zur Frequenzverteilungsuntersuchung
von Mecklenbräuker et al. vom 25.03.2011
Executive Summary
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
I. Hintergrund
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Bundesnetzagentur, Impulspapier für Frequenzverteilungsuntersuchung, Mitteilung
457/2010, ABl.BNetzA Nr. 15/2010 vom 11.8.2010, 2715 ff., abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/
cae/servlet/contentblob/159006/publicationFile/8295/ImpulspapierFreqVertUntersuchg
_pdf.pdf (03.05.2011).
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Veröffentlicht als Gerpott/Holznagel, Flexibilisierung der Frequenznutzung –
Ökonomische und juristische Analysen, 2010.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
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Im Folgenden zitiert als Mecklenbräuker et al.
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Mecklenbräuker et al., Frequenzverteilungsuntersuchung, 2011, S. 81.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
Insgesamt zieht sich der Vergleich der verschiedenen Frequenzbänder für die
Beurteilung möglicher Wettbewerbsverzerrungen durch das ganze Gutachten
von Mecklenbräuker et al.
Auch bei ihnen sei daher nicht damit zu rechnen, dass sie eine Flexibilisierung
des 900 MHz nutzen/beantragen werden, da die Gesamtkosten (Netzkosten
plus Frequenzkosten) bei Verwendung von Spektrum im 1800-MHz-Band
5
Ebd., S. 38.
6
Ebd., S. 45.
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Mecklenbräuker et al., Frequenzverteilungsuntersuchung, 2011, S. 81.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
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Ebd., S. 16.
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Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 12.10.2009 zur Flexibilisierung der
Frequenznutzungsrechte für drahtlose Netzzugänge zum Angebot von
Telekommunikationsdiensten in den Bereichen 450 MHz, 900 MHz, 1800 MHz, 2 GHz und
3,5 GHz, Vfg. 58/2009, ABl.BNetzA Nr. 20/2009 vom 21.10.2009, S. 31.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
2. Anmerkungen
10
Ziel der geänderten GSM-Richtlinie ist es ausweislich des Erwägungsgrundes
(13), die Frequenzbewirtschaftung im Interesse des Binnenmarkts im Bereich
der elektronischen Kommunikation zu flexibilisieren und den Zugang zu den
Frequenzen zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen und gleichzeitig die
europaweite Verfügbarkeit des GSM aufrechtzuerhalten, sowie zur
bestmöglichen Steigerung des Wettbewerbs durch Angebot einer großen
Bandbreite von Diensten und Technologien, soll die Nutzung des 900-MHz-
Bands für andere Technologien erlaubt werden, damit zusätzliche kompatible
europaweite Dienste bereitgestellt werden können, die störungsfrei neben
dem GSM betrieben werden können.11 Vor diesem Hintergrund ordnet Art. 1
Abs. 1 der geänderten GSM-RL an, dass die Mitgliedstaaten das 900-MHz-
Band für GSM und UMTS sowie für andere terrestrische Systeme verfügbar
machen, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste erbringen
und im Einklang mit der Harmonisierungsentscheidung12 betrieben werden
können. Allerdings – so gibt Erwägungsgrund (6) zu bedenken – könnte die
Liberalisierung der Nutzung des 900-MHz-Bands möglicherweise zu
Wettbewerbsverzerrungen führen. Insbesondere könnten solche
Mobilfunkbetreiber, denen keine oder zu wenige Frequenzen im 900-MHz-
Band zugeteilt worden sind, um parallel UMTS und GSM zu betreiben, Kosten-
und Effizienznachteile gegenüber anderen Betreibern erleiden, die ohne
Weiteres in der Lage wären, in diesem Band sowohl GSM als auch Dienste der
10
Richtlinie 2009/114/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.9.2009 zur
Änderung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die
koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen
terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind, ABl.EU L 274
vom 20.10.2009, 25-27 (im Folgenden zitiert als GSM-Änderungsrichtlinie).
11
Erwägungsgrund (4) GSM-Änderungsrichtlinie.
12
Entscheidung der Kommission vom 16.10.2009 zur Harmonisierung des 900-MHz-Bands
und des 1800-MHz-Bands für terrestrische Systeme, die europaweite elektronische
Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft erbringen können, ABl.EU L 274 vom
20.10.2009, S. 32-35.
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Ein Vergleich der Vorgaben aus der geänderten GSM-RL mit den Ableitungen
des Gutachtens Mecklenbräuker et al. ergibt hiervon offenkundige
Abweichungen:
Unvereinbar mit den Vorgaben der Richtlinie ist die Argumentation des
Mecklenbräuker-Gutachtens, eine Wettbewerbsverzerrung sei bereits deshalb
ausgeschlossen, weil keiner der Netzbetreiber eine Nutzung des 900-MHz-
Bandes für Datendienste beantragen werde.
Zudem hat E-Plus – auch vor dem Hintergrund der geänderten GSM-Richtlinie
– seit Jahren eine Umverteilung der 900-MHz-Frequenzen gefordert, um im
13
Vgl. „DSL von E-Plus jetzt auch für das Land“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
12.11.10, S. 17.
14
„E-Plus bringt mobiles Internet auf das Land“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
18.12.10, S. 18.
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Zum anderen geht die Auslegung des Gutachtens von Mecklenbräuker et al.
an den Anforderungen und den Zielsetzungen der geänderten GSM-Richtlinie
vorbei. Zwar stellt Begründungserwägung (6) der geänderten GSM-Richtlinie
darauf ab, dass die Liberalisierung der Nutzung des 900-MHz-Bands zu
Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Eine liberalisierte Nutzung in diesem
Sinne liegt aber entgegen der Auffassung von Bundesnetzagentur15 und
Mecklenbräuker et al. nicht erst dann vor, wenn die betroffenen
Unternehmen eine Flexibilisierung tatsächlich anstreben und beantragen.
Vielmehr kommt es in zeitlicher Hinsicht für die Beurteilung nicht auf eine
tatsächlich flexible Nutzung des 900-MHz-Bandes an, sondern die
Auswirkungen einer Flexibilisierung sind in deren Vorfeld abstrakt
abzuschätzen (und bei Wahrscheinlichkeit zu beheben). So rekurriert
Erwägungsgrund (6) auf ein abstraktes Gefahrenszenario, das bei einer
flexibilisierten Nutzung des 900-MHz-Bands entstehen könnte. Dies wird
insbesondere in der konjunktivischen Formulierung („könnten bestimmte
Mobilfunkbetreiber […] Effizienznachteile gegenüber anderen Betreibern
erleiden, die in der Lage wären […]“) deutlich. Demgegenüber ist damit aber
keineswegs gemeint, dass eine entsprechende Untersuchung der möglichen
Wettbewerbsverzerrungen erst dann erfolgen solle, wenn die Netzbetreiber
die flexible Nutzung tatsächlich anstreben.
15
So auch Bundesnetzagentur, Impulspapier für Frequenzverteilungsuntersuchung, Mtlg.
457/2010, ABl.BNetzA Nr. 15/2010 v. 11.8.2010, 2715, abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/
cae/servlet/contentblob/159006/publicationFile/8295/ImpulspapierFreqVertUntersuchg
_pdf.pdf (03.05.2011), S. 13.
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Denn die geänderte GSM-Richtlinie verfolgt mit ihrem Ansatz das in der
europäischen Telekommunikationsregulierung bekannte Prinzip des „forward-
looking approach“, das vor allem bei der Marktdefinition und -analyse zur
Anwendung kommt.16 Vergleichbar mit dem Untersuchungsauftrag der
geänderten GSM-Richtlinie zur zukünftigen Entwicklung des Wettbewerbs im
900-MHz-Band werden auch im Rahmen der Marktdefinition „Märkte, die für
die Zwecke der bereichsspezifischen Regulierung definiert werden, stets
vorausschauend bewertet, da die [Nationalen Regulierungsbehörden] die
künftige Entwicklung des Marktes in ihre Bewertungen einbeziehen.“ 17
Ausschlaggebend ist dabei nicht eine konkrete Wettbewerbsentwicklung,
sondern vielmehr „eine generelle vorausschauende Analyse der Struktur und
des Funktionierens des in Frage stehenden Marktes.“ 18
Auch hier verdeutlicht der Konjunktiv („ob der Wettbewerb […] verzerrt
werden könnte“), dass eine Untersuchung der hypothetischen Auswirkungen
der flexiblen Nutzung des 900-MHz-Bands zu erfolgen hat.
16
Vgl. KOM, Commission guidelines on market analysis and the assessment of significant
market power under the Community regulatory framework for electronic
communications networks and services, 2002/C 165/03.
17
Ebd., Nr. 27.
18
Ebd.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
Diese These ist zum einen sachlich unzutreffend. Sie impliziert – konsequent zu
Ende gedacht –, dass eine Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf das 900-
MHz-Band nur dann feststellbar wäre, wenn E-Plus nicht um die 800-MHz-
Frequenzen mitgesteigert hätte, sodass die Frequenzkosten der
Wettbewerber für 800-MHz-Frequenzen niedriger gewesen wären und sie die
Ausbaukosten von E-Plus im 1800-MHz-Band nicht mehr aufwiegen könnten.
Da sich E-Plus aber bei der Auktion im Frühjahr 2010 um 800-MHz-Frequenzen
bemüht hat, würde das Unternehmen nun für seine Teilnahme an der Auktion
19
durch die Vorenthaltung einer Umverteilung benachteiligt.
Eine solche Schlussfolgerung ist aber – unabhängig von der Frage, inwieweit
die Vergabebedingungen für die Versteigerung des 800-MHz-Spektrums
geeignet waren, einen chancengleichen Zugang zu eröffnen – weder mit
19
Gerpott, Anmerkungen zur Frequenzverteilungsuntersuchung von Mecklenbräuker et
al., 2011, S. 1.
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dem Konzept der Versteigerung der Digitalen Dividende20 noch mit der
Zielrichtung der GSM-Änderungsrichtlinie vereinbar.
Von dieser Begründung kann die Behörde bereits aus Gründen der Rechts-
und Planungssicherheit für die Marktteilnehmer nun nicht Abstand nehmen,
war doch das Bietverhalten im Rahmen der Frequenzauktion darauf
ausgerichtet, Frequenzen zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition
zu ersteigern.
20
Entscheidung der Präsidentenkammer v. 12. Oktober 2009 über die Verbindung der
Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862 MHz sowie 1710 bis 1725 MHz
und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur Vergabe von Frequenzen in den
Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von
Telekommunikationsdiensten sowie über die Festlegungen und Regelungen für die
Durchführung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 800 MHz,
1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von
Telekommunikationsdiensten, Verfügung 59/2009, ABl. BNetzA Nr. 20/2009 vom
21.10.2009.
21
Verfügung 59/2009, ABl. BNetzA Nr. 20/2009 vom 21.10.2009, S. 43.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
Ferner ist die Schlussfolgerung von Mecklenbräuker et al. auch nicht mit der
geänderten GSM-Richtlinie zu vereinbaren. Erwägungsgrund (4) zur
geänderten GSM-Richtlinie stellt darauf ab, dass die Nutzung für andere
Technologien erlaubt werden sollte, damit zusätzliche kompatible
europaweite Dienste im 900-MHz-Band bereitgestellt werden können. Ebenso
formuliert Art. 1 Abs. 2 der geänderten GSM-RL unmissverständlich, dass die
Mitgliedstaaten bei der Umsetzung untersuchen, ob aufgrund der
bestehenden Zuteilung des 900-MHz-Bands Wettbewerbsverzerrungen
wahrscheinlich sind. Die Richtlinie ist damit eindeutig: Es kommt ausschließlich
auf die Frage an, ob die Frequenzausstattung im 900-MHz-Bereich
Wettbewerbsverzerrungen befürchten lässt. Eine Gesamtschau mit anderen
Frequenzbereichen hat demgegenüber außenvorzubleiben. Dies liegt auch in
der Ratio des Ziels der geänderten GSM-Richtlinie, gerade die flexible Nutzung
des 900-MHz-Spektrums (und nicht etwa des 800- oder 1800-MHz-Bands) zu
ermöglichen,22 wie es auch in der Harmonisierungsentscheidung23 der
Kommission zum Ausdruck kommt.
22
Erwägungsgrund (3) GSM-Änderungsrichtlinie.
23
Vgl. Entscheidung der Kommission vom 16.10.2009 zur Harmonisierung des 900-MHz-
Bands und des 1800-MHz-Bands für terrestrische Systeme, die europaweite elektronische
Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft erbringen können, ABl.EU L 274 vom
20.10.2009, 32-35.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
Heute stehen Markt und Technik vor einem Neustart der Frequenznutzung im
900-MHz-Band. Die technische Entwicklung ermöglicht es, im 900-MHz-Band
neben Sprach- (GSM) auch Datendienste (UMTS, LTE) anzubieten. Dieses
möchte die Europäische Union den Marktteilnehmern ermöglichen, damit die
Bevölkerung auch von den neuen Diensten profitieren kann. Hierbei sollen
aber von Anfang an – dies wird aus dem Untersuchungs- und
Behebungsauftrag der GSM-Änderungsrichtlinie erkennbar – alle potentiellen
Wettbewerbsprobleme für den Start der neuen Datentechnologien im 900-
MHz-Band nach Möglichkeit vermieden werden.
Vor diesem Hintergrund erteilt die Europäische Union den Mitgliedstaaten den
Auftrag, die potentiellen Wettbewerbsverzerrungen, die eine Flexibilisierung
des 900-MHz-Bandes auf den Datenmarkt haben kann, zu untersuchen. Unter
diesen Vorzeichen und mithin dem Zweck des Art. 1 der geänderten GSM-
Richtlinie kommt es auf die wettbewerblichen Auswirkungen im 900-MHz-
Datenmarkt an. Hierbei kann es sein, dass die historischen Asymmetrien
nachwirken oder sich angesichts veränderter Rahmenbedingungen im
Datenmarkt auch eine vollkommen neue Wettbewerbssituation ergibt.
24
Vgl. zur historischen Entwicklung auch Bundesnetzagentur, Impulspapier für
Frequenzverteilungsuntersuchung, Mtlg. 457/2010, ABl.BNetzA Nr. 15/2010 v. 11.8.2010,
2715, abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/159006/publicationFile
/8295/ImpulspapierFreqVertUntersuchg_pdf.pdf (03.05.2011), S. 13.; Sörries, Verpasste
Chancen und zukünftige Handlungsoptionen im Mobilfunk, 2010, S. 35 ff.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
und diese sich bei einer Flexibilisierung auch bis in die Nutzung des 900-MHz-
Bandes für Datendienste fortwirkt:
Aus rechtlicher Sicht ist bei der methodischen Auslegung des Begriffs der
Wettbewerbsverzerrungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der geänderten GSM-
Richtlinie jedenfalls ausschlaggebend, dass allein die Situation im 900-MHz-
Band zugrunde zu legen ist.
25
Gerpott, Wettbewerbs- und Regulierungsimplikationen der 900 MHz-
Frequenzausstattung, 2010, S. 10.
26
Ebd., S. 41.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.
Literaturverzeichnis
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