschriften zulässige Postbeschlagnahme verfassungsgemäß ist. Die Vorschriften
wären dann verfassungsmäßig, wenn diese konkrete Maßnahme verhältnismäßig,
also geeignet, erforderlich und angemessen wäre.

a) Geeignetheit

Die Postbeschlagnahme ist ein zum legitimen Zweck der Strafverfolgung geeigne-
tes Mittel. Die Möglichkeit, in missbräuchlicher Anwendung der Postbeschlagnah-
IV. Rechtfertigung der Eingriffe in das Post- und Briefgeheimnis 345

me gesetzesfremde Zwecke zu verfolgen, wird durch Richtervorbehalt minimiert.18


An der Geeignetheit der Maßnahme bestehen daher keine Bedenken.

b) Erforderlichkeit

Die Postbeschlagnahme nach §§ 97, 99, 100 StPO ist aber nur dann gerechtfertigt,
wenn sie erforderlich und angemessen ist. Erforderlich ist die Maßnahme, wenn
kein milderes, zur Erreichung des Zwecks gleich geeignetes Mittel zur Verfügung
steht. Da man nicht bei jeder konkreten Straftat nur mit einer Postüberwachung
zum Ziel der Ermittlungsmaßnahmen gelangt, ist die Regelung für solche Fälle
bereits bedenklich. Sind etwa bereits Zeugenaussagen, Fingerabdrücke oder Fuß-
spuren am Tatort vorhanden, die dem Verdächtigen zugeordnet werden können oder
ist sogar ein Geständnis bei dessen nächster Vernehmung wahrscheinlich, ist keine
Postbeschlagnahme mehr erforderlich. Hält man uneingeschränkt am Wortlaut der
Norm fest, ergibt sich bereits daraus die Unverhältnismäßigkeit und somit die Ver-
fassungswidrigkeit der Regelung zur Postbeschlagnahme. § 100 Abs. 6 StPO sorgt
zwar dafür, dass die ermittlungsunwichtigen Teile der Postsendung an den Betroffe-
nen weitergeleitet werden, doch kann dies den Verstoß gegen den Erforderlichkeits-
grundsatz nicht kompensieren. Schon deshalb ist die Regelung verfassungswidrig,
wenn nicht andere spezielle oder Klauseln den Mangel heilen. Diese Frage wird
aber erst am Ende der Ausführungen zur Postbeschlagnahme für spezielle Kompen-
sationsmöglichkeiten innerhalb des Regelungskonzepts der Postbeschlagnahme19
geklärt.

c) Angemessenheit

Erst recht bei der Angemessenheit im engeren Sinne ist zu bezweifeln, dass die
Regelung das Übermaßverbot beachtet. Denn auch bei dem geringsten Vergehen –
etwa dem im Beispiel beschrieben Fahrraddiebstahl oder der Unterschlagung einer
geringwertigen Sache – ist nach dem Wortlaut der Norm eine Überwachung des
Briefverkehrs zulässig.20

d) Kompensation durch formale Schutzvorkehrungen?

Weil der Prüfungsmaßstab unklar ist, kann auch eine inhaltliche Prüfungspflicht des
die Post öffnenden Richters (§ 100 Abs. 3 StPO) die Unverhältnismäßigkeit nicht

18
Vgl. § 16.
19
Siehe § 21, IV, 2, d).
20
Zur grundsätzlichen Vereinbarkeit der Strafbarkeit von Bagatellen mit dem Schuldgrundsatz,
vgl. BVerfGE 50, 205, 215; 73, 206, 253; 86, 288, 313.
346 § 21 Postbeschlagnahme gemäß §§ 97, 99, 100 StPO

beseitigen. Diese Regelung kann nur umgekehrt zur formalen Sicherung inhaltlicher
Vorgaben führen,21 Letztere fehlen jedoch.
Danach ist diese Reglung isoliert betrachtet verfassungswidrig.

e) Kompensation durch den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz?

Das BVerfG kommt in seiner Entscheidung zur E-Mail-Beschlagnahme nur dadurch


zu dem Ergebnis, dass § 94 ff. StPO verhältnismäßige Eingriffsregelungen sind,
weil es offensichtlich davon ausgeht, die nicht erforderliche und unangemessene
Regelungsweite der §§ 94 ff. StPO ließe sich durch eben das Verhältnismäßigkeits-
prinzip begrenzen, das es selbst als Prüfungsmaßstab verwendet:
„Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vermag zwar den staatlichen Zugriff auf die auf
dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails zu begrenzen.“22

Dem ist aber nicht beizupflichten. Die einfachgesetzliche Wirkung des allgemei-
nen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wurde bereits oben abgelehnt.23 Sie kann die
Norm daher nicht vor der Verfassungswidrigkeit bewahren.

V. Zwischenergebnis

Die Regelung der Postbeschlagnahme ist wegen der genannten Gründe – fehlen-
de Erforderlichkeitsklausel, fehlende Einschränkung der Anlasstaten, nicht ausrei-
chender inhaltlicher Kernbereichsschutz – ein unverhältnismäßiger Eingriff in die
Grundrechte des Betroffenen und verfassungswidrig.

21
Die Prüfung durch den Richter ist für den Schutz der Grundrechte sowohl verfahrensmäßig
(Grundrechtsschutz durch Verfahren) als auch inhaltlich ausreichend. Zwar gilt nach der richter-
lichen „Vorprüfung“ das für alle Beweismittel geltende Beschlagnahmeverfahren nach §§ 94, 98
StPO. Das heißt die weitere Auswertung des Materials wird der StA und ihren Ermittlungsper-
sonen überlassen, Schäfer in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 100 StPO Rdn. 33. Dabei wird nur der
bereits durch den Richter verübte Eingriff intensiviert, wenn weitere Personen Zugriff zu den In-
formationen erhalten, die dem betroffenen Briefschreiber persönlich zugeordnet werden können.
Dies ist aber notwendig, um die Ermittlungsmaßnahmen überhaupt führen zu können, da der Er-
mittlungsrichter nicht (mehr) für die operative Führung der Ermittlungsmaßnahmen zuständig ist,
sondern Aufgaben wahrnimmt, die man in Teilen mit denen eines Notars vergleichen kann. § 100
Abs. 6 StPO ordnet die Weiterleitung für die Ermittlungsmaßnahmen unerheblicher Inhalte sogar
an. Auch dies spricht für die Prüfungskompetenz des Richters. Die Übertragungsmöglichkeit auf
die StA nach § 100 Abs. 3 Satz 2 wäre ebenfalls entsprechend eng auszulegen.
22
BVerfGE 124, 43, 70.
23
Vgl. § 20, III, 5.
§ 22 Datenabgleich, „Rasterfahndung“
gemäß § 98a StPO

In § 98a StPO ist die sog. „Rasterfahndung“ geregelt. Bei dieser Maßnahme wird
ein bestimmtes personenbezogenes Datenprofil mit Datensätzen in behördlichen
oder privaten Dateien abgeglichen.1 Durch diesen Abgleich soll nach dem BVerfG
die Schnittmenge von Personen ermittelt werden, auf welche bestimmte, vorab fest-
gelegte und für die weiteren Ermittlungen als bedeutsam angesehene Merkmale
zutreffen.2

I. Verletzung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung,


Art. 1 Abs. 1 GG

Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durch die Rasterfahndung


ist anders als in Ziffer 5. des oben vorgeschlagenen Grundmodells3 und in § 100a
Abs. 4 StPO nicht durch spezielle Einschränkungen im Gesetz geregelt. Die Gefahr,
dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, geschützt durch Art. 1 Abs. 1
GG, verletzt wird, ist bei der Rasterfahndung nicht zu erkennen. Mit der Raster-
fahndung werden bereits in Registern befindliche relativ unpersönliche Daten und
keine intimen Informationen über eine Person ausgewertet. Nur wenn ausnahms-
weise Daten zur Rasterung genutzt werden, die für die Ermittlung geeignet sind und
intime Details enthalten, wie etwa ärztliche Daten über den Gesundheitszustand,
wird der Kernbereich durch § 160a StPO gesichert. Elektronische Datensätze, die
intime Informationen enthalten und nicht unter § 160a StPO fallen, sind nahezu
ausgeschlossen.
Eine Ausnahme bilden illegal gewonnene Datensätze. Die Vorschrift kann den
Staat aber nicht dazu ermächtigen, einen illegalen Zustand (vgl. § 203 StGB) für
sich zu nutzen. Der Staat würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er einerseits

1
Zur Technik der Rasterfahndung vgl. Nack in: KK 6 , § 98a Rdn. 2.
2
BVerfG 4.4.2006, 1 BvR 518/02, Pressemitteilung.
3
Siehe § 11, I und die näheren Ausführungen zu Ziffer 5. unter § 15.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 347


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
348 § 22 Datenabgleich, „Rasterfahndung“ gemäß § 98a StPO

die Sammlung dieser Daten zum Schutz des Betroffenen verböte und die Daten
anderseits zu dessen Nachteil verwendete. Die Vorschrift ist daher systematisch
im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung so auszulegen, dass mit „anderen
Daten“ in § 98a Abs. 1 StPO nur solche gemeint sind, die nicht illegal kernbe-
reichsrelevante Daten enthalten. Diese Auslegung ist methodisch zulässig.4 Eine
diese Systematik ignorierende umfassendere Auslegungsvariante ist auch nach der
verfassungskonformen Auslegung als verfassungswidrig zu verwerfen.5

II. Grundrechtseingriff in das Recht auf Freiheit von


Einschüchterung, Art. 2 Abs. 1 GG?

Die Rasterfahndung greift nach h. M. in das Recht auf eine eigene Privatsphäre und
in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG6 ein. Bei-
de Rechte sind nach hier vertretener Ansicht nur insoweit anzuerkennen, als sie
Unterkategorien des Rechts auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG
sind. Dazu müsste auch gerade diese Form der Datenverarbeitung eine handlungs-
beeinflussende Einschüchterungswirkung haben. Für diese Untersuchung ist nach
Betroffenen zu unterscheiden, die mit dem Datenprofil der Behörden entsprechen
(Treffer) und solchen Personen, die dem Profil nicht entsprechen (Fehler).

1. „Treffer“

Per Rasterfahndung werden durch die Ermittlungsbehörden bei anderen Behörden


oder privaten Dritten vorhandene Daten auf bestimmte Merkmale sortiert. Indem
mehrere Merkmale angegeben werden, lassen sich immer kleinere Personengrup-
pen mit gemeinsamen Merkmalen abgrenzen.7 Die gewonnenen Erkenntnisse füh-
ren zu einer Personalisierung des Verdachts und dienen somit als neue Ermittlungs-
ansätze, nicht als verwertbare Beweise.

Beispiel 48 Wird anhand von tatsächlichen Anhaltspunkten, etwa aufgrund von


Zeugenaussagen, vermutet, dass die italienische N’dragetha in Deutschland Geld-
wäsche betreibt, kann die in Frage kommende Gruppe der Hauptakteure durch

4
Vgl. § 6, IV, 3, e).
5
Hier gilt ebenfalls das oben bereits Erwähnte zur Deckungsgleichheit von verfassungskonformer
und subjektiv-historischer Auslegung, vgl. § 6. Der Gesetzgeber will ausdrücklich „die Tragweite
des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ beachten, BTDrucks 12/989, S. 36 ff. Er geht
aber von der Geltung eines allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips aus und hält die Regelung
daher für verfassungsgemäß: „Daneben [neben der Erforderlichkeitsklausel] gilt das allgemeine
Prinzip der Verhältnismäßigkeit.“ BTDrucks 12/989, S. 37.
6
BVerfGE 65, 1, 42; vgl. auch BGH NJW 1991, 2651; Meyer-Goßner, StPO54 , § 98a Rdn. 1.
7
Zur Funktionsweise der Rasterfahndung im Einzelnen vgl. Nack in: KK 6 , § 98a Rdn. 2.
II. Grundrechtseingriff in das Recht auf Freiheit von Einschüchterung, Art. 2 Abs. 1 GG? 349

folgende Merkmale eingegrenzt werden. „Italienischer Staatsbürger, Geburtsort in


Kalabrien, Person hat keinen Wohnsitz in Deutschland, Beteiligung an inländischen
Firmen oder Immobilienkauf in Deutschland, hoher Kaufpreis.“

Etwas andere Merkmale treffen auf ein weiteres Beispiel zu:

Beispiel 49 Eine unbekannte Personengruppe wird verdächtigt, den Handel mit


verbotenen Betäubungsmitteln von Südamerika über die Niederlande nach Deutsch-
land zu organisieren. Rasterfahndungskriterien könnten dann sein: „Deutscher oder
niederländischer Staatsbürger, Auslandsreisen nach Südamerika, Zulassung von
Automobilen der Luxusklasse auf die Person, gekaufter oder gemieteter Immobi-
lienbesitz mit hohen Unterhaltskosten, keine legale Erwerbsposition, die dies erklä-
ren kann.“

Auf die so gefundenen Einzelpersonen können sich dann weitere Ermittlungs-


maßnahmen konzentrieren. Dies ergibt einen Einschüchterungseffekt, da sich zu-
mindest delinquente Personen berechtigt sorgen müssen, so zum Beschuldigten und
schließlich Verurteilten in einem Strafverfahren zu werden. Die Einschüchterung
müsste aber auch dazu führen, dass ein eigentlich gewünschtes Verhalten aus Angst
nicht ausgeführt wird. Insoweit ist nur denkbar, dass ein Person um ihre Daten nicht
angeben zu müssen, bestimmte persönliche oder soziale Alltagsbedürfnisse nicht
wahrnimmt.

Beispiel 50 Zu denken wäre etwa an die Vermeidung eines Arztbesuchs, da dort


Daten anfallen, die beim Arzt oder beim Krankenversicherungsträger gespeichert
werden und die „gerastert“ werden könnten. Ebenso denkbar wäre das Absehen von
einer Flugreise, weil auch dann zwingend personenbezogene Daten – in diesem Fall
an die Fluggesellschaft – übermittelt werden müssen.

2. „Fehler“

Bei der Rasterfahndung wird eine große Zahl Personen als „Fehler“ im Vorgang,
nicht aber im Ergebnis der Rasterfandung erfasst. Dieser Vorgang läuft vollautoma-
tisch ab, ohne dass die Fehler den Beamten der Ermittlungsbehörden im Einzelnen
bekannt werden. Die entsprechenden Personen sind daher nicht in relevanter Wei-
se betroffen. Eine Einordnung der Person als „unverdächtig“ stellt keine rational
verständliche Belastung der Grundrechte dar.

3. Zusammenfassung

Danach ergibt sich eine handlungsbeeinflussende Einschüchterung aus Maßnah-


men, die tatsächlich „Treffer“ erzielen und damit aus der Regelung des § 98a StPO
350 § 22 Datenabgleich, „Rasterfahndung“ gemäß § 98a StPO

als solcher. Denn niemand weiß wegen der Heimlichkeit der Maßnahme, ob seine
Daten „Treffer“ oder „Fehler“ sind.

III. Rechtfertigung

Wie gezeigt ist die Regelung ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung. Dieser ist aber gerechtfertigt, wenn die Eingriffsregelung des § 98a
StPO bestimmt und verhältnismäßig ist.

1. Bestimmtheit

Die Regelung der Rasterfahndung enthält mehrere unklare Rechtsbegriffe („zurei-


chende tatsächliche Anhaltspunkte“, „Straftat von erheblicher Bedeutung“). Die
Rasterfahndung weicht wegen der fehlenden Personalisierung des Verdachts vom
„Standard“ der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen „bestimmte
Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass jemand eine Straftat begangen hat“ ab,
der oben im Rahmen der Erläuterung zur Ziffer 2. des Grundmodells besprochen
wurde.8 Für den Tatverdacht wird in § 98a Abs. 1 StPO die gleiche Formulie-
rung wie in § 152 Abs. 2 StPO genutzt. Ebenso wie der oben geklärte Begriff der
„bestimmten Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat begründen“9 nicht selbst er-
klärend und bedarf der Auslegung. Unter welchen Umständen ein Anfangsverdacht
anzunehmen ist, wurde durch Rechtsprechung und Lehre geklärt: Er muss aus kon-
kreten Tatsachen bestehen und darf nicht nur auf Vermutungen beruhen. Insoweit
ist das Begründungserfordernis lediglich etwas schwächer ausgeprägt, als bei der
„Begründung durch bestimmte Tatsachen“. Die Tatsachen müssen keine Informa-
tionswert haben, der eindeutig auf eine Straftat gerichtet ist. Ausreichend ist, dass
eine Straftat nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint.10 Genauer kann
der Gesetzgeber den Anfangsverdacht wegen der Vielzahl der praktischen Fallge-
staltungen nicht regeln.11 Die Regelung ist also insoweit bestimmt. Die Anlasstaten
sind in einem Katalog der Art nach gegliedert und so ebenfalls ausreichend be-
stimmt.
„Erheblichkeit der Tat“ ist hingegen kein durch die oben dargestellte Aus-
legungsmethode12 bestimmbarer Rechtsbegriff. Er könnte höchstens durch Ab-
wägung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen im Wege verfassungs-
konformer Auslegung begrenzt werden. Dies ist jedoch wegen der oben geäußerten

8
Siehe § 12.
9
Vgl. § 12.
10
Meyer-Goßner, StPO54 , § 152 Rdn. 4 m. w. N.
11
Alternative wäre höchstens ein kasuistisches Beispielsystem zu entwerfen, das aber kaum noch
einer abstrakt generellen Regelung entspräche.
12
Vgl. § 9, I, 8, c).
III. Rechtfertigung 351

grundsätzlichen Bedenken abzulehnen. Die h. M. hält das allgemeine Verhältnis-


mäßigkeitsprinzip im Rahmen des § 98a StPO für anwendbar13 und könnte die
Verfassungswidrigkeit mit Hilfe der ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsklausel
abwenden. Eine solche ungeschriebene Klausel ist aber bereits oben allgemein
abgelehnt worden.14 Die Unbestimmtheit des Begriffs führt also zur Verfassungs-
widrigkeit hinsichtlich der „Erheblichkeit“ der Anlasstat.

2. Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit kann nur hilfsweise erörtert werden, da die Vorschrift be-
reits unbestimmt ist. § 98a StPO ist bei unterstellter Bestimmtheit im Übrigen
verhältnismäßig, wenn die Norm zur Strafverfolgung geeignet und erforderlich so-
wie gegenüber der Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung
angemessen ist.

a) Geeignetheit

Trotz einiger Vorbehalte ist die Rasterfahndung eine kriminalistisch geeignete Maß-
nahme der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen.15

b) Erforderlichkeit

Im Gegensatz zur Geeignetheit ist problematisch, ob zur Personalisierung des Ver-


dachts der Abgleich mit fremden Datenverzeichnissen verfassungsrechtlich erfor-
derlich ist. In § 98a Abs. 1 S. 2 StPO findet sich eine Erforderlichkeitsklausel, die
durch die hier für solche Klauseln vorgeschlagene Auslegung16 dem Erforderlich-
keitsgrundsatz gerecht wird.

c) Angemessenheit

Die Angemessenheit der Maßnahmen soll dadurch gewährleistet werden, dass


nur bestimmte Gruppen schwerer Straftaten zur Rasterfahndung berechtigen. Wie

13
Meyer-Goßner, StPO54 , § 98a Rdn. 3; Schnabel, DuD 2007, S. 429.
14
Vgl. § 20.
15
Bei einer Analyse aller angeordneten 31 Maßnahmen von 1992–2007 konnte gezeigt werden,
dass 13 % der Maßnahmen als erfolgreich und 58 % als bedingt erfolgreich zu bewerten waren.
„Insgesamt erbrachten mehr als zwei Drittel der durchgeführten Rasterfahndungen neue Ermitt-
lungsansätze, die jedoch nur vereinzelt zu Erfolgen führten. Lediglich bei vier Maßnahmen konnten
neue Ermittlungsansätze erfolgreich zur Ergreifung von Tätern führen.“ MPI, S. 1 ff.; Pehl, S. 1 ff.
16
Vgl. § 14, IV.
352 § 22 Datenabgleich, „Rasterfahndung“ gemäß § 98a StPO

schwer die Tat konkret sein muss lässt sich wegen der Unbestimmtheit jedoch nicht
ermitteln. Die gewonnenen Daten sind jedenfalls nur Ermittlungsansätze und keine
unmittelbar verwertbaren Beweise. Der Eingriff durch die Rasterfahndung ist daher
weniger belastend, als eine verdeckte Maßnahme, deren gewonnene Erkenntnisse
direkt als Beweise im weiteren Prozess prolongiert werden können.

IV. Zwischenergebnis

§ 98a StPO ist (nur) wegen der Unbestimmtheit des Begriffs „Straftat von erhebli-
cher Bedeutung“ verfassungswidrig.
§ 23 Telekommunikationsüberwachung
gemäß §§ 100a, 100b StPO

Standard der Telekommunikationsüberwachung ist eine „Ausleitung“ der Kommu-


nikationsdaten, die sich im Herrschaftsbereich der Telekommunikationsdienstean-
bieter befinden bzw. diesen durchlaufen, vgl. § 100b Abs. 3 StPO. Die Diens-
teanbieter leiten die Daten aus ihrem Bereich an die Ermittlungsbehörden weiter.
Die Ermittlungsbehörden verfügen über spezielle Computerprogramme, mit denen
sie die Daten verwalten, auswerten und speichern können. Sie können auf die-
se Weise zum Beispiel E-Mails lesen oder Telefongespräche zeitversetzt anhören.
Die Computerprogramme zeichnen jede Kommunikation bestimmter Anschlüsse
im Anordnungszeitraum auf und machen sie so zur nachträglichen Auswertung ver-
fügbar.1 Eine synchrone Überwachung findet in aller Regel nicht statt.
Die Regelung des § 100a StPO nennt im Wesentlichen die im Grundmodell2
bezeichneten Merkmale als Bedingungen für die Anordnung der Telekommunikati-
onsüberwachung. Bestimmte Tatsachen müssen den Verdacht begründen, dass eine
Tat aus dem in § 100a Abs. 2 StPO genannten Katalog begangen worden ist. Diese
Tat muss auch im einzelnen Fall schwerwiegend sein. Bei den Taten des Katalo-
ges handelt es sich um einen weiten Bereich von Taten aus allen Bereichen des
Strafrechts. Viele Taten sind Verbrechen oder Qualifikationen einfacher Taten. Ein
eindeutiges System ist allerdings nicht zu erkennen. Die Anordnung darf sich ferner
nur gegen den Beschuldigten oder gegen solche Personen richten, gegen die der Ver-
dacht besteht, dass sie Boten des Beschuldigten sind. Außerdem ist die Anordnung
dann nicht zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass nur Er-
kenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung anfallen. Fallen die-
se unbeabsichtigt an, sind sie zu löschen (ein Löschungsvermerk muss dokumentiert
werden) und dürfen nicht verwertet werden. § 100b regelt die rein verfahrensmä-

1
Zur Ausleitung und den Pflichten der Diensteanbieter nach § 100b StPO i. V. m. § 110 TKG
und § 11 TKÜV vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 100b Rdn. 7 ff. Zum Kreis der Verpflichteten
gehören auch solche, die keine geschäftsmäßigen Leistungen erbringen, wie etwas Behörden und
Universitäten soweit sie eigene Netzte betreiben, vgl. BTDrucks 16/5846 S. 47; Nack in: KK 6 ,
§ 100b Rdn. 12; Heun, CR 2008, S. 82.
2
Vgl. oder § 11, I.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 353


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_23, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
354 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

ßigen Anordnungsvorausetzungen wie den grundsätzlichen Richtervorbehalt, die


Form der Anordnung, die Mitwirkungspflicht der Telekommunikationsdienstean-
bieter, Anordnungsfristen und allgemeine statistische Berichtspflichten.
Die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) ist 2007 auch mit dem Anspruch
reformiert worden, verfassungsrechtliche Vorgaben einzuhalten und umzusetzen.
Dennoch ist keineswegs selbstverständlich, dass die Regelungen der Maßnahme
verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Wie bereits im verfassungsrechtlichen Teil3 deutlich gemacht wurde, kann auch das
Abhören von Telefongesprächen die Menschenwürde missachten. Es kommt bei
der Überwachung jeder Kommunikation insoweit auf den Inhalt der Äußerungen
an. Betreffen die Äußerungen absolut private Themen, ist der Kernbereich verletzt,
wenn gerade diese Äußerungen absichtlich überwacht werden. Nur die finale Über-
wachung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung ist eine Missachtung der
Menschenwürde.

2. Kernbereichsschutzklausel nach § 100a Abs. 4 StPO

Problematisch im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen ist die Regelung


des in § 100a Abs. 4 StPO genannten „Kernbereichs privater Lebensgestaltung“.
Nicht nur die eingreifende Regelung selbst muss bestimmt sein, sondern auch die
Regelung, welche den Eingriff beschränkt. Denn schließlich ist die gesamte Re-
gelung der „Schranken-Schranken“ als Einheit zu sehen. Fraglich ist, ob die aus-
drückliche Formulierung „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ notwendige Ab-
straktion ist oder ob der Gesetzgeber hier seiner Aufgabe, die Gesetzesinhalte zu
bestimmten, nicht in ausreichendem Maß nachkommt.
Eine Lösung des Problems ergibt sich aus einer Kombination von subjektiv-
historischer und systematischer Auslegung. Die Vorschrift des § 100c Abs. 4 StPO
betrifft eine ähnliche Problemlage und diente dem Gesetzgeber als Vorlage für
§ 100a Abs. 4 StPO. In der Gesetzesbegründung zu § 100c Abs. 4 StPO hat der
Gesetzgeber ausdrücklich erklärt, warum er den Kernbereich der privaten Lebens-
gestaltung nicht konkretisiert hat:

3
Vgl. § 8, IV, 2, d).
I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG 355

„Aufgrund der Vielzahl denkbarer Lebenssituationen, in denen es zu einer Gefährdung des


Kernbereichs privater Lebensgestaltung in Wohnräumen kommen kann, wird im Übrigen
davon abgesehen, diesen Kernbereich im Gesetz zu definieren oder anhand von Regel-
beispielen zu exemplifizieren. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung hat durch die
bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Konturen erfahren, an die eine
von spezialisierten Strafkammern zu leistende Ausprägung einer entsprechenden Kasuistik
anknüpfen kann. Anknüpfungspunkt ist stets die Gefährdung der Menschenwürde betrof-
fener Personen. Aufgrund des Umstands, dass der Schutzbereich der Menschenwürde nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets vom Eingriff her und ,nur
in Ansehung des konkreten Falles‘ (BVerfGE 30, 1, 25) definiert werden kann, muss es der
Rechtsprechung vorbehalten bleiben, die Betroffenheit des Kernbereichs im Einzelfall fest-
zustellen. Sofern man dabei den Gedanken des Sozialbezugs entsprechender Äußerungen
zugrunde legt (vgl. BVerfG, a. a. O., Absatz Nr. 137), werden in der Regel auch Äußerun-
gen eines Beschuldigten, die dieser tätigt, wenn er sich alleine in der überwachten Wohnung
aufhält, oder Äußerungen, die nicht dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genom-
men zu werden, wie etwa unbewusst artikulierte Äußerungen, dem absolut geschützten
Kernbereich unterfallen.“4

Im Umgangssprachgebrauch ist der Begriff des Kernbereichs nicht festgelegt.


Zwar lassen sich die unbestimmten Rechtsbegriffe durch verfassungskonforme
Auslegung weiter konkretisieren, ohne dass die Regelung damit zu komplex und
weitschweifig würde. Der Begriff „Kernbereich der privaten Lebensgestaltung“
kann durch Auslegung der verfassungsrechtlichen Expertendiskussion einen fest-
legbaren Gehalt bekommen. Dann wäre er auch ausreichend bestimmt. Tatsächliche
Anhaltspunkte für eine Kernbereichsbetroffenheit sind nach der Ansicht BVerfG,
das sich aber insoweit nur speziell zu Überwachung in Wohnräumen geäußert hat,
vorhanden, wenn sich jemand allein oder ausschließlich mit Personen in einer
Wohnung aufhält, zu denen er in einem besonderen, den Kernbereich betreffenden
Vertrauensverhältnis steht und es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, dass die zu
erwartenden Gespräche nach ihrem Inhalt einen unmittelbaren Bezug zu Straftaten
aufweisen.5 Auch andere Anhaltspunkte lassen sich in Bezug auf die Definition des
Kernbereichs6 ermitteln.
Die Argumentation des Gesetzgebers, eine darüber hinaus gehende Konkreti-
sierung sei nicht möglich, überzeugt. Der Kernbereich der persönlichen Lebens-
gestaltung kann bei Telefongesprächen nur inhaltlich und nicht nach den in der
Regel unbekannten äußeren Umständen des Telefonats bestimmt werden. Anhalts-
punkte für kernbereichsrelevante Telekommunikation sind daher noch schwieriger
zu bestimmen als Anhaltspunkte für intime Unterhaltungen unter Anwesenden in
Wohnungen, bei denen wenigstens einige äußerliche Faktoren auf den Kernbereich
hindeuten (Privatwohnung oder Geschäftsraum, Schlafzimmer oder Foyer). Die the-
matische Bandbreite der kernbereichsrelevanten Inhalte von Telefongesprächen ist
zu umfangreich, als dass sie durch eine weitere Konkretisierung des Kernbereichs-
begriffs sinnvoll geregelt werden könnte. Daher ist die Regelung des § 100a Abs. 4
StPO bestimmt.

4
BTDrucks 15/4533, S. 14.
5
BVerfGE 109, 279, 318 ff.
6
Vgl. § 15.
356 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

Darüber hinaus wurde in einer kürzlich erhobenen Verfassungsbeschwerde be-


mängelt, dass die Überwachung der Kommunikation nicht wie bei § 100c StPO
synchron erfolgen müsse, sondern nach § 100a Abs. 4 StPO erst nachträglich ge-
löscht werden müsse. Nur so könne eine Kernbereichsbetroffenheit sofort erkannt
und gegebenenfalls augenblicklich abgebrochen werden. Eine weitere Belastung
durch Speicherung der Daten werde zudem vermieden. Die jetzige Regelung sei al-
so kein ausreichender Kernbereichsschutz und verletzte des Anspruch auf Achtung
der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG. Das BVerfG hat diese Argumentation
jüngst mit überzeugenden Argumente verworfen. Sind Ausländer betroffen wäre
ein Simultanübersetzung kaum möglich außerdem müsse oft erst geprüft werden,
ob nicht nur zum Schein kernbereichsrelevante Themen erörtert würden.7 Dem ist
zuzustimmen, da im Gegensatz zur Wohnraumüberwachung bei der die Betroffenen
Personen in der Regel bekannt sind, sehr schwer zu sagen ist, wer konkret angerufen
wird, welche Sprache er spricht und welche Bedeutung die Nachrichten eigentlich
haben (zum Beispiel SMS, bei denen eventuell eine codierte Sprache verwendet
wird.)

II. Eingriff der TKÜ über den Diensteanbieter in den


Schutzbereich des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach
Art. 10 Abs. 1 GG

Die Regelung der Telekommunikationsüberwachung nach §§ 100a, 100b StPO


greift in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG ein. Sie erlaubt jedenfalls
die Überwachung von Telekommunikation durch eine Ausleitung von Daten über
Dritte, nämlich die Telekommunikationsdiensteanbieter. Diese Einschaltung des
privaten Dritten erfolgt auf Veranlassung der Strafverfolgungsbehörden und ist
daher diesen zuzurechnen. Außerdem zählen nach hier vertretener Ansicht auch
die Diensteanbieter zu den Grundrechtsverpflichteten, da das Postgeheimnis nach
subjektiv-historischer Auslegung vor dem Geheimnisbruch durch die Post bzw. die
Telekommunikationsdiensteanbieter schützt.8

1. Bestimmtheit

a) Anlasstatenkatalog

Der Anlasstatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO ist sehr weit gefasst und bezeichnet
eine Mischung aus Delikten, die keine einheitliche Systematik aufweist. Nach der
Reform von 2007 sind nochmals einige Vermögensdelikte hinzugekommen. Delikte

7
BVerfG EuGRZ 2011, S. 696 ff.; vgl. schon BTDrucks 16/5846, S. 44.
8
Vgl. § 8, VI, 1, b).
II. Eingriff der TKÜ in den Schutzbereich des Post- und Fernmeldegeheimnisses 357

aus der AO finden sich ebenso wie BtM-Delikte, schwere Delikte aus dem Kern-
strafrecht wie bestimmte Hoheitsdelikte, Totschlag, Raub, gewerbsmäßige Hehle-
rei, Bandendiebstahl etc. Die Anzahl der Delikte macht diesen Katalog aber noch
nicht unbestimmt. Er entspricht daher insoweit den verfassungsrechtlichen Anfor-
derungen.

b) Tatschwere im Einzelfall

§ 100a StPO enthält bereits im Tatbestand den unklaren Rechtsbegriff wie „schwer-
wiegende Tat im einzelnen Fall“. Er orientiert sich an der Formulierung des Art. 13
Abs. 3 GG: „Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch
Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat“ Der Klärung
bedarf, ob der Gesetzgeber trotz des offenkundigen Willens, mit der Übernahme der
Formulierung des Art. 13 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche Vorgaben umzusetzen,
eventuell keine eindeutige Regelung der Tatschwere getroffen hat.
Indem der Gesetzgeber als Ergänzung zum insoweit unproblematischen Anlas-
statenkatalog die Anforderung aufstellt, dass eine solche Straftat auch im Einzelfall
schwer wiegen muss, zitiert er verfassungsrechtliche Vorgaben, setzt diese aber
nicht um. Die sich eigentlich mit Bestimmtheit aus dem Katalog ergebende Rechts-
lage wird durch die Tatschwereklausel unklar. Die Kriterien für die Tatschwere im
Einzelfalls sind völlig offen. Wie oben dargestellt, ist eine solche Tatschwereklausel
unbestimmt und daher verfassungswidrig.9

2. Erforderlichkeit

Die grundsätzliche Eignung der Telekommunikationsüberwachung zur strafprozes-


sualen Ermittlung – solange nicht verschlüsselte Kommunikation überwacht wer-
den soll – steht nicht in Frage. Die Telekommunikationsüberwachung muss aber
auch erforderlich sein. Dies wird durch eine ausdrückliche Erforderlichkeitsklausel
in § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO gesichert:
„[Telekommunikation darf aufgezeichnet werden, wenn] die Erforschung des Sachverhalts
oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich
erschwert oder aussichtslos wäre.“

Diese Vorschrift ist wie oben angegeben verfassungskonform und subjektiv-


historisch im Sinne des Verweises auf die mildeste effektive Ermittlungsmaßnahme
auszulegen ist:10

9
Vgl. § 13, III.
10
Vgl. § 14, IV.
358 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

3. Angemessenheit

Die Angemessenheit der Regelung der §§ 100a, 100b StPO kann nicht beurteilt
werden, da unklar ist, welche Taten mit den unbestimmten „schwerwiegenden Taten
im Einzelfall“ gemeint sind.11

III. Zwischenergebnis

Wegen der Unbestimmtheit der Schwere der Anlasstat ist § 100a StPO verfassungs-
widrig.

IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“

Neben dem Standard der Telekommunikationsüberwachung nimmt die sog. „Quellen-


TKÜ“ an Bedeutung zu. Die mit der nachstehend erläuterten Quellen-TKÜ
zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Probleme sind an dieser Stelle mit
der Frage verbunden, ob diese besondere Form der Überwachung überhaupt unter
§ 100a StPO zu subsumieren ist.12

1. Technische Ausgangsproblematik

Die Quellen-TKÜ weicht bereits in ihrer technischen Ausgangslage fundamen-


tal vom oben erörterten Standard der Telekommunikationsüberwachung ab. Eini-
ge Telekommunikationsgeräte verfügen über Verschlüsselungen durch Hard- oder
Softwarelösungen. Diese Verschlüsselungstechnologien machen die herkömmliche
Überwachung über die Ausleitung der Datenströme durch Telekommunikations-
diensteanbieter unmöglich. Diese Daten sind verschlüsselt und daher ohne den zu-
gehörigen Schlüssel für strafprozessuale Ermittlungen unbrauchbar. Die einzige
Möglichkeit, solche Datenströme zu überwachen, liegt darin, die Äußerungen vor
ihrer Absendung unmittelbar bei der Eingabe in das elektronische Sendegerät zu

11
Wenn man sich doch mit der oben erwähnten Auslegungsalternative für die Bestimmtheit der
Regelung entscheiden würde, wäre die Angemessenheit zu bejahen. Vgl. § 13.
12
Als weitere Vorschriften kommen § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO (vgl. dazu § 27) und die Ermitt-
lungsgeneralklausel in Betracht (vgl. zur dort zu verortenden Abgrenzung zur sog. „Hörfalle“ ).
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 359

überwachen. Dies ist mittels Computerprogrammen möglich, die die Eingabe über
Tastatur13 oder Mikrofon14 überwachen.15 Dies wird im Folgenden näher erläutert.

a) Verschlüsselungstechnologien und VoIP-Telefonie

Mit der zunehmenden Verbreitung von Verschlüsselungstechnologien wird die


TKÜ durch Vermittlung des Netzbetreibers – wie sie § 100b Abs. 3 StPO vorsieht –
als kriminalistisch sinnvolle Maßnahme an Bedeutung verlieren. Dem kann durch
ein Verbot der Verbreitung entsprechender Technologien nur begrenzt begegnet
werden. Da die Technik bereits entwickelt ist und im Verbotsfall über ausländische
Hersteller bezogen werden kann, wird sie im illegalen Bereich genutzt werden.
Bereits heute ist bei verschlüsselten VoIP-Telefonaten16 über das Internet17 eine
Telekommunikationsüberwachung durch eine Überwachung der Datenströme kaum
möglich.18 Die Entwicklung ist hier allerdings im Fluss. Noch 2007 erklärte das
BKA, die Verschlüsselung sei nicht zu überwinden.19 2010 wurde sie laut Presse-
meldungen jedoch durch einen privaten „Hacker“ geknackt.20 Meldungen, die über
eine bereits erfolgte Skype-Überwachung durch deutsche21 oder österreichische
Behörden22 berichten, sind nicht mit entsprechender Faktendarstellung untermau-
ert.23 Tatsächlich wird es sich um Quellen-TKÜ oder eine Entschlüsselung durch
Skype selbst24 handeln.

13
Sog. „keylogger“, Kretschmann, S. 90 ff. und speziell zum sog. „Bundestrojaner“, S. 100 f.
14
Vgl. Herrmann, S. 31.
15
Hardwarelösungen, also die Implementierungen von Kleinstgeräten zur Aufzeichnung von Text
und Bildaufnahmen, sind ebenfalls möglich, vgl. Kretschmann, S. 97 ff.
16
Voice-over-IP-Telefonie (VoIP-Telefonie) Zur Technik und Sicherheit vor Überwachung:
Eren/Detken, S. 10 ff.; Henkel, S. 25 f.; 33 ff.
17
Dies betrifft vor allem den derzeit führenden Dienst „Skype“.
18
Vgl. Buermeyer, HRRS 2007, S. 160 Fn. 49.
19
ZDNet 2007.
20
SPIEGEL ONLINE, 09.07.2012.
21
Vetter Lawblog, 17.08.2010.
22
heise online, 24.07.2008.
23
Mangels Veröffentlichung des Skype-Verbindungsprotokolls ist nach Klesczewski, ZStW 2011
S. 742 eine unabhängige Evaluation nicht möglich. In seinem jüngst erschienen Aufsatz berichtet
a. a. O. allerdings er habe in einer Expertenbefragung von Prof. Lindemann (Institut für Informatik
Universität Leipzig) erfahren, dass Skype-Telefonate nun generell decodierbar seien, da Skype die
Codierungsparameter regelmäßig abändere, so Klesczewski, ZStW 2011 S. 742.
24
Skype darf seinen „Schlüssel“ selbst anwenden oder an die Ermittlungsbehörden weitergeben.
Die sog. „Datenschutzrichtlinien“ von Skype legen nämlich fest, dass „[. . . ] Skype [. . . ] Kom-
munikationsinhalte [. . . ] Justiz-, Strafvollzugs- oder Regierungsbehörden zur Verfügung [stellt],
die derartige Informationen rechtmäßig anfordern. [. . . ] Sie [der Skype-Nutzer] stimmen hiermit
einer derartigen Offenlegung zu.“ Die Weitergabe der Kommunikationsinhalte an Behörden wird
somit von Skype eingeräumt und im Kleingedruckten das Einverständnis des Nutzers unterstellt,
vgl. Wikipedia, Skype. Doch dürfte der Aufwand für eine solche Mitwirkung des Unternehmens
zu hoch für ein Ermittlungsverfahren sein. Da Skype seinen Sitz im (EU-)Ausland hat und erst
ein Rechtshilfeersuchen gestellt werden muss, ist dessen Ausgang wegen unterschiedlicher Ver-
fahrensordnungen unklar. Die damit verbundene Dauer wird ein solches Vorgehen zudem nur bei
360 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

Beispiel 51 Telefonieren X und Y miteinander mittels eines Dienstes, der die Da-
ten verschlüsselt und ist eine Entschlüsselung auch nicht zeitnah möglich, ist eine
Überwachung der Telefonate über die Ausleitung der Datensignale nicht sinnvoll.

Ohne Zweifel ist Internet-Telefonie Telekommunikation, ob sie verschlüsselt ist


oder nicht. Dies ergibt sich bereits aus § 3 Nr. 22, 23 TKG. Setzt ihre Überwa-
chung am Leitungsnetz an, ist sie nach §§ 100a, 100b StPO zu beurteilen.25 Eine
solche Überwachung im Netzbereich der Diensteanbieter ist im Beispielfall aber
sinnlos. Sie kann nur durch eine Überwachung der Kommunikation an der Quelle
(„Quellen-TKÜ“) sinnvoll und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der
Verhältnismäßigkeit „geeignet“ sein, wenn verständliche Informationen ermittelt
werden sollen. Bei der „Quellen-TKÜ“ wird nicht der Datenstrom aus den Lei-
tungen des Netzbetreibers überwacht, sondern die akustische Eingabe. Diese wird
mittels eines Mikrofons aufgezeichnet, das am Eingabegerät von den Ermittlern
angebracht wurde. Durch andere technische Mittel kann die Aufzeichnung von
Texteingabe in Endgeräte überwacht werden. Durch Manipulationen an Tastaturen
oder berührungsempfindlichen Bildschirmen (sog. „Touchscreens“) von Computern
können solche Daten erhoben werden. Zu Computern gehören nach heutigem tech-
nischen Standard auch zeitgemäße Mobiltelefone.26

b) Nutzung der Peripheriegeräte mittels Staatstrojaner

Neben den oben genannten27 genannten Methoden ist eine Manipulation des Com-
puters mittels Spionageprogramm zur Fernsteuerung von Computern möglich.28
Mit diesen so genannten „Trojanern“ kann die Mikrofonsteuerung des Computers
manipuliert werden und so mit einem anderen Programm Sprache aufgezeichnet
und übertragen werden. Entsprechend kann bei Spracheingabe mittels „Chatpro-
grammen“29 verfahren werden. Zur visuell abbildenden Überwachung wird ein Pro-
gramm genutzt, das zum Beispiel die „Screenshot“-Funktion jedes Computers nutzt
und so jeweils in kurzen Abständen das Monitorbild des Computers „einfriert“ und
die Kopie dieser Standbilder per Internet an die Adresse der Ermittlungsbehörden
schickt. Ebenfalls geeignet ist ein Programm, das die Tastatureingabe überwacht.
Damit wird vor der Absendung der Inhalte die Information aufgezeichnet und über-

äußerst langfristigen Verfahren und wenig intelligenten Tätern, die ihre Skype-Kennungen nicht
wechseln, nahe legen.
25
Klesczewski, ZStW 2011 S. 741.
26
Ein normales Mobiltelefon ist an Anwendungsumfang und Rechenleistung älteren Computern
weit überlegen.
27
Siehe unter § 23, IV, 1, a).
28
Vgl. auch Wolter in: SK-StPO, § 100a Rdn. 28; Buermeyer/Bäcker, HRRS 2009, S. 434 f.
29
Chatprogramme sind Computerprogramme, die ein Texteingabefenster bereitstellen, in dem kur-
ze Textnachrichten eingegeben und versendet werden können. In dem Fenster ist dann der Verlauf
der Unterhaltung (engl. „chat“) sichtbar. Diese Art der Kommunikation kombiniert die Möglich-
keit zur unmittelbaren Reaktion – ähnlich wie bei einem Telefongespräch – mit einer gewissen
Dauerhaftigkeit textgebundener Nachrichten, ähnlich wie bei einer E-Mail.
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 361

mittelt. Diese Programme laufen als Hintergrundprozesse, ohne dass ein argloser
Betroffener davon Kenntnis erlangt.

c) Überwachung durch Messung der Abstrahlung

Neben den unter § 23, IV, 1, a) und § 23, IV, 1, b) genannten Maßnahmen ist die
Rekonstruktion der Eingabeprozesse über die Messung der Abstrahlung des Com-
putermonitors (Van-Eck-Phreaking)30 möglich, dies bezieht sich allerdings nur auf
die Texteingaben. Inzwischen sind auch Methoden zur Anwendung gekommen, mit
denen die Tastaturanschläge nicht über einen Eingriff von innen mittels Trojaner,
sondern von außen über das Messen elektromagnetischer Abstrahlung in bis zu 20
Metern Entfernung registriert werden können.31

2. Wortlautauslegung des § 100a StPO

Der Wortlaut der Norm umfasst nach § 100a Abs. 1 StPO die Überwachung und
Aufzeichnung von Telekommunikation. Die technische Form der Überwachung ist
nur insoweit angedeutet, als die Verpflichtung der Diensteanbieter voraussetzt, dass
diese die Telekommunikationsdaten ausleiten und an die Behörden weiterleiten. Für
die Quellen-TKÜ ist kein Modus der Überwachung erwähnt.
Das Infiltrieren eines Computers zu dergleichen Überwachungszwecken ist im
Wortlaut der §§ 100a, 100b StPO ebenso wenig ausdrücklich genannt wie die In-
stallation sonstiger technischer Mittel zur Überwachung der Nachrichteneingabe in
andere Endgeräte. Eine Subsumtion der Installation von Trojanern oder technischen
Geräten findet keinerlei Andeutung im Wortlaut der Norm, weder in § 100a noch
in § 100b Abs. 3 StPO. Die notwendige Annexkompetenz würde jedenfalls fehlen
und die Maßnahme nach § 100a StPO undurchführbar machen.
Ob die Überwachung der Eingabe von Kommunikation über das manuelle Instal-
lieren von Kameras und Mikrofonen am Computer, über das Messen elektronischer
Abstrahlung der Eingabegeräte oder das Überwachen der Eingabe über Software
und Internetverbindung (Trojaner) unter §§ 100a, 100b StPO subsumiert werden
kann, ist fraglich: Geklärt werden muss, ob überhaupt Telekommunikation über-
wacht wird, wenn die Gespräche bei der Eingabe überwacht werden.
Zur Lösung dieses Problems bestehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:
1. Die Überwachung an der Quelle ist unter § 100a StPO ohne eine Überschreitung
des Wortlauts subsumierbar, wenn sie den Kommunikationsvorgang als solchen
und nicht dessen Vorbereitung betrifft.32

30
Wikipedia, Van-Eck-Phreaking.
31
PCWELT, 21.10.2008.
32
Inzwischen h. M. Vgl. Bär, TK-Überwachung, § 100a Rdn. 31; A. a. Klesczewski, ZStW 2011
S. 743 m. w. N.
362 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

2. Mit dem Wortlaut ebenfalls vereinbar ist die Auslegung, nach der nur Telekom-
munikation „in der Übertragung“ nach § 100a StPO überwacht werden darf.

3. Verfassungsrechtliche Ausgangslage durch die Entscheidung


des BVerfG zur Online-Durchsuchung

Wie oben dargestellt,33 sieht das BVerfG das neue Computergrundrecht als Auf-
fanggrundrecht gegenüber Art. 10 GG an:
„Art. 10 Abs. 1 GG ist hingegen der alleinige grundrechtliche Maßstab für die Beurteilung
einer Ermächtigung zu einer ,Quellen-Telekommunikationsüberwachung‘, wenn sich die
Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang
beschränkt. Dies muss durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sicherge-
stellt sein.“34
Der Darstellung des BVerfG lässt sich entnehmen, dass sich die Schutzbereiche
des Computergrundrechts und Art. 10 GG gegenseitig ausschließen sollen. Es liegt
daher nahe, dass das Computergrundrecht und nicht der Schutz des Telekommuni-
kationsgeheimnisses betroffen ist, wenn eine Überwachung der Kommunikation an
der Quelle erfolgt. Die Einordnung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung
durch das BVerfG ist jedoch widersprüchlich. Der Sinn einer Überwachung an
der Quelle ist es gerade, die Daten Sekundenbruchteile vor der Kommunikation
zu überwachen. Eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung bezüglich Daten
„aus“ einer laufenden Telekommunikation wäre lediglich auf der Empfängerseite
möglich, da nur hier die mit „aus“ angesprochene Beziehung besteht. Es können
kein Daten „aus“ aus einer Telekommunikation überwacht werden, wenn der tech-
nische Übertragungsvorgang noch gar nicht begonnen hat. Ohne diese technische
Sendung gibt es noch keine Telekommunikation.
Das BVerfG teilt diese Auffassung nicht, ihm geht es vielmehr um Spracheinga-
be oder Sprachausgabe, die auch tatsächlich kommuniziert wird. Die Eingabe von
Text für eine tatsächlich binnen Kürze abgesendete E-Mail gehört dazu, nicht aber
der Entwurf einer E-Mail, die nicht abgesendet wurde. Dabei sind beide Textein-
gaben noch nicht abgesendet, sondern nur im Speicher des Computers befindlich.
Der Unterschied liegt also nur in der späteren Verwendung bzw. dem zeitlichen
Abstand dazu. So kann der Entwurf später noch abgesendet werden. Entscheidend
ist, ob die Überwachung seiner Eingabe dann Telekommunikationsüberwachung ist
oder nicht.
Das BVerfG positioniert sich zu solch feinen Abgrenzungen nicht, was auf
Grundlage der dogmatischen Konstruktion des Computergrundrechts als Auf-
fangrecht konsequent ist. Wenn es nicht um Art. 10 GG geht, ist das Computer-
grundrecht betroffen. Kommt es zur Kommunikation, ist der Schutzbereich des
Art. 10 GG schon bei der Eingabe der Informationszeichen eröffnet. Wie oben

33
Vgl. § 8, I, 3, c).
34
BVerfGE 120, 274, 309.
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 363

dargestellt35 geht es dem BVerfG darum, durch das Computergrundrecht die durch
Art. 10 GG gelassene Lücke zu schließen, nicht darum, dessen Schutzbereich zu
verengen. Von einer abstrakteren Betrachtungsebene aus gesehen handelt es sich
bei der Konkretisierung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung um
den weiteren Baustein eines „Supergrundrechts“ mit gleichen Anforderungen an
die Eingriffsrechtfertigung. Dessen Schutzbereich umfasst unter Einschluss des
Art. 10 GG alle weiteren schutzwürdigen Facetten des Grundrechts auf Freiheit
von Einschüchterung. Eine trennscharfe Abgrenzung der einzelnen Bestandteile
des „Supergrundrechts“ ist dafür nicht zwingend. Einen gewissen Bruch erfährt
diese Dogmatik des Computergrundrechts als Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG, wenn die Entscheidung Forderungen im Hinblick auf die Notwendigkeit kon-
kreter Gefahr aufstellt:
„Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage muss weiter als Voraussetzung des heimlichen
Zugriffs vorsehen, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für
die hinreichend gewichtigen Schutzgüter der Norm bestehen.“36

Damit sind Eingriffe zu Zwecken der Strafverfolgung nicht ausgeschlossen, müssen


aber strengste Anforderungen erfüllen. Wie diese Anforderungen aussehen müssen
bleibt unklar.

4. Ansichten in instanzgerichtlicher Rechtsprechung


und in der Literatur zur „Quellen-TKÜ“

a) H. M. für eine Quellen-TKÜ als Unterfall


der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO

Die h. M. hält die Quellen-TKÜ aber für Telekommunikationsüberwachung.37


In der Literatur wird die Frage, ob die Quellen-TKÜ unter § 100a StPO zu
subsumieren ist, überwiegend als Problem der Abgrenzung des Eingriffs in das
Telekommunikationsgeheimnis nach Art. 10 GG von einem Eingriff in das hier
abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (nach hier vertre-
tener Ansicht in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung) gesehen. Nach
der überwiegend vertretenen Ansicht wird ein Eingriff in das Telekommunikations-
geheimnis gemäß Art. 10 GG mit einer Maßnahme nach § 100a StPO gleichgesetzt.
Diese Ansicht wird nicht nur mit der systematischen Parallele des Grundrechtsein-
griffs in das Telekommunikationsgeheimnis (der hier abgelehnt wurde ) begründet.
Zusätzlich wird mit § 100b StPO argumentiert. § 100b Abs. 3 S. 1 StPO gebe den
Strafverfolgungsbehörden die Befugnis zur Selbstvornahme der TKÜ am Endge-

35
Vgl. § 8, I, 3, c).
36
BVerfGE 120, 274, 328.
37
Vgl. AG Bayreuth MMR 2010, 266; LG Landshut NStZ 2011, 470, 479 f. (konkret Bär, MMR
1998, Bär, MMR 2008, S. 218 f. zum Einsatz von Staatstrojanern, vgl. auch den Eingangsfall.);
Bär, MMR 2008, S. 218.
364 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

rät.38 Auch die Änderung des § 110 Abs. 1 Nr. 1 TKG spreche für diese Auslegung,
da der Gesetzgeber so angeblich die Internet-Telefonie in die Telekommunikations-
überwachung einbeziehen wollte.39 Außerdem ergebe sich nach Vertretern dieser
Ansicht ähnlich wie im Rahmen des § 100c StPO – der implizit das Anbringen von
„Abhörwanzen“ in Wohnungen gestattet – nach dieser Ansicht eine Annexkompe-
tenz aus Art. 100a Abs. 1 StPO. Diese Annexkompetenz berechtige zur Installation
der Trojaner an der Quelle.40

b) Abweichende Ansicht für Unzulässigkeit der Quellen-TKÜ

In der verfassungsrechtlichen Literatur wird nach dem Urteil zur Online-Durchsu-


chung41 aber auch von einigen die Auffassung vertreten, ohne Gesetzesänderung
sei eine strafprozessuale Quellen-TKÜ unzulässig.42
Klesczewski argumentiert, dass die Einordnung der Quellen-TKÜ als Eingriff
in den Schutzbereich des Art. 10 GG durch das BVerfG nicht zwingend bedeute,
dass die Quellen-TKÜ nun auch in § 100a, 100b geregelt sei. Er argumentiert fer-
ner mit dem Gegenschluss aus § 20l Abs. 2 BKAG. Dort habe der Gesetzgeber in
Kenntnis der Entscheidung des BVerfG zur Online-Durchsuchung eine Spezialre-
gelung der Quellen-TKÜ für erforderlich erachtet. Setzt er dieses Konzept nicht
entsprechend in der StPO um, bringe dies zum Ausdruck, dass er eine Umsetzung
zum jetzigen Zeitpunkt nicht beabsichtige.43 Klesczewski widerlegt zudem über-
zeugend die Ansicht, nach der sich aus § 100b Abs. 3 S. 1 StPO und 110 Abs. 1
Nr. 1 TKG eine Befugnis der Ermittlungsbehörden gleichsam zur Selbstvornahme
der Gesprächsüberwachung am Endgerät ergebe. Denn der Gesetzgeber wollte mit
diesen Vorschriften nur Fälle erfassen, in denen der Überwachte die SIM-Karten
seines Mobiltelefons ständig wechselt.44 In so einer Konstellation muss das anhand
der EMEI-Nummer eindeutig identifizierbare Mobiltelefon (also das Endgerät) als
Identifizierungsmittel statt der Anschlusskennung dienen. Diese Argumentation ist
zutreffend, da die EMEI-Nummer bei jeder Verbindung mitgesendet wird und es
sich um ein Verkehrsdatum und folglich eindeutig um Telekommunikation handelt,
die in den Netz- und Machtbereich der Diensteanbieter fällt.
Dies Ergebnis wird weiter damit begründet, dass §§ 100a, 100b StPO nur auf
die Überwachung der netzbasierten TKÜ zugeschnitten seien und keine rechtli-

38
Bär, TK-Überwachung, § 100a Rdn. 32; dieses Argument diskutierend auch Kudlich, GA, Bd.
158, 2011, S. 207; Kudlich, Juristische Arbeitsblätter, Nr. 4, 2010, S. 310 ff. gegen eine Quellen-
TKÜ hinsichtlich einer „Skype“-Überwachung.
39
Vgl. BR-Drucks 359/06 S. 52; Bär, TK-Überwachung, § 100a Rdn. 33; Bär, S. 219; Löffelmann
in: Krekeler/Löffelmann/Sommer, § 100a Rdn. 18 Fn. 94.
40
Cierniak in: Meyer-Goßner, StPO54 , § 100a Rdn. 7.
41
BVerfGE 120, 274 ff.
42
Buermeyer/Bäcker, HRRS 2009, S. 438 m. w. N.
43
Klesczewski, ZStW 2011 S. 744.
44
Vgl. BTDrucks 16/5846. Sog. „Kartenspieler“.
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 365

chen Schutzvorkehrungen enthielten, um die Integrität des infiltrierten Endgeräts


zu schonen:45
„Trotz aller Bemühungen der ,neuen herrschenden Meinung‘ zur Zulässigkeit einer straf-
prozessualen Quellen-TKÜ dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis das BVerfG mit
diesem Problemkreis befasst wird. Insofern ist nicht auszuschließen, dass es zu Spannun-
gen zwischen der jeweiligen Rechtsprechung der einzelnen BGH-Senate kommt. So hat
der Zweite Senat erst kürzlich die Schutzintensität bzgl. Art. 10 GG in durchaus fragwür-
diger Weise abgesenkt, indem er die Vorschriften über die einfache Beschlagnahme als
hinreichende Eingriffsgrundlage für den Zugriff auf beim Provider gespeicherte E-Mails
anerkannt hat.“46

5. Kritik an der h. M. und Entwicklung einer eigenen Ansicht

Die oben zuerst genannten Lösungsmöglichkeit der h. M.,47 nach der auch eine
Überwachung der Eingabe von Sprache am Endgerät eine Überwachung von Te-
lekommunikation ist, hat erhebliche Konsequenzen.

a) Uferlose Ausweitung?

Ob die Überwachung beim Diensteanbieter erfolgt, ist nach der h. M. nicht von
Belang. Diese Ansicht müsste sich die Frage gefallen lassen, warum dann nicht
jede Überwachung durch schlichtes Belauschen der Äußerungen einer Person, die
etwa auf der Straße telefoniert, eine Telekommunikationsüberwachung sein soll. Ei-
ne Folge dieser Auffassung wäre, dass auch die Überwachung durch das Mithören
der Strafverfolgungsbehörden am anderen Ende der Leitung (sog. „Hörfalle“)48 ei-
ne Überwachung der Telekommunikation wäre und unter § 100a StPO subsumiert
werden müsste. § 100a StPO würde uferlos ausgeweitet werden können. Diesem
Einwand wird man nur begegnen können, indem man auf das Endgerät als zumin-
dest noch physisch unmittelbar mit dem Kommunikationsvorgang verbundenen Teil
verweist. Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs wäre über ein solches
Wortlautargument – nur Eingriffe in die technische Übertragungsstruktur können
Telekommunikationsüberwachung sein – vermieden. Der Vorwurf einer uferlosen
Ausdehnung kann daher die Argumente der h. M. nicht entkräften.

45
In § 20l Abs. 2 ist eine Eingriffsgrundlage für eine Quellen-TKÜ unter Eingriff in das Compu-
tergrundrecht geregelt. § 20k Abs. 2 und 3 i. V. m. § 20l Abs. 2 S. 2 BKAG sind die genannten
Schutzvorkehrungen vorhanden. Danach dürfen nur „unerlässliche“ Veränderungen des Compu-
ters vorgenommen werden, die nachträglich möglichst rückgängig zu machen sind. Des Weiteren
werden verschiedene bestimmte Anforderungen an die Protokollierung der Maßnahme gestellt,
die später die rechtliche Überprüfung ermöglichen sollen. Näher dazu Bäcker, S. 105 f.
46
Becker/Meinicke, StV 2011, S. 105 f.
47
Siehe § 23, IV, 2, Nr. 1.
48
Vgl. § 34, III.
366 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

b) Verfassungswidrige Überwachung von „Anscheinstelefonaten“ legitimiert?

Nimmt man diese Lösung, dass auch eine Überwachung der Eingabe von Sprache
am Endgerät eine Überwachung von Telekommunikation ist, als noch wortlaut-
konform ernst, ist eine Überwachungsmaßnahme dann nicht unter § 100a StPO
subsumierbar, wenn Kommunikation nicht stattfindet. Denn selbst, wenn man den
Einwand beiseitegeschoben hat, dass sich die Nachricht noch nicht im Herrschafts-
bereich eines Diensteanbieters befindet, kann von Telekommunikation unter diesen
Umständen keine Rede sein. Der bloße Versuch ist keine Kommunikation und auch
nicht als „wesensgleiches Minus“ in der Regelung enthalten.

Beispiel 52 Spricht eine Person in ihr Telefon, obwohl die Verbindung unbemerkt
zusammengebrochen ist, kann dies auch nach h. M. keine Telekommunikation sein.
Die Einordnung der nämlichen Äußerung hängt also davon ab, ob eine Verbindung
zustande kommt oder nicht. Die tatsächliche Äußerungsvorgang ist aber ebenso wie
der Überwachungsvorgang völlig unabhängig von dem Bestehen einer Telekommu-
nikationsverbindung.

Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme49 ließe sich also nicht im Augenblick


des Überwachungsaktes beurteilen. Die Maßnahme befindet sich dann in einem
„Schwebezustand“, über dessen Subsumierbarkeit unter § 100a StPO in dem Mo-
ment der Eingabe vor dem Beginn der Übermittlung nicht entschieden werden
kann. Diese Entscheidung könnte erst dann getroffen werden, wenn feststeht, ob
es zu einem Kommunikationsvorgang gekommen ist, ob die Spracheingabe zur
Telekommunikation wird.
Die Ermittlungsbehörden würden insofern das Risiko einer unrechtmäßigen, da
ohne § 100a StPO rechtsgrundlosen und damit verfassungswidrigen Überwachung
tragen, wenn der Kommunikationsvorgang etwa durch technisches Versagen nicht
zustande kommt.50 Diese Lösung scheidet damit bereits nach verfassungskonfor-
mer Auslegung aus. Das Argument lässt sich dadurch etwas abschwächen, dass die
dargestellte Fallkonstellation praktisch höchst selten und ein daher eher theoreti-
scher Einwand ist. Zudem erlaubt die Regelung des § 100a StPO die Überwachung
eines solchen „Anscheinstelefonats“ gerade nicht, sondern erhöht nur praktisch das
Risiko von rechtswidrigen Maßnahmen im Vergleich zur Auslegung, die § 100a auf
eine Überwachung über den Diensteanbieter beschränkt. Eine Bevorzugung der Lö-
sung, nach der die Quellen-TKÜ unter § 100a StPO zu subsumieren ist, wäre also
nur eine hier grundsätzlich abgelehnte51 verfassungsnächste Auslegung. Die andere
Lösungsmöglichkeit ist nicht schon verfassungswidrig, weil sie eine größere Ge-
fahr rechtswidriger Maßnahmen bedingt. Auch das Argument, die h. M. müsse eine

49
Die Verfassungswidrigkeit der Regelung wegen der nicht hinreichend bestimmten Tatschwere-
klausel wird dabei ausgeklammert.
50
Die Maßnahme kann auch nicht von einer anderen verfassungsmäßigen Regelung „aufgefangen“
werden, da § 100h Abs. 1 Nr. 2 und § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO keine verfassungs-
konformen Regelungen für die Quellen-TKÜ sind, was später zu zeigen sein wird vgl. § 27 ff.
51
Vgl. § 6, IV, 7.
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 367

verfassungswidrige Überwachung von „Anscheinstelefonaten“ über den Wortlaut


hinaus unter § 100a StPO subsumieren, ist daher nicht voll überzeugend.

c) Keine Begrenzung auf die Kommunikationseingabe

Auch in der folgenden Argumentation wird unterstellt, die Überwachung bei


der Eingabe von Nachrichten mittels Trojanern sei Telekommunikationsüberwa-
chung.52 Eine weitere missliche Konsequenz dieser Ansicht wäre, dass insbesonde-
re bei der Erstellung von Stillbildern mittels Trojanern nicht nur Informationen
über die Kommunikation übermittelt werden. Zusätzlich können auch Infor-
mationen über sonstige geöffnete Computersoftware erfasst werden, weil das
„Kommunikations-Fenster“ meist nur einen kleinen Teil des Bildschirms ausmacht.

Beispiel 53 Ein Chatfenster des Programms „icq“ nimmt etwa 1/5 der Bildschirm-
fläche ein. In den verbleiben 4/5 können das persönliche elektronische Tagebuch des
Betroffenen, sein Terminkalender oder andere sehr private Informationen sichtbar
sein.

Die Information über den ganzen Bildschirminhalt ist schlicht nicht erforder-
lich und die Maßnahme wäre daher unzulässig. Dieses Argument lässt sich aber
damit widerlegen, dass ein Trojaner auch mit einem eingeschränkten Funktionsum-
fang programmiert oder nicht zur Kommunikation gehörende Informationsteile im
Nachhinein gelöscht werden können.

d) Installation von Trojanern und technischen Geräten


für die „Quellen-TKÜ“ gestattet?

Im Folgenden soll zunächst unterstellt werden, die h. M. träfe zu und eine Überwa-
chung des Telefonats auch durch technische Manipulation am Endgerät sei Tele-
kommunikationsüberwachung nach § 100a Abs. 1 StPO. Neben der Überwachung
selbst müsste auch die Installation der Überwachungsmittel gesetzlich geregelt sein.
Ist sie dies nicht, kann die h. M. noch so überzeugende Argumente für sich haben,
in der Praxis würde sie leer laufen. Die Maßnahme wäre nicht rechtmäßig durch-
führbar, da zwar überwacht, nicht aber installiert werden dürfte.
Wenn die Durchführung einer Überwachungsmaßnahme unter eine Norm sub-
sumiert werden kann, trifft das nicht automatisch auf alle Maßnahmen zu, die eine
solche Maßnahme ermöglichen oder unterstützen.53 Gerade bei den notwendigen
Installationen von Trojanern oder technischen Mitteln zur Quellen-TKÜ ist dies
problematisch, da das gesetzliche Leitbild von einer Ausleitung der technischen
Signale durch den Telekommunikationsdiensteanbieter ausgeht.

52
Vgl. § 23, IV, 2, Nr. 1.
53
Vgl. dazu die ausführliche Behandlung des allgemeinen Problems § 19.
368 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

Das BVerfG hat mit dem Computergrundrecht einen weiteren Teil des allge-
meinen Persönlichkeitsrechts (bzw. nach hier vertretener Ansicht der allgemeinen
Handlungsfreiheit)54 konkretisiert. Damit wird der durch die Bedeutung des Com-
puters als Kombination aus Kommunikations- und Speichermedium veränderten
Lebenswirklichkeit Rechnung getragen. Die Menschen sind mehr und mehr auf
Computer angewiesen, um überhaupt an der modernen Gesellschaft teilhaben zu
können.55 Das Computergrundrecht war dem Gesetzgeber bei Erlass des § 100a
StPO in seiner heutigen Fassung noch nicht bekannt.56 Das heißt aber auch, dass
der Gesetzgeber solche Eingriffe nicht bei Erlass des § 100a StPO vorhergesehen
haben kann. Schon die subjektiv-historische Auslegung verbietet daher eine Instal-
lation von Trojanersoftware zur Telekommunikationsüberwachung.

aa) Installation der Überwachungstechnik untypisch


für die Telekommunikationsüberwachung

Eine Installation von Überwachungstechnik am Endgerät wäre nur unter die Vor-
schrift des § 100a StPO subsumierbar, wenn sie typischerweise zur Durchführung
der Telekommunikationsüberwachung notwendig ist57 oder wenn eine solche Be-
fugnis nach dem Willen des Gesetzgebers der Norm immanent sein soll. Der Ge-
setzgeber hat in den entsprechenden Entwurfsbegründungen keine Andeutungen zur
Quellen-TKÜ gemacht. Historisch gesehen ist diese Art der Überwachung auch
nicht bedeutend. Nach historischer Auslegung lässt sich also kein Wille des Gesetz-
gebers erkennen, die Installationsmaßnahme unter § 100a StPO zu subsumieren.
Dieser Wille wird auch nicht konkludent zum Ausdruck gebracht, weil die Tele-
kommunikationsüberwachung typischerweise nicht auf solche Installationseingriffe
angewiesen ist. Denn im Standardfall läuft die Überwachung ohne zusätzliche Ein-
griffe über die Technik des Diensteanbieters ab.

bb) Verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Installationsbefugnis

Eine Auslegungsvariante, nach der die Installation eines Trojaners unter § 100a
StPO subsumiert würde, wäre außerdem als verfassungswidrig zu verwerfen, wenn
sie keine angemessene bereichsspezifische Regelung ergibt. Denn eine solche In-
stallationsmaßnahme ist kein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis nach
Art. 10 GG. Vielmehr ist sie ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG in seiner Ausprägung als Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung bzw.
Grundrecht auf Computerschutz. Zu deren verfassungskonformer Regelung ist eine

54
Vgl. § 8, II.
55
„[. . . ] früher nicht absehbare Bedeutung [. . . ] begründet aber auch neuartige Gefährdungen
der Persönlichkeit“, BVerfGE 120, 274, 303 ff.
56
Vgl. § 8, VI, 2, d).
57
Vgl. § 19, III.
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 369

bestimmte Vorschrift notwendig, die den technischen Eingriff in Computersysteme


ausdrücklich nennt oder jedenfalls eindeutig erkennen lässt und vor allem dessen
speziellen Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügt.
Das Vertrauen in die Integrität des eigenen Computersystems wird durch die
Rechtsprechung des BVerfG selbst in die Nähe einer vom Schutzniveau her woh-
nungsgleichen Formalsphäre gerückt.58 Dies gilt unabhängig davon, ob sie vom
Betroffenen für wichtige oder unwichtige Speicherungen oder Eingaben genutzt
wird und an welchem Ort sich das Computersystem befindet. Wenn der Staat in
diese Sphäre eingreift, ist ein das Wesentliche regelndes Gesetz erforderlich. Die-
ses muss eine hohe Eingriffsschwelle und restriktive Durchführungsschranken zum
Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung enthalten.59 Die Schranken
des Art. 13 Abs. 3 GG müssen allerdings nicht eingehalten werden. Soweit sich
Computer in einer Wohnung verwendet wird, wäre eine Überwachung aus straf-
prozessualen Gründen zudem unzulässig. Art. 13 Abs. 4 GG gestattet nur solche
technischen Eingriffe in Wohnungen zur dringenden Gefahrenabwehr.60 Diese An-
forderungen erfüllen §§ 100a, 100b StPO nicht. Eine weite Auslegung des § 100a
StPO, die auch eine Installation von Überwachungsprogrammen im Endgerät ge-
stattet, wäre verfassungswidrig. Sie ist daher abzulehnen. Die sog. Quellen-TKÜ
ist – was den Installationseingriff anbelangt – nach subjektiv-historischer und ver-
fassungskonformer Auslegung nicht durch § 100a StPO geregelt.
Eine Konsequenz der notwendig engen Auslegung ist, dass ohne die Installation
auch die Überwachungsmaßnahme freilich nicht durchzuführen ist. Die mögliche
Subsumtion allein der Kommunikationsüberwachung (ohne die Installation) un-
ter § 100a StPO ist für die Rechtmäßigkeit der Gesamtmaßnahme – Infiltration
und Überwachung – nicht ausreichend. Wegen der faktischen Abhängigkeit der
Überwachung von der Installation der Überwachungsmittel kann eine rechtliche
Trennung die Überwachungsmaßnahme nicht ohne besonderes Gesetz zur Rege-
lung des Installationseingriffs die Gesamtmaßnahme legitimieren, selbst wenn man
die Überwachung als solche unter § 100a StPO subsumieren würde.
Ein solches Gesetz könnte de lege lata bereits mit § 100h StPO bestehen, was im
Folgenden zu prüfen sein wird.

58
BVerfGE 120, 274, 302 f. Diese Rechtsprechung mag der hier abgelehnten Ansicht des BVerfG
geschuldet sein, dass ein Computer auch in der Wohnung überwacht werden darf. Das BVerfG
kann durch die Statuierung strenger Eingriffsschranken die nach hier vertretener Ansicht vorlie-
gende Verletzung des Art. 13 Abs. 1 GG kaschieren, indem es der Sache nach die Schranken des
Art. 13 Abs. 4 GG bemüht.
59
Vgl. dazu die Anforderungen, die das BVerfG an das VSG in NRW gestellt hat, BVerfGE 120,
274, 302 f.
60
Zum Verhältnis zwischen dem Grundrecht auf Computerschutz und den Grundrechten Art. 10,
Art. 13 GG sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung siehe § 8, VII, 2.
370 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

cc) Kombination von § 100a mit § 100h zur Quellen TKÜ

Eine vollständige Regelung der Gesamtmaßnahme könnte sich aus einer Kombina-
tion von § 100a mit § 100h StPO ergeben. Es ist dem Wortlaut nach möglich die
Überwachung an der Quelle unter § 100a StPO und die Installation der erforderli-
chen Überwachungsgeräte oder -software unter § 100h StPO zu subsumieren. Das
Annexproblem der Geräteinstallation wäre dann gelöst. Die h. M. lehnt allerdings
einen solche Funktion des § 100h StPO entgegen dem Wortlaut ab. Der Streit um
§ 100h StPO soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.61 Es wird aber klar,
dass die Frage des Installationseingriffs ein schwerwiegendes Argument gegen die
Zulässigkeit einer Quellen-TKÜ als Gesamtmaßnahme aus Installationseingriff und
Überwachung ist, aber eine „zweite Unbekannte“ in das Problem einfügt und den
Streit um die Quellen-TKÜ nicht als entscheidendes Argument lösen kann.

e) Systematische Auslegung

Die bisherigen Argumente können keine endgültige Entscheidung über die An-
wendbarkeit des § 100a StPO auf die Quellen-TKÜ herbeiführen. Um die Proble-
matik der Quellen-TKÜ zu klären, ist entscheidend, ob sich die Maßnahme nach
systematischer und subjektiv-historischer Auslegung unter §§ 100a, 100b StPO sub-
summieren lässt.
Im mehrteiligen Regelungskonzept der Telekommunikationsüberwachung be-
zieht sich § 100b Abs. 3 StPO auf die Telekommunikationsüberwachung mit Hilfe
der Telekommunikationsdiensteanbieter. Im Gegenschluss ergibt sich daraus, dass
eine Überwachung durch Selbstvornahme an der Quelle des Endgerätes nicht ge-
setzlich vorgesehen ist. Das gilt nicht nur für die oben62 bereits abgelehnte Instal-
lation von Überwachungsmitteln, sondern auch für die rechtlich davon abtrennbare
Überwachung der Sprach- oder Informationseingabe in das Endgerät als solche.

f) Subjektiv-historische Auslegung

Das vorstehend gefundene Ergebnis der systematischen Auslegung wird durch die
Geschichte der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber hat nicht an die sog. Quellen-
TKÜ gedacht, als er die Vorschrift des § 100a StPO erlassen hat. In den Gesetzesbe-
gründungen findet sich keine Erwähnung dieser Überwachungsmethode. Historisch
gesehen war die Überwachung des Fernsprecherverkehrs mit Hilfe der Dienstean-
bieter bzw. der Staatspost die einzig durch den Gesetzgeber antizipierte Maßnahme.

61
Ein anderes, hier nicht zu entscheidendes Problem ist, dass die Regelung des § 100h StPO aber
weder die nötige Bestimmtheit aufweist, noch dass sie angemessen ist, um einen solchen Eingriff
zu tragen, vgl. unten das Ergebnis unter § 27. Die Überwachung an der Quelle scheitert daher nach
dem hier vertretenen Gesamtkonzept in jedem Fall an der fehlenden Befugnis, die entsprechenden
Gerätschaften oder Programme zu installieren.
62
Vgl. § 23, IV, 5, d).
IV. Sonderfall der „Quellen-TKÜ“ 371

Die Begründung zum insoweit maßgeblichen G-10-Gesetz befasst sich ausdrück-


lich mit dem Eingriff in Art. 10 GG. Weitere Grundrechte zieht der historische
Gesetzgeber nicht in Betracht.63 Der Gesetzgeber hat § 100a StPO ausweislich der
Begründung zum G-10-Gesetz nur als Eingriff in das Telekommunikationsgeheim-
nis gesehen.64 Auch in der Gesetzesbegründung zur grundlegenden Reform des
§ 100a StPO im Jahre 2007 findet sich nicht einmal ein einziger Hinweis darauf,
dass der Gesetzgeber hier auch in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingrei-
fen wollte. Weder das (hier abgelehnte) allgemeine Persönlichkeitsrecht65 noch
Art. 2 Abs. 1 GG werden in Bezug auf die Regelungen der Telekommunikati-
onsüberwachung erwähnt. Für die Erhebung von Verkehrsdaten, die außerhalb des
Herrschaftsbereich des Diensteanbieters gespeichert sind und abgefragt werden sol-
len, sah der Gesetzgeber in der Entwurfsbegründung von 2007 zudem Anlass zu
einer Klarstellung.66 Dies ergibt nur Sinn, weil Telekommunikation auch im Straf-
prozessrechts jedenfalls dann begrifflich ausscheidet, wenn sich die Daten im Herr-
schaftsbereich des Betroffenen befinden. Denn unter diesen Umständen ist kein
Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG, sondern nur in das Grundrecht aus Art. 2
Abs. 1 GG möglich.

g) Verfassungskonforme Auslegung

Ein Gleichlauf des Telekommunikationsbegriffs als Fernkommunikation im Sinne


des Art. 10 GG mit der Regelung des § 100a StPO ist zwingend, weil sich der Bür-
ger nur so absehen kann, in welches seiner Grundrechte durch eine Regelung der
verdeckten Maßnahmen eingegriffen werden kann. Das Fernkommunikation in der
Verfassung einmal dies (nur die Übertragung im Machtbereich Dritter) und in der
StPO einmal jenes (auch schon die Eingabe in das Endgerät) bedeutet, wird dem
nicht gerecht. Ein solches Verständnis würde letztlich ohne Not zur Erosion der ge-
setzlichen Bestimmtheit des § 100a StPO beitragen. Oben wurde dargestellt, dass
gerade wegen des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1
GG bestimmte Normen geschaffen werden müssen die erkennen lassen ob und un-
ter welchen Umständen ein Eingriff stattfindet. Da durch die Quellen-TKÜ auch
nach h. M. kein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG, sondern in das Recht

63
BTDrucks V/1880, S. 11: „In Anbetracht des nicht unerheblich in das Grundrecht des Artikels
10 GG eingreifenden Charakters der Überwachung des Fernmeldeverkehrs [. . . ]“, vgl. auch zur
Historie § 4, I, 4.1.
64
Vgl. § 5, II.
65
Der Begriff wird nur in ganz anderen Zusammenhang (E § 53b) im Rahmen eines Zitats
des BVerfG ein einziges Mal genannt, um Beweisverwertungsfragen zu erörtern, vgl. BTDrucks
16/5846, S. 36.
66
BTDrucks 16/5846, S. 1: „Die Entscheidungen vom 4. Februar 2005 – 2 BvR 308/04 – (NJW
2005, 1637, 1639 f.) und vom 2. März 2006 – 2 BvR 2099/04 – (BVerfGE 115, 166 ff.) veranlas-
sen eine Klarstellung [Hervorhebung vom Verfasser], nach welchen Rechtsvorschriften bei der
Erhebung von Verkehrsdaten von Datenträgern zu verfahren ist, wenn diese sich nach Abschluss
des Kommunikationsvorgangs nicht im Herrschaftsbereich des Telekommunikationsdienstleisters
befinden.“
372 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

aus Art. 2 Abs. 1 GG gegeben ist, muss sich eindeutig aus dem Gesetz ergeben ob
mit § 100a StPO nur ein Eingriff in das Recht aus Art. 10 GG oder auch ein Eingriff
in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG gestattet
wird. Ist dies nicht der Fall werden die Einschüchterungseffekte, die gerade durch
die Heimlichkeit stark sind, durch eine weite Unklarheit verstärkt. Der Betroffene
kann so nicht einmal aus dem Gesetz erkennen, unter welchen Umständen er über-
wacht werden darf. Dieses Argument führt nach der hier vertretenen Konzeption
zwingend dazu, die andere Auslegungsvariante, nach der einen Quellen-TKÜ unter
§ 100a StPO gefasst werden kann, als verfassungswidrig abzulehnen.
De lege ferenda ist eine verfassungsmäßige Regelung der Quellen-TKÜ möglich.
Auch insoweit müssen strenge Schranken gelten, die denen des § 100a StPO in
ihrem Grundrechtsschutz nicht nachstehen dürfen. Eine Klarstellung in § 100a StPO
wäre ausreichend.

6. Zwischenergebnis

Die Quellen-TKÜ ist nach verfassungskonformer Auslegung nicht unter § 100a


StPO zu subsumieren. Dies Ergebnis gilt unabhängig davon, ob sie mittels Com-
putertechnik und sog. Trojanern oder per Installation von klassischen Mikrofonen
am Endgerät oder durch das schlichte Belauschen erfolgt. Weder die Überwachung
der Äußerungen an der Quelle noch die Installation der erforderlichen technischen
Mittel können unter § 100a StPO subsumiert werden.

V. Sonderfall der E-Mail-„Beschlagnahme“

Heftig umstritten ist, unter welchen Umständen die heimliche E-Mail-„Beschlag-


nahme“ Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO ist. Telekommuni-
kationsüberwachung durch E-Mail-„Beschlagnahme“ liegt unstreitig nur für den
laufenden Kommunikationsvorgang bis zur Zwischenspeicherung beim Provider
vor.

a) Ansichten für eine Subsumtion unter § 100a StPO

In der Literatur und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die E-Mail-


„Beschlagnahme“ beim Service-Provider vielfach unter § 100a StPO subsumiert.67

67
LG Hamburg MMR 2008, 186, 187; Gaede, StV 2009, S. 97; (S. 86). Jedenfalls für die hier
interessierende heimliche „Beschlagnahme“ vgl. auch Kasiske, StraFo 2010, S. 228 ff.
V. Sonderfall der E-Mail-„Beschlagnahme“ 373

b) Ansichten gegen eine Subsumtion unter § 100a StPO

Die Ansicht des BGH, eine Postbeschlagnahme statt einer Telekommunikations-


überwachung bei der E-Mail-Beschlagnahme anzunehmen,68 wurde bereits oben
abgelehnt. Gegen die Subsumtion der E-Mail-„Beschlagnahme“ wird weiter vor-
gebracht, die §§ 100a, 100b StPO enthielten insoweit keine bereichsspezifischen
und präzisen Regelungen. Denn zur E-Mail-Beschlagnahme müssten die Räume der
Diensteanbieter aufgesucht und deren Server genutzt werden, wenn diese nicht ko-
operierten.69 Auch aus § 100b Abs. 3 S. 3 i. V. m. § 95 Abs. 2, § 70 StPO ergebe sich
nichts anderes, da dort nur Beugemittel und keine Kompetenz zur Selbstvornahme
geregelt seien. Daher müssten die Vorschriften zur Durchsuchung und Beschlag-
nahme mit §§ 100a, 100b kombiniert werden. Dies sei aber als verbotene Analogie
abzulehnen.70 Telekommunikation dürfe nur nach §§ 100a, 100b StPO per Einbe-
ziehung des Diensteanbieter nach § 5 Abs. 2 TKÜV überwacht werden. Eine beim
Provider gespeicherte E-Mail gehöre nicht dazu und dürfe daher nach geltendem
Recht nicht überwacht werden.71

c) Eigene Ansicht

Bereits bei der Erörterung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 GG wurde klar-
gestellt, dass eine E-Mail solange Teil der Fernkommunikation bleibt, bis sie vom
Server des Providers gelöscht wird. Ein Gleichlauf des Eingriffs in das Fernmelde-
geheimnis aus Art. 10 GG und der heimlichen Überwachung der Telekommunikati-
on § 100a StPO, ist verfassungsrechtlich nicht zwingend. Es liegt aber durchaus
nahe den Begriff in der Rechtsordnung einheitlich zu verwenden. Eine Sonder-
bedeutung in der StPO gegenüber dem verfassungsrechtlichen Begriff müsste mit
guten Gründen nachgewiesen werden. Der Gesetzgeber wollte aber ausweislich der
Gesetzesbegründung die Überwachung jeder Telekommunikation und nicht nur die
bestimmter Formen in §§ 100a, 100b StPO erfassen, auch den E-Mail-Verkehr.72
Es ist nicht überzeugend, aus der Zwischenspeicherung auf eine Ende der Kommu-
nikation zu schließen. Das sophistische Argument, die überwachten Daten müssten
zwingend „unterwegs“ sein, um im Sinne des § 100a StPO Telekommunikation
sein zu können, ist ungefähr so überzeugend wie die Behauptung, das an einer
Ampel wartende Auto nehme nicht am Straßenverkehr teil. Der Adressat kann die

68
BGH NJW 2009, 1828.
69
Klesczewski, ZStW 2011 S. 750.
70
vgl. weitere Argumente bei Valerius, JR 2007, S. 277.
71
Klesczewski, ZStW 2011 S. 751.
72
Vgl. BTDrucks 16/5846, S. 71, 81. Der Gesetzgeber war sich über die verschiedenen Phasen
der E-Mail-Übertragung dabei im Klaren (vgl. BTDrucks 16/5846, S. 81) und sah aber keinen
Differenzierungsbedarf auf Normenebene.
374 § 23 Telekommunikationsüberwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO

Telekommunikation durch das Ruhenlassen der beim Provider befindlichen E-Mail


beliebig verlängern.73
Nach hier vertretener Ansicht sind §§ 100a, 100b StPO und § 5 Abs. 2 TKÜV
daher direkt auf die heimliche E-Mail-Beschlagnahme beim Provider anwendbar.
Der Weg über die Beschlagnahmevorschriften §§ 94, 110 Abs. 3 StPO daher nur
möglich, wenn es sich um Spezialvorschriften zu § 100a StPO handeln würde. Be-
reits der erste Anschein spricht aber dafür, dass §§ 100a, 100b, 100g StPO insofern
die verdrängenden Spezialvorschriften für die Überwachung von Telekommunika-
tionsdaten sind. Auf die höchst bedenkliche Ansicht des BVerfG, nach der eine
heimliche E-Mail-„Beschlagnahme“ nach den §§ 94 ff StPO zulässig sei,74 käme
es nicht an, wenn § 100a StPO die Überwachung von Telekommunikation abschlie-
ßend regelt. § 110 Abs. 3 StPO wird gegebenenfalls verdrängt und kann nicht
gesetzliche Grundlage für eine E-Mail-Beschlagnahme beim Provider sein. Das
Problem wie sich §§ 100a, 100b StPO und 110 Abs. 3 StPO in Bezug auf die E-
Mail-Beschlagnahme zueinander verhalten, wird im Rahmen der Analyse des § 110
Abs. 3 StPO geklärt werden.75 Das hier gefundene Ergebnis steht daher unter dem
Vorbehalt, dass § 110 Abs. 3 StPO keine speziellere Vorschrift enthält.

1. Zwischenergebnis

Die E-Mail-„Beschlagnahme“ ist ein Unterfall der Telekommunikationsüberwa-


chung nach § 100a StPO.

73
Ob es sich um eine Kopie oder das „Original“ handelt ist insoweit ohne Belang, da die versende-
ten elektrischen Signale ohnehin nicht im ontologischen Sinne identisch mit den angekommenen
Signalen sind.
74
BVerfGE 124, 43, 58: „§ 94 StPO kann ohne Verfassungsverstoß als Ermächtigung auch zu
Eingriffen in Art. 10 Abs. 1 GG verstanden werden.“ In § 94 StPO ist von Gegenständen die Re-
de, die Beschlagnahme werden können. Wie dies ohne eine Analogie hinsichtlich elektronischen
Daten begrifflich möglich sein soll, bleibt unklar.
75
Vgl. dazu § 29.
§ 24 Akustische Wohnraumüberwachung,
so genannter „großer Lauschangriff“
gemäß §§ 100c, 100d StPO

§ 100c StPO regelt die akustische Wohnraumüberwachung.1 Das BVerfG hatte in


seinem Urteil zum so genannten „Großen Lauschangriff“ § 100c StPO a. F. und die
Hilfsvorschriften in der StPO für verfassungswidrig erklärt.2 Grund dafür war, dass
die Regelung eine Missachtung der Menschenwürde zuließ:
„Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde gehört die Anerkennung eines absolut geschütz-
ten Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Jede Erhebung von Informationen aus diesem
Bereich muss abgebrochen werden. Jede Verwertung ist ausgeschlossen.“3

Die Frage des Großen Lauschangriffs wurde lebhaft diskutiert.4 In der aktuellen
Fassung der Vorschrift hat der Gesetzgeber erstmals ausführlich den Kernbereichs-
schutz geregelt und umfangreichen Grundrechtsschutz durch Benachrichtigungs-
und Löschungspflichten bereitgestellt.

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

Die Diskussion hinsichtlich des „großen Lauschangriffs“ rankt sich um den be-
fürchteten Bruch „der persönlichen Intimsphäre, manifestiert in den eigenen vier
Wänden“.5 Der „große Lauschangriff“ wurde zur entscheidenden Frage erklärt, ob
Deutschland noch ein Rechtsstaat oder bereits ein Überwachungsstaat geworden

1
Das Gesetz in seiner heutigen Form geht auf das Gesetz zur Umsetzung des Urteils des BVerfG
vom 3. 3. 2004 (BVerfGE 109, 279 – akustische Wohnraumüberwachung) zurück (BGBl I, 1841)
und war somit kein Teil der großen Reform der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen von 2007. Die
Ausgestaltung des § 100c StPO nahm aber viele Punkte der späteren Reform vorweg.
2
BVerfGE 109, 279.
3
BVerfGE 109, 279, Leitsatz 2.
4
Staechelin, ZRP 1996, S. 466 ff.; Dittrich, NstZ 1998, S. 336 ff.; Momsen, ZRP 1998, S. 459 ff.;
Gusy, JuS 2004, S. 457 ff.; Haas, NJW 2004, S. 3082 ff.; Lepsius, JURA 2005, S. 433 ff.;
Leutheusser-Schnarrenberger, DuD 2005, S. 323 ff.; Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2005,
S. 1 ff.; ebenso wie die Neuregelung des § 100c StPO Löffelmann, NJW 2005, S. 2023.
5
BVerfGE 109, 279; abweichende Meinung 391.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 375


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_24, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
376 § 24 Akustische Wohnraumüberwachung, so genannter „großer Lauschangriff“

sei. Die Bitterkeit mit der die Diskussion geführt wurde, lässt sich nur aus der
Historie der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen erklären.6 Denn darin könnte ei-
ne Missachtung der Menschenwürde und somit ein Verstoß gegen das Gebot der
Unantastbarkeit aus Art. 1 Abs. 1 GG liegen.7 Das BVerfG erklärte die damalige
Fassung des § 100c StPO wegen Missachtung der Menschenwürde für nichtig.

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Die Gefahr, in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung einzugreifen, besteht


gerade bei der heimlichen Überwachung des privaten Wohnraums. Denn hier fühlt
sich der Betroffene besonders geschützt und wird Verhaltensweisen zeigen, die er
außerhalb des Schutzes seiner Wohnung höchstens in krassen Ausnahmefällen an
den Tag legen wird, zum Beispiel Akte der Sexualität und Intimität sowie höchst
vertrauliche Gespräche mit Familienangehörigen oder sonstigen Vertrauensperso-
nen.

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Das BVerfG hatte in seinem Urteil zum „großen Lauschangriff“ § 100c StPO a.
F. und diverse andere Vorschriften in der StPO für verfassungswidrig erklärt, weil
es Art. 13 Abs. 3 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als verletzt erkannte. In der aktuel-
len Fassung der Vorschrift hat der Gesetzgeber auf die Monita des BVerfG hin
erstmals den Kernbereichsschutz geregelt und umfangreichen Grundrechtsschutz
durch Benachrichtigungs- und Löschpflichten bereitgestellt. Grundsätzlich ist die
Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung verfassungsgemäß.
Ein Raum, in dem sich über dauernd Menschen aufhalten, ist nicht in jedem Fall
mit dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gleichzusetzen. Die Auslegung
der Rechtsbegriffe orientiert sich an den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Daher
gehören nach verfassungskonformer Auslegung nur die oben genannten Betriebs
und Geschäftsräume nicht zur Wohnung im Sinne des § 100c Abs. 1 StPO, die dem
Publikumsverkehr geöffnet sind.8 Andere Betriebs- und Geschäftsräume, in denen
nur bestimmte Personen nach individueller Prüfung eingelassen werden, gehören
zum Wohnungsbegriff im Sinne des § 100c StPO.

6
Vgl. § 4, II, 3.
7
BVerfGE 109, 279; abweichende Meinung 391.
8
Vgl. § 8, VII, 1, b), dd).
II. Eingriff in das Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG 377

II. Eingriff in das Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG

Mit § 100c StPO wird der Eingriff in den Schutzbereich des Rechts aus Art. 13 GG
gestattet. Dieser Eingriff muss die besonderen Schranken des Art. 13 Abs. 3 GG
beachten.

III. Rechtfertigung des Eingriffs

1. Abgrenzung des Regelungsbereichs:


Besondere Auslegungsprobleme

a) Abhören von außen

Unerheblich soll sein, ob die technische Abhöreinrichtung in der Wohnung instal-


liert wird9 oder ob etwa mittels verstärkendem Richtmikrofon von außen in die
Wohnung hineingelauscht wird. Dem ist zuzustimmen, denn es kommt darauf an, ob
das Kommunikationsverhalten in der besonderen Sphäre der Wohnung überwacht
wird, das ohne technische Hilfsmittel im privaten Bereich der Wohnung verschlos-
sen bliebe. Ob dabei von einer internen oder externen Stelle in Bezug zur Wohnung
observiert wird, ist unbeachtlich. Insoweit besteht ein gewichtiger Unterschied zu
Eingriffen in das Recht aus Art. 10 GG. Das Fernmeldegeheimnis setzt einen Ein-
griff gerade während der Übertragung voraus. Bei der Wohnraumüberwachung geht
es um Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG. Bei den Grundrechten aus Art. 10 und Art. 13
GG kommt es nicht auf eine besondere Art des Eingriffs an.10 Nach verfassungs-
konformer bzw. subjektiv-historischer Auslegung11 ist dieses Ergebnis zwingend,
da sonst den in Rede stehenden Grundrechten nicht genüge getan würde. Der Schutz
des Betroffenen würde wegen rein formaler Gründe – nämlich der Installation des
Überwachungsgeräts innerhalb oder außerhalb der Wohnung – verringert und statt
der strickten Bedingungen des § 100c StPO würde auf die Generalklausel abgestellt
werden müssen, die mangels Klarheit und Bestimmtheit12 den schweren Grund-
rechtseingriff nicht tragen könnte.13

9
Nack in: KK 6 , § 100c StPO, Rdn. 4; BGH NJW 1997, 2189; BGHSt 44, 13.
10
Vgl. § 8, VII, 3, b).
11
Vgl. § 6.
12
Vgl. § 9, I, 9.
13
Vgl. § 34.
378 § 24 Akustische Wohnraumüberwachung, so genannter „großer Lauschangriff“

b) Computer in der Wohnung und Raumgeräusche bei der TKÜ

Die Infiltration und Ausspähung eines Computers ist grundsätzlich keine akusti-
sche Wohnraumüberwachung.14 Zwar kann sich der Computer in der Wohnung
befinden, doch ist das Ausspähen über die Internetverbindung ein Eingriff in das
neue Computergrundrecht, solange nur das „Innere“ des Computers und nicht über
dessen Peripheriegeräte der Wohnraum ausgespäht wird. Das Gleiche ist für die
unvermeidbare Aufnahme von Raumgeräuschen bei der Telekommunikationsüber-
wachung anerkannt.
Eine Online-Durchsuchung kann entgegen der Rechtsprechung des BVerfG in
den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG eingreifen.15 Mangels ausdrücklicher
Regelung umfasst § 100c StPO diese Art der Überwachung aber nur, wenn aus-
schließlich der Wohnraum über die Manipulation eines Peripheriegerätes akustisch
überwacht würde. Die Vorschrift schreibt die Art der Installation von Abhörgeräten
nicht vor.

c) Annexkompetenz bei „Installationseingriffen“

Mit der akustischen Wohnraumüberwachung ist typischerweise ein Betreten der


Wohnung verbunden, um ein Abhörgerät zu installieren. Damit ist zusätzlich Art. 14
GG betroffen, weil die Wohnung des Betroffenen – so sie sein Eigentum ist – phy-
sisch verändert wird. Die Installation der Abhörgeräte ist daher von § 100c StPO
umfasst.16

2. Bestimmtheit

Die Regelung der Tatschwere im Einzelfall ist wie die anderen Regelungen unbe-
stimmt. Zwar besteht insofern ein Unterschied, weil der Katalog des § 100c Abs. 2
StPO wesentlich restriktiver als der weite Katalog des § 100a StPO ist. Dennoch än-
dert dies nichts daran, dass die Frage, unter welchen Umständen die Tat nach § 100c
Abs. 1 Nr. 2 StPO im Einzelfall schwer wiegt, mehrdeutig und nicht objektiv zu klä-
ren ist. § 100c StPO ist daher wegen dieser Unbestimmtheit verfassungswidrig.

14
Schlegel, GA 2007, S. 648.
15
Vgl. § 8, VII, 2, e).
16
Vgl. dazu die Ausführungen zur allgemeinen Annexkompetenzregel unter § 19, III.
IV. Zwischenergebnis 379

3. Verhältnismäßigkeit

Wegen der Unbestimmtheit der Regelung ist die Verhältnismäßigkeit nur hilfswei-
se zu erörtern. Insoweit bestehen allerdings keine Bedenken, da die Regelung über
eine Subsidiaritätsklausel zur Gewährleistung der Erforderlichkeit und einen quali-
fizierten Richtervorbehalt nach § 100d StPO verfügt.

IV. Zwischenergebnis

Die Regelung ist nur wegen der unbestimmten Tatschwerklausel verfassungswidrig.


§ 25 Akustische Überwachung außerhalb
von Wohnungen gemäß § 100f StPO

Bei der akustischen Überwachung eines Betroffenen außerhalb von Wohnungen


geht es im Standardfall um das Abhören von Gesprächen mittels Richtmikrofonen
oder elektronischen Geräten, die Stimmen aufzeichnen und per Funk versenden
können, sog. „Wanzen“. Die Norm erfasst insoweit auch die Installation dieser Ge-
räte im Nahbereich des Betroffenen, etwa in der Kleidung des Betroffenen oder
häufiger in der Kleidung seines Gesprächspartners. Zu klären wird sein, ob die sog.
„Quellen-TKÜ“ unter § 100f StPO fällt, wenn sie durch Abhören der mündlichen
Spracheingabe mit einer „Wanze“ oder einem „Trojaner“ am Telekommunikations-
endgerät erfolgt. Wenn die Heimlichkeit bemerkt wird, ist die Anordnung weder
unzulässig noch überflüssig.1 Die Vorschrift fängt zudem die Fälle auf, die aus
dem Anwendungsbereich des § 100c StPO fallen, weil sie zwar in Geschäftsräu-
men stattfinden, diese jedoch dem Publikumsverkehr geöffnet sind.2

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Durch eine Maßnahme nach § 100f StPO kann Einblick in den absolut geschützten
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung genommen werden:

Beispiel 54 Der Verdächtige tauscht auf einer Parkbank Zärtlichkeiten mit seiner
Geliebten aus und macht ihre einen Heiratsantrag, den sie ablehnt. Die Polizei über-
wacht das Gespräch mittels Richtmikrofon und nimmt es mit einem Speichergerät
auf.

1
Meyer-Goßner, StPO54 , § 100f Rdn. 1.
2
BGHSt 50, 206.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 381


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
382 § 25 Akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen gemäß § 100f StPO

2. Kernbereichsschutzkonzept?

§ 100f StPO unterscheidet sich nur hinsichtlich des Kernbereichsschutzes von der
Regelung des § 100a StPO. Die unterschiedlichen Anforderungen in §§ 100a und
100f StPO müssten sich begründen lassen, damit das Fehlen eines Kernbereichs-
schutzkonzeptes die Norm nicht verfassungswidrig werden lässt, weil sie eine Miss-
achtung der Menschenwürde durch die entsprechend Maßnahme zulässt.
Dass Kernbereichsschutz nur bei der Telefonüberwachung und nicht bei ei-
nem „Vier-Augen-Gespräch“ erforderlich ist, lässt sich nicht mit der „besonderen
Schutzbedürftigkeit“ der Telekommunikationsübertragung im Kontrollbereich Drit-
ter3 erklären. Mit der „besonderen Schutzbedürftigkeit“ ist aber nur gemeint, dass
ein der Kommunikationsart angepasster spezifischer Schutz zu gewähren ist. Dass
andere Grundrechte weniger gut geschützt werden dürfen, ist damit nicht gesagt.
Das Konzept des Kernbereichsschutzes ist nicht durch die speziellen Gefahren
der Telekommunikation bedingt. Der Kernbereichsschutz wurde gerade entwi-
ckelt, um die Intimsphäre und damit die Menschenwürde zu schützen.4 Ohne
ein entsprechendes Schutzkonzept gestattet § 100f StPO auch Aufnahmen inti-
mer Verhaltensäußerungen und verletzt so selbst den Anspruch auf Achtung der
Menschenwürde.
Zudem wäre unverständlich, warum man beim Telefonieren mit einer anderen
Person besser geschützt wäre, als wenn man unterwegs vertrauliche Informationen
in den eigenen Laptop eingibt.5 Es kann auch keinen Unterschied machen, wenn
kernbereichsrelevante Inhalte etwa in einem Selbstgespräch geäußert oder einer ver-
trauten Person auf der Parkbank mitgeteilt werden.6
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem persönlichen Gespräch unter Anwesen-
den kernbereichsrelevante Inhalte geäußert werden, ist sogar größer als bei einem
Telefongespräch. Bei Letzterem kann sich der Äußernde nicht sicher sein, dass sein
Gesprächspartner nicht andere Personen mithören lässt. Nach dem obigen Kon-
zept der Überwindung natürlicher Sicherheitsschranken7 wäre die Überwachung
des Betroffenen nach § 100f StPO sogar belastender als die Überwachung eines
vergleichbaren Telefonats. Damit ist auch die Gefahr, kernbereichsrelevante Inhalte
aufzunehmen, bei akustischer Personenobservation nicht geringer als bei Telekom-
munikation. Die akustische Überwachung einer Person ist daher mangels Schutz-
konzeptes verfassungswidrig. Die Differenzierungen zwischen § 100f und § 100a
StPO im Kernbereichsschutz sind verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

3
Vgl. zur Schutzbedürftigkeit BVerfGE 124, 43, 56.
4
BVerfGE 6, 32.
5
Auch die h. M. geht insoweit von einer Vergleichbarkeit der Maßnahmen aus, ohne aber den
fehlenden Kernbereichsschutz zu monieren vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 100f Rdn. 2.
6
Immerhin hat der Betroffene das „forum internum“ als Ursprung des Kernbereichs sicher verlas-
sen, wenn er mit einer anderen Person spricht. Diktiert er seinem Computer per Spracherkennung
ein Tagebuch, ist dies zweifelhaft. Das ist aber kein entscheidendes Gegenargument, da der Kern-
bereichsschutz auch für soziale Interaktion gilt. Siehe § 15.
7
Vgl. § 9.
II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 383

II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

1. Eingriff durch Belauschen von Gesprächen

Die Vorschrift gestattet die Aufnahme des gesprochenen Wortes im umfassenden


Sinne. Damit ist eine erhebliche Einschüchterungswirkung verbunden. Denn auch
außerhalb von Wohnungen und Telefonaten werden Gespräche geführt, die der
Einzelne nicht mit dem Staat teilen will, weil er sich ansonsten durch mögliche
Strafverfahren oder andere Repressionen bedroht fühlt.

2. Eingriff in das Computergrundrecht durch § 100f StPO

Wenn eine Person bei der Eingabe von Daten oder beim Empfangen von Telekom-
munikationsignalen mit einem informationsverarbeitenden Endgerät8 außerhalb ei-
ner Wohnung belauscht wird, kann die eigentliche Observation unter § 100f StPO
subsumiert werden.

Beispiel 55 Person X spricht eine belastende Nachricht in ein Mobiltelefon. Dieser


Vorgang wird mittels Richtmikrofon aus einiger Entfernung belauscht.
Da die Systemintegrität nicht berührt ist, wird so nicht in das Computergrund-
recht eingegriffen.

§ 100f StPO müsste allerdings eine entsprechende Annexbefugnis zur Instal-


lation solcher Überwachungsgeräte bzw. einer manipulierenden Trojanersoftware
enthalten. § 100f StPO enthält allerdings keine Annexbefugnis für die Installation
einer Überwachungssoftware oder geeigneter Hardwarekomponenten und kann da-
her nach Wortlaut und verfassungskonformer Auslegung keine Überwachung mit-
tels Trojanern oder im System installierter Geräte erfassen.

III. Rechtfertigung des Eingriffs

1. Bestimmtheit

Weil keine Unterschiede bestehen, gelten die zu § 100a StPO9 gefundenen Er-
gebnisse entsprechend auch für § 100f StPO. Die Anlasstatenregelung ist danach
unbestimmt und verfassungswidrig.

8
Jedes aktuelle Telefon und jeder Computer.
9
Vgl. § 27, II, 3.
384 § 25 Akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen gemäß § 100f StPO

2. Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit kann mangels Bestimmtheit nicht beurteilt werden. Da ei-


ne Erforderlichkeitsklausel enthalten ist, gäbe es bei unterstellter Angemessenheit
der Anlasstaten insoweit keine Bedenken an der Verhältnismäßigkeit.

IV. Zwischenergebnis

§ 100f StPO ist mangels ausreichenden Kernbereichsschutzes und wegen Unbe-


stimmtheit der Anlasstat verfassungswidrig.
§ 26 Verkehrsdatenerhebung
gemäß § 100g StPO

§ 100g StPO erlaubt die Erhebung von Verkehrsdaten. Damit sind insbesondere1 die
Daten gemeint, mit welchen bestimmt werden kann, mit welchem Anschluss, wann,
mit wem, wie lange telefoniert wurde. Die zugehörigen Personenbezüge zu den
technischen Daten ergeben sich über die beim Telekommunikationsdiensteanbieter
gespeicherten Angaben der Anschlussinhaber. Ob diese Angaben zutreffen oder ob
der eingetragene Inhaber tatsächlich den Anschluss genutzt hat, kann letztlich nur
durch einen Zugriff auf die Inhalte der Kommunikation oder die Beobachtung des
Betroffenen verifiziert werden. Dies erlaubt § 100g StPO allerdings nicht, sondern
nur § 100a StPO oder andere Vorschriften. Es kann also nicht direkt aus diesen Da-
ten geschlossen werden, wer mit wem, wie lange telefoniert oder sonst elektronisch
kommuniziert hat. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht allerdings dafür, dass
der eingetragene Inhaber den Anschluss auch genutzt hat. Nach § 100g StPO dür-
fen diese Daten erhoben werden, wenn der Verdacht begründet ist, dass eine Straftat
von erheblicher Bedeutung, insbesondere eine Tat nach § 100a Abs. 2 StPO oder
eine Tat mittels Telekommunikation begangen wurde. Für letztere Fallgrupppe ist
allerdings keine Erhebung der Daten in Echtzeit zulässig. Um die Erhebung von
Daten aus der Vergangenheit zu sichern, sah § 100g StPO vor, dass auf Daten aus
der Vorratsdatenspeicherung zugegriffen werden konnte. Die Diensteanbieter wa-
ren nach § 113a TKG verpflichtet, Verkehrsdaten 6 Monate auf Vorrat zu speichern.
Dieser Teil der Regelung wurde vom BVerfG allerdings für nichtig erklärt.2 § 100g
StPO ist aber nach wie vor auf gespeicherte Daten anwendbar, sofern diese etwa
zu Abrechnungszwecken bei den Diensteanbietern gespeichert wurden. An der Be-
fugnis zur Echtzeitüberwachung hat sich ebenfalls nichts geändert.3 Die weiteren

1
Das Wort „Verkehrsdaten“ ist in § 3 Nr. 30 TKG legal definiert: „Verkehrsdaten sind solche
Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder ge-
nutzt werden.“ Für die vollständige Auflistung der Verkehrsdaten, die der Erhebung nach § 100g
StPO unterliegen, sei auf die 2007 reformierten §§ 113a, 96 TKG und die obige Darstellung im
verfassungsrechtlichen Teil verwiesen.
2
BVerfGE 125, 260.
3
Vgl. Graulich, NVwZ 2008, S. 485; Meyer-Goßner, StPO54 , § 100g Rdn. 2 ff. Verkehrsdaten
können auch durch die Versendung von „Stillen-SMS“ gewonnen werden, diese Maßnahme ist

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 385


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_26, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
386 § 26 Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO

Anforderungen orientieren sich an § 100a StPO. Eine Kernbereichsschutzklausel


enthält § 100g StPO allerdings nicht.

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung?

Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist durch § 100g StPO selbst nicht
berührt, da die Verkehrsdaten als bloß technische Informationen keinen Einblick in
den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ermöglichen. Eine am Ende dieses
Teils der Arbeit zu klärende Frage ist, ob diese Daten als Bestandteil einer Rundu-
müberwachung dennoch die Menschenwürde verletzen können.4

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Ein Kernbereichsschutzkonzept ist für § 100g StPO höchstens im Rahmen einer an


dieser Stelle nicht zu erläuternden Rundumüberwachung notwendig.5

II. Eingriff in das Fernmeldegeheimnis

1. Verkehrsdaten gehören zur Telekommunikation

§ 100g StPO greift in die Rechte des Betroffenen aus Art. 10 GG ein. Dies trifft
auf die Abfrage der Daten sowie auf ihre Speicherung und weitere Verwertung zu.
Auch die nunmehr durch das BVerfG in der bisherigen Form für verfassungswidrig
erklärte Vorratsdatenspeicherung ist ein solcher Eingriff. Auf das subsidiäre Grund-
recht auf Freiheit von Einschüchterung kommt es nicht an. Wie oben dargelegt, sind
auch die sog. Verkehrs- oder Verbindungsdaten der Telekommunikation vom Tele-
kommunikationsgeheimnis umfasst.6

aber durch die Maßnahme der Echtzeitüberwachung obsolet und unzulässig. § 100g Abs. 1 a.
E. StPO ist insoweit abschließende Spezialregelung. Die Vorschrift gestattet eine Echtzeitabfrage
der Verkehrsdaten (insbesondere des Standorts des mobilen Endgeräts) nur für die Verfolgung
der schweren Straftaten gemäß § 100g Abs. 1 Nr. 1 StPO. Das Versenden von Stillen-SMS zu
Verkehrsdatengenerierung ist eine unzulässige Umgehung der Anforderungen dieser Norm. Vgl.
dazu auch Töpel, S. 267.
4
Vgl. § 35.
5
Vgl. § 35 ff.
6
Vgl. § 8.
III. Verfassungswidrigkeit aus im Urteil des BVerfG nicht genannten Gründen 387

2. Teilnichtigkeitserklärung durch das BVerfG

Die Regelung des § 100g StPO wurde durch das BVerfG wegen der teilweisen Un-
verhältnismäßigkeit der Regelung in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung für
teilnichtig erklärt.7 § 100g StPO hielt einer grundrechtlichen Überprüfung eben-
so wenig stand wie die betroffenen Hilfsvorschriften in §§ 113a, b TKG. Verboten
ist dadurch nur die Vorratsdatenspeicherung und deren Verwertung. Das Speichern
von Verkehrsdaten ist, wie das Urteil darstellt, nach wie vor grundsätzlich erlaubt.
Dies betrifft zum Beispiel technische bzw. Abrechnungszwecke der Telekommuni-
kationsdiensteanbieter. Nach Nr. 2 des Urteilstenors vom 2.3.2010 (1 BvR 256/08
u. a. BGBl. I S. 272) gilt nun Folgendes:
㤠100g Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung des Artikel 1 Nummer
11 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer ver-
deckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.
Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3198) verstößt, soweit danach Verkehrsda-
ten nach § 113a des Telekommunikationsgesetzes erhoben werden dürfen, gegen Artikel 10
Absatz 1 des Grundgesetzes und ist insoweit nichtig.“

III. Verfassungswidrigkeit aus im Urteil des BVerfG nicht


genannten Gründen

Eine mögliche Neuregelung der Vorschrift des § 100g StPO wäre nach dem BVerfG
mit geänderten Anforderungen zur Vorratsspeicherung de lege ferenda zulässig.
Fraglich ist dabei, ob die Struktur der Vorschrift ansonsten wie bisher beibehalten
werden könnte.

1. Unbestimmtheit der Anlasstaten

Voraussetzungen des § 100g StPO sind nach dem Gesetzeswortlaut


„bestimmte Tatsachen, die den Verdacht auf Beteiligung an einer entsprechend schwe-
ren Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere einer solchen aus
§ 100a Abs. 2 StPO, begründen.“

Während § 100a StPO noch einen Anlasstatenkatalog benennt, ist dies bei § 100g
StPO nicht der Fall. Die Vorschrift nimmt den Katalog des § 100a StPO nur als Re-
gelbeispiel. Abschließendes Merkmal ist die Straftat von „erheblicher Bedeutung“.
in Bezug auf die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung hat das BVerfG § 100g
Abs. 1 StPO insoweit bereits wegen der Unbestimmtheit für verfassungswidrig und
teilnichtig erklärt:

7
BVerfGE 125, 260.
388 § 26 Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO

„Schon § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO stellt nicht sicher, dass allgemein und auch im
Einzelfall nur schwerwiegende Straftaten Anlass für eine Erhebung der entsprechenden
Daten sein dürfen, sondern lässt – unabhängig von einem abschließenden Katalog – gene-
rell Straftaten von erheblicher Bedeutung genügen. Erst recht bleibt § 100g Abs. 1 Satz 1
Nr. 2, Satz 2 StPO hinter den verfassungsrechtlichen Maßgaben zurück, indem er unabhän-
gig von deren Schwere jede mittels Telekommunikation begangene Straftat nach Maßgabe
einer allgemeinen Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als möglichen
Auslöser einer Datenabfrage ausreichen lässt.“8

Die gleiche Argumentation muss für die Abfrage von Daten gelten, die zu techni-
schen Zwecken oder zur Abrechnung gespeichert oder in Echtzeit erhoben werden.
Dieses Merkmal ist daher – wie auch oben bereits allgemein festgestellt – unbe-
stimmt und kann auch durch Auslegung nicht gefestigt werden.9 Daher ist § 100g
StPO insoweit ebenfalls verfassungswidrig.

2. Verfassungswidrigkeit wegen Komplexität der Verweisungskette


bezüglich der Vorratsdatenspeicherung

Problematisch ist bei § 100g StPO a. F. insbesondere die Verweisung auf §§ 96


Abs. 1 und 113a TKG im Hinblick auf die Normenverständlichkeit. Die Rege-
lung der Erhebung von Verkehrsdaten aus der Vorratsdatenspeicherung erschließt
sich erst aus einer Kette von Verweisungen von § 100g StPO in das TKG und in
§ 100b StPO10 und von dort in die TKÜV. § 100g StPO a. F. und die Vorschrif-
ten des TKG werden durch aufeinander bezogene Bedingungen und Verweise zu
einem hochkomplexen Normengeflecht. Der Gesetzgeber muss nicht den gesam-
ten Regelungsgehalt in einer Norm unterbringen. Unzulässig ist allerdings, dass
der Eingriffsumfang nicht in einer Befugnisnorm geregelt wird, sondern sich nur
indirekt aus der an die Telekommunikationsdiensteanbieter gerichteten Datenspei-
cherpflicht erschließen lässt oder nur in Verordnungen der Bundesregierung gere-
gelt wird. Das Abrufen und Übertragen dieser Daten durch die Ermittlungsbehörden
ist nämlich ein weiterer, die Belastung intensivierender Grundrechtseingriff. Die ei-
gentliche Eingriffstiefe wird so in der StPO verschleiert. Dass § 100g StPO a. F. i. V.
m. §§ 96 Abs. 1, 113a TKG zu einer solchen unklaren Regelung führt und wesent-
liche Umstände erst auf der Verordnungsebene geregelt werden, wird im Folgenden
ausgeführt:
In § 100g StPO geht es nicht um in der StPO enumerativ aufgezählte „Verbin-
dungsdaten“. Diese Aufzählung ist ersetzt durch eine dynamische Verweisung auf
§ 96 Abs. 1, § 113a i. V. m. § 3 Nr. 30 TKG, wobei eine Telekommunikations-
verbindung nicht vorausgesetzt wird. Die Verpflichtung der Telekommunikations-

8
BVerfGE 125, 250, 352.
9
Vgl. § 13, IV.
10
§ 100b StPO ist insoweit bereits für die Regelung der Telekommunikationsüberwachung nach
§ 100a StPO hinsichtlich der Normenklarheit bedenklich, allerdings ist der Zusammenhang durch
leichter zu durchschauen, da §§ 100a und 100b StPO direkt zusammenhängen.
III. Verfassungswidrigkeit aus im Urteil des BVerfG nicht genannten Gründen 389

diensteanbieter, die technischen Maßnahmen für die Ausleitung der Gespräche zu


treffen, richtet sich nach §§ 100g, 100b Abs. 3 StPO i. V. m. §§ 110 ff. TKG i. V.
m. mit §§ 3 bis 25 der TKÜV. §§ 96, 113a StPO regeln zwar bereits die Rech-
te und Pflichten der Datenerhebung und -speicherung durch die Diensteanbieter.
Die eigentliche Übermittlungspflicht und deren Ausgestaltung ergibt sich aber erst
aus der TKÜV. Wichtig für die Pflichten der Diensteanbieter ist insbesondere § 7
TKÜV, der die bereitzustellenden Daten beschreibt. Der Verweis des § 100g Abs. 2
S. 1 StPO auf § 100b Abs. 1 bis 4 StPO ergibt die entsprechende Anwendung der
Vorschrift des § 7 TKÜV, da § 100b Abs. 3 S. 2 StPO in die TKÜV verweist.11
Die Zuordnung der Verkehrsdaten zu Personen erfolgt über die sog. Bestandsda-
ten.12 Diese Daten werden in Dateien gespeichert, die im Falle einer entsprechenden
Anfrage gemäß § 112 TKG automatisch oder manuell nach § 113 TKG über die
Bundesnetzagentur zu den entsprechenden Ermittlungsbehörden überstellt werden.
Diese Bestandsdaten sind keine Verkehrsdaten. Bestandsdaten sind die Informatio-
nen, die ein technisches Datum einer Person zuordnen. Das Verkehrsdatum ist zum
Beispiel die Rufnummer eines den überwachten Anschluss anrufenden Telefons.
Das Bestandsdatum enthält die Verwaltungszuordnung einer konkreten Person oder
Stelle zu dem Verkehrsdatum.

Beispiel 56 Der TK-Diensteanbieter „eplus“ ordnet der Rufnummer 01785831106


den Namen „Thomas Bode“ und die Adresse „Große Scharrnstr. 59, 15230 Frank-
furt (Oder)“ als Bestandsdatum zu.

Bestandsdaten sind in § 3 Nr. 3 TKG und § 5 TDDSG13 definiert. In letzte-


rer Norm wird dem Telekommunikationsdiensteanbieter die datenschutzrechtliche
Erlaubnis gewährt, nach den für die Strafverfolgung geltenden Bestimmungen Aus-
kunft an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für Zwecke der Strafverfolgung zu
erteilen. Eine Verpflichtung diese Auskunft zu erbringen, ergibt sich daraus noch
nicht. Diese Pflicht muss vielmehr auf §§ 161, 163 StPO i. V. m. § 113 Abs. 1
TKG gestützt werden.14 Bestandsdaten werden also nicht nach § 100g StPO abge-
fragt. Die Abfrage muss auch nicht etwa analog die im Vergleich zur Generalklausel
der §§ 161, 163 StPO verschärften Anforderungen erfüllen. Ob die Generalklausel
überhaupt eine bestimmte und verhältnismäßige Regelung für den Eingriff in das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ist, wird noch zu prüfen sein.15

11
Aus der komplizierten Abstimmung zwischen § 100g StPO und § 7 TKÜV ergibt sich ein weite-
res Spezialproblem. § 100g erlaubt das Erheben von Standortdaten in Echtzeit im Falle des § 100g
Abs. 1 Nr. 1 a. E. im Gegenschluss. In der Vorgängerregelung des § 100g StPO a. F. war die Date-
nerhebung zudem generell nur im Falle einer Verbindung zulässig, also nicht im Standby-Betrieb.
BTDrucks 14/1448: „rechtlich unbedenklich“, vgl. auch Töpel, S. 31 und Eisenberg/Singelnstein,
NStZ 2005.
12
Vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 100g Rdn. 5.
13
Gesetz über den Datenschutz bei Telediensten, Kurztitel: Teledienstedatenschutzgesetz.
14
BTDrucks 16/6979; S. 70; Urteil des LG Offenburg vom 17.04.2008, Az.: 3 Qs 83/07.
15
Vgl. zur Generalklausel § 34.
390 § 26 Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO

3. Zusammenfassung

Ein reformierter § 100g StPO muss die Begrenzung des Zugriffs auf Vorratsda-
ten aus zwingenden Gründen der Normenklarheit selbst enthalten oder wenigstens
klarstellen, dass die in Bezug genommene Regelung des TKG die Vorratsdaten-
speicherung regelt. Die Regelung der Umstände der Übertragungspflicht darf nicht
auf den Verordnungsgeber delegiert werden, sondern muss sich bereits aus einem
Parlamentsgesetz ergeben.

IV. Pflicht zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung

In der politischen Diskussion geht es um die Frage, ob die Vorratsdatenspeicherung


wieder eingeführt werden soll. Rechtlich ist entscheidend, ob die Vorratsdatenspei-
cherung durch den Gesetzgeber wieder eingeführt werden muss. Dies ist eine Frage
des Europarechts, da die gesetzlichen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung,
§ 100g StPO und §§ 112a, 113a TKG, eine EU-Richtlinie umsetzten.

1. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Die Regelung der Vorratsdatenspeicherung ging zurück auf die Richtlinie


2006/24/EG.16 Diese hoch umstrittene Richtlinie17 verpflichtet die Staaten der
EU, Gesetze zu erlassen, die Telekommunikationsdiensteanbieter dazu zwingen,
Verkehrsdaten der Telekommunikation (keine Inhaltsdaten) zu speichern. Dies soll
zu Zwecken der Strafverfolgung für mindestens 6 Monate, höchstens aber 2 Jahre
„auf Vorrat“ erfolgen. Die Mitgliedstaaten müssen dabei sicherstellen, dass die in
der Richtlinie genannten Daten gemäß den dortigen Bestimmungen so gespeichert
werden, dass sie und alle sonstigen damit zusammenhängenden erforderlichen
Informationen unverzüglich an die zuständigen Behörden auf deren Anfrage hin
weitergeleitet werden können. Art. 1 der Richtlinie lautet:
„(1) Mit dieser Richtlinie sollen die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Pflichten von
Anbietern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder Betreibern
eines öffentlichen Kommunikationsnetzes im Zusammenhang mit der Vorratsspeicherung
bestimmter Daten, die von ihnen erzeugt oder verarbeitet werden, harmonisiert werden,
um sicherzustellen, dass die Daten zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfol-
gung von schweren Straftaten, wie sie von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht
bestimmt werden, zur Verfügung stehen. (2) Diese Richtlinie gilt für Verkehrs- und Stand-

16
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspei-
cherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommu-
nikationsdienste erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG
(Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie oder Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung).
17
Vgl. Kindt, MMR 2009, S. 661 ff. m. w. N.
IV. Pflicht zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung 391

ortdaten sowohl von juristischen als auch von natürlichen Personen sowie für alle damit in
Zusammenhang stehenden Daten, die zur Feststellung des Teilnehmers oder registrierten
Benutzers erforderlich sind. Sie gilt nicht für den Inhalt elektronischer Nachrichtenüber-
mittlungen einschließlich solcher Informationen, die mit Hilfe eines elektronischen Kom-
munikationsnetzes abgerufen werden.“

Die oben dargestellten Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung und Verkehrs-


datenerhebung setzen diese Richtlinie um.
Bereits die Gesetzgebungspläne auf EU-Ebene und die ersten Umsetzungsson-
dierungen, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen, „lös[t]en Em-
pörung aus“.18 Es könne nicht sein, „dass wir zig Millionen Deutsche ein Jahr
unter Generalverdacht stellen“, empörte sich ein Landesjustizminister.19 Durch die
Umsetzung der Richtlinie brach dann in Deutschland „ein Sturm der Entrüstung“
gegen das „Schnüffelgesetz“20 los. Gegen die Gesetze, welche die Richtlinie um-
setzten, wurde die „größten Verfassungsbeschwerde aller Zeiten“21 eingelegt. Der
Verfassungskonflikt war „vorprogrammiert“.22

a) Urteil des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung und § 100g StPO

Bei aller Komplexität des verfassungsgerichtlichen Urteils mit zwei abweichenden


Minderheitenvoten sind die Kernpunkte des Streits leicht dargelegt:
1. Hatte der supranationale Richtliniengeber überhaupt die Kompetenz, eine Richt-
linie zur strafprozessualen Vorratsdatenspeicherung zu erlassen?
2. Wenn er die Kompetenz hatte, hat er dabei in ausreichendem Maße die (euro-
päischen bzw. deutschen) Grundrechte beachtet?
3. Darf das BVerfG überprüfen, ob der europäische Gesetzgeber die Richtlinien-
kompetenz hatte?
4. Darf das BVerfG überprüfen, ob der europäische Gesetzgeber die Grundrechte
des Grundgesetzes ausreichend beachtet hat?
5. Hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie seinen Um-
setzungsspielraum verfassungskonform genutzt oder die Grundrechte des GG
insoweit nicht ausreichend berücksichtigt?
Der Inhalt des Urteils lautet nach H.A. Wolff kurz gefasst:
„Dem Gesetzgeber sei eine verfassungskonforme Umsetzung der europarechtlichen Vor-
ratsdatenspeicherungsrichtlinie grundsätzlich möglich, im konkreten Fall aber nicht gelun-
gen, wobei nicht der Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 I GG durch die Vorratsda-
tenspeicherung zu beanstanden sei, sondern vielmehr nur die ,verfahrensrechtliche‘ Ab-
sicherung. Die Folge dieser Auffassung ist, dass es dem BVerfG möglich ist, das Gesetz

18
heise online, 14.03.2005.
19
heise online, 14.03.2005.
20
Süddeutsche Zeitung, 20.12.2007.
21
„Vorratsdatenspeicherung – Die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten“, WeltOnline,
15.12.2009; stattgegeben am 11.03.2010 durch BVerfGE 125, 260.
22
Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2007, S. 9 ff.
392 § 26 Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO

aufzuheben, die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Grundrechtsschutzes zu stärken,


es aber die Frage der Vereinbarkeit der europäischen Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie
mit europäischen Grundrechten dem EuGH nicht vorlegen muss.“23
In der Hauptsache hat das Gericht auf eine Verletzung des Grundrechts aus
Art. 10 GG erkannt.24 Die Richtlinie selbst hat das BVerfG im Einklang mit sei-
ner ständigen Rechtsprechung25 nicht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
überprüft. Das BVerfG behielt sich vor, im Falle, dass ein gegen diese Richtli-
nie anhängiges Verfahren vor dem EuGH erfolgreich sein würde, sämtliche auf
der Richtlinie beruhenden Gesetzesänderungen vollumfänglich zu überprüfen. Der
EuGH gab der Klage aber nicht statt.
Das Spannungsverhältnis zwischen EU-Recht und Verfassungsrecht bleibt un-
gelöst. Für die Vorratsdatenspeicherung und § 100g StPO bedeutet dies, dass der
europarechtliche Einfluss auf die Regelungsmaterie durch das BVerfG fast nicht
begrenzt wird, solange sich der europäische Gesetzgeber an ein grundrechtliches
Minimum hält.
Daher kann es zu der Gefahr kommen, dass die Gewaltenteilung und das De-
mokratieprinzip bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie verletzt werden. Der
Gesetzgeber könnte aus seiner verfassungsmäßigen Position verdrängt werden und
die EU und das BVerfG wären „Ersatzgesetzgeber“.26

b) Verlorene Klage Irlands gegen die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie

Die Republik Irland hatte vor dem EuGH gegen die Richtlinie 2006/24/EG ge-
klagt, die auch der reformierten deutschen Regelung der Vorratsdatenspeicherung
in §§ 113a, 113b TKG zugrunde liegt. Auf dieser Regelung baut wiederum der
nunmehr teilnichtige § 100g StPO auf, soweit es um die Erhebung von Verkehrs-
daten aus der Vergangenheit geht. Irland monierte, die Richtlinie regele die Straf-
verfolgung und diese gehöre in die Kompetenz der Nationalstaaten, die sich im
Ministerrat der EU in einem entsprechenden Rahmenbeschluss einigen könnten.
Die EU-Kommission hatte dagegen den Weg über eine Richtlinie eingeschlagen und
die Vorratsdatenspeicherung somit als Instrument zur Binnenmarktharmonisierung
ausgegeben. Im Gesetzgebungsverfahren hatte daher auch das Europaparlament

23
Wolff , NVwZ 2010, S. 751.
24
BVerfGE 125, 260.
25
Das BVerfG hat in den Solange-I (BVerfGE 37, 271 ff.) Solange-II (BVerfGE 73, 339 ff.) wie
folgt entschieden: „Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung in
Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, sind von
vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwick-
lung einschließlich der Rechtsprechung des EuGH nach Ergehen der Solange-II-Entscheidung
unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei“, BVerfG, Az. 2 BvL 1/97; BVerf-
GE 102, 147. Im Anschluss an diese Begründungen erklärte sich auch das BVerfG nur für insoweit
kompetent innerhalb des Umsetzungsspielraums der Richtlinie deren Umsetzung (§ 113a TKG)
auf Grundrechtsverletzungen zu prüfen, BVerfGE 125, 260, 307 f.
26
Zu dieser Gefahr jedenfalls für die Rolle des BVerfG vgl. Wolff , NVwZ 2010, S. 751 f., von
dem der Begriff übernommen wurde.
IV. Pflicht zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung 393

entscheidenden Einfluss, was insbesondere Irland von Beginn an missbilligte. Es


handle sich um eine
„wichtige rechtliche Frage, die [einstimmig im Ministerrat und nicht im EU-Parlament]
geklärt werden muss“.27
Irland verlor den Prozess.
„Die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten ist auf eine geeignete Rechtsgrund-
lage gestützt. Die Richtlinie wurde zu Recht auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassen,
da sie in überwiegendem Maße das Funktionieren des Binnenmarkts betrifft.“28
Der EuGH fügte hinzu, dass er damit nicht die Frage einer Grundrechtsbetroffenheit
präkludieren wolle. Der Gerichtshof stellt zunächst klar, dass sich die von Irland er-
hobene Klage allein auf die Wahl der Rechtsgrundlage bezieht und nicht auf eine
eventuelle Verletzung der Grundrechte als Folge von mit der Richtlinie verbunde-
nen Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre.29 Damit wäre sowohl eine erneute
Überprüfung vor dem EuGH bezüglich möglicher Grundrechtsverstöße über Art. 6
Abs. 2, 3 EUV (Lissabon) zulässig als auch unabhängig davon eine Prüfung des
BVerfG auf Grundrechtsverstöße durch die Umsetzung der Richtlinie im durch die
oben genannten Grundsatzentscheidungen gesetzten eingeschränkten Rahmen.
Die Kompetenzmäßigkeit ist damit faktisch endgültig entschieden. Die Richtli-
nie ist nach bindender Auffassung des EuGH kompetenzmäßig erlassen worden.30

2. Lösungsvorschlag für die Vorratsdatenspeicherung


und die Datenabfrage

Oben31 wurde bereits angedeutet, dass die Gestaltungsspielräume des nationalen


Gesetzgebers durch detaillierte Vorschriften der EU im Bereich des Verfahrens-

27
heise online 2006. Dazu auch Wiesehahn, S. 133 ff.
28
Pressemitteilung Nr. 11/09 10. Februar 2009 Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache
C-301/0, vgl. auch Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 10. Februar 2009 – Ir-
land/Europäisches Parlament, Rat der Europäischen Union, Rechtssache C-301/06 Abs. 84 ff.
29
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 10. Februar 2009 – Irland/Europäisches Parla-
ment, Rat der Europäischen Union, Rechtssache C-301/06.
30
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Frage nach der Richtlinienkompetenz aber durchaus rele-
vant, da sich Fälle einer kompetenzwidrigen Richtlinie, die unzulässig auf das Strafprozessrecht
übergreift, auch in Zukunft wiederholen können. Nach hier vertretener Auffassung ist die Richt-
linie entgegen der Ansicht des EuGH kompetenzwidrig erlassen worden: 1. Die Gründung auf
die Marktharmonisierungskompetenz ist vorgeschoben. Es besteht keine Notwendigkeit für eine
Angleichung der Regelungen, da Telekommunikationsunternehmen keine Waren- oder Dienstleis-
tungen exportieren. Wollen sie im Ausland Dienste anbieten, müssen sie dort Infrastruktur schaffen
oder mieten. Es ist nicht einzusehen, warum sie dort die Regeln des Heimatlandes vorfinden kön-
nen sollen. In Deutschland gilt auch kein spanisches Baurecht. 2. Selbst wenn die Argumentation
des EuGH zutrifft, geht die Richtlinie zu weit. Sie gibt als Verwendungszweck die Vorratsdaten-
speicherung zu strafprozessualen Zwecken an. Diesen Zweck durfte die EU aber jedenfalls nicht
im Mitentscheidungsverfahren verfolgen.
31
Vgl. § 26, IV, 1, a).
394 § 26 Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO

rechts eingeengt werden können. Dies ist allerdings für das Prinzip der Gewaltentei-
lung und auch für das Demokratieprinzip problematisch. Insbesondere ist das dann
der Fall, wenn das BVerfG quasi von der anderen Seite den Umsetzungsspielraum
durch Restriktionen beschränkt. Die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie zwingt aber
keineswegs dazu, strafprozessuale Regelungen zu schaffen, welche die Vorratsda-
tenspeicherung auch ausnutzten. Denn wenn man die Richtlinie ernst nimmt, soll
sie zur Harmonisierung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdiensteanbieter
unter Beachtung des Datenschutzes dienen.
Diese Ziele werden auch verwirklicht, wenn Daten erhoben und gespeichert,
jedoch nicht von Strafverfolgungsbehörden abgerufen werden. Argumentiert man
dagegen, dass bei tatsächlicher Nutzung der Vorratsdaten durch die Ermittlungsbe-
hörden ein größerer Aufwand bei den betroffenen Diensteanbietern im Inland als
in anderen Staaten entsteht, in denen keine Vorratsdaten abgerufen werden, ist dies
nicht überzeugend. Die Richtlinie selbst soll nur die Vorratsdatenspeicherung und
nicht die weitere Verwendung der Daten regeln.
Abgesehen davon kann zur Harmonisierung der wirtschaftlichen Bedingungen
der Telekommunikationsdiensteanbieter monatlich ein bestimmter Referenzsatz un-
sinniger Datenabrufe getätigt werden. Diese Daten würden nicht zu den Strafverfol-
gungsbehörden weitergeleitet, sondern müssten vernichtet werden. Die wirtschaft-
liche Gleichbehandlung wäre gesichert. Es ist zu erwarten, dass diese etwas gewagt
erscheinende Argumentation als „absurd“ zurückgewiesen wird. Dem ist zu entgeg-
nen, dass diese Argumentation schlicht den EU-Gesetzgeber ernst nimmt. Handelt
es sich tatsächlich – wie in der Richtlinie behauptet – um eine Harmonisierungs-
kompetenz in wirtschaftlichen Binnenmarktangelegenheiten und eine Modernisie-
rung der Datenschutzrichtlinie, besteht keine Pflicht, strafprozessuale Befugnisse
auf nationaler Ebene zur regeln.

V. Zwischenergebnis

Der deutsche Gesetzgeber muss wieder eine Vorratsdatenspeicherung zu strafpro-


zessualen Zwecken einführen. Jedoch ist er in keiner Weise gezwungen, Vorschrif-
ten zu erlassen, nach denen Strafverfolgungsbehörden Vorratsdaten abrufen dür-
fen oder gar müssen. Dem Gesetzgeber steht es also frei, der strafprozessualen
Vorratsdatenspeicherung ein „kaltes Ende“ zu bereiten. Die Daten müssen zwar
gesammelt, dürften aber nicht genutzt werden. Bei einer möglichen Neuregelung
unter Einbeziehung einer möglichen verfassungsmäßigen Vorratsdatenspeicherung
ist darüber hinaus auf die Bestimmtheit der Anlasstaten und darauf zu achten, dass
die bisherige Komplexität der Vorschriftensystems verringert wird.
§ 27 Einsatz technischer Observationsmittel
gemäß § 100h StPO

Nach § 100h StPO dürfen Observationen mit technischen Mitteln durchgeführt wer-
den. Eindeutig erfasst ist von der Vorschrift das Anfertigen von Bildaufnahmen.
Daneben ist auch die sonstige Observation mit technischen Mitteln geregelt. Gera-
de der letztgenannte Teil macht die Norm zu einer Generalklausel für technische
verdeckte Ermittlungsmaßnahmen. Eine Grenze erfährt der Regelungsbereich nur
durch die speziellen Standardmaßnahmen (§§ 98a, 99, 100a ff. StPO) die insoweit
verdrängend wirken.

I. Bildaufnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO

1. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

a) Möglichkeit der Beobachtung kernbereichsrelevanten Verhaltens

Durch Bildaufnahmen kann in den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung


eingegriffen werden. Allerdings ist außerhalb der Wohnung und ohne eine Tonauf-
zeichnung die Gefahr der Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensge-
staltung allein durch kurzfristige Bildaufnahmen wesentlich geringer als innerhalb
von Wohnungen oder mit Tonaufzeichnung. Durch die Ausklammerung der Auf-
nahmen in der Wohnung und die Beobachtung für einen kurzen Zeitraum1 ist die
Gefahr eines Eingriffs in den Kernbereich im Vergleich zu umfangreicheren Maß-
nahmen verringert. Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung lässt nur selten
Rückschlüsse auf die konkrete Straftat zu, da er gerade in den Fällen, in denen
Äußerungen konkrete Straftaten betreffen, ausgeschlossen ist.2 Steht das Verhalten
in direktem Zusammenhang mit der Tat, gehört es nicht zum Kernbereich. Steht

1
Die zeitliche Begrenzung ergibt sich mittels systematischer Auslegung im Vergleich zu § 163f
StPO.
2
Vgl. § 8.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 395


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_27, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
396 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

es – wie in der Mehrzahl der zu erwartenden Fälle – in keinem Zusammenhang zur


Tat, ist es kriminalistisch nicht verwertbar. In letzterem Fall ist es schon daher nach
§ 101 Abs. 8 StPO zu löschen. Allerdings bleiben Ausnahmekonstellationen übrig,
bei denen kernbereichsrelevantes Bildmaterial erhoben werden kann, das auch für
die Ermittlungsmaßnahmen von Bedeutung ist:

Beispiel 57 Der Ehemann der Y ist getötet worden. In diesem Fall kann ein Liebes-
verhältnis zwischen dem Fremden X und Y ein Motiv des X bestätigen. Ein Foto
des Betroffenen X, wie er Zärtlichkeiten mit seiner Geliebten Y an einem einsamen
Ort in der Natur austauscht, wäre ein belastendes Indiz und zugleich ein Eingriff in
den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung.

Die Gefahr, insoweit kriminalistisch relevantes Verhalten aufzunehmen, das in


den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung fällt, ist daher nicht ausge-
schlossen.

b) Kernbereichsschutzkonzept?

Das Restrisiko, durch die Maßnahme nach § 100 h Abs. 1 Nr. 1 StPO in den Kern-
bereich der privaten Lebensgestaltung einzudringen, kann durch die zweistufige
Schutzkonzeption des BVerfG weiter begrenzt werden. Dies kann ohne Behinde-
rung der Effektivität der Ermittlungsmaßnahmen geschehen. Ein Aufnahmeverbot
im Vorfeld sowie eine nachträgliche Löschungspflicht und ein Beweisverwertungs-
verbot würden den Schutz komplettieren. Die Gefahr, kernbereichsrelevante In-
formationen zu erheben und zu verwerten, ist zwar geringer als bei Maßnahmen
nach § 100c StPO. Für den Vergleich zu anderen Maßnahmen sind Unterschie-
de in der Kernbereichsbetroffenheit aber eher zufällig als berechenbar. Außerdem
können mehrere der Maßnahmen kombiniert werden, so dass die Gefahr einer Kern-
bereichsbetroffenheit durch Kumulation der Überwachungsarten steigt.3

aa) Schutz durch Vermeidung

Der Kernbereichsschutz könnte in der Praxis wie folgt realisiert werden:

Beispiel 58 Wegen einer konkreten Äußerung wird die Prognose gestellt, dass das
erwartete Verhalten im Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung liegt. Des-
wegen wird davon abgesehen, das Verhalten zu filmen oder zu fotografieren. Im
Nachhinein stellt sich jedoch heraus, dass der Betroffene mit seinen Bezugsper-
sonen einen Sprach-Code vereinbart hat, nach dem kernbereichsrelevante Wörter
lediglich bestimmte Umstände des Drogenhandels verklausulieren.

3
Vgl. zur Belastungserhöhung durch mehrere Maßnahmen, Kirchhof , S. 732 ff. und ausführlich
§ 35.
I. Bildaufnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO 397

In solchen Fällen könnte zunächst die mildere Form der Überwachung ohne je-
des technische Mittel gewählt werden, um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich
um kernbereichsrelevantes Verhalten handelt. Bestätigt sich dies für den Anfang des
Verhaltens, ist auch diese Überwachung mit „unbewaffnetem“ Auge abzubrechen.
Bestätigt sich das nicht, können die Bildaufnahmen fortgesetzt werden. Für die-
se abgestufte Vorgehensweise fehlt aber gerade eine Regelung. Die Regelung des
§ 100 h Abs. 1 Nr. 1 StPO ist daher verfassungswidrig.

bb) Löschungspflicht und Verwertungsverbot

Auch eine Löschungspflicht und ein Verwertungsverbot würden Ermittlungsmaß-


nahmen nicht unangemessen behindern. Eine Verwertung kernbereichsrelevanter
Daten ist ohnehin verfassungswidrig und kann daher in keiner Hinsicht zulässig
sein. Auf diesen Schutz kann auch nicht mit dem Argument verzichtet werden, dass
solche Daten selten erhoben würden. Nur weil Personen durch solche Maßnahmen
weniger häufig betroffen sind, sind deren geschützte Rechte nicht weniger Wert
als die Rechte von Personen, die von statistisch häufigeren Überwachungsmetho-
den betroffen sind. Dieser Kernbereichsschutz kann auch nicht der Regelung durch
die Dogmatik der ungeschrieben Beweisverwertungsverbote überlassen werden, da
diese Fragen weitgehend ungeklärt sind.4
Der Gesetzgeber hat punktuelle Beweisverwertungsregelungen für die verdeck-
ten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen getroffen und dies auch begründet.
In der Gesetzesbegründung wird dem Thema nur für den geregelten Spezialfall
der Kernbereichsverletzung Aufmerksamkeit gewidmet.5 Das allgemeine Problem
der Beweisverwertung ist seit langem eine intensiv diskutierte Rechtsfrage.6 Dass
der Gesetzgeber hier planwidrig keine Regelung getroffen hat, kann also nicht un-
terstellt werden. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber bewusst der Verantwortung
entzogen. Die sonst oft übliche Formulierung, das Problem „der Rechtsprechung
und Rechtswissenschaft“ zu überlassen, findet sich nicht.
Der Gesetzgeber wollte also keine weitere Regelung treffen. Der Bereich wur-
de bisher aber nicht durch gefestigte Lehren in Rechtsprechung und Schrifttum
gesichert, sondern gehört im Gegenteil zum „[. . . ] umstrittensten Bereich“ der straf-

4
So aber speziell für verdeckte strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen Beulke, Rdn. 472 ff.
Danach wäre zu ermitteln, ob die Verwertung etwa auf Grundlage der Abwägungslehre oder der
anderen vertretenen Ansätzen verwertbar wäre, Meyer-Goßner, StPO54 , Einl. Rdn. 55a m. w. N.
Zu den hier gegenständlichen Bildaufnahmen schreibt Beulke, Rdn. 474: „Sofern die sehr weiten
Eingriffsvoraussetzungen nicht gegeben sind, greift insoweit ein Verwertungsverbot ein. [. . . ] ent-
hält die StPO keine Regelung, dh. es gelten die allgemeinen Grundsätze. Insbes. kommt es dann
also auf eine Abwägung zwischen Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre einerseits und den
Strafverfolgungsinteressen andererseits an.“
5
BTDrucks 16/5846, S. 24.
6
Meyer-Goßner, StPO54 , Einl Rdn. 55a: „Auf allgemein verbindliche Regeln, unter welchen Vor-
aussetzungen ein solches Verbot besteht, haben sich Rspr. und Lehre bisher noch nicht einigen
können.“; Vgl. auch zu verdeckten Maßnahmen speziell Jäger, Beweisverwertung und Beweis-
verwertungsverbote im Strafprozess, S. 131 f.
398 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

prozessualen Probleme, der „von einer Klärung weit entfernt“ ist. Eine allgemeine
Regel konnte nicht entwickelt werden.7 Aus diesen Gründen ist ein Verzicht auf
Kernbereichsschutzklauseln verfassungsrechtlich ebenso unzulässig wie die unvoll-
ständige Regelung der Erforderlichkeit. § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO ist damit verfas-
sungswidrig.

2. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

Die Maßnahmen nach § 100h StPO greifen in das Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung ein, da sich Menschen auch außerhalb von Wohnungen, Telekom-
munikation und Gesprächen unter Anwesenden so verhalten, dass sie dabei nicht
beobachtet werden wollen und auch begründeten Anlass haben, dass natürliche Si-
cherungen sie davor schützen.

3. Rechtfertigung des Eingriffs

Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn die Regelungen des § 100h StPO bestimmt sind
und darüber hinaus nur verhältnismäßige Maßnahmen gestatten.

a) Bestimmtheit

Bildaufnahmen sind nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO für jede Anlasstat und in allen
Lebenssituationen des Betroffenen gerechtfertigt. Diese Regelung ist eindeutig und
bestimmt.

7
Beulke, Rdn. 457, vgl. zu den Ansätzen auch Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungs-
verbote im Strafprozess, S. 131 ff. Daher liegt nahe, dass der Gesetzgeber die Beweisverwer-
tungsfrage trotz seines Schweigens offen lassen wollte. Ausdrücklich geregelt hat er sie jedenfalls
nicht. Bei Fehlen einer dem Gesetzgeber unbewussten Lücke ist auch keine Analogie zulässig.
Wenn keine subsidiären gesetzlichen Regelungen bestehen, dürfen nach dem hier vorausgesetzten
Methodenverständnis Gerichte und Rechtswissenschaftler nicht ihre eigenen „sachgerechteren“
subsidiären oder speziellen Regeln schaffen. Dies gilt jedenfalls für die vom Gesetzgeber teilweise
geregelte Unverwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Kernbereich. Deren Fehlen bei einzelnen
Vorschriften der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen ist daher verfassungswid-
rig.
I. Bildaufnahmen nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO 399

b) Verhältnismäßigkeit

aa) Geeignetheit

Bildaufnahmen sind geeignet zur Strafverfolgung beizutragen, da sie Beweise für


das Verfahren liefern können und zudem durch die Vergrößerungsfunktion von Ka-
meraobjektiven Details sichtbar machen können, die mit bloßem Auge nicht zu
erkennen sind.

bb) Erforderlichkeit

Nach dem oben vorgestellten Grundmodell8 ist eine Subsidiaritätsklausel ein ge-
eignetes Tatbestandsmerkmal, um die Anforderungen verfassungsrechtlicher Er-
forderlichkeit einfachgesetzlich umzusetzen. In § 100h ist aber insoweit nur die
Einschränkung enthalten, dass sich die Maßnahme in der Regel gegen Beschuldigte
richten muss und nur subsidiär gegen Nichtbeschuldigte. Dass die Maßnahme als
solche nur dann angewendet werden darf, wenn entsprechende offene Maßnahmen
erheblich weniger effektiv wären, ist nicht im Gesetz festgehalten. Ob der Verzicht
auf eine solche Regelung der Subsidiarität der Maßnahme bei der Überwachung des
Beschuldigten gegen die Anforderungen der Erforderlichkeit verstößt, ist unklar.
Nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO können von jedem Beschuldigten Bildaufnah-
men hergestellt werden. Da sich gegen den Beschuldigten bereits ein konkretisierter
Verdacht ergeben muss, könnte das Minus an Subsidiarität durch ein Plus an Ver-
dachtswahrscheinlichkeit aufgewogen werden. Ein Erfahrungssatz, nach dem es
stets erforderlich ist, einen Beschuldigten zu fotografieren oder zu filmen, lässt sich
nicht finden. Diese Art der Überwachung ist nicht in jedem Fall eine unerhebliche
Belastung. Insbesondere wenn privates Verhalten abgebildet wird, ist sogar eine Be-
troffenheit des Kernbereichs möglich. Auch hier hätte eine Erforderlichkeitsklausel
die Erforderlichkeit regeln müssen. Die Abstufung zwischen Beschuldigtem und
Nichtbeschuldigtem ist nicht ausreichend. Die Regelung ist daher mangels Subsi-
diaritätsklausel unverhältnismäßig und verfassungswidrig.9

cc) Angemessenheit

Bei unterstellter Erforderlichkeit bestehen hinsichtlich der Angemessenheit Beden-


ken. Die heimlich Bildaufnahme darf bei jeder Straftat stattfinden. Das wird dem
Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung nicht gerecht. Insoweit

8
Vgl. § 11, I.
9
Die Geltung einer Lückenfüllenden Verhältnismäßigkeitsklausel in der StPO wurde oben abge-
lehnt, vgl. § 20, III, 5.
400 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

müsste eine Bagatellgrenze eingeführt werden, die aber weit unterhalb der Schwere
der Anlasstaten – etwa bei § 100a StPO – liegen können.10

II. Einsatz sonstiger technischer Mittel


nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO

Die Regelung des § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO stellt eine subsidiäre Generalklausel für
die Observation mit anderen technischen Mitteln als Bildaufnahmen dar. Sie deckt
aber nicht den gesamten Bereich der unspezifischen verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen ab, da verdecktes Vorgehen und Überwachen auch durch
Maßnahmen der direkten Sinneswahrnehmung möglich sind. Anerkannte Fallgrup-
pen der technischen Überwachungsmittel sind: Alarmkoffer, Bewegungsmelder,
Nachtsichtgeräte, Peilsender, GPS-Systeme.11

1. Trojaner-Installation im Anwendungsbereich?

Nach dem Wortlaut der Norm lässt sich auch die Überwachung von Computern
mittels Trojanern unter diese Vorschrift subsumieren, die keine Bild und Tonaufnah-
men anfertigen, sondern die zugehörigen Daten kopieren und an die Ermittlungs-
behörden senden. Dabei geht es in erster Linie um die Überwachung von Daten,
die sich erst nach ihrer Erhebung wieder zu Bild- und Toninformationen zusam-
mensetzen lassen. Nutzt der Trojaner die werksseitig eingebaute Kamera oder das
Mikrofon des Computers, wird man allerdings von einer kombinierten Maßnahme
nach § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO und § 100f StPO ausgehen müssen. Unabhängig von
der Übermittlungsform der Daten gilt § 100f StPO auch, soweit es sich um Tonauf-
nahmen der Spracheingabe durch den Betroffenen handelt. Da § 100f StPO auch in
diesem Fall nicht die Installation des Trojaners selbst umfasst, dient insoweit § 100h
Abs. 1 Nr. 2 StPO als Auffangregelung.

a) Ablehnende Ansicht der h. M.

Die h. M. lehnt die Subsumtion der Trojaner-Installation unter § 100h ab.12 Der
BGH begründet dies damit, dass die Vorschrift nur Überwachungen außerhalb von
Wohnungen regele.

10
Auch eine Heranziehung des § 100h StPO im Ordnungswidrigkeitenrecht (Tempo- und Ab-
standskontrollen per Video) ist de lege lata nicht gesetzlich angeordnet und daher unzulässig, vgl.
so schon Wilcken, NZV 2011, S. 67 ff.
11
Meyer-Goßner, StPO54 , § 100h Rdn. 2; Nack in: KK 6 , Rdn. 2; Hilger, NStZ 1992, S. 461;
Bernsmann, StV 2001, S. 382.
12
BGHSt 51, 211, 218; Cornelius, JZ 2007, S. 798; Meyer-Goßner, StPO54 , § 100h Rdn. 2.
II. Einsatz sonstiger technischer Mittel nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO 401

b) Eigene Ansicht

Dem ist nicht zuzustimmen. Entgegen § 100f StPO ist in § 100h keine Formulierung
enthalten, die nur eine Anwendung der technischen Mittel außerhalb von Wohnun-
gen zulässt. Wenn der BGH § 100c StPO als lex specialis für jede Überwachung
in Wohnungen annimmt, ist dem nach verfassungskonformer Auslegung zuzustim-
men. Dies gilt aber nur für die Nutzung eines Computers in Wohnungen und daher
auch nur für eine entsprechende Überwachung mittels Trojaner. Computer werden
nicht nur in Wohnräumen verwendet. In dem im Eingangsbeispiel geschilderten
Fall handelte es sich bei dem Betroffenen um einen Geschäftsreisenden, der sei-
nen Laptop eventuell auf der Reise vorwiegend in Cafés oder anderen öffentlich
zugänglichen Räumen nutzte. § 100c StPO hätte insoweit keine verdrängende Wir-
kung.
Auch mit dem Argument subjektiv-historischer Auslegung lässt sich kein ande-
res Ergebnis erzielen, da § 100h Abs. 1 StPO für technische Neuerungen offen sein
soll. Zudem wäre das eine verfassungskonforme Reduktion, die aus oben dargeleg-
ten Erwägungen grundsätzlich abzulehnen ist.13 Ebenfalls ein technisches Mittel ist
ein Computer mit einer Internetverbindung. Daher kann auch die Ausforschung des
öffentlich zugänglichen Internets unter § 100h StPO subsumiert werden (hier sog.
„virtuelle Streife“). Für die Bestimmung zur Observation ist der Wille der Ermitt-
lungsbehörden entscheidend. Ein Teleskop ist vom Hersteller zur Sternbeobachtung
bestimmt. Wenn die Ermittlungsbehörden das Teleskop zur Observation von Perso-
nen verwenden, ist es dazu auch bestimmt. Der Anwendungsbereich ist aber nicht
zu überdehnen. So gehören nicht alle Bedingungen, die Überwachung mittelbar er-
möglichen, zu den technischen Mitteln, die für Observationszwecke bestimmt sein.
Wenn die Ermittler aus einem Auto heraus den Betroffenen filmen, ist das Auto
zum Fahren und nicht zum Überwachen bestimmt.

2. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung kann nur beurteilt werden, wenn ihr Rege-
lungsbereich zunächst definiert wird. Dafür kommt es auf den Umfang der erlaubten
Maßnahmen an.

a) Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Ähnlich wie bei § 98a und § 100g StPO sind die technischen Mittel, die keine
Bild und Tonaufnahmen anfertigen, wenig geeignet, den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung anzutasten. Lediglich in Kombination mit anderen Maßnahmen

13
Vgl. § 6, IV, 4.
402 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

können sie zur Rundumüberwachung beitragen. Unter welchen Umständen ein sol-
cher Kombinationsbeitrag in Betracht kommt, ist aber eine Frage, die gesondert
für die Kombination aller Maßnahmen zu diskutieren ist.14 Die Installation und
Nutzung von Trojanern kann jedoch bereits allein nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO
Informationen zu Tage bringen, die kernbereichsrelevant sind:

Beispiel 59 Mittels Trojanersoftware wird der Speicher des Computers des X aus-
gelesen und via Internet an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet. Unter den so
erlangten Daten befindet sich das elektronische Tagebuch, das sehr persönliche In-
formationen enthält.

b) Kernbereichsschutzkonzept?

Ein Kernbereichsschutzkonzept besteht im Rahmen des § 100h StPO nicht. Die


Regelung ist daher bereits wegen dieses Mangels nicht verfassungsgemäß. § 100h
StPO benötigt de lege ferenda ein Schutzkonzept, damit kernbereichsverletzende
Überwachung mit Trojanern ausgeschlossen sind. Alternativ wäre ein Regelung der
Online-Durchsuchung § 100c StPO in den Schranken entsprechend zulässig. § 100h
StPO als allgemeinere Norm würde dann durch diese neue Vorschrift verdrängt.15
Es können zusätzlich Probleme bestehen, die bei einer möglichen Neuregelung
der Vorschrift ebenfalls zu beachten wären. Diese werden im Folgenden geklärt.

3. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

Durch verschiedene Fallgruppen des § 100h StPO kann in das Grundrecht auf Frei-
heit von Einschüchterung eingegriffen werden:
Die Überwachung nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO greift in die Konkretisierungen
des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG ein. Die
Vorstellung, dass etwa das eigene Auto mit Hilfe eines Peilsenders überwacht wer-
den darf, wird Personen, die begründet davon ausgehen, überwacht zu werden, unter
Umständen davon abhalten, eine eigentlich geplante Fahrtroute zu wählen oder eine
entsprechendes Ziel aufzusuchen.

Beispiel 60 Gegen X läuft ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf illegalen
Betäubungmittelhandel. Konkret werden ihm Kurierfahrten und Verkauf der verbo-
tenen Wahre in einer Diskothek vorgeworfen. Er hat bisher keine Aussage gemacht

14
Siehe § 35.
15
Für die anderen Hilfsmaßnahmen bzw. Installationseingriffe – etwa den Einsatz einer Drohne,
die ein Mikrofon oder eine Kamera trägt, deren Einsatz sich nach § 100f bzw. § 100h Abs. 1 Nr. 1
StPO richtet – bliebe die Frage der Kombination mit anderen Maßnahmen zur menschenwürde-
widrigen Rundumüberwachung bestehen, die unter § 35 geklärt wird.
II. Einsatz sonstiger technischer Mittel nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO 403

und weiß, dass die Ermittlungsbehörden alle offenen Maßnahmen gegen ihn erfolg-
los durchgeführt haben. Er möchte eigentlich in die besagte Diskothek fahren, um
dort eine Freundin zu treffen. Aus Angst vor der Überwachung seines Autos mittels
Peilsender geht er den Weg von 5 km zu Fuß.

Auch ferngesteuerte Geräte, zum Beispiel fliegende Überwachungsdrohnen,


Wahrnehmungsverstärker wie zum Beispiel Nachtsichtgeräte, Sonar- und Radarge-
räten können ebenfalls der Überwachung dienen. Die Verwendung dieser Geräte
hat ebenfalls einschüchternde Wirkung. Wer eine Überwachung mit Hilfe dieser
Geräte erwartet, wird sich unter Umständen nicht einmal im Schutz der Dunkelheit
aus dem Haus trauen und Ausflüge in die freie Natur meiden. Er kann an keinem
Ort sicher sein, nicht überwacht zu werden.
Als Minus zu virtuellen Verdeckten Ermittlern können virtuelle „Verdeckte
Streifenbeamte“ durch die Polizei eingesetzt werden. „Virtuelle Streife“ ist das
Durchsuchen öffentlich zugänglicher Inhalte des Internets durch Polizeibeamte, die
im Internet nicht aktiv unter einer anderen Identität in Erscheinung treten, aber In-
ternetrecherche betreiben. Hier können sie durch das bloße anonyme Aufrufen von
Internetinhalten etwa nach Adressen, Kontakten oder sonstigen öffentlich zugängli-
chen Daten des Betroffenen suchen. Die virtuelle Streife betrifft nur die öffentliche
Sphäre der privaten Lebensgestaltung. Dieser Effekt mag einen für den Einzelnen
fühlbaren Einschüchterungseffekt haben.

Beispiel 61 So wird jemand, der eigentlich eine volksverhetzende Schrift im Inter-


net veröffentlichen wollte, unter Umständen abgeschreckt, sie zu veröffentlichen.

Auf das Problem, ob diese Maßnahme unter besonderen Umständen im Aus-


nahmefall ein Grundrechtseingriff sein kann, kommt es nicht an, da die Maßnahme
nicht „heimlich“ erfolgt.16

4. Rechtfertigung des Eingriffs

Da das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung eine Unterkategorie des


Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG darstellt, ist der Eingriff gerechtfertigt, wenn die
gesetzliche Regelung des § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO bestimmt und verhältnismäßig
ist.

16
Das Aufrufen von Internetseiten ist zwar anonym und somit notwendig verdeckt, die Polizei hat
aber keine Intention, heimlich zu handeln. Die Anonymität ist vielmehr die allen Nutzern, inklusi-
ve des Betroffenen, bekannte technische Nutzungsbedingung für das Internet. Ob trotzdem in das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung eingegriffen wird, kann dahinstehen. Es wäre jeden-
falls nicht notwendig, dass die Polizei jeden Betreiber einer Internetseite informieren müsste, dass
sie dessen Seite besucht habe. Die Polizei muss dem Betroffen auch nicht mitteilen, dass sie die
Adresse des Betroffenen in einem Telefonbuch gesucht oder Zeugen nach seinem Aufenthaltsort
befragt hat.
404 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

a) Bestimmtheit

Die Bestimmtheit bemisst sich nach den oben genannten Kriterien.17

aa) Bestimmtheit der Anlasstat

Besondere, für Observationszwecke bestimmte, technische Mittel dürfen nur bei


Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ verwendet werden. Weil § 100h Abs. 1 S. 2
StPO auf den bereits als unbestimmt eingeordneten Begriff der Straftat von „erheb-
licher Bedeutung“18 Bezug nimmt, ist die Vorschrift insoweit teilweise unbestimmt
und verfassungswidrig.

bb) Bestimmtheit des Überwachungsmittels

Die Vorschrift grenzt die technischen Mittel nicht ein. Der systematische Vergleich
zu den anderen Vorschriften ergibt nur, dass der Einsatz der technischen Mittel in
den besonders geregelten Fällen nach den dort genannten Regeln zu erfolgen hat.
§ 100h Abs. 2 StPO ist also diesbezüglich eine subsidiäre Regelung. Dies ausge-
nommen, lassen sich alle möglichen technischen Maßnahmen unter den Wortlaut
der Regelung subsumieren. Das reicht von Nachtsichtgeräten, Sonar- und Radar-
geräten über GPS-Peilsender bzw. -empfangsgeräte19 und RFID-Technik20 bis zu
ferngesteuerten Drohnen,21 die mit Kameras bestückt sind. Die Vorschrift ist be-
wusst offen angelegt und kann daher auch derzeit noch nicht entwickelte technische
Instrumente erfassen. Die fehlende genaue Beschreibung der Überwachungsmittel
könnte allerdings ein Problem für die Bestimmtheit der Maßnahme darstellen.

aaa) Ansicht des BVerfG


Das BVerfG hält die Vorschrift für bestimmt:
„Das Bestimmtheitsgebot verlangt vom Gesetzgeber, dass er technische Eingriffsinstru-
mente genau bezeichnet und dadurch sicherstellt, dass der Adressat den Inhalt der Norm
jeweils erkennen kann (vgl. BVerfGE 87, 287 [317 f.]). Das Bestimmtheitsgebot verlangt
aber keine gesetzlichen Formulierungen, die jede Einbeziehung kriminaltechnischer Neue-
rungen ausschließen. Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten (vgl.

17
Vgl. § 9, I, 9.
18
Siehe § 13, IV, 2, c).
19
Die Anwendung von GPS-Technik wurde von BGH NJW 2001, 1658, BVerfGE 112, 304 und
EGMR NJW 2011, 1333 für rechtmäßig befunden.
20
Dies ist ein System bei dem Micro-Chips mit einem Lesegerät kommunizieren. So ein RFID-
Chip kann an einem Objekt oder einer Person angebracht werden, um sie zu identifizieren oder zu
überwachen, vgl. Gercke, Strafprozessuale Beweisgewinnung mithilfe der R.F.I.D.-Technologie,
S. 381. Die Reichweite ist aber von der Leistungskraft des Chips abhängig und geringer als bei der
satellitengestützen GPS-Technik.
21
nwzonline.de.
II. Einsatz sonstiger technischer Mittel nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO 405

BVerfGE 65, 1 [42 f.]) informationstechnischen Wandels, dessen Gefahren für das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung auch der Sachverständige Prof. Dr. G. in der münd-
lichen Verhandlung vor dem Senat beschrieben hat, muss der Gesetzgeber die technischen
Entwicklungen aufmerksam beobachten und bei Fehlentwicklungen hinsichtlich der kon-
kreten Ausfüllung offener Gesetzesbegriffe durch die Strafverfolgungsbehörden und die
Strafgerichte notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen (Vgl. BVerf-
GE 90, 145 [191]).“22

bbb) Eigene Ansicht


Das BVerfG vermengt in dem oben genannten Urteil23 den Begriff der Bestimmt-
heit mit dem der Verhältnismäßigkeit. Ein Verzicht auf die Bestimmtheit darf nicht
mit den „noch nicht so gefährlichen Mitteln“ begründet werden. Dies wäre nur
auf Grundlage des hier abgelehnten relativen Bestimmtheitsbegriffs24 möglich. Die
Vorschrift wird nicht dadurch unbestimmt, dass neue grundrechtsbedrohende tech-
nische Observationsmittel eingesetzt werden können. Das BVerfG meint hier, dass
die Vorschrift in diesen Fällen abhängig von der Bedrohlichkeit des Mittels unver-
hältnismäßig werden könnte, weil das Mittel nicht erforderlich oder unangemessen
sein könnte. Zu denken wäre etwa an einen mikrotechnischen Sender mit Funkti-
onsumfang. Dieser könnte zumindest einem GPS-Sender gleichen und einem Be-
troffenen bei einer ärztlichen Routinebehandlung heimlich unter die Haut in den
Körper implementiert werden. Fraglich ist, ob auch andere Formen der Tarnung und
Miniaturisierung zur Unverhältnismäßigkeit führen. Dies wäre so bei einer sprich-
wörtlichen „Schmeißfliege“, wenn ein den Betroffenen automatisch verfolgendes
Flugobjekt mit eingebauter Kamera in Nachahmung eines Insektes entwickelt wür-
de. Nach dem BVerfG müsste der Gesetzgeber erst im Fall einer realistischen Ver-
fügbarkeit solcher Mittel gesetzlich nachbessern und entsprechende Ausnahmen
von § 100h StPO vorsehen. Sinn des Bestimmtheitserfordernisses ist es, den Betrof-
fenen vor Unsicherheit bezüglich möglicher belastender Maßnahmen zu schützen
und den Gesetzgeber zur Regelung der wesentlichen Regelungsaspekte zu ver-
pflichten, ohne dass er dies an die Verwaltung oder Rechtsprechung delegieren darf.
Die erste Anforderung ist hier eingehalten. Der Betroffene weiß, dass der Staat
alle verfügbaren technischen Mittel einsetzen darf. Unklarheiten bestehen insoweit
nicht. Fraglich ist allerdings, ob der Gesetzgeber hier nicht die Regelung hätte im
Detail selbst treffen müssen, anstatt sie für eine weitere Entwicklung zu öffnen,
die er nicht absehen kann. Für den Eingriff in die Grundrechte und die persönliche
Belastung des Betroffenen kommt es aber im Wesentlichen nicht auf das einge-
setzte Mittel, sondern auf das Ergebnis, die Foto- bzw. Filmaufnahmen an. Weil
der Gesetzgeber diesen Erfolg bestimmt geregelt hat und die Mittel dazu impli-
zit an den Stand der Technik koppelt, regelt er das Wesentliche der Überwachung
selbst. Anders wäre es nur, wenn eine Vielzahl von Grundrechtseingriffen nicht
ausdrücklich geregelt ist. Die Vorschrift erlaubt in ihrer Weite jedwede Observation

22
BVerfGE 112, 304, 316.
23
BVerfGE 112, 304, 316.
24
Vgl. § 9, I.
406 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

der Betroffenen. Damit kann in alle Konkretisierungen des Grundrechts auf Freiheit
von Einschüchterung eingegriffen werden. Dies betrifft insbesondere Computer und
damit das Computergrundrecht.25
Die Regelung ist verständlich und regelt das Wesentliche der Maßnahme, sie ist
also bestimmt.

b) Verhältnismäßigkeit der Regelung des § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO

aa) Für Observationszwecke bestimmte technische Mittel

Der Umfang der erlaubten Mittel hängt von der Auslegung des Begriffs der „be-
sonderen für Observationszwecke bestimmten technischen Mittel“ ab. Denn diese
dürfen zur Erforschung des Sachverhalts „verwendet“ werden. Das BVerfG hält je-
des technische Observationsmittel für ein „bestimmtes Mittel“, auch wenn es bei
Erlass des Gesetzes noch unbekannt war. „Kriminaltechnische Neuerungen“ sind
danach „bestimmte technische Mittel“.26 Nach Ansicht des BVerfG spreche der
Wortlaut der Vorschrift dafür, dass die technischen Mittel eindeutig der Observation
gewidmet sein müssten. Wenn das Mittel aber nicht originär als Observationsmittel
erfunden sei, handele es sich nur um ein für die Observation bestimmbares Mit-
tel. Die Subsumtion bloß bestimmbarer Mittel sei nach dieser Ansicht weder vom
Wortlaut noch von der Begründung im Gesetzgebungsverfahren gedeckt. Es ergebe
keinen Sinn, dass der Gesetzgeber die Mittel durch die Zweckbestimmung „zur Ob-
servation bestimmtes“ ergänzt und mithin einschränkt, wenn ohnehin jedes Mittel
zulässig sein solle.
Die Begrenzung staatlichen Handelns als Gesetzeszweck ist auch nach der Be-
wertung der Literatur zutreffend durch den ersten Senat des BVerfG zu den Ab-
hörvorschriften des Zollkriminalamts im Außenwirtschaftsgesetz herausgearbeitet
worden. In der Entscheidung des BVerfG27 zum GPS sei es „wohl aus Gründen
des gewollten Ergebnisses“ vernachlässigt worden.28 Eine solche Eingrenzung der
Vorschrift ist aber nicht mit dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung der Norm
vereinbar. Ein Mittel, dass exklusiv zu strafprozessualer Ermittlung eingesetzt wer-
den kann, gibt es nicht. Alle Observationsgeräte sind auch für Privatanwender zu
Zwecken erhältlich, die nicht im strengen Sinne Observation sind (Tierbeobach-
tungen, Sport, Suchfunktion). Die Begrenzung auf originäre Observationsgeräte ist
daher sinnlos.

25
Vgl. § 19.
26
BVerfGE 112, 304, 316.
27
BVerfGE 112, 302, 316.
28
Roggan, NJW 2010, S. 162; Bernsmann, StV 2001, S. 383 f.; anders die h. M. zum GPS: „Der
Wortlaut der Norm trägt dieses Ergebnis, zum Teil erkennen dies auch die Kritiker an.“, Schäfer
in: Löwe/Rosenberg, StPO25 , § 100c Rdn. 25.
II. Einsatz sonstiger technischer Mittel nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO 407

bb) Installation von Geräten zur Quellen-TKÜ und „Online-Durchsuchung“ mit


„Staatstrojanern“ im Rahmen des § 100h StPO

Wie bereits dargelegt, ist die Überwachung eines Computers ist nach dem Wortlaut
des § 100h StPO erlaubt. Ein Trojaner ist ein „sonstiges besonderes für Observa-
tionszwecke bestimmtes technisches Mittel“. Also ist dessen Einsatz inklusive der
Installation und Infiltration nach dem Wortlaut gestattet. Gleiches gilt für die nicht
unter § 100a SPO fallende29 Installation von Überwachungstechnik an einem End-
gerät zur Telekommunikation.
Dass Annexbefugnisse30 nicht gegeben sind, wenn sie nicht ausdrücklich ge-
nannt oder im typischen Grundmuster der Maßnahmen zwingend genannt sind,
kann den Anwendungsbereich der Norm nicht reduzieren, da alle technischen Mit-
tel nach Wortlaut und Willen des historischen Gesetzgebers erfasst sind, also gar
keine Annexbefugnis für solche Maßnahmen nötig ist.

cc) Geeignetheit

Die genannten Maßnahmen können zur Ermittlung von Tat und Täter beitragen
sowie gerichtsverwertbare Beweise ergeben.

dd) Erforderlichkeit

Die Erforderlichkeit ist durch die verfassungskonform auszulegende31 Erforderlich-


keitsklausel geregelt.

ee) Angemessenheit

Der durch § 100h StPO erlaubte Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung ist, wenn man die Anforderungen des BVerfG für eine Rechtfertigung
des Eingriffs in das Computergrundrecht zugrunde legt, unangemessen. Denn weil
die Anlasstaten nicht definiert sind, also können sie auch zu leichte Taten umfas-
sen. Das Computergrundrecht ist vom BVerfG im Bereich der Gefahrenabwehr im
Rahmen der Angemessenheitsprüfung auf den Anlass einer Gefahr für „Leib, Leben
und Freiheit der Person“ oder überragend wichtige Allgemeingüter beschränkt wor-
den.32 Daraus folgt nicht, dass strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, die in das
Computergrundrecht eingreifen, nicht im Ganzen verfassungswidrig sind. Im Fall

29
Vgl. § 23, IV, 6
30
Vgl. § 19.
31
Vgl. § 14, IV, 2.
32
BVerfGE 120, 274, 274.
408 § 27 Einsatz technischer Observationsmittel gemäß § 100h StPO

des § 12 FAG hat das BVerfG die eigenständige verfassungsrechtliche Bedeutung


der Strafverfolgung betont:
„Soweit die Beschwerdeführer gegen die Angemessenheit der Anordnungen einwenden,
dass es in den zu Grunde liegenden Ermittlungsverfahren nur um Strafverfolgung ging,
nicht aber um die Abwehr von Gefahren für überragende Rechtsgüter oder Sicherheitsin-
teressen der Bundesrepublik Deutschland, kann ihnen nicht gefolgt werden. Das Interesse
an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten hat neben dem Interesse an der Verhin-
derung weiterer Straftaten eine eigenständige verfassungsrechtliche Bedeutung.“33

Hätte es von dieser Rechtsprechung abweichen wollen, hätte das Gericht dies deut-
lich machen müssen.
Weil die Gefahrenabwehr tendenziell ein größeres Abwägungsgewicht als die
Strafverfolgung hat, kann nur bei schwersten Straftaten eine repressive Online-
Durchsuchung gestattet sein. Für die Lösung des Problems bietet die Regelung
des § 100c StPO Anhaltspunkte. Die ebenfalls als sehr intensiver Grundrechtsein-
griff eingeschätzte Wohnraumüberwachung ist unter strengsten Auflagen gestattet.
Wenn die Anforderungen hinsichtlich der Merkmale des Grundmodells denen des
§ 100c StPO entsprechen und die Anforderung des BVerfG hinsichtlich des Schut-
zes des Computergrundrechts aufnehmen, ist eine solche Regelung verfassungsmä-
ßig. § 100h StPO ist hingegen eine unangemessene Maßnahme. Auch daher ist die
Norm insoweit unverhältnismäßig und verfassungswidrig.34

III. Zwischenergebnis

Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 100h StPO ist in Bezug auf neue
technische Entwicklungen (Online-Durchsuchungen, Überwachung mit miniatu-
risierten Peilsendern und Micro-Drohnen) nur zu wahren, wenn der Regelungs-
umfang verfassungsmäßig reduziert wird, was aus grundsätzlichen Erwägungen
abzulehnen ist. Die Vorschrift ist zu weit gefasst und mithin ein unangemessener
Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung.

33
BVerfGE 107, 299 ff.
34
Die allgemeine Frage der Angemessenheit von Maßnahmekombinationen wird unten geklärt,
siehe § 35.
§ 28 IMSI-Catcher gemäß § 100i StPO

Die Überschrift „IMSI-Catcher“ ist nicht selbsterklärend. Technisch geht es um ein


mobiles Ortungsgerät zur Identifizierung der IMSI-Nummer1 eines Mobilfunkteil-
nehmers, mit dem neben dieser Nummer zu Identifizierung des Teilnehmers auch
sein Standort im Nahbereich des Ortungsgeräts festgestellt werden kann. Diese
Maßnahme dient dem entsprechend zur Vorbereitung einer Telekommunikations-
überwachung nach § 100a StPO oder zur Standortfeststellung zur Festnahmen,
Ergreifung2 oder weiterer Verfolgung etwa nach § 163 f StPO. § 100i Abs. 1 Nr. 1
StPO regelt die Ermittlung der Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und der
Nummer der darin verwendeten SIM-Karte mittels, des sog. „IMSI-Catchers“.
§ 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO betrifft die Ermittlung des Standortes eines Mobilfun-
kendgerätes mit dem „IMSI-Catchers“.
Der IMSI-Catcher besteht aus einem Computer, der mittels Antenne und ent-
sprechender Software einen Mobilfunkmasten simulieren kann. Die so aufgebaute
Funkzelle zieht alle Sendungen der Mobilfunkgeräte im Sende- bzw. Empfangsbe-
reich exklusiv in ihren Bann. Für den Betroffenen ist dies aber nicht zu bemerken,
da der IMSI-Catcher sich wie ein normaler Teil des Funknetzes verhält und das
eingefangene Signal nicht abbricht, sondern an die nächste normale Funkzelle wei-
terleitet.3

1
„Die International Mobile Subscriber Identity (IMSI) dient in GSM- und UMTS-
Mobilfunknetzen der eindeutigen Identifizierung von Netzteilnehmern (interne Teilnehmerken-
nung). Neben weiteren Daten wird die IMSI auf einer speziellen Chipkarte, dem so genannten
SIM (Subscriber Identity Module), gespeichert. Die IMSI-Nummer wird weltweit einmalig pro
Kunde von den Mobilfunknetzbetreibern vergeben. Dabei hat die IMSI- nichts mit der Telefon-
nummer zu tun, die der SIM-Karte zugeordnet ist. Wikipedia, IMSI.
2
Meyer-Goßner, StPO54 , § 100i Rdn. 1.
3
Eine leicht verständliche kurze Erläuterung der technischen Hintergründe bieten Görrisch, Mo-
derne Lausch-und Störverfahren, S. 38 und Harnisch/Pohlmann, NVwZ 2009, S. 202.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 409


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_28, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
410 § 28 IMSI-Catcher gemäß § 100i StPO

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Mit dem IMSI-Catcher ist zwar auch die inhaltliche Überwachung von Telefonge-
sprächen oder Nachrichten möglich, doch ist dies nicht von § 100i StPO erfasst. Ein
Einblick in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist daher nach § 100i
StPO nicht gestattet, wenn man die Norm isoliert betrachtet. Allerdings kann der
Einsatz des IMSI-Catchers in Kombination mit anderen Maßnahmen zu einer Rund-
umüberwachung führen, die gegen den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde
verstößt. Für eine endgültige Beurteilung kommt es auf eine Gesamtschau der mög-
lichen Maßnahmen an, die gesondert erfolgt.4

2. Kernbereichsschutz

Da keine Beschränkung vorhanden ist, die eine Benutzung im Rahmen einer „Rund-
umüberwachung“ ausschließt, wäre auch die Regelung des § 100i StPO soweit
verfassungswidrig. Dieses Ergebnis hängt ebenfalls von der vorstehend erwähnten
Gesamtbewertung einer Kombination aller zulässigen Maßnahmen ab.

II. Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG

§ 100i StPO greift ausschließlich in das Telekommunikationsgeheimnis ein. Der


IMSI-Catcher fungiert als Funkzelle und stellt so einen direkten Eingriff in den
Übertragungsvorgang im Herrschaftsbereich Dritter dar.

III. Rechtfertigung des Eingriffs

1. Bestimmtheit

Mit dem nicht abschließenden Verweis des § 100i Abs. 1 StPO auf den Tatkatalog
des § 100a StPO und die zusätzlich aufgestellte Anforderung einer Straftat von
erheblicher Bedeutung im Einzelfall teilt die Vorschrift die bereits oben5 ausführlich

4
Vgl. § 35, II, 2, b).
5
Vgl. § 26, III, 1 und § 13, IV.
III. Rechtfertigung des Eingriffs 411

dargestellten Mängel hinsichtlich der Eingrenzung dieses Merkmals und ist mithin
unbestimmt und verfassungswidrig.

2. Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit kann wegen der Unbestimmtheit der Anlasstatenregelung


nur hilfsweise erfolgen.

a) Geeignetheit

Die genannten Maßnahmen können unproblematisch zur Ermittlung von Tat und
Täter beitragen sowie gerichtsverwertbare Beweise ergeben.

b) Erforderlichkeit

Die Erforderlichkeit der Maßnahme ist durch eine Subsidiaritätsklausel in § 100i


Abs. 1 StPO6 gesichert.7

c) Angemessenheit

Unklar ist, ob die Regelung dem Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG
angemessen ist. Bedenken bestehen insbesondere hinsichtlich der technischen
Missbrauchsmöglichkeiten. Der IMSI-Catcher kann auch zur inhaltlichen Ge-
sprächsüberwachung genutzt werden.8 So besteht die Möglichkeit ohne den
zeitaufwändigen Weg des Ersuchens an die Telekommunikationsdiensteanbieter
spontan ein Telefon in der Nähe zu überwachen. Es erscheint aber nicht zwin-
gend, dass die Norm die Verwendung bestimmter Geräte vorsehen muss, um diesen
Missbrauch zu vermeiden.

aa) Ansicht des BVerfG

Das BVerfG sieht offenbar auch ein erhebliches Gefahrenpotential in der Nutzung
des IMSI-Catchers. Im Jahr 2006 entschied das Bundesverfassungsgericht noch
zum alten Gesetzesstand über eine Verfassungsbeschwerde gegen § 100i StPO. Das

6
„[Die Maßnahme ist zulässig,] soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermitt-
lung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist.“
7
Vgl. § 14.
8
Görrisch, Moderne Lausch-und Störverfahren, S. 38.
412 § 28 IMSI-Catcher gemäß § 100i StPO

Gericht beurteilte die Vorschrift als verfassungsgemäß, ermahnte den Gesetzgeber


aber, bei einer Neuregelung des § 100i StPO den Grundrechtsschutz zu beachten.
Die Dynamik der technischen Entwicklung berge Risiken für den Grundrechts-
schutz. Das Bundesverfassungsgericht behalte sich vor, in neuen Vorschriften auf
„Grundrechtsschutz durch Verfahren“ zu bestehen, zum Beispiel durch Benachrich-
tigungspflichten oder Rechtsschutzmöglichkeiten.9

bb) Eigene Ansicht

Der IMSI-Catcher stellt derzeit wegen seiner aufwendigen Technik kein Instrument
dar, das massenhaft zur Überwachung eingesetzt werden kann.
Fraglich bleibt nach dem restriktiven Urteil des BVerfG zu § 100g StPO, ob
nicht auch im Rahmen des § 100i StPO der Katalog des § 100a StPO zwingend sein
müsste, um die Anforderungen an die Angemessenheit der Maßnahme zu sichern.
Mit dem IMSI-Catcher werden alle Mobilfunkgeräte im Bereich einer Funkzelle
identifiziert. Damit bei einer Reichweite von bis zu 1,5 km jedenfalls im städti-
schen Bereich eine Anzahl von mehreren 1000 Teilnehmern erfasst und in den
Kreis der potentiellen Verdächtigen aufgenommen werden. Zudem bietet der IMSI-
Catcher wegen seiner besonderen Technik die Möglichkeit, nicht nur Standort-
und Verbindungsdaten zu ermitteln, sondern auch die Telekommunikationssigna-
le und damit die Kommunikation inhaltlich zu erfassen. Auch wenn dies nicht
unter § 100i StPO, sondern unter § 100a StPO fallen würde, muss für die verfas-
sungsrechtliche Bewertung das Gefährdungspotential einkalkuliert werden, weil es
die Einschüchterungswirkung bedingt. Dies ist auch im Schutzbereich des Art. 10
GG als Eingriffsintensivierung zu berücksichtigen. Die vom BVerfG erwogenen
Benachrichtigungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten sind im Zuge der Reform von
2007 mit § 101 Abs. 4 und § 101 Abs. 7 S. 2 StPO eingeführt worden. Solange das
Missbrauchspotential nicht exorbitant durch neue technische Entwicklungen steigt,
ist die Regelung daher angemessen.

IV. Zwischenergebnis

Ohne zwingendes Katalogsystem oder eine genaue Angabe des Kriteriums für die
Tatschwere im Einzelfall ist § 100i StPO unbestimmt10 und verfassungswidrig.

9
BVerfG NJW 2007, S. 351 ff.
10
Vgl. § 9, I, 9.
§ 29 Sog. Kleine-Online-Durchsuchung
gemäß § 110 Abs. 3 StPO

I. Grundsätzlich offene Ermittlungsmaßnahme

§ 110 StPO behandelt die Durchsuchung elektronischer Speichermedien. Grund-


sätzlich ist dies eine dem Betroffenen gegenüber offene Maßnahme, die daher nicht
zu den verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen gehört.
Das „Hineinhacken“ in den „Webspace“1 von außen ist abzulehnen,2 da es sich
bei § 110 StPO nicht um eine geheime Maßnahme handelt. Dies Vorgehen muss
jedenfalls nach § 110 Abs. 3 StPO „bei dem von der Durchsuchung Betroffenen“
offen erfolgen. Mit Durchsuchung ist, wie der Blick auf § 110 Abs. 1 StPO zeigt,
eine Durchsuchung nach § 102 StPO gemeint. Dafür, dass im Gesetz in §§ 102
und 110 StPO unterschiedliche Durchsuchungsbegriffe verwendet werden, spricht
nichts. Eine solche Durchsuchung muss also am Ort eines Speichermediums statt-
finden. Wenn Letzteres mit anderen Speichermedien vernetzt ist, darf aber auch
auf diese zugegriffen werden, egal wo sich die weiteren vernetzten Speichermedien
befinden, § 110 Abs. 3 StPO.

II. Verdeckte Durchsuchung verbundener Speichermedien

Problematisch ist, ob nach § 110 Abs. 3 StPO auch solche Speichermedien durch-
sucht werden dürfen, die Dritten gehören. Denn wenn auf diese Speicherplätze vom
Computer des offen Durchsuchten aus zugegriffen wird, ist der Zugriff auf den Spei-
cherplatz des Dritten heimlich, wenn er darüber nicht informiert wird.

1
Das ist dem Betroffenen zur eigenen Nutzung exklusiv zugewiesener Speicherplatz, der ihm von
seinem Diensteanbieter zur Verfügung gestellt wird. Der Speicherplatz wird physisch auf einem
ortsfernen Rechner des Diensteanbieters bereitgestellt, ohne dass der Betroffene über manuellen
Zugang zu diesen Speichergeräten verfügt.
2
Vgl. BTDrucks 16/5846 S. 64; 1679, S. 45; Bär, MMR 2008, S. 221; Meyer-Goßner, StPO54 ,
§ 110 Rdn. 6.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 413


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_29, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
414 § 29 Sog. Kleine-Online-Durchsuchung gemäß § 110 Abs. 3 StPO

Zunächst muss man feststellen, dass in § 110 Abs. 3 StPO keine Verfahrensre-
gelung enthalten ist, die eine Heimlichkeit gegenüber dem Drittbetroffenen erlaubt
oder verbietet. Der Wortlaut lässt beides zu. Die Stellung als Annex zu einer Durch-
suchung beim Wohnungsinhaber lässt darauf schließen, dass nur entscheidend ist,
ob sich der zu durchsuchende Rechner bei dem Wohnungsinhaber befindet. Der
Wortlaut erlaubt die Durchsicht von Speichermedien. Danach ist es unerheblich,
wo sich das externe Speichermedium befindet und – im Gegensatz zur zunächst
geplanten Fassung – wer daran Rechte hat.3 Zusätzliche Anordnungsvoraussetzun-
gen gibt es nicht. Dritte müssen nicht gesondert informiert werden. im Folgenden
wird dabei zwischen der E-Mail-„Beschlagnahme“ auf Servern der Diensteanbieter
(Provider) und der „Beschlagnahme“ sonstiger Daten unterschieden. Die Daten des
E-Mail-Verkehrs beim Provider gehören in den Schutzbereich des Art. 10 GG und
den Anwendungsbereich der §§ 100a, 100b StPO. Ob § 110 Abs. 3 StPO insofern
eine zusätzliche Befugnis enthält, wird zu prüfen sein. Eine andere Frage ist, ob
weitere Daten ausgeforscht werden dürfen, die aber ebenfalls auf einem per Netz-
werk verbunden anderen Computersystem gespeichert sind. Dazu gehören etwa auf
gemietetem externem Speicherplatz ausgelagerte Text-, Bild- oder Tondateien, auf
die der Betroffene jederzeit zugreifen kann. In der Fallgruppe des „der Nutzung
externen Speicherplatzes“ ist besonders problematisch, ob von der Norm auch sol-
che Fälle erfasst sind, in denen der Betroffene illegal eine Verbindung zu fremdem
Speicherplatz hergestellt hat oder zumindest lediglich mit einem ihm bekannten
Passwort auf die fremden Daten zugreifen darf und diesen Zugang auch nicht teilen
darf. Das träfe etwa auf einen Angestellten zu, der auf Daten seines Arbeitgebers per
Telearbeit von zu Hause zugreifen darf, aber das Passwort zum Firmenintranet nicht
weitergeben darf. Auch kann sich zum Beispiel eine Familie ein so geschütztes Netz
schaffen, in dem etwa Fotos gespeichert werden, die nur für Familienmitglieder be-
stimmt sind.

1. Gesetzesbegründung

Der Gesetzgeber geht für § 110 Abs. 3 StPO ausdrücklich von einer offenen Maß-
nahme aus.4 Bezüglich besonderer Fallgestaltungen kann es zu einer heimlichen
Durchsuchung des Speicherplatzes auf dem Rechner eines Dritten kommen. Dies
wäre der in der Gesetzesentwurfsbegründung genannte Fall, in dem ein Mitarbei-
ter die Berechtigung zur Online-Nutzung des Servers seines Arbeitgebers hat. Ihm
fehlt dann in der Regel eine Berechtigung, die Daten Dritten zugänglich zu machen,
die ohne weiteres eine Durchsuchung rechtfertigen würde. Der Dritte hätte inso-

3
Vgl. BTDrucks 16/5846, S. 64.
4
BTDrucks 16/5846, S. 33 und 64: „Nicht erlaubt wird durch § 110 Abs. 3 StPO-E der heim-
liche Online-Zugriff auf zugangsgeschützte Datenbestände im Sinne eines mitunter ,staatlichen
Hackings‘ oder einer heimlichen Online-Durchsuchung. Der Online-Zugriff auf öffentlich zugäng-
liche Datenbestände, die keiner besonderen Zugangsberechtigung bedürfen, erfordert hingegen
keine besondere Ermächtigungsgrundlage.“
II. Verdeckte Durchsuchung verbundener Speichermedien 415

weit – wie etwa ein kommerzieller Anbieter von Internet-Speicherplatz – auf einen
Schutz vor Durchsuchungen zumindest konkludent verzichtet. Ein schützenswertes
Interesse lässt sich dafür auch nicht begründen, da er dem ursprünglich Durch-
suchten den Platz zur freien Verfügung eingeräumt hat. Wie der Fall, in dem der
Arbeitgeber Dritten gegenüber auf Heimlichkeit Wert legt, wäre auch der Fall zu be-
urteilen, in dem der ursprünglich Durchsuchte eine illegale Verbindung zu fremden
Computersystemen aufgebaut hat, indem er in fremde Computer mittels Trojaner
eingedrungen ist. Nach dem Wortlaut der Norm, welcher der Gesetzesentwurfsbe-
gründung widerspricht, dürften die Ermittlungsbehörden diesen Zugang ausnutzen.
Der Gesetzgeber sah das Problem und versuchte, mit einem Rechtschutzmecha-
nismus zu reagieren. Information und Rechtsschutz wollte er dem Drittbetroffenen
nicht völlig entziehen. Über den Verweis auf § 98 Abs. 2 StPO sieht der Gesetz-
geber die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Entsprechend einer Be-
schlagnahme in Abwesenheit des Betroffenen muss das Gericht in drei Tagen die
heimliche Durchsuchung genehmigen. Auf diesem Wege erhält der Drittbetroffene
auch Kenntnis von der Maßnahme, denn der Richter muss ihm rechtliches Gehör
gewähren.

2. Rechtsprechung zur E-Mail-Beschlagnahme

Nach der bereits im Rahmen der Darstellung des § 100a StPO angesprochenen
Rechtsprechung des BVerfG zur E-Mail-Beschlagnahme kann eine E-Mail auf dem
Server des Providers nach § 110 StPO beschlagnahmt werden. Die vom BVerfG
ausgeführte Berührung des Fernmeldegeheimnisses ändere daran nichts, obwohl
sich die auf dem Mailserver des Providers vorhandenen E-Mails nicht [nur] im Herr-
schaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers, sondern des Providers befinden.5
Es gebe weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus der Systematik des achten
Abschnitts der StPO einen Grund, der einen Vorrang der §§ 100a, 100b StPO vor
§ 110 StPO erzwinge.6 Nach dieser Ansicht können verbundene informationstech-
nische Systeme erst recht dann nach § 110 Abs. 3 StPO durchsucht werden, wenn es
insoweit nicht um Telekommunikation (beim Provider gespeicherte E-Mails) geht,
sondern um andere Inhalte, etwa elektronische Texte oder Ton- und Bildaufnah-
men.

5
BVerfGE 124, 43, 58.
6
BVerfGE 124, 43, 60 f. Das BVerfG war aber früher selbst von einem Vorrang der §§ 100a,
100b StPO ausgegangen, vgl. BVerfGE 113, 348; zustimmend Puschke/Singelnstein, NJW 2008,
S. 3534.
416 § 29 Sog. Kleine-Online-Durchsuchung gemäß § 110 Abs. 3 StPO

3. Ansichten in der Literatur

a) Dem BVerfG zustimmende Ansichten

Teilweise wird der oben genannten Ansicht des BVerfG ohne wesentlich neue Ar-
gumente gefolgt.7 Verlangt wird aber teilweise, dass der Betroffene im Nachhinein
gesondert informiert werden müsse.8

b) Kritische Ansicht: Heimliche Online-Durchsuchung „light“

Im Ergebnis kritisch zu dieser Rechtsprechung, aber unkritisch über den Wider-


spruch der Entwurfsbegründung zum Gesetz äußert sich beispielsweise Schlegel.9
Er nimmt eine Verwendung des ursprünglich durchsuchten Rechners als sog.
„Schlüssel“ zum Abrufen von bei Dritten gespeicherten Inhalten vom Anwendungs-
bereich der Vorschrift aus, seien dies E-Mails oder sonstige Daten. Andernfalls
würde ein Bereich der heimlichen Telekommunikationsüberwachung aus dem
Anwendungsbereich des § 100a StPO herausgeschnitten und den wesentlich gerin-
geren Schranken der Beschlagnahme unterstellt. Neben der systematischen Friktion
sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Folge beabsichtigt habe. Der An-
wendungsbereich des § 110 Abs. 3 StPO sei daher bereits de lege lata entsprechend
zu beschränken.10

4. Eigene Ansicht

a) Nochmals: E-Mail-Beschlagnahme?

Der Übertragung der oben11 genannten Rechtsprechung zur E-Mail-Beschlagnahme


auf § 110 Abs. 3 GG ist nicht zuzustimmen. Das kritische systematische Argument
von Schlegel zum Verhältnis des § 100a StPO zu § 110 Abs. 3 StPO ist plausibel.
Wenn ein gespeicherter Inhalt – zum Beispiel eine E-Mail – von einem fremden
Speicherplatz abgerufen und auf den ursprünglich durchsuchten Computer geladen
wird, greift dieser Vorgang in den nur zeitweise zum Stillstand gekommenen Tele-
kommunikationsvorgang ein. Diese Überwachung der ruhenden E-Mail entspricht
dem Öffnen eines Briefes, der bei einem Postunternehmen oder in einem Postfach
lagert, das vom Postunternehmen verwaltet wird, aber zu dem auch der Adressat der
Sendungen einen Schlüssel hat. Dieser Vorgang wird entsprechend im klassischen

7
Wohlers in: SK-StPO, § 110 Rdn. 10; Knierim, StV 2009, S. 211.
8
Kasiske, S. 228 ff.
9
Schlegel, HRRS 2008, S. 27 f.
10
Schlegel, HRRS 2008, S. 28 f.; ähnlich auch Brodowski, JR 2009, S. 408.
11
Vgl. § 29, II, 2.
II. Verdeckte Durchsuchung verbundener Speichermedien 417

Sinne einer Telekommunikationsüberwachung durch Ausleitung der Datenströme


durchgeführt. Dass die Kommunikation ruht, ändert daran nichts. Auch die Ver-
kehrsdaten dürfen nach § 100g StPO erhoben werden, obwohl sie eine noch größere
Distanz zur laufenden Telekommunikation aufweisen. § 100g StPO würde keinen
Sinn machen, wenn die §§ 94, 110 StPO solche Fälle erfassen würden.
Der Zugriff auf beim Provider gespeicherte E-Mail muss zwar nicht zwangsläu-
fig in § 100a StPO geregelt sein. Wäre eine Regelung in § 110 Abs. 3 StPO speziel-
ler als die Regelung des § 100a StPO, könnte sie für eine E-Mail-„Beschlagnahme“
durchaus zulässig sein. Aus der Gesetzesentwurfsbegründung ergibt sich aber, dass
der Gesetzgeber gerade keine heimliche E-Mail-Beschlagnahme in § 110 StPO re-
geln wollte.12 Auch in § 101 Abs. 1 StPO findet § 110 StPO keine Erwähnung. Aus
der Systematik der StPO ergibt sich daher entgegen der Ansicht des BVerfG ein
Vorrang der §§ 100a, 100b StPO.

b) Durchsuchung anderer verbundener Speichermedien

Das entscheidende Argument des Vorranges des § 100a StPO vor § 110 Abs. 3
StPO erfasst aber nicht die heimliche Durchsuchung von anderen verbundenen
Speichermedien, die nichts mit dem E-Mail-Verkehr zu tun haben. Insoweit lässt
sich auch das systematische Argument aus § 101 Abs. 1 StPO nicht halten. Für
diesen Fall ließ der Gesetzgeber wissentlich zu,13 dass selbst der dem Betroffenen
eigentlich verbotene Zugriff auf fremde Informationstechnische Systeme durch die
Ermittlungsbehörden zur Durchsuchung ausgenutzt werden darf. Und zwar ohne
den Dritten vor der der Überwachung zu informieren. Der Gesetzgeber nahm dies
um der Praktikabilität willen hin.14
Der Versuch Schlegels, die Vorschrift einzuschränken, ist daher eine – aus grund-
sätzlichen Erwägungen abzulehnende15 – verfassungskonforme Reduktion und
kein durch Auslegung zu gewinnendes Ergebnis. § 110 Abs. 3 StPO legitimiert in
bestimmten Fällen verdeckten Zugriff auf Computer Dritter. Wenn der Gesetzgeber
dabei Heimlichkeit zulässt und nicht die verschärften Anforderungen an verdeckte
Maßnahmen beachtet, ist zweifelhaft, ob die Vorschrift nicht verfassungswidrig ist.
Dies ist im Folgenden zu klären.

12
BTDrucks 16/5846. S. 15.
13
Entgegen dem zunächst in der Entwurfsbegründung vorgeschlagenen Verbot, vgl. Schlegel,
HRRS 2008, S. 27.
14
„Freilich hätte sie erhebliche praktische Probleme mit sich gebracht. Man hätte schwierige Ab-
klärungen über die entsprechenden Befugnisse des Betroffenen treffen müssen und vor allem wäre
die Regelung leer gelaufen, wenn ein entsprechendes Verbot für den Zugriff weiterer Personen
zwischen Betroffenen und Dritten vereinbart worden wäre.“ Schlegel, HRRS 2008, S. 27.
15
Vgl. § 6, IV, 4.
418 § 29 Sog. Kleine-Online-Durchsuchung gemäß § 110 Abs. 3 StPO

III. Missachtung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Da Speichermedien des Dritten auch sehr private Informationen enthalten können,


etwa elektronische Tagebücher, besteht die Möglichkeit, den Kernbereich zu be-
rühren. Gleiches gilt für die oben erwähnten (passwortgeschützten) Fotoalben einer
Familie.

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Ein über die wenigen verstreuten Ansätze in der StPO (§§ 53, 160a) hinausgehendes
gesetzliches Kernbereichsschutzkonzept ist wegen der eben geprüften Möglichkeit
des Einblicks notwendig.16 Es besteht jedenfalls nicht im Rahmen der Vorschriften
der §§ 94, 110 StPO. § 110 Abs. 3 StPO ist bereits daher verfassungswidrig. Das
BVerfG sieht ein solches Schutzkonzept aber ohne weitere Angabe einer Vorschrift
als im Strafverfahren geltendes Recht an, dass auch im Rahmen der §§ 94 ff. StPO
von den Rechtsanwendern zu berücksichtigen ist.17 In Wirklichkeit projiziert das
BVerfG aber nur seine Vorstellungen darüber, wie die Gesetzeslage im Hinblick auf
die Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsmäßiger Weise auszusehen
hat in die Lücken, die der Gesetzgeber zwischen den Vorschriften der §§ 94 bis
110 StPO gelassen hat. Wie bereits oben allgemein begründet, ist dem nicht zu
folgen.18

IV. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

Das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ist durch die Maßnahme nach
§ 110 Abs. 3 StPO betroffen, da auch Personen dadurch eingeschüchtert werden
können, dass sie mit einer heimlichen Durchsuchung ihrer eigenen Computer über
verbundene Systeme rechnen müssen. Aus der Sichtweise des betroffenen Dritten
wären die verbundenen privaten Computer potentielle Instrumente staatlicher Über-
wachung. Das kann gemäß folgender Überlegung zu einer Handlungseinschrän-
kung führen: Besonders auf die Einrichtung von Netzwerken mit den Computern

16
Vgl. § 15.
17
BVerfGE 124, 43, 69 f.
18
Vgl. § 15, IV, 3, b); § 20, III.
V. Rechtfertigung des Eingriffs 419

anderer Personen kann daher gegen den eigentlichen Wunsch auf diesen Druck hin
verzichtet werden.

V. Rechtfertigung des Eingriffs

1. Bestimmtheit

Die Heimlichkeit der Maßnahme ist nicht im Sinne der Wesentlichkeitstheorie be-
stimmt geregelt. Eine Formulierung wie in § 100a StPO „auch ohne das Wissen des
Betroffenen“ fehlt. Weil in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ein-
gegriffen wird, kann auch nicht überzeugend argumentiert werden, dass es sich um
einen nur verstärkenden Eingriff handele und daher keine ausdrückliche Regelung
des Eingriffs erforderlich sei. Eine verfassungskonforme Auslegung kommt nicht
in Betracht, da der Wortlaut umfassend und der Wille des Gesetzgebers eindeutig
sind. Die Vorschrift könnte nur durch eine hier abgelehnte verfassungskonforme
Reduktion des unbestimmten Wortlauts19 in ihrer Geltung erhalten werden.

2. Verhältnismäßigkeit

a) Geeignetheit

An der kriminalistischen Geeignetheit bestehen keine Bedenken. Mit der Durch-


suchung können Daten gewonnen werden, die zur Überführung des Täters dienen
oder einen Verdächtigen entlasten.

b) Erforderlichkeit

Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 110 Abs. 3 StPO scheitert selbst bei
unterstellter Bestimmtheit daran, dass § 110 Abs. 3 StPO keine Subsidiaritätsklau-
sel vorsieht, sondern die Durchsuchung verbundener Speichermedien Dritter als
Mittel erster Wahl angeordnet werden darf.

c) Angemessenheit

Soweit die heimliche Durchsuchung fremder Speichermedien geregelt ist, ist § 110
Abs. 3 StPO gegenüber dem Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung keine an-
gemessene Eingriffsregelung. Die Anlasstaten sind nicht beschränkt, dies muss zur

19
Siehe § 6, IV, 4.
420 § 29 Sog. Kleine-Online-Durchsuchung gemäß § 110 Abs. 3 StPO

Unangemessenheit der Norm führen. Das BVerfG hält die Vorschriften der §§ 94,
110 StPO aber für angemessen, weil der allgemeine Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit, den es gerade als Maßstab verwendet, insoweit im einfachen Recht gelte
und so die Verfassungsmäßigkeit der Norm garantiere. Zudem seien geeignete Ver-
fahrenssicherungen in §§ 35, 98 Abs. 2 StPO vorhanden um diesen Schutz durch
Verfahren zu komplettieren.20 Dieser Ansatz wurde aber bereits oben aus grund-
sätzlichen Erwägungen abgelehnt. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip dient nicht als
„Lückenfüller“ in der StPO, sondern als Richtschnur des Gesetzgebers. Er darf die
Umsetzung des Prinzips aus Gründen der Gewaltenteilung nicht den Rechtsanwen-
dern überlassen.21 Dem BVerfG ist daher insoweit zu widersprechen.

VI. Zwischenergebnis

Die Vorschrift des § 110 Abs. 3 StPO ist mangels Bestimmtheit, Erforderlichkeit
und Angemessenheit verfassungswidrig.

20
BVerfGE 124, 43, 62. Dies steht im Widerspruch zu den Wertungen in BVerfGE 120, 274, 322 f.
(in diesem Urteil wurde eine Online-Durchsuchung nur bei dringenden Gefahren für überragend
wichtige Allgemeingüter gestattet) und BVerfGE 125, 260, 335 f. (Die Abfrage von auf Vorrat
gespeicherter Verkehrsdaten war mit § 100g i. V. m. TKG im Hinblick auf die Anlasstaten unan-
gemessen, da der Katalog des § 100a nicht verpflichtend ist.)
21
Vgl. ausführlich § 20, III.
§ 30 Verdeckter Ermittler
gemäß §§ 110a-110c StPO

Verdeckte Ermittler sind Beamte der Strafverfolgungsbehörden, die unter einer „Le-
gende“ ermitteln.1 Sie täuschen also nach außen eine andere Identität vor. Die
Beamten treten insoweit als Zivilpersonen ohne polizeiliche Verbindung auf. Der
Einsatz Verdeckter Ermittler nach § 110a ff. StPO ist vor allem im Hinblick auf das
Nemo-tenetur-Prinzip umstritten.2

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Die Gefahr, kernbereichsrelevante Inhalte zu beobachten, besteht auch für den Ver-
deckten Ermittler. Dies gilt insbesondere, wenn er ein Vertrauensverhältnis zu be-
troffenen Zeugen oder Verdächtigen aufbaut. Dies kann von der Vorspiegelung von
Freundschaft bis zu Liebe reichen. Nicht nur die Beobachtung als solche, son-
dern auch die Täuschung des Betroffen und die spätere Enttäuschung über einen
„falschen Freund“ oder „eine falsche Geliebte“ verletzen den Kernbereich der priva-
ten Lebensgestaltung.3 Während bei Kernbereichsverletzungen durch Beobachtung
über technische Geräte das Leben des Beobachteten nicht direkt verändert wird,
kann ein Verdeckter Ermittler Teil des realen Lebens eines Betroffenen werden.
Die Anwesenheit einer (ent-)täuschenden realen Person im zwischenmenschlichen
Nahbereich steht den Gefahren, die bei der Telekommunikationsüberwachung für
den Kernbereich entstehen können, jedenfalls in nichts nach.

1
BGHSt 41, 64, 65; Meyer-Goßner, StPO54 , § 110a Rdn. 2.
2
Vgl. § 8, V; Schneider, NStZ 2004, S. 359 ff.; Schmitz, S. 11 ff. und passim.
3
So in der Sache auch Makrutzki, S. 68 und die Entscheidung AG Heidenheim NJW 1981, 1628.
Vgl. dazu auch schon die Grundsätzlichen Erwägungen mit dem aktuellen Beispiel aus Großbri-
tannien unter § 8.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 421


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_30, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
422 § 30 Verdeckter Ermittler gemäß §§ 110a-110c StPO

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Die Regelung des Einsatzes Verdeckter Ermittler enthält nur in § 110c eine Ein-
schränkung, sich nicht durch Vortäuschung von Zutrittsrechten Zugang zu einer
Wohnung zu verschaffen. Eine ausdrückliche Einschränkung zu Zwecken des Kern-
bereichsschutzes fehlt. Der Verzicht des Verdeckten Ermittlers, kernbereichsrele-
vante Einblicke in das Privatleben des Betroffen zu nehmen, ergibt sich nicht aus
der Vorschrift.
Mangels eines ausreichenden Schutzkonzeptes für den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung genügt § 110a StPO insoweit nicht den verfassungsrechtlichen
Anforderungen und ist mithin verfassungswidrig.

3. Zulässigkeit der Verletzung des Nemo-Tenetur-Prinzips aus


Art. 1 Abs. 1 GG?

Oben wurde bereits dargelegt, dass ein Verdeckter Ermittler dann gegen das Nemo-
Tenetur-Prinzips verstößt, wenn er psychischen Druck auf den Betroffenen aus-
übt, der Zwang oder Täuschung in einer Vernehmungssituation gleichkommt.4 Die
Norm enthält insoweit keine Einschränkung und erlaubt dem Verdeckten Ermittler
daher, so starken Druck auszuüben. Auch deshalb ist die Norm verfassungswidrig.

II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

1. Polizeibeamte als Verdeckte Ermittler

Der Einsatz des Verdeckten Ermittlers ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit
von auf Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG, soweit der Verdeckte Ermittler In-
formationen über einen Betroffenen ausspäht. Weitere Grundrechte sind betroffen,
wenn der Verdeckte Ermittler etwa eine Wohnung betritt, Art. 13 Abs. 1, 5 GG.

4
Vgl. § 8, V, 3. Genauer zu diesem Problemkreis noch unten im Rahmen der Generalklausel bei
der Erörterung der V-Personen § 34, III, 2.
II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 423

2. Subsumtion von V-Personen unter § 110a StPO als


Minus-Maßnahme?

Vertrauens- bzw. Verbindungspersonen (V-Personen) sind private Personen, die der


Polizei Informationen aus ihrem privaten Umfeld übermitteln, ohne dies den ausge-
spähten Dritten mitzuteilen. Der Einsatz von Vertrauenspersonen ist nicht speziell
geregelt. In § 110a StPO ist die V-Person nicht erfasst, da § 110a Abs. 2 StPO
verlangt, dass der Verdeckte Ermittler Beamter des Polizeidienstes sein muss. Der
Einsatz einer V-Person könnte einerseits als wesensgleiches Minus zum Verdeckten
Ermittler unter § 110a StPO gefasst werden oder unter die Generalklausel des § 161
Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO fallen. Als Minusmaßnahme ist der Einsatz ei-
ner V-Person wegen des Grundsatzes der Normenbestimmtheit und Normenklarheit
nicht unter § 110a StPO subsumierbar.5 Der Begriff „Privatperson“ ist kein wesens-
gleiches Minus zu „Polizeibeamter“. Zwar ist ein Polizeibeamter auch Privatperson,
doch ist eine Privatperson nicht eine Art Polizeibeamter minderen Ranges. Durch
eine dem Staat zuarbeitende Privatperson überwacht zu werden, ist auch nicht in
jedem Fall weniger belastend als die Überwachung durch einen Polizeibeamten.
Unter § 110a StPO lässt sich die Zusammenarbeit der Polizei mit V-Personen
nicht subsumieren. Setzen die Ermittlungsbehörden gezielt V-Personen auf Ver-
dächtige an, ist dies eine Umgehung des § 110a StPO und daher nicht ohne weitere
gesetzliche Regelung gestattet.

3. Virtueller „Verdeckter Ermittler“

Soziale Netzwerke sind „wahre Fundgruben für Ermittlungs- und Fahndungszwe-


cke“.6 Ein virtueller „Verdeckter Ermittler“ ist ein Polizeibeamter, der unter einer
Legende im Internet auftritt. Diese virtuelle Identität kann er in sozialen Netzwer-
ken annehmen, in denen Fotos und Personenbeschreibungen üblich sind. Dann tritt
er unter dieser Identität auf und spiegelt vor, die dargestellte Person7 zu sein. Ob ein
Polizeibeamter, der in einem Forum, das auf anonymer Teilnahme und Pseudony-
men als Kennung basiert, ebenfalls eine falsche Identität annehmen kann, ist derzeit
ungeklärt. Zu denken wäre an Foren zum Austausch von Kinderpornographie, von
Schadsoftware oder zum Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen. Nicht
alle sozialen Netzwerke sind aber frei zugänglich. Die Überwindung des Pass-
wortschutzes ist allerdings mit Klesczewski, ZStW 2011 S. 753 f. de lege lata als
Hindernis zu Anwendungshindernis für geschützte Bereich zu betrachten. Nach
§ 110a Abs. 3 StPO dürfen zur Aufrechterhaltung der Legende Urkunden hergestellt
oder verändert werden, darunter fallen aber nach dem Wortlaut keine Passwörter.

5
So im Ergebnis auch die h. M., vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 110a Rdn. 4a m. w. N.
6
Henrichs/Wilhelm, Kriminalistik 2010, S. 30.
7
Diese Person kann gänzlich erfunden sein oder real existieren.
424 § 30 Verdeckter Ermittler gemäß §§ 110a-110c StPO

Eine Analogie wäre sinnvoll, muss aber wegen der oben dargestellten Wirkung des
Analogieverbots unterbleiben.8 De lege ferenda wäre ein Ergänzung vorzuschlagen.
Der Einsatz eines virtuellen Verdeckten Ermittlers ist nur dann unter § 110a StPO
zu subsumieren, wenn die falsche Identität im Internet „eine auf Dauer angelegte,
veränderte Identität (Legende)“ ist. Der Gesetzgeber hat bei Erlass der Vorschrift
nicht an verdeckte Ermittlungsmaßnahmen im Internet gedacht. Andererseits ge-
hört die Aktivität im Internet zum Standard modernen Sozialverhaltens. Nur weil
ein Sozialverhalten noch nicht bei der Gesetzgebung bekannt ist, kann es trotzdem
unter einer Legende ausgeführt werden. Die Nutzung eines neuen Fortbewegungs-
wie auch eines neuen Kommunikationsmittels kann durch „Verdeckte Ermittler“
erfolgen. Dies ist kein Aliud zur verdeckten strafprozessualen Ermittlung unter ei-
ner Legende, sondern ein sowohl vom ursprünglichen Wortlaut als auch vom Sinn
der Norm umfasstes Sozialverhalten. Der virtuelle „Verdeckte Ermittler“ ist da-
her nur unter den Anforderungen des § 110a StPO zulässig.9 Wenn die Legende
entgegen dem Wortlaut des § 100a StPO nicht auf Dauer angelegt wird, ist die
kurzfristige verdeckte Ermittlung als Minusmaßnahme zulässig. Eine kurzfristige
verdeckte virtuelle Ermittlung unter einer Legende ließe sich aber ähnlich wie die
Unterscheidung zwischen § 100h StPO und 163f StPO de lege ferenda auch bei
weniger schwerwiegenden Anlasstaten und ohne richterliche Anordnung regeln.
Eine andere Folgerung ergäbe sich, wenn die Ermittlung unter falscher Identität
im Internet ein Aliud und kein Minus zu Maßnahmen nach § 110a StPO darstellten
würde. Eine solche einschränkende Auslegung des § 110a StPO ist abzulehnen.
Eine Auffanglösung über ein Verständnis der § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2
StPO als Befugnisgeneralklausel wäre insoweit von der Verfassungsmäßigkeit der
Generalklausel abhängig, die in keinem Fall grundrechtsschonendere Regelungen
als § 110a, b StPO enthält.10

III. Rechtfertigung des Eingriffs

1. Bestimmtheit

Die Vorschrift des § 110a StPO lässt im Wesentlichen nur erkennen, unter welchen
Umständen ein Verdeckter Ermittler eingesetzt werden darf. Seine Handlungsmög-
lichkeiten werden durch § 110a Abs. 2 und 3 StPO offensichtlich nicht abschließend
definiert. Der Verdeckte Ermittler darf danach unter seiner Legende am Rechtsver-

8
Vgl. § 9, I, 8, a).
9
Anders BVerfGE 120, 274, 341, dass keinen Eingriff in Grundrechte erkennt. Kritisch dazu Kle-
sczewski, ZStW 2011 S. 753, jedenfalls für das Eindringen in geschlossene Newsgroups wegen
Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 10 GG.
10
Wegen der angeführten Grundrechtseingriffe könnte die Maßnahme in diesem Fall auch
wahrscheinlich nicht unter die Generalklausel subsumiert werden, weil die Bestimmtheit und Ver-
hältnismäßigkeit der Generalklausel in Frage steht. Diese Frage wird unter § 34 abschließend
geklärt. Ohne eine ausreichende Regelung wäre die Maßnahme erst recht verfassungswidrig.
III. Rechtfertigung des Eingriffs 425

kehr teilnehmen und gefälschte Urkunden zur Aufrechterhaltung seiner Legende


nutzen. Was er sonst noch darf oder nicht darf, ergibt sich nicht aus der Vorschrift.
Dem systematischen Vergleich zu Abs. 2 und 3 lässt sich entnehmen, dass der Ver-
deckte Ermittler darüber hinaus alles darf, was auch für eine Privatperson nicht
rechtswidrig ist. Ein Einsatz technischer Mittel muss aber nach den anderen Rege-
lungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen gesondert geprüft
und angeordnet werden. Der sich daraus ergebende Tätigkeitsumfang lässt sich ein-
deutig erschließen. Daher ist er mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zu vereinbaren.
Unbestimmt ist die Regelung der Anlasstat „von erheblicher Bedeutung“. Wel-
che Taten aus dem Katalog des § 110a Abs. 1 StPO erhebliche Bedeutung haben,
bleibt – wie allgemein bei dieser Formulierung – unklar. Ebenfalls nicht eindeutig
ist, ob sich die Verbrechen auf Taten aus dem Katalog beziehen oder ob alle Ver-
brechen gemeint sind. Die Gesamtregelung der Anlasstaten ist daher unbestimmt
und verfassungswidrig. Einzig bestimmt sind die Gebiete, in denen diese Straftaten
begangen werden können. Nach den obigen grundsätzlichen Ausführungen11 ist die
Tatschwereklausel damit auch im Falle der Regelung des Verdeckten Ermittlers un-
bestimmt.

2. Verhältnismäßigkeit

Ob die Vorschrift die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einhält, kann hin-


sichtlich der Angemessenheit nicht abschließend beurteilt werden. Denn ob der
Maßnahme angemessene Taten gegenüberstehen, hat der Gesetzgeber nicht mit der
notwendigen Bestimmtheit geregelt. Die Angemessenheit entzieht sich einer Beur-
teilung und kann nur hilfsweise erörtert werden.

a) Geeignetheit

Das Verleiten zu Straftaten ist vom Wortlaut der Norm umfasst. Dieses Vorgehen
ist nur auf den ersten Blick nicht geeignet dem Zweck der inneren Sicherheit des
Gemeinwesens zu dienen. Ein anderes Ergebnis kann nur damit begründet werden,
dass die Provokation einer leichten Straftat die Aufklärung einer schweren Straftat
begünstigen kann. Da eine solche Abwägung aber nicht im Gesetz enthalten ist, sind
auch ungeeignete Maßnahmen vom Wortlaut der Norm gestattet. Nach systemati-
scher Auslegung ist die Begehung von Straftaten aber nicht gestattet. § 110a Abs. 3
StPO erlaubt nur den Gebrauch von entsprechenden Urkunden zur Aufrechterhal-
tung der Legende. Im Gegenschluss sind alle weiteren Straftaten nicht gestattet.
Die Erlaubnis zur Begehung szenetypischer Straftaten bleibt rein rechtspolitische
Forderung.12

11
Vgl. § 13.
12
Vgl. Schnorr/Wissing, ZRP 2001, S. 535.
426 § 30 Verdeckter Ermittler gemäß §§ 110a-110c StPO

b) Erforderlichkeit

Dass die Erforderlichkeit durch die verfassungskonforme Auslegung der Subsidiari-


tätsklausel unter Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zulässig geregelt
ist, kann die Verfassungswidrigkeit nicht abwenden.
Die viel diskutierte Frage nach der Umgehung des „Nemo-tenetur Prinzips“13
kann ebenfalls nur hilfsweise für den Fall der Nachbesserung der Anlasstatenbe-
stimmung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beurteilt werden.14 Wenn
der Verdeckte Ermittler den Betroffenen psychisch stark unter Druck setzt, ist dies
im Verhältnis zur Aufklärung schwerer Straftaten generell nicht verboten. Dies gilt
auch, wenn die drängende Person tatsächlich zu den Strafverfolgungsbehörden ge-
hört. Unangemessen wäre in jedem Fall die strafbare Nötigung bzw. die offizielle
Drucksituation bei einer polizeilichen Vernehmung. Diese Verhaltensweisen sind
aber nicht vom Regelungsumfang des § 110a StPO erfasst. Dem Gesetzgeber steht
es im Rahmen der Angemessenheit frei, die Drucksituation bei der polizeilichen
Vernehmung in §§ 136 ff. StPO gegenüber heimlicher Überwachung herauszuhe-
ben. Das Gefühl, der Staatsmacht bereits ausgeliefert zu sein, ist einschüchternder
als die mittelbaren Effekte durch heimliche Überwachung.
Setzt der Verdeckte Ermittler aber psychischen Druck ein, hat dies einen un-
mittelbaren Einschüchterungseffekt. Dadurch wird die Handlungsfreiheit nicht we-
niger beeinträchtigt als bei einer polizeilichen Vernehmung. Die Anwendung psy-
chischen Drucks, um eine belastende Äußerungen zu veranlassen, ist zwar von der
Regelung des § 110a StPO umfasst. Dies ist im Rahmen der StPO zu den Vor-
schriften der Vernehmung (§§ 136 ff. StPO) systematisch widersprüchlich geregelt
und schon daher ein unangemessener Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit.
Eine Regelung kann nicht angemessen sein, wenn der Gesetzgeber eigenen Wer-
tungen widerspricht. Unabhängig von der systematischen Widersprüchlichkeit ist
die Wahrheitsermittlung selbst durch unmittelbare Einschüchterung gerade nur un-
ter besonderen Schutzvorkehrungen zulässig. Diese sind nur unter den besonderen
Voraussetzungen amtlicher Vernehmungen, insbesondere der entsprechenden Be-
lehrungen, angemessen. Entsprechend auf druckvolles und nicht nur beobachtendes
verdecktes Vorgehen zugeschnittene Vorkehrungen fehlen bei der Maßnahme nach
§ 110a StPO. Zwar können § 160a StPO kann diese Lücke nicht schließen.
Nach dem obigen Kriterienkatalog15 ist der Eingriff ohne unmittelbaren psychi-
schen Druck weniger belastend als eine technisch vermittelte, völlig unbemerkte
Überwachung. Denn im Fall des Verdeckten Ermittlers hat es der Einzelne in der
Hand, seinem Gesprächspartner nicht zu vertrauen. Die Kriterien sind für den Son-
derfall des persönlichen Verdeckten Ermittlers so zu ergänzen, dass eine verdeckte
Ermittlung mit unmittelbarer Einschüchterungswirkung belastender ist als eine sol-

13
Vgl. dazu jüngst Engländer, ZIS (www.zis-online.com), S. 63 ff. m. w. N.
14
Vgl. § 8, V.
15
Vgl. § 9, II, 4, c).
IV. Zwischenergebnis 427

che mit nur mittelbarer Einschüchterungswirkung. Eine verfassungskonforme Re-


duktion des weiten Anwendungsbereichs ist nicht zulässig.16

c) Angemessenheit

Bei unterstellter Erforderlichkeit bestehen Bedenken an der Angemessenheit der


Anlasstaten. Dies kann aber wegen der derzeitigen Unbestimmtheit insoweit nicht
festgestellt werden. Soweit der verdeckte Ermittler Wohnungen betritt, müsste al-
lerdings ein strenger Katalog ähnlich des § 100c StPO gelten.

IV. Zwischenergebnis

Die Anlasstaten sind nicht bestimmt. Die Norm ist nicht verfassungsmäßig. Selbst
wenn die Anlasstaten bestimmt wären, würde § 110a StPO gestatten, den Kernbe-
reich der privaten Lebensgestaltung zu infiltrieren und zu manipulieren. Das wäre
eine Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde und daher gemäß
Art. 1 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Die enthaltene Erlaubnis psychischen Druck
auszuüben, um selbstbelastende Informationen zu erlangen, ist unangemessen und
verfassungswidrig. Das von der Norm umfasste Verleiten zu Straftaten ist ferner
schon nicht in allen Fällen geeignet, dem Zweck der inneren Sicherheit des Ge-
meinwesens zu dienen.

16
Vgl. § 6, IV, 6.
§ 31 Datenspeicherung bei polizeilichen
Kontrollen gemäß § 163d StPO

§ 163d StPO gestattet die heimliche Speicherung von Daten, die bei bestimmten po-
lizeilichen Personenkontrollen anfallen. § 163d StPO regelt auch die Übermittlung
dieser Daten an zuständige Strafverfolgungsbehörden, die Zuständigkeit für die An-
ordnung, Form und Inhalt sowie räumliche und zeitliche Begrenzung, Beendigungs-
und Löschungspflichten.
Der Verdächtige muss noch nicht durch persönliche Daten bekannt oder be-
reits Beschuldigter sein. Nach § 163d Abs. 3 S. 2 StPO sind unterscheidungsfähige
Merkmale und Eigenschaften eines Verdächtigen ausreichend, um Daten über die-
se Person zu speichern. Dies sind in erster Linie Identitätsmerkmale wie Name,
Geburtstag oder Wohnort, die sich aus den Ausweispapieren ergeben. Da die zu-
grunde liegenden Verdachtsmerkmale (zum Beispiel 35 Jähriger Mann, unterwegs
mit Auto des Typs Jaguar XJ) auf mehrere Personen zutreffen können, weist die
Datenspeicherung bei polizeilichen Kontrollen damit eine Verwandtschaft zur Ras-
terfahndung auf. Die Maßnahme nach § 163d StPO wird daher auch „Netzfahndung
vermittels Datenspeicherung“ genannt.1
Die Vorschrift erlaubt nur die Speicherung und Weitergabe, nicht aber die Er-
hebung der Daten. Die Maßnahme darf nur bei grenzpolizeilichen Kontrollen und
Kontrollen nach § 111 StPO eingesetzt werden, welche die Rechtsgrundlage für die
Datenerhebung darstellen.2 Die praktische Relevanz der Maßnahme nach § 163d
StPO ist durch den Wegfall der Außengrenzen und die Seltenheit der Maßnahmen
nach § 111 StPO gering.

1
Schoreit in: KK 6 , § 163d Rdn. 3.
2
Meyer-Goßner, StPO54 , § 163d Rdn. 4.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 429


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_31, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
430 § 31 Datenspeicherung bei polizeilichen Kontrollen gemäß § 163d StPO

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Ein Einblick in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung allein durch eine
gesetzmäßige Maßnahme gemäß § 163e StPO ist nicht möglich. Allerdings kann
die Datenspeicherung bei polizeilichen Kontrollen in Kombination mit anderen
Maßnahmen zu einer Rundumüberwachung führen, die gegen den Anspruch auf
Achtung der Menschenwürde verstößt. Für eine endgültige Beurteilung kommt es
auf eine Gesamtschau der möglichen Maßnahmen an, die gesondert erfolgt.3

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Da keine Beschränkung vorhanden ist, die einen Einsatz der Maßnahme nach
§ 163d StPO im Rahmen einer „Rundumüberwachung“ ausschließt, ist auch die
vorliegende Regelung verfassungswidrig, wenn die Kombinationsmöglichkeiten
aller Maßnahmen tatsächlich eine solche Rundumüberwachung ergeben können.

II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

Die Speicherung von Daten bei polizeilichen Kontrollen greift nach h. M. in das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein.4 Nach hier vertretener An-
sicht liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung und in
das Grundrecht auf Offenheit strafprozessualer Maßnahmen vor, da die Maßnahme
geheim erfolgen darf.

III. Rechtfertigung des Eingriffs

Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn die Regelung des § 163d StPO bestimmt und
verhältnismäßig ist.

3
Vgl. § 35, II, 2, b).
4
Schoreit in: KK 6 , § 163d Rdn. 3.
III. Rechtfertigung des Eingriffs 431

1. Bestimmtheit

Die Bestimmtheit der Vorschrift war bereits im Gesetzgebungsverfahren umstrit-


ten, weil sie nach einer politischen Ansicht unklar und voller Ungereimtheiten sei.5
Andere politische Stimmen entgegneten, es handele sich nicht um eine General-
klausel, die Bestimmtheitsanforderungen seien daher erfüllt. Schoreit meint, die
Gesetzesbegriffe seien von der Rechtsprechung eingrenzbar oder redundant. Diese
Ansicht setzte sich durch.6 Der Rechtsanwender wird aber auf eine eigene Ange-
messenheitsabwägung verwiesen, eine Aufgabe, die der Gesetzgeber selbst hätte
übernehmen müssen.7 Diese Regelung der Angemessenheit ist unbestimmt. Daher
ist die Reglung bereits deshalb verfassungswidrig.

2. Verhältnismäßigkeit

Im Gesetzgebungsverfahren wurde auch bemängelt, dass die Vorschrift des § 163d


StPO gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße, da ihre Zweckrichtung
ungewiss sei.8 Die Gegenansicht argumentiert, Verstöße gegen die Verhältnis-
mäßigkeit seien allenfalls bei der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
herleitbar. Die Vorschrift müsse darum nicht in ihrem ganzen Umfang an der
Vernachlässigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes scheitern.9 Sie erwähne die
Verhältnismäßigkeit schließlich selbst.10
Da der Anwendungsbereich der Vorschrift unbestimmt ist, kann die Verhält-
nismäßigkeit nur hilfsweise beurteilt werden. Entgegen einer Ansicht in der
Literatur zu § 163d StPO, welche die Vorschrift für einen verhältnismäßigen
Grundrechtseingriff hält,11 kann die bloße Erwähnung der Verhältnismäßigkeit
die Vorschrift jedenfalls nicht vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit retten.
Gerade der schlichte Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit ist keine Umsetzung
der verfassungsrechtlichen Vorgaben, sondern Missinterpretation der Vorgaben,
Unwille, Scheu oder Unfähigkeit zur Regelung auf einfach gesetzlicher Ebene.

5
Schoreit in: KK 6 , § 163d Rdn. 3.
6
Schoreit in: KK 6 , § 163d Rdn. 3 dort m. w. N. zur genannten Diskussion.
7
Vgl. das Ergebnis § 9, II, 6.
8
Krahl, NStZ 1998, S. 342.
9
So auch in der Sache Kühl, NJW 1987, S. 742, der die hier abgelehnte allgemeine Verhältnismä-
ßigkeitsklausel einfachen Rechts angewendet wissen will.
10
Meyer-Goßner, StPO54 , § 163d Rdn. 1; Rieß in: Löwe/Rosenberg, StPO26 , § 163d Rdn. 1; Scho-
reit in: KK 6 , § 163e Rdn. 3, wobei letzterer die Erwähnung sogar für überflüssig hält.
11
Schoreit in: KK 6 , § 163e Rdn. 3; Kühl, NJW 1987, S. 742; Rogall, NStZ 1986, S. 389.
432 § 31 Datenspeicherung bei polizeilichen Kontrollen gemäß § 163d StPO

a) Geeignetheit

Die genannte Maßnahme kann zur Ermittlung von Tat und Täter beitragen. Sie ist
daher zum legitimen Zweck der Strafverfolgung geeignet.

b) Erforderlichkeit

Die Norm verfügt über keine Subsidiaritätsklausel zur Regelung der Erforderlich-
keit. Es ist lediglich der Hinweis enthalten, dass „die Maßnahme nicht außer Ver-
hältnis zur Bedeutung der Sache“ stehen darf. Dadurch wird die Verhältnismäßig-
keit gerade nicht im Sinne einer Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben durch
den Gesetzgeber geregelt. Die Maßnahme darf nach dem Gesetzeswortlaut ohne
vorangehende Subsidiaritätsprüfung als Mittel erster Wahl genutzt werden. Dies ist
nach den Grundsätzen der Erforderlichkeit nicht zulässig. Die Einschüchterungs-
wirkung ist im Vergleich zu anderen Maßnahmen nicht herabgesetzt. Gerade wegen
der Parallele zur Rasterfahndung können durch die Maßnahme nach § 163d StPO
viele Personen als Verdächtige identifiziert werden, die nur durch äußere Merkmale
dem „eigentlich“ Verdächtigen ähneln. Denn sie geraten so persönlich ins Visier
der Strafverfolgungsbehörden. Bereits daher ist die Vorschrift verfassungswidrig,
da unverhältnismäßig.

c) Angemessenheit

Verfassungsrechtlich bedenklich ist – bei unterstellter Bestimmtheit – die Ange-


messenheit im Hinblick auf eine Kombination mit anderen Maßnahmen.12 Allein
die zeitliche Begrenzung auf höchstens 6 Monate kann die Angemessenheit nicht
gewährleisten.

IV. Zwischenergebnis

Die Vorschrift des § 163d StPO ist ein unbestimmter und unverhältnismäßiger Ein-
griff in die Grundrechte auf Freiheit von Einschüchterung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG
und daher verfassungswidrig.

12
Vgl. zum übergeordneten Problem der Maßnahmenkumulation unter § 35, II, 2, b).
§ 32 Ausschreibung zur polizeilichen
Beobachtung gemäß § 163e StPO

Die polizeiliche Beobachtung nach § 163e StPO ist im Gegensatz zu § 163d StPO
(Netzfahndung vermittels Datenspeicherung) nicht auf grenzpolizeiliche Kontrollen
und Personenkontrollen gemäß § 111 StPO beschränkt, erstreckt sich aber ande-
rerseits auch auf die Fahndung nach Kraftfahrzeugen durch die Überwachung von
KFZ-Kennzeichen. Zeitlich ist sie höchstens auf ein Jahr befristet. Im Gegensatz
zu § 163d StPO müssen persönliche Daten des Verdächtigen bereits feststehen, da
in § 163e Abs. 1 StPO vom „Beschuldigten“ die Rede ist.1 § 163e regelt die Da-
tenerhebung bei Gelegenheit von Polizeikontrollen und ist keine Befugnisnorm für
Kontrollen. Eine spezialgesetzliche Grundlage für die Verarbeitung und Nutzung
der Daten enthält § 163e StPO nicht. Die entsprechende Befugnis ergibt sich aus
§§ 483 ff. StPO.
Nach der Gesetzesbegründung ist die Regelung der Maßnahme darauf gerichtet,
ein Bewegungsbild des Betroffenen zu erstellen.2
Bei Personenkontrollen, die nicht anlässlich des konkreten Strafverfahrens
stattfinden, werden Daten der ausgeschriebenen Person aufgenommen und an die
Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Durch die Ausschreibung zur polizeili-
chen Beobachtung soll nicht direkt eine verdächtige Person festgenommen oder ein
gestohlenes Kraftfahrzeug beschlagnahmt werden. Hauptsächlich geht es darum,
einen Verdächtigen zu beobachten, um den Tatverdacht auf lange Sicht zu klären.
Die Maßnahme wird verdeckt durchgeführt.3

1
Vgl. Wolter in: Wohlers, SK-StPO, § 163d Rdn. 10.
2
BTDrucks 12/989 S. 43; Schoreit in: KK 6 , § 163e Rdn. 3.
3
BTDrucks 12/898 S. 43: „Aufgrund einer Ausschreibung der betreffenden Person wird sein An-
treffen anlässlich anderer polizeilicher Kontrollen [. . . ] einschließlich der dabei festgestellten
Umstände, die für die Aufklärung erheblich sein können (z. B. Begleitpersonen, Reiseweg, mitge-
führte Gegenstände), erfasst und zur Auswertung an die ausschreibende Strafverfolgungsbehörde
gemeldet. Der Betroffene erfährt nichts.“

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 433


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_32, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
434 § 32 Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung gemäß § 163e StPO

I. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Nach § 163e StPO kann nur ein sehr grobes Bild über den Aufenthalt von Perso-
nen bzw. Kraftfahrzeugen angelegt werden. Die Erstellung von Bewegungsprofilen
durch Erfassung von Mobiltelefon- oder Peilsenderdaten nach §§ 100a, 100g, 100h,
163f StPO wäre allerdings wesentlich genauer. Wegen der praktisch unvermeidbar
dünnen Kontrolldichte einer Maßnahme nach § 163e StPO ist eine kernbereichs-
relevante Überwachungsdichte nur theoretisch denkbar. Sie soll „wenn überhaupt
[. . . ] eher die zufallsbedingte Abrundung des Persönlichkeitsbildes als die gezielte
Ermittlung ermöglichen.“4 Die Ausschreibung zur Fahndung ist allein nicht ge-
eignet, Einblicke in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zu eröffnen.
Lediglich als Teil einer groß angelegten Überwachung des Betroffenen durch ei-
ne Maßnahmenkombination ist möglich, dass die Maßnahme zur Erforschung des
Kernbereichs beiträgt. Diese Frage wird gesondert zu beantworten sein.5

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Die Frage, ob ein Kernbereichsschutzkonzept notwendig ist, kann sich ebenfalls


nur zusammen mit dem grundsätzlichen Problem der Maßnahmenkombination be-
antworten lassen.

II. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

§ 160e StPO ist zwar für sich betrachtet kein Eingriff in den Kernbereich der pri-
vaten Lebensgestaltung, die Norm kann aber ein Eingriff in das abwägbare Grund-
recht auf Freiheit von Einschüchterung sein. Die Regelung der Ausschreibung zur
Fahndung kann etwa dazu führen, dass eine Person, die sich einem Strafverfah-
ren ausgesetzt sieht, bestimmte Orte meidet, an denen Polizeikontrollen stattfinden
bzw. stattfinden können, denn der Betroffene weiß nicht, ob die Polizei seine Da-
ten an die strafverfolgenden Stellen weitergibt. Daher greift die Regelung in das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ein.6

4
Schoreit in: KK 6 , § 163e Rdn. 3; Wolter in: Wohlers, SK-StPO, § 163e Rdn. 7.
5
Vgl. § 35.
6
Vgl. entsprechend § 31, II.
III. Rechtfertigung 435

III. Rechtfertigung

Die Regelung des § 163e StPO rechtfertigt den Eingriff in das Grundrecht auf Frei-
heit von Einschüchterung, wenn sie bestimmt und verhältnismäßig ist.

1. Bestimmtheit

Die Regelung der Maßnahme in § 163e StPO ist im Hinblick auf die Anlasstat „von
erheblicher Bedeutung“ unbestimmt und daher verfassungswidrig.7

2. Verhältnismäßigkeit

a) Geeignetheit

Die genannte Maßnahme kann zur Ermittlung von Tat und Täter beitragen. Sie ist
daher zum legitimen Zweck der Strafverfolgung geeignet.

b) Erforderlichkeit

In gewissem Widerspruch zur fehlenden Möglichkeit einer Kernbereichsbeeinträch-


tigung durch die Maßnahme nach § 163e StPO allein wird in der Literatur die
„langfristige und intensive Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte“ durch eine
Maßnahme nach § 163e StPO im Vergleich zum angeblich milderen § 163f StPO er-
wähnt.8 Wolter9 hält die strafprozessuale Regelung für unverhältnismäßig und nicht
unbedingt erforderlich. Krahl10 hält sie „weniger auf eine effektive Verfolgung der
OK“ als auf die „innenpolitische Wirkung ihrer Normierung“ gerichtet.
Die in § 163e Abs. 1 S. 4 StPO enthaltene Erforderlichkeitsklausel ist kein
schlichter Verweis auf die Verhältnismäßigkeit, sondern eine – wenn auch mini-
malistische und der verfassungskonformen Auslegung bedürftige – Umsetzung des
Erforderlichkeitsgrundsatzes.11

7
Vgl. bereits § 13, IV und das Beispiel aus der Gesetzesbegründung zu § 163e StPO § 13, IV, 2,
a).
8
Schoreit in: KK 6 , § 163f Rdn. 2.
9
Wolter in: SK-StPO, vor § 151 Rdn. 78; § 163e Rdn. 8.
10
Krahl, NStZ 1998, S. 342.
11
Vgl. das allgemeine Ergebnis zu den Erforderlichkeitsklauseln unter § 14, IV.
436 § 32 Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung gemäß § 163e StPO

c) Angemessenheit

aa) Ansicht in der Literatur

Nach der Ansicht von Schoreit ist die langfristige bundesweite geheime Datener-
fassung über eine Person „nur durch sehr handfeste ermittlungsmäßige Erfolgsaus-
sichten gerechtfertigt [. . . ], welche im Einzelfall überzeugend begründet werden
müssen.“12

bb) Eigene Ansicht

Die vorstehend dargelegten Bedenken der Literatur basieren auf rechtspolitischen


Ansichten über die Angemessenheit. Ein offensichtlicher Verstoß gegen den An-
gemessenheitsgrundsatz liegt nicht vor. Die Maßnahme selbst ist trotz des etwas
„dichter spannbaren Netzes“ der polizeilichen Kontrollen im Vergleich zur Netz-
fahndung nach § 163d StPO nicht unangemessen, wenn man von der gesondert zu
erörternden Maßnahmenkombination absieht.13 Wegen der praktischen Seltenheit
der Maßnahme ist der Einschüchterungseffekt gering. Die Bürger wissen, dass sie
eher selten einer Polizeikontrolle unterliegen. Die „diffuse“ oder allgegenwärtige
Bedrohungskulisse, die Kennzeichen der Einschüchterungswirkung ist, besteht hier
nur in abgeschwächtem Maß. Denn die Bürger müssen gerade nicht damit rech-
nen jederzeit bei allen möglichen Verrichtungen beobachtet zu werden, sondern
eben nur im Rahmen von bekanntermaßen seltenen Polizeikontrollen, bei denen er
zudem weiß, dass ihm der Staat gegenübertritt. Eine angemessene Regelung der
Anlasstat kann daher bei dieser nur gleichsam „zur Hälfte“ verdeckten Maßnahme
ohne weiteres unterstellt werden.

IV. Zwischenergebnis

Die Vorschrift des § 163e StPO ist im Hinblick auf die Anlasstat „von erheblicher
Bedeutung“ unbestimmt und daher verfassungswidrig.

12
Schoreit in: KK 6 , § 163e Rdn. 4.
13
Vgl. § 35.
§ 33 Längerfristige Observation
gemäß § 163f StPO

I. Verhältnis zwischen § 100h und § 163f Abs. 3 StPO

Die langfristige Beobachtung begrenzt die Maßnahmen nach § 100h StPO in zeitli-
cher Hinsicht und stellt die längerfristige Observation unter strengere Voraussetzun-
gen als die im Gegenschluss zu § 163f StPO kürzere Observation mit technischen
Mitteln nach § 100h StPO. Die Regelung des § 163f StPO gilt für Observationen
mit oder ohne technische Mittel. Die Voraussetzungen der kurzfristigen Observati-
on mit technischen Mitteln nach § 100h StPO oder § 100f StPO müssen bei Einsatz
technischer Mittel im Rahmen der längerfristigen Observation zusätzlich geprüft
werden.1 Die kurzfristige Observation ohne technische Mittel ist in § 161 Abs. 1
S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO geregelt und wird ebenfalls modifiziert. Die Ermitt-
lungsbehörden müssen allerdings nicht zwei verschiedene Anordnungen treffen, da
die Maßnahme nach § 100h StPO nicht auf einem bestimmten formalen Weg ange-
ordnet werden muss. Die Entschließung der Behörden bedarf also nur hinsichtlich
der langfristigen Observation regelmäßig einer durch einen Antrag der StA begrün-
deten Anordnung durch das Ermittlungsgericht, im Eilfall vorläufig durch die StA
allein. Für die formalen Anforderungen an die Anordnung wird auf § 100b StPO
verwiesen.

1
So die h. M. OLG Hamm NStZ 2009, S. 347; Meyer-Goßner, StPO54 , § 163f Rdn. 2 , der die
Voraussetzungen zusätzlich prüfen will. Dies trifft aber für § 100h StPO nicht zu, da § 163f StPO
insoweit die strengeren Anforderungen stellt.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 437


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_33, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
438 § 33 Längerfristige Observation gemäß § 163f StPO

II. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

1. Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Werden mittels langfristiger Observationen Bewegungsbilder des Betroffenen er-


stellt, ist nach h. M. der Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung nicht be-
troffen, wenn es sich um reine Standortbestimmung handelt.2 Dies ist zum Beispiel
der Fall, wenn das Fahrzeug eines Betroffenen mit einem Peilsender versehen wird.
§ 163f StPO lässt aber weit mehr als die relativ unpersönliche Standortproto-
kollierung zu. Mit modernen technischen Mitteln ist auch eine andauernde Bild-
und Tonüberwachung möglich. Eine solche wird jedoch nicht ununterbrochen an-
dauern, wenn sich der Betroffene in seine Wohnung zurückzieht oder andere nicht
ohne weiteres zu observierende Orte aufsucht. Aus der Sonderregelung des § 100c
StPO ergibt sich, dass eine Überwachung in Privaträumen nicht mit § 163f StPO
gerechtfertigt werden kann. Auch wenn die Maßnahme über die Standortbestim-
mung – etwa mittels GPS-Geräten – hinausgeht und Bildaufnahmen angefertigt
werden, verbleibt dem Betroffenen nur noch ein letzter, unbeobachteter Bereich
der persönlichen Lebensgestaltung, wenn er sich in seiner Wohnung aufhält.
Oben3 wurde dargelegt, dass eine langfristige Observation auch ohne eine Über-
wachung des Verhaltens in der Wohnung unter Umständen besonders intimes Ver-
halten des Betroffen erkennen lassen kann. Die Überwachung verletzt dann den
Kernbereich, wenn das Datenmaterial so umfangreich ist, dass die bestehenden
Überwachungslücken – etwa durch sporadischen Aufenthalt in der Wohnung – so
klein sind, dass sich trotz der Überwachungspausen ein Persönlichkeitsprofil des
Betroffenen erstellen lässt. Auch in diesen Fällen wird Einblick in den Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung genommen.4 Dies ist auch durch eine Kombination
der Maßnahmen im Rahmen der § 163f StPO möglich, z. B. durch eine andauernde
Observation mittels fliegenden mit Kameras bestückten Drohnen und etwa in den
Schuhen des Betroffen installierten Peilsendern.5 Wesentlich wahrscheinlicher ist
zudem, dass bei der Länge der Beobachtung Aufnahmen aus dem Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung angefertigt werden. So können natürliche Sicherungen
wie Entfernung zu bebautem Gebiet oder der Schutz der Nacht leicht überwunden
werden. In solchen Situationen ist auch außerhalb von Wohnungen kernbereichsre-
levantes Verhalten zu erwarten. Im Rahmen des § 163f StPO ist solches wegen der

2
Roggan, Grenzenlose Ortung im Strafverfahren?, S. 153; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO54 ,
§ 163f Rdn. 2.
3
Vgl. § 8.
4
Vgl. zu der Kombination mehrerer unter verschiedene Spezialregelungen zu subsumierender
Maßnahmen § 35.
5
Eine Überwachung mittels Funk-Peilsendern, GPS- oder RFID-Technik erstellt zwar kein Foto
des Betroffenen, kann aber Informationen durch bildgebende Verfahren liefern (Navigations-
software) oder per Zuordnung der entstandenen Daten zur Erstellung von Bewegungsprofilen
beitragen.
III. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG 439

langen Dauer eher zu erwarten als bei dem subsidiären § 100h StPO für kurzfris-
tige Überwachungen. Eine totale Bild- und Bewegungsüberwachung außerhalb der
Wohnung kann allerdings, weil eine Tonaufnahme fehlt, nur in Ausnahmefällen die
Anfertigung eines Persönlichkeitsprofils ermöglichen.

2. Kernbereichsschutzkonzept?

Aber auch zur Vermeidung der berechenbaren Ausnahmefälle muss eine rechtliche
Schutzvorkehrung bestehen. Eine zeitliche Befristung ist dafür allein nicht ausrei-
chend. Die Befristungen können verlängert werden und der prüfende Ermittlungs-
richter findet im Gesetz keinen Hinweise darauf, eine Verlängerung zu unterlassen,
weil die Beobachtung zu umfassend ist. Die Regelung der längerfristigen Obser-
vation muss durch ein inhaltliches Verbot der Totalüberwachung ergänzt werden,
sonst ist sie verfassungswidrig.
Wie oben dargelegt, ist ein Kernbereichsschutzkonzept schon bei der kurzfris-
tigen Observation nach § 100h StPO notwendig.6 Dann muss es erst recht bei der
langfristigen Observation erforderlich sein. Durch die Länge der Observation steigt
im Vergleich zu kurzfristigen Observationen die Gefahr, dass kernbereichsrelevante
Inhalte beobachtet, bildlich festgehalten und später verwertet werden. Nach dem
BVerfG ist bei längerfristigen Observationen auch darauf zu achten, dass nicht mit-
tels Rundumüberwachung ein Persönlichkeitsprofil des Betroffenen ermittelt wird.
Um dies zu verhindern, müssen die strafprozessualen Vorschriften über „allgemeine
verfahrensrechtliche Sicherungen“ verfügen, welche die Erstellung von Persönlich-
keitsprofilen verhindern.7

III. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von


Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG

Wie bereits bei § 100h StPO gezeigt,8 wird durch eine technische verdeckte Ob-
servation in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung eingegriffen. Das
gleiche gilt für eine Kombination der längerfristigen Observation mit dem Einsatz
technischer Mitteln.9 Aber auch die längerfristige Observation ohne technische Mit-
tel hat unter Umständen einen handlungsbeeinflussenden Einschüchterungseffekt.
Wenn die Bürger damit rechnen müssen, dass sie bei jeder Verrichtung des tägli-
chen Lebens außerhalb ihres Hauses von Polizeibeamten heimlich verfolgt werden,
stellt sich auch bei unverdächtigen Personen Angst vor dieser Art der Überwachung

6
Vgl. § 27, II, 2, b), § 27, I, 1.
7
BVerfGE 112, 304, 319.
8
Vgl. § 27, II, 3.
9
Vgl. zur Kombination mit anderen Maßnahmen noch § 35.
440 § 33 Längerfristige Observation gemäß § 163f StPO

ein, da sie nicht wissen wer, wann, wo, von wem beschattet wird. Deshalb werden
Einzelne, die einen Anlass für konkrete Überwachung bieten, möglichst Orte mei-
den, an denen sie unbemerkt beschattet werden können.

IV. Rechtfertigung

Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn die Regelung des § 163f StPO bestimmt und
angemessen ist.

1. Bestimmtheit

Hinsichtlich der Bestimmtheit ist wie bei den meisten anderen Vorschriften der
verdeckten Maßnahmen die Regelung der Anlasstat problematisch. Die Einwände
gegen § 100h StPO10 gelten entsprechend auch gegen § 163f StPO. Die im Ver-
gleich zu § 100h StPO verschärfte Anordnungsvoraussetzung des Richtervorbehalts
in § 163f Abs. 3 StPO beseitigt nicht das Problem der fehlenden Bestimmtheit der
Anlasstat. Die Versuche in der Literatur11 und der Rechtsprechung,12 die Anlas-
staten gegen Bagatelldelikte abzugrenzen, offenbaren die durch die Gesetzgebung
verursachte Hilflosigkeit der Rechtsanwender und führen zu mangelnder Rechtssi-
cherheit. So soll nach der Rechtsprechung bereits die abstrakte Höchststrafe von
einem Jahr für die Tat von erheblicher Bedeutung ausreichen, ohne dass überhaupt
auf die Bedeutung der Tat im konkreten Einzelfall eingegangen wird.13
Teilweise entschließt man sich in der Literatur offenbar mangels gesetzlichen
Maßstabs in der StPO unter der Hand zu einem Rückgriff auf das allgemeine Ver-
hältnismäßigkeitsprinzip, um den Begriff der „Straftat von erheblicher Bedeutung“
in diesem speziellen Fall zu festigen. Im Vergleich zu § 163e StPO, der ebenfalls
den Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung voraussetzt, könne an § 163f
StPO nur ein „weniger strenger Maßstab angelegt werden“,14 weil das Gewicht
des Grundrechtseingriffs durch § 163f StPO „als zu gering und etwa im Vergleich
zu § 163e StPO als nicht dem Gewicht des Grundrechtseingriffs entsprechend an-
gesehen“ wird.15 Dies sind Angemessenheitsabwägungen, die eindeutig nur zu den
Aufgaben des Gesetzgebers gehören.16 Außerdem ist der Vergleich mit § 163e StPO
auch kriminalpolitisch nicht überzeugend. Die Wirksamkeit einer geheimen Aus-

10
Vgl. § 27, III.
11
Meyer-Goßner, StPO54 , § 163f Rdn. 4.
12
LG Kaiserslautern, NStZ 2006, 516, 517.
13
LG Kaiserslautern, NStZ 2006, 516, 517.
14
Schoreit in: KK 6 , § 163f Rdn. 14.
15
Schoreit in: KK 6 , § 163f Rdn. 13 unter Bezugnahme auf Krehl, JR 2001, S. 491, 495.
16
Vgl. schon die oben gefundenen allgemeinen Ausführungen und Ergebnisse zur Angemessen-
heit unter § 9, II, 6 und unter § 13, IV zur Straftat „von erheblicher Bedeutung“.
V. Zwischenergebnis 441

schreibung zur Fahndung ist im Vergleich zur Observation sehr bescheiden. Ob der
Betroffene überhaupt bei einer Kontrolle registriert wird, ist mehr als unsicher.

2. Verhältnismäßigkeit

a) Geeignetheit

Die genannte Maßnahme kann zur Ermittlung von Tat und Täter beitragen. Sie ist
daher zum legitimen Zweck der Strafverfolgung geeignet.

b) Erforderlichkeit

Die in § 163f Abs. 1 StPO enthaltene Subsidiaritätsklausel ist kein schlichter Ver-
weis auf die Verhältnismäßigkeit, sondern eine verfassungskonforme Umsetzung
des Erforderlichkeitsgrundsatzes.17

c) Angemessenheit

Wegen der Unbestimmtheit der Anlasstat ist die Angemessenheit nicht eindeutig zu
beurteilen. Eine Anhebung des Anlasstatenniveaus auf Taten nach dem Katalog des
§ 100a StPO, die auch im Einzelfall eine Strafe von mindestens einem Jahr erwarten
lassen, ist aber nicht notwendig. Die genaue Abgrenzung bleibt der Einschätzungs-
prärogative des Gesetzgebers überlassen.

V. Zwischenergebnis

Die Vorschrift des § 163f StPO verstößt gegen das Recht auf einen unbeobachte-
ten Kernbereich privater Lebensgestaltung nach Art. 1 Abs. 1 GG und ist deshalb
verfassungswidrig. Sie bietet keine ausreichende Vorsorge gegen Extremfälle, in
denen eine Totalüberwachung durch visuelle Observation erfolgt und gleichzei-
tig Bewegungsprofile mittels Sendern angefertigt werden, die Ortskoordinaten an
die Ermittlungsbehörden übermitteln. Außerdem besteht kein Schutzkonzept zur
Vermeidung von punktuellen visualisierten Aufnahmen aus dem Kernbereich pri-
vater Lebensgestaltung außerhalb von Wohnungen. Die Regelung ist ferner eine
Verletzung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung, da sie hinsichtlich
der Anlasstaten unbestimmt ist.

17
Vgl. das allgemeine Ergebnis zu den Erforderlichkeitsklauseln unter § 14, IV.
§ 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen gemäß
§ 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO

Einige der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen werden nicht unter


die im Vorhergehenden behandelten speziellen Regelungen subsumiert. Stattdessen
soll die sog. Ermittlungsgeneralklausel gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2
StPO die gesetzliche Verankerung für diese Maßnahmen bieten:
„Es gilt der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, der auch das ver-
deckte Führen von Ermittlungsmaßnahmen erlaubt (BGHSt 42, 139, 150; Hofmann NStZ
2005, 123f).“1

I. Generalklausel als Eingriffsbefugnis oder als


Aufgabenzuweisung?

Ob in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung und das Grundrecht auf Frei-
heit von Einschüchterung eingegriffen werden kann, hängt von der Frage ab, ob
die Generalklausel eine Aufgabenzuweisung oder eine Eingriffsbefugnis ist. Der
Gesetzgeber hat sich mit der Formulierung „ist befugt“ in § 163 S. 2 StPO ausdrück-
lich für eine Befugnis und nicht nur für eine Aufgabenzuweisung entschieden. Die
sog. Ermittlungsgeneralklausel ist ausdrücklich subsidiär zu anderen speziellen Re-
gelungen. Die Polizei „ist befugt, Ermittlungsmaßnahmen jeder Art vorzunehmen,
soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.“ Die
reformierte Generalklausel ist daher nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätz-
lich Befugnisnorm und nicht nur Aufgabenzuweisung.2
Welche dieser Fallkonstellationen tatsächlich zu den verdeckten strafprozessua-
len Ermittlungsmaßnahmen zählen und ob diese in Grundrechte der Betroffenen
eingreifen, ist unklar. Bei solchen Grundrechtseingriffen durch und aufgrund der
Generalklausel, drängt sich die Frage nach Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit
der weitgefassten Generalklausel auf. Diese Fragen können nur exemplarisch in

1
Griesbaum in: KK 6 , § 161 Rdn. 12.
2
Vgl. Hefendehl, StV 2001, S. 700 ff.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 443


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_34, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
444 § 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

den im Folgenden dargestellten drei Fallgruppen, „Beschattung ohne technische


Mittel“, „V-Person“ und „Hörfallen“ erläutert werden:

II. Beschattung ohne technische Mittel

Die schlichte heimliche Beschattung ohne technische Mittel unterfällt der General-
klausel.

Beispiel 62 Der Polizeibeamter P folgt dem Verdächtigen X in einigem Abstand.


Wenn X sich umdreht, versteckt sich P oder schaut in eine andere Richtung.

Im Gegensatz zum Verdeckten Ermittler besteht hier keine Legende unter wel-
cher der Beamte mit dem Betroffenen oder Dritten interagiert. Im Vergleich zu
§ 100h StPO besteht der Unterschied, dass keine technischen Mittel zur Observation
eingesetzt werden.

1. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

a) Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Die Beschattung eröffnet auch die Möglichkeit, Kenntnisse aus dem Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung zu ermitteln. Der sich verborgen haltende Beamte
kann etwa ein sehr persönliches Gespräch des Betroffenen mit seiner Geliebten in
der abgelegenen Natur belauschen.

b) Kernbereichsschutzkonzept?

Da die Einblicknahme in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung möglich


ist, muss ein entsprechendes Schutzkonzept die Gefahren minimieren. Ein solches
spezielles Konzept ist nicht vorhanden. Die Norm ist verfassungswidrig. weil sie
eine Missachtung der Menschenwürde zulässt.

2. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

Die Maßnahme greift in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ein. Eine
Person, die befürchten muss beschattet zu werden, wird Anlass haben, die eigene
Wohnung seltener als gewünscht zu verlassen.
III. V-Person und „Hörfallen“ 445

Auch die unspezifischen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sind mit Eingriffen


in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung verbunden, die einigen beson-
ders geregelten Eingriffen nicht in der belastenden Wirkung auf den Betroffenen
nachstehen. Ob der Betroffene durch einen Polizisten im öffentlichen Raum foto-
grafiert wird oder ob er von Polizisten heimlich beschattet wird, kann nicht auf einer
abstrakten Ebene der Art nach in eine Reihenfolge gebracht werden.

Beispiel 63 Das verschwommene Foto auf einem öffentlichen Parkplatz kann für
den Betroffenen sowohl objektiv als auch subjektiv eine geringere Gefahr für das
Entstehen von Einschüchterungseffekten darstellen als die verdeckte Überwachung
durch beschattende Beamte, weil das Foto objektiv nicht beweiserheblich und sub-
jektiv nicht als bedrohlich angesehen wird. Aus einer normalen verdeckten Be-
schattung ohne den Einsatz technischer Überwachungsmittel können sich hingegen
objektiv hilfreiche Ermittlungsansätze zu Lasten des Betroffenen ergeben. Selbst
das Abhören eines Telefongesprächs kann unter Umständen belanglos sein, im Ge-
gensatz zum heimlichen Infiltrieren des Privatbereichs durch Veranlassen der Spit-
zeltätigkeit von Freunden (als V-Personen).

III. V-Person und „Hörfallen“

Mit einer V-Person3 ist eine Vertrauensperson gemeint. Das sind oftmals selbst dem
kriminellen Milieu entstammende Personen, die polizeibekannt sind, aber mit Er-
mittlungsbehörden zusammenarbeiten.4 Die Ermittlungsgeneralklausel erfasst nach
ihrem Wortlaut die Führung von V-Personen.5 Die Generalklausel enthält keine Be-
schränkungen, sondern ist nach ihrem Wortlaut allein durch den kriminalistischen
Bedarf bedingt.6 Eine „Hörfalle“ kann auf unterschiedliche Weise mit Hilfe des Ein-
satzes von V-Personen entstehen und kann nicht trennscharf vom schlichten Einsatz
von V-Personen als Kundschafter abgegrenzt werden.7 Insoweit sind für die vorlie-
gende Untersuchung verschiedene Konstellationen zu unterscheiden:
1. Die Ermittlungsbeamten laden den Beschuldigten zur Vernehmung vor. Der
Raum wird heimlich akustisch überwacht. Nachdem der Beschuldigte oder
Zeugnisverweigerungsberechtigte von seinem Schweigerecht gebraucht ge-
macht hat, lassen ihn die Beamten mit einer V-Person allein.

3
Vgl. zur V-Person die umfangreiche Darstellung bei Ellenbogen, Die verdeckte Ermittlungstätig-
keit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten.
4
Vgl. auch schon oben die Erörterung bei der Darstellung der Regelung des Einsatzes Verdeckter
Ermittler, § 30, II, 2.
5
So auch die h. M. jedenfalls für nicht aktiv auf Selbstbelastung hinwirkende V-Personen, vgl.
BGH NStZ 10, 528; undifferenziert Meyer-Goßner, StPO54 , § 161 Rdn. 1 und § 110a Rdn. 4a.
6
Vgl. Meyer-Goßner, StPO54 , § 161 Rdn. 1: „Ermittlungen jeder Art“; vgl. auch Wollweber, NJW
2000, S. 3623.
7
Vgl. BGHSt 40, 211; BGH NStZ 1995, 557; Roxin, NStZ 1997, S. 18; Roxin, S. 465 ff.
446 § 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

2. Alternativ wird der Raum nicht überwacht, aber die V-Person sagt über das Ge-
spräch mit dem Beschuldigten aus.
3. Die Ermittlungsbehörden nehmen über eine V-Person telefonischen Kontakt zu
einem Verdächtigen oder sonst für das Verfahren wichtigen Zeugen auf. Die V-
Person lässt die Anwesenden staatlichen Ermittlungspersonen über einen Zweit-
hörer oder Lautsprecher mithören.
4. Eine Privatperson – etwa das Opfer einer Straftat – nimmt auf eigene Initiative
Kontakt mit der Polizei auf und bittet die Ermittlungsbeamten ein Telefonat mit
dem Beschuldigten mitzuhören.
5. In den Fällen 1–4 setzt befragt die V-Person den Beschuldigten nicht nur, son-
dern setzt ihn unter starken psychischen Druck, so dass er sich genötigt sieht der
V-Person Geheimnisse zu verraten.
Nr. 1–2 sind – soweit aufgenommen wird – unter § 100f StPO zu subsumieren. Der
Einsatz der V-Person ergibt sich aber nicht als Annexkompetenz aus § 100f StPO,
sondern muss sich aus der Ermittlungsgeneralklausel ableiten lassen. Dies gilt erst
Recht, wenn keine technischen Mittel der Überwachung eingesetzt werden.
Die „Telefon-Hörfallen“ in Nr. 3–4 sind weder unter Art. 10 GG noch unter
§ 100a StPO zu subsumieren. Vielmehr greifen diese Ermittlungsmaßnahmen in
das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ein. Damit korrespondiert eine
Einordnung der Hörfalle als technische Überwachung des gesprochenen Worts nach
§ 100f StPO, wenn technisch aufgezeichnet wird oder als ungeregelte Maßnahme
der Ermittlungsgeneralklausel nach § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO, wenn
ohne weitere technische Geräte mitgehört wird.

1. Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG

a) Möglichkeit eines Einblicks in den Kernbereich der privaten


Lebensgestaltung

Bei einem nicht durch technische Mittel aufgezeichneten Gespräch in einer Hörfal-
le besteht in etwa die gleiche Wahrscheinlichkeit, Gespräche aus dem Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung mitzuhören, wie bei anderen Gesprächsüberwachun-
gen, zum Beispiel nach §§ 100a, 100f StPO. Weil der eine Gesprächspartner mit
der Polizei zusammenarbeitet, wird er das Gespräch eventuell nicht auf kernbe-
reichsrelevante Themen lenken, aber diese Annahme hängt von den Umständen des
Einzelfalls ab. Wenn die Ermittlungsbehörden ein vom Betroffenen für vertraulich
gehaltenes Telefongespräche mithören, können auch Äußerungen des Betroffenen
fallen, die sehr private Umstände seines Lebens betreffen. Es spielt keine Rolle, dass
der Gesprächspartner, der die Ermittlungsbehörden mithören lässt, das Vertrauen
bricht. Damit endet der Grundrechtsschutz nicht, weil der Dritte den Kernbereichs-
III. V-Person und „Hörfallen“ 447

schutz nicht einseitig aufheben kann, ohne diesem anderen deutlich zu machen.8
Die V-Person kann die gleichen Handlungen kann über das Einzelgespräch hinaus
Handlungen wie ein Verdeckter Ermittler durchführen, insbesondere in den fami-
liären und freundschaftlichen Bereich des Betroffenen eindringen. Daher gelten
die zu § 110a StPO gefundenen Ergebnisse grundsätzlich entsprechend. Allerdings
enthält die Generalklausel keine § 110a Abs. 2 und 3 StPO entsprechende Beschrän-
kungen für die Handlungen der V-Person. Wie schon der Verdeckte Ermittler nach
§ 110a StPO in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eindringen kann, ist
dies auch der V-Person möglich.

b) Kernbereichsschutzkonzept?

Ein Kernbereichsschutzkonzept findet sich in der Generalklausel nicht. Schon damit


ist die Generalklausel verfassungswidrig.

2. Verletzung des Nemo-tenetur-Prinzips aus Art. 1 Abs. 1 GG

Oben wurde dargelegt, dass unter Umständen eine Verletzung des Nemo-tenetur-
Prinzips bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in Betracht kommen kann.

a) Ansicht der Rechtsprechung

Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass durch den Einsatz ei-
ner Hörfalle kein Verstoß gegen die Belehrungspflichten aus § 163a Abs. 4, 136
Abs. 1 StPO gegeben sei. Auch eine Missachtung der Menschenwürde kann daher
nicht vorliegen. Diese Rechtsprechung ist jüngst unter Einbeziehung sich durch den
Einsatz von V-Personen ergebenden „vernehmungsähnlichen Situationen“ bestätigt
worden. Solange die V-Person nicht in amtlicher Position auftrete, sei die Drucksi-
tuation nicht mit einer Vernehmung vergleichbar.9 Auch die Täuschungsalternative
des § 136a wird sowohl in direkter als auch analoger Anwendung verneint. Die
Täuschungsalternative sei bei systematischer Auslegung eng zu verstehen.10 Der
BGH behandelt nach den eben genannten Ausführungen das Nemo-tenetur-Pinzip
als solches und verneint auch insoweit einen Verstoß.11 Dieser könne zwar unter
Umständen beim Einsatz einer V-Person bzw. Hörfalle vorliegen, aber nur wenn die

8
Siehe § 8.
9
BGH NStZ 2011, 596 m. w. N.
10
BGH NStZ 2011, 596.
11
BGH NStZ 2011, 596.
448 § 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

V-Person Zwang anwende oder eine „psychischer Druck“ gleichkommende Täu-


schung vornehme.12

b) Ansichten in der Literatur

Nach h. L. kann die Hörfalle eine vernehmungsähnliche Situation darstellen, die


die entsprechende Anwendung des § 136a in der Täuschungsalternative erfordert.
Denn es werde beispielsweise der irrige Eindruck erweckt, der Vernommene könne
in einer Vernehmungspause frei von Überwachung mit einem Dritten sprechen. Da-
neben werden viele differenzierende Ansichten vertreten, die hier nicht alle erläutert
werden können, aber im Wesentlichen nachvollziehbar mit der Täuschungsalterna-
tive des § 136a StPO oder der Umgehung der Belehrungspflichten nach § 136 StPO
argumentieren: Es handele sich um eine „staatlich arrangierte Lüge“.13 Teilweise
wird aber Mangels aktiver kommunikativer Einwirkung durch den Staat die Täu-
schung abgelehnt.14

c) Eigene Ansicht

Die Rechtsprechung ist mit der bereits oben dargelegten Argumentation15 zu unter-
stützen: Auf bloß beobachtende verdeckte Ermittlungsmaßnahmen ist das Nemo-
tenetur-Prinzip nicht anwendbar. Der Einsatz von V-Personen und Hörfallen ist
nicht nur beobachtend16 sondern wirkt mitunter auch unmittelbar veranlassend bzw.
aktivierend auf den Betroffenen. Eine solche gemischt aktivierende und beobach-
tende Maßnahme missachtet nur dann das Nemo-tenetur-Prinzip, wenn ein psychi-
scher Druck entfaltet wird, der staatlichem Zwang oder staatlicher Täuschung zur
Selbstbelastung gleichkommt. Die oben genannten Fälle 1.–4. sind also gleich zu
behandeln. Lediglich in Fall 5. ergibt sich eine Verletzung der Menschenwürde.
Weniger intensiver Einfluss auf die Handlungssteuerung – in diesem Fall zu Selbst-
belastung – fällt unter den Schutz des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchte-
rung. Da ein solches psychologisch perfides Vorgehen der V-Personen aber von der
Generalklausel umfasst ist, ist die Norm bereits insoweit verfassungswidrig. Eine
Vorschrift, die den Einsatz von V-Personen gesondert regelt, müsste nicht nur ein
Kernbereichsschutzkonzept, sondern ein umfassendes Menschenwürdeschutzkon-

12
Vgl. dazu BGHSt 52, 11.
13
Salditt, AnwBl 1999, S. 134. Vgl. insoweit die Darstellung bei Guder, S. 50 ff. Vgl. auch zur
strittigen Einordnung der „Hörfallen“ als Probleme des Nemo-tenetur-Prinzips vgl. Eisenberg,
Beweisrecht der StPO: Spezialkommentar, Rdn. 638; Eisenberg, JR 2011, S. 1299 ff.; Sternberg-
Lieben, Jura 1995, S. 299 ff.; Krehl, StV 1988, S. 376; Rieß, NStZ 1996, 505 f.; Fezer, NStZ 1996,
S. 289 ff.; Lagodny, StV 1996, S. 167 ff.
14
Vgl. Bosch, 240 Fn. 46.
15
Vgl. § 8, V, 3.
16
Und damit nur mittelbar handlungsbeeinflussend, vgl. das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung § 8, III, 4.
III. V-Person und „Hörfallen“ 449

zept enthalten. Der Einsatz der V-Personen muss de lege ferenda in einer speziellen
Standardmaßnahme (zum Beispiel im Rahmen des § 110a StPO) geregelt werden,
wenn nicht ganz auf die Maßnahme verzichtet werden soll.

3. Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung


aus Art. 2 Abs. 1 GG

Die Maßnahme greift in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung ein, wenn
die Folgen der Führung von V-Personen einen Einschüchterungseffekt haben und
diese Folgen zurechenbar durch die Strafverfolgungsbehörden verursacht wurden.
In der Literatur wird ein Grundrechtseingriff durch den Einsatz von V-Personen be-
reits seit langem diskutiert. Rechtsprechung und h. M. gingen lange davon aus, dass
es an einem Grundrechtseingriff fehle.17 Eine Minderheitenansicht in der Literatur
ging schon früh wegen der Absenkung der Anforderungen an den Eingriffsbegriff
davon aus, dass in jedem Falle ein Grundrechtseingriff bei Einsatz von V-Personen
vorliege.18 Das BVerfG hat seine Rechtsprechung geändert und differenziert nun
danach, ob die V-Person die Informationen lediglich „passiv“ aufnimmt oder „ak-
tiv“ darauf hinarbeitet, dem Betroffenen belastende Äußerungen zu entlocken.19
Diese Differenzierung ist nach dem hier vertretenen Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung aufzugeben. Der Eingriff hängt nicht davon ab, ob der Betroffe-
ne „aktiv“ oder „passiv“ überwacht wird. Auch das Abhören eines Selbstgesprächs
mit einem unbemerkten elektronischen Gerät ist ein Eingriff. Es kann keinen Un-
terschied machen, ob der Betroffene durch einen Menschen oder ein elektronisches
Gerät überwacht wird:

Beispiel 64 X ist des illegalen Betäubungsmittelhandels verdächtig und daher Be-


schuldigter in einem Strafverfahren. Die Ermittlungsbehörden haben eine elektro-
nische Abhörwanze im Halsband seines Hundes versteckt. Während eines Spazier-
gangs redet X auf seinen Hund ein und schimpft dabei auf die Abnehmer seiner
verbotenen Ware.

Diese Maßnahme nach § 100f StPO ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit
von Einschüchterung.

Beispiel 65 In Abwandlung des vorangegangenen Beispiels schicken die Behör-


den einen Informanten V aus der Drogenszene als scheinbaren Interessenten in den
Park, in dem X mit Heroin handelt. V macht offensichtlich den Eindruck eines

17
BGHSt 32, 121 f.; 40, 211, 215 f.; BVerfG NStZ 1991, 445; 1995, 600; Krey, JR 1992, S. 3;
Jähnke, Verwertungsverbote und Richtervorbehalt beim Einsatz Verdeckter Ermittler, S. 430.
18
Vgl. Krüger, S. 855 f.; Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, S. 232 f. Die Diskussion
ist nach wie vor aktuell und ungelöst, vgl. BGHSt 52, 11, 17; Mahstedt, S. 25; Roxin, NStZ-
Sonderheft Miebach 2009, S. 41.
19
BVerfG StV 2000, 233; vgl. auch Lesch, JA 2000, S. 638 f.
450 § 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

Suchtkranken auf Entzug. Er setzt sich neben X auf die Parkbank und beginnt ein
Gespräch über das Wetter. Der ein Geschäft witternde X bringt von sich aus das
Thema auf seine Tätigkeit als „Dealer“. V berichtet den Gesprächsinhalt sofort dar-
auf der Kriminalpolizei.

Warum die elektronischen Aufnahmen und das menschliche Abhören im Hin-


blick auf den Grundrechtseingriff anders zu werten sein sollen, erschließt sich nicht.
Zwar könnte man argumentieren, der Betroffene wisse, dass er einem Fremden et-
was erzähle und ihm sei daher auch klar, dass dieser fremde Mensch im Gegensatz
zum Hund aus dem ersten Beispiel Informationen an die Polizei weitergeben könne.
Weiter wäre diese Ansicht mit dem Argument zu untermauern, dass der Betroffene
kein schutzwürdiges Vertrauen zu dem Fremden aufgebaut habe. Dies überzeugt
nicht. Denn nicht nur der Kontakt innerhalb bereits geschlossener Vertrauensbe-
ziehungen ist vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst, sondern
auch die Nutzung der Chance, neue Kontakte zu knüpfen. Wenn der Betroffene
aber damit rechnen muss, dass jeder Fremde ein Polizeispitzel sein kann, entsteht
ein nennenswerter Einschüchterungseffekt, der ihn davon abhalten kann, Menschen
kennenzulernen und ihnen zu vertrauen. Dieses Beispiel zeigt darüber hinaus, dass
aktives Befragen und passives Zuhören und Beobachten kaum sinnvoll gegeneinan-
der abgrenzbar sind. Ist das Gespräch über das Wetter passiv? Oder ist schon das
Platznehmen auf der Parkbank aktive Manipulation des Betroffenen? Muss erst ei-
ne konkrete Frage nach einer begangenen Straftat gestellt werden? – Diese Fragen
lässt das BVerfG offen.20 Jeder heimliche Überwachungseinsatz einer V-Person ist
daher ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung, soweit das
Handeln der V-Person dem Staat im Sinne des oben dargestellten Eingriffsbegriffs
zurechenbar ist.21
Für die Zurechnung des Erfolges zum staatlichen Handeln ist dabei weiter zu
unterscheiden, ob die V-Person auf eigene Initiative oder auf Veranlassung der
Strafverfolgungsbehörden Informationen liefert. Diese Maßnahme ist nicht von An-
fang an geheim durchgeführt. Dabei fehlt es auch am Kausalzusammenhang, der
für jedwede Zurechnung notwendig ist. Der Staat veranlasst das geheime Vorge-
hen nicht, sondern nutzt vielmehr das verdeckte Vorgehen eines anderen lediglich
aus. Das heimliche Überwachen Betroffener durch V-Personen muss allerdings dem
Staat zugerechnet werden, wenn es durch Initiative der Ermittlungsbehörden veran-
lasst wurde.22 Der Staat kann nicht durch den Aufbau eines „Spitzelwesens“ die
Anforderungen umgehen, die ihm für den Einsatz eigener verdeckter Beamter aus
der Verfassung vorgegeben werden.

Beispiel 66 Eine Veranlassung ist auch bereits dann gegeben, wenn lokal bekannt
ist, dass die Polizei Spitzeldienste in bestimmten Milieus belohnt und etwa Klein-
Dealer daher freiwillig in Drogenhändlerkreisen „ermitteln“. Kommt hinzu, dass V-

20
Vgl. BVerfG StV 2000, S. 233, 234.
21
Vgl. zum Eingriffsbegriff § 7, III; § 7, III, 5, c); § 8, III, 4, a). Für einen Eingriff auch Duttge,
JZ 1996, S. 556 ff., der ebenfalls für eine spezialgesetzliche Regelung de lege ferenda vorschlägt.
22
Ähnlich Wolter in: SK-StPO, § 110a Rdn. 14; vgl. auch Lagodny, StV 1996, S. 172.
III. V-Person und „Hörfallen“ 451

Personen Erkenntnisse gegen Geld oder dass V-Personen deswegen Informationen


an die Polizei weitergeben, weil sie begründet davon ausgehen können, dass die
Polizei dann nicht gegen sie selbst ermitteln wird, muss das Verhalten der privaten
Spitzel den Strafverfolgern im Sinne des modernen Eingriffsbegriffs23 zugerechnet
werden.

Wenn das Gespräch zweier Menschen durch die Ermittlungsbehörden belauscht


wird, kann das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung des einen Gesprächs-
partners nicht dadurch aufgehoben werden, dass der andere Gesprächsteilnehmer
staatliche Behörden mithören lässt und so seine Grundrechte an Privatsphäre, am
eigenen Wort und eigenen Bild nicht wahrnimmt. Auch das Gespräch eines Priva-
ten mit einem anderen Privaten ist grundsätzlich bereits dann durch das Grundrecht
auf Freiheit von Einschüchterung bzw. durch das Grundrecht auf Privatsphäre und
das Recht an Wort und Bild geschützt, wenn auch nur eine Seite aus objektiven
Gründen davon ausgehen darf, dass es sich um ein vertrauliches Gespräch handelt.
Der Staat greift aktiv in die genannten Grundrechte ein, wenn er einen Gesprächs-
teilnehmer zum Vertrauensbruch veranlasst. Tritt der Gesprächspartner demjenigen,
der Vertrauen erwartet, offen im Hinblick auf passive ermittlungsbehördliche Teil-
nahme gegenüber, kann sich jener selbst entscheiden, ob er weitersprechen möchte.
Lässt der Gesprächspartner den Betroffenen im Unklaren darüber, kann er sich
nicht ohne Willensmangel entscheiden. Das Interesse des einen, unbeobachtet zu
sprechen, widerspricht dem Interesse des anderen, die Ermittlungsbehörden hinzu-
zuziehen. Während es ein Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung gibt, steht
dem Interesse der Gegenseite kein Grundrecht zu, mit dem anderen unter staatlicher
Beobachtung zu sprechen. Dies könnte sich höchstens in besonderen Fällen aus der
staatlichen Schutzpflicht auf Sicherheitsgewährleistung ergeben.
Der Vertrauende hat danach zwar kein Grundrecht gegen den Kommunikations-
partner auf Vertraulichkeit, doch ein Recht gegen den Staat, in einem Gespräch
nicht heimlich belauscht zu werden. Das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchte-
rung endet nicht damit, dass ein anderer quasi eine Vereinbarung zu Lasten Dritter,
nämlich des Betroffenen, mit dem Staat trifft.
Die Hörfalle ist wie der Einsatz von V-Personen auch dann ein Eingriff, wenn
er einseitig auf Initiative des Dritten erfolgt.24 Jedes geheime Überwachen einer
privaten Kommunikation durch den Staat ist nach dem modernen Eingriffsbegriff25
ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung nach Art. 2 Abs. 1
GG.
Eine andere Frage für alle Fallgruppen der Generalklausel gemeinsam zu klären-
de Frage ist, ob die § 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO eine bestimmte und
verhältnismäßige Regelung des Einsatzes von V-Personen darstellen.

23
Vgl. § 8, III, 4, g).
24
Zufälliges Mithören ist nur dann kein Eingriff, wenn es nicht zurechenbar ist, vgl. dazu die
Erläuterung des Eingriffsbegriffs unter § 7, III.
25
Vgl. § 7, III.
452 § 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

IV. Rechtfertigung der Eingriffe

§ 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO ist nur dann eine ausreichende Rechts-
grundlage für in Grundrechte eingreifende verdeckte strafprozessuale Ermittlungs-
maßnahmen, wenn sie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vorbehalt
des Gesetzes nach Normenbestimmtheit und Verhältnismäßigkeit erfüllen.

1. Bestimmtheit

Jeder Grundrechtseingriff muss durch eine bestimmte gesetzliche Vorschrift gere-


gelt werden. Dies gilt unabhängig von seiner erst zu ermittelnden „Intensität“.26
An der Bestimmtheit müssten Zweifel bestehen, wenn der Gesetzgeber im Fall der
Generalklausel den Rechtsanwendern die wesentlichen Entscheidungen über die
verhältnismäßige Ausgestaltung der Maßnahme überlassen hätte.27 Unklar ist die
Formulierung des § 163 Abs. 1 StPO, der die Ermittlungen auf Initiative der Polizei
regelt, nach der alle Anordnungen getroffen werden müssen „die keinen Aufschub
gestatten, um die Verdunklung zu verhüten.“ Unter welchen Umständen dies der
Fall sein soll, ist nicht eindeutig zu klären. Insoweit ist die Vorschrift unbestimmt
und verfassungswidrig. Das Merkmal „Die Behörden und Beamten des Polizei-
dienstes haben Straftaten zu erforschen“ ist nicht unbestimmt, sondern lediglich
sehr weit gefasst.
Auch § 161 Abs. 1 StPO, der die Initiative der StA betrifft, ist nicht etwa un-
bestimmt, weil er zum Zweck der Aufklärung von Straftaten „Ermittlungen jeder
Art“ gestattet. Vielmehr liegt hier die oben erwähnte Konstellation vor, in der eine
Norm eine Vielzahl von Sachverhalten umfasst.28 Nur weil die Norm weit gehalten
ist und geringe Anforderungen an die Anordnung gestellt werden, ist sie noch nicht
unbestimmt. Die Norm ist nämlich nicht unverständlich oder mehrdeutig.

2. Verhältnismäßigkeit

Unterstellt, die Normen wären insgesamt bestimmt, ist problematisch, dass der
Normenkomplex wegen seiner Weite auch unverhältnismäßige Eingriffe erfassen
könnte.29

26
Vgl. § 9, I.
27
Vgl. zur alten Rechtslage Duttge, JZ 1996, S. 556.
28
Vgl. § 6, IV, 4, a).
29
Vgl. Griesbaum in: KK 6 , § 161 Rdn. 19.
V. Zwischenergebnis 453

a) Geeignetheit

Die Generalklausel gestattet jedenfalls die oben genannten Ermittlungsmethoden,


die dem legitimen Zweck der Strafverfolgung dienen.

b) Erforderlichkeit

Erforderlich ist die Maßnahme, wenn kein milderes, zur Erreichung des Zwecks
gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Die Regelung ist nur dann verhältnis-
mäßig, wenn sie eine Erforderlichkeits- bzw. Subsidiaritätsklausel enthält.

aa) Ansicht der h. M.

Die h. M.30 füllt die Regelung der Generalklausel wegen deren Offenheit mit dem
allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.31 Auch für die genannten Fallgruppen
wird dies explizit vertreten.32

bb) Eigene Ansicht

Die Strukturelemente des Grundmodells33 für Regelungen verdeckter strafprozes-


sualer Ermittlungsmaßnahmen werden durch die Generalklausel nicht konkretisiert.
Beschränkung der Anlasstaten, Kernbereichsschutz, Subsidiarität und Löschungs-
pflichten sind nicht geregelt. Dies alles soll sich vielmehr aus einem allgemeinen
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben. Wie gezeigt gilt dieser Grundsatz aber
nicht unmittelbar in der StPO.34 Die Klausel ist mithin verfassungswidrig.

V. Zwischenergebnis

Die Ermittlungsgeneralklausel ist nicht verfassungsgemäß, weil sie teilweise un-


bestimmte und unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte des Betroffenen

30
„Bei allen Ermittlungshandlungen ist neben dem Ermittlungszweck (§ 160 Abs. 1) und den
Rechten Dritter, in die nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf, auch der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit (Einl. Rn. 30f) zu beachten. Er bestimmt Art, Maß und Reihenfolge der
Ermittlungsmaßnahmen und namentlich der Eingriffsmaßnahmen (Meyer-Goßner Rn. 9).“, Gries-
baum in: KK 6 , § 161 Rdn. 19.
31
Vgl. § 20, II.
32
Vgl. etwa für den Einsatz von V-Personen Lesch, JA 2000, S. 638; a. A. implizit Lilie/Rudolphi,
NStZ, S. 514 Fn. 3.
33
Vgl. § 11, I.
34
Vgl. § 20, III; § 20, III, 5.
454 § 34 Generalklausel für unspezifische verdeckte Ermittlungsmaßnahmen

erlaubt.35 Für eine verfassungskonforme Auslegung bleibt kein Raum, da der Wort-
laut der Norm bewusst weit gewählt wurde. Eine verfassungskonforme Reduktion
auf Maßnahmen, die nicht in Grundrechte eingreifen, ist aus den grundsätzlich die-
ser Methode entgegenstehenden Gründen abzulehnen.36

35
So ähnlich schon Meurer, Informelle Ausforschung, S. 1295; Renzikowski, JZ, Bd. 52, 1997,
S. 716; Schmitz, S. 53 ff. A. A. Krey, Sonderband der BKA Forschungsreihe 1993, S. 80.
36
Vgl. § 9, II, 6.
§ 35 Die Zulässigkeit der Kombination
unterschiedlicher Maßnahmen

Fast alle verdeckten strafprozessualen1 Ermittlungsmaßnahmen können kriminalis-


tisch sinnvoll kombiniert werden. Eine gesonderte Regelung, unter welchen Um-
ständen solche Kombinationen zulässig sind, findet sich in der StPO nicht. Jede
Maßnahme ist einzeln nach der in Betracht kommenden Vorschrift zu prüfen. Greift
eine Maßnahme in mehrere Grundrechte ein und erfüllt zugleich die Tatbestands-
merkmale mehrerer Regelungen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnah-
men, muss diese Gesamtmaßnahme auch alle Anforderungen der entsprechenden
Vorschriften erfüllen. Unklar ist, ob der Kumulation verfassungsrechtlich und nach
der StPO absolute Grenzen gesetzt sind. Die Maßnahmen können parallel oder
nacheinander ablaufen. Entscheidend ist aber nicht die Art der Kombination. Für
den Betroffenen kommt es vielmehr auf die Summe der Erkenntnisse, die so ge-
wonnen werden können an, weil dieser Erfolg die Belastung seiner Grundrechte
bestimmt. Für Maßnahmen in Wohnungen ist die Kombination der Maßnahmen ver-
fassungsrechtlich durch Art. 13 GG beschränkt. Daher wird im Folgenden zwischen
der Kombinationen von verdeckten Maßnahmen in und außerhalb von Wohnungen
unterschieden.

1
Die Problematik, dass sich dabei repressive und präventive Maßnahmen überschneiden, soll hier
ausgeklammert werden. Sie ist nicht Thema der Arbeit. Vgl. dazu BVerfGE 112, 304, 320: „Für
den Fall, dass neben den Strafverfolgungsinstanzen auch Verfassungsschutzbehörden und Nach-
richtendienste ermittelnde Maßnahmen anordnen und vollziehen, hat der Gesetzgeber in § 492
Abs. 4 StPO die Möglichkeit geschaffen, dass grundlegende, den Staatsanwaltschaften zugängli-
che Verfahrensdaten auch den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt
für den Militärischen Abschirmdienst und dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt
werden, sofern diesen Behörden ein Auskunftsrecht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu-
steht. Diese Regelung, die in erster Linie der Verfahrensvereinfachung dienen sollte (BTDrucks
12/6853, S. 37), hat zugleich eine Voraussetzung für die grundrechtssichernde Abstimmung der
Ermittlungstätigkeit geschaffen. [. . . ] Der Gesetzgeber wird darüber hinaus zu beobachten haben,
ob die bestehenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen auch angesichts zukünftiger Entwick-
lungen geeignet sind, den Grundrechtsschutz effektiv zu sichern. Es dürfte zu erwägen sein, ob
durch ergänzende Regelung der praktischen Ermittlungstätigkeit – etwa in den Richtlinien für das
Strafverfahren und das Bußgeldverfahren – unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener
Behörden verlässlich verhindert werden können.“

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 455


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_35, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
456 § 35 Die Zulässigkeit der Kombination unterschiedlicher Maßnahmen

I. Maßnahmen in Wohnungen

Faktisch können in Wohnungen alle möglichen verdeckten Maßnahmen kombiniert


werden:

Beispiel 67 Die Ermittlungsbehörden wollen den Tatverdächtigen X in seiner Woh-


nung filmen. Die Aufnahme soll eine Ton- und eine Bildspur enthalten.

§ 100c StPO regelt jedoch nur die Tonaufnahme des gesprochenen Wortes inner-
halb von Wohnungen, nicht jedoch die Bildaufnahme. Die Regelung ist mehrdeutig
und lässt sich in zwei Varianten auslegen:
1. Mit dem Schweigen des § 100c StPO zu weiteren Arten der Überwachung lässt
sich argumentieren, dass also eine Bildaufnahme nach § 100h StPO zulässig sei.
Zumindest ist sie in § 100c StPO nicht ausdrücklich verboten. Der Wortlaut des
§ 100h StPO ist insoweit ebenfalls nicht begrenzt.
2. Man kann § 100c StPO genauso gut als abschließende Spezialregelung für die
Überwachung von Wohnraum auffassen, die aber nur eine bestimmte Form der
Überwachung – nämlich die akustische – benennt.
Die erstgenannte ebenfalls mit dem Wortlaut zu vereinbarende Auslegung schei-
det als verfassungswidrig aus. Nach verfassungskonformer Auslegung verstieße sie
nämlich gegen das Grundgesetz. In Art. 13 Abs. 3 GG ist nur die akustische Wohn-
raumüberwachung geregelt. Art. 13 Abs. 4 GG erlaubt sonstige technische Mittel
zur Überwachung von Wohnungen nur im Falle der dringenden Gefahrenabwehr.
Im Gegenschluss ist von Verfassungs wegen keine andere technische Überwachung
von Wohnungen gestattet.2 In Wohnräumen ist aber die Kombination der Maß-
nahme nach § 100c StPO mit der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a
StPO und dem Einsatz persönlicher Verdeckter Ermittler nach § 110a StPO zuläs-
sig. Diese Kombination ist gestattet, weil Telekommunikation früher im Regelfall
in Wohnräumen stattfand und ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis in Art. 10
GG vorgesehen ist. Bei einer Telekommunikationsüberwachung wird zudem nicht
die absolut geschützte Privatsphäre der Wohnung verletzt, da sich der Kommuni-
zierende einem anderen außerhalb dieser Sphäre eröffnet, indem er ihn anruft. Für
den Einsatz eines Trojaners – eine Regelung de lege ferenda vorausgesetzt – gilt
dies nicht, da dies eine Ausspähung nach Art. 13 Abs. 4 GG wäre, die nur bei
dringender Gefahr für wichtige Rechtsgüter zulässig wäre.3 Die Abgrenzung muss
entsprechend der oben vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem Grundrecht
auf Freiheit von Einschüchterung nach Art. 2 Abs. 1 GG und dem Grundrecht auf
Gewährleistung der Privatsphäre der Wohnung aus Art. 13 GG erfolgen.4
Der Verdeckte Ermittler gemäß § 110a StPO darf Wohnungen betreten, wenn
der Betroffene ihn einlässt. Dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit schaffen darf,

2
Vgl. dazu das gefundene Ergebnis zur Auslegung des Art. 13 GG, § 8, VII, 2, b).
3
Einzige Ausnahme wäre, wenn die Speicherinhalte vom Betroffenen der Öffentlichkeit zugäng-
lich gemacht werden.
4
Vgl. § 8, VII, 2, e).
II. Maßnahmen außerhalb von Wohnungen 457

ergibt sich indirekt aus Art. 13 Abs. 5 GG, weil diese Norm die Sicherung Verdeck-
ter Ermittler in Wohnungen regelt. Diese Maßnahme kann also zu der akustischen
Wohnraumüberwachung nach § 100c StPO und der Telekommunikationsüberwa-
chung nach § 100a StPO hinzu kommen. Somit kann der Betroffene in seiner Woh-
nung abgehört werden, seine Telefonate und seine Computerkommunikation kön-
nen überwacht werden und ein Verdeckter Ermittler kann – getarnt als Freund –
die visuelle Überwachung beisteuern. Diese Maßnahmenkombination wäre eine
punktuelle Totalüberwachung. Sie würde daher die Menschenwürde antasten. Zwar
enthält § 100c Abs. 4 StPO ein Kernbereichsschutzkonzept, doch macht dies nicht
deutlich, dass eine solche Kombination unzulässig wäre. § 100c Abs. 4 GG be-
trifft nach dem eindeutigen Wortlaut nur „Äußerungen, die dem Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind“. Die Regelung lässt nach hier vertre-
tener Ansicht auch keinen Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung. Das
gilt entsprechend für den Kernbereichsschutz nach § 100a Abs. 4 StPO sowie für
§§ 110a, 100b StPO, die gar kein dezidiertes Kernbereichsschutzkonzept aufwei-
sen. De lege ferenda muss daher ein solches Schutzkonzept in die Normen integriert
oder als allgemeine Vorschrift geschaffen werden. Nach derzeitigem Gesetzesstand
sind die genannten Vorschriften verfassungswidrig.

II. Maßnahmen außerhalb von Wohnungen

Neben der parallelen Kombination von Maßnahmen ist auch die aufeinander fol-
gende Kombination der Maßnahmen möglich. So kann in einer Ermittlung der
Tatverdacht zunächst mittels Rasterfahndung individualisiert werden und nachfol-
gend das gesamte Arsenal der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen genutzt werden.
Dies kann dann zur vom BVerfG geächteten „Rundumüberwachung“5 führen, weil
so eine lückenlose Überwachung gewährleistet ist, die dem Betroffenen keinen un-
beobachteten Freiraum mehr lässt. Wenn die Ton- und Filmüberwachung an der
Haustür des Betroffenen endet, kann die Überwachung innerhalb des Hauses durch
akustische Wohnraumüberwachung fortgesetzt werden.

1. Ansicht des BVerfG

Verfassungsrechtlich ist ein Einsatz kombinierter Überwachungsmittel außerhalb


des Wohnraums nach der h. M. nicht kategorisch ausgeschlossen. Das BVerfG ist
bereits auf die Kumulation der Maßnahmen eingegangen und hält eine gesonderte
Regelung dieses Problems für überflüssig:

5
[. . . ] eine von Verfassungs wegen stets unzulässige „Rundumüberwachung“ [. . . ], mit der ein
umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Beteiligten erstellt werden könnte [. . . ], BVerfGE 112,
30, 319.
458 § 35 Die Zulässigkeit der Kombination unterschiedlicher Maßnahmen

„Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bedurfte es keiner gesonderten ge-


setzlichen Regelung für einen Einsatz mehrerer Ermittlungsmaßnahmen zur selben Zeit.
Vielmehr durfte der Gesetzgeber davon überzeugt sein, dass eine von Verfassungs wegen
stets unzulässige ,Rundumüberwachung‘ (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]; 109, 279 [323]), mit
der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Beteiligten erstellt werden könnte, durch
allgemeine verfahrensrechtliche Sicherungen auch ohne spezifische gesetzliche Regelung
grundsätzlich ausgeschlossen sein werde. a) Beim Einsatz moderner, insbesondere dem
Betroffenen verborgener, Ermittlungsmethoden müssen die Strafverfolgungsbehörden mit
Rücksicht auf das dem ,additiven‘ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspoten-
tial aber besondere Anforderungen an das Verfahren beachten. aa) Es ist sicherzustellen,
dass die eine Ermittlungsmaßnahme beantragende oder anordnende Staatsanwaltschaft als
primär verantwortlicher Entscheidungsträger über alle Ermittlungseingriffe informiert ist,
die den Grundrechtsträger im Zeitpunkt der Antragstellung und im Zeitpunkt einer zeitlich
versetzten Ausführung der Maßnahme jeweils treffen; sonst wäre eine verantwortliche
Prüfung und Feststellung übermäßiger Belastung nicht möglich. Dazu bedarf es nicht nur –
was selbstverständlich ist (vgl. § 168 b Abs. 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO) – einer voll-
ständigen Dokumentation aller ausgeführten oder ausführbaren Ermittlungseingriffe in den
Akten (vgl. BVerfGE 63, 45 [64]). Darüber hinaus ist – insbesondere durch die Nutzung
des länderübergreifenden staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters (§§ 492 ff. StPO) –
sicherzustellen, dass nicht verschiedene Staatsanwaltschaften ohne Wissen voneinander im
Rahmen von Doppelverfahren in Grundrechte eingreifen.“6

2. Eigene Ansicht

a) Erstellung von Persönlichkeitsprofilen durch langfristige Kombination


von Maßnahmen als „Rundumüberwachung“

Durch die Kombination der Überwachungsmittel bleibt dem Betroffenen nur mar-
ginaler Rückzugsraum, in dem er unüberwacht bleibt. Dieser wird innerhalb der
Wohnung durch Art. 100c Abs. 4 StPO, aber nur für bestimmte kernbereichsrele-
vante Verhaltensweisen, gewährleistet. Das BVerfG sieht die Menschenwürde ge-
mäß Art. 1 GG aber offenbar nicht nur dann angetastet, wenn der Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung betroffen ist. Die Menschenwürde ist auch dann an-
getastet, wenn ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt wird.7 Während ein
Bewegungsprofil nur einen Ausschnitt aus der Persönlichkeit betrifft, könnte die
Totalüberwachung auch dann ein Persönlichkeitsprofil ergeben, wenn zwar die in-
timsten Details nicht bekannt sind, aber das übrige Leben des Betroffenen so in-
tensiv ausgeforscht wurde, dass die bestehenden Kenntnislücken bezüglich seiner
Biographie so klein sind, dass sein Charakter ausgeleuchtet wird und sein Verhalten
in den meisten Situationen vorhergesagt werden kann.
In der oben zitierten Entscheidung8 stellt das BVerfG besondere Anforderun-
gen an das Verfahren. Diese definiert es aber nur dem Ziel nach. Mit dem Ver-

6
BVerfGE 112, 304, 319 f.
7
Vgl. § 8.
8
Siehe § 35, II, 1.
II. Maßnahmen außerhalb von Wohnungen 459

weis auf allgemeine verfahrensrechtliche Sicherungen wird die Auslegungsproble-


matik nicht gelöst. Zwar geht das BVerfG davon aus, dass die Erfassung eines
umfassenden Persönlichkeitsprofils ausgeschlossen ist. Doch bleibt unklar, welche
„allgemeinen verfahrensrechtlichen Sicherungen“ die Erstellung von Persönlich-
keitsprofilen verhindern sollen. Dokumentationspflichten und Konzentration bei ei-
ner Staatsanwaltschaft sollen anscheinend das Problem lösen. Welche inhaltlichen
Kriterien diese koordinierende Staatsanwaltschaft zu beachten hat, wird aber nicht
deutlich. Das BVerfG kann hier nur Anwendungen des ungeschriebenen Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatzes zur Lückenfüllung meinen. Dies ist aber abzulehnen, weil
so der Regelungsprimat des Gesetzgebers vernachlässigt wird. Bereits oben wurde
begründet, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht ohne gesetzgeberische Um-
setzung in der StPO gilt.9 Insoweit ist die Eingriffsregelung in ihren Schranken nicht
bestimmt und kann schon daher keinen ausreichenden Schutz des Kernbereichs der
privaten Lebensgestaltung gewährleisten.10
Insoweit sind die Vorschriften der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen ohne eine
angemessen Regelung Maßnahmenkombination verfassungswidrig.

b) Kurzfristige Kombination der Maßnahmen als punktuelle


„Totalüberwachung“

Die Erstellung eines „Persönlichkeitsprofils“ ist zudem nicht die einzig mögliche
Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde durch eine Kombina-
tion von Maßnahmen. Der Kernbereich der Persönlichkeit kann auch durch eine
punktuelle Kombination von Bild- und Tonaufnahmen von sexueller Interaktion
oder ähnlich intimen Verhaltensweisen des Betroffenen den Kernbereich der pri-
vaten Lebensgestaltung und damit den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde
aus Art. 1 Abs. 1 GG verletzen.

Beispiel 68 In einem sozialen Internet-Netzwerk („Jappy“) lernt X die Y kennen.


Die beiden verabreden sich telefonisch. Danach treffen sie sich in einem Café und
küssen sich auf einer einsamen Parkbank, während ein Naturbeobachter die En-
ten im nahen See filmt. Die Ermittlungsbehörden führen ein Ermittlungsverfahren
wegen BTM-Handels gegen X. Dabei wurden verschiedene verdeckte Ermittlungs-
maßnahmen angeordnet. Bei der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a
StPO wurde auch die Kommunikation per Internet und Telefon zwischen X und Y
aufgezeichnet. Die Liebesszene im Park wurde durch einen Verdeckten Ermittler
(§ 110a StPO) gefilmt (§§ 100f, 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO), der sich auf Nachfrage
des Pärchens als Naturbeobachter ausgebenden hatte.
Im Beispiel werden Maßnahmen nach §§ 100a, 100f, 100h, 110a StPO kom-
biniert. Dabei wurde nur ein kernbereichsrelevanter Ausschnitt aus der privaten

9
Vgl. § 20, I; § 20, III, 5.
10
Dieser wäre zudem auch nicht durch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu erreichen, da der
Kernbereich nach Art. 1 Abs. 1 GG absolut gegen Eingriffe geschützt ist.
460 § 35 Die Zulässigkeit der Kombination unterschiedlicher Maßnahmen

Lebensgestaltung ermittelt. Dieser Ausschnitt reicht noch nicht, um ein aussage-


kräftiges umfassendes Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Für Letzteres müssten Da-
ten eines längeren Beobachtungszeitraums vorliegen. Denn nur aus dieser einen
Episode im Leben des X lässt sich noch nicht auf sein sonstiges Verhalten bzw.
seinen Charakter schließen. Die Beobachtung kann also einerseits zu sehr in die
Länge gezogen werden (Gefahr der Persönlichkeitsprofile, Rundumüberwachung)
und andererseits wie im Beispiel quasi zu sehr in die Tiefe gehen (punktuelle Total-
überwachung) und so die Menschenwürde antasten.
Es wurde bereits vorangehend festgestellt, dass zeitliche Rundumüberwachung
und punktuelle Totalobservation in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung
eingreifen. Ergibt die Auslegung der StPO, dass diese Maßnahmenkombinationen
ohne adäquates Kernbereichsschutzkonzept gesetzlich gestattet sind, belegt das die
Verfassungswidrigkeit der Regelungen. Wenn abzulehnende Hilfskonstruktionen
wie die verfassungskonforme Reduktion oder die ergänzenden Wirkungen allge-
meiner Grundsätze bemüht werden müssten, um die Geltung dieser Vorschriften
trotzdem zu erhalten, wäre das nicht überzeugend.
Kurz- und langfristige Observationen lassen sich nach dem Wortlaut der Vor-
schriften mit verschiedenen außerhalb des § 100c StPO genannten speziellen Obser-
vationsmethoden zeitgleich kombinieren. Ein Betroffener kann durch eine Filmauf-
nahme zugleich nach § 100h StPO observiert als auch nach § 100f StPO belauscht
werden. Währenddessen kann das Telefongespräch oder die E-Mail-Konversation
mit seinem Gesprächspartner nach § 100a StPO überwacht werden. Eine Kernbe-
reichsschutzklausel existiert im Rahmen dieser Vorschriften nicht und daher auch
nicht für deren Kombination. Bereits aus diesem Grund wäre eine Kombination als
Verstoß gegen den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1
GG verfassungswidrig. Nach subjektiv-historischer Auslegung findet sich kein Ver-
bot, die Maßnahmen zu kombinieren. Die Gesetzesbegründungen schweigen sich
hierzu aus. Eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich, da insoweit
keine Andeutung im Gesetz zu finden ist. Die Erforderlichkeitsklauseln lassen sich
nur im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit, nicht aber auf den Kernbereichsschutz
auslegen. Da eine verfassungskonforme Reduktion aus grundsätzlichen Erwägun-
gen abzulehnen ist,11 sind die Regelungen auch deshalb verfassungswidrig, weil sie
kombiniert den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung verletzen.
Die bestehenden Schutzklauseln können – wenn sie überhaupt vorhanden sind –
nicht verfassungskonform so ausgelegt werden, dass ein vollständiges Persönlich-
keitsprofil zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehört und daher nicht
erstellt werden darf. Dies wäre zum Beispiel im Rahmen des § 100a StPO nicht
möglich, der die Maßnahme verbietet, wenn zu befürchten ist, dass „allein Er-
kenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt“ werden. Das
Persönlichkeitsprofil wäre keine solche Erkenntnis, sondern eine Information, die
sich aus der Kombination lang andauernder und besonders intensiv überwachender
Maßnahmen ergibt. Der Kombinationsgefahr würde dadurch abgeholfen, wenn de
lege ferenda eine entsprechende Kernbereichsschutzklausel eingeführt würde.

11
Vgl. § 6, IV, 4.
III. Maßnahmenkombination als Verletzung ungerechtfertigter Grundrechtseingriffe 461

III. Kombination der Maßnahmen als ungerechtfertigter


Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung
aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie in das Grundrecht aus
Art. 19 Abs. 4 GG?

Über den Kernbereichsschutz hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass Maßnahmen-
kombinationen, die nicht die Menschenwürde antasten, nur verhältnismäßig in
Grundrechte eingreifen. Die Erforderlichkeit ist für die Maßnahmen, die über spe-
zielle Subsidiaritätsklauseln verfügen, bereits durch diese Klauseln selbst gesichert.
Die Maßnahmen, die keine Subsidiaritätsklauseln enthalten, sind deswegen schon
isoliert betrachtet unverhältnismäßige Eingriffe in das Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG. Sie sind es erst Recht in Kombination
mit anderen Maßnahmen. Die Regelungen erlauben de lege lata auch unver-
hältnismäßige Kombinationen. Dem könnte durch eine allgemeine gesetzliche
Subsidiaritätsregel oder durch spezielle Klauseln abgeholfen werden.
Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ist die Belastung der Betroffenen außer-
dem durch einen universellen Richtervorbehalt bei einer Maßnahmenkombination
zu minimieren, da die Gesamtüberwachung durch eine Kombination so ein wesent-
lich höheres belastendes Gewicht erhält als eine Einzelmaßnahme.

IV. Zwischenergebnis

Werden verschiedene verdeckte Maßnahmen kombiniert, steigt die Gefahr, den


Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zu überwachen. De lege lata sind alle
Vorschriften zur Regelung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen verfassungswid-
rig, da sie über kein ausreichendes Kernbereichsschutzkonzept verfügen. Zudem
ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG ohne allgemeine Subsidiaritätsregelung nicht
gewahrt. Entsprechendes gilt für den fehlenden Richtervorbehalt für die Maßnah-
menkombination und Art. 19 Abs. 4 GG.
Teil VI

Erforderlichkeit einer Neuordnung der


verdeckten strafprozessualen
Ermittlungsmaßnahmen
§ 36 Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen

Wie in dieser Arbeit gezeigt, weisen die einzelnen Vorschriften zur Regelung der
verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen teilweise Defizite auf, die zu
ihrer Verfassungswidrigkeit führen.

I. Orientierung am Grundmodell

Die Vorschriften zur Regelung der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-


nahmen sollten alle in der gleichen, dem obigen Grundmodell1 angepassten Form
geregelt werden und nur im Hinblick auf die Angemessenheit der Maßnahme ge-
genüber dem verbundenen Eingriff Unterschiede aufweisen.

II. Regelung der Anlasstaten

Hinsichtlich der Postbeschlagnahme nach § 99 StPO und der einfachen technischen


Überwachung nach § 100h Nr. 1 StPO ist nach dem Stand der Gesetzgebung keine
Reglementierung der Anlasstaten enthalten, so dass nach dem Wortlaut des Geset-
zes jede Anlasstat für die Anordnung solcher Maßnahmen ausreichend ist. Während
dies für § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
wird vorgeschlagen, § 99 StPO wie folgt neuzufassen:
§ 99
(1) Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen
und Telegramme, die sich im Gewahrsam von Personen oder Unternehmen befinden, die
geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken.
Ebenso ist eine Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen zulässig, bei denen
aus bekannten Tatsachen zu schließen ist, dass sie von dem Beschuldigten herrühren oder
für ihn bestimmt sind und dass ihr Inhalt für die Untersuchung Bedeutung hat.

1
Siehe § 11, I.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 465


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_36, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
466 § 36 Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen

(2) Die Maßnahme darf nur angeordnet und durchgeführt werden, wenn bestimmte Tatsa-
chen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2
StPO bezeichnete Straftat begangen hat und wenn nicht die bei der Anordnung bekannten
bestimmten Tatsachen begründen, dass im Einzelfall eine Freiheitsstrafe von weniger als
einem Jahr für die Tat zu erwarten ist.

III. Bestimmung der Tatschwere

Die Klausel für die Tatschwere im Einzelfall ist bei allen betreffenden Vorschriften
an eine konkrete Tatschwere und nicht über den abstrakten Begriff an eine un-
bestimmte „Schwere“ oder „erhebliche Bedeutung“ zu koppeln. Da der Verdacht
sich zwar auf eine bestimmte Tat konkretisiert haben muss, werden weitere Kon-
kretisierungen, die eine Beurteilung der Tatschwere zulassen, oft erst nachträglich
deutlich. Zudem sind die Kriterien für die Tatschwere dermaßen mannigfaltig, dass
sie selbst nicht einzeln oder gruppenweise im Gesetz regelbar sind, ohne die Ent-
wicklung neuer kriminalistischer Methoden der Verdachtsfindung zu unterdrücken.
Eine nur durch ein bestimmtes Ergebnis reglementierte Einzelfallbewertung objek-
tiver Gesichtspunkte ist daher für das Stadium des Ermittlungsverfahrens auch unter
verfassungsrechtlichen Erwägungen unverzichtbar und kann durch den Gesetzgeber
kaum weiter als hier vorgeschlagen abstrakt generell bestimmt werden.
Bestimmt und angemessen wäre zum Beispiel für § 100a StPO eine Regelung,
nach welcher konkrete Tatsachen bestimmten Anlass geben müssen, dass eine zu er-
wartende Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr zu erwarten ist. Für die meisten
Anlasstaten wäre dies eine Überprüfung, welche nur bei Besonderheit des Falles
vorgenommen werden muss. Denn geringere Strafen werden in Anbetracht der
meisten Delikte in den Anlasstatenkatalogen nur im Ausnahmefall zu erwarten sein.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sie im Hinblick auf objektive Kriterien wie Art
und Ausmaß des Schadens vom zu erwartenden Normalbild der Tat abweichen. Die
die Persönlichkeit des Täters betreffenden Gesichtspunkte der Schuld sind zu dem
relevanten Anordnungszeitpunkt im Ermittlungsverfahrens in der Regel sehr unsi-
cher und müssen nur einbezogen werden, soweit sie bereits bekannt sind.
Es wird daher vorgeschlagen § 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO wie folgt neuzufassen:
§ 100a
[. . . ] und wenn nicht die bei der Anordnung bekannten bestimmten Tatsachen, insbesondere
Art und Ausmaß der Rechtsgutsverletzung, begründen, dass im Einzelfall eine Freiheits-
strafe von weniger als einem Jahr für die Tat zu erwarten ist [. . . ].

Dies Erfordernis wäre jedoch nicht für die Regelungen geeignet, bei denen die
„erhebliche Bedeutung“ einziges Anlasstatenerfordernis, ohne Bezug auf einen Ka-
talog ist, wie §§ 163d und 163f StPO. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber noch
keine Grundsatzentscheidung durch einen Katalog getroffen, nach dem bestimmte
er Straftatengruppen in der Regel für schwerwiegend hält. In diesen Fällen muss der
Gesetzgeber entweder ebenfalls eine Katalogtat festlegen oder bestimmte Kriterien
für die Einzelfallabwägung vorgeben:
IV. Regelung der Erforderlichkeit 467

[. . . ] wenn die bei der Anordnung bekannten bestimmten Tatsachen, insbesondere Art und
Ausmaß der Rechtsgutsverletzung, den Verdacht begründen, dass im Einzelfall eine Frei-
heitsstrafe für die Tat zu erwarten ist [. . . ].
Dem könnte man vorwerfen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff – „die Tat
auch im Einzelfall schwer wiegen muss“2 oder „Straftat von erheblicher Bedeu-
tung“3 – durch einen anderen unbestimmten Rechtsbegriff ersetzt werde. Dieser
Einwand trifft aber nicht zu, da mit dem Mindeststrafmaß auf einen durch das StGB
und die Praxis der Strafzumessung bestimmbaren Maßstab zurückgegriffen wird.
Unbestreitbar kann aber in der Praxis eine bestimmte Prognose – mehr als Hypothe-
senbildung ist im Ermittlungsverfahren nicht möglich – stellen, die ein bestimmte
Straferwartung als Ergebnis hat. Eine bestimmte Straferwartung ist im Gegensatz
zu Blankettbegriffen im Hinblick auf die Schwere Straftat bestimmt. Die nicht zu
leugnenden Probleme bei der Prognose der Straferwartung liegen in der Hypothe-
senbildung und dem Strafzumessungsrecht an sich begründet. Die Probleme die im
Strafzumessungsrecht verborgen liegen, können und sollen hier nicht Thema sein.

IV. Regelung der Erforderlichkeit

Insbesondere hinsichtlich der Postbeschlagnahme nach § 99 StPO ist das Verhält-


nis zu anderen Ermittlungsmaßnahmen ungeregelt, so dass nach dem Wortlaut des
Gesetzes die Postbeschlagnahme ohne weiteres Maßnahme erster Wahl sein kann.
In die Regelung der Postbeschlagnahme kann daher eine Subsidiaritätsklausel ein-
gefügt werden, um auch insoweit einen verfassungsmäßigen Zustand herzustellen.
Diese müsste im Gleichlauf zu § 100a StPO gestaltet werden, da keine Unterschiede
in Bezug auf den Grundrechtseingriff bestehen.
Da alle anderen Regelungen Subsidiaritätsklauseln enthalten, die sich im We-
sentlichen gleichen, wäre eine allgemeine Regelung hilfreich, um Missverständnis-
se durch die bisherigen Formulierungen zu beseitigen. Es wird vorgeschlagen, eine
allgemeine, subsidiäre Neuregelung zu schaffen:
§ 101
[. . . ]
(9) Soweit nicht anders bestimmt, darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn die
Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf ei-
ne andere, den Betroffenen voraussichtlich weniger belastende Weise erheblich weniger
erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.
Durch die Anordnung der Subsidiarität der Regelung könnten die anderen Vor-
schriften de lege ferenda von überflüssigen Wiederholungen bereinigt werden. Die
in einigen Fällen statt „erheblich weniger erfolgversprechend“ verwendete Formu-
lierung „aussichtslos“, die restriktivere Bedeutung hat, würde in diesen Vorschriften
erhalten bleiben.

2
Vgl. § 13, II; § 13.
3
Vgl. § 13, IV.
468 § 36 Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen

V. Allgemeine Regelung des Kernbereichsschutzes

Es wird vorgeschlagen, den Kernbereichsschutz zentral in § 101 StPO für alle


Maßnahmen außerhalb von Wohnräumen nach einem zeitlich zweistufigen Schutz-
konzept regeln. Die Bildung von intimen „Persönlichkeitsprofilen“ wird zudem
ausdrücklich verboten. Für die Kombination mehrerer Maßnahmen sollte ein zu-
sätzlicher Richtervorbehalt eingeführt werden, um Art. 19 Abs. 4 GG und dem
Gesetzesvorbehalt im Hinblick auf den Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von
Einschüchterung zu genügen:
§ 101
(1) Für Maßnahmen nach den §§ 98a, 99, 100a, 100c bis 100j, 110a, 163d bis 163g gelten,
soweit nichts anderes bestimmt ist, die nachstehenden Regelungen.
[. . . ]
(10) Soweit nicht anders bestimmt, darf die Maßnahme nur angeordnet werden, soweit nicht
auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere der Art der zu überwachenden Örtlichkeit
und des Verhältnisses der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass
durch die Überwachung allein Verhalten, das dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
zuzurechnen ist, erfasst wird. Verhaltensweisen, die offen in Reichweite der natürlichen
Wahrnehmung unbeteiligter Dritter stattfinden, sind in der Regel nicht dem Kernbereich
privater Lebensgestaltung zuzurechnen. Äußerungen und andere Verhaltensweisen, die in
unmittelbarem Zusammenhang zu begangenen Straftaten stehen und solche, mittels derer
Straftaten begangen werden, gehören nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung.
Maßnahmen, die mehrere der in § 101 Abs. 1 genannten Bestimmungen erfüllen, dürfen
nicht durchgeführt werden, wenn dabei ein umfassendes Persönlichkeitsprofil des Betrof-
fenen entsteht, aus dem sich der Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung erschließt.
Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme er-
langt wurden, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich
zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen.
(11) Werden mehrere Maßnahmen nach Abs. 1 kombiniert, indem diese artverschiedenen
Maßnahmen unmittelbar aufeinanderfolgen oder dass sie gleichzeitig durchgeführt wer-
den, müssen auch die Maßnahmen, die allein keiner gerichtlichen Anordnung bedürfen,
nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre
Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die An-
ordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie
nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100b Abs. 1 Satz 4 und 5,
Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

VI. Allgemeine Subsidiaritätsklausel

§ 160a
[. . . ]
(6) Soweit nicht anders bestimmt, darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn die
Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten
auf eine andere, den Betroffenen voraussichtlich in geringerem Maße belastende Weise
erkennbar weniger erfolgversprechend wäre. Für die Bewertung der Belastung des Betrof-
fenen ist insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Schwierigkeit der Überwindung
natürlicher Sicherungen der Privatsphäre ausschlaggebend. Eine verdeckte Maßnahme ist
grundsätzlich nicht weniger belastend als eine offene Ermittlungsmaßnahme.
VII. Allgemeine Regelungen für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen 469

VII. Allgemeine Regelungen für verdeckte


Ermittlungsmaßnahmen

Für die bisher diskutierten aber ungeregelten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen


muss eine gesonderte Regelung geschaffen werden, damit der Eingriff in das
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung durch eine Regelung erfolgt, die dem
Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Diesbezüglich wird
folgende Regelung vorgeschlagen:
§ 163g
(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen dürfen außerhalb von Wohnungen
1. Gespräche überwacht oder Eingabe von Information in Telekommunikationsgeräte
durch personale Observation des sich Äußernden oder des bestimmten Adressaten
beobachtet werden,
2. Ermittlungen in computergestützten virtuellen Netzwerken durchgeführt werden, auch
wenn die Ermittlungsperson dabei unter einer virtuellen Legende auftritt,
wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Be-
schuldigten auf andere, den Betroffenen in geringerem Maß belastende Weise erkennbar
weniger erfolgversprechend wäre.
(2) Bei einer Maßnahme nach Abs. 1 Nr. 2 ist eine Tarnung unter der virtuellen Identität
einer der in § 160a Abs. 1 und 2 StPO genannten Personen nicht gestattet.

VIII. Neuregelung für den Einsatz Verdeckter Ermittler und


V-Personen

Die Regelung des Einsatzes Verdeckter Ermittler muss im Hinblick auf den speziel-
len Kernbereichsschutz geändert werden. Bei dieser Gelegenheit wird vorgeschla-
gen, auch den Einsatz der V-Personen4 in dieser Vorschrift zu regeln:
§ 110a
(1) Verdeckte Ermittler dürfen zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt werden, wenn be-
stimmte Tatsachen den Verdacht ergeben, dass eine Straftat gemäß § 100a Abs. 1 StPO
begangen worden ist. Zur Aufklärung von Verbrechen dürfen Verdeckte Ermittler auch ein-
gesetzt werden, soweit bestimmte Tatsachen die Gefahr der Wiederholung nahelegen. Der
Einsatz ist nur zulässig, soweit die Aufklärung auf andere, den Betroffenen weniger belas-
tende Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Zur Aufklärung von Verbrechen
dürfen Verdeckte Ermittler außerdem eingesetzt werden, wenn die besondere Bedeutung
der Tat den Einsatz gebietet und andere Maßnahmen aussichtslos wären.
(2) Verdeckte Ermittler sind Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehe-
nen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Sie dürfen unter der
Legende am Rechtsverkehr teilnehmen.
(3) Soweit es für den Aufbau oder die Aufrechterhaltung der Legende unerlässlich ist, dür-
fen entsprechende Urkunden hergestellt, verändert und gebraucht werden.
(4) Verdeckte Ermittler dürfen keinen psychischen oder körperlichen Druck ausüben, um
Betroffene zu selbstbelastenden Äußerungen zu veranlassen und auch nicht in den Kern-

4
Zu einem alternativen Gesetzesvorschlag vgl. Duttge, JZ 1996, S. 556 ff.
470 § 36 Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen

bereich der privaten Lebensgestaltung der Betroffenen eindringen oder an ihm teilnehmen.
Verdeckte Ermittler dürfen die überwachten Betroffenen nicht zu Straftaten verleiten.
(5) Diese Bestimmungen gelten entsprechend für durch die Ermittlungsbehörden angewor-
bene und geführte private Verbindungspersonen (V-Personen). Die Absätze 2 und 3 gelten
jedoch nicht für V-Personen.

IX. Allgemeine Regelung der Quellen-TKÜ

Die sog. Quellen-TKÜ ist wegen des Sachzusammenhangs im Rahmen des § 100a
StPO zu regeln. Verschärfte Voraussetzungen im Vergleich zur Telekommunikati-
onsüberwachung sind nicht notwendig. Wie oben gezeigt, sollte die Neuregelung
aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit des § 100h StPO erfolgen. Das Erfassen
von E-Mails die bei einem Diensteanbieter gespeichert sind, kann zur Klarstellung
ebenfalls in die Norm aufgenommen werden.5 Daher wird folgende Neuregelung
vorgeschlagen:
§ 100a
(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen dürfen auf einem Server eines Telekommunikations-
diensteanbieters gespeicherte E-Mails erfasst sowie Äußerungen oder die Telekommunika-
tion durch den Einsatz technischer Mittel an Endgeräten oder auf dem Übertragungswege
mit Hilfe der Telekommunikationsdiensteanbieter überwacht und aufgezeichnet werden,
[. . . ].

X. Regelung der „Online-Durchsuchung“

Es wird vorgeschlagen, die „Online-Durchsuchung“ in einem neu zu erlassenden


§ 100j StPO zu regeln, der weitgehend den Anforderungen des § 100c StPO ent-
spricht. Durch diese spezielle Regelung wäre ein Rückgriff auf die allgemeineren
Vorschriften §§ 100f, 100h, 163f StPO ausgeschlossen:
§ 100j
(1) Auch ohne Wissen des Betroffenen dürfen Informationen aus einem komplexen in-
formationstechnischen System außerhalb von Wohnungen mit technischen Mitteln aufge-
zeichnet und über Netzwerkverbindungen übertragen werden, wenn
1. bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer
eine in § 100c Abs. 2 bezeichnete besonders schwere Straftat begangen hat oder in
Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat,
2. wenn nicht die bei der Anordnung bekannten bestimmten Tatsachen, insbesondere Art
und Ausmaß der Rechtsgutsverletzung, begründen, dass im Einzelfall eine Freiheitss-
trafe von weniger als einem Jahr für die Tat zu erwarten ist [. . . ],
3. auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung
Äußerungen des Beschuldigten erfasst werden, die für die Erforschung des Sachverhalts
oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten von Bedeutung sind,
und

5
Zusätzlich könnte noch die Selbstvornahme mittels „IMSI-Catcher“6 durch die Ermittlungsbe-
hörden in der Norm geregelt werden.
X. Regelung der „Online-Durchsuchung“ 471

4. die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mit-
beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre.
Das komplexe informationstechnische System darf zu diesem Zweck auch über verbundene
Datennetze verändert werden.
(2) [entsprechend § 100c Abs. 2 StPO]
(3) Die Maßnahme darf sich grundsätzlich nur gegen den Beschuldigten richten und nur
in komplexen informationstechnischen Systemen des Beschuldigten durchgeführt werden.
In komplexen informationstechnischen Systemen anderer Personen ist die Maßnahme nur
zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
1. der in der Anordnung nach § 100d Abs. 2 bezeichnete Beschuldigte dieses System nutzt
und
2. die Maßnahme in komplexen informationstechnischen Systemen des Beschuldigten al-
lein nicht zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes
eines Mitbeschuldigten führen wird.
Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar be-
troffen werden. Sie darf nur dann informationstechnische Systeme in Wohnungen betreffen,
wenn diese Systeme vom Nutzer dem öffentlichen Zugriff zur Verfügung gestellt werden.
(4) Das Aufzeichnen ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwa-
chung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Informationen erfasst werden, die dem Kernbe-
reich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Aufzeichnungen über solche Informa-
tionen sind unverzüglich zu löschen. Erkenntnisse über solche Informationen dürfen nicht
verwertet werden. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu doku-
mentieren. Ist eine Maßnahme nach Satz 1 unterbrochen worden, so darf sie unter den in
§ 101 Abs. 10 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Im Zweifel ist über die Un-
terbrechung oder Fortführung der Maßnahme unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts
herbeizuführen; § 100d Abs. 4 gilt entsprechend.
(5) In den Fällen des § 53 ist eine Maßnahme nach Absatz 1 unzulässig; ergibt sich während
oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des § 53 vorliegt, gilt Absatz 5 Satz 2
bis 4 entsprechend. In den Fällen der §§ 52 und 53a dürfen aus einer Maßnahme nach
Absatz 1 gewonnene Erkenntnisse nur verwertet werden, wenn dies unter Berücksichtigung
der Bedeutung des zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum
Interesse an der Erforschung des Sachverhalts oder der Ermittlung des Aufenthaltsortes
eines Beschuldigten steht. § 160a Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Soweit ein Verwertungsverbot nach Absatz 5 in Betracht kommt, hat die Staatsanwalt-
schaft unverzüglich eine Entscheidung des anordnenden Gerichts über die Verwertbarkeit
der erlangten Erkenntnisse herbeizuführen. Soweit das Gericht eine Verwertbarkeit ver-
neint, ist dies für das weitere Verfahren bindend.

Es wird vorgeschlagen, § 100d StPO entsprechend anzupassen:


§ 100d
(1) Maßnahmen nach § 100c oder § 100j dürfen nur auf Antrag [. . . ].
(2) Die Anordnung ergeht schriftlich. In der Anordnung sind anzugeben:
[. . . ] im Fall des § 100c StPO die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachen-
den Wohnräume, im Fall des § 100j StPO die Art des komplexen informationstechnischen
Systems und die Besitzverhältnisse [. . . ].
[. . . ]
(5) Personenbezogene Daten aus einer akustischen Wohnraumüberwachung oder einer
„Online-Durchsuchung“ nach § 100j Abs. 1 StPO dürfen für andere Zwecke nach folgen-
den Maßgaben verwendet werden:
[. . . ].
472 § 36 Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen

XI. Hinweis für die Vorratsdatenspeicherung

Die strafprozessuale Vorratsdatenspeicherung muss nicht in die Neuregelung ein-


bezogen werden. Gegebenenfalls sind strenge Anforderungen zu beachten.
Teil VII

Ergebnisse
§ 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

I. Regelungsbereich und Begriff

Gerade weil die verdeckten strafprozessualen Ermittlungen keine Zwangsmaßnah-


men sind, benötigen die gesetzlichen Vorschriften dieses Regelungsbereichs eine
eigene Dogmatik. Dazu gehört auch der geeignete eigene Oberbegriff „verdeckte
strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen“.

II. Kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen waren bis weit ins 18. Jahrhundert kein nen-
nenswerter Bestandteil des Strafprozesses. Heimliches Vorgehen war zwar bekannt,
doch beschränkte es sich auf den diplomatischen und militärischen Bereich. Kri-
minalistisch wurden verdeckte Ermittlungsmaßnahmen erst in den absolutistischen
Staaten der Neuzeit zur Verfolgung politischer Straftaten eingesetzt. Erst die Kon-
stitutionen des 19. und 20. Jahrhunderts beschränkten diese Praxis mit der Einfüh-
rung des Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnisses. Gesetzliche Befugnisse wur-
den erstmals mit der Regelung der Postbeschlagnahme Ende des 19. Jahrhunderts
geschaffen. Kurz darauf wurden ein Gesetzesvorbehalt und eine Ausnahme vom
Schutz des Telegraphengeheimnisses in § 8 des Gesetzes über das Telegraphenwe-
sen vorgesehen. Die Fernmeldeüberwachung wurde als strafprozessuale Maßnahme
in § 12 des FAG von 1928 eingeführt. Mit der Reichstagsbrandverordnung von
1933 wurden die Beschränkungen aufgelöst und das Brief-, Post-, und Fernmel-
degeheimnis außer Kraft gesetzt. Die Ermittlungsbehörden waren dadurch von der
Gesetzesbindung bei heimlicher Überwachung befreit.
Wie in der Bundesrepublik Deutschland gab es auch in der DDR gesetzliche
Beschränkungen der Telekommunikationsüberwachung, die aber im Bereich poli-
tischer Delikte in der DDR nicht beachtet wurden. In der Bundesrepublik wurde
das Regelungssystem der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen als
Reaktion auf Terrorismus, Organisierte Kriminalität und neue technische Entwick-
T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 475
DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_37, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
476 § 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

lungen ab Ende der 60er Jahre fortwährend ergänzt. Verfassungsbeschwerden führ-


ten dazu, dass sich das Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber in ständiger
Aktion und Reaktion mit dem Regelungsbereich befassten. Die strittigen Grund-
fragen sind bis heute nicht gelöst und müssen nicht nur in Bezug auf technische
Neuerungen beantwortet werden.

III. Verfassungsrechtliche Vorgaben

1. Verhältnis des Verfassungsrechts zum Strafprozessrecht

Das strafprozessuale Recht der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen ist nicht von


den spezifischen Vorgaben des Verfassungsrechts zu trennen. Das Verhältnis zwi-
schen den Regelungen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in der StPO und dem
Verfassungsrecht ist letztlich eine rein staatsrechtliche Frage der Gewaltenteilung.
Das Grundgesetz hat diese Frage zu Gunsten des BVerfG entschieden, das selbst
definieren darf, in welche Tiefe des einfachen Rechts die Verfassung „ausstrahlt“.
Je mehr Vorgaben aus dem Verfassungsrecht abgeleitet werden, desto mehr Macht
hat das BVerfG als maßgebliche Auslegungsinstanz gegenüber dem Gesetzgeber.
Dessen Spielraum wird respektive kleiner. Ein Spielraum des Gesetzgebers, der in-
haltlich nicht überprüft werden dürfte, besteht nicht. Der Gesetzgeber hat allerdings
die positive Gesetzgebungskompetenz, die dem BVerfG und anderen Rechtsanwen-
dern nicht zusteht. Stellt sich die verfassungskonforme Auslegung als Teilkassation
des gesetzgeberischen Willens dar, steht sie grundsätzlich nur dem BVerfG zu.
Eine verfassungskonforme Auslegung ist auf der Grundlage des Willens des Ge-
setzgebers bei den von 1967 bis 2007 reformierten Regelungen der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen aber nicht nur durch das BVerfG, sondern durch einfa-
che Rechtsanwender zulässig. Für ältere Regelungen gilt dies jedoch nur in den
Fällen, in welchen herkömmliche Auslegungsmethoden keine eindeutige Richtung
des gesetzgeberischen Willens ergeben. Eine verfassungskonforme Auslegung ge-
gen den Wortlaut oder den vom Gesetzgeber gewollten Sinn ist weder dem BVerfG
noch den einfachen Rechtsanwendern gestattet. Auch verfassungskonforme Reduk-
tion, Ersetzung oder Ergänzung sind unzulässig. Wenn die subjektiv-historisches
Auslegung eindeutig einen verfassungswidrigen Sinn ergibt, muss der Wortlaut der
Vorschriften geändert werden, um ihre Verfassungsmäßigkeit herzustellen.

2. Klärung des Eingriffsbegriffs

Grundsätzlich liegt ein Grundrechtseingriff nur vor, wenn folgende Anforderungen


erfüllt sind:
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben 477

1. Grundrechtlich geschützte Freiheiten einer Person müssen erfolgreich verkürzt


werden.
2. Ein solcher Erfolg liegt nur vor, wenn eine freie Entscheidungsfindung durch
fühlbaren staatlichen Einfluss im Ergebnis verändert wird („Freiheitsbeeinträch-
tigung“) (Art. 2 Abs. 1 GG).
3. Der Erfolg muss dem Handeln staatlicher Organe wenigstens im Sinne einer
Risikoerhöhungstheorie objektiv zurechenbar sein.
4. Für die einzelnen Grundrechte können sich jedoch abweichende Ergebnisse er-
geben: Wird durch spezielle Freiheiten der Eingriff normativ vorverlagert, kann
auch schon staatliches Verhalten, das die Entscheidungsfreiheit nicht unbedingt
beeinflusst, Eingriff sein (Art. 1 GG, Art. 10 GG, Art. 13 GG).

3. Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

a) Ablehnung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus


Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG

Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt neben dem Grundrecht auf allgemei-


ne Handlungsfreiheit und dem Anspruch auf Achtung der Menschenwürde nach
subjektiv-historischer Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG keine eigenständige Bedeu-
tung zu. Aus diesem Ansatz folgt, dass nur eine tatsächliche Beeinträchtigung der
allgemeinen Handlungsfreiheit einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG begründen kann. Erwägungen im Sinne einer „abgeschwächten Menschenwür-
de“ sind nicht einzubeziehen. Wenn die Menschenwürde nicht betroffen ist, muss
es sich allein um tatsächliche Beeinträchtigungen der Handlungsfreiheit handeln,
ohne dass es auf eine ethische Missbilligung der verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen im Sinne der Objektformel ankäme. Ein individuelles rein
ethisch-normativ begründetes Verfügungsrecht über die personale Außenwahrneh-
mung gegenüber dem Staat ist grundsätzlich nicht anzuerkennen. Nur für den Kern-
bereich der privaten Lebensgestaltung kann anderes gelten. Ist der Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung betroffen, wird dieser allerdings allein durch Art. 1
Abs. 1 GG geschützt.

b) Neues Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung als Unterkategorie


des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG

Die gesetzlichen Regelungen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen


bergen ein rational begründetes Gefährdungspotential, das durch psychische Ein-
schüchterungswirkung zu Verhaltensänderungen der Bürger führt. Sie verkürzen so
die natürliche Handlungsfreiheit, die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird. Das
Grundrecht auf Freiheit von (handlungsbeeinflussender) Einschüchterung ist eine
Konkretisierung dieses Obergrundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit.
478 § 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die verschiedenen Unterkategorien des hier abgelehnten allgemeinen Persön-


lichkeitsrechts lassen sich ebenfalls auf den Gedanken der durch Einschüchterung
unterdrückten Handlungsfreiheit zurückführen. Sie sind damit nichts weiter als
Ausprägungen des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung, soweit sie tat-
sächlich Einschüchterungswirkung haben.
Wenn diese Rechte bereits im Schutzbereich eines anderen Grundrechts enthal-
ten sind, liegt kein zusätzlicher Eingriff vor. Zu einem Eingriff in Art. 1 Abs. 1,
Art. 10 oder Art. 13 GG käme keine weitere Begründung hinzu. Es würde sich
lediglich um einen „besonders intensiven Eingriff“ in diese Rechte handeln.

c) Kernbereichslehre und Menschenwürdeschutz nach Art. 1 Abs. 1 GG

Der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung wird nur durch Art. 1
Abs. 1 GG gewährleistet. Im Unterschied zum Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung kommt es auf eine Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit gemäß
Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 GG nicht an. Geschützt ist insofern
die Integrität des menschlichen „Soseins“.
Für die Praxis der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen lässt
sich die Kernbereichslehre so beschreiben, dass der „ermittlungsfeste“ Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung das ist, was objektiv als intim, privat oder vertraulich
angesehen wird und was erkennbar nach dem zumindest schlüssig ausgedrückten
subjektiven Dafürhalten zusätzlich vertraulich bleiben soll, ohne inhaltlich Themen
der öffentlichen Sphäre zu berühren. Konkrete Straftaten berühren immer Belan-
ge der Allgemeinheit. Äußerungen über sie gehören nie zum Kernbereich. Auch
alles, was außerhalb von Vertrauensverhältnissen geäußert wird, gehört nicht zum
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung.
Zum geschützten Kernbereich können bestimmte Verhaltensweisen gehören, wie
beispielsweise die Beichte über persönliche Schuld vor einem Geistlichen oder an-
dere Äußerungen über schwere Gewissenskonflikte. Dies trifft auch auf in ihrer
Einzelheit unerhebliche Verhaltensweisen zu, die in ihrer Zusammenschau ein „Be-
wegungsprofil“ und daher ein Persönlichkeitsprofil liefern, mit dem der Betroffene
in seiner Lebenswelt „durchleuchtet“ werden kann. Zufällige Beobachtungen kern-
bereichsrelevanten Verhaltens sind keine Verletzung des Achtungsanspruchs der
Menschenwürde. Der Staat darf aber unter keinen Umständen zielgerichtet Ver-
haltensweisen aus dem Kernbereich beobachten. „Fahrlässige“ oder bedingt „vor-
sätzliche„ Beobachtungen sind durch ein Schutzkonzept zur Risikominimierung zu
vermeiden.
Das ebenfalls in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte nemo-tenetur-Prinzip ist durch
die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen nicht verletzt. Sie nehmen
gerade keinen Einfluss auf den unmittelbar Betroffenen, sich selbst zu belasten.
Vielmehr nutzen sie nur seine Unachtsamkeit aus.
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben 479

4. Enger Schutzbereich des Art. 10 GG

Nur diejenigen verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen greifen in das


Grundrecht aus Art. 10 GG ein, die Kommunikation auf ihrem elektronischen Über-
tragungsweg betreffen oder zugehörige Daten erheben. Mittelbar mit Telekommu-
nikation zusammenhängende Verhaltensweisen gehören nicht zum Schutzbereich.
Entgegen der Rechtsprechung des BVerfG gehört die technische Manipulation des
Endgeräts und die damit durchgeführte Gesprächsüberwachung nicht zum Schutz-
bereich des Grundrechts aus Art. 10 GG, sondern zum dem des Art. 2 Abs. 1 GG.
Nach subjektiv-historischer Auslegung müssen die Schutzbereiche des Telekommu-
nikationsgeheimnisses und des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung nach
Kontrollsphären abgegrenzt werden. Nur Maßnahmen außerhalb des Kontrollbe-
reichs des Betroffenen gehören in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG.
Die Bedeutung der Schutzbereichsunterscheidung zwischen Art. 10 GG und dem
Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung nach Art. 2 Abs. 1 GG ist durch
die überragende Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weitgehend nivel-
liert worden. Dies gilt aber nur für die Frage des Eingriffs. Die Schutzbereichs-
unterscheidung ergibt weiterhin Sinn für die Entscheidungsökonomie und bedingt
eine besondere, d. h. sachgerechte Anpassung der Art und Weise des Schutzes.
Die Schutzbereichsunterscheidung hat zudem Bedeutung für die erforderliche Be-
stimmtheit der Eingriffsgesetze.

5. Auslegung der Schranken des Art. 13 Abs. 3 GG

Für die verdeckte Ermittlungsmaßnahme der akustischen Wohnraumüberwachung


sind in Art. 13 Abs. 3 GG spezielle Schranken aufgestellt. Sie betreffen das Recht
auf Unverletzlichkeit der Wohnung und sind wie folgt zu verstehen:
1. Der Schutz der Schranken des Art. 13 Abs. 3, 5 GG gilt grundsätzlich für jeden
zum privaten oder geschäftlichen Leben bestimmten Raum. Nicht so geschützt
werden allerdings Räume, die von der Person der Öffentlichkeit unkontrolliert
zur Verfügung gestellt werden, die faktisch über den Zugang entscheidet. Dies
wird dogmatisch über eine entsprechende Anwendung der Schranken auf Räu-
me erreicht, die nicht im Wortsinne Wohnungen sind. Art. 2 Abs. 1 GG erlaubt
insoweit die notwendige Flexibilität der Schranken.
2. Weil Art. 13 Abs. 3 GG eine durch Gesetz einzeln bestimmte, besonders schwe-
re Straftat als Voraussetzung für eine akustische Wohnraumüberwachung for-
dert, muss das Delikt durch Angabe des Gesetzes und des Paragraphen genau
benannt sein. Eine Kategorisierung bloß über Mindeststrafen wäre nicht ausrei-
chend. Diese besondere Schwere der Tat im Einzelfall muss der Gesetzgeber
in bestimmter Weise angemessen regeln. Dieses muss sich widerspruchslos in
die bestehende Ordnung schwerer Taten des materiellen Strafrechts einfügen.
480 § 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

Nach dem StGB können nur Taten, die Verbrechen sind, als besonders schwere
Straftaten eingeordnet werden.
3. Art. 13 Abs. 3 StPO bestimmt zudem ausdrücklich die Subsidiarität der Maß-
nahme. Danach darf akustische Wohnraumüberwachung nur angeordnet wer-
den, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismä-
ßig erschwert oder aussichtslos ist. Das bedeutet, dass die akustische Wohnrau-
müberwachung immer das letzte Mittel der Ermittlungsmaßnahmen sein muss.

6. Grundrecht auf ein faires Verfahren

Selbst wenn man das Recht auf ein faires Verfahren als gesondertes Grundrecht
anerkennt, enthält es keine eindeutigen Vorgaben für die verdeckten strafprozessua-
len Ermittlungsmaßnahmen. Die Probleme müssen über die bekannten Grundrechte
und die traditionellen rechtsstaatlichen Prinzipien gelöst werden. Ein Grundrecht
auf ein faires Verfahren würde unmittelbar an den Begriff der Gerechtigkeit anknüp-
fen, der sich aber erst aus einer Abwägung der allgemeinen Sicherheitsinteressen
gegen die grundrechtlich geschützten Individualinteressen ergibt.

7. Grundrechtseingriffe und Gesetzesvorbehalt

Alle Grundrechtseingriffe durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen stehen unter


Gesetzesvorbehalt. Für Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG ist ein spezieller Geset-
zesvorbehalt in Art. 13 Abs. 3, 5 GG angeordnet. Für alle anderen verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen besteht der einfache Gesetzesvorbehalt. Durch das Grund-
recht auf Freiheit von Einschüchterung bedarf jede personenbezogene verdeckte
Maßnahme einer gesetzlichen Regelung als rechtmäßiger Eingriffsgrundlage.

a) Bestimmtheit

Der Bestimmtheitsmaßstab bei den Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen


Ermittlungen wird durch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung und dem Prinzip der
Rechtssicherheit vorgegeben. Eine proportionale Beziehung zwischen Bestimmt-
heit der Regelungen und der Intensität der Grundrechtseingriffe besteht nicht. Die
Bestimmtheit der einfachen Gesetze darf entgegen der h. M. nicht mit der verfas-
sungsrechtlichen Eingriffsintensität abnehmen. Jeder Eingriff in das Grundrecht
auf Offenheit und die anderen Grundrechte durch Maßnahmen verdeckter straf-
prozessualer Ermittlungen muss durch den Gesetzgeber im Rahmen des sachlich
Möglichen klar und bestimmt geregelt werden.
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben 481

b) Verhältnismäßigkeit

Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen sind im Gegensatz zu Zwangsmaßnahmen, die


Selbstbelastung erzwingen sollen, dann erlaubt, wenn sie verhältnismäßig sind. Im
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist das Grundrecht auf Freiheit von Ein-
schüchterung aus Art. 2 Abs. 1 GG neben Art. 10 und Art. 13 GG besonders zu
beachten.
Die Regelungen der strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen müssen zur
Förderung der Sicherheitsinteressen der Bevölkerung geeignet, erforderlich und
angemessen sein. Die Angemessenheitsprüfung darf nicht vom Gesetzgeber auf die
rechtsanwendende Judikative und Exekutive übertragen werden. Offene Rechtsbe-
griffe innerhalb der Regelungen verdeckter strafprozessualer Ermittlungsmaßnah-
men können daher nicht „verfassungskonform ausgelegt“ bzw. „verfassungskon-
form reduziert“ werden, wenn die Offenheit sowohl Raum lässt für ein Verständnis,
das zu angemessenen wie auch zu unangemessenen Ergebnissen führen kann.
Ergibt sich ein angemessenes Ergebnis nicht zwanglos durch andere Auslegungs-
kriterien, ist die gesetzliche Regelung verfassungswidrig. Die Erforderlichkeit
kann hingegen in begrenztem Maße zur verfassungskonformen Auslegung von
Rechtsbegriffen verwendet werden. Unzulässig ist allerdings eine verfassungskon-
forme Reduktion eindeutiger Rechtsbegriffe. Unterschiede in der Belastung eines
Betroffen durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen werden bei der Erforderlich-
keitsprüfung vorausgesetzt, sind aber ungeklärt. Diese Unterschiede sind anhand
objektiver Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Dabei sind folgende Kriterien
besonders zu berücksichtigen:
 Dauer der Maßnahme
 Festhalten (speichern) der Informationen mittelbar oder unmittelbar
 Art und Anzahl der Überwachungsmittel
 Schwierigkeit natürliche Hindernisse zu überwinden
 Inhaltliche Privatsphäre.
Zwangsmaßnahmen sind nicht unbedingt weniger belastend als verdeckte Ermitt-
lungsmaßnahmen.

8. Bedingter Anspruch auf Offenheit als Folge


der verfassungsrechtlichen Vorgaben

Die Freiheit von einschüchternder Überwachung betrifft das „Ob“ der Überwa-
chung. Durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus dem Gesetzes-
vorbehalt kann sich ein Anspruch auf Offenheit der Überwachung ergeben, der das
„Wie“ der Maßnahme betrifft. Damit enthält Art. 2 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf
Freiheit von Einschüchterung und für die Fälle, dass eine grundsätzlich unzulässige
Überwachung ausnahmsweise gerechtfertigt ist, auf der zweiten Stufe ein Anspruch
auf Offenheit der Überwachung.
482 § 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

IV. Die grundlegenden Strukturelemente der einzelnen


Eingriffstatbestände

Aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen lässt sich ein Grundmodell der für
die Regelung einer abstrakten Ermittlungsmaßnahme notwendigen Strukturelemen-
te bilden:
1. Tatverdacht
2. Anlasstaten
3. Subsidiarität
4. Kernbereichsschutz
5. Anordnungskompetenz
6. Informations- und Löschungspflichten
7. Rechtsschutz
8. Annexbefugnisse
9. Maßnahmenkombination
Das jeweilige Tatbestandsmerkmal muss den Anforderungen der Verständlich-
keit und Verhältnismäßigkeit genügen. Einen Sonderstatus nimmt die Kombina-
tion von Maßnahmen ein, die aus der Natur der Sache nicht jede Maßnahme al-
lein betrifft, aber trotzdem die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der einzelnen
Maßnahmen aufwirft. Der Rechtsschutz ist schließlich kein Merkmal der einzelnen
Anordnung, sondern ein nachfolgendes Problem, das aber ebenfalls auf alle Maß-
nahmen zutrifft.1

V. Tatverdacht

Selbst für die einfachsten Ermittlungsmaßnahmen ist ein Tatverdacht erforderlich.


Mit diesem Erfordernis regelt der Gesetzgeber die Angemessenheit der Maßnah-
me. Die StPO kennt über diesen Tatverdacht hinaus zwei weitere Verdachtsarten,
den hinreichenden und den dringenden Tatverdacht. Der bei den Regelungen der
verdeckten Ermittlungsmaßnahmen verwendete Begriff „bestimmte Tatsachen“ ist
keine tautologische Umschreibung der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ des normalen
Anfangsverdachts. Vielmehr handelt es sich um ein Aliud für die verdachtsbegrün-
denden Umstände. „Bestimmte Tatsachen“ bilden ein besonderes Begründungser-
fordernis für einen Verdacht.

1
Diese beiden Punkte kommen daher nicht in den Tabellen der Einzelmaßnahmen vor. Die
Probleme der Beweisverwertung werden in der vorliegenden Arbeit nur hinsichtlich des Kern-
bereichsschutzes erörtert. Darüber hinaus sind sie kein spezielles Probleme der verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen, sondern allgemein für das Ermittlungsverfahren zu behandeln.
VI. Anlasstaten 483

VI. Anlasstaten

Die verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sind in vielen Fällen nur dann erlaubt, wenn
sich der Verdacht auf bestimmte Delikte als Anlasstaten bezieht. Diese Katalog-
systeme sind uneinheitlich weit gefasst und betreffen wie Tatschwereklauseln die
Angemessenheit der Maßnahme.
Zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit der verdeckten strafprozessualen Er-
mittlungsmaßnahmen sind nur im Rahmen des Art. 13 Abs. 3 GG enumerative
Anlasstatenkataloge erforderlich. Bei der Kombination der Kataloge mit einer Ka-
tegorisierung nach Straferwartungen muss aber wenigstens ein bestimmter Wert,
zum Beispiel die Grenze zwischen Verbrechen und Vergehen, ausgewählt werden.
Unbestimmt sind die Begriffe einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ oder der
Begriff „die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt“. Das führt zur Verfassungswid-
rigkeit weiter Teile der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen. Eine
weitere Konkretisierung der Tatschwere war dem Gesetzgeber ohne Beschädigung
der Regelungssystematik leicht möglich. Wenn der Gesetzgeber sich aber de lege
ferenda nur für ein reines Anlasstatenkatalogsystem entscheidet, muss er die Taten
in ein schlüssiges System bringen, das die Grundrechtsbelastung durch die jeweili-
gen Maßnahmen berücksichtigt.

VII. Subsidiarität

1. Das Fehlen geschriebener Subsidiaritätsklauseln


führt zu Verfassungswidrigkeit

In einigen Regelungen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen


wird ausdrücklich auf die Subsidiariät hingewiesen, in andere wird ein solcher
Grundsatz über eine direkte Wirkung des verfassungsrechtlichen Verhältnismä-
ßigkeitsprinzips nach h. M. „hineingelesen“. Ungeschriebene Subsidiariätsklauseln
gibt es aber nicht. Die entsprechenden Maßnahmen sind verfassungswidrig, weil
sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachten. Während die geschrie-
benen Subsidiaritätsklauseln untereinander unstimmig, aber systematisch und
verfassungskonform auslegbar sind, sind Regelungen der Maßnahmen ohne Sub-
sidiaritätsklauseln mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht mit dem
gewünschten Ergebnis auslegbar und verfassungswidrig.
484 § 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

2. Verfassungskonforme Auslegung der geschriebenen


Subsidiaritätsklauseln

Die verfassungskonforme Auslegung gebietet, die Unklarheit der geschriebene


Klausel aufzulösen und die Subsidiaritätsklauseln durch Einzelfallabwägung ge-
genüber anderen geeigneten, geheimen, wie auch offenen Maßnahmen in eine
Reihenfolge zu bringen. Die abstrakte Eingriffsintensität, die das Gesetz je Maß-
nahme zulässt, ist dabei nur ein Kriterium unter mehreren. Entscheidend ist neben
der Art der Maßnahme, ihre konkrete Dauer, die räumliche Distanz zur beobachte-
ten Person, die tatsächliche Art der Wahrnehmung. Die Belastung des Betroffenen
ist außerdem von den tatsächlich beobachteten Inhalten abhängig.

VIII. Kernbereichsschutz

Der Kernbereichsschutz muss für alle Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen


Ermittlungsmaßnahmen nach dem zweistufigen Schutzkonzept des BVerfG gere-
gelt werden. Danach muss vor der Durchführung der Maßnahmen Vorsorge getrof-
fen werden, dass diese bei wahrscheinlicher Kernbereichsbetroffenheit unterbleibt.
Nachträglich müssen unvermeidbar gesammelte Informationen gelöscht und die
Beweisverwertung verboten werden. Rechtsschutz muss durch Informationspflich-
ten und einen Rechtsbehelf ermöglicht werden. Es sei denn, die Maßnahmen stellen
ihrer Art nach keine Gefahr für den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung
dar oder bieten gleichwertigen Schutz auf andere Weise. Die Regelungen, die dem
nicht entsprechen, sind verfassungswidrig.

IX. Anordnungskompetenz

Die meisten der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen dürfen nach


den Regelungen der StPO nur durch das Ermittlungsgericht und höchstens im Eilfall
durch die StA angeordnet werden. Diese Regelung betrifft den Grundrechtsschutz
durch Verfahren.
Auch die Anordnungskompetenz muss der Gesetzgeber in ein schlüssiges und
widerspruchsfreies Gesamtkonzept einordnen. Wenn er bei anderen schwerwiegen-
den prozessualen Grundrechtseingriffen die Anordnung gerade durch den Richter
als erforderliches Mittel einschätzt, um Grundrechtsschutz zu gewährleisten, muss
er dies auch bei der Regelung besonders belastenden verdeckter Ermittlungsmaß-
nahmen verwenden. Durch die Besonderheit der Heimlichkeit ist eine richterliche
Vorprüfung der Maßnahme verfassungsrechtlich zwingend. Durch die richterliche
Anordnung wird der Eingriff in Art. 19 Abs. 4 GG auf das unbedingt erforderliche
Maß beschränkt. Auch die Missbrauchsgefahr verdeckter strafprozessualer Ermitt-
lungsmaßnahmen durch Behörden, die ministeriellen Weisungen unterliegen, wird
X. Rechtsschutz 485

durch die Einschaltung der unabhängigen Gerichte in den Ermittlungsprozess mi-


nimiert.

1. Beschränkung auf Rechtsprüfung

Nach verfassungskonformer Auslegung ist das Ermittlungsgericht bei den verdeck-


ten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen nur zur Rechtsprüfung verpflichtet
und befugt.

2. Inhaltliche Prüfungspflicht

Im Sinne des bestmöglichen Grundrechtsschutzes muss das Gericht die Angaben


zum Tatverdacht zumindest anhand der Ermittlungsakte prüfen und bei Zweifeln In-
formationen von der StA nachfordern, eine Prüfung allein des Antrags ist nicht ge-
nügend. Der Richter muss eine vollständige „Schlüssigkeitsprüfung“ vornehmen.

X. Rechtsschutz

Für den Rechtsschutz nach § 19 Abs. 4 GG muss ein nachträglicher Rechtsbehelf


gegen die Maßnahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
zur Verfügung stehen. Der Betroffene muss seine eigenen Argumente gegen ei-
ne Maßnahme der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen neben der
vorangehenden Prüfung der Maßnahme durch das Ermittlungsgericht zumindest im
Nachhinein vorbringen können. Für sämtliche in § 101 Abs. 1 StPO genannten
Maßnahmen ist § 101 Abs. 7 S. 2 StPO lex specialis. Für eine Anwendung des
§ 98 Abs. 2 StPO analog ist mangels gesetzlicher Lücke kein Raum.

XI. Benachrichtigungs- und Löschungspflichten

Die individuelle Benachrichtigung darf nur wegen „Gefährdung des Untersu-


chungszwecks“ oder der Gefährdung der in § 101 Abs. 5 StPO genannten Rechts-
güter zurückgestellt werden. Ist eine solche Gefährdungslage nicht gegeben,
muss benachrichtigt werden. Die Entscheidung ist nicht von weiteren Zweck-
mäßigkeitserwägungen abhängig. Selbst wenn es sich bei der „Gefährdung des
Untersuchungszwecks“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handeln sollte, sind
die Anforderungen gerichtlich voll überprüfbar. Die Benachrichtigungspflichten
dienen sowohl dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG als auch dem Grundrecht
486 § 37 Zusammenfassung der Ergebnisse

auf Freiheit von Einschüchterung. Löschungspflichten bestehen nach verfassungs-


konformer Auslegung des § 101 Abs. 8 StPO nur, wenn der Betroffene mit der
Löschung einverstanden ist.

XII. Annexbefugnisse

Wenn die Überwachungsmaßnahme ihrer Art nach in jedem Fall durch einen In-
stallationseingriff vorbereitet werden muss, ist dieser im Regelungsumfang der Vor-
schrift enthalten.
Ebenfalls ausreichend ist es, wenn der „Installationseingriff“ ein typisches Kenn-
zeichen der Durchführung der Maßnahme ist und der Gesetzgeber sich gerade eine
solche Vorgehensweise bei Erlass der Regelung vorgestellt hat. In diesem Fall muss
sich durch subjektiv-historische Auslegung ein entsprechend weiter Umfang des
Gesetzes ermitteln lassen. Dass der „Installationseingriff“ unter die Hauptregelung
fällt, ist nicht selbstverständlich und bedarf der Andeutung im Gesetz und der Be-
gründung in den Gesetzgebungsmaterialien.
Wenn der Installationseingriff eine Maßnahme ist, die nicht typischerweise zur
Vorbereitung der Überwachung gehört und auch nicht in den Gesetzesmaterialien
erwähnt wird, kann er nicht unter die Überwachungsregelung subsumiert werden.

XIII. Ablehnung der Geltung eines ungeschriebenen


Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Strafverfahren

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wirkt nicht unmittelbar im Ermittlungsverfahren.


Die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit müssen daher vom Gesetzgeber in den
speziellen Befugnisregelungen umgesetzt werden.

XIV. Zulässigkeit der Verbindung unterschiedlicher Maßnahmen

Werden verschiedene verdeckte Maßnahmen kombiniert, steigt die Gefahr, den


Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zu überwachen. De lege lata sind
die Vorschriften, welche über kein Kernbereichsschutzkonzept verfügen, ohne
einschränkende spezialgesetzliche Grundlage verfassungswidrig. Zudem ist die
Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüch-
terung aus Art. 2 Abs. 1 ohne allgemeine Subsidiaritätsregelung nicht gewahrt.
Entsprechendes gilt Hinsichtlich des fehlenden Richtervorbehalts für die Maßnah-
menkombination und Art. 19 Abs. 4 GG.
XV. Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen 487

XV. Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen

Die Vorschriften zur Regelung der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaß-


nahmen sollten alle in der gleichen, dem obigen Grundmodell angepassten Form
geregelt werden und nur im Hinblick auf die Angemessenheit der Maßnahme ge-
genüber dem verbundenen Eingriff Unterschiede aufweisen. In dieser Arbeit finden
sich Vorschläge zu einer entsprechenden Optimierung des bestehenden gesetzgebe-
rischen Konzepts.
§ 38 Tabellarische Übersicht der Auswirkungen
auf die einzelnen Regelungen

Die Auswirkungen der oben genannten Ergebnisse auf die bestehenden Regelun-
gen im Einzelnen sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt. Einige wichtige
Einzelergebnisse stehen außerhalb der Einteilung der Tabelle und sollen kurz zu-
sammengefasst werden:
1. Die Quellen-TKÜ ist kein Fall der Telekommunikationsüberwachung nach
§ 100a StPO.
2. Die E-Mail-„Beschlagnahme“ ist ein Fall der Telekommunikationsüberwachung
nach § 100a StPO.
3. Die Online-Durchsuchung kann bereits de lege lata unter § 100h StPO subsu-
miert werden, was aber verfassungswidrig ist.

T. A. Bode, Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, 489


DOI 10.1007/978-3-642-32661-5_38, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
490

Tab. 4 Die Auswirkungen der oben genannten Ergebnisse auf die bestehenden Regelungen im Einzelnen sind in der Tabelle dargestellt. Der Aufbau der
Tabelle orientiert sich an Tab. 1in § 11, II. Nicht aufgenommen worden sind hier – ebenso wie in Tab. 1 – mögliche Kombinationen von Regelungen der
strafprozessualen verdeckten Ermittlungen

Maßnah- Tatverdacht Anlasstaten Subsidiarität Kernbereichs- Kompetenz Informations- Verfassungs-


me nach schutz und Löschungs- mäßigkeit
§ StPO pflichten

94, 99 Bestimmte Tatsachen Alle Straftaten Keine Regelung § 97, keine Gericht Unverzügliche Verfassungswidrig
inhaltliche Weiterleitung,
Regelung wenn Zurück-
behaltung nicht
erforderlich +
§ 101 StPO
98a Zureichende tatsächli- 6 Delikts- Erheblich weniger er- Keine Regelung Gericht § 101 StPO Verfassungswidrig
che Anhaltspunkte gruppen von folgversprechend oder verfassungskonform
erheblicher wesentlich erschwert auszulegen
Bedeutung
100a Bestimmte Tatsachen Katalog mit Andere Maßnahmen § 100a Abs. 4 § 100b Gericht, § 101 StPO Verfassungswidrig
11 Punkten wesentlich erschwert StPO Eilfall StA verfassungskonform
+ Einzelfall oder aussichtslos auszulegen
schwerwiegend
100c Bestimmte Tatsachen Katalog mit Andere Maßnahmen we- § 100c Abs. 4, § 100d Landge- § 101 StPO Verfassungswidrig
7 Punkten sentlich erschwert oder 5, 6 S. 2 StPO richtskammer, verfassungskonfor-
+ Einzelfall aussichtslos nur gegen § 74a Abs. 4 me Auslegung
schwerwiegend den Beschuldigten GVG, Eilfall
Vorsitzender
100f Bestimmte Tatsachen Katalog wie Andere Maßnahmen Keine Rege- § 100b Gericht, § 101 StPO Verfassungswidrig
§ 100a + wesentlich erschwert lung Eilfall StA verfassungskonform
Einzelfall oder aussichtslos auszulegen
schwerwiegend
§ 38 Tabellarische Übersicht der Auswirkungen auf die einzelnen Regelungen
Tab. 4 Fortsetzung

Maßnah- Tatverdacht Anlasstaten Subsidiarität Kernbereichs- Kompetenz Informations- Verfassungs-


me nach schutz und Löschungs- mäßigkeit
§ StPO pflichten

100g Bestimmte Tatsachen Erhebliche § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 § 100b Ermitt- Keine Regelung § 101 StPO Verfassungswidrig
Bedeutung und i. V. m. S. 2 Ermittlung lungsgericht, verfassungskonform
im Einzelfall des Aufenthaltsorts sonst Eilfall StA auszulegen
schwerwiegend aussichtslos, Angemes-
oder mittels TK senheit, keine Echtzeit
begangen § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1
für die Ermittlungsmaß-
nahmen erforderlich
100h Gegen Beschuldig- Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 sonst Keine Rege- Polizei § 101 StPO Verfassungswidrig
ten: keine Regelung; alle Straftaten erheblich weniger er- lung verfassungskonform
gegen andere: Abs. 1 Abs. 1 Nr. 2 folgversprechend oder auszulegen
Nr. 1 keine Regelung, Tat erheblicher wesentlich erschwert
Abs. 1 Nr. 2 bestimm- Bedeutung Abs. 1 Nr. 2
te Tatsachen ergeben
Verbindung mit Be-
schuldigtem
100i Bestimmte Tatsachen Erhebliche Abs. 1 erforderlich, Keine Regelung § 100i Abs, 3 § 101 StPO Verfassungswidrig
Bedeutung + Abs. 2 technisch unver- i. V. m. § 100b verfassungskonform
§ 38 Tabellarische Übersicht der Auswirkungen auf die einzelnen Regelungen

im Einzelfall meidbar Gericht, Eilfall auszulegen


schwerwiegend StA
94, 110 Bestimmte Tatsachen alle Straftaten Keine Regelung § 97, keine wei- Gericht, Eilfall § 101 StPO Verfassungswidrig
tere Regelung StA
491
Tab. 4 Fortsetzung
492

Maßnah- Tatverdacht Anlasstaten Subsidiarität Kernbereichs- Kompetenz Informations- Verfassungs-


me nach schutz und Löschungs- mäßigkeit
§ StPO pflichten

110a Zureichende tatsächli- Erhebliche Be- Vergehen: Sonst aus- § 110c kein § 110b Abs. 1 § 101 StPO; Verfassungswidrig
che Anhaltspunkte deutung in 4 sichtslos oder wesentlich über Legende StA, Eilfall § 110b Abs. 3 verfassungskonform
Deliktsgruppen erschwert Verbrechen: hinausgehen- Polizei; Abs. 2 Identität des VE auszulegen
+ alle Ver- Besondere Bedeutung des Täuschen Zustimmung kann uU weiter
brechen bei sonst aussichtslos bei Wohnung, des Gerichts, geheim bleiben
Wiederholungs- keine weitere Eilfall StA
gefahr Regelung
161 Zureichende tatsäch- Alle Straftaten, Keine Regelung Keine Rege- StA und Polizei Keine Rege- Als Eingriffser-
Abs. 1 liche Anhaltspunkte, § 152 StPO, lung lung mächtigung für
S. 1 i. V. § 152 StPO alle sonstigen verdeckte Ermitt-
m. 163 Maßnahmen, lungsmaßnahmen
S. 2 auch auf ver- verfassungswidrig
deckte Art und
Weise
163d Bestimmte Tatsachen; Taten nach Maßnahme nicht außer Keine Regelung Gericht, Eilfall § 101 StPO Verfassungskonfor-
wenn Tatsachen die §§ 100a und Verhältnis zur Sache StA und Ermitt- me Auslegung
Annahme rechtferti- 111 StPO lungspersonen
gen
163e Zureichende tatsächli- Tat von er- Keine Regelung Keine Regelung Gericht, Eilfall § 101StPO Verfassungswidrig
che Anhaltspunkte heblicher StA
Bedeutung,
nur gegen den
Beschuldigten
163f Zureichende tatsächli- Tat von er- Andere Weise erheblich Keine Regelung Gericht, Eilfall § 101 StPO Verfassungswidrig
che Anhaltspunkte heblicher weniger Erfolg verspre- StA und Ermitt- verfassungskonform
Bedeutung chend oder wesentlich lungspersonen auszulegen
erschwert
§ 38 Tabellarische Übersicht der Auswirkungen auf die einzelnen Regelungen
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Sachverzeichnis

A B
Abhörgeräte, 378 Befugnisnorm, 135
Abhörwanzen, 364 Begleitmaßnahmen, 324
Abrechnungszwecke, 385 Begründungserfordernis, 264
Achtungsanspruch der Menschenwürde, 104 Belastungsintensität, 227
Akkusationsprozess, 18 Benachrichtigungspflicht, 320
Akteneinsichtsrecht, 320 Beobachtungszeitraum, 460
Aktivitätsschutz, 92 Berechtigungskennungen, 169
Akustische Wohnraumüberwachung, 375 Berichtspflicht, 134, 319
Allgemeine Handlungsfreiheit, 92 Beschlagnahmefreiheit, 49
Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 92 Beschlagnahmeverbote, 342
ALR, 20, 221 Beschlagnahmeverfahren, 346
Analogieverbot, 217 Beschuldigtenbegriff, 260
Andere Weise, 288 Besondere Gewaltverhältnisse, 343
Anfangsverdacht, 258 Bestimmte Tatsachen, 251
Angemessenheit, 233 Bestimmtheitsgebot, 209
Angemessenheitsmaßstab, 295 Bestimmtheitsgrundsatz, 209
Angemessenheitsprüfung, 269 Beugemittel, 373
Angst, irrationale, 128 Beurteilungsspielraum, 55, 266
Angst, rational begründbare, 123 Bewegungsmelder, 400
Anlasstat, 267 Bewegungsprofile, 155
Anlasstatenkatalog, 267, 279 Beweisverwertung, 305
Beweisverwertungsverbot, 203, 302
Annexbefugnisse, 323
Bildaufnahmen, 399
Anordnung, 307
Bildmanipulationen, 97
Anordnungsfristen, 300
Binnenmarkt, 394
Anordnungskompetenz, 308
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, 166
Anscheinstelefonat, 366
Briefgeheimnis, 21, 167
Auffanggrundrecht, 363
Bundesdatenschutzgesetz, 98
Ausleitung von Daten, 356
BVerfGG, 52
Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung,
433
Außendarstellung, 96 C
Außenwahrnehmung, 96 Cloud, 179
Ausstrahlungswirkung, 49 Computergrundrecht, 99, 173, 188
Autonomierecht, 93 Condicio-sine-qua-non, 78, 108

517
518 Sachverzeichnis

D Ermittlungsansatz, 266
Dammbruchargument, 154 Ermittlungsgeneralklausel, 443
Datenmengen, 169 Ermittlungsverbot, 331
Datenprofil, 348 EU, 391
Datensätze, 347 EU-Kommission, 393
Datenspeicherung bei Polizeikontrollen, 429 Europarecht, 392
Dauer der Maßnahme, 289
DDR, 33 F
Demokratieprinzip, 210 Fehler, 350
Denunzianten, 152 Fernmeldeanlagengesetz (FAG), 26, 28, 37, 41
Denuziation, 32 Fernmeldegeheimnis, 168
Diensteanbieter, 181, 353 Finalität, 73, 81, 161, 295
Diffuse Bedrohlichkeit, 239 Firewall, 192
Dokumentationspflichten, 459 Folter, 20
Drittbetroffene, 82, 135 Fotoaufnahmen, 116
Freiheit von Furcht, 122
E Freiheitsbegriff, 88, 108
Echtzeitüberwachung, 385 Freiheitsgrundrechte, 69
EGMR, 200, 205 Freiwilligkeit, 127
Ehrschutz, 97 Funkzelle, 412
Eigentum, Analogie zum, 139
Eingriffsabwehr, 91 G
Eingriffsbegriff, 69 G-10-Gesetz, 39, 286
Eingriffsintensität, 218 Geeignetheit, 224
Eingriffsqualität, 71 Gefahrenabwehr, 333
Eingriffsschranken, 91 Gefühl der Überwachung, 121
Einheit der Rechtsordnung, 51 Geheimdienste, 455
Einschätzungsprärogative, 55 Geheimnisbruch, 356
Einschüchterungseffekt, 287 Geheimnisgrundrecht, 88
Einschüchterungseffekte, 312, 319 Generalklausel, 443
Einschüchterungswirkung, 114, 287 Gesamtmaßnahme, 455
Einschüchterungswirkung, psychisch Gesetzesbestimmtheit, 209
vermittelte, 114 Gesetzesvorbehalt, 106, 207
Einzelfallgerechtigkeit, 212 Gestapo, 32
Elektromagnetische Abstrahlung, 361 Gewaltenteilung, 52, 54, 210
E-Mail-Beschlagnahme, 178, 340, 372, 415, Gewisse Konkretisierung, 259
417 Gewohnheitsrechtliche Geltung des
EMEI-Nummer, 364 Verhältnismäßigkeitsprinzips im
EMRK, 200 Strafverfahren, 328
Endgeräte, 177, 361 GPS, 324, 400
Entscheidungsautonomie, 105, 113 Großer Lauschangriff, 42, 194, 375
Entscheidungsfreiheit, 86, 90 Grundrecht auf ein faires Verfahren, 199
Entscheidungsfreiheit Dritter, 110 Grundrecht auf Freiheit von
Entscheidungsspielraum, 53 handlungsbeeinflussender
Entschließungsfreiheit, 108 Einschüchterung, 124
Entwürdigung, 294 Grundrecht auf geheime Fernkommunikation,
Erfahrungswissen, 255 166
Erforderlichkeit, 225 Grundrecht auf rechtliches Gehör, 196
Ergebnisse, 475 Grundrecht auf Unverletzlichkeit der
Erheblichkeitsschwelle, 85 Wohnung, 183
Ermessen, 86, 320 Grundrechte, weitere, 198
Ermessensfehler, 309 Grundrechtsausübung, 69
Ermittlugnspersonen, 446 Grundrechtsdogmatik, 71
Sachverzeichnis 519

Grundrechtseingriff, 69 KfZ-Kennzeichen, 98
Grundrechtsgebrauch, 69 Klagebefugnis, 83
Grundrechtsgefährdungen, 89 Klassischer Eingriffsbegriff, 72
Grundrechtskonkretisierungen, 101, 112, 133, Kollektivgrundrecht, 118
138 Kollektivierung der Einschüchterungseffekte,
Grundrechtsverstärkung, 100 121
Kollektivwirkung, 118
H Kombination unterschiedlicher Maßnahmen,
Haftraum, 186 455
Handlungsbeeinflussender Effekt, 103 Kommerzielle Interessen, 139
Handlungssteuerung, 110 Kompetenz des BVerfG, 52
Hausdurchsuchung, 225, 287 Kompetenz-Kompetenz, 53
Hobbes, 221 Kompetenzüberschreitung, 60
Hörfalle, 445, 446 Kompetenzzuweisung, 56
Kontrolldichte, 51
I Kontrollverlust, 120
Imperativität, 74 Kryptographie, 17
IMSI-Catcher, 409 Kumulation der Maßnahmen, 457
IMSI-Nummer, 409
In dubio pro libertate, 133 L
Individuelle Betroffenheit, 84 Längerfristige Observation, 437
Individueller Rechtsschutz, 134 Lästigkewit, 136
Informationsanspruch, 320 Löschungspflichten, 302, 319, 321
Informationserhebungen, 105 Löschungsvermerk, 354
Informationssammlung, 137 Lückenfüllung, 335, 459
Informationswert der Tatsachen, 260
Initiativermittlungen, 265 M
Initiativkompetenz, 61 Maßnahmenkombination, 457
Initiativrecht, 55 Menschenwürde, 104, 140, 294
Inquisationsverfahren, 18 Menschenwürde „light“, 112
Installationseingriff, 323, 326 Menschenwürde, Relativierung der, 156
Integritätsschutz, 92 Methodenfrage, 56
Interessenabwägung, 235 Mikrofonsteuerung, 360
Internetkommunikation, 170 Minder schwerer Fall, 273
Internetrecherche, 403 Ministerum für Staatssicherheit, 34
Internetverbindung, 191, 361 Minusmaßnahmen, 325
Intimsphäre, 101 Missbrauchsgefahr, 139, 308
Missbrauchskontrolle, 300
J Missbrauchsschutz, 160, 305
Justizverwaltungsakt, 311, 312 Mittelauswahl, 309
Mobiltelefone, 169
K Moderner Eingriffsbegriff, 77
Kant, 148
Karolina (CCC), 19 N
Kartennummer, 169 Nachrichteneingabe, 361
Katalogsystem, 267 Nachtsichtgeräte, 400
Kausale Verursachung, 78 Nationalsozialismus, 31, 144, 152
Kennzeichenüberwachung, automatisierte, 118 Natürliche Hindernisse, 229
Kernbereich, 293 Nemo-tenetur-Prinzip, 54, 162, 202
Kernbereichsschutz, 296, 297 Neurowissenschaften, 154
Kernbereichsschutz, konkrete Straftaten, 147 Normenbestimmtheit, 285
Kernbereichsschutz, verfassungsrechtliche Normenstaat, 32
Herleitung, 141 Notstandsgesetze, 39
Kernbereichsschutzkonzept, 303 NS-Zeit, 30
520 Sachverzeichnis

O Risikoerhöhung, 80
Objektformel, 145, 148 Rundumüberwachung, 155, 457
Objektive Zurechnung, 80
Online-Durchsuchung, 119, 188, 408 S
Organisierte Kirminalität, 40 Schranken-Schranken, 180
OrgKG, 41 Schutz von Ehe und Familie, 198
Schutzbereich, 69
P Schutzlücke, 137
Parlamentsvorbehalt, 210, 332 Schutzpflicht, 89
Paulskirchenverfassung, 22 Schutzpflicht auf Sicherheitsgewährleistung,
Peilsender, 323, 400 451
Peinlichkeit, 125 Schweigerecht, 445
Peripheriegerät, 378 Schwerwiegende Tat, 269
Persönlichkeitsentfaltung, 97 Schwierigkeit Hindernisse zu überwinden, 289
Persönlichkeitsprofil, 155, 438, 457, 458 Screenshot, 361
Personalisierung des Verdachts, fehlende, 350 Selbstbelastungsfreiheit, 205
Polizeierlass, 30 Selbstbelastungspflicht, 164
Polizeigesetz, 333 Selbstbild, 105
Popularklage, 84 Selbstreflexion, 155
Postbeschlagnahme, 339 Selbstvornahme der TKÜ am Endgerät, 364
Postgeheimnis, 22, 167 SIM-Karten, 364, 409
Presse- und Meinungsfreiheit, 198 Simultanüberwachung, 191, 301, 305
Privatleben, 301 Skype-Überwachung, 359
Privatsphäre, 101, 289
Sosein, 153
Proportionalität der
Sozialadäquanz, 82
Bestimmtheitsanforderungen, 213
Sozialethische Missbilligung, 110
Psychische Betroffenheit, 124
Sozialsphäre, 102
Publikumsverkehr, 376
Speichermedien, mit dem durchsuchten
System verbundene, 413
Q
Speichern der Information, 289
Quellen-TKÜ, 174, 358
Spezielle Befugnisregelungen, 335
R Sphärentheorie, 101
Rahmenrecht, 95 Spitzel, 152
Rangfolge der Grundrechtseingriffe, 226 Staatsschutzdelikte, 20
Rasterfahndung, 347 Staatsterror, 137
Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Staatstrojaner, 3
98 Standortdaten, 169, 412
Recht auf Privatsphäre, 102 Standortprotokollierung, 438
Recht auf Selbstbewahrung, 101 Stillbilder, 367
Rechte am eigenen Bild und Wort, 97 Stille-SMS, 386
Rechtsbehelf, 300, 307, 312, 317 Strafgefangene, 186
Rechtsicherheit, 212 Strafzumessungsrecht, 467
Rechtsprüfung, 310 Subjektprinzip, 149
Rechtsstaatsprinzip, 209 Subsidiarität, 195
Rechtsweg, 311 Subsidiaritätsklausel, 281
Rechtswirkung, 74 Supergrundrecht, 363
Regelbeispiele, 289 Synchrone Überwachung, 353
Reichstagsbrandverordnung, 30
Restrisiko, 82, 295 T
RFID-Technik, 404 Tabu, abergläubisches, 124
Richtervorbehalt, 307 Täuschung, 302
Richtlinienkompetenz, 391 Tagebuchurteil, 147
Richtmikrofon, 283 Tatsächliche Beeinträchtigung, 121
Sachverzeichnis 521

Tatschwere im Einzelfall, 269 Vernünftigkeitsprinzip, 128, 130


Tatschwereklausel, 276 Vernunftfähigkeit, 153
Tatverdacht, 251 Verordnungsermächtigungen, 211
Technische Observationsmittel, 395 Versammlungsrecht, 115
Teilkassation, 59 Verschlüsselungstechnologien, 359
Teillöschung, 301 Verstärkungswirkung, 198
Telegraphengeheimnis, 26 Verstärkungswirkung der Heimlichkeit, 118,
Telekommunikation, 168 240
Telekommunikationsanlage, 168 Verstärkungswirkung der Menschenwürde,
Telekommunikationsdiensteanbieter, 356 111
Telekommunikationsgeheimnis, 168 Vertrauensbeziehungen, 151
Telekommunikationsgerät, 175 Verunsicherungspotential, 114
Telekommunikationsüberwachung, 353 Verwaltungsinternum, 311
Telekommunikationsverbindung, 366 Verwerfungskompetenz, 61
Texteingabe, 360 Verwertungsverbot, 299
Tonbandentscheidung, 39 Videoaufnahme, 288
Totalüberwachung, 229, 458 Videoaufzeichnung, 229
Totalvorbehalt, 79, 82, 129, 137, 208 Virenschutz, 192
Touchscreens, 360 Virtueller „Verdeckter Ermittler“, 423
Transparenzgebot, 239 V-Leute, siehe auch V-Person, 302
Treffer, 350 VoIP-Telefonat, 173, 359
Trojanersoftware, 402 Volkszählungsurteil, 40
Vorbehalt des Gesetzes, 207
U Vorbereitungsakte, 311
Überwachungsattrappen, 136 Vorhersehbarkeit, 80
Überwachungsgeräte, 192 Vorratsdatenspeicherung, 59, 385
Überwachungsmittel, 289, 404 Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie, 390
Überwachungsstaat, 376 Vorschläge für eine Neuregelung, 465
Umsetzungsspielraum, 391 V-Person, 423, 449
Unbegrenzte Auslegung, 32
Unmittelbarkeit, 74 W
Untersuchungshaft, 257 Waffengleichheit, 203
Wanzen, 381
V Weimarer Reichsverfassung, 26
Verbindungsdaten, 38, 386, 389 Wertekonsens, 159
Verdachtsarten, 257 Wesensgehaltsgarantie, 111
Verdachtsbegründung, 262 Wesentlichkeitstheorie, 209, 210
Verdachtsgrad, 257 Wiederholungsgefahr, 126
Verdeckter Ermittler, 421 Willensbeeinflussung, 109
Verfahrensfairness, 199 Willensbildungsfreiheit, 88
Verfassungskonforme Auslegung, 56–58 Willensbildungsprozess, 108
Verfassungsnächste Auslegung, 66 Wohnraumüberwachung, 188
Verhältnis zwischen Strafprozessrecht und Wohnung, 183
Verfassungsrecht, 47 Wohnungsbegriff, 184, 376
Verhältnismäßigkeit, 222
Verhältnismäßigkeitsklausel, 327 Z
Verhältnismäßigkeitsklausel der Zeugnisverweigerungsberechtigte, 445
Polizeigesetze, 333 Zitiergebot, 77
Verhältnismäßigkeitsprizip, 222 Zivilrechtliches allgemeines
Verkehrsdaten, 169 Persönlichkeitsrecht, 94
Verkehrsdatenerhebung, 385 Zufallsfund, 296, 322
Vermeidungsverhalten, 125, 138 Zwang, 13
Vernehmungsgleiche Situation, 164 Zwangsähnlichkeit, 84
522 Sachverzeichnis

Zwangsbegriff, 75 Zwangsmaßnahmen, 11
Zweckmäßigkeit, 309
Zwangsfunktion, 74 Zweckmäßigkeitserwägungen, 309

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