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Juristische Anmerkungen

zur Frequenzverteilungsuntersuchung
von Mecklenbräuker et al. vom 25.03.2011

– im Auftrag der E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG –

Professor Dr. Bernd Holznagel, LL.M.

27. April 2011


Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

Executive Summary

Nach der geänderten GSM-Richtlinie kommt es für die Beurteilung möglicher


Wettbewerbsverzerrungen nicht darauf an, ob die Netzbetreiber tatsächlich
eine flexible Nutzung der 900-MHz-Frequenzen beantragen oder anstreben.
Die wettbewerblichen Auswirkungen sind vielmehr im Sinne eines „forward-
looking approachs“ abstrakt im Vorfeld der Nutzung abzuschätzen. Es ist
daher eine generelle, vorausschauende und in die Zukunft gerichtete Analyse
der Struktur und des Funktionierens des Wettbewerbs im flexibilisierten 900-
MHz-Bereich durchzuführen.

Die Annahmen des Gutachtens von Mecklenbräuker et al.,


Wettbewerbsverzerrungen seien bereits deswegen ausgeschlossen, weil
keiner der Netzbetreiber eine Nutzung des 900-MHz-Bandes für Datendienste
beantragen werde, ist bereits aus diesem Grund methodisch unzulässig und
sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Annahmen widersprechen zudem der öffentlich bekannten Strategie von


E-Plus, (auch) das 900-MHz-Band für den Aufbau eines mobilen
Breitbandnetzes nutzen zu wollen.

Ferner ist im Rahmen der Frequenzverteilungsuntersuchung ausschließlich auf


die möglichen Wettbewerbsverzerrungen im 900-MHz-Band abzustellen. Eine
Einbeziehung des 800- und 1800-MHz-Bands in die Abschätzung widerspricht
den Vorgaben der geänderten GSM-Richtlinie. Dieses Ergebnis unterstreicht
auch eine historisch-teleologische Auslegung des Begriffs der
Wettbewerbsverzerrungen aus rechtlicher Sicht.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

I. Hintergrund

Unter dem Geschäftszeichen BK 1-11/001 hat die Präsidentenkammer der


Bundesnetzagentur im Sommer 2010 von Amts wegen ein Verfahren
betreffend die Untersuchung nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/114/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur
Änderung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die
für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen
digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen
sind (sog. Frequenzverteilungsuntersuchung), eingeleitet.

Nach einer ersten Einschätzung der Sach-, Interessen- und Rechtslage in


ihrem sog. Impulspapier1 hat die Bundesnetzagentur angesichts der
Komplexität der zu klärenden frequenztechnischen und wettbewerblich-
ökonomischen Fragestellungen die interessierten Kreise der Öffentlichkeit im
Allgemeinen und die betroffenen Netzbetreiber im Besonderen zur
Stellungnahme zu den Kernfragen der Untersuchung aufgefordert. Im Auftrag
der E-Plus GmbH und Co.KG hat Torsten Gerpott ein Gutachten angefertigt,
in dem zu den aufgeworfenen frequenzökonomischen Fragen Stellung
genommen wird. Darauf aufbauend habe ich eine rechtsgutachterliche
Bewertung erstellt. Beide Gutachten hat E-Plus als Stellungnahmen im
Konsultationsprozess eingesendet.2

Im Rahmen der Frequenzverteilungsuntersuchung hat die Bundesnetzagentur


nun hat am 25. März 2011 selbst ein wissenschaftliches Gutachten mit
ökonomisch-frequenztechnischem Schwerpunkt veröffentlicht. Das
Gutachten mit dem Titel „Frequenzverteilungsuntersuchung der möglichen

1
Bundesnetzagentur, Impulspapier für Frequenzverteilungsuntersuchung, Mitteilung
457/2010, ABl.BNetzA Nr. 15/2010 vom 11.8.2010, 2715 ff., abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/
cae/servlet/contentblob/159006/publicationFile/8295/ImpulspapierFreqVertUntersuchg
_pdf.pdf (03.05.2011).
2
Veröffentlicht als Gerpott/Holznagel, Flexibilisierung der Frequenznutzung –
Ökonomische und juristische Analysen, 2010.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

Flexibilisierung im 900-/1800-MHz-Band“ wurde von Christoph Mecklenbräuker,


Peter Gaigg (Institut für Telekommunikation der Technischen Universität Wien)
und Ernst-Olav Ruhle, Wolfgang Reichl, Helmut Malleck, Martin Lundborg,
Ernst Georg Berger (SBR Juconomy Consulting AG/SBR Rechtsanwälte)
3
erarbeitet. Das Gutachten befasst sich zwar in erster Linie mit
frequenzökonomischen Fragestellungen. Gleichwohl weichen die Prämissen
und Schlussfolgerungen des Gutachtens von Mecklenbräuker et al.
insbesondere hinsichtlich des gebotenen Umfangs einer
Frequenzverteilungsuntersuchung von meinem Gutachten in wesentlichen
Punkten ab.

Die Auftraggeberin bittet vor diesem Hintergrund um eine Replik zu den


abweichenden Aussagen. Dieser Bitte komme ich im Folgenden gerne nach.

II. Umfang und rechtliche Rahmenbedingungen der Wettbewerbsanalyse

1. Zugrunde liegende Annahmen des Gutachtens von Mecklenbräuker et


al.

Das Gutachten von Mecklenbräuker et al. kommt zu dem ausdrücklichen


Ergebnis, dass eine Flexibilisierung des 900-MHz-Bandes nicht zu
Wettbewerbsverzerrungen auf den Mobilfunkmärkten führen werde:

„Konkret sehen wir keine Indikationen, dass Wettbewerbsverzerrungen


aufgrund der Frequenzausstattung vorliegen. Insbesondere sehen wir
auch keine Wettbewerbsverzerrungen durch die Flexibilisierung des 900
MHz-Bandes.“ 4

Diese Einschätzung beruht im Wesentlichen auf zwei Begründungssträngen:

3
Im Folgenden zitiert als Mecklenbräuker et al.
4
Mecklenbräuker et al., Frequenzverteilungsuntersuchung, 2011, S. 81.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

Zunächst kritisieren Mecklenbräuker et al. das Vorgehen aus der


Stellungnahme von Gerpott/Holznagel, welches „primär auf den 900 MHz
5
Bereich abstellt“. Demgegenüber verweist das Gutachten von
Mecklenbräuker et al. auf ein „‘Ökosystem‘ an Funktechnologien für mobile
6
Breitbandnetze“ und bezieht einige andere Frequenzbereiche in seine
Untersuchung ein, in denen GSM, UMTS und LTE betrieben werden können.
Dies betrifft neben 900-MHz konkret auch die Bereiche 800- und 1800-MHz. So
wählt das Gutachten ausdrücklich auf S. 51 als Referenzszenario für Telekom
Deutschland, Vodafone und Telefonica einen Ausbau im 800 MHz Band.
Dieses Szenario ergebe

„im Zusammenhang mit den Frequenzkosten der Versteigerung im


Frühjahr 2010 einen Vergleichsmaßstab (Referenz) für die Kosten“.

Insgesamt zieht sich der Vergleich der verschiedenen Frequenzbänder für die
Beurteilung möglicher Wettbewerbsverzerrungen durch das ganze Gutachten
von Mecklenbräuker et al.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs kommt das Gutachten sodann zur


Schlussfolgerung, dass

„die Flexibilisierung im 900 MHz Band für Netzbetreiber, die Spektrum im


800 MHz Band erworben haben, nicht präferiert wird. Der Grund dafür ist,
dass das 900 MHz Band noch für GSM-Technologie benötigt wird und das
800 MHz Band frei ist. Auch für Netzbetreiber ohne 800 MHz Spektrum ist
die Nutzung des flexibilisierten 900 MHz Bandes nach der Analyse (…)
nicht die optimale Lösung.“ 7

Auch bei ihnen sei daher nicht damit zu rechnen, dass sie eine Flexibilisierung
des 900 MHz nutzen/beantragen werden, da die Gesamtkosten (Netzkosten
plus Frequenzkosten) bei Verwendung von Spektrum im 1800-MHz-Band

5
Ebd., S. 38.
6
Ebd., S. 45.
7
Mecklenbräuker et al., Frequenzverteilungsuntersuchung, 2011, S. 81.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

nahezu identisch mit den Gesamtkosten im 800-MHz-Band seien. Da also nicht


zu erwarten sei, dass einer der vier deutschen Netzbetreiber vor Auslaufen der
Nutzungsrechte 2017 eine Flexibilisierung im 900-MHz-Band beantragen
werde, erkennt das Gutachten von Mecklenbräuker et al. folglich

„keine Indikationen für Wettbewerbsverzerrungen durch die


Frequenzausstattung bei Flexibilisierung des 900 MHz Bandes.“ 8

Damit rekurriert das Gutachten Mecklenbräuker et al. auf die in der


Flexibilisierungsentscheidung vom 12. Oktober 2009 geäußerte
Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur, wonach

„jedenfalls solange keine Wettbewerbsverzerrung im Sinne von Art. 1 Abs.


2 der geänderten Richtlinie 87/372/EWG zugunsten der D-Netzbetreiber
auf Kosten der E-Netzbetreiber vorliegen [könne], wie die D-
Netzbetreiber die 900-MHz-Frequenzen ausschließlich für GSM-
9
Anwendungen nutzen.“

Denn für diesen Zeitraum könne den D-Netzbetreibern gegenüber den E-


Netzbetreibern kein Wettbewerbsvorsprung durch die Möglichkeit eines
Parallelbetriebs von GSM und UMTS erwachsen.

8
Ebd., S. 16.
9
Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 12.10.2009 zur Flexibilisierung der
Frequenznutzungsrechte für drahtlose Netzzugänge zum Angebot von
Telekommunikationsdiensten in den Bereichen 450 MHz, 900 MHz, 1800 MHz, 2 GHz und
3,5 GHz, Vfg. 58/2009, ABl.BNetzA Nr. 20/2009 vom 21.10.2009, S. 31.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

2. Anmerkungen

10
Ziel der geänderten GSM-Richtlinie ist es ausweislich des Erwägungsgrundes
(13), die Frequenzbewirtschaftung im Interesse des Binnenmarkts im Bereich
der elektronischen Kommunikation zu flexibilisieren und den Zugang zu den
Frequenzen zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen und gleichzeitig die
europaweite Verfügbarkeit des GSM aufrechtzuerhalten, sowie zur
bestmöglichen Steigerung des Wettbewerbs durch Angebot einer großen
Bandbreite von Diensten und Technologien, soll die Nutzung des 900-MHz-
Bands für andere Technologien erlaubt werden, damit zusätzliche kompatible
europaweite Dienste bereitgestellt werden können, die störungsfrei neben
dem GSM betrieben werden können.11 Vor diesem Hintergrund ordnet Art. 1
Abs. 1 der geänderten GSM-RL an, dass die Mitgliedstaaten das 900-MHz-
Band für GSM und UMTS sowie für andere terrestrische Systeme verfügbar
machen, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste erbringen
und im Einklang mit der Harmonisierungsentscheidung12 betrieben werden
können. Allerdings – so gibt Erwägungsgrund (6) zu bedenken – könnte die
Liberalisierung der Nutzung des 900-MHz-Bands möglicherweise zu
Wettbewerbsverzerrungen führen. Insbesondere könnten solche
Mobilfunkbetreiber, denen keine oder zu wenige Frequenzen im 900-MHz-
Band zugeteilt worden sind, um parallel UMTS und GSM zu betreiben, Kosten-
und Effizienznachteile gegenüber anderen Betreibern erleiden, die ohne
Weiteres in der Lage wären, in diesem Band sowohl GSM als auch Dienste der

10
Richtlinie 2009/114/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.9.2009 zur
Änderung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die
koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen
terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind, ABl.EU L 274
vom 20.10.2009, 25-27 (im Folgenden zitiert als GSM-Änderungsrichtlinie).
11
Erwägungsgrund (4) GSM-Änderungsrichtlinie.
12
Entscheidung der Kommission vom 16.10.2009 zur Harmonisierung des 900-MHz-Bands
und des 1800-MHz-Bands für terrestrische Systeme, die europaweite elektronische
Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft erbringen können, ABl.EU L 274 vom
20.10.2009, S. 32-35.

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dritten Generation anzubieten. Um diesem Missstand vorzubeugen, gibt Art. 1


Abs. 2 der geänderten GSM-RL den Mitgliedstaaten vor, dass sie

„bei der Umsetzung dieser Richtlinie [untersuchen], ob aufgrund der


bestehenden Zuteilung des 900-MHz-Bands an die in ihrem Gebiet im
Wettbewerb stehenden Mobilfunkbetreiber Wettbewerbsverzerrungen
auf den betreffenden Mobilfunkmärkten wahrscheinlich sind (…)“.

Ein Vergleich der Vorgaben aus der geänderten GSM-RL mit den Ableitungen
des Gutachtens Mecklenbräuker et al. ergibt hiervon offenkundige
Abweichungen:

a) Konkrete Nutzung der flexibilisierten Frequenzen ist nicht


ausschlaggebend

Unvereinbar mit den Vorgaben der Richtlinie ist die Argumentation des
Mecklenbräuker-Gutachtens, eine Wettbewerbsverzerrung sei bereits deshalb
ausgeschlossen, weil keiner der Netzbetreiber eine Nutzung des 900-MHz-
Bandes für Datendienste beantragen werde.

Das Argument ist zum einen sachlich unzutreffend. So hat E-Plus


Presseberichten zufolge nämlich bereits im November 2010 bei der
Bundesnetzagentur beantragt, breitbandige Dienste über das eigene 900
MHz-Spektrum anbieten zu dürfen, um zunächst in drei Gebieten ohne GSM
900-Versorgung von E-Plus rund 100.000 Menschen mit mobilen
Breitbanddiensten versorgen und damit „weiße Flecken“ schließen zu
können.13 Diesem Antrag hat die Bundesnetzagentur im Dezember 2010
entsprochen.14

Zudem hat E-Plus – auch vor dem Hintergrund der geänderten GSM-Richtlinie
– seit Jahren eine Umverteilung der 900-MHz-Frequenzen gefordert, um im

13
Vgl. „DSL von E-Plus jetzt auch für das Land“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
12.11.10, S. 17.
14
„E-Plus bringt mobiles Internet auf das Land“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
18.12.10, S. 18.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

900-MHz-Band den zumindest für eine Übergangsphase notwendigen


Parallelbetrieb von Sprach- und Datendiensten durchführen und dadurch
flächendeckend mobile Breitbanddienste im 900-MHz-Band anbieten zu
können. Ein fehlendes Interesse an der Flexibilisierung des 900-MHz-Bandes
kann dem Mobilfunkunternehmen daher nicht unterstellt werden.

Zum anderen geht die Auslegung des Gutachtens von Mecklenbräuker et al.
an den Anforderungen und den Zielsetzungen der geänderten GSM-Richtlinie
vorbei. Zwar stellt Begründungserwägung (6) der geänderten GSM-Richtlinie
darauf ab, dass die Liberalisierung der Nutzung des 900-MHz-Bands zu
Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Eine liberalisierte Nutzung in diesem
Sinne liegt aber entgegen der Auffassung von Bundesnetzagentur15 und
Mecklenbräuker et al. nicht erst dann vor, wenn die betroffenen
Unternehmen eine Flexibilisierung tatsächlich anstreben und beantragen.

Vielmehr kommt es in zeitlicher Hinsicht für die Beurteilung nicht auf eine
tatsächlich flexible Nutzung des 900-MHz-Bandes an, sondern die
Auswirkungen einer Flexibilisierung sind in deren Vorfeld abstrakt
abzuschätzen (und bei Wahrscheinlichkeit zu beheben). So rekurriert
Erwägungsgrund (6) auf ein abstraktes Gefahrenszenario, das bei einer
flexibilisierten Nutzung des 900-MHz-Bands entstehen könnte. Dies wird
insbesondere in der konjunktivischen Formulierung („könnten bestimmte
Mobilfunkbetreiber […] Effizienznachteile gegenüber anderen Betreibern
erleiden, die in der Lage wären […]“) deutlich. Demgegenüber ist damit aber
keineswegs gemeint, dass eine entsprechende Untersuchung der möglichen
Wettbewerbsverzerrungen erst dann erfolgen solle, wenn die Netzbetreiber
die flexible Nutzung tatsächlich anstreben.

15
So auch Bundesnetzagentur, Impulspapier für Frequenzverteilungsuntersuchung, Mtlg.
457/2010, ABl.BNetzA Nr. 15/2010 v. 11.8.2010, 2715, abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/
cae/servlet/contentblob/159006/publicationFile/8295/ImpulspapierFreqVertUntersuchg
_pdf.pdf (03.05.2011), S. 13.

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Denn die geänderte GSM-Richtlinie verfolgt mit ihrem Ansatz das in der
europäischen Telekommunikationsregulierung bekannte Prinzip des „forward-
looking approach“, das vor allem bei der Marktdefinition und -analyse zur
Anwendung kommt.16 Vergleichbar mit dem Untersuchungsauftrag der
geänderten GSM-Richtlinie zur zukünftigen Entwicklung des Wettbewerbs im
900-MHz-Band werden auch im Rahmen der Marktdefinition „Märkte, die für
die Zwecke der bereichsspezifischen Regulierung definiert werden, stets
vorausschauend bewertet, da die [Nationalen Regulierungsbehörden] die
künftige Entwicklung des Marktes in ihre Bewertungen einbeziehen.“ 17
Ausschlaggebend ist dabei nicht eine konkrete Wettbewerbsentwicklung,
sondern vielmehr „eine generelle vorausschauende Analyse der Struktur und
des Funktionierens des in Frage stehenden Marktes.“ 18

Ebenso wie die Marktdefinition, erfordert auch die Untersuchung


„wahrscheinlicher“ Wettbewerbsverzerrungen eine vollumfänglich
vorausschauende und in die Zukunft gerichtete Analyse bereits mit der
Umsetzung der geänderten GSM-Richtlinie. Dies zeigt neben dem Wortlaut
des Art. 1 Abs. 2 der geänderten GSM-Richtlinie auch die Einschätzung aus
Erwägungsgrund (7):

„Dabei [bei der Umsetzung der Richtlinie, Anm.d.Verf.] sollten sie


insbesondere untersuchen, ob der Wettbewerb auf den betroffenen
Mobilfunkmärkten durch die Umsetzung dieser Richtlinie verzerrt werden
könnte.“

Auch hier verdeutlicht der Konjunktiv („ob der Wettbewerb […] verzerrt
werden könnte“), dass eine Untersuchung der hypothetischen Auswirkungen
der flexiblen Nutzung des 900-MHz-Bands zu erfolgen hat.

16
Vgl. KOM, Commission guidelines on market analysis and the assessment of significant
market power under the Community regulatory framework for electronic
communications networks and services, 2002/C 165/03.
17
Ebd., Nr. 27.
18
Ebd.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

b) Einbeziehung des 800- und 1800-MHz-Bandes unzulässig

In seinem anderen Begründungsstrang bezieht das Mecklenbräuker-


Gutachten die Frequenzbereiche 800- und 1800-MHz in die Beurteilung
möglicher Wettbewerbsverzerrungen ein.

Die Netzbetreiber Telekom Deutschland, Vodafone und Telefónica könnten –


anstatt im 900-MHz-Band – im ersteigerten 800-MHz-Bereich mit
vergleichbaren Netzkosten Datendienste anbieten, sodass eine Flexibilisierung
des 900-MHz-Bandes mangels Attraktivität hier nicht zu
Wettbewerbsverzerrungen führen könne. E-Plus seinerseits habe in der Auktion
zur Digitalen Dividende Kosten eingespart, da das Unternehmen keine 800-
MHz-Frequenzen ersteigert hat. Auch diese eingesparten Frequenzkosten
seien zu berücksichtigen, sodass ein mobiler Breitbandausbau im 1800-MHz-
Bereich im Ergebnis ohne Wesentliche Verzerrungen möglich sei.

Diese These ist zum einen sachlich unzutreffend. Sie impliziert – konsequent zu
Ende gedacht –, dass eine Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf das 900-
MHz-Band nur dann feststellbar wäre, wenn E-Plus nicht um die 800-MHz-
Frequenzen mitgesteigert hätte, sodass die Frequenzkosten der
Wettbewerber für 800-MHz-Frequenzen niedriger gewesen wären und sie die
Ausbaukosten von E-Plus im 1800-MHz-Band nicht mehr aufwiegen könnten.
Da sich E-Plus aber bei der Auktion im Frühjahr 2010 um 800-MHz-Frequenzen
bemüht hat, würde das Unternehmen nun für seine Teilnahme an der Auktion
19
durch die Vorenthaltung einer Umverteilung benachteiligt.

Eine solche Schlussfolgerung ist aber – unabhängig von der Frage, inwieweit
die Vergabebedingungen für die Versteigerung des 800-MHz-Spektrums
geeignet waren, einen chancengleichen Zugang zu eröffnen – weder mit

19
Gerpott, Anmerkungen zur Frequenzverteilungsuntersuchung von Mecklenbräuker et
al., 2011, S. 1.

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dem Konzept der Versteigerung der Digitalen Dividende20 noch mit der
Zielrichtung der GSM-Änderungsrichtlinie vereinbar.

Sie steht zunächst im Widerspruch zum Konzept der Frequenzversteigerung:


Wenn bereits eine bloße Teilnahme an der Frequenzauktion dazu führen
würde, dass ein Marktteilnehmer dadurch seine gesetzlich eingeräumten
Rechte verschlechtert (hier: das durch die GSM-Änderungsrichtlinie
eingeräumte Recht auf Überprüfung von Wettbewerbsverzerrungen), dann
läge hierin ein Verstoß gegen das Regulierungsziel der „Sicherstellung eines
chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig
wettbewerbsorientierter Märkte“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG). Dann hätte aber
gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG das Versteigerungsverfahren überhaupt nicht
durchgeführt werden dürfen. Hiervon war aber zum Zeitpunkt der
Verfahrensanordnung die Bundesnetzagentur ausdrücklich nicht
ausgegangen, vielmehr seien

„keine Gründe ersichtlich, dass das Versteigerungsverfahren nicht


21
geeignet ist, die Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG sicherzustellen.“

Von dieser Begründung kann die Behörde bereits aus Gründen der Rechts-
und Planungssicherheit für die Marktteilnehmer nun nicht Abstand nehmen,
war doch das Bietverhalten im Rahmen der Frequenzauktion darauf
ausgerichtet, Frequenzen zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition
zu ersteigern.

20
Entscheidung der Präsidentenkammer v. 12. Oktober 2009 über die Verbindung der
Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862 MHz sowie 1710 bis 1725 MHz
und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur Vergabe von Frequenzen in den
Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von
Telekommunikationsdiensten sowie über die Festlegungen und Regelungen für die
Durchführung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 800 MHz,
1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von
Telekommunikationsdiensten, Verfügung 59/2009, ABl. BNetzA Nr. 20/2009 vom
21.10.2009.
21
Verfügung 59/2009, ABl. BNetzA Nr. 20/2009 vom 21.10.2009, S. 43.

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Ferner ist die Schlussfolgerung von Mecklenbräuker et al. auch nicht mit der
geänderten GSM-Richtlinie zu vereinbaren. Erwägungsgrund (4) zur
geänderten GSM-Richtlinie stellt darauf ab, dass die Nutzung für andere
Technologien erlaubt werden sollte, damit zusätzliche kompatible
europaweite Dienste im 900-MHz-Band bereitgestellt werden können. Ebenso
formuliert Art. 1 Abs. 2 der geänderten GSM-RL unmissverständlich, dass die
Mitgliedstaaten bei der Umsetzung untersuchen, ob aufgrund der
bestehenden Zuteilung des 900-MHz-Bands Wettbewerbsverzerrungen
wahrscheinlich sind. Die Richtlinie ist damit eindeutig: Es kommt ausschließlich
auf die Frage an, ob die Frequenzausstattung im 900-MHz-Bereich
Wettbewerbsverzerrungen befürchten lässt. Eine Gesamtschau mit anderen
Frequenzbereichen hat demgegenüber außenvorzubleiben. Dies liegt auch in
der Ratio des Ziels der geänderten GSM-Richtlinie, gerade die flexible Nutzung
des 900-MHz-Spektrums (und nicht etwa des 800- oder 1800-MHz-Bands) zu
ermöglichen,22 wie es auch in der Harmonisierungsentscheidung23 der
Kommission zum Ausdruck kommt.

Eine historisch-teleologische Auslegung des Begriffs der


Wettbewerbsverzerrungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der geänderten GSM-
Richtlinie aus rechtlicher Sicht unterstreicht dieses Ergebnis: So wurde ab
Anfang der 1990er Jahre das 900-MHz-Band dem Markt ursprünglich nur für
GSM-Dienste zur Verfügung gestellt. Während die „first mover“ Telekom
Deutschland und Vodafone ihr GSM-Netz im 900-MHz-Band errichten konnten,
waren die E-Netze aufgrund von Sachzwängen zunächst ausschließlich auf
den DCS-Standard im wirtschaftlich unterlegenen 1800-MHz-Band
angewiesen. Denn weitere Frequenzen im 900-MHz-Bereich standen nach der
Ausstattung der D-Netzbetreiber in Deutschland bis zum Jahr 2005 nicht zur

22
Erwägungsgrund (3) GSM-Änderungsrichtlinie.
23
Vgl. Entscheidung der Kommission vom 16.10.2009 zur Harmonisierung des 900-MHz-
Bands und des 1800-MHz-Bands für terrestrische Systeme, die europaweite elektronische
Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft erbringen können, ABl.EU L 274 vom
20.10.2009, 32-35.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

Verfügung.24 Dennoch wurde diese historische Ausgangslage in Kauf


genommen, um den Aufbau der digitalen Mobilfunknetze unter den
gegebenen technischen Bedingungen überhaupt zu gewährleisten und der
Bevölkerung damit mobiles Telefonieren zu ermöglichen. In den Folgejahren
hat sich hieran nichts wesentlich geändert.

Heute stehen Markt und Technik vor einem Neustart der Frequenznutzung im
900-MHz-Band. Die technische Entwicklung ermöglicht es, im 900-MHz-Band
neben Sprach- (GSM) auch Datendienste (UMTS, LTE) anzubieten. Dieses
möchte die Europäische Union den Marktteilnehmern ermöglichen, damit die
Bevölkerung auch von den neuen Diensten profitieren kann. Hierbei sollen
aber von Anfang an – dies wird aus dem Untersuchungs- und
Behebungsauftrag der GSM-Änderungsrichtlinie erkennbar – alle potentiellen
Wettbewerbsprobleme für den Start der neuen Datentechnologien im 900-
MHz-Band nach Möglichkeit vermieden werden.

Vor diesem Hintergrund erteilt die Europäische Union den Mitgliedstaaten den
Auftrag, die potentiellen Wettbewerbsverzerrungen, die eine Flexibilisierung
des 900-MHz-Bandes auf den Datenmarkt haben kann, zu untersuchen. Unter
diesen Vorzeichen und mithin dem Zweck des Art. 1 der geänderten GSM-
Richtlinie kommt es auf die wettbewerblichen Auswirkungen im 900-MHz-
Datenmarkt an. Hierbei kann es sein, dass die historischen Asymmetrien
nachwirken oder sich angesichts veränderter Rahmenbedingungen im
Datenmarkt auch eine vollkommen neue Wettbewerbssituation ergibt.

Dies zu beurteilen ist einer frequenzökonomischen Analyse vorbehalten. Die


Untersuchung von Gerpott kommt insoweit zu dem Ergebnis, dass

24
Vgl. zur historischen Entwicklung auch Bundesnetzagentur, Impulspapier für
Frequenzverteilungsuntersuchung, Mtlg. 457/2010, ABl.BNetzA Nr. 15/2010 v. 11.8.2010,
2715, abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/159006/publicationFile
/8295/ImpulspapierFreqVertUntersuchg_pdf.pdf (03.05.2011), S. 13.; Sörries, Verpasste
Chancen und zukünftige Handlungsoptionen im Mobilfunk, 2010, S. 35 ff.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

„in Deutschland die Ausstattung […der D-Netzbetreiber…] mit Spektrum


im 900 MHz-Bereich […] bis in die Gegenwart deutliche
wettbewerbsverzerrende Effekte zuungunsten der E-Netzbetreiber nach
25
sich zieht“

und diese sich bei einer Flexibilisierung auch bis in die Nutzung des 900-MHz-
Bandes für Datendienste fortwirkt:

„Die Wettbewerbschancen der E-Netzbetreiber […] auf dem Markt für


mobile Datendienste würden durch [die Frequenzflexibilisierung]
26
erheblich beeinträchtigt.“

Aus rechtlicher Sicht ist bei der methodischen Auslegung des Begriffs der
Wettbewerbsverzerrungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der geänderten GSM-
Richtlinie jedenfalls ausschlaggebend, dass allein die Situation im 900-MHz-
Band zugrunde zu legen ist.

25
Gerpott, Wettbewerbs- und Regulierungsimplikationen der 900 MHz-
Frequenzausstattung, 2010, S. 10.
26
Ebd., S. 41.

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Prof. Dr. Bernd Holznagel Anmerkungen zum Gutachten von Mecklenbräuker et al.

Literaturverzeichnis

Gerpott, Torsten, Anmerkungen zur Frequenzverteilungsuntersuchung von


Mecklenbräuker et al. vom 25.03.2011, 2011.

Gerpott, Torsten, Wettbewerbs- und Regulierungsimplikationen der 900 MHz-


Frequenzausstattung von Mobilfunknetzbetreibern in Deutschland, in: ders./
Bernd Holznagel (Hrsg.), Flexibilisierung der Frequenznutzung –
Ökonomische und juristische Analysen, 2010, S. 7 ff.

Holznagel, Bernd, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Flexibilisierung des


900 MHz-Spektrums aufgrund der RL 2009/114/EG, in: Torsten Gerpott/ Bernd
Holznagel (Hrsg.), Flexibilisierung der Frequenznutzung – Ökonomische und
juristische Analysen, 2010, S. 82 ff.

Mecklenbräuker, Christoph/ Peter Gaigg/ Ernst-Olav Ruhle/ Wolfgang Reichl/


Helmut Malleck/ Martin Lundborg/ Ernst Georg Berger,
Frequenzverteilungsuntersuchung der möglichen Flexibilisierung im
900/1800 MHz Band – Wissenschaftliches Gutachten mit ökonomisch-
frequenztechnischem Schwerpunkt im Auftrag der Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen,
Abschlussbericht vom 25. März 2011, abrufbar unter
http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/
contentblob/195666/publicationFile/10375/GutachtenFreqVertUntersuchgS
BR _pdf.pdf (03.05.2011).

Sörries, Bernd, Verpasste Chancen und zukünftige Handlungsoptionen im


Mobilfunk, 2010.

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