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Eckhard Beubler

Kompendium der
Pharmakologie
Gebräuchliche Arzneimittel in der Praxis

Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage

SpringerWienNewYork
Univ.-Prof. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie,
Medizinzische Universität Graz, Graz, Österreich

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Mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-211-72054-7 2. Aufl. SpringerWienNewYork


ISBN 978-3-7091-0658-7 SpringerWienNewYork
Vo r w o r t z u r 3 . A u f l a g e V

Diese Neuauflage des Kompendiums der Pharmakologie reagiert ausführlich


auf die permanente Fluktuation, welcher der Arzneimittelmarkt unterworfen
ist. Es wurden etwa 120 Arzneistoffe in diversen Kapiteln neu aufgenommen
und besprochen. Vom Markt verschwundene Arzneimittel wurden aus -
geschieden.

Neu bearbeitet wurde das Kapitel über das Cytochrom P450-Enzym-System,


dessen Wichtigkeit beim Metabolismus ausgewählter Arzneimittel durch
Einfügen einer neuen Tabelle unterstrichen wurde und dessen immense
Bedeutung für das Phänomen der Wechselwirkung dadurch hervorgehoben
wird.

Dem Studierenden der Medizin, der Pharmazie und der Pflegewissenschaften


möge dieser kurze Abriss der Pharmakologie zur Überprüfung seines Wissens
dienen, dem Arzt oder Apotheker als bequemes Nachschlagewerk und dem
Pflegepersonal zur besseren Erfüllung seiner Aufgaben nützen.

Eckhard Beubler Graz, im Jänner 2011

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


VI Vo r w o r t

In diesem Buch wird versucht, das mittlerweile riesige Fachgebiet der


Pharmakologie auf die für die sichere Anwendung wesentlichen Fakten zu
komprimieren. Jedem Kapitel sind die gängigsten Arzneimittel tabellenförmig,
auf einen Blick erfassbar, vorangestellt und in Fußnoten sind Beispiele von
Handelsnamen für Österreich, Schweiz und Deutschland angeführt. Nach
knapper Schilderung des Wirkungsmechanismus eines Arzneimittels, den der
Leser, je nach Wissensstand, aufnehmen oder überspringen kann, werden die
Wirkungen, wichtige Applikationsformen, die Nebenwirkungen, die Kombina -
tionsmöglichkeiten sowie die Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln,
die Verwendbarkeit in Schwangerschaft und Stillzeit und wichtige Gegen -
anzeigen so kurz wie möglich besprochen. Die Pathophysiologie der bespro-
chenen Erkrankungen wird nur so weit erklärt, dass die Angriffspunkte des
Arzneimittels verständlich werden.

Auf Dosierungsvorschriften wird meist verzichtet, da diese oft sehr komplexen


Angaben den Rahmen dieses Buches sprengen könnten. Verzichtet wird
auch weitgehend auf chemische Gruppenbezeichnungen, da diese für den
Nicht-Fachmann keine elementar wichtige Information enthalten.

Arzneimittel, die ausschließlich dem hochqualifizierten Spezialisten zur


Anwendung vorbehalten sind, werden nicht besprochen. Dazu gehören z.B.
Arzneimittel für die Behandlung von Tumorerkrankungen, HIV, Hepatitis C
und von komplizierten Hormon- und Stoffwechselstörungen.

Dieses Buch wurde als stringentes Kompendium konzipiert und kann daher
kein umfassendes Lehrbuch ersetzen. Es soll Ärzten und Studierenden der
Medizin einen schnellen Überblick ermöglichen, aber auch medizinisches
Pflegepersonal im stationären oder extramuralen Bereich sowie interessierte
Laien können durch diese Lektüre ihr Wissen über eine moderne und sichere
Arzneitherapie verbessern.

Meinem Mitarbeiter Hans Hosbein möchte ich für wertvolle Korrekturarbeiten


und Frau Irmgard Russa für die Herstellung des Manuskripts herzlichst
danken.

Eckhard Beubler Graz, September 2005

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


I n h a l t s v e r z e i c h n i s – A l l g e m e i n e r Te i l VII

ALLGEMEINER TEIL
Pharmakodynamik 3
Prinzipien der Arzneimittelwirkungen 3
Wirkmechanismen 3
Rezeptoren 4
Dosis-Wirkungs-Beziehungen 6
Agonisten und Antagonisten 7

Pharmakokinetik 9
Resorption 11
Verteilung 11
Elimination 11

Nebenwirkungen (unerwünschte Arzneimittelwirkungen) 16


Unerwünschte Wirkungen bei therapeutischer Dosierung 16
Unerwünschte Wirkungen bei Überdosierung 17
Formen der Nebenwirkungen 18

Arzneimittelwechselwirkungen 19
Pharmakodynamische Interaktionen 20
Pharmakokinetische Interaktionen 20

Pharmakologische Wirkungen für den Einzelnen 23

Der Placeboeffekt 24

Arzneiformen 25
Flüssige Arzneiformen 26
Feste Arzneiformen 27
Halbfeste Arzneiformen 28
Spezielle Arzneiformen 30

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


VIII I n h a l t s v e r z e i c h n i s – S p e z i e l l e r Te i l

SPEZIELLER TEIL
Das vegetative Nervensystem 35
Histamin, Serotonin und Eicosanoide 45
Blut 53
Blutstillung und Thrombose 53
Anämien 62
Bluthochdruck 63
Durchblutungsstörungen 69
Herzinsuffizienz 73
Koronare Herzkrankheit 77
Herzrhythmusstörungen 81
Atemwege 85
Asthma Bronchiale 86
Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) 91
Husten 91
Verdauungstrakt 95
Säurebedingte Erkrankungen 95
Funktionelle Erkrankungen 98
Niere 103
Stoffwechselerkrankungen 107
Diabetes 107
Fettstoffwechselstörungen 113
Gicht 117
Psychopharmaka 119
Neuroleptika 119
Antidepressiva 124
Tranquillantien und Schlafmittel 130
Psychostimulantien 134

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


I n h a l t s v e r z e i c h n i s – S p e z i e l l e r Te i l IX

Analgetika 135
Nicht-Opioid-Analgetika 135
Mittelstarke Opioide 143
Starke Opioide 144
Sehr starke Opioide 146
Starke Opioide: Agonist-Antagonisten 147
Opioid-Antagonisten 148
Cannabinoide 149
Andere Analgetika 149
Antirheumatika 150
Lokalanästhetika 155
Narkosemittel 157
Injektionsnarkotika 157
Inhalationsnarkotika 159
Starke Opioide 160
Muskelrelaxantien 161
Antiparkinson-Mittel 165
Antiepileptika 169
Hormonelles System 175
Schilddrüse 175
Nebenschilddrüse 178
Nebennierenrindenhormone 181
Sexualhormone 184
Antiinfektive Arzneimittel 191
Antibiotika 191
Virustatika 206
Antimykotika 208
Wurmmittel 211
Malaria 213
Immunmodulatoren 217

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


X I n h a l t s v e r z e i c h n i s – To x i k o l o g i e

TOXIKOLOGIE
Gifte und Vergiftungen 223
Häufigkeiten 223
Ätiologie von Vergiftungen 224
Allgemeine Toxikologie 225
Allgemeine Diagnose 226
Grenzwerte 227
Erstmaßnahmen bei Vergiftungen 228
Spezielle Toxikologie 230
Gasförmige Stoffe mit systemischer Wirkung 230
Gasförmige Stoffe mit lokaler Reizwirkung (Reizgase) 233
Flüssigkeiten bzw. Lösungsmittel 237
Schwermetalle 242
Pestizide 250
Chemische Karzinogene 252
Karzinogene Naturstoffe 253
Metalle und Festkörper 253
Giftpflanzen und Pflanzengifte 253
Giftpilze und Pilzgifte 259
Gifttiere und Tiergifte 262

Anhang
Anhang 1: Weiterführende Literatur 265
Anhang 2: Sachverzeichnis 266

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


1

ALLGEMEINER TEIL
Pharmakodynamik
Prinzipien der Arzneimittelwirkungen
Wirkungsmechanismen
Rezeptoren
Dosis-Wirkungs-Beziehungen
Agonisten und Antagonisten

Pharmakokinetik
Resorption
Verteilung
Elimination

Nebenwirkungen (Unerwünschte Wirkungen)


Unerwünschte Wirkungen bei therapeutischer Dosierung
Unerwünschte Wirkungen bei Überdosierung
Formen der Nebenwirkungen

Arzneimittelwechselwirkungen
Pharmakodynamische Interaktionen
Pharmakokinetische Interaktionen

Pharmakologische Wirkungen für den Einzelnen

Der Placeboeffekt

Arzneiformen
Flüssige Arzneiformen
Feste Arzneiformen
Halbfeste Arzneiformen
Spezielle Arzneiformen

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


2

Häufig verwendete Abkürzungen:

ACE: Angiotensin-Converting-Enzyme
AMP: Adenosinmonophosphat
ASS: Acetylsalicylsäure
CGRP: Calcitonin Gene-Related Peptide
(gengebundenes Kalzitonin-Peptid)
COMT: Catechol-0-Methyltransferase
GABA: γ-Aminobuttersäure
GDP: Guanosindiphosphat
GMP: Guanosinmonophosphat
GTP: Guanosintriphosphat
G-Protein: Guanylnucleotid-bindendes Protein
i.v.: Intravenös
LT: Leukotrien
MAO: Monoaminoxidase
NMDA: N-Methyl-D-Aspartat
NO: Stickstoffmonoxid
NSAR: Nicht steroidale Antirheumatika
PG: Prostaglandin
p.o.: Peroral
s.c.: Subkutan
VIP: Vasoaktives intestinales Polypeptid

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Pharmakodynamik 3

PHARMAKODYNAMIK
Die Pharmakodynamik ist die Lehre der Wirkungen von Arzneimitteln
auf den Organismus:
Wie kommt ein pharmakologischer Effekt zustande?

Prinzipien der ein bestimmtes Arzneimittel in verschie-


denen Organen bzw. Organsystemen vor-
Arzneimittelwirkungen handen sind, muss bei den meisten
Arzneimitteln mit unerwünschten Wir -
Zweck: Arzneimittel (Pharmaka) sind kungen gerechnet werden. Auf der an -
Stoffe und deren Zubereitungen, die deren Seite lässt die Kenntnis des
 Krankheiten heilen, lindern oder Angriffspunktes eines Arzneimittels
verhüten, eine gewisse Palette an Nebenwirkun -
 körpereigene Wirkstoffe ersetzen, gen von vornherein erwarten.
 Krankheitserreger oder körperfrem- Der Nutzen eines Arzneimittels (er-
de Stoffe beseitigen, wünschte Wirkung) muss die „Kosten“
 Funktionen des Körpers und der (unerwünschte Wirkungen) deutlich
Psyche beeinflussen sollen oder überwiegen.
 zur Diagnostik verwendet werden.
Wirkorte: Arzneimittel sind Stoffe,
die (mit wenigen Ausnahmen) auf Ziel- Wirkmechanismen
proteine wirken. Solche sind:
Arzneimittel können
 Enzyme
 Transportproteine  einen körpereigenen Stoff ersetzen
 Ionenkanäle und am selben Wirkort wie dieser
 Rezeptoren (Rezeptor) angreifen (z.B. Insulin,
β2-Sympathikomimetika wie Salbu-
Der gewünschte Angriffsort soll vom tamol1, direkte Parasympathiko-
Arzneimittel möglichst spezifisch er - mimetika wie Pilocarpin, Opiate wie
kannt und beeinflusst werden. In der Morphin),
Praxis ist das sehr selten der Fall. Daraus  als Vorstufe eines körpereigenen
ergibt sich, dass Arzneimittel meist er- Stoffes verabreicht werden und durch
wünschte Wirkungen und unerwünsch- Umwandlung im Körper aktiviert
te Wirkungen (Nebenwirkungen) ver- werden (z.B. L-Dopa, das zu
mitteln. Da Zielproteine (Rezeptoren) für Dopamin decarboxyliert wird),

1 A: Sultanol; CH: Ecovent; D: Sultanol


E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
4 Pharmakodynamik

 die Wirkung eines körpereigenen sches AMP) und Arzneimittel B (Theo -


Stoffes am Rezeptor hemmen (z.B. phyllin) dessen Abbau hemmen. Zum
β-Blocker wie Propranolol 1, Angio- anderen muss damit gerechnet werden,
tensinantagonisten wie Losartan 2, dass ein und derselbe Wirkstoff an ver-
Parasympatholytika wie Atropin), schiedenen Zielproteinen (Rezeptoren)
 den Abbau eines körpereigenen seine Wirkung entfaltet. So kann ein
Stoffes hemmen (z.B. Cholinestera- und derselbe Wirkstoff, Chlorprothixen12,
se-Inhibitoren wie Distigmin 3; Muscarin-, Histamin- und Serotonin-Re-
MAO oder COMT-Hemmer wie zeptoren sowie Natrium-Kanäle blockie-
Moclobemid 4 bzw. Entacapon 5, ren. Die Kenntnis dieser Eigenschaften
Phosphodiesterasehemmer wie lässt voraussehen, dass der Wirkstoff
Sildenafil6), Mundtrockenheit und Müdigkeit verur-
 die Inaktivierung körpereigener sacht sowie appetitanregend und lokal -
Stoffe hemmen (z.B. Serotonin- anästhetisch wirksam ist. Es ist also
Rückaufnahme-Inhibitoren wie durchaus von praktischem Inter esse,
Fluoxetin7), den genauen Wirkungs mecha nismus
 die Synthese eines körpereigenen eines Arzneimittels zu kennen um Wir -
Stoffes hemmen (z.B. Cyclooxyge- kung, Nebenwirkung und Kombinations-
nase-Hemmer wie Acetylsalicylsäure8 möglichkeit mit anderen Arzneimitteln
hemmen die Bildung von Prosta- besser abzuschätzen. Aus diesem
glandinen, ACE-Hemmer wie Capto- Grund wird in der Folge noch etwas
pril9 hemmen die Bildung von genauer auf die An griffspunkte der
Angiotensin II), Arzneimittel (Rezeptoren) eingegangen.
 die Aktivität eines Enzyms hemmen
(z.B. Protonenpumpenhemmer wie
Omeprazol10 hemmen die Säure- Rezeptoren
sekretion im Magen) und
 die Aktivität eines Enzyms stimulie- Um eine Wirkung hervorzurufen,
ren (z.B. NO-Donatoren wie Molsi- braucht der Arzneistoff im Organismus
domin 11 stimulieren die Guanylat- einen Reaktionspartner (Rezeptor). Der
cyclase). Arzneistoff bindet sich zunächst an den
Die meisten Arzneimittel lassen sich Rezeptor, führt dann eine Struktur -
unter einem der genannten Wirkungs - änderung und in der Folge eine Funk -
mechanismen einordnen. Durch Kombi - tionsänderung (Aktivierung bzw. Hem -
nation von zwei Wirkstoffen kann es mung) herbei und bewirkt so einen
möglich sein, die gewünschte Wirkung Effekt (z.B. Muskelkontraktion, Gefäß -
zu verstärken, z. B. könnte Arzneimittel A erweiterung, Hemmung der Säuresekre -
(z.B. Salbutamol) die Synthese eines kör- tion im Magen, Glykogenolyse). Hier
pereigenen Stoffes stimulieren (cycli- sollen die wichtigsten Rezeptortypen

1 A, CH: Inderal; D: Dociton 8 A, CH, D: Aspirin


2 A, CH: Cosaar; D: Lorzaar 9 A: Debax; CH: Captosol; D: Lopirin
3 A, CH, D: Upretid 10 A: Losec; CH, D: Omeprazol
4 A, CH, D: Aurorix 11 A: Molsidolat, CH: Corvaton
5 A, CH: Comtan; D: Comtess D: Molsidomin
6 A,CH,D: Viagra 12 A, CH, D: Truxal
7 A, CH: Fluctine; D: Fluctin
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Pharmakodynamik 5

kurz besprochen werden, im speziellen  NMDA-Rezeptor (Glutamatrezeptor


Teil wird nur noch auf diese verwiesen. für Schmerzvermittlung)
Beispiele für Arzneimittelwirkungen:
Rezeptorarten
 Hemmung der Muskelkontraktion
 Ligand-gesteuerte Ionenkanäle durch d-Tubocurarin
 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren  Benzodiazepinwirkung durch
 Rezeptoren mit Enzymaktivität Öffnung des Chloridkanals
 Proteinsynthese regulierende  Antiemetische Wirkung der
Rezeptoren Serotonin 5-HT3-Rezeptorantagonisten
 Analgetische Wirkung des NMDA-
Ligand-gesteuerte Rezeptorantagonisten Ketamin
Ionenkanäle
Struktur: Diese Rezeptoren bestehen G-Protein-gekoppelte
aus mehreren (oft fünf) Proteinunter - Rezeptoren
einheiten, die einen Kanal durch die Dieser Rezeptor liegt ebenfalls in der
Zellwand bilden. Die Aktivierung des Zellmembran. G-Protein-gekoppelte Re -
Rezeptors ändert den Öffnungszustand zeptoren sind Proteine, die mäanderför-
des Ionenkanals und führt durch Ände- mig siebenmal die Zellmembran durch-
rung der Ionenströme zu einer Zustands- dringen (heptahelikale Rezeptoren).
änderung der beeinflussten Zelle. Außen an der Zelle ist die Bindungs -
Ein Beispiel ist der nikotinische Acetyl- stelle für das Arzneimittel bzw. den kör-
cholinrezeptor der motorischen End - pereigenen Stoff, innerhalb der Zelle
platte. Wird Acetylcholin an zwei der wird dann das G-Protein (Guanyl -
fünf Protein-Untereinheiten gebunden, nucleotid-bindendes Protein – während
strömt blitzartig Natrium ein und es der Aktivierung wird Guanosindiphos-
kommt zur Kontraktion. Sofort löst sich phat (GDP) gegen Guanosintriphosphat
Acetylcholin wieder von seiner Bin - (GTP) ausgetauscht) aktiviert, das in
dungsstelle, wird von einer Esterase mehreren, genau bekannten Schritten
gespalten und der Muskel relaxiert. Der letztlich das Effektorprotein zu seiner
ganze Prozess läuft in wenigen Milli - Reaktion veranlasst. Ein Beispiel wäre
sekunden ab. Bewegungen der Skelett - der β-Adrenozeptor; das Effektor pro-
muskulatur können auf diese Weise tein dieses Rezeptors ist die Adenylat-
sehr rasch ablaufen (man denke an zyklase, die die Bildung von zyklischem
Klavierspielen). AMP katalysiert. Über den β-Adreno-
Beispiele für ligandgesteuerte zeptor kann z.B. Adrenalin die Glyko -
Ionenkanäle: genspaltung fördern und so als
„Stresshormon“ die Bereitstellung von
 Nikotinischer Acetylcholinrezeptor Zucker aus dem Glykogenspeicher be -
der motorischen Endplatte wirken.
 Serotonin 5-HT3-Rezeptor in der
Area Postrema (Erbrechen) Beispiele für Liganden an G-Protein-
 GABA-A-Rezeptor mit Chloridionen- gekoppelten Rezeptoren:
kanal, Bindungsstelle für Benzodia-  Acetylcholin (muscarinische
zepine Rezeptoren)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


6 Pharmakodynamik

 Noradrenalin, Adrenalin Proteinsynthese-


Salbutamol regulierende Rezeptoren
 Dopamin
 Histamin Diese Rezeptoren finden sich im Zell-
 Morphin inneren im Zytosol; verbinden sich die
 Eicosanoide (Prostaglandine) Wirkstoffe mit diesen Rezeptoren, so
 Leukotriene u.a. können diese Ligand/Rezeptorkomplexe
die Gentranskription modulieren und so
Zum Unterschied von Reaktionen am die Proteinsynthese verändern.
ligandengesteuerten Ionenkanal laufen
die G-Protein-Rezeptor vermittelten Re - Beispiele sind Rezeptoren für:
aktionen wesentlich langsamer ab.  Glucocorticoide
 Mineralocorticoide
Beispiele für Arzneimittel-
 Androgene
wirkungen an G-Protein-
 Gestagene
Rezeptoren:
 Östrogene
 Bronchienerweiterung mit β2-
 Trijodthyronin
Sympathomimetika wie Salbutamol
 Eicosanoide (Prostaglandine)
 Gefäßkontrahierende Wirkung von
α 1-Sympathomimetika wie
Oxymetazolin
 Senkung des Augeninnendrucks durch
Dosis-Wirkungs-
Stimulierung muscarinischer Acetyl- Beziehungen
cholinrezeptoren mit Pilocarpin etc.
Zwischen der Menge eines verab-
Intrazelluläre Botenstoffe die, reichten Arzneistoffes (Dosis) und der
durch G-Protein-Rezeptoren erreichten Wirkung besteht ein enger
aktiviert werden: Zusammenhang. Werden beide Größen,
 Adenylatzyklase/zyklisches AMP also die Dosis und die Wirkung, in ein
 Phospholipase C/Inositoltriphos- Diagramm eingetragen, so erhält man
phat/Diacylglycerol eine Dosis-Wirkungs-Kurve (Abbildung 1).
 Phospholipase A: Arachidonsäure
und Prostaglandine
 Ionenkanäle wie Kalium- und
Kalziumkanäle

Rezeptoren mit
Enzymaktivität
Auch diese Rezeptoren sind mem-
branständig, an der Außenseite greift
die aktivierende Substanz (z.B. Insulin)
an und an der Innenseite der Zelle wird
ein Enzym aktiviert.
Beispiele sind Rezeptoren für:
Abb. 1: Dosis-Wirkungs-Kurve
 Insulin (ED50 : Effektive Dosis für 50% eines
 Wachstumshormone Kollektivs)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Pharmakodynamik 7

Drei Größen sind für eine Dosis-Wir - Therapeutische Breite


kungs-Kurve von Bedeutung: (Abbildung 2)
 Lage Eine Dosiswirkungskurve kann man
 Steilheit für den gewünschten Effekt eines
 Maximaler Effekt Arzneimittels und für den tödlichen
Effekt eines Arzneimittels erstellen. Je
Lage größer der Abstand dieser beiden Kur -
ven ist, desto größer ist die therapeuti-
Wird in der Dosiswirkungskurve die
sche Breite, d.h. desto sicherer ist die
Wirkung auf der Ordinate und die Dosis Substanz.
auf der Abszisse eingetragen, so wird
ein Wirkstoff eine Dosiswirkungskurve in
einem niedrigen und ein anderer Wirk -
stoff eine Dosiswirkungskurve in einem
höheren Dosisbereich erzeugen. Die im
niedrigen Dosisbereich liegende Substanz
ist stärker wirksam als die im höheren
Dosisbereich. Aus der Lage kann man
also die Wirkungsstärke einer Substanz
erkennen.

Steilheit
Aus der Steilheit einer Dosiswirkungs -
kurve lässt sich erkennen, welche Wir -
Abb. 2: Therapeutische Breite
kungsänderung bei einer Dosis ände - ED 50: effektive Dosis für 50% eines Kollektivs
rung erreicht wird. Für Arzneimittel LD50: letale Dosis für 50% eines Kollektivs
wünscht man sich Dosiswirkungskurven
die flach sind, d.h. kleine Dosisänderun -
gen bewirken kaum Wirkungsänderun - Agonisten und
gen. Arzneimittel mit steilen Dosis - Antagonisten
wirkungskurven sind gefährlich, da klei-
ne Dosisänderungen schon zu drasti- Agonisten: Agonisten sind Substan-
schen Wirkungsänderungen führen kön- zen die sich mit dem Rezeptor verbin-
nen. den und eine Aktivierung auslösen.
Agonisten haben eine hohe Affinität
Maximale Wirkung zum Rezeptor und lösen einen Effekt
aus (intrinsic activity).
(„intrinsic activity“)
Antagonisten: Sogenannte kompe-
Die „intrinsic activity“ wird durch die titive Antagonisten verbinden sich rever-
Größe des Maximaleffektes angezeigt. sibel mit dem Rezeptor, lösen aber
Dieser kann auch bei gleichem Angriffs - keine Aktivierung aus. Kompetitive
punkt für verschiedene Substanzen unter- Antagonisten haben also ebenfalls eine
schiedlich sein. hohe Affinität, aber keine Wirkung

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


8 Pharmakodynamik

Abb. 3: Kompetitiver
Antagonismus.
In Gegenwart eines
Antagonisten sind
höhere Dosen
(Konzentrationen)
des Agonisten not-
wendig, um die
gleiche Wirkung zu
erzeugen.
0: Agonist allein
1: Agonist plus Antagonist,
2: Agonist plus Antagonist
in dreifacher Dosis)

(fehlende intrinsic activity). Antago - als partielle Agonisten oder auch parti-
nisten blockieren dementsprechend, je elle Antagonisten bezeichnet werden,
nach Dosis, einen Teil der Rezeptoren, sowie sogenannte inverse Agonisten,
die dann von den Agonisten nicht akti- die eine Rezeptoraktivität gänzlich auf
viert werden können. Die Dosis- die inaktive Seite rücken.
Wirkungs-Kurve wird nach rechts ver- Neben dem kompetitiven Antagonis-
schoben (Abbildung 3). mus gibt es noch:
 Nicht kompetitiven Antagonismus
Sonderformen  Funktionellen Antagonismus
Außer reinen Agonisten und reinen  Chemischen Antagonismus
Antagonisten gibt es Substanzen mit Diese Formen sollen hier nicht näher
einer Art Mittelstellung, Substanzen die erläutert werden.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Pharmakokinetik 9

PHARMAKOKINETIK
Die Pharmakokinetik beschreibt, was der Organismus mit einem
Arzneimittel macht. Genauer betrachtet befasst sich die
Pharmakokinetik mit Konzentrationsänderungen von Arzneimitteln
im Organismus in Abhängigkeit von der Zeit.

Die wichtigsten Vorgänge


in der Pharmakokinetik sind:
 Resorption
 Verteilung
 Biotransformation (Metabolismus)
 Ausscheidung
Vor der Besprechung dieser vier Pro-
zesse sollen einige wichtige Ausdrücke
aus der Pharmakokinetik definiert wer-
den.
Blutspiegel: Der Blutspiegel eines
Arzneimittels beschreibt die zeitliche Abb. 4: Zeitliche Änderung der Arznei-
Änderung der Konzentration dieses mittelkonzentration im Blut
Arzneimittels im Blut (Abbildung 4).
Eine Blutspiegelkurve erhält man durch
Auftragen der Konzentrationen eines
Arzneimittels im Blut zu verschiedenen
Zeiten. Aus dem Blutspiegel lässt sich
die Resorptionsgeschwindigkeit, das
Blutspiegelmaximum (C max), die Zeit des
maximalen Blutspiegels (tmax) (Abbil -
dung 5) und die Ausscheidungs ge -
schwindigkeit (Halbwertszeit) berech-
nen.
Halbwertszeit (Eliminationshalbwerts-
zeit, terminale Halbwertszeit, t/2 β): Die Abb. 5: Berechnung des Blutspiegel-
Halbwertszeit eines Arzneimittels im maximums und der Zeit des
Blut ist die Zeit, in der die Konzentration maximalen Blutspiegels

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


10 Pharmakokinetik

im Blut auf die Hälfte des vorher bei gleicher Dosis einen in Form und
gemessenen Wertes absinkt. Die Halb - Höhe annähernd identischen Blutspiegel-
wertszeit ist nicht identisch mit der verlauf ergeben und dementsprechend
Wirkungsdauer, da Arzneimittel sehr gleiche AUCs aufweisen. Zur genauen
rasch aus dem Blut verschwinden kön- Beurteilung werden noch Cmax und tmax
nen, aber noch lange am Rezeptor ihre herangezogen.
Wirkung entfalten. Z.B. ist Acetyl - Verteilungsvolumen: Das Verteilungs-
salicylsäure nur wenige Minuten im Blut volumen eines Arzneistoffes ist eine fik-
nachweisbar, die Halbwertszeit beträgt tive Größe. Sie gibt an, auf welches
etwa 8 Minuten, die analgetische und Volumen eine bestimmte Dosis eines
entzündungshemmende Wirkung hält Arzneistoffes sich verteilt hätte, wenn
jedoch etwa 4 Stunden an. der Körper ein homogenes Medium
Fläche unter der Blutspiegelkurve wäre. Ist das Verteilungsvolumen größer
(engl.: area under the curve, AUC): Die als das Körpervolumen, weist dieser
Fläche unter der Blutspiegelkurve, die Umstand darauf hin, dass sich der Arznei-
rechnerisch oder graphisch ermittelt wer- stoff in bestimmten Strukturen des
den kann, ist eine wichtige Größe zum Körpers (Fett) anreichert. Viele Arznei -
Vergleich der Resorption eines Arznei- stoffe haben ein Verteilungsvolumen
stoffes aus verschiedenen Arzneiformen größer als das Körpervolumen. Angege -
bzw. Produkten. Die Fläche unter der ben wird das Verteilungsvolumen in
Blutspiegelkurve gilt als Maß für die Liter pro kg Körpergewicht.
Arzneistoffmenge, die im systemischen First pass effect: Der first pass effect
Kreislauf verfügbar ist. Die Gesamt - ist ein Maß für die Menge an Arznei -
fläche unter der Kurve, vom Zeitpunkt stoff, die nach Resorption aus dem
der Applikation bis zur völligen Elimina- Magen-Darm-Trakt bei der ersten Leber-
tion des Stoffes aus dem Kreislauf - passage metabolisiert wird. Dieser
system, wird mit dem Symbol AUC0-∞ Vorgang wird auch als präsystemische
oder kurz AUC bezeichnet (Abbildung 5). Elimination bezeichnet. Bei Arznei -
Bioverfügbarkeit: Die Bioverfügbar- mitteln mit grossem first pass effect ist
keit (bioavailability) bezeichnet den die Dosisfindung für einem bestimmten
Anteil eines verabreichten Arzeimittels, Patienten schwieriger als bei Arznei -
der im allgemeinen Kreislauf erscheint. mitteln mit einem geringen first pass
Die Bioverfügbarkeit wird in Prozent effect.
angegeben und ist nach intravenöser Plasmaproteinbindung: Arznei -
Gabe definitionsgemäß 100%. Nach mittel sind in unterschiedlichem Aus -
jeder anderen Applikationsart z.B. nach maß an Plasmaproteine gebunden.
oraler Gabe ist die Bioverfügbarkeit Neben der Transportfunktion stellt die
gleich groß oder meist kleiner als nach Eiweißbindung auch eine Art Depot -
intravenöser Gabe. Zur Ermittlung der wirkung dar. Bei den Dosierungsan -
Bioverfügbarkeit werden die Flächen gaben der einzelnen Arzneimittel ist die
unter den Blutspiegelkurven (AUCs) ver- Plasmaeiweißbindung bereits be rück -
glichen. sichtigt. Werden Arzneimittel mit hoher
Bioäquivalenz: Zwei Arzneimittel gel- Plasmaeiweißbindung kombiniert, kön-
ten dann als bioäquivalent, wenn sie nen sie sich gegenseitig vom Plasma-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Pharmakokinetik 11

eiweiß verdrängen. Eine praktische Be - gen. Der Prozess der Verteilung ist bei
deutung kommt diesem Umstand je - der vorgeschriebenen Dosierung jedes
doch nicht zu, da sich sehr rasch ein Arzneimittels berücksichtigt.
Gleichgewicht einstellt.

Elimination
Resorption
Unter Elimination versteht man alle
Unter Resorption versteht man die Vorgänge, die zur Entfernung eines
Aufnahme eines Arzneistoffes vom Ort Arzneistoffs aus dem Organismus bei-
der Applikation in das Kreislaufsystem. tragen.
Die wichtigsten Resorptionsorte sind Die Elimination beinhaltet sowohl
die Haut, das Muskelgewebe (bei intra- den Abbau (Metabolismus) als auch alle
muskulärer Applikation), der Atmungs - Arten von Ausscheidung. Unter Meta -
trakt (bei Inhalation), die Mundschleim - bolismus eines Arzneistoffes versteht
haut (bei sublingualer Applikation) und man seine biochemische Umwandlung
der Magen-Darm-Trakt (bei oraler Appli- im Organismus in meist unwirksame,
kation). wasserlösliche Verbindungen. In Einzel -
Die Geschwindigkeit der Resorption fällen kann durch den Metabolismus
ist nur bei einer akuten Arzneitherapie aus dem verabreichten Arzneistoff der
Wirkstoff entstehen (Bioaktivierung).
von Bedeutung. Z. B. wünscht man sich
Die Ausscheidung eines Arzneistoffes
bei einem Kopfschmerzanfall eine rasche
erfolgt in der Regel über die Nieren in
Resorption des Arzneimittels zur Schmerz-
den Harn, weniger häufig über die
befreiung. Bei der chronischen Arznei -
Galle, den Darm, die Haut oder die
therapie ist die Geschwindigkeit der
Lungen.
Resorption bedeutungslos. Für die Wirk-
samkeit einer chronischen Arzneithera-
pie ist nur die Dosis und das Dosis -
Renale Elimination
intervall ausschlaggebend. Das wichtigste Ausscheidungsorgan
für Arzneistoffe und deren Metaboliten
ist die Niere. Arzneistoffe mit hoher
Wasserlöslichkeit können unverändert
Verteilung ausgeschieden werden, andere müssen
vorher durch Metabolisierung wasser-
Nach erfolgter Resorption wird ein
löslich gemacht werden.
Arzneimittel rasch mit dem Blut im ge-
samten Körper verteilt. Nach seinen
physikochemischen Eigenschaften wird
Hepatische Elimination
sich ein Stoff entweder in Lipidstruk- oder Metabolismus
turen oder in wässrigen Körperräumen Unter Metabolismus oder Biotransfor -
verteilen. Bei hoher Lipidlöslichkeit mation versteht man alle biochemischen
eines Stoffes wird sich dieser im Gehirn Veränderungen, denen einen Stoff im
anreichern. Stoffe mit niedriger Lipid-, Körper unterworfen ist. Der Metabolis -
aber hoher Wasserlöslichkeit können mus der Arzneistoffe erfolgt hauptsäch-
nicht ins Zentralnervensystem gelan- lich in der Leber und in der Darm -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


12 Pharmakokinetik

schleimhaut. Man unterscheidet zwei säure, Glycin- oder Essigsäure verbun-


Haupttypen metabolischer Reaktionen: den (konjugiert) und es entstehen was-
Nicht-synthetische Reaktionen serlösliche Verbindungen wie Ester,
Amide oder Glucuronide. In den mei-
(Phase I): Diese umfassen Oxidation,
sten Fällen werden Arzneistoffe durch
Reduktion, Hydrolyse, Desaminierung
diese Reaktionen unwirksam und aus-
und Dealkylierung. Dabei werden Hy -
scheidungsfähig gemacht; die hepati-
droxyl-, Amin-, Sulfhydryl- oder Car -
sche Elimination kann daher als Ent -
boxylgruppen eingeführt oder durch
giftung bezeichnet werden.
Abspaltung freigelegt.
Diese Prozesse werden mit Hilfe soge- Die wichtigsten Phase II-Enzyme
nannter Cytochrom P 450 (CYP) Enzyme sind:
durchgeführt. Das für den Arzneimittel -
Glucuronyltransferasen (UGT)
metabolismus wichtigste Sub-Enzym ist N-Acetyltransferasen
CYP 3A4 (Familie 3, Subfamilie A 4). Sulfotransferasen
Man kennt heute 18 Familien und 43 Methyltransferasen
Subfamilien. Arzneimittel werden durch
Auch diese Enzyme können durch Arznei-
CYP-Enzyme abgebaut, können die
mittel induziert werden und so den Abbau
Aktivität einzelner Enzyme hemmen
anderer Wirkstoffe beschleunigen.
oder aber auch stimulieren (=induzie-
ren). Tabelle 1 listet einige wichtige
Subenzyme, ihre Substrate, Hemmer Clearance
und Induktoren. Zwei Beispiele sollen die
Bedeutung dieser Enzyme bei Arznei - Ein Maß für die Ausscheidung eines
mittelwechselwirkungen veranschauli- Arzneistoffes aus dem Organismus ist
chen: Phenprocoumon, ein Hemmer der die totale Clearance: Sie bezeichnet
Blutgerinnung, wird durch CYP 2C19 jenes (fiktive) Volumen der Kreislauf -
abgebaut. Omeprazol, ein sonst neben- flüssigkeit in Millilitern, welches in der
wirkungsfreier Protonenpumpenhemmer Zeiteinheit (pro Minute) durch die Funk-
blockiert dieses Enzym, der Blutspiegel tion aller Ausscheidungsorgane von
von Phenprocoumon steigt und schwe- einem Arzneistoff befreit wird. Sie
re Blutungen können die Folge sein. umfasst also die renale und hepatische
Midazolam, ein kurz wirkendes Benzo - Elimination, sowie alle anderen Aus -
diazepin, das intraoperativ zur starken scheidungswege wie auch die Abnahme
Sedierung verwendet wird, wird vom an aktivem Wirkstoff durch Biotransfor-
CYP3A4 abgebaut. Carbamazepin, ein mation. Aus der totalen Clearance und
Antiepileptikum induziert die Aktivität der renalen Clearance, einem Maß für
von CYP 3A4, Midazolam wird sofort die über die Niere ausgeschiedene
abgebaut und ist daher wirkungslos Arzneistoffmenge, lässt sich der first
(siehe auch Seite 19). pass effect eines Arzneimittels berech-
nen.
Synthetische Reaktionen (Phase
II): Dabei werden Arzneistoffe oder Werden Arzneimittel entsprechend
Phase I-Metabolite mittels sogenannter der Empfehlung des Herstellers verab-
Phase II-Enzyme mit körpereigenen reicht, ist in Dosis und Dosisintervall die
Stoffen wie Glucuronsäure, Schwefel - Clearance berücksichtigt und daher für

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Tab. 1: Metabolismus über Cytochrom P450 Enzyme (Fortsetzung siehe Seite 14)
Cyp 1A2 Cyp 2C19 Cyp 2C9 Cyp2D6 Cyp2E1 Cyp3A4
Substrate
Clozapin 1 Amitriptylin8 Amitriptylin8 Amitriptylin8 Enfluran39 Amlodipin43
Fluvoxamin2 Citalopram9 Carvedilol17 Clomipramin10 Alkohol Atorvastatin 44
Mexiletin3 Clomipramin 10 Celecoxib18 Codein Isofluran40 Buspiron45
Olanzapin 4 Cyclophosphamid11 Diclofenac19 Dextromethorphan28 Isoniazid41 Carbamazepin46
Pimozid5 Diazepam12 Glipizid20 Donepezil29 Paracetamol 42 Ciclosporin47
Propranolol 6 Lansoprazol 13 Irbesartan21 Haloperidol30 Diazepam48
Theophyllin7 Omeprazol 14 Ibuprofen22 Metoprolol31 Erythromycin49
Phenprocoumon 15 Losartan23 Oxycodon32 Estradiol50

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Phenytoin 16 Naproxen 24 Paroxetin33 Felodipin 51
Phenytoin25 Propafenon 34 Fentanyl52
sen und der Therapeut muss durch
ce des anderen Arzneimittels beeinflus-
den Arzneimittel miteinander kombi-
niert kann ein Arzneimittel die Clearan -
den Therapeuten bedeutungslos. Wer -

Piroxicam26 Risperidon35 Lovastatin53


Sulfamethoxazol27 Timolol 36 Midazolam54
Tramadol37 Nifedipin55
Venlafaxin38 Pimozid56
Sildenafil57
Simvastatin58
Tacrolimus59
Triazolam60
Zolpidem61
Fußnoten siehe Seite 15
Pharmakokinetik

mittelwechselwirkungen auf Seite 19).


Dosiserhöhung oder Dosiserniedrigung
des betroffenen Arzneimittels auf die
veränderte Situation eingehen ( Arznei-
13
14

Tab. 1: Metabolismus über Cytochrom P450 Enzyme (Fortsetung von Seite 13)
Cyp 1A2 Cyp 2C19 Cyp 2C9 Cyp2D6 Cyp2E1 Cyp3A4
Hemmer
Amiodaron 62 Felbamat71 Amiodaron65 Amiodaron65 Amiodaron65
Ciprofloxacin63 Fluoxetin 72 Fluconazol80 Fluoxetin 76 Cimetidin74
Citalopram64 Fluvoxamin73 Fluoxetin 81 Haloperidol 85 Clarithromycin88
Diltiazem 65 Isoniazid 74 Fluvastatin 82 Paroxetin82 Ciclosporin
Pharmakokinetik

Erythromycin 66 Ketoconazol 75 Isoniazid 78 Propafenon 86 Danazol89


Fluvoxamin67 Lansoprazol 76 Metronidazol 83 Sertralin 87 Diltiazem 90
Mexiletin68 Omeprazol 77 Paroxetin82 Ticlopidin83 Telithromycin 91
Ofloxacin69 Paroxetin78 Sulfamethoxazol84 Fluconazol92
Ticlopidin70 Ticlopidin79 Ticlopidin83 Grapefruitsaft
Trimethoprim Itraconazol93
Ketoconazol79
Miconazol 94
Omeprazol 14
Verapamil 95
Induktion durch
Carbamazepin 48 Carbamazepin 48 Phenobarbital101 Alkohol Carbamazepin 48
Phenobarbital96 Phenytoin 16 Phenytoin 98 Isoniazid 43 Johanniskraut 99
Rifampicin 97 Rifampicin 105 Tabak Phenobarbital101
Tabak Rifabutin 100
Rifampicin 102
Fußnoten siehe Seite 15

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Pharmakokinetik 15

Fußnoten zu den Seiten 13 und 14

1 A, CH, D: Leponex 36 A: Betimol; CH: Timoptic; 70 A: Tiklid; CH: -; D: Tiklyd


2 A, CH: Floxyfral; D: Fevarin D: Arutimol 71 A, CH, D: Taloxa
3 A, CH:-; D: Mexitil 37 A, CH, D: Tramal 72 A, CH: Fluctine; D: Fluctin
4 A, CH, D: Zyprexa 38 A: Efectin; CH: Efexor;
73 A, CH: Floxyfral; D: Fevarin
5 A, CH, D: Orap D: Trevilor 74 A: INH; CH: Rimifon;
6 A, CH: Inderal; D: Dociton 39 A: Ethrane; CH, D: -
D: Isozid
7 A: Theospirex; CH: Theolair; 40 A: Forane; CH, D: Forene
75 A, CH, D: Nizoral
D: Solosin 41 A: INH; CH: Rimifon;
76 A, CH, D: Agoptan
8 A, CH, D: Saroten D: Isozid 77 A: Losec; CH, D: Antra
9 A, CH: Seropram; D: Cipramil 42 A: Mexalen; CH: Panadol,
78 A, D: Seroxat; CH: Deroxat
10 A, CH, D: Anafranil Dafalgan; D: Benuron 79 A: Thrombodine
11 A, CH, D: Endoxan 43 A, CH, D: Norvasc
80 A, CH, D: Diflucan
12 A, CH, D: Valium 44 A, CH, D: Sortis
81 A, CH: Fluctine; D: Fluctin
13 A, CH, D: Agopton 45 A, CH: Buspar; D. Bespar
82 A, CH: Lescol; D: Locol
14 A: Losec; CH, D: Antra 46 A, CH: Tegretol; D: Tegretal
83 A: Anaerobex; CH: Perilox;
15 A, CH: Marcoumar; 47 A, CH, D: Sandimmun
D: Clont
D: Marcumar 48 A, CH, D: Valium
84 A, CH: Bactrim; D: Eusaprim
16 A: Epanutin; CH, 49 A, CH, D: Erythrocin
85 A, CH, D: Haldol
D: Phenhydan 50 A, CH, D: Ovestin
86 A: Rytmonorma; CH,
17 A, CH, D: Dilatrend 51 A, CH: Plendil; D: Munobal
D: Rytmonorm
18 A, CH, D: Celebrex 52 A, CH, D: Actiq
87 A, CH, D: Gladem
19 A, CH, D: Voltaren 53 A: Mevacor; CH: -;
88 A, CH, D: Klacid
20 A: Glibenese CH: - D: - D: Mevinacor 89 A: Danokrin; CH: Danatrol;
21 A, CH, D: Aprovel 54 A, CH, D: Dormicum
D:-
22 A, CH: Brufen; D: Ibuhexal 55 A, CH, D: Adalat
90 A, CH, D: Dilzem
23 A, CH: Cosaar; D: Lorzaar 56 A, CH, D: Orap
91 A: Ketek; CH: -; D: Ketek
24 A, CH, D: Proxen 57 A, CH, D: Viagra
92 A, CH, D: Diflucan
25 A: Epanutin; CH, 58 A: Zocord; CH, D: Zocor
93 A, CH: Sporanox; D: Sempera
D: Phenhydan 59 A, CH, D: Prograf
94 A, CH: Daktarin; D: Daktar
26 A, CH: Felden; D: Piroxicam 60 A, CH: Halcion; D:-
95 A, CH, D: Isoptin
27 A, CH: Bactrim; D: Eusaprim 61 A: Ivadal; CH: Stilnox;
96 A:-; CH, D: Luminal
28 A: Wick; CH: Vicks; D: Bikalm 97 A: Eremfat; CH: Rifampicin;
D: Neotussan 62 A: Sedacoron;
D: Eremfat
29 A, CH, D: Aricept CH: Cordarone; D: Cordarex 98 A: Epanutin; CH,
30 A, CH, D: Haldol 63 A, CH: Ciproxin;
D: Phenhydan
31 A, CH, D: Beloc D: Ciprobay 99 A, CH, D: Jarsin
32 A: OxyContin, OxyNorm; 64 A, CH: Seropram; D: Cipramil
100 A, CH: Mycobutin;
CH: Oxynorm; D: Oxygesic 65 A, CH, D: Dilzem
D: Alfacid
33 A, D: Seroxat; CH: Deroxat 66 A, CH, D: Erythrocin
101 A: –; CH, D: Luminal
34 A: Rytmonorma; CH, 67 A, CH: Floxyfral; D. Fevarin
102 A, D: Eremfat;
D: Rytmonorm 68 A, CH:-; D: Mexitil
CH: Rifampicin
35 A, CH, D: Risperdal 69 A, CH, D: Tarivid

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


16 Nebenwirkungen

NEBENWIRKUNGEN
(unerwünschte
Arzneimittelwirkungen)
Unter Nebenwirkungen versteht man Unerwünschte
unerwünschte Arzneimittelwirkungen
(UAW). Die meisten Arzneimittel verur- Wirkungen bei
sachen neben der gewünschten Wir - therapeutischer
kung auch Nebenwirkungen und eine
Abschätzung des Verhältnisses zwi-
Dosierung
schen Nutzen und Nebenwirkungsrisiko
ist vor jeder Arzneitherapie unbedingt Spezifische Nebenwirkungen sind über
erforderlich. Wie die gewünschte Haupt- den Wirkungsmechanismus des Arznei -
wirkung eines Arzneimittels unterliegen mittels erklärbar, dosisabhängig und
auch die Nebenwirkungen einer biolo- treten ab einer gewissen Dosis bei
gischen Streuung und sind für den ein- jedem behandelten Menschen auf. Z.B.
zelnen selten vorhersehbar. Für die Betablocker, die zur Blutdrucksenkung
Risikoabschätzung ist daher die Häufig - eingenommen werden, blockieren auch
keit einer bestimmten Nebenwirkung β-Rezeptoren in den Bronchien und
von großer Bedeutung. Bei neueren führen zur Erhöhung des Atemwegs -
Arzneimitteln wird diese Häufigkeit in widerstandes; sie blockieren auch β-
der Fachinformation angegeben. Beson- Rezeptoren im Stoffwechsel und ver-
dere Vorsicht ist bei Schwangeren und mindern so sie Glykogenolyse. Diese
in der Stillzeit geboten, wobei hier unerwünschten Wirkungen sind also be-
Arzneimittel nicht generell abzulehnen sonders bei Asthmapatienten bzw. bei
sind. Mitunter ist eine vernünftige Diabetikern zu beachten.
Therapie einer Schwangeren oder einer
Zu den spezifischen Nebenwirkungen
Stillenden besser für das Kind als die
von Arzneimitteln gehören auch irrever-
unbehandelte Krankheit.
sible Schädigungen von Organen wie
Nebenwirkungen kann man z.B. eine Nierenschädigung durch Lang -
einteilen in: zeiteinnahme von nicht-steroidalen Anti-
 Unerwünschte Wirkungen bei rheumatika oder irreversible Dyskinesien
therapeutischer Dosierung durch Langzeiteinnahme von Neurolep -
 Unerwünschte Wirkungen bei tika.
Überdosierung Spezifisch sind auch sekundäre Neben-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Nebenwirkungen 17

wirkungen wie Durchfälle aufgrund der Benzodiazepinen, aber auch bei bana-
Zerstörung der Darmflora bei einer len Schmerzmitteln und bei Abführ -
Antibiotikatherapie. mitteln beobachtet, wobei letztere die
einzige Arzneimittelgruppe ist, die
Allergische Reaktionen keine zentralen Wirkungen aufweist und
Dazu gehören in erster Linie Anti- zu Abhängigkeit führt.
körper-vermittelte Überempfindlichkeits-
reaktionen aufgrund einer bei einem
früheren Kontakt mit dem Arzneimittel Unerwünschte
erfolgten Antikörperbildung (IgE-Anti - Wirkungen bei
körper), Überempfindlichkeitsreaktio-
nen und pseudoallergische Reaktionen.
Überdosierung
Arzneimittel mit steilen Dosiswirkungs-
Schwangerschaft kurven können leicht überdosiert wer-
und Stillzeit den und führen dann zu schweren
In der Schwangerschaft und während Nebenwirkungen. Zu Überdosierungen
der Stillzeit müssen Arzneimittelneben- kann es auch kommen, wenn während
wirkungen ganz besonders beachtet der Einnahme von Arzneimitteln, die
werden. Hier sollte man sich nicht auf über die Niere ausgeschieden werden,
das Gedächtnis verlassen, sondern ein- durch Zunahme der Niereninsuffizienz
schlägige Bücher zu Rate ziehen um die diese Ausscheidung behindert ist. Eine
optimale Therapie herauszufinden. In weitere Ursache für Überdosierungen
Einzelfällen ist keine Therapie sicherlich kann sein, dass andere Arzneimittel den
schlechter als eine gezielte Therapie mit Abbau des ersten Arzneimittels hem-
einem relativ nebenwirkungsarmen men und damit seine Bioverfügbarkeit
Arzneimittel. erhöhen ( Arzneimittelwechselwirkun-
gen auf Seite 19). Beispiele für häufige
Abhängigkeit Nebenwirkungen aufgrund von Über-
Eine Reihe von Arzneimitteln mit zen- dosierungen sind Erbrechen bei Herzgly-
tral nervösen Wirkungen kann zu kosid-Überdosis, Hypoglykämie bei Insu-
Abhängigkeit führen, d.h. der Patient linüberdosierung, Bradykardie bei Über-
besteht nach einer gewissen Zeit auf dosierung eines Lokalanästhetikums
einer Fortführung der Therapie. Hier ist und verstärkte Blutungsneigung bei
nicht die physische Abhängigkeit ge- einer Überdosis von Antikoagulantien.
meint, die sich bei Arzneimitteln wie Auf Nebenwirkungen in Folge von
Opiaten, Antidepressiva oder Glukokor- Überdosierungen wird bei den einzel-
tikoiden nach einiger Zeit einstellt und nen Arzneimittelgruppen eingegangen
die durch Ausschleichen der Dosis um - werden.
gangen werden kann. Gemeint ist ein
Zustand der physischen und psychi-
schen Abhängigkeit, d.h. der Patient ist
trotz fehlender objektiver Notwendig -
keit nicht bereit, die Zufuhr des Arznei -
mittels zu unterbrechen. Derartige Ab -
hängigkeit wird besonders häufig bei

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


18 Nebenwirkungen

Formen der
Nebenwirkungen
 Nebenwirkungen können mit der
therapeutisch erwünschten Wirkung
verknüpft sein: z.B. Blutungen unter
Antikoagulantien
 Nebenwirkungen können unabhän-
gig von der erwünschten Wirkung
auftreten: z.B. Leberschaden mit
Paracetamol 1
 Nebenwirkungen können bei
normaler Dosierung auftreten:
z.B. Agranulozytose mit Metamizol2
 Nebenwirkungen können unabhän-
gig von der Hauptwirkung sein,
z.B. atropinartige Nebenwirkungen
mit Antidepressiva, Nierenschäden
mit NSAR, Thrombophlebitis mit
Piritramid3. Auch immunologische
Reaktionen sind unabhängig von
der Hauptwirkung

1 A: Mexalen; CH: Panadol; D: Benuron


2 A, CH, D: Novalgin
3 A: Dipidolor; CH: –; D: Dipidolor

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Arzneimittelwechselwirkungen 19

ARZNEIMITTEL-
WECHSELWIRKUNGEN
Es gibt sehr viele und verschiedene Arzneimittelwechselwirkungen.
Wichtigste Regel: Im Zweifelsfall nachschlagen.

Wechselwirkungen können nicht nur den. Besondere Vorsicht ist geboten bei
zwischen mehreren Arzneimitteln, son- Arzneimitteln mit steilen Dosiswirkungs-
dern auch zwischen Arzneimitteln und kurven, bei denen eine geringfügige Kon-
Nahrungsbestandteilen (z.B. Grapefruit- zentrationsänderung bereits zu drasti-
saft, Alkohol) oder mit freiverkäuflichen schen Wirkungsänderungen führen kann
pflanzlichen Mitteln (Johanniskraut) auf- und bei Arzneimitteln mit geringer the-
treten. Die Verabreichung des Arznei - rapeutischer Breite, bei denen eine
mittels A kann die Wirkung des Arznei- geringfügige Konzentrationser höhung
mittels B auf zwei Arten beeinflussen: bereits dramatische Nebenwir kungen
nach sich ziehen kann.
 Arzneimittel A beeinflusst den
pharmakologischen Effekt von Viele Patienten, vor allem die älteren,
Arzneimittel B ohne dessen Konzen- leiden an vielen Krankheiten gleichzei-
tration im Gewebe zu verändern tig und werden daher ständig mit
(pharmakodynamische Interaktion) einem oder mehreren Arzneimitteln
 Arzneimittel A verändert die gegen diese chronischen Erkrankungen
Konzentration von Arzneimittel B gleichzeitig behandelt. Dazu kommt,
am Wirkungsort (pharmakokineti- dass akute Krankheitszustände (z.B.
sche Interaktion) Infektionen oder Myokardinfarkte) mit
weiteren zusätzlichen Arzneimitteln be -
Eine dritte Möglichkeit ist die soge- handelt werden müssen. Wenngleich es
nannte pharmazeutische Interaktion manchmal zwingend ist, mehrere Arznei-
oder Inkompatibilität, eine chemische mittel gleichzeitig zu verabreichen,
Reaktion vor Applikation, beispielsweise muss die daraus folgende Problematik
in einer Infusion. im Auge behalten werden. Mehrere
Die möglichen Wechselwirkungen Arzneimittel bedingen:
sind heute unüberschaubar, doch sind  Zunahme der Nebenwirkungen
die Abbauwege bzw. die involvierten  Zunahme der Wechselwirkungen
Enzyme für viele Arzneimittel bekannt  Zunahme funktioneller Störungen
und können deshalb berücksichtigt wer-  Abnahme der Patienten-Compliance

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


20 Arzneimittelwechselwirkungen

Pharmakodynamische Pharmakokinetische
Interaktionen Interaktionen
Pharmakodynamische Wechselwirkun- Alle vier Prozesse, die die pharmako-
gen sind dann zu erwarten, wenn zwei kinetischen Eigenschaften eines Arznei -
oder mehrere Arzneistoffe an einem mittels betreffen, können durch andere
Rezeptor oder Erfolgsorgan synergistisch Arzneimittel beeinflusst werden:
oder antagonistisch wirken. Solche
Situationen lassen sich am Besten an  Resorption
Beispielen plausibel erklären:  Verteilung
 Metabolismus
 Betablocker antagonisieren den
 Ausscheidung
bronchienerweiternden Effekt von
Betasympathomimetika. Betablocker
verstärken die blutdrucksenkende Wechselwirkungen
Wirkung von Nitraten durch bei der Resorption
Hemmung einer Reflextachykardie Die Resorption von Arzneistoffen wird
 Betablocker plus Kalziumantago- verhindert durch Substanzen die die
nisten führen zu Bradykardie bzw. Magenentleerung hemmen wie Atropin
zu einem AV-Block oder Opiate und wird gesteigert durch
 Herzglykoside werden durch solche, die die Magenentleerung för-
Saluretika in ihrer Wirkung verstärkt dern, wie z.B. Metoclopramid.
(Hypokaliämie)
 Cumarin (Phenprocoumon), ein Eine Erhöhung des pH-Wertes im Ma-
Blutgerinnungshemmer, kann mit gen durch H2-Rezeptor-Antagonisten (Ra-
Acetylsalicylsäure (ein Plättchen- nitidin 1) oder Protonenpumpenhemmer
aggregrationhemmer) zu schweren (Omeprazol 2, Pantoprazol 3) kann zu ei-
Blutungen führen ner Veränderung der Resorption ande-
 NSAR plus ACE-Inhibitoren führen rer Arzneimittel führen.
über Hyperkaliämie zu einer Ein- Die Salze zwei- oder dreiwertiger Me-
schränkung der Nierenfunktion talle können mit anderen Arzneimitteln
 Patienten, die mit ACE-Hemmern schlecht resorbierbare Komplexe bilden.
und Diuretika wegen Hochdruck Eine positive Wechselwirkung wäre die
und Herzinsuffizienz gut eingestellt Verhinderung der Resorption eines
sind, können nach NSAR aufgrund Lokalanästhetikums aus dem relevanten
der Einschränkung der Nierentätig- Gewebsgebiet durch Gefäßverengung
keit durch diese Arzneimittel kardial mittels Adrenalin-Zusatz.
dekompensieren
 Opiate plus Benzodiazepine können Wechselwirkungen
in Kombination zu schwerer Atem-
depression führen
bei der Verteilung
 SSRI hemmen die Thrombozyten- Wechselwirkungen bei der Verteilung
aggregation und steigern in Gegen- treten hauptsächlich auf der Ebene der
wart von NSAR oder anderen Plasmaproteinbindung auf. Arzneimittel
Thrombozytenaggregations- können sich gegenseitig aus dieser
hemmern die Blutungsneigung. Bindung verdrängen und so den Blut -
1 A: Zantac; CH, D: Zantic
2 A: Losec; CH: Omed; D: Omep E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
3 A: Pantoloc; CH: Zurcal; D: Pantozol
Arzneimittelwechselwirkungen 21

spiegel an freien Arzneistoffen des ver- Losartan, Midazolam und vieler anderer
drängten Arzneimittels erhöhen. Diese Arzneimittel.
Wechselwirkungen sind praktisch nicht Die Folgen können unter Umständen
besonders relevant, da sich letztlich
dramatisch sein, wenn wichtige Arznei -
bald wieder ein Gleichgewicht einstellt.
mittel wie Antiepileptika (Phenytoin),
intraoperative Sedierungsmittel (Mida -
Wechselwirkungen beim zolam) oder Narkotika (wie Enfluran)
Arzneimittelmetabolismus nicht wirksam sind. Auch der beschleu-
Die Bedeutung derartiger Wechsel- nigte Abbau von Paracetamol zum
wirkungen haben in der letzten Zeit hepatotoxischen Metaboliten N-Acetyl-
durch genaue Kenntnisse der am p-Benzochinonimin durch Alkohol kann
Arzneimittelabbau beteiligten Leber - eine schwere Ver giftung zur Folge
enzyme, besonders der großen Familie haben.
der Cytochrom P450-Isoenzyme, extrem Beispiele für Arzneimittel, die meta-
zugenommen. Zwei Prozesse spielen in bolisierende Enzyme hemmen sind:
diesem Zusammenhang eine bedeuten-
de Rolle: Arzneimittel können die In -  Allopurinol
duktion von Leberenzymen bewirken  Cimetidin
und in der Folge den Abbau der von  Ciprofloxacin
diesen Leberenzymen vornehmlich ab -  Erythromycin
gebauten Arzneimittel verstärken. Die  Glucocorticoide
Folge ist eine Abnahme der Konzen -  Omeprazol und v.a.
tration am Wirkungsort (Abbildung 6). Die Folge sind erhöhte Blutspiegel von
Die zweite Möglichkeit ist eine Hem - Substanzen wie Theophyllin, tricycli-
mung der abbauenden Enzyme, was in schen Antidepressiva, Antiepileptika, se -
der Regel zu einer Erhöhung der Kon - lektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibi-
zentration des Arzneistoffs am Wirkungs- toren (SSRI) und v.a. mehr.
ort nach sich zieht.
Beispiele für Arzneimittel, die
die Aktivität von Leberenzymen
induzieren, sind:
 Barbiturate
 Phenytoin
 Rifampicin
 Carbamazepin
 Griseofulvin
 Johanniskraut
 Omeprazol
 (sowie Alkohol und Rauchen)
In der Folge kommt es zu einer Wir-
kungsabschwächung von oralen Anti -
konzeptiva, Glucocorticoiden, Cyclospo-
rinen, Theophyllin, Digoxin, Diclofenac, Abb. 6: Einfluss eines zweiten Arzneimittels

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


22 Arzneimittelwechselwirkungen

Wechselwirkungen bei den Darm ausgeschieden und seine


der renalen Elimination Bioverfügbarkeit dadurch reduziert.
Diese zwei Beispiele sollen darlegen,
Bei einer Veränderung der Nieren- dass Arzneimittelinteraktionen auch auf
leistung im Alter respektive durch dem Gebiet des Mem brantransports
Arzneimittel wird die Ausscheidung stattfinden können und diese Möglich -
zahlreicher Arzneimittel beeinflusst. So keit zunehmend Beachtung erfordert.
muss z.B. bei zunehmender Nieren - Es wurden über 200 verschiedene ABC-
insuffizienz das über die Niere ausge- Transporter identifiziert und die unter-
schiedene Digoxin durch Digitoxin er - schiedliche Ausstattung des Einzelnen
setzt werden, um Vergiftungen zu ver - kann die Ursache schwerer Neben -
meiden. Furosemid und Thiaziddiureti- wirkungen sein (z.B. bei den Statinen).
ka erhöhen die Reabsorption von
Lithium, sodass mit einem Anstieg des
Lithium-Plasmaspiegels zu rechnen ist.
Nicht-steroidale Antiphlogistika wie
Praktische
Diclofenac oder Indomethacin führen Schlussfolgerungen
ebenfalls zu einer Abnahme der renalen
Clearance von Lithium und zu einem Ältere Patienten können aufgrund
Anstieg der Plasmakonzentration. NSAR ihrer Multimorbidität den Arzt zu einer
vermindern auch die renale Clearance Polypragmasie (Gabe vieler Arzneimittel
von Methotrexat und hemmen die ent- für einen Patienten) mit kaum vorher-
wässernde Wirkung von Diuretika, um sagbaren Interaktionen veranlassen.
nur einige Beispiele zu nennen. Wege aus dem Dilemma sind:
 Ein genaues schriftliches Therapie-
Wechselwirkungen beim schema auch bei mehreren behan-
Arzneimitteltransport delnden Ärzten
In den Zellmembranen wurden Pro-  Laufende Überprüfung, ob die eine
teine identifiziert, die Arzneistoffe nicht oder andere Therapie nicht unter-
metabolisieren, aber transportieren. brochen oder abgesetzt werden
Diese Proteine, sogenannte ABC-Trans - könnte
porter (ABC: ATP-Binding-Cassette), der  Erfragen und Auflistung zusätzlicher
bekannteste Vertreter davon ist das P- Selbstmedikationen
Glykoprotein, lassen sich ähnlich wie  Arzneimittel die zur Kupierung von
das Cytochrom P450-System hemmen Nebenwirkungen verwendet werden,
oder induzieren. Wird z.B. in der Blut- auf ein Minimum reduzieren
Hirn-Schranke das P-Glykoprotein durch  Funktionskontrollen wie Gangana-
Chinidin gehemmt, wird Loperamid, lyse und Mobilitätsscreening und
ohne dass sein Blutspiegel steigt, ver- Beachtung kognitiver Störungen
mehrt ins ZNS eingeschleust und es Oft kann es durchaus besser sein, zu-
kann zu schwerer Atemdepression kom- gunsten einer verbesserten Lebensquali-
men. Wird durch Rifampicin das P- tät auf die eine oder andere „Evidenced
Glykoprotein in der Darmschleimhaut based medicine“-Therapie zu verzich-
induziert, wird Digoxin vermehrt über ten.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Pharmakologische Wirkungen für den Einzelnen 23

PHARMAKOLOGISCHE
WIRKUNGEN FÜR
DEN EINZELNEN
Arzneimittel werden verabreicht, um ternd: So muss man beispielsweise 33
Krankheiten zu lindern, zu heilen oder PatientInnen 5 Jahre lang täglich mit
zu verhüten. Der Wunsch nach Wirkung einem modernen Statin behandeln, um
eines Arzneimittels veranlasst den Arzt einen tödlichen oder nicht-tödlichen Herz-
zur Verordnung und den Patienten zur infarkt zu verhindern. Es gibt noch eine
vorschriftsmäßigen Einnahme. An die- zweite Zahl, die hier betrachtet werden
ser Stelle taucht bereits die erste Hürde muss, das ist die „number needed to
auf. Laut WHO sinkt die Compliance der harm“ (NNH). NNH sagt aus, wie viele
Arzneimitteleinnahme ab drei Arznei- Patienten behandelt werden müssen,
mitteln pro Patient rapide ab. Nicht ein- um bei einem eine schwere Nebenwir-
genommene Arzneimittel verursachen kung zu erzeugen. Auch diese Zahlen
zwar Kosten, haben aber keine Wirkung wird der Patient nicht von seinem Arzt
und natürlich keine Nebenwirkungen. erfahren. Einfaches Beispiel Aspirin: Die
Wird ein Arzneimittel verordnet und ein- NNT, um bei sonst gesunden Menschen
genommen, erwartet der Patient also ein thromboembolisches Ereignis zu
eine Wirkung. Kein Arzt wird ihn auf- verhindern liegt bei etwa 2.000. Die
klären über die statistische Wahrschein - NNH einer schweren gastrointestinalen
lichkeit, mit der eine Wirkung zu erwar- Blutung liegt bei 100. Das Ergebnis
ten ist. Wir kennen den Begriff „num- muss so interpretiert werden, dass nur
ber needed to treat“ (NNT). Die Zahl bei Risikopatienten die prophylaktische
sagt aus, wie viele Patienten mit einem Einnahme von Aspirin gerechtfertigt ist.
Arzneimittel (z.B. ein Jahr lang) behan- Die Praxis zeigt das Gegenteil.
delt werden müssen, um bei einem eine Ein weiteres Phänomen macht die phar-
Wirkung zu erzeugen. Die Ergebnisse in makologische Wirksamkeit noch undurch-
diesem Zusammenhang sind ernüch- sichtiger: Der Placeboeffekt.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


24 Der Placeboeffekt

DER PLACEBOEFFEKT
In einer jüngsten Studie wurde ge- muss dann nicht angestellt werden, wenn
zeigt, dass die Placeboheilungsrate in der Arzt es versteht, den Patienten gut
einem Kollektiv von Migränepatienten zu be treuen und ihm glaubhaft zu
30% beträgt. Bei 43% hatte Aspirin machen, dass mit dem Arzneimittel
eine Wirkung, bei 43% ein neues Trip - seine Beschwer den gelindert werden
tan. Zieht man die Placebo-Wirkung können. Macht er das aus irgendwel-
von der Aspirin- bzw. Triptan-Wirkung chen Gründen nicht, verzichtet er zu -
ab, bleibt für jede der beiden Substan- mindest teilweise auf den Placeboanteil
zen eine pharmakologische Wirkungs - des Arzneimittels. Die Wahrscheinlich-
wahrscheinlichkeit von 13%. Die Place - keit einer Wirkung sinkt. Eine pharma-
bowirkung stellt demnach einen ge - kologische Wirkung für den Einzelnen
wichtigen Anteil vieler Arzneimittelwir- ist also nicht vorhersehbar. Die Chance
kungen dar. einer pharmakologischen Wirkung beim
Nach neuesten Untersuchungen bewirkt Einzelnen lässt sich aber durch intensi-
ein Placebo bis jetzt noch unbekannte ve medizinische Betreuung, Zuwendung
aber nachweisbare biologische Verän - und Motivation über Ausnutzung des
derungen. Die oben angeführte Rechnung Placeboanteils verbessern.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Arzneiformen 25

ARZNEIFORMEN
Die Aufgabe der pharmazeutischen Die meisten Arzneiformen sind für
Technologie (Galenik) ist es, wirksame verschiedene Applikationsarten geeig-
Substanzen so zu Arzneiformen zu verar- net. Die Tabelle 1 zeigt die wichtigsten
beiten, dass sie dem Organismus zuge- Arzneiformen und ihre Hauptanwen -
führt werden können und in geeigneten dungen.
Konzentrationen den Wirkort erreichen.

Tab. 1: Arzneiformen und ihre Anwendung


I. Flüssige Arzneiformen
Lösungen peroral, äußerlich
Emulsionen peroral, äußerlich
Suspensionen peroral, äußerlich
Sirupe peroral, äußerlich
Wässrige Pflanzenextrakte peroral, äußerlich
Tinkturen peroral, äußerlich
II. Feste Arzneiformen
Pulver peroral
Puder äußerlich
Granulate peroral
Tabletten peroral, akute Therapie
Dragees peroral, chronische Therapie
Filmtabletten peroral, akute oder chronische Therapie
Kapseln peroral, akute oder chronische Therapie
III. Halbfeste Arzneiformen
Salben äußerlich, lokale Wirkung
Pasten äußerlich, lokale Wirkung
Suppositorien rektal, lokale oder systemische Wirkung
Globuli vaginal, lokale Wirkung
IV. Spezielle Arzneiformen
Augenarzneien (Ophthalmika) lokale Wirkung
Parenteralia (Ampullen) i.v., s.c. u.a.
Aerosole, Sprays Inhalation, lokale Wirkung
Retard-Formen peroral, chronische Therapie
Therapeutische Systeme (Pflaster) durch die Haut, chronische Therapie

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


26 Arzneiformen

Flüssige Arzneiformen Emulsionen können peroral oder


äußerlich Anwendung finden. Ölige
Lösungen (Solutiones) Flüssigkeiten lassen sich leichter in Form
Lösungen sind Zubereitungen, die einer Öl-in-Wasser Emulsion verabrei-
einen oder mehrere Arzneistoffe in chen, lokal reizende wässrige Flüssig -
Wasser, Ethylalkohol, fettem Öl oder keiten werden besser in Form einer
einem anderen geeigneten Lösungs - Wasser-in-Öl Emulsion verabfolgt. Zur
mittel gelöst enthalten. Verwendet wer- äußerlichen Anwendung sind beide
den Lösungen Emulsionstypen gebräuchlich.
 zur äußerlichen Anwendung auf
Suspensionen
Haut oder Schleimhaut
 zur innerlichen Anwendung (Suspensiones)
(peroral, parenteral) Suspensionen sind mehrphasige Syste-
 zur Weiterverarbeitung zu anderen me, deren innere Phase aus Feststoff -
Arzneizubereitungen. partikeln, und deren äußere Phase aus
Die Bereitung von Lösungen erfolgt einer Flüssigkeit besteht. Der Feststoff -
meist auf der Waage, d.h. die Einzel - anteil liegt zwischen 0,5% und 40%.
bestandteile werden nach ihrem Ge - Die Stabilität von Suspensionen wird
wicht zugefügt. Verordnet werden Lö - verbessert durch Zugabe von Emulga-
sungen zur peroralen Applikation trop- toren bzw. von Stoffen, die die Viskosi -
fenweise bzw. löffelweise oder mittels tät erhöhen und dadurch die Ent -
Dosiergefäß. mischung verlangsamen. Die innerliche
Anwendung von Suspensionen dient
Zur besseren Haltbarkeit von Lösun-
der Applikation großer Mengen unlösli-
gen sind Zusätze von Antioxidantien,
cher Feststoffe (z.B. Tierkohle). Äußer-
Konservierungsmitteln und die Aufbe -
lich anzuwendende Suspensionen wer-
wahrung in dunklen Flaschen üblich.
den auch als Schüttelmixturen (Mixtura
agitanda) bezeichnet.
Emulsionen (Emulsiones)
Emulsionen sind disperse oder Mehr- Sirupe (Sirupi)
phasen-Systeme, die aus zwei nicht
Sirupe sind wässrige, dickflüssige Arz-
oder nur begrenzt mischbaren Flüssig -
neizubereitungen, die Rohrzucker
keiten bestehen. Grundsätzlich unter-
scheidet man die zwei Typen (Saccharose) in hoher Konzentration
(50-64%) enthalten, und zur peroralen
 Öl-in-Wasser (äußere Phase ist Verwendung bestimmt sind. Als Kon -
Wasser, Beispiel Milch) und servierungsmittel sind Benzoesäureester
 Wasser-in-Öl (äußere Phase ist Öl vorgeschrieben. Sirupe können reine
bzw. Fett, Beispiel Butter) Arzneistoffe oder Drogenauszüge ent-
Da zwischen Wasser und Fett eine halten. Als Fruchtsirupe bezeichnet man
hohe Grenzflächenspannung besteht, solche, die aus Presssäften hergestellt
werden Emulgatoren zugesetzt, die die worden sind. Diese dienen meist der
Grenzflächenspannung vermindern, die Geschmacksverbesserung. Sirupe fin-
Herstellung erleichtern und die Ent - den besonders in der Kinderheilkunde
mischung verlangsamen. Anwendung.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Arzneiformen 27

Teegemische – dem Wirkstoff allein das entsprechende


Drogenausszüge (Species) Gewicht nicht erreicht, werden Füll -
stoffe (Milchzucker, Stärke) zugesetzt.
Teegemische (Species) sind Gemenge
von zerkleinerten oder unzerkleinerten Puder (Pulveres adspergendi)
Pflanzenteilen. Je nach der Beschaffen -
heit der Droge und der Art der In- Puder sind nicht abgeteilte Pulver
zum äußerlichen Gebrauch. Sie sind
haltsstoffe werden Auszüge auf ver-
Arzneizubereitungen aus einem oder
schiedene Art gewonnen:
mehreren Arzneistoffen und entspre-
Wässrige Drogenauszüge chendenden Hilfsstoffen zur Anwen -
 Mazerate: die Droge wird mit dung auf der Haut, der Schleimhaut
Wasser bei Raumtemperatur oder auf verletztem Gewebe. Puder sol-
extrahiert len entweder kühlen, trocknen, adsor-
 Infuse: die Droge wird mit heißem bieren, gleitfähig machen oder be -
Wasser übergossen und nach stimmte Arzneistoffe lokal zur Wirkung
kurzem Stehen abgeseiht bringen (z.B. Antibiotika).
 Dekokte: die Droge wird mit
kaltem Wasser übergossen, zum Granulate
Kochen erhitzt und nach bestimm- (Pulveres granulate)
ter Zeit abgetrennt Granulate sind grobkörnige Aggregate
Alkoholische Drogenauszüge von Pulvern und dienen zur peroralen
Verabreichung von großen Pulvermengen
 Tinkturen: die Droge wird mit
(z.B. Kohlegranulat). Wie Pulver haben
Ethanol verschiedener Konzentra-
Granulate als eigene Arzneiform nur eine
tionen extrahiert (z.B. Baldrian-
geringe Bedeutung. Im Vordergrund
tinktur).
steht ihre Verwendung als Zwischen-
Zahlreiche Teegemische (Gallentee, produkt bei der Herstellung von Ta-
Nerventee, Hustentee) sind als Fertig - bletten oder zur Füllung von Kapseln.
arzneimittel auf dem Markt, die ange-
gebenen Indikationen sind jedoch häu- Tabletten (Compressi)
fig fragwürdig. Andererseits können
Tabletten sind feste, einzeln dosierte
Tees sehr wirksame Substanzen mit
Arzneiformen, die aus gepulverten oder
allen ihren Nachteilen enthalten (z.B.
granulierten Arzneistoffen unter Zusatz
anthrachinonhältige Abführtees).
von Hilfsstoffen durch Pressen herge-
stellt werden. Tabletten können sehr
verschieden geformt sein, und einfache
Feste Arzneiformen oder kreuzförmige Bruchrillen aufwei-
sen. Je nach Verwendung werden bei
Pulver (Pulveres) der Herstellung verschiedene Hilfsstoffe
Pulver sind Arzneistoffe oder Arznei - zugesetzt. Der rasche Zerfall im Magen-
zubereitungen zum inneren (peroralen) Darm-Trakt wird durch Zusatz von
oder äußeren Gebrauch, die unge- „Sprengmitteln“ gewährleistet. Solche
mischt (einfache Pulver) oder gemischt Tabletten dienen der akuten Therapie.
(gemischte Pulver) vorliegen. Wird mit Bei Lutschtabletten oder Kautabletten

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


28 Arzneiformen

werden Zerfallsverzögerer eingesetzt. Kapseln (Capsulae)


Bei Brausetabletten werden CO 2-Ent-
Kapseln sind feste Arzneizubereitun-
wickler wie Natriumhydrogenkarbonat
gen, deren Wirkstoffe in eine elastische
mit organischen Säuren zugesetzt. Aus
Hülle eingeschlossen sind. Als Hüllma-
solchen Lösungen wird der Wirkstoff
terial dienen Weichgelatine oder Hart -
besonders rasch aufgenommen.
gelatine.

Dragees Vorteile der Gelatinekapseln:


(Compressi obducti)  Geschmacksneutralität
 Genaue Dosierung
Dragees sind mit mehreren (bis zu 30)
 Optimale Wirkstofffreigabe
Schichten überzogene Tabletten, die un-
 Schonende Verarbeitung proble-
zerteilt einzunehmen sind. Zur Her -
matischer Arzneistoffe
stellung werden die Drageekerne (klei-  Mögliche Verwendung magensaft-
ne Tabletten) in den rotierenden Dra - resistenter Oberfläche
gierkessel eingebracht und in aufei -
nanderfolgenden Arbeitsgängen Zucker- Mikrokapseln sind fein zerteilte, flüssi-
schichten, Glättemittel, Farben und ge oder feste Arzneistoffe mit einem Man-
Poliermittel flüssig auf die Kerne aufge- tel aus Gelatine, die zur Weiterverar-
bracht. beitung zu anderen Arzneiformen dienen
können. Bei entsprechender Auswahl des
Vorteile der Dragees Hüllmaterials können mit dieser Methode
gegenüber der Tablette: Retardformen hergestellt werden.
 Ästhetisches Aussehen (Farbe)
 Leichte Einnahme (glatte Oberfläche)
 Hohe mechanische Festigkeit
 Genaue Dosierung
Halbfeste Arzneiformen
 Möglichkeit der gesteuerten Salben (Unguenta)
Wirkstoff-Freigabe
 Mögliche Verwendung magensaft- Salben sind zum äußerlichen Ge -
resistenter Überzüge brauch bestimmte Arzneizuberei tun -
gen, die bei Zimmertemperatur eine
Nachteile der Dragees: streichbare Konsistenz besitzen. Sie die-
 Langsamerer Zerfall nach peroraler nen zum Schutz der Haut oder zur
Einnahme Applikation von Arzneistoffen auf Haut
 Teurere Herstellung und Schleimhäute.
Eine Sonderform des Dragees ist die
Filmtablette – eine Tablette, die mit nur Hydrophobe Salben
einem, relativ dünnen, Film überzogen Hydrophobe (lipophile) Salben kön-
ist. Diese Schicht aus verschiedenen nen nur kleine Mengen Wasser aufneh-
makromolekularen Verbindungen ver- men. Typische hydrophobe Salbengrund-
mittelt alle Vorteile eines Dragees und lagen sind Vaseline, Paraffin, flüssiges
gewährleistet eine rasche Wirkstoff - Paraffin, pflanzliche Öle oder tierische
freisetzung wie bei Tabletten. Fette, synthetische Fette, Wachse und
flüssige Polyalkylsiloxane. Diese Salben
decken die Haut feuchtigkeitsundurch-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Arzneiformen 29

lässig ab, bewirken eine Mazeration des Belieben lipophile bzw. hydrophile
Stratum corneum und ermöglichen da - Arzneistoffe gut verarbeiten lassen.
durch eine Penetration von Arznei -
stoffen auch in tiefere Hautschichten. Cremes
Eine Anwendung dieser Salben ist im
chronischen Stadium von Dermatosen Cremes sind mehrphasige Zubereitun-
angezeigt. gen, die aus einer lipophilen und einer
wässrigen Phase bestehen. Sowohl
Wasseraufnehmende Salben Wasser-in-Öl als auch Öl-in-Wasser-
Emulsionen werden als Cremes bezeich-
Diese Salben können größere Mengen net. Wasser-in-Öl-Cremes haben ähnli-
Wasser unter Emulsionsbildung aufneh- che Eigenschaften wie hydrophobe
men. Ihre Grundlagen sind diejenigen Salben, Öl-in-Wasser-Cremes weisen
der hydrophoben Salben, in welche eine kühlende Wirkung auf und sind
Wasser-in-Öl-Emulgatoren, wie Woll - gut abwaschbar.
wachs, Wollwachsalkohole, Monoglyce -
ride u.a. eingearbeitet werden. Der An-
Gele
wendungsbereich entspricht dem der
hydrophoben Salben. Gele bestehen aus gelierten Flüssig-
keiten, die mit Hilfe geeigneter Quell-
Hydrophile Salben mittel hergestellt werden. Hydropho-
be Gele sind Zubereitungen aus flüssi-
Hydrophile Salben sind Zubereitun-
gem Paraffin und Polyethylen. Hydro -
gen, deren Grundlagen mit Wasser
phile Gele sind Zubereitungen aus
mischbar sind. Diese Salbengrundlagen
Wasser, Glycerol oder Propylenglykol, die
bestehen üblicherweise aus einem
mit geeigneten Quellstoffen geliert
Gemisch von flüssigen und festen Poly -
werden (Traganth u.a.). Hydrophobe
ethylenglykolen. Diese Salben sind nicht
fettend und leicht von der Haut ab - Gele werden wie hydrophobe Salben
waschbar. Die entquellenden Eigen - eingesetzt, hydrophile Gele sind fett-
schaften sowie die gute Freisetzung für freie, abwaschbare Grundlagen, die
inkorporierte Wirkstoffe bedingen ihre durch Verdunstung von Wasser kühlend
Anwendung für antimykotische und wirken.
antiseptische Dermatika.
Pasten
Amphiphile Salben Pasten sind Salben mit einem großen
Durch Zugabe sogenannter Komplex- Anteil an feindispergiertem Pulver. In
emulgatoren erreicht man gleicher- der Regel beträgt dieser Anteil etwa 30-
maßen hydrophile und lipophile Eigen - 50%. Harte Pasten (hoher Feststoffge -
schaften einer Salbengrundlage. Durch halt) wirken austrocknend, sekretbin-
Zugabe von Fett lässt sich eine Wasser- dend und abdeckend, und eignen sich
in-Öl-Emulsion, durch Zugabe von vorzugsweise zur Behandlung fetter
Wasser eine Öl-in-Wasser-Emulsion her- Haut. Weiche Pasten wirken fettend
stellen. Diese Grundlagen (z.B. Ultrabas) und abdeckend, und eignen sich beson-
sind universell verwendbar, da sich nach ders für trockene Haut.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


30 Arzneiformen

Zäpfchen (Suppositorien) und hinreichende Stabilität verlangt.


Wässrige Augentropfen sollen mit der
Zäpfchen sind einzeldosierte Arznei-
Tränenflüssigkeit isotonisch sein, einen
zubereitungen zur rektalen Anwen -
pH-Wert zwischen 5,0 und 8,5 aufwei-
dung. Sie haben eine längliche, zuge-
sen sowie keine partikulären Verun -
spitzte Form und wiegen meist 1-3g.
reinigungen enthalten. Augentropfen
Sie dienen zur lokalen Behandlung der
werden in Tropffläschchen (oft aus Kunst-
Schleimhäute des Rektums, oder zur
stoff), Augensalben in kleinen Tuben
rektalen Absorption von Arzneistoffen.
abgegeben. Sichere Keimfreiheit ist nur
Als Suppositorienmassen werden Ka - mit Einzeldosis-Behältnissen (Kapseln,
kaobutter, gehärtete Fette, Glycerol- Kunststoff ampullen) zu erreichen. Die
Gelatine-Massen, Glycerol-Seifen-Gele Zugabe von Konservierungsmitteln (z.B.
und Polyethylenglykole verwendet. Die Benzalkoniumchlorid) ist üblich.
fetten Grundlagen schmelzen bei Kör -
pertemperatur und sind besonders für Parenteralia
die lokale Behandlung der Rektum -
schleimhaut geeignet. Die wasserlösli- Parenteralia sind sterile Zubereitun-
chen Zäpfchengrundlagen eignen sich gen, die zur Injektion oder Implantation
zur Applikation systemisch wirkender in den menschlichen Körper bestimmt
Arzneistoffe. Hergestellt werden Zäpf - sind. Injektionen sind Zubereitungen
chen durch Gießen oder Pressen mittels zur Applikation kleiner Volumina als
geeigneter Formen. Lösung, Suspension oder Emulsion. Bei
Infusionen werden Volumina, die grö -
Globuli ßer als 100 ml sind, infundiert. Lösun-
gen zur intravenösen Injektion oder In -
Globuli (vaginalis) sind einzeln dosier- fusion sollen Blut-isoton sein, einen
te Arzneizubereitungen zur vaginalen physiologischen pH-Wert aufweisen
Anwendung. Sie sind meist kugelförmig und keine Pyrogene oder partikuläre
und bestehen aus den gleichen Grund - Verunreinigungen enthalten. Abgege -
lagen wie die Zäpfchen. Sie dienen ben werden Injektionslösungen in Am -
hauptsächlich zur lokalen Behandlung. pullen oder Durchstichflaschen, Infu -
sionslösungen in Glas- oder Kunst -
stoffbehältern.
Spezielle Arzneiformen
Sprays, Aerosole
Augenarzneien Sprays (Staub- und Nebelaerosole)
(Ophthalmika) dienen zur lokalen Behandlung auf
Die zur Anwendung am Auge be- Haut- und Schleimhaut und eignen sich
stimmten Arzneistoffe werden meist besonders zur Applikation von Flüssig -
lokal appliziert. Die wichtigsten Dar - keiten (Nebel) bzw. Pulvern (Stäuben) in
reichungsformen sind Augentropfen den Respirationstrakt. In Abhängigkeit
und Augensalben. Wegen der großen von der Partikelgröße kann man obere
Empfindlichkeit des Auges werden von oder tiefere Atemwege erreichen. Sprays
diesen Arzneiformen besondere Verträg- werden aus geeigneten Druckbehältern
lichkeit und Reizlosigkeit, Keimfreiheit appliziert. Spezielle Vorrichtungen er -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Arzneiformen 31

lauben das Einatmen von Pulvern aus Transdermale


Kapseln. therapeutische Systeme (TTS)
Retard-Formen Transdermale therapeutische Systeme
sind Pflaster, die, auf die Haut aufge-
Retard-Arzneiformen geben den bracht, den Arzneistoff langsam abge-
Arzneistoff mit dem Ziel einer verlän- ben, welcher durch die Haut diffundiert
gerten therapeutischen Wirkung über und so über lange Zeit zu einem wirk-
einen längeren Zeitraum ab und verrin- samen Blutspiegel führt. Wichtig für die
gern dadurch die Einnahmefrequenz. Anwendung ist die Information, ob ein
Als perorale Retard-Arzneiformen wer- Pflaster teilbar ist (Matrix-Pflaster) oder
den verwendet: nicht (Reservoir-System).
 Retard-Kapseln, die den Arzneistoff
aus verschiedenen Mikrokapseln Transvaginale Systeme
unterschiedlich schnell freigeben Ein transvaginales System ist ein ela-
 Retard-Tabletten, die aus einer stischer Ring, der empfängnisverhüten-
unverdaulichen Matrix (schwamm- de Hormone freisetzt. Er wird durch die
artiges Gerüst) bestehen, die den Vagina vor den Uterus geschoben und
Arzneistoff verzögert freigibt, oder dort für drei Wochen belassen. Für die
die aus verschiedenen Granulaten letzte Woche des Zyklus wird der Ring
gepresst sind, deren Zerfall nach entfernt.
verschiedenen Zeiten eintritt
Als parenterale Retard-Arzneiformen Implantate
werden verwendet:
Empfängnisverhütende Hormone kön-
 Wässrige Kristallsuspensionen nen auch mittels kleiner, zündholzähnli-
 Makromoleküle cher Stäbchen unter die Haut implan-
 Ölige Injektionssuspensionen tiert werden und sorgen für drei Jahre
 Implantate (Tabletten) für Empfängnisverhütung.
Intrauterinsysteme, die sogenannte
Hormonspirale, werden in den Uterus
implantiert und sorgen durch Freisetzung
empfängnisverhütender Hormone über
5 Jahre für sichere Kontrazeption.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


33

SPEZIELLER TEIL
Das vegetative Nervensystem

Histamin, Serotonin und Eicosanoide

Blut
Blutstillung und Thrombose
Anämien

Bluthochdruck

Durchblutungsstörungen

Herzinsuffizienz

Koronare Herzkrankheit

Herzrhythmusstörungen

Atemwege
Asthma Bronchiale
COPD
Husten

Verdauungstrakt
Säurebedingte Erkrankungen
Funktionelle Erkrankungen

Niere

Stoffwechselerkrankungen
Diabetes
Fettstoffwechselstörungen
Gicht

Psychopharmaka
Neuroleptika
Antidepressiva
Tranquillantien und Schlafmittel
Psychostimulantien

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


34

Analgetika
Nicht-Opioid Analgetika
Mittelstarke Opioide
Starke Opioide
Sehr starke Opioide
Starke Opioide: Agonist-Antagonisten
Opioid-Antagonisten
Cannabinoide
Andere Analgetika
Antirheumatika

Lokalanaesthetika

Narkosemittel
Injektionsnarkotika
Inhalationsnarkotika
Opioide

Muskelrelaxantien

Antiparkinson-Mittel

Antiepileptika

Hormonelles System
Schilddrüse
Nebenschilddrüse
Nebennierenrindenhormone
Sexualhormone

Antiinfektive Arzneimittel
Antibiotika
Antivirale Arzneimittel
Antimykotika
Wurmmittel
Malaria

Immunsystem

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Das vegetative Nervensystem 35

DAS VEGETATIVE
NERVENSYSTEM
Tab. 1: Wirkungen von Parasympathikus und Sympathikus
(Auswahl im Hinblick auf wichtige Arzneimittelwirkungen
und Nebenwirkungen)
Organ Parasympathikus Rezeptor Sympathikus Rezeptor
Herz hemmt1 M2 steigert2 β1
Herzqualitäten Herzqualitäten
Bronchien verengt3 M3 erweitert4 β2
Blutgefäße erweitert M3 verengt5 α1
erweitert β2
Harnblase
Detrusor kontrahiert 6 M3 erschlafft β2
Sphinkter kontrahiert M3 kontrahiert 5 α1
Darm steigert M3 hemmt alle
Motilität Motilität
Speichelsekretion steigert6 M 1, M 3 vermindert α1
Beispiele für Arzneimittelwirkungen bzw. Nebenwirkungen
1 Atropin als Parasympatholytikum bewirkt Tachykardie
2 β-Blocker als Sympatholytika hemmen Herzqualitäten
3 Ipratropium als Parasympatholytikum erweitert Bronchien
4 Salbutamol als Sympathomimetikum erweitert Bronchien
5 α-Blocker (bei Prostatahyperplasie) führt zu Blutdruckabfall und Kopfschmerzen
6 Oxybutinin als Parasympatholytikum führt zu Verbesserung der Harnblasenkapazität
und zu Mundtrockenheit

Das Verständnis der Funktionen des nomes Nervensystem) steuert die


vegetativen Nervensystems ist von außer- Funktion von Organen, von Drüsen und
ordentlicher Wichtigkeit für das Ver - der glatten Muskulatur (z.B. in Blut -
ständnis sowohl vieler Arzneimittelwir- gefäßen). Es besteht aus dem parasym-
kungen, als auch vieler Nebenwirkun- pathischen und dem sympathischen Teil,
gen. die die Organe meist gegensinnig
Das vegetative Nervensystem (auto- beeinflussen. Der Parasympathikus ver-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


36 Das vegetative Nervensystem

langsamt beispielsweise den Herzschlag und Sympathikus mittels Acetylcholin


und verengt die Bronchien, der Sym - auf das 2. Neuron übertragen. Der
pathikus beschleunigt den Herzschlag Rezeptor für Acetylcholin am 2. Neuron
und erweitert die Bronchien. ist in beiden Ästen ein nikotinischer
Rezeptor (siehe Seite 37), Nikotin kann
Die Steuerungs-Signale werden vom also beide Äste des vegetativen Ner -
Zentralnervensystem über das soge- vensystems erregen. Acetylcholin ist im
nannte 1. Neuron (präganglionäres parasympathischen System auch der
Neuron) zu einer Schaltstelle geleitet Überträger zwischen 2. Neuron und
(Ganglion) und bei Parasympathikus Erfolgsorgan. Der Rezeptor am Erfolgs -

Abb. 1

Parasympathomimetika: Sympathomimetika:
Direkte: Acetylcholin Noradrenalin (α1, α2, β1)
Pilocarpin1 Adrenalin 7 (α1, α2, β 1, β 2)
Indirekte: Neostigmin 2 Etilefrin8 (α1, β1)
Physostigmin3 Salbutamol9 (β2 > β1)
Distigmin4
Parasympatholytika: Sympatholytika:
Atropin Prazosin10 (α1)
Ipratropium5 Propranolol 11 (β1, β2)
Trospium6 Metoprolol12 (β1 > β2)
1 A, CH, D: Salagen 7 A, CH: EpiPen; D: Anapen
2 A: Normastigmin; CH: Prostigmin; D: Neostig 8 A, CH, D: Effortil
3 A: Anticholium; CH: –; D: Anticholium 9 A: Sultanol; CH: Ecovent; D: Sultanol
4 A, CH, D: Ubretid 10 A: Minipress; CH: –; D: Prazosin
5 A, CH, D: Atrovent 11 A, CH: Inderal; D: Dociton
6 A: Spasmolyt; CH: Spasmo-Urgenin; D: Spasmex 12 A, CH, D: Beloc

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Das vegetative Nervensystem 37

organ ist ein muskarinischer Rezeptor Magensaftsekretion, Tränenflüssigkeit


(M1-5) (siehe Abb. 1 und Tab. 1). Im etc.), zu Abnahme der Herzqualitäten
sympathischen System ist die Überträ- (M 2-Wirkungen) und zu Tonuserhöhung
gersubstanz zwischen 2. Neuron und der glatten Muskulatur (M3-Wirkungen).
Erfolgsorgan Noradrenalin und der Ferner führt Acetylcholin über NO
Rezeptor am Erfolgsorgan ein adrener- (Stickstoffmonoxyd)-Freisetzung aus dem
ger Rezeptor (α1, α2, β1, β2) (siehe Gefäßendothel zu einer vasodilatatori-
Abb. 1 und Tab. 1). schen Wirkung.

Noradrenalin und Adrenalin


Körpereigene
Noradrenalin wird aus den Speicher-
Überträgersubstanzen granula (Varikositäten) des sympathi-
im vegetativen schen Nervenendes freigesetzt und wirkt
Nervensystem lokal, Adrenalin stammt aus den Neben-
nierenmarkzellen und wirkt systemisch.
Dementsprechend wird Noradrenalin
Acetylcholin als Überträgerstoff und Adrenalin als
Acetylcholin erregt Rezeptoren vom Hormon bezeichnet.
Nikotintyp und vom Muskarintyp. Wirkungsmechanismus: Die adrener-
Der nikotinische Acetylcholinrezep- gen Rezeptoren sind G-Protein gekop-
tor ist ein ligandgesteuerter Ionenkanal pelte Rezeptoren, die je nach Typ unter-
und ist der Rezeptor für die Impulsüber- schiedliche Wirkungen auslösen. Nor -
tragung an den intermediären Ganglien adrenalin stimuliert α 1, α 2 und β1-Re-
des parasympathischen und sympathi- zeptoren während Adrenalin α1, α2, β 1
schen Systems. Einen weiteren nikotini- und β2-Rezeptoren erregt. Die zellu -
schen Acetylcholinrezeptor findet man lären Mechanismen, die von den einzel-
auf der motorischen Endplatte der nen Rezeptoren aktiviert werden, sind
Skelettmuskulatur. Hier bewirkt Acetyl - unterschiedlich.
cholin eine Depolarisation und in der Wirkungen:
Folge eine Muskelkontraktion. • α1 und α2-Rezeptorstimulierung
Der muskarinische Acetylcholinre - führt zur Erregung der glatten
zeptor ist ein G-Protein gekoppelter Re- Muskulatur, in Blutgefäßen zu
zeptor, der an der Impulsübertragung Konstriktion
vom zweiten Neuron auf das Erfolgs - • α 2-Rezeptoren hemmen über prä-
organ im parasympathischen System synaptische Effekte die Noradrena-
beteiligt ist. Man kennt heute fünf ver- linfreisetzung aus den Speicher-
schiedene Muskarinrezeptortypen (M1-5), granula
für die Therapie hat diese Differen - • β1-Rezeptoren stimulieren die Herz-
zierung jedoch keine Bedeutung, da es qualitäten
keine spezifischen Agonisten oder • β2-Rezeptoren führen zu Erschlaffung
Antagonisten für die Subtypen gibt. der glatten Muskulatur in Bronchien
Über Muskarinrezeptoren führt Acetyl - und Uterus
cholin zu Steigerung der Drüsensekre - • (β3-Rezeptoren aktivieren den Fett-
tion (Speicheldrüsen, Schweißdrüsen, stoffwechsel)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


38 Das vegetative Nervensystem

Noradrenalin: Noradrenalin hat nur Pilocarpin


lokale Wirkungen. Die wichtigste davon
Pilocarpin ist das einzige direkte Para-
ist die Konstriktion von Blutgefäßen
sympathomimetikum, das therapeu-
(α 1 ) und die Stimulation der Herz -
tisch verwendet wird und zwar oral zur
qualitäten (β 1).
Anregung der Speichelsekretion1 und in
Adrenalin: Adrenalin wirkt nach sei- Form einer lokalen Verabreichung am
ner Freisetzung systemisch, die Haupt- Auge zur Therapie des Glaukoms 2 .
wirkungen sind Stimulation der Herz - Pilocarpin verengt die Pupille; in Folge
qualitäten (β 1 und β2), Erweiterung der der Er weiterung des Schlemmschen
Bronchien (β 2) und im Stoffwechsel Kanals, also der Abflusswege für das
eine Steigerung des Glykogen- und Kammerwasser, sinkt der Augeninnen-
Fettabbaus (β3). Die Blutgefäße wer- druck.
den durch die konstriktorische Wirkung
Nebenwirkungen: Bei zu hoher Do-
der α1-Rezeptoren und die vasodilatie-
sierung können Bradykardie, Blutdruck-
rende Wirkung der β2-Rezeptoren unter
abfall, Bronchokonstriktion, Erbrechen
Adrenalin uneinheitlich beeinflusst.
und Durchfall auftreten. Mit intravenöser
Injektion von 0,5-1 mg Atropin lassen
Arzneimittel mit sich die Nebenwirkungen beherrschen.

Wirkung auf das vege-


tative Nervensystem Indirekte Para-
Substanzen, die einen muskarinischen sympathomimetika
Rezeptor erregen, heißen Parasympatho-
mimetika, solche die ihn blockieren, Indirekte Parasympathomimetika sind
Parasympatholytika. In Analogie erre- Cholinesterase-Hemmstoffe und ver-
gen Sympathomimetika einen adrener- mindern die Abbaugeschwindigkeit von
gen Rezeptor und von Sympatholytika Acetylcholin.
wird dieser blockiert.
Distigmin3, Neostigmin4,
Physostigmin5 und
Direkte Parasympatho- Pyridostigmin 6
mimetika Diese reversiblen Hemmstoffe der
Acetylcholinesterase werden therapeu-
Parasympathomimetika sind Substan- tisch bei atonischer Obstipation und bei
zen, die den muskarinischen Acetyl - Myasthenia gravis eingesetzt, ferner
cholin-Rezeptor erregen. Muskarinische können sie zur Antagonisierung nicht
Rezeptoren sind G-Protein-gekoppelte depolarisierender Muskelrelaxantien
Rezeptoren. Eine systemische Gabe von vom Typ Tubocurarin verwendet werden.
Acetylcholin würde Bradykardie, Blut - Als Nebenwirkungen sind die Wirkun-
druckabfall, Bronchokonstriktion, Er - gen des nicht abgebauten Acetylcholins
brechen und Durchfall hervorrufen. zu erwarten.

1 A, CH, D: Salagen 6 A, CH, D: Mestinon


2 A: Pilocarpin; CH: Spersacarpine; D: Pilocarpin
3 A, CH, D: Ubretid E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
4 A, CH: Prostigmin; D: Neostig
5 A, CH, D: Anticholium
Das vegetative Nervensystem 39

Antidementiva NMDA-Rezeptoren. Die normale gluta-


materge Neurotransmission soll dabei
Die Demenz ist eine Krankheit des nicht beeinflusst werden.
höheren Lebensalters, deren häufigste Nebenwirkungen: Schwindel, Kopf-
Ursache die Alzheimersche Krankheit ist. schmerzen, Halluzinationen, Müdigkeit
Die klassischen Antidementiva wie Gink - und gelegentlich Angstzustände.
goextrakt, Secalealkaloide und Nootro-
pika konnten bis heute keinen Wirkungs- Phosphorsäureester
nachweis erbringen. Bescheidene Erfol -
Phosphorsäureester wie Parathion
ge wurden mit Acetylcholinesterase -
hemmern und NMDA-Antagonisten und v.a. sind irreversible Hemmer der
verzeichnet. Cholinesterase und finden daher keine
therapeutische Verwendung. Bei der
Verwendung als Insektizid kann es zu
Vertreter:
Vergiftungen mit diesen Substanzen
Cholinesterasehemmer: kommen. Das Gegenmittel ist Atropin,
Donepezil1 um die Acetylcholinrezeptoren zu
Galantamin2 blockieren (siehe Seite 36).
Rivastigmin3
NMDA-Antagonisten:
Memantin4 Parasympatholytika
Cholinesterase-Hemmer Vertreter:
Wirkungsmechanismus: Demenz Atropin
geht häufig mit einer Degeneration zen- n-Butylscopolamin 5
traler cholinerger Neurone einher. Cho- Ipratropium 6
linesterase-Hemmer vermindern die Ab - Oxybutynin 7
baugeschwindigkeit von Acetylcholin. Tolterodin8
Trospium9
Nebenwirkungen: Im Vordergrund Tiotropium 10
stehen Wirkungen nicht abgebauten Ace- Darifenacin 11
tlycholins: Durchfälle, Muskelkrämpfe, Fesoterodin12
Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Appetit- Solifenacin 13
losigkeit und Schlaflosigkeit.
Parasympatholytika verhindern die
NMDA-Antagonisten kontrahierende Wirkung von körperei-
Wirkungsmechanismus: NMDA-An- genem Acetylcholin auf die glatte
tagonisten blockieren die bei degenera- Muskulatur und werden daher einge-
tiven Hirnerkrankungen überaktivierten setzt zur Erweiterung der Bronchien,
1 A, CH, D: Aricept 7 A: Detrusan, Kentera; CH: Ditropan;
2 A, CH, D: Reminyl D: Oxybutynin, Kentera
3 A, CH, D: Exelon 8 A, CH, D: Detrusitol
4 A, CH, D: Axura, Ebixa 9 A: Spasmolyt; CH: Spasmo-Urgenin;
5 A, CH, D: Buscopan D: Spasmex
6 A, CH, D: Atrovent 10 A, CH, D: Spiriva
11 A, CH, D: Emselex
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 12 A, CH, D: Toviaz
13 A, CH: Vesicare; D: Vesicur
40 Das vegetative Nervensystem

bei Darmspasmen und bei Kontraktio- Wirkungsmechanismus: n-Butyl -


nen im Urogenitaltrakt. scopolamin blockiert M3-Rezeptoren
Wirkung: Es besitzt eine krampflö-
Atropin sende Wirkung auf die glatte Mus ku-
Atropin ist der Prototyp eines Para- latur des Magen-Darm-Trakts, der Gallen-
sympatholytikums. Es blockiert alle wege und des Urogenitalsystems.
Muskarinrezeptoren unabhängig vom Nebenwirkungen: Im Vordergrund
Sub typ. Therapeutisch wird Atropin stehen anticholinerge Nebenwirkungen
hauptsächlich als Antidot bei Vergiftun- wie Mundtrockenheit, Akkomodations -
gen mit Cholinesterasehemmstoffen störungen, Tachykardie, eventuell Harn-
eingesetzt. verhaltung, Schwindel und Blutdruck -
Wirkungsmechanismus: Atropin ist abfall.
ein kompetitiver Hemmer der Muskarin - Wechselwirkungen: Die anticholi-
rezeptoren. nerge Wirkung anderer Arzneimittel
Wirkungen: Atropin steigert die Herz- wird verstärkt, ebenfalls die tachykarde
frequenz, vermindert den Tonus der Wirkung von β-Sympathomimetika.
glatten Muskulatur im Magen-Darm- Schwangerschaft und Stillzeit: n-
Kanal (Obstipation), erweitert die Bron - Butylscopolamin ist in Schwangerschaft
chien, führt zu Mundtrockenheit und und Stillzeit unbedenklich.
hemmt auch die Schweißsekretion, die
Schleimsekretion in Nase, Rachen und Gegenanzeigen: Bei Glaukom, Pros-
Bronchien, sowie die Bildung der Tränen- tatahyperplasie und Myasthenia gravis
flüssigkeit. ist n-Butylscopolamin kontraindiziert.

Alle Arzneimittel, die parasympatholy- Ipratropium1


tische (=anticholinerge) Nebenwirkungen
aufweisen (Neuroleptika, Antidepressiva Ipratropiumbromid wird als Hemmer der
u.v.a.) zeigen im Prinzip diese Neben- Bronchokonstriktion beim Kapitel Atmung
wirkungen, die auch als atropinartige und als Hemmer einer Bradykardie bei den
Nebenwirkungen bezeichnet werden. Antiarrhythmika besprochen.

Atropinvergiftung: Bei einer Über-


dosis von Atropin kommt es zur Rötung Arzneimittel bei
der Haut, Trockenheit des Mundes,
Akkomodationsstörungen, Tachykardie,
Inkontinenz
Verwirrtheit und Halluzinationen. Der
Die Parasympatholytika Oxybutynin,
Tod tritt durch eine zentrale Atem -
Tolterodin und Trospium werden bei
lähmung ein.
Dranginkonti nenz der Harnblase ange-
wendet. Oxybutynin ist liquorgängig,
n-Butylscopolamin Tolterodin nur in sehr geringem Aus -
n-Butylscopolamin ist eine quarternä- maß, Trospium ist nicht liquorgängig.
re Ammoniumverbindung und geht Dementsprechend sind zentralnervöse
daher nicht ins Zentralnervensystem. Es Nebenwirkungen bei Trospium und Tol -
wird hauptsächlich als Spasmolytikum bei terodin nicht zu erwarten, bei Oxybuty -
Krämpfen im Verdauungstrakt verwendet. nin häufig.
1 A, CH, D: Atrovent
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Das vegetative Nervensystem 41

Eine neue Arzneiform ist Oxybutynin- Wirkungsmechanismus: Sympatho-


Pflaster1, das wegen eines geringeren mimetika sind Substanzen, die die α 1,
First-Pass-Metabolismus geringere anti - α2, β1, β2 (β3) Rezeptoren erregen.
cholinerge Nebenwirkungen, vor allem Adrenozeptoren sind G-Protein-gekop-
weniger Mundtrockenheit, aufweist. Neu pelte Rezeptoren. Je nach der Rezeptor-
sind ferner Solifenacin2, Fesoterodin3 affinität werden diese Substanzen bei
und Darifenacin4, alles selektive M3-Re- verschiedenen Störungen eingesetzt.
zeptorantagonisten.
Ein anderes Wirkprinzip weist Duloxe- α1-Rezeptoragonisten,
tin 5 auf. Es ist ein Serotonin- und Nor- systemisch
adrenalin-Wiederaufnahmehemmer und
Diese Substanzen werden zur Be -
ist zur Behandlung von Frauen mit
handlung hypotoner Blutdruckstörungen
schwereren Formen einer Belastungsin-
verwendet. Die wichtigsten Vertreter
kontinenz zugelassen. Als Antidepressi-
sind Etilefrin und Norfenefrin. Der Unter-
vum hat es einen anderen Handels -
schied liegt in der höheren Bio ver -
namen6. Nebenwirkungen sind Übelkeit,
fügbarkeit von Etilefrin. Bei Norfenefrin
Mundtrockenheit und Schlaflosigkeit so-
beträgt sie nur etwa 20-25%, die
wie Kopfschmerzen und Obstipation.
Wirkung ist entsprechend unsicher.
Nebenwirkungen: Bei höheren Dosen
Direkte Sympatho- können Herzklopfen, Unruhe, Schwitzen
mimetika oder pektanginöse Schmerzen auftreten.

Vertreter: α1-Agonisten zur


α1-Agonisten, systemisch: lokalen Anwendung
Etilefrin7
Die wichtigsten Vertreter sind Napha-
α1-Agonisten, lokal:
zolin, Oxymetazolin und Phenylephrin.
Naphazolin 8
Die Substanzen werden zur Abschwell-
Oxymetazolin9
Tramazolin10
ung der Schleimhäute bei Rhinitis bzw.
Xylometazolin11 unspezifischer Konjunktivitis eingesetzt.
Dipivefrin12 Nebenwirkungen: Bei Überdosie-
Phenylephrin13 rung können diese Substanzen zu Harn-
β1-β2-Agonisten: retention und Kreislaufstörungen führen.
Isoprenalin (keine therapeutische Wegen der zentral erregenden Wirkung
Verwendung)
kann es zu Schlafstörungen und bei län-
β2-Agonisten:
gerer Anwendung auch zu Abhängig-
Salbutamol etc. (siehe Broncho-
keiten kommen. Eine nur vor über -
dilatatoren)
gehende Anwendung wird empfohlen.
1 A: Kentera; CH: –; D: Kentera 7 A, CH, D: Effortil
2 A,CH: Vesicare; D: Vesikur 8 A: Coldan; CH: Antistin; D: Proculin
3 A,CH,D: Toviaz 9 A, CH, D: Nasivin
4 A,CH,D: Emselex 10 A, CH: Rhinospray; D: Biciron
5 A,CH:-;D: Yentreve 11 A, CH, D: Otrivin
6 A, CH,D: Cymbalta 12 A: Oftanex; CH: –; D: Epifrin
13 A: Visadron; CH: Rexophtal; D: Visadron
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
42 Das vegetative Nervensystem

β1 und β2- Nervenendigungen freisetzen oder sei -


Rezeptoragonisten ne Wiederaufnahme hemmen. Der Sym-
pathikustonus wird erhöht. Zu den indi-
Vertreter mit diesen Eigenschaften rekten Sympathomimetika gehören Am -
sind Isoprenalin und Orciprenalin, beide phetamin und seine Derivate, ferner
Substanzen haben keine therapeutische Ephedrin und Kokain.
Bedeutung.
Amphetaminderivate (Methylphenidat)
β1 -Rezeptoragonisten: Hier ist werden zur Behandlung des hyperkine-
Doputamin zu nennen, das einen posi- tischen Syndroms bei Kindern einge-
tiv inotropen Effekt am Herzen hervor- setzt. Ephedrin wird wegen seiner
ruft, keine Affinität zu den Dopamin - gefäßverengenden und dadurch schleim-
rezeptoren hat wie Dopamin und beim hautabschwellenden Wirkung in Kom -
akuten Herzversagen angewendet wird. bination mit anderen Substanzen bei
β2-Rezeptoragonisten: Dazu gehö- Erkältungskrankheiten bzw. bei Bron -
ren Substanzen wie Salbutamol und chitis eingesetzt.
andere Bronchodilatatoren. Diese Subs - Kokain wird wegen seiner lokal -
tanzen werden im Kapitel „Atemwege“ anästhetischen Wirkung vereinzelt im
ab Seite 85 besprochen. Hals-, Nasen-, Ohrenbereich verwendet.
Im folgenden sollen die wichtigsten
Substanzen dieser Gruppe aufgezählt
werden: Sympatholytika
Vertreter: Vertreter:
Salbutamol Nicht selektive α-Adrenozeptor-
Fenoterol antagonisten:
Terbutalin Phenoxybenzamin (therapeutisch nicht
Formoterol verwendet)
Salmeterol Phentolamin (therapeutisch nicht
Bambuterol (Prodrug von Terbutalin) verwendet)
Clenbuterol1 α1-selektive Antagonisten:
Prazosin 2
Doxazosin3
Terazosin 4
Indirekte Sympatho- Alfuzosin5
Tamsulosin6
mimetika Silodosin 7
α2-selektive Antagonisten:
Indirekte Sympathomimetika sind Yohimbin (therapeutisch nicht
Substanzen, die Noradrenalin aus den verwendet)
Speichergranula der sympathischen

1 A, CH, D: Spiropent 5 A, CH, D: Xatral


2 A: Minipress; CH: –; D: Prazosin 6 A: Alna; CH: Pradif; D: Alna Ocas
3 A: Prostadilat; CH: Cardura; D: Doxacor 7 A, CH, D: Silodyx
4 A: Vicard; CH: Hytrin; D: Flotrin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Das vegetative Nervensystem 43

α-Blocker zur β-Rezeptorantagonisten


Blutdrucksenkung bei Bluthochdruck
Die Blockade von sympathischen α1- β-Rezeptorantagonisten (β-Blocker)
Rezeptoren in der Gefäßmuskulatur werden zur Therapie von Bluthochdruck
führt zur Gefäßerweiterung. α1-Rezep- (siehe Kapitel „Bluthochdruck“, Seite
toragonisten wie Doxazosin oder Ura - 63) sowie zur Therapie tachykarder
pidil 1 sind nicht mehr Mittel der Wahl Herzrhythmusstörungen (siehe Kapitel
zur Behandlung von Bluthochdruck. „Herzrhythmusstörungen“, Seite 81)
verwendet. Diese Substanzen werden in
α-Blocker bei benigner diesen Kapiteln erörtert.
Prostatahyperplasie Vertreter:
α1-Blocker können bei benigner Pros- β1-selektive β-Blocker:
tatahyperplasie den Harnfluss steigern. Atenolol
Neben Terazosin und Doxazosin werden Bisoprolol
auch Alfuzosin und Tamsulosin verwen- Metoprolol
det. Esmolol2
Betaxolol 3
Nebenwirkungen: Eine Blutdruck -
Celiprolol 4
senkung tritt selten auf. Nebenwir -
kungen können sein Schwindel, ortho - β-Blocker mit zusätzlich
statische Hypotonie, Tachykardie, pek- vasodilatierender Komponente sind:
Nebivolol
tanginöse Beschwerden und migränear-
Carvedilol
tige Kopfschmerzen durch Gefäßer -
Celiprolol
weiterung im Kopf.
Nicht selektive β-Blocker:
Wechselwirkungen: Eine Kombina-
Propranolol 5
tion mit anderen gefäßerweiternden Bupranolol 6
Substanzen wie Kalziumantagonisten, Timolol 7
ACE-Hemmern und β-Blockern kann die Pindolol 8
Nebenwirkungen verstärken.

1 A, CH, D: Ebrantil 5 A, CH: Inderal; D: Dociton


2 A, CH, D: Brevibloc 6 A: Betamed; CH: -; D: Betadrenol
3 A, CH: Betoptic; D: Betoptima 7 A: Betimol; CH: Timoptic; D: Arutimol
4 A, CH: Selectol; D: Celipro 8 A, CH, D: Visken

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Histamin, Serotonin und Eicosanoide 45

HISTAMIN, SEROTONIN
UND EICOSANOIDE
HISTAMIN
Vorkommen: Histamin ist ein basi- synaptische Rezeptoren, deren Erre -
sches Amin und kommt in den meisten gung die Histaminfreisetzung hemmt
Geweben vor. Hohe Konzentrationen (Autorezeptoren).
findet man in der Lunge, der Haut und
im Gastrointestinaltrakt. Im Gewebe
findet sich Histamin in Mastzellen und Funktionen
basophilen Granulozyten.
Freisetzung: Freigesetzt wird Hista- Die Magensäuresekretion wird über
min durch Gewebszerstörung (Verletzun- H2-Rezeptoren durch Histamin stimu-
gen), durch IgE vermittelte allergische liert. Die Hemmung dieser Rezeptoren
Reaktionen sowie durch chemische ist ein wichtiger therapeutischer Angriffs-
Substanzen, respektive Arzneimittel. punkt, die Magensäure zu reduzieren.
Substanzen, die Histamin freisetzen Die glatte Muskulatur in den Bron-
sind Bienengift und Wespengift, sowie chien und Bronchiolen, aber auch ande-
die Arzneimittel Morphin, Tubocoura - re glatte Muskel wie die Darmmusku-
rin, Chloroquin und jodhaltige Röntgen- latur werden durch Histamin kontra-
kontrastmittel. hiert. Histamin ist einer der wichtigsten
Freisetzungshemmung: Die Arznei- Auslöser der gehemmten Atemfunktion
mittel Cromoglicinsäure1, Nedocromil2, bei Bronchialasthma.
aber auch Betasympathomimetika wie Blutgefäße werden von Histamin über
Salbutamol3 können die Freisetzung von H 1-Rezeptoren erweitert und am Her-
Histamin hemmen (siehe Seiten 86-90). zen wird die Frequenz und das Auswurf-
Rezeptoren: Wir kennen drei ver- volumen über H 2 -Rezeptoren gestei-
schiedene Histaminrezeptoren: H 1-, H 2- gert. In der Haut (nach Injektion) führt
und H3-Rezeptoren, alles G-Protein ge- Histamin zu Rötung über Gefäßerwei -
koppelte Rezeptoren. Die H 1-Rezepto- terung, zu Blasenbildung durch Erhö -
ren sind hauptsächlich für die allergi- hung der Permeabilität und zu Juckreiz
sche Reaktion verantwortlich und die durch Stimulierung sensibler Nerven.
H 2 -Rezeptoren für die Magensäure - Im Zentralnervensystem ist Histamin
sekretion. Die H 3-Rezeptoren sind prä- ein wichtiger Neurotransmitter. Blocka -

1 A: Intal; CH: Lomudal; D: Intal 3 A: Sultanol; CH: Ecovent; D: Sultanol


2 A: Tilade; CH: Tilavist; D: Irtan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


46 Histamin, Serotonin und Eicosanoide

de von H1-Rezeptoren im Zentralnerven- und besitzen eine lokalanästhetische


system führt zu Sedierung, einer Neben- Wirkung.
wirkung der H 1-Rezeptorantagonisten. Wirkungen: H1-Antagonisten blockie-
ren alle Wirkungen des Histamins wie
Urticaria, allergische Rhinitis, Bindehaut-
H1-Antihistaminika entzündung, Juckreiz bei Insektenstichen
und Reaktionen bei Arzneimittelallergien.
Wirkungsmechanismus: H 1 -Anti - Vertreter der ersten Generation wie Di -
histaminika blockieren neben H 1-Re - phenhydramin oder Doxylamin werden
zeptoren auch cholinerge Rezeptoren wegen der stark sedierenden Nebenwir-

Tab. 1: H 1-Antihistaminika, wichtige Vertreter


1. Generation Diphenhydramin 1
Doxylamin 2
Pheniramin3
Bamipin 4
Dimetinden 5
Ketotifen 6
Emedastin 7
Hydroxyzin8
Ebastin 9
Rupatadin 10
Azelastin 11
Olopatadin 12
Epinastin 13
2. Generation Cetirizin14
Fexofenadin 15
Loratadin 16
Levocabastin17
Desloratadin 18
Levocetirizin 19
1 A: Calmaben; CH: Benocten; D: Betadorm 11 A, CH, D: Allergodil
2 A: Wick; CH: Sanalepsi; D: Gittalun 12 A, CH, D: Opatanol
3 A, CH: Neo Citran; D: – 13 A, CH, D: Relestat
4 A, D: Soventol-Produkte; CH: – 14 A, CH, D: Zyrtec
5 A, CH, D: Fenistil-Produkte 15 A, CH, D: Telfast
6 A, CH, D: Zaditen-Produkte 16 A: Clarityn; CH: Claritine; D: Lisino
7 A, CH, D: Emadine Augentropfen 17 A, CH: Livostin; D: Livocab
8 A, CH, D: Atarax 18 A, CH, D: Aerius
9 A: Ebastel; CH, D: – 19 A: Xyzall; CH: Xyzal; D: Xusal
10 A, D: Rupafin; CH: –

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Histamin, Serotonin und Eicosanoide 47

kung auch als Schlafmittel eingesetzt. gerschaft zur Behandlung allergischer


Diphenhydramin und Meclozin finden Erkrankungen eingesetzt werden. Für
auch als Anti emetika Verwendung die Stillzeit empfehlen sich Loratadin
(siehe Seite 99). Die Antihistaminika und Cetirizin als Antiallergika.
der zweiten Generation gelten als nicht-
sedierende H 1-Antihistaminika.
H 2-Antihistaminika
Nebenwirkungen können sein: Anti-
cholinerge Nebenwirkungen wie Mund- H 2 -Antihistaminika wie Ranitidin 1
trockenheit und gastrointestinale Störun- oder Famotidin 2 sind einsetzbar bei
gen sowie unspezifische Nebenwirkun - Säureerkrankungen des Magens. Durch
gen wie Kopfschmerz und Schwindel. die Einführung der Protonenpumpen -
Schwangerschaft und Stillzeit: H1- hemmer haben sie heute weitgehend
Antihistaminika können in der Schwan - an Bedeutung verloren (siehe Seite 95).

SEROTONIN
Vorkommen: 90% des Gesamtkörper- Rezeptoren: Die bekanntesten Sero -
Serotonins ist in den sogenannten en - toninrezeptoren sind die 5-HT1-4 Rezep-
terochromaffinen Zellen der Darm- toren, wobei der Serotonin 5-HT 1 -
schleimhaut gespeichert. Von dort Rezeptor 3 Subtypen und der Serotonin
gelangt Serotonin ins Blut, wo es sich in 5-HT 2-Rezeptor 2 Subtypen aufweist.
den Thrombozyten anreichert. Im Weniger bekannt sind die Serotonin -
Nerven system des Darmes und des rezeptoren 5, 6 und 7. Der Serotonin
Zentralnervensystems ist Serotonin in 5-HT3-Rezeptor ist ein Ionenkanal, die
Nerven endigungen gespeichert, kann anderen Serotoninrezeptoren sind
von dort freigesetzt und dorthin wieder G-Protein gekoppelte Rezeptoren.
aufgenommen werden.
Freisetzung: Im Darm wird Seroto- Funktionen
nin durch sympathische und parasym- Im Gastrointestinaltrakt stimuliert Se-
pathische Nerven sowie intrinsische rotonin die Motilität. Über die Stimu -
Neurone des Darm-Nervensystems frei- lierung von 5-HT 3-Rezeptoren der Darm-
gesetzt. Auch Toxine und Chemothera- wand kann es über afferente Nerven
peutika wie Cisplatin können Serotonin zum Auslösen eines Brechreizes kom-
aus den enterochromaffinen Zellen frei- men. So lässt sich die brechenerregen-
setzen. Im Zentralnervensystem wirken de Wirkung von Cisplatin erklären.
Amphetamin, eine zentral erregende
Substanz, Fenfluramin, ehemals ein Die glatte Muskulatur im Uterus und
Appetitzügler und MDMA (Ecstasy), im Bronchialbaum wird ebenfalls von
früher Appetitzügler, heute eine Disco - Serotonin kontrahiert.
droge, auch auf die Serotoninfrei - In den Blutgefäßen bewirkt Serotonin
setzung aus Neuronen. über verschiedene Rezeptoren eine

1 A: Zantac; CH, D: Zantic 2 A: Ulcusan; CH: –; D: Fadul

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


48 Histamin, Serotonin und Eicosanoide

Vasokonstriktion. Auch bei der Entsteh - Körpertemperatur und des Appetits


ung der Migräne ist Serotonin beteiligt. beteiligt. Zahlreiche Antidepressiva er -
Moderne Migränetherapeutika, die Trip- höhen die Konzentration an Serotonin
tane, führen über Serotoninrezeptoren im synaptischen Spalt und beeinflussen
zu Gefäßverengung und damit zu so die Stimmung.
Schmerzstillung bei der Migräne. Die wichtigen Arzneimittel in Tabelle 2
Aus den Thrombozyten wird Sero- werden in den entsprechenden Kapiteln
tonin durch Aktivierung mit ADP oder abgehandelt. Im folgenden soll nur auf
Thromboxan A 2 freigesetzt. die Therapie der Migräne, die später
Im Zentralnervensystem ist Serotonin nicht mehr vorkommt, eingegangen wer-
an der Kontrolle der Emotion, des Schlaf- den.
Wach-Rhythmus, des Blutdrucks, der

Tab. 2: Arzneimittel die über Serotoninrezeptoren wirken


5-HT-Rezeptoragonisten
Triptane (5-HT 1-Agonisten) Sumatriptan 1
Naratriptan2
Rizatriptan 3
Zolmitriptan 4
Almotriptan 5
Frovatriptan 6
Eletriptan7
Buspiron 8 (Anxiolytikum siehe Seite 132)
Urapidil 9 (Antihypertensivum, über
präsynaptische 5-HT 1A-Rezeptoren)
Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren: Trizyklische Antidepressiva (siehe Seite 119)
Selektive Serotonin Rückaufnahme-
Inhibitoren (SSRI) (siehe Seite 119)
Serotoninantagonisten: Atypische Neuroleptika (siehe Seite 119)
Serotonin 5-HT 3-Antagonisten: Antiemetika (siehe Seite 99)
1 A, CH, D: Imigran 6 A: Eumitan; CH: Menamig; D: Allegro
2 A: Antimigrin; CH, D: Naramig 7 A, CH, D: Relpax
3 A, CH, D: Maxalt 8 A, CH: Buspar; D: Bespar
4 A, CH: Zomig; D: AscoTop 9 A, CH, D: Ebrantil
5 A, CH, D: Almogran

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Histamin, Serotonin und Eicosanoide 49

Therapie der Migräne rasche Schmerzlinderung nach Aufnah -


me eines Triptans.
Die während einer Migräneattacke ab- Nebenwirkungen: Schmerzen, Krib-
laufenden Pathomechanismen sind noch beln, Hitze, Schweregefühl, Druck und
immer nicht restlos geklärt. Über die Akti- Engegefühl im Brustraum und Hals kön-
vierung serotoninerger Neurone kommt nen vorübergehend auftreten. Andere
es zuerst zu Vasokonstriktion und zu Symptome können Erröten, Schwindel,
einer perivaskulären Entzündung. In der Schwächegefühl, Müdigkeit und Be -
Folge kommt es zu Vaso dilatation, nommenheit sein. Das Herz-Kreislauf-
Prostaglandin- und Kininfreisetzung und System betreffen Hypotonie, Bradykar-
zur Erregung nozizeptiver Nervenendi - die, Tachykardie, Herzklopfen, vorüber-
gungen, die in Schmerz re sultiert. gehender Blutdruckanstieg und unter
Gleichzeitig kommt es zur Freisetzung Umständen Herzarrhythmien. Selten
von Neuropeptiden wie Substanz P, treten Übelkeit und Erbrechen, visuelle
CGRP und VIP, die die perivaskuläre Beeinträchtigung und geringfügige
Entzündung aufrechterhalten. Veränderungen der Leberfunktion auf.
Kombinationsmöglichkeit: Eine Kom-
Anfallstherapie bination mit Metoclopramid ist em -
Der akute Migräneanfall kann mit Nicht- pfehlenswert zur Magenentleerung.
Opioidanalgetika wie Acetylsalicylsäure Wechselwirkungen: Triptane sollen
(Seite 139) und Paracetamol (Seite 136) nicht mit anderen gefäßverengenden
behandelt werden. Da während eines Substanzen wie Ergotamin kombiniert
Migräneanfalles die Magenent leerung werden. Bei einer Kombination mit
verzögert ist, ist es sinnvoll, Metoclo- Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren
pramid1 zur Motilitätssteigerung des Ma- (SSRI) kann es zu einem Serotonin-
gens und damit zur Resorption der ein- syndrom kommen (siehe unten).
zunehmenden Analgetika zu verabrei-
Schwangerschaft und Stillzeit:
chen. Eine neue Behandlungsmethode
Schwere Anfälle während der Schwan -
sind die Triptane.
gerschaft können mit Sumatriptan be -
handelt werden und sind auch in der
Triptane Stillzeit, wegen kurzzeitiger Behand -
Wirkungsmechanismus: Die Tripta- lung, nicht gefährlich.
ne sind Serotoninagonisten und führen
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
über 5-HT1D-Rezeptoren zu Vasokon-
ein überstandener Herzinfarkt, ischämi-
striktion, zu einer Hemmung der Frei -
sche Herzerkrankungen, koronare Vaso-
setzung vasodilatatorisch wirkender spasmen und andere periphere Gefäß -
Neuro peptide und zu einer direkten erkrankungen; auch Schlaganfall pa -
neuronalen Hemmung der nozizeptiven tienten sollen keine Triptane erhalten.
Nervenendigungen. Eine gleichzeitige Gabe von MAO-
Wirkungen: Die Wirkung ist eine Hemmern ist kontraindiziert.

1 A, CH, D: Paspertin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


50 Histamin, Serotonin und Eicosanoide

Das Serotoninsyndrom
Arzneimittel, die allein oder in Kombination ein Serotoninsyndrom
auslösen können:
 Selektive Serotonin-Rückauf-  Antiemetika (Serotonin-5-HT3-
nahme-Inhibitoren (SSRI) Rezeptorantagonisten)
 Trizyklische Antidepressiva (TCA)  Migränemittel (Triptane)
 Opiate (vor allem Tramadol)  Hustenmittel (Dextromethorphan)
 MAO-Hemmer (Moclobemid) u.a.

Wichtige Symptome eines Serotoninsyndroms sind:


 Fieber  Übelkeit
 Schüttelfrost  Durchfall
 Zittern  Unruhe
 Muskelzuckungen  Verwirrung
 Hyperreflexie  Blutdruckanstieg
 Klonische Krämpfe  EKG-Veränderung
 Agitiertheit  Nierenschädigung
 Schweißausbruch  Leberschädigung

Das Serotoninsyndrom, ein Zusammen- Therapie des


treffen verschiedener und spezifischer Serotoninsyndroms
Symptome, wurde lange Zeit nicht er-
Das Serotoninsyndrom dauert nur etwa
kannt. Es tritt als Nebenwirkung von 12-24 Stunden und kann am besten mit
Arzneimitteln oder als Wechselwirkung Benzodiazepinen beherrscht werden.
mehrerer Arzneimittel auf, die in irgend- Auch das atypische Neuroleptikum Olan-
einer Weise Serotonin erhöhen. zapin1 hat sich bewährt.

EICOSANOIDE
Vorkommen: Eicosanoide sind wich- donsäure, einer ungesättigten Fettsäure
tige Mediatoren und Modulatoren, die mit 20 C-Atomen (eicosa, griechisch zwan-
nicht gespeichert sind, aber in den mei- zig). Die wichtigsten Vertreter sind die
sten Geweben aus Phospholipiden gebil - Prostaglandine, die Thromboxane und
det werden und an zahlreichen physio- die Leukotriene. Zahlreiche spezifische
logischen und pathophysiologischen Pro- und unspezifische Reize können die Syn-
zessen beteiligt sind. these in Gang setzen. Der erste Schritt
Vertreter und ihre Synthese: Eico- ist die Freisetzung der Arachidonsäure
sanoide sind die Metaboliten der Arachi- aus Phospholipiden mittels Phospholi-
1 A, CH, D: Zyprexa

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Histamin, Serotonin und Eicosanoide 51

pase A2, ein Schritt, der durch Gluco- Säuresekretion und Stimulation der
corticoide gehemmt werden kann. Aus Schleimsekretion im Magen, Hem-
Arachidonsäure werden dann in mehre- mung der Lipolyse und Kontraktion
ren Schritten über den Cyclooxygenase- des schwangeren Uterus.
Weg die Prostaglandine PGE2, PGD2,
EP4-Rezeptoren vermitteln Vaso-
PGF2α, PGI2 und Thromboxan A2 (TXA 2)
dilatation und Erhöhung der Nieren-
gebildet.
durchblutung.
Die Cyclooxygenase (COX) existiert in
Prostaglandin E 2 spielt eine wichtige
zwei Isoformen, COX-1 und COX-2.
Rolle bei der Entzündung und moduliert
COX-1 ist konstitutiv in vielen Geweben
Schmerz, ohne selbst Schmerz auszulö-
vorhanden und verantwortlich für Ma -
sen.
genschutz, Nierendurchblutung und
Hämostase. COX-2 wird bei entzündli-  PGD2 bewirkt über
chen Prozessen induziert, kommt aber PGD 1-Rezeptoren Hemmung der
auch in konstitutiver Form in einzelnen Plättchenaggregation und Vaso-
Geweben vor. dilatation, über
Über den Lipoxygenaseweg entsteht PGD2-Rezeptoren Chemotaxis und
Leukotrien (LT) A4, welches zu LTB4 und Zytokin-Freisetzung.
den Cysteinyl-Leukotrienen LTC 4, LTD4
 PGI2 bewirkt über
und LDE4 umgewandelt werden kann.
IP-Rezeptoren Vasodilatation,
Rezeptoren: Die Rezeptoren für die Hemmung der Plättchenaggrega-
Eicosanoide sind G-Protein gekoppelte tion, Renin-Freisetzung und Natriu-
Rezeptoren und entsprechend den fünf resis.
Gruppen der Eicosanoide in fünf Grup -
 PGF 2α bewirkt über
pen eingeteilt:
FP-Rezeptoren Uteruskontraktion
 EP1-4 für PGE 2
 Thromboxan A2 bewirkt über
 DP1-2 für PGD2 TP-Rezeptoren Vasokonstriktion und
 IP für Prostacyclin Plättchenaggregration.
 FP für PGF2α und
Therapeutische
 TP für Thromboxan A2
Angriffspunkte
Funktionen Verminderung der PGE2-Bildung durch
COX-1 und COX-2 Hemmung mittels NSAR
 PGE2 bewirkt über
vermindert Schmerz und Entzündung.
EP1-Rezeptoren Kontraktion der
Blockade der COX-1 in Thrombocyten mit
Bronchien und der glatten Muskula-
Acetylsalicylsäure hemmt die Plättchen -
tur im Darm
aggregration und dient zur Thrombose-
EP2-Rezeptoren Erschlaffung der prophylaxe.
Bronchien und der glatten Muskula-
Verminderung der PGE2-Bildung im
tur im Darm, Gefäßerweiterung und
Temperaturzentrum durch Paracetamol,
Stimulation der intestinalen Sekretion
Acetylsalicylsäure oder NSAR bewirkt
EP3-Rezeptoren Hemmung der Fiebersenkung.
1 A, CH, D: Ilomedin
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 2 A, D: Prostavasin; CH: Prostin
52 Histamin, Serotonin und Eicosanoide

Therapeutische Anwendung Renin-Angiotensin-


Die Prostaglandin E-Derivate Iloprost 1 Aldosteron-System
und Alprostadil 2 werden bei arterieller
Verschlusskrankheit und letzteres auch Das RAA System ist maßgeblich an
bei erektiler Dysfunktion1 eingesetzt. Sul- der Blutdruckregulation beteiligt. Renin
proston 2 und Dinoproston 3 dienen zur ist ein Glykoprotein, das bei Abfall des
Wehenförderung. renalen Perfusionsdruckes, bei Abnah -
Latanoprost4 und Bimatoprost5 wer- me der Natriumkonzentration im Orga -
den lokal bei Glaukom zur Senkung des nismus und über β1-Rezeptoren durch
Augeninnendrucks eingesetzt. den Sympathikus freigesetzt wird.
Renin spaltet aus dem Angiotensinogen
Misoprostol6 dient der Ulcusprophy- aus der Leber das Dekapeptid Angio -
laxe bei Verwendung nicht-steroidaler tensin I ab. Dieses bildet unter Ein -
Antirheumatika. wirkung des Angiotensin-Konversions-
Nebenwirkungen der PG-Derivate: Enzyms (ACE) das Octapeptid Angio -
Übelkeit, Durchfall, Flush, Kopfschmer - tensin-II. Angiotensin-II verursacht über
zen und Bauchkrämpfe. AT1-Rezeptoren Vasokonstriktion, Aldo-
steronbildung und Sympathikus akti -
vierung.
Leukotriene Therapeutische Anwendung: Drei
Begriffspunkte im RAA-System erlauben
Rezeptoren: Auch die Leukotrien- eine wirksame Behandlung des Blut -
Rezeptoren sind G-Protein-gekoppelte hochdrucks. Der sogenannte Renin-
Rezeptoren. Inhibitor Aliskiren bindet direkt an die
LTB4 bewirkt über den Inositol-Stoff - Protease Renin und verhindert dadurch
wechsel Chemotaxis, Zytokin-Produk - die Umwandlung von Angiotensinogen
tion und Proliferation in Makrophagen in Angiotensin I. Die ACE-Hemmer wie
und Lymphozyten. Die Cysteinyl-Leuko - Captopril, Enalapril, Lisinopril u.a. hem-
triene LTC4, LTD4 und LTE4 verursachen men die Bildung von Angiotensin II aus
Verengung der Bronchien und bewirken Angiotensin I. Die AT1-Antagonisten,
Schleimsekretion, Hyperreaktivität und die sogenannten Sartane wie Losartan,
Husten. Irbesartan, Valsartan u.a. hemmen über
den AT1-Rezeptor die Wirkung von
Therapeutische Angiotensin II vor allem auf die Ge -
fäßkonkraktion. Diese Therapieprinzi -
Angriffspunkte pien sind heute aus der Behandlung des
Blockade der Cysteinyl-Leukotrien Re- Bluthochdrucks nicht mehr wegzuden-
zeptoren mit Montelukast7 findet An- ken.
wendung bei der Therapie des Asthma
bronchiale.
1 A, CH, D: Caverject 5 A, CH, D: Lumigan
2 A, CH, D: Nalador 6 A: Cyprostol; CH: Cytotec D: Arthotec
3 A, CH: Prostin, D: Minprostin 7 A, CH, D: Singulair
4 A, CH, D: Xalatan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Blut 53

BLUT
Tab. 1: Arzneimittel für das Blut
Injizierbare Antikoagulantien Niedermolekulares Heparin wie z.B.
Dalteparin1
Enoxaparin2
Argatroban3
Orale Antikoagulantien Phenprocoumon 4
Dabigatran5
Rivaroxaban6
Fibrinolytika Tenecteplase7
Alteplase8
Thrombozytenaggregationshemmer Acetylsalicylsäure
Clopidogrel 9
Prasugrel 10
Ticagrelor 11
1 A, CH, D: Fragmin 6 A, CH, D: Xarelto
2 A: Lovenox; CH, D: Clexane 7 A, CH, D: Metalyse
3 A, D: Argatra; CH: – 8 A, CH, D: Actilyse
4 A, CH: Marcoumar; D: Marcumar 9 A, CH, D: Plavix
5 A, D: Pradaxa; CH: – 10 A, CH, D: Efient
11 A: Brilique; CH, D: Brilinta

BLUTSTILLUNG (Hämostasis)
UND THROMBOSE
Blut besteht aus Blutplasma, zusam- notwendig für den Verschluss beschä-
mengesetzt aus Blutserum und Fibrino- digter Blutgefäße. Dabei spielen die
gen, und den Blutkörperchen mit den Plättchenaggregation und die Blutko -
roten (Erythrozyten) und weißen Blut- agulation zusammen. Eine Thrombose
körperchen (Leukozyten) sowie den Blut- ist ein pathologischer Zustand, der im
plättchen (Thrombozyten). Für die Blut- venösen Schenkel durch Koagulation
stillung verantwortlich sind das, mit des Plasmas unter geringer Beteiligung
dem Fibrinogen in Verbindung stehen- der Blutplättchen und im arteriellen
de Blutgerinnungs system und die Schenkel in Verbindung mit Athero -
Blutplättchen. Blutgerinnung ist lebens- sklerose und einem großen Anteil an

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


54 Blut

Blutplättchen abläuft. Ein Throm bus in der Folge eine Hemmung von Throm-
kann mit dem Blut weggespült werden bin. Unfraktioniertes Heparin bindet
und dann die Blutzufuhr zur Lunge sowohl an Antithrombin III als auch an
(Lungenembolie) oder die Herzkranz- Thrombin, während niedermolekula-
gefäße (Herzinfarkt) verstopfen. In die- res Heparin nur an Antithrombin III
ses Geschehen kann man mit Anti - bindet, das in der Folge direkt den
koagulantien bzw. mit Thrombozyten - Faktor Xa hemmt.
aggregationshemmern eingreifen.
Unfraktioniertes Heparin1
Wirkungsmechanismus: Unfraktio-
Antikoagulantien niertes Heparin aktiviert Antithrombin
III, welches in der Folge Thrombin und
Vertreter: Faktor Xa hemmt.
Injizierbare Antikoagulantien Wirkung: Unfraktioniertes Heparin
Unfraktioniertes Heparin 1
weist eine stark antithrombotische und
Niedermolekulares Heparin
antikoagulatorische Wirkung auf.
Heparinoide (topisch)2
Fondaparinux3 Dosierung: Je nach Indikation
Lepirudin4 5.000-20.000 I.E. alle 6-12 Stunden
Argatroban5 Wirkungseintritt und -dauer: Die
Orale Antikoagulantien Wirkung tritt sehr rasch ein und hält, in
Phenprocoumon6 Abhängigkeit von der Dosis, 6-12 Stun -
Acenocoumarol7 den an.
Warfarin8
Applikationsform: Durchstichflaschen
Dabigatran9
Rivaroxaban10
zur mehrmaligen Entnahme und intra-
venösen oder subkutanen Injektion.
Unfraktionierte Heparine sind heute
Heparin weitgehend von niedermolekularen He -
parinen aus der Therapie verdrängt und
Heparin ist ein körpereigenes Gemisch sollen daher nicht genauer besprochen
aus verschiedenen Mucopolysacchariden. werden.
Es hemmt Blutgerinnungsfaktoren, so -
dass es nicht zur Thrombenbildung
kommt. Der Mechanismus der Wirkung
ist eine Antithrombin III Aktivierung und

1 A, CH, D: Heparin 6 A, CH: Marcoumar; D: Marcumar


2 A, CH, D: Hirudoid 7 A, CH: Sintrom; D: –
3 A, CH, D: Arixtra 8 A: –; CH: –; D: Coumadin
4 A, CH: Refludan; D: – 9 A, D: Pradaxa; CH: –
5 A, D: Argatra; CH: – 10 A, CH, D: Xarelto

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Blut 55

Niedermolekulare Heparine enthaltende Injektionsspritzen für ein-


malige subkutane Applikation), ferner
Vertreter: Ampullen und Durchstichflaschen zur
Certoparin1 mehrmaligen Entnahme.
Dalteparin2
Wechselwirkungen: Gleichzeitige
Danaparoid3
Enoxaparin4
Gabe von Thrombozytenaggregations-
Nadroparin5 hemmern verstärkt die Blutungsgefahr.
Reviparin6 Zahlreiche wirkungsverstärkende und
Tinzaparin7 wirkungshemmende Wechselwirkungen
Bemiparin8 mit anderen Arzneimitteln sind bekannt
und müssen den jeweiligen Fachinfor -
Wirkungsmechanismus: Niedermole- mationen entnommen werden.
kulare Heparine entfalten ihre Wirkung Schwangerschaft und Stillzeit: He-
hauptsächlich über den Faktor Xa. parine können in der Schwangerschaft
Wirkung: Sie besitzen in erster Linie bedenkenlos angewendet werden und
eine ausgeprägte antithrombotische gehen auch nicht in die Muttermilch.
Wirkung, die antikoagulatorische Po- Gegenanzeigen: Bei bestehenden
tenz ist geringer. Blutungen, Magen- und Darmge -
Unerwünschte Wirkungen: Die schwüren, schweren Leber-, Nieren-
wichtigsten Nebenwirkungen sind Blutun- und Pankreaserkrankungen sowie dia-
gen, die nach der Therapie wieder ver- betischer Retinopathie sind Heparine
schwinden bzw. durch Protaminsulfat kontraindiziert.
antagonisiert werden können. Eine ge -
fährliche Nebenwirkung ist die Heparin- Fondaparinux 9
induzierte Thrombozytopenie (HIT).
Fondaparinux ist ein vollsynthetisch
Weitere Nebenwirkungen sind allergi-
hergestelltes Pentasaccharid mit hoch
sche Reaktionen, Hautnekrosen, reversi-
selektiver Wirkung auf die Blutge rinn-
ble Haarausfälle und bei Langzeit -
ung auf der Stufe Faktor Xa. Die
therapie Osteoporose. An der Einstich -
Wirkung ist gut steuerbar, eine Dosis
stelle kann es zu Hautblutungen kom-
von 2,5 mg ist für alle Patienten ausrei-
men.
chend. Der selektive Angriffspunkt an
Dosierung: Je nach Indikation etwa einer zentralen Stelle der Gerinnungs -
2.500-5.000 I.E. pro Tag. kaskade bedingt wenig Neben wirkun-
Wirkungseintritt und -dauer: Die gen hinsichtlich Blutungen und Häma -
Wirkung von niedermolekularem Hepa - tomen. Von besonderer Bedeutung ist
rin tritt ebenfalls sofort ein, hält aber das Fehlen einer Thrombozytopenie.
länger an, sodass nur ein bis zwei
Gaben pro 24 Stunden nötig sind. Heparinoide
Applikationsformen: Hauptsächlich Heparinoide sind Substanzen mit
Spritzampullen (fertige, den Wirkstoff heparinartiger Wirkung, die zur Be -
1 A, CH: Sandoparin; D: Mono-Embolex 4 A: Lovenox; CH, D: Clexane
2 A, CH, D: Fragmin 5 A: Fraxiparin; CH: Fraxiparine; D: Fraxiparin
3 A, CH, D: Orgaran 6 A, CH: –; D: Clivarin
7 A, CH: –; D: Innohep
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 8 A: Ivor; CH, D: –
9 A, CH, D: Arixtra
56 Blut

handlung von Patienten mit Heparin- rinnungsfaktoren. Der Wirkungseintritt


induzierter Thrombozytopenie einge- ist entsprechend langsam.
setzt werden. Ein Vertreter ist Dana - Wirkung: Vitamin K ist für die Syn -
paroid-natrium1, das zur Thrombose - these einer Reihe von Blutgerinnungs -
prophylaxe bei Patienten mit Heparin- faktoren notwendig. Die Cumarine
induzierter Thrombozytopenie II ver- hemmen die Vitamin K-Synthese und
wendet wird. werden daher auch als Vitamin K-
Darüberhinaus gibt es eine Reihe syn- Antagonisten bezeichnet. Die Wirkung
thetisch gewonnener Heparinoide zur tritt erst auf, wenn alle bereits syntheti-
topischen Anwendung, deren Wirk - sierten Gerinnungsfaktoren verbraucht
samkeit aber umstritten ist. sind. Cumarine sind daher für die Lang -
zeitprophylaxe und Therapie von Throm-
Hirudine boembolien indiziert. Andererseits er -
Hirudin ist das antikoagulierende Prin- höhen Cumarine die Plättchenaggrega -
zip aus dem Blutegel. Mit Hilfe rekom- tion.
binanter DNA-Techniken wurden syn- Dosierung:
thetische Hirudine wie Lepirudin 2 , Phenprocoumon: 1,5-3mg/Tag
Desirudin3 und Bivalirudin 4 erzeugt und Acenocoumarol: 2-12mg/Tag
zur Anti ko agu lantientherapie bei Warfarin: 5-10mg/Tag
Heparin-induzierter Thrombozytopenie, Wirkungseintritt und -dauer: We-
respektive zur Prophylaxe tiefer Bein - gen des Wirkungsmechanismus gibt es
venenthrombosen bei Hüft- und Knie - einen verzögerten Wirkungseintritt (1-3
gelenkersatz opera tionen zugelassen. Tage). Die Dosierung erfolgt einmal täg-
Hirudine sind im Gegensatz zu den
lich, eine Überprüfung der Blut ge -
Heparinen direkte Throm binhemmer,
rinnung ist in regelmäßigen Abständen
d.h. sie wirken ohne Beteiligung von
notwendig. Der dafür verwendete Quick-
Antithrombin.
Test wurde nunmehr durch die Inter -
national Normalized Ratio (INR) abge -
Orale Antikoagulantien löst. Ein INR von 4,5 (entspricht etwa
einem Quickwert von 15%) soll nicht
überschritten werden.
Cumarine
Applikationsformen: Zur genauen
Vertreter: individuellen Dosierung gibt es Tab lett-
Phenprocoumon5 en mit Kreuzbruchrillen.
Acenocoumarol6 Unerwünschte Wirkungen: Ähn-
Warfarin7 lich wie bei Heparinen kann es zu
Blutungen kommen.
Wirkungsmechanismus: Cumarine Wechselwirkungen: Cumarine haben
hemmen die Vitamin K-Synthese und eine sehr geringe therapeutische Breite
damit die Synthese wichtiger Ge - und weisen eine große Anzahl an
1 A, CH, D: Orgaran 5 A, CH: Marcoumar; D: Marcumar
2 A, CH, D: Refludan 6 A, CH: Sintrom; D: –
3 A: Revasc; CH, D: – 7 A, CH: –; D: Coumadin
4 A, CH, D: Angiox
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Blut 57

Wechselwirkungen mit anderen Arznei - Dabigatran


mitteln auf. In jedem Fall ist zu über-
Verabreicht wird die Prodrug Dabiga-
prüfen, ob ein Arzneimittel zusammen
tranextexilat, das in der Leber die wirk-
mit Cumarinen gegeben werden darf.
same Form Dabigatran bildet. Dabiga -
Vor allem zu beachten ist, dass nicht-
tran blockiert kompetitiv und reversibel
steroidale Antirheumatika (NSAR) die Thrombin und hemmt dadurch die Um-
Gefahr gastrointestinaler Blutungen wandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Da
extrem verstärken können. Auch Allo - es auch Fibrin gebundenes Thrombin
purinol, Fibrate und trizyklische Antide - hemmt, wird zusätzlich die Thrombin
pressiva können die Gefahr von Blu tun- induzierte Plättchenaggregation verhin-
gen unter Cumarinen erhöhen. Carba - dert. Wechselwirkungen mit anderen
mazepin, Diuretika und Glucocorticoide Arzneimitteln über das Cytochrom P
können die Wirkung von Cumarinen ver- 450 System werden weitgehend ausge-
mindern. schlossen. Die häufigste Nebenwirkung
Schwangerschaft und Stillzeit: In ist die Blutung. Besondere Vorsicht ist
der Schwangerschaft sind Cumarine geboten bei Kombination mit anderen
kontraindiziert, da sie die Placenta - Hemmern der Blutgerinnung wie Cuma -
schranke überschreiten und die Frucht rinen, NSAR, aber auch Verapamil,
gefährden. In der Stillzeit sind Phen - Rifampicin, Clarithromycin, Johanniskraut
procoumon 1 und Acenocoumarol 2 un- und Amiodaron. Indiziert ist Dabigatran
bedenklich. zur venösen Thromoembolieprophylaxe
nach selektivem Knie- oder Hüftgelenks-
Gegenanzeigen: Erhöhte Blutungs- ersatz.
bereitschaft, Lebererkrankungen, Nieren-
insuffizienz und Thrombozytopenie. Rivaroxaban
Ferner Ulzera im Magen-Darm-Bereich,
Rivaroxaban ist ein direkter Faktor Xa-
Traumen oder chirurgische Eingriffe am
Hemmstoff, kann ebenfalls peroral ge -
ZNS und TBC.
geben werden und dient zur postopera-
tiven Prophylaxe tiefer Beinvenenthrom-
bosen, sowie zur primären Thrombose -
Andere orale prophylaxe nach selektiver Hüft- und
Antikoagulantien Kniegelenksersatzoperation. Im Ver -
gleich zu Enoxaparin gibt es unter
Vertreter: Rivaroxaban weniger Thromoembolien,
Hirudin Analoga bei gleichen Nebenwirkungen, was
Dabigatran3 Blutungen betrifft. Inhibitoren von
Faktor Xa-Hemmstoff CYP3A4 und von P-Glykoprotein kön-
Rivaroxaban4 nen den Blutspiegel von Rivaroxaban
erhöhen.

1 A, CH: Marcoumar; D: Marcumar 3 A, D: Pradaxa; CH: –


2 A, CH: Sintrom; D: – 4 A, CH, D: Xarelto

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


58 Blut

Fibrinolytika Wirkung der Fibrinolytika durch Apro -


tinin4 aufgehoben werden.
Vertreter: Schwangerschaft und Stillzeit: Fi-
Körpereigene Substanzen
brinolytika dürfen in der Schwanger -
Urokinase
schaft bei vitalen Indikationen einge-
Gewebeplasminogenaktivator bzw. setzt werden. Nach Anwendung von
Reteplase 1 Fibrinolytika darf weiter gestillt werden.
Alteplase2 Gegenanzeigen: Die gleichen wie
Tenecteplase 3 bei einer Antikoagulationstherapie.
Körperfremde Stoffe
Streptokinase
Antifibrinolytika
Fibrinolytika lösen Thromben auf. Vertreter:
Wichtig ist es, die Therapie möglichst Aprotinin4
rasch nach der Thrombenbildung zu Tranexamsäure5
beginnen. Wegen der Blutungsgefahr
soll die Behandlung mit Fibrinolytika an
einer Klinik durchgeführt werden. Bei bestimmten pathologischen Zu-
Wirkungsmechanismus: Fibrinolyti- ständen und nach Operationen im Uro -
ka fördern die Umwandlung des kör - genitaltrakt ist eine gesteigerte Fibrino -
pereigenen Plasminogen in Plasmin, das lyse zu beobachten. In solchen Fällen
dann als Protease Fibrin in lösliche werden unter strenger Kontrolle Hemm -
Bruchstücke abbaut. stoffe der Fibrinolyse (Antifibrinolytika)
verabreicht.
Wirkung: Fibrinolytika lösen das
Fibrinnetzwerk frischer Thromben auf.
Applikationsformen: Injektions- oder Thrombozyten-
Infusionslösungen. aggregationshemmer
Wirkungseintritt und Wirkungs -
dauer: Abhängig von der Größe des Vertreter:
Thrombus. Je schneller nach Throm ben- Acetylsalicylsäure (ASS)
bildung die Therapie begonnen wird, Clopidogrel 6
desto erfolgreicher wird sie verlaufen. Prasugrel 7
Abciximab 8
Unerwünschte Wirkungen: Es tre-
Tirofiban9
ten Blutungen an den Punktionsstellen
Eptifibatid10
sowie im Gastrointestinaltrakt, in der
Ticagrelor 11
Lunge und im ZNS auf. Bei zu starker Ticlopidin (2. Wahl)12
Hemmung der Blutgerinnung kann die

1 A, CH, D: Rapilysin 9 A, CH, D: Aggrastat


2 A, CH, D: Actilyse 10 A, CH, D: Integrilin
3 A, CH, D: Metalyse 11 A: Brilique; CH, D: Brilinta
4 A, CH, D: Trasylol 12 A: Tiklid; CH: –; D: Tiklyd
5 A, CH, D: Cyklokapron
6 A, CH, D: Plavix
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
7 A, CH, D: Efient
8 A, CH, D: ReoPro
Blut 59

Thrombozytenaggregationshemmer Dosierung: 30-100mg/Tag


werden zur Prophylaxe und Therapie Wirkungseintritt und Wirkungs -
thromboembolischer Erkrankungen ein- dauer: Nach oraler Applikation werden
gesetzt. Besonders wirksam sind sie zur
die Blutplättchen bereits in der Pfort -
Verhinderung arterieller Thrombosen,
ader azetyliert, sodass für die Azety -
da diese sich an atherosklerotischen
lierung der Cyclooxygenasen in periphe-
Veränderungen vorwiegend durch Plätt-
ren Gefäßsystemen und damit der
chenthromben bilden.
Hemmung der PGI 2-Bildung nur noch
Umgangssprachlich werden Thrombo- wenig Acetylsalicylsäure zur Verfügung
zytenaggregationshemmer wie auch die steht. Die Wirkung auf die Blut -
Antikoagulantien fälschlicherweise als plättchen hält etwa 8-10 Tage an.
Blutverdünner bezeichnet.
Nebenwirkungen: Die wichtigsten
Nebenwirkungen sind Blutungen im
Acetylsalicylsäure (ASS)
oberen und unteren Gastrointestinal -
Acetylsalicylsäure ist der wichtigste trakt. Daneben kann es noch zu ver-
Thrombozytenaggregationshemmer. mehrter Leukotrienbildung und damit
Wirkungsmechanismus: Acetylsalicyl- zu asthmaartigen Zuständen kommen.
säure azetyliert irreversibel die Cyklo - Andere Nebenwirkungen sind bei dieser
oxygenase-1 (COX-1) in den Blutplätt- geringen Dosis nicht zu erwarten.
chen, die dieses Enzym nicht nachbil- Kombinationen: In schweren Fällen
den können und deren Aggrega tions- ist eine Kombination mit Clopidogrel1
fähigkeit über Thromboxan A2 (TXA 2) sinnvoll.
daher zeitlebens gehemmt bleibt.
Daneben azetyliert Acetylsalicylsäure Wechselwirkungen: Die gleichzeiti-
auch die Cyclooxygenasen im Gefäß - ge Einnahme von Acetylsalicylsäure mit
endothel und verhindert dort die Bil - anderen Arzneimitteln kann zu Ver -
dung von Prostacyclin (PGI2), dem Gegen- stärkung oder Abschwächung ihrer Wir-
spieler von TXA2. Da im Gefäßendothel kung führen. Acetylsalicylsäure hemmt
die Cyclooxygenasen wieder syntheti- z.B. die blutdrucksenkende Wirkung der
siert werden können, bleibt als Summen- ACE-Hemmer. Bei gleichzeitiger Ein -
effekt ein thrombozytenaggregations- nahme blutgerinnungshemmender Stoffe
hemmender Effekt übrig. steigt die Blutungsgefahr. Bei gleichzei-
tiger Einnahme von Antirheumatika
Wirkungen: Für die Sekundär pro -
(NSAR) steigt die Nebenwirkungsrate
phylaxe thromboembolischer Ereignisse
im Magen-Darm-Trakt. Gleichzeitige
wie Schlaganfall oder Herzinfarkt ist die
Gabe von Ibuprofen verhindert die
Gabe von niedrig dosierter Acetylsali-
aggregationshemmende Wirkung von
cylsäure (30-100 mg/Tag) äußerst wirk-
Acetylsalicylsäure. Bei Kombination mit
sam. Vor einer Anwendung von Acetyl-
selektiven COX-2 Hemmern geht die
salicylsäure bei gesunden Menschen
Selektivität dieser Arzneimittel verloren.
wird abgeraten, da die Nebenwirkungs -
rate höher ist als der zu erwartende Schwangerschaft und Stillzeit: In
Nutzen. den letzten drei Schwangerschaftsmo-

1 A, CH, D: Plavix

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


60 Blut

naten soll Acetylsalicylsäure nicht ange- Kombinationsmöglichkeiten: Eine


wendet werden. Während der ersten 6 Kombination mit Acetylsalicylsäure ist
Monate der Schwangerschaft und möglich. Die Kombination mit anderen
während der Stillzeit soll Acetylsalicyl - Arzneimitteln hat keine Auswirkung auf
säure nur bei zwingender Indikation ver- den Effekt.
wendet werden. Wechselwirkungen: Bei Kombina -
Kontraindikationen: Nicht ange- tion mit blutgerinnungshemmenden
wendet werden darf Acetylsalicylsäure Stoffen wird die Blutungsneigung er -
bei bestehenden Magen- und Darm - höht. Ebenfalls bei Kombination mit
ulzera, sowie bei Niereninsuffizienz. NSAR.
Kalziumantagonisten wie Nifedipin,
Clopidogrel1 Nitrendipin und Amlodipin hemmen die
Clopidogrel bzw. sein aktiver Metabo- Wirkung von Clopidogrel.
lit blockiert die Bindung von Adenosin - Schwangerschaft und Stillzeit: We-
diphosphat (ADP) an den purinergen gen eines Mangels an Daten ist in
Rezeptor des Subtyps P2Y 12 am Throm- Schwangerschaft und Stillzeit Vorsicht
bozyten und kann bei Unverträglichkeit geboten.
von Acetylsalicylsäure oder in schweren
Fällen in Kombination mit Acetylsalicyl- Prasugrel2
säure verwendet werden. Prasugrel ist wie Clopidogrel eine Vor-
Wirkungsmechanismus: Clopido - stufe und wird in der Leber in den akti-
grel hemmt die ADP-induzierte Vernet- ven Metaboliten umgewandelt. Dieser
zung der Thrombozyten über den Glyko- bindet am P2Y 12 Adenosinrezeptor der
protein IIb/IIIa-Rezeptorkomplex. Thrombozyten. In der Folge unterbleibt
die Thrombozytenaktivierung über den
Wirkung: Clopidogrel wird bei Patien-
Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorkomplex.
ten mit Unverträglichkeit gegen Acetyl -
Die Blockade ist wie bei Acetylsalicyl -
salicylsäure zur Vorbeugung von Schlag-
säure irreversibel. Prasugrel wird allein
anfällen und Herzinfarkten sowie nach
oder in Kombination mit Acetylsalicyl -
koronaren STENT-Implantationen ein-
säure beim akuten Koronarsyndrom
gesetzt.
oder nach STENT-Implantation einge-
Wirkungseintritt und Wirkungs - setzt. Die häufigsten Nebenwirkungen
dauer: Die Wirkung ist irreversibel und sind schwere Blutungen.
hält daher nach Absetzen etwa 5-10
Tage an. Abciximab3
Nebenwirkungen: Aufgrund der Wir- Abciximab besteht aus Fragmenten
kung treten vermehrt Blutungen auf, von Antikörpern, die das Bindeprotein
gastrointestinale Nebenwirkungen sind Glykoprotein IIb/IIIa blockieren, sodass
seltener als unter Acetylsalicylsäure. sich Thrombozyten nicht verbinden

1 A, CH, D: Plavix 3 A, CH, D: ReoPro


2 A, CH, D: Efient

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Blut 61

können. Abciximab wird intravenös ver- wieder funktionsfähig. Nebenwirkungen


abreicht. Seine Anwendung ist nur dem können sein Dyspnoe, Herzrhythmus -
erfahrenen Therapeuten vorbehalten. störungen und erhöhte Harnsäure, die
Eine Kombination mit Acetylsalicylsäure Blutungshäufigkeit wird als gering ein-
oder blutgerinnungshemmenden Stoffen geschätzt.
ist möglich.

Ticagrelor1 Tirofiban2 und Eptifibatid3


Ticagrelor ist wie Clopidogrel und Sie blockieren ebenfalls das Binde-
Prasugrel ein Hemmstoff des Adenosin - protein, Glykoprotein IIb/IIIa, sind aber
rezeptors am Thrombozyten. Es ist keine keine Antikörper. Sie werden intravenös
Prodrug, wirkt also ohne Metaboli - zugeführt. Sie werden bei instabiler
sierung und die Bindung ist reversibel. Angina pectoris zur Reduktion von
Die Plättchen sind also nach 2-3 Tagen Zwischenfällen angewendet.

1 A: Brilique; CH, D: Brilinta 3 A, CH, D: Integrilin


2 A, CH, D: Aggrastat

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


62 Blut

ANÄMIEN

Tab. 1: Arzneimittel zur Behandlung von Anämien


Eisenmangel-Anämien Eisen-2-Salze (oral)
Eisen-3-Verbindungen (parenteral)
Pernizöse Anämien Cyanocobalamin (Vitamin B12)
Macrocytäre Anämien Folsäure
Renale Anämien Erythropoetin

Eisenmangel-Anämie Mangel. Dieser entsteht durch einen


Mangel an Intrinsic-Faktor, der für die
Die Eisenmangelanämie ist die häu- Resorption von Vitamin B12 notwendig
figste Anämieform, bei der der Hämo - ist. Die Therapie reduziert sich auf die
globingehalt stärker erniedrigt ist als parenterale Applikation von Vitamin
die Erythrozytenzahl (Hypochrome Anä - B12 Präparaten. Dies ist die einzig ge -
mie). Die Ursachen können erhöhter Eisen- sicherte Indikation für Vitamin B12.
bedarf (in der Schwangerschaft), ein er-
höhter Eisenverlust (Blutungen) oder
eine verminderte Eisenzufuhr (Eisenge - Folsäuremangel-Anämie
halt der Nahrung) sein. Die Therapie
besteht in oraler oder als Ausnahme in Folsäure gehört wie Vitamin B12 zu
parenteraler Zufuhr von Eisen. den Vitaminen der B-Gruppe. Zur Thera-
pie werden Folsäurepräparate in einer
Eisenpräparate Dosierung von 10-20mg oral oder 1-5mg
Zur oralen Zufuhr gibt es eine Reihe parenteral täglich verabreicht.
von Eisen-2-Salzen, die mehr oder min-
der gleichwertig sind. Eine Retardform
ist nicht sinnvoll, da die Resorption nur Renale Anämien
im oberen Dünndarm erfolgt. Auch eine
Kombination mit Vitaminen ist über- Bei Nierenerkrankungen kann es zu ei-
flüssig. Eine parenterale Zufuhr von ner Anämie kommen, die auf einem
Eisen-3-Komplex-Verbindungen ist nur Mangel an Erythropoetin beruht. Erythro-
in Ausnahmenfällen notwendig. poetin regt im Knochenmark die Bildung
der roten Blutkörperchen an. Ein Man -
gel an Erythropoetin wird durch intra-
Perniziöse Anämie venöse und subkutane Zufuhr ausgegli-
chen. Als Nebenwirkung ist eine Zu -
Diese Form der Anämie entsteht nahme des Blutdrucks und der Ge -
durch langdauernden Vitamin B12- rinnungsneigung zu beachten.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Bluthochdruck 63

BLUTHOCHDRUCK
Tab. 1: Arzneimittel für die Behandlung von Bluthochdruck
Saluretika Hydrochlorothiazid1
Chlortalidon2
β-Blocker Atenolol3
Metoprolol4
ACE-Hemmer Captopril5
Enalapril6
Lisinopril7
AT 1-Rezeptorantagonisten (Sartane) Losartan8
Valsartan9
Reninantagonist Aliskiren 10
Kalziumantagonisten Amlodipin11
Nifedipin 12
α1-Blocker Doxazosin13
Urapidil14
α2-Rezeptor-Agonisten Clonidin15
Moxonidin 16
Methyldopa17
Andere Vasodilatatoren Dihydralazin 18
Minoxidil19
Diazoxid 20
1 In vielen Kombinationen 11 A, CH, D: Norvasc
2 In vielen Kombinationen 12 A, CH, D: Adalat
3 A, CH, D: Tenormin 13 A: Supressin; CH: Cardura; D: Cardular
4 A, CH, D: Beloc 14 A, CH, D: Ebrantil
5 A, CH, D: Lopirin 15 A, CH, D: Catapresan
6 A: Renitec; CH: Reniten; D: Xanef 16 A: Moxonidin; CH: Physiotens; D: Cynt
7 A: Acemin; CH: Lisitril; D: Acerbon 17 A: Aldometil; CH: Aldomet D: Presinol
8 A, CH: Cosaar; D: Lorzaar 18 A: –; CH: Adelphan-Esidrex; D: Nepresol
9 A, CH, D: Diovan 19 A, CH: Loniten; D: Lonolox
10 A, CH, D: Rasilez 20 A: –; CH, D: Proglicem

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


64 Bluthochdruck

Die häufigste chronische Hypertonie- Anfang kommt es zu Natrium- und


form ist die sogenannte essentielle Flüssigkeitsausscheidung und damit zur
Hypertonie, bei der zu Beginn der Er - Verminderung des extrazellulär- und
krankung im Allgemeinen das Herzzeit- Herzzeitvolumens. Während sich das
volumen erhöht ist, später der periphe- Herzzeitvolumen nach einiger Zeit normali-
re Widerstand in Folge einer Vasokon- siert, bleibt der periphere Widerstand
striktion steigt und das Herzzeit volu- abgesenkt. Verwendet werden haupt-
men wieder in den Normbereich zurück- sächlich die langwirksamen Saluretika,
geht. Die Risiken einer unbehandelten Hydrochlorothiazid und Chlorthalidon.
Hypertonie liegen in einer erhöhten Schleifendiuretika wie Furosemid sind
Anfälligkeit für Schlaganfall, koronare mit Triamteren kombiniert, um dem
Herzkrankheit, Myokardinfarkt und Kaliumverlust entgegen zu wirken (siehe
Niereninsuffizienz. Nicht-medikamentö- Seite 103).
se Maßnahmen zur Vorbeugung sind Nebenwirkungen: Die wichtigste
ausreichend Bewegung, Reduktion von Nebenwirkung ist der Kaliumverlust,
Kochsalz und gesättigten Fettsäuren, eine damit verbundene verminderte
reichlich Früchte und Pflanzenfasern, Glukosetoleranz und in Einzelfällen Im -
sowie Reduktion von Gewicht, Alkohol- potenz.
und Zigarettenkonsum. Die Arznei -
Wechselwirkungen: NSAR können die
therapie folgt einem Stufenplan, begin-
Wirkung der Diuretika aufheben.
nend mit Saluretika oder β-Blockern,
respektive der Kombination, ferner
ACE-Hemmern, Angiotensin-Rezeptor - β-Blocker
antagonisten und als Ausweich präpa-
rate Kalziumantagonisten. Antihyper - Vertreter:
tensiva sollen nicht hoch dosiert wer-
β1-selektive β-Blocker:
den, eine Kombination verschiedener
Atenolol1
Wirkprinzipien ist zu bevorzugen. Ein
Bisoprolol2
großes Problem in der Therapie ist die
Metoprolol3
Compliance, da Blutdrucksenkung sub- Esmolol4
jektiv unangenehm ist. Regelmäßige Betaxolol5
Kontrollen erleichtern eine optimale
β-Blocker mit zusätzlich
Einstellung.
vasodilatierender Komponente sind:
Celiprolol6
Diuretika Nebivolol7
Carvedilol8
Wirkungen: Die Basis jeder Hoch-
drucktherapie ist die Verminderung des
Kochsalzbestandes des Körpers, der
durch Saluretika wirksam gesenkt werden β-Blocker senken über β1-Rezeptoren
kann. Der Wirkungsmechanismus der die Kontraktionskraft des Herzens, die
Saluretika ist nicht wirklich geklärt. Am Herzfrequenz und das Herzminuten -
1 A, CH, D: Tenormin 6 A, CH: Selectol; D: Celipro
2 A, CH, D: Concor 7 A: Nomexor; CH, D: Nebilet
3 A, CH, D: Beloc 8 A, CH, D: Dilatrend
4 A, CH, D: Brevibloc
5 A, CH: Betoptic; D: Betoptima E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Bluthochdruck 65

volumen. Die Blockade von β2-Rezep- antihypertensiven Behandlung in der


toren in den peripheren Gefäßen führt Schwangerschaft, Atenolol sollte eher
zur Erhöhung des peripheren Wider - nicht verwendet werden. Während der
standes. Es werden also β-Blocker mit Stillzeit gibt es keine Einschränkungen.
einer gewissen β 1-Selektivität bevor- Gegenanzeigen: Bei schweren Herz-
zugt, die bei höherer Dosierung ver- rhythmusstörungen, schweren periphe-
schwindet. Weitere Wirkungen der Beta- ren Durchblutungsstörungen und Asthma
blocker sind Verringerung der Reninaus- bronchiale sollen β-Blocker nicht ange-
schüttung und damit eine verminderte wendet werden.
Bildung von Angiotensin II und Blocka-
de präsynaptischer Rezeptoren und eine
dadurch verminderte Noradrenalinfrei - ACE-Hemmer
setzung. Mit zunehmendem Alter nimmt
die Wirksamkeit von β-Blockern ab. Die wichtigsten Vertreter:
Nebenwirkungen: Kardial kommt es Captopril 2
zur Hemmung der Herzqualitäten und Enalapril 3
Lisinopril4
peripher zu Durchblutungsstörungen mit
Ramipril 5
kalten Extremitäten, Potenzstörungen und
Cilazapril 6
bei Patienten mit Atemwegserkrankun-
Fosinopril 7
gen zu Bronchospasmen. Bei mit Insulin
Perindopril 8
behandelten Diabetikern können β-Blocker Quinapril9
zu Hypoglykämie führen. Über das ZNS Spirapril10
kann es zu Müdigkeit, Alpträumen und
depressiven Verstimmungen kommen.
Kombinationsmöglichkeiten: Kom- Wirkungsmechanismus: Angiotensin
binationen mit Diuretika, ACE-Hemmern converting enzyme (ACE) bildet aus An -
bzw. Kalziumantagonisten sind durch- giotensin I Angiotensin II, eine der am
aus üblich. stärksten gefäßverengenden Substan -
zen des Körpers. ACE-Hemmstoffe re -
Wechselwirkungen: Zahlreiche Wech- duzieren daher die Angiotensin II-Bil -
selwirkungen mit anderen Mitteln sind dung und senken den diastolischen und
bekannt und müssen beachtet werden.
systolischen Blutdruck.
Gleichzeitige Gabe von Antiarrhythmika
kann gefährliche Herzwirkungen nach Wirkungen: Die Blutdrucksenkung
sich ziehen und gleichzeitige Gabe von durch ACE-Hemmer beruht auf einer
gefäßerweiternden Substanzen führt zu Verminderung des peripheren Gefäß-
Hypotonie. β-Sympathomimetika wie Sal- widerstandes, dies auch bei normalen
butamol antagonisieren die β-blockie- Reninwerten.
rende Wirkung. Nebenwirkungen: Die wichtigste Ne-
Schwangerschaft und Stillzeit: Me- benwirkung ist ein Reizhusten, am An -
toprolol 1 gilt als Mittel der Wahl bei der fang der Therapie kann es unter beste-
1 A, CH, D: Beloc 5 A: Hypren; CH: Ramipril; D: Delix
2 A, CH, D: Lopirin 6 A, CH: Inhibace; D: Dynorm
3 A: Renitec; CH: Reniten; D: Pres 7 A: Fosinopril; CH: Fositen; D: Fosinorin
4 A: Acemin; CH: Zestril; D: Acerbon 8 A, CH, D: Coversum
9 A, CH, D: Accupro
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 10 A, D: Quadropril; CH: –
66 Bluthochdruck

hender Diuretikatherapie zu orthostati- AT1-Rezeptor-


schen Beschwerden kommen.
Antagonisten (Sartane)
Kombinationsmöglichkeit: Die Kom-
bination mit klassischen Saluretika ver-
Die wichtigsten Vertreter:
bessert die Wirkung der ACE-Hemmer.
Eine Kombination mit kaliumsparenden Losartan1
Diuretika soll vermieden werden, da Valsartan2
Candesartan3
ACE-Hemmer selbst zu einem Anstieg
Eprosartan4
der Kaliumkonzentration im Plasma führen.
Irbesartan5
Wechselwirkungen: Die Kombina- Olmesartan6
tion mit kaliumsparenden Diuretika Telmisartan7
oder Kaliumsubstitution ist zu vermei-
den. Zu beachten ist, dass auch nicht-
steroidale Antirheumatika (NSAR) zu Angiotensin 1-Rezeptoren (AT 1) ver-
einer Kaliumretention führen können. mitteln die gefäßkontrahierende Wir-
In Kombination können Acetylsalicyl- kung von Angiotensin II. AT 1-Rezep-
säure und NSAR die blutdrucksenkende toren können sehr selektiv durch Sar -
Wirkung von ACE-Hemmern aufheben. tane blockiert werden. Dadurch verrin-
Die blutdrucksenkende Wirkung ande- gert sich der periphere Gefäßwider -
rer Arzneimittel kann durch ACE- stand und der Blutdruck senkt sich ähn-
Hemmer verstärkt werden. Lithium- lich wie bei β-Blockern oder ACE-
Spiegel können durch ACE-Hemmer ge- Hemmern.
fährlich erhöht werden. Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
sind selten, eine Hyperkaliämie kann
Schwangerschaft und Stillzeit: ACE-
durch kaliumsparende Diuretika und
Hemmer sind während der gesamten
Kaliumeinnahme verstärkt werden.
Schwangerschaft kontraindiziert. Eine
unbeabsichtigte Exposition rechtfertigt Kombinationsmöglichkeiten: Eine
jedoch keinen Schwangerschafts ab - Kombination von AT1-Rezeptorantago-
bruch. Verabreichung der ACE-Hemmer nisten mit ACE-Hemmstoffen wird nicht
während der Stillzeit ist möglich. empfohlen.
Wechselwirkungen: Lithiumspiegel
können durch Sartane in einem gefähr-
lichen Ausmaß erhöht werden.
Schwangerschaft und Stillzeit: Sar-
tane sind in der Schwangerschaft kon-
traindiziert und sollen auch in der
Stillzeit vermieden werden.

1 A, CH: Cosaar; D: Lorzaar 5 A, CH, D: Aprovel


2 A, CH, D: Diovan 6 A: Mencord; CH, D: Olmetec
3 A, CH, D: Blopress 7 A, CH, D: Micardis
4 A, CH, D: Teveten

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Bluthochdruck 67

Kalziumantagonisten Erythromycin, Itraconazol und Grape -


fruitsaft können die Wirkung der
Kalziumantagonisten verstärken und
Vertreter: Enzyminduktoren wie Carbamazepin
Nifedipin 1 oder Phenytoin können die Wirkung der
Amlodipin2 Kalziumantagonisten vermindern.
Felodipin 3
Nitrendipin4
Lercanidipin5 α2-Rezeptor-Agonisten
Nimodipin6
Isradipin7
α 2-Adrenozeptoragonisten stimulie-
Nisoldipin8
ren präsynaptische α2-Rezeptoren und
Nilvadipin9
hemmen so die Noradrenalinfreisetzung
und postsynaptische α2-Rezeptoren und
Wirkungsmechanismus: Kalzium - senken über diese die Sympatikusaktivi-
antagonisten, auch Kalziumkanalblocker tät. Beide Effekte resultieren in einer Blut-
genannt, hemmen den Kalziumeinstrom drucksenkung. Clonidin und Moxonidin
in die Zellen der Gefäßmuskulatur und stimulieren zusätzlich sogenannte Imida-
bewirken so eine Gefäßerweiterung. zolinrezeptoren die ebenfalls zu einer
Hemmung der Sympathikus-Aktivität
Wirkungen: Es kommt zum Absinken
führen. Die blutdrucksenkende Wirkung
des peripheren arteriellen Widerstan-
dieser Substanzen ist sehr stark, bei
des. Die kardiodepressive Komponente
plötzlichem Absetzen können erhebli-
bewirkt eine Abnahme von Herzfre - che Blutdrucksteigerungen auftreten.
quenz, Reizleitung und Kontraktions -
kraft des Herzens. Kalziumantagonisten
sind heute Ausweichpräparate, wenn β-
Blocker nicht verwendet werden kön- Andere Vasodilatatoren
nen bzw. bei älteren Patienten. Da
Kalziumantagonisten mit kurzer Halb - Dihydralazin, Minoxidil und Diazoxid
werden mit anderen blutdrucksenken-
wertszeit zu Reflextachykardien führen
den Stoffen kombiniert, wenn deren
können (z.B. Nifedipin) werden bevor-
Wirkung allein nicht ausreicht.
zugt Kalziumantagonisten mit langer
Halbwertszeit oder Retardpräparate ver-
wendet.
Nebenwirkungen: Häufig Tachykar-
Hypertone Krise
die, Kopfschmerzen, Gesichtsrötung, Zur Behandlung der hypertonen Krise
Wärmegefühl und Übelkeit. stehen als Mittel der Wahl Urapidil10
Wechselwirkungen: Hemmer des und Furosemid 11 intravenös zur Verfü -
Cytochrom P450 3A4 Isoenzyms wie gung. Weitere Möglichkeiten der Inter -
1 A, CH, D: Adalat 6 A, CH, D: Nimotop
2 A, CH, D: Norvasc 7 A, CH: Lomir; D: Vascal
3 A, CH: Plendil; D: Munobal u.a. 8 A: Syscor; CH: –; D: Baymcard
4 A, CH: Baypress; D: Bayotensin 9 A: Tensan; CH: –; D: Escor
5 A, CH: Zanidip; D: Carmen 10 A, CH, D: Ebrantil
11 A, CH, D: Lasix
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
68 Bluthochdruck

vention sind Glyceroltrinitrat1 sublingu- Ambrisentan bindet sich bevorzugt


al sowie Clonidin 2 oder Labetalol 3 an den ETA-Rezeptor. Der Vorteil dieser
intravenös. Letztere Arzneimittel sollen Spezifität muss erst bewiesen werden.
nur unter sorgfältiger Blutdruck kon -
Nebenwirkungen: Durch Hemmung
trolle eingesetzt werden.
der Wirkung des Endothelins kommt es
zu Kopfschmerz und Flush. Reversible,
symptomlose Anstiege der Leberenzyme
Pulmonale sind häufig.
Hypertonie (PAH)
Sildenafil (siehe Seite 69) wird in
Bei der pulmonalarteriellen Hyperto-
einer Dosis von 3-mal täglich 20 mg
nie kommt es durch Vasokonstriktion verabreicht; für die Behandlung der
zu einem Druckanstieg und später zu erektilen Dysfunktion werden Dosen von
einer Zellvermehrung in den Gefäßen 50-100 mg benötigt.
der Lungenstrombahn. Das Lumen ver-
engt sich auf 10-20% vom Ausgangs -
wert. Therapeutische Gefäßerweiterung
wird erreicht durch Iloprost 4 oder Silde-
nafil5.

Endothelinantagonisten
Die wichtigsten Vertreter:
Bosentan6
Ambrisentan7

Bosentan
Wirkungsmechanismus: Bosentan
blockiert die Wirkung des starken körp-
ereigenen Vasokonstriktors Endothelin.
Es ist ein dualer Antagonist an den bei-
den Endothelinrezeptoren ETA und ETB-
Rezeptoren.

1 A, CH, D: Nitrolingual 5 A, CH, D: Revatio


2 A, CH, D: Catapresan 6 A, CH, D: Tracleer
3 A, CH: Trandate, D: – 7 A, CH, D: Vilibris
4 A, CH, D: Ilomedin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Durchblutungsstörungen 69

DURCHBLUTUNGSSTÖRUNGEN

Tab. 1: Arzneimittel gegen Durchblutungsstörungen


Erektile Dysfunktion Sildenafil1
Tadalafil2
Vardenafil3
Alprostadil4
Periphere Durchblutungsstörungen Nifedipin 5
Prazosin6
Alprostadil
Verbesserte Fließeigenschaften des Blutes Pentoxifyllin 7
Buflomedil 8
Naftidrofuryl 9
Zentrale Durchblutungsstörungen Naftidrofuryl
Ginkgo biloba10
1 A, CH, D: Viagra 6 A: Minipress; CH: –; D: Prazosin
2 A, CH, D: Cialis 7 A, CH, D: Trental
3 A, CH, D: Levitra 8 A: Loftyl; CH: –; D: Bufedil
4 A, CH, D: Caverject 9 A: Dusodril; CH: Praxilene; D: Dusodril
5 A, CH, D: Adalat 10 A: Tebonin; CH: Tebokan; D: Tebonin

Die häufigsten Ursachen für Durch - Erektile Dysfunktion


blutungsstörungen sind Arteriosklerose,
Verschlüsse und Fehlsteuerungen im Ge- Erst seit der Einführung von soge-
fäßsystem. Bei der erektilen Dysfunktion nannten Phosphodiesterase 5 (PDE5) In-
können ein verminderter arterieller Zu - hibitoren gibt es klinisch geprüfte und
strom, ein verstärkter venöser Abfluss, wirksame Arzneimittel gegen die erekti-
eine hormonelle Störung, Diabetes oder le Dysfunktion.
verschiedene Arzneimittel die Ursache
sein. Arzneimittel, die häufig zu Impo - Es sind Substanzen, die den Abbau
tenz führen sind Kalziumkanalblocker, von zyklischem GMP hemmen, dessen
Betablocker, selektive Serotonin-Rückauf- relaxierende Wirkung der glatten Musku-
nahme-Inhibitoren (SSRI), andere Anti - latur des Schwellkörpers damit verlän-
depressiva, Neuroleptika, Tranquillan - gert wird.
tien u.a.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


70 Durchblutungsstörungen

Sildenafil1, Tadalafil 2, und Flush. Andere Nebenwirkungen


Vardenafil 3 können sein: Schwindel, Sehstörungen,
Dyspepsie und Priapismus mit anhalten-
Wirkungsmechanismus: Bei sexuel- den, schmerzhaften Erektionen.
ler Stimulation kommt es in den Neu -
ronen und im Endothel der Blutgefäße Kombinationen: Eine Kombination
des Schwellkörpers zu NO-Freisetzung, mit Acetylsalicylsäure beeinflusst nicht
welches eine lösliche Guanylatzyklase deren Wirkung.
aktiviert, die dann zyklisches GMP bil- Wechselwirkungen: Die Kombination
det, das eine Gefäßerweiterung und dieser Substanzen mit blutdrucksenken-
damit die Füllung des Schwellkörpers den Mitteln verstärkt deren blutdruck-
bewirkt. Die drei Substanzen hemmen senkende Wirkung. Substanzen, die
den Abbau von zyklischem GMP und ver- Inhibitoren des Cytochrom P450 3A4
längern damit die relaxierende Wirkung Isoenzyms sind, können die Konzentra-
auf die Gefäße im Schwellkörper. tionen dieser Substanzen erhöhen.
Wirkungen: Wenn eine sexuelle Sti- Schwangerschaft und Stillzeit:
mulation die lokale Ausschüttung von Phosphodiesterase 5 Inhibitoren sind
Stickstoffoxid (NO) verursacht, erhöhen nicht zur Anwendung bei Frauen be-
sich die zyklischen GMP-Spiegel im stimmt.
Schwellkörper und Blut fließt in das Gegenanzeigen: Vor einer Kombina-
Penisgewebe. Durch die Abbauhemm- tion mit Nitraten wird abgeraten, da die
ung von zyklischem GMP wird dieser blutdrucksenkende Wirkung verstärkt
Vorgang erleichtert, wodurch eine Erek - wird. Männer mit kardialen Erkrankun -
tion hervorgerufen wird. Ohne sexuelle gen, Patienten mit vorangegangenem
Stimulation haben die Substanzen kei - Herzinfarkt oder Schlaganfall, Patienten
ne Wirkung. mit instabiler Angina pectoris, mit
Wirkungseintritt und Wirkungs - Herzinsuffizienz, Schweregrad II und
dauer: Der Wirkungseintritt ist nach solche mit unkontrollierten Arrhythmien.
oraler Gabe relativ rasch, also nach
etwa 15-20 Minuten zu erwarten, die Alprostadil 4
Wirkungsdauer von Sildenafil und von Alprostadil ist ein Prostaglandin E1
Vardenafil wird mit 4-5 Stunden und Derivat und muss zur Behandlung der
von Tadalafil mit etwa 36 Stunden an - erektilen Dysfunktion in den Schwell -
gegeben. körper injiziert oder in die Harnröhre
Dosierung: Diese Substanzen wer- eingebracht werden. Alprostadil führt
den im Bedarfsfall eingenommen. Unter zur Gefäßerweiterung und ermöglicht
bestimmten Bedingungen werden PDE5 dadurch die Blutfüllung und die Erek -
Inhibitoren in niedriger Dosierung auch tion.
regelmäßig verabreicht. Nebenwirkungen sind lokale Schmer-
Nebenwirkungen: Die wichtigsten zen, fibrotische Veränderungen und
Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen Hämatome. Auch bei Alprostadil kann
1 A, CH, D: Viagra 3 A, CH, D: Levitra
2 A, CH, D: Cialis 4 A, CH, D: Caverject

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Durchblutungsstörungen 71

es zu Priapismus über 4-6 Stunden und dem sehr häufig verordneten Gink -
kommen. go biloba-Extrakt 5 werden zwar ge -
macht, eine Sinnhaftigkeit solcher The -
rapien wird jedoch in Zweifel gestellt.
Periphere Durch- Alprostadil steigert die Durchblutung
blutungsstörungen in ischämischen Extremitäten. Es muss
infundiert werden, da es sofort in der
Die Therapie peripherer Durchblu - Lunge abgebaut wird. Zahlreiche Neben-
tungsstörungen durch gefäßerweitern- wirkungen wie Fieber und Hitzegefühl,
Schüttelfrost und Schweißausbruch,
de Mittel ist insofern problematisch, als
Übelkeit und Durchfall sowie Herz-
sich die großen Gefäße besser erweitern
Kreislauf-Beeinträchtigungen machen
und den schlechter durchbluteten Arte -
die Therapie problematisch.
rien und Arteriolen weniger Blut zu -
kommen lassen (Stealeffekt). Dennoch Pentoxifyllin ist ein Methylxanthin
werden Kalziumantagonisten wie Nifedi- und wird bei peripheren und zentralen
pin (siehe Seite 67), der α 1-Adreno- Durchblutungsstörungen angewendet.
zeptorantagonist Prazosin (siehe Seite Die Wirkung gilt als eher unsicher.
36) und das Prostaglandin E 1 Derivat Nebenwirkungen sind Flush, Übelkeit,
Alprostadil1 eingesetzt. Erbrechen und Durchfälle sowie gele-
gentlich Tachykardie. Auch zentrale
Sehr oft verwendet werden auch Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopf -
Substanzen, die die Flusseigenschaften schmerz, Unruhe und Schlafstörungen
des Blutes verbessern sollen. Dazu können auftreten. Die mäßige Verträg -
gehören Pentoxifyllin2, Buflomedil3 und lichkeit bei unsicherer Wirkung recht-
Naftidrofuryl 4 . In klinischen Studien fertigt nicht die massenhafte Verord -
wurden Wirkungen dieser Substanzen nung.
auf die Durchblutung indirekt durch
Buflomedil wird bei peripherer arte-
Verlängerung der Gehstrecke bei arteri-
rieller Verschlusskrankheit eingesetzt.
ellen Verschlusserkrankungen gezeigt.
Auch seine Wirkung gilt als unsicher.
Die Effekte sind nicht dramatisch, es
Nebenwirkungen auf das Verdauungs -
gibt jedoch keine besseren Alternativen. system, Kopfschmerzen und Schwindel
sowie Tachykardie und Hypotonie wer-
den angegeben.
Zentrale Durch- Naftidrofuryl ist eine unspezifisch
blutungsstörungen gefäßerweiternde Substanz und wird
bei peripheren und zentralen Durch-
Auch zentrale Durchblutungsstörungen blutungsstörungen angewendet. Die
sind therapeutisch nicht wirklich zu - Nebenwirkungen sind ähnlich wie bei
gänglich. Versuche mit Naftidrofuryl Buflomedil.

1 A: Prostavasin; CH: Prostin; D: Prostavasin 4 A: Dusodril; CH: Praxilene; D: Dusodril


2 5 A: Tebonin; CH: Tebokan; D: Tebonin
A, CH, D: Trental
3 A, CH: Loftyl; D: Bufedil

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Herzinsuffizienz 73

HERZINSUFFIZIENZ
Tab. 1: Arzneimittel für die Behandlung der Herzinsuffizienz
ACE-Hemmer Captopril1
Enalapril2
AT 1-Rezeptorantagonisten Losartan3
Candesartan4
β-Blocker Bisoprolol5
Metoprolol6
Diuretika Hydrochlorothiazid7
Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten Spironolacton 8
Herzglykoside Acetyldigoxin 9
Digitoxin10
1 A, CH, D: Captopril 6 A, CH, D: Beloc
2 A: Renitec, CH: Reniten, D: Xanef 7 In vielen Kombinationen
3 A, CH: Cosaar D: Lorzaar 8 A, CH, D: Aldactone
4 A, CH, D: Blopress 9 A, D: Novodigal; CH: –
5 A, CH, D: Concor 10 A: Digimerck; CH: –; D: Digimerck

Stark vereinfacht ist die chronische Diese Effekte werden durch Akti vie-
Herzinsuffizienz auf Störungen der neu- rung von β 1-Rezeptoren hervorge-
ro humoralen Steuerung der Herz - rufen, die einen Anstieg an zykli-
tätigkeit zurückzuführen. Diese neuro- schem AMP und einen Kalziumein-
humorale Steuerung umfasst: strom bewirken.
 Das sympathische Nervensystem.  Das parasympathische Nerven-
Seine Aktivierung bewirkt: system, dessen Aktivierung dem
– Erhöhte Kontraktionskraft sympathischen System entgegen-
(positiv inotroper Effekt) wirkt, d.h.:
– erhöhte Herzfrequenz – Verminderte Herzfrequenz und
(positiv chronotroper Effekt)
– verminderte Überleitungs-
– erhöhte Reizleitung
geschwindigkeit
(positiv bathmotroper Effekt)
– Repolarisation nach erfolgter Diese Effekte werden über soge-
Depolarisation und nannte muskarinische M2-Rezep-
– verminderte Sauerstoff- toren vermittelt, deren Aktivierung
ökonomie die Bildung von zyklischem AMP

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


74 Herzinsuffizienz

vermindert und über Öffnung von AT1-Rezeptor-


K+-Kanälen zu Hyperpolarisation
führt Antagonisten
 Das Renin-Angiotensin-Aldo- Bei Unverträglichkeit von ACE-Hemmern
steron (RAA)-System, dessen (Husten, Allergie) können AT1-Rezeptor-
Aktivierung zu Gefäßverengung, Antagonisten verwendet werden. Eine
Salz- und Wasserretention und
Kombination mit ACE-Hemmern wird
gesteigerter Noradrenalinfreisetzung
nicht empfohlen.
führt.
Angaben zu Vertretern, Wirkungen
Daraus ergeben sich die therapeuti-
und Nebenwirkungen siehe Seite 66.
schen Möglichkeiten wie folgt:
 Verminderung der neurohumoralen
Aktivierung mit ACE-Hemmern, β-Blocker
β-Blockern und Aldosteronrezeptor-
antagonisten β-Blocker haben bei der chronischen
Herzinsuffizienz in Kombination mit
 Senkung der Vor- und Nachlast des
ACE-Hemmern, Diurektika oder Herz -
Herzens mit ACE-Hemmern oder
AT 1-Rezeptorantagonisten und glykosiden einen nachgewiesenen lebens-
Diuretika und verlängernden Effekt. Zur Therapie der
Herzinsuffizienz zugelassen sind: Car -
 Steigerung der Kontraktionskraft vedilol2, Bisoprolol3 und Metoprolol4.
des Herzens mit Herzglykosiden
Angaben zu Vertretern, Wirkungen
und Nebenwirkungen siehe Seite 64.
ACE-Hemmer
Die Therapie der chronischen Herz- Diuretika
insuffizienz mit ACE-Hemmern ist mit
Studien gut belegt. Der Therapiebeginn Thiazide wie Hydrochlorothiazid und
soll mit dem kurz wirksamen Captopril 1 Schleifendiuretika wie Furosemid5 die-
erfolgen, nach Einstellung wird auf nen zur Verminderung des Blut volu-
einen länger wirksamen ACE-Hemmer mens und zur Ausschwemmung von
umgestellt. Ödemen bei chronischer Herzinsuffi -
zienz. Sie können auch in schweren
Angaben zu Vertretern, Wirkungen
Fällen kombiniert eingesetzt werden.
und Nebenwirkungen siehe Seite 65.
Auch die Kombination mit kaliumspa-
renden Diuretika, vor allem bei beste-
hender Herzglykosidtherapie ist sinn-
voll. In Frage kommen Triamteren6 oder
Amilorid7.
1 A, CH, D: Captopril 5 A, CH, D: Lasix
2 A, CH, D: Dilatrend 6 A: Dytide; CH: –; D: Dytide
3 A, CH, D: Concor 7 A, CH: in Kombinationen; D: Moducrin
4 A, CH, D: Beloc

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Herzinsuffizienz 75

Aldosteron-Rezeptor-  verlangsamen die Frequenz (negativ


chronotrope Wirkung)
Antagonisten
 setzen die Erregunsleitung herab
Der Aldosteron-Rezeptor-Antagonist (negativ dromotrope Wirkung) und
Spironolacton 1 kann bei schwerer Herz -  senken die Reizschwelle der Erre-
insuffizienz in Kombination mit ACE- gungsbildung (positiv bathmotrope
Hemmern, Saluretika oder Herzglyko - Wirkung)
siden unter Beachtung des Kalium -
Unterschiede zwischen den einzelnen
spiegels verabreicht werden. Bei einge-
Herzglykosiden gibt es nur hinsichtlich
schränkter Nierenfunktion ist eine Hyper-
kaliämie besonders zu beachten. ihrer pharmakokinetischen Eigenschaf -
ten.
Dosierung: In den meisten Fällen
Herzglykoside kann man die Einstellung bereits mit
der Erhaltungsdosis beginnen, d.h. dass
Herzglykoside sind nicht mehr Mittel es einige Tage bis zur vollen Wirk -
der ersten Wahl zur Therapie der chro- samkeit dauert. Die Erhaltungsdosen in
nischen Herzinsuffizienz. Klinische Stu - mg/Tag betragen:
dien zeigen keinen Einfluss auf die Über- Digoxin 0,25
lebenszeit, Herzglykoside werden je - β-Acetyldigoxin 0,3
doch wegen der Verbesserung der Metildigoxin 0,2
Lebens qualität und der Belastbarkeit Digitoxin 0,1
der Patienten nach wie vor verwendet.
Die therapeutischen Plasmakonzen -
Wirkungsmechanismus: Herzglyko- trationen müssen bestimmt werden.
side hemmen die magnesiumabhängige
Na +/K+-ATPase und vermindern so den Wirkungseintritt und -dauer: Nur
Natriumausstrom und den Kaliumein - wenn ein rascher Wirkungseintritt
strom an der Herzmuskelzelle. Die intra- erforderlich ist, muss mit einer intra-
zelluläre Natriumzunahme bewirkt, dass venösen Therapie begonnen werden. In
der Na/Ca2+-Austauscher weniger Na - den meisten Fällen kann man den wirk-
trium in die Zelle und weniger Kalzium samen Plasmaspiegel, der bei Gabe der
aus der Zelle transportieren kann und Erhaltungsdosis von Anfang an nach
so die intrazelluläre Kalziumkonzentra- etwa 3 Tagen eintritt, erwarten.
tion ansteigt. Letztlich ist es die Zu - Nebenwirkungen: Die wichtigsten
nahme des intrazellulären Kalziums, die Nebenwirkungen sind: Herzarrhythmien,
die Verbesserung der Kontraktionskraft gastrointestinale Störungen wie Übel-
des Herzmuskels bewirkt. keit und Erbrechen, meist bereits Zei-
Wirkungen: Herzglykoside chen einer Überdosierung und neuro -
 steigern die Kontraktionskraft des toxische Reaktionen wie Kopfschmer-
Herzmuskels (positiv inotrope zen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit.
Wirkung) Kombinationsmöglichkeiten: Herz-

1 A, CH, D: Aldactone

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


76 Herzinsuffizienz

glykoside können gut mit ACE-Hemmern Andere positiv inotrop


und Diuretika, wenn nötig auch mit β-
Blockern und Kalziumantagonisten kom- wirkende Substanzen
biniert werden.
Milrinon1 ist ein Hemmstoff der kar-
Wechselwirkungen: Absinken von dialen Phosphodiesterase und steigert
Kalium und Anstieg von Kalzium im die zelluläre Konzentration an cAMP
Plasma kann die Toxizität von Herz- und damit die Kontraktionskraft des
glykosiden verstärken. Herzens. Bei schwerer akuter Herzmus -
Schwangerschaft und Stillzeit: Herz- kelinsuffizienz wird Milrinon parenteral
glykoside können in der Schwanger - appliziert.
schaft bei Herzinsuffizienz oder als Levosimendan 2 steigert die Ca-
Antiarrhythmika eingesetzt werden. Empfindlichkeit der Herzmuskulatur
Auch in der Stillzeit sind sie unbedenk- und wirkt positiv inotrop und zusätzlich
lich. vasodilatatorisch. Indikation ist die Herz-
Gegenanzeigen: Bei Herzrhythmus- muskelinsuffizienz.
störungen sollen Herzglykoside nicht
angewendet werden.

1 A, CH: Corotrop; D: – 2 A: Simdax; CH, D: –

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Koronare Herzkrankheit 77

KORONARE HERZKRANKHEIT
Tab. 1: Arzneimittel für die Behandlung der koronaren Herzkrankheit
Nitrate Nitroglycerin1
Isosorbiddinitrat2
Isosorbidmononitrat 3
Molsidomin 4
Nicorandil5
Senkung der Herzfrequenz Ivabradin6
Senkung der Kontraktilität Ranolazin 7
β-Blocker Atenolol8
Metoprolol9
Kalziumantagonisten Amlodipin10
Nifedipin 11
1 A, CH, D: Nitrolingual 7 A, D: Ranexa; CH: –
2 A, CH, D: Isoket 8 A, CH, D: Tenormin
3 A: Isomonat; CH: Corangin; D: Isomonit 9 A, CH, D: Beloc
4 A: Molsidolat; CH, D: Corvaton 10 A, CH, D: Norvasc
5 A, CH: Dancor; D: – 11 A, CH, D: Adalat
6 A, CH, D: Procoralan

Bei der koronaren Herzkrankheit ist litus und Bewegungsmangel. Mit der
das Sauerstoffangebot für die Herz ar- medikamentösen Therapie versucht man
beit nicht ausreichend. Die häufigste die Herzarbeit zu vermindern und so
Form ist die Koronarsklerose mit einer Sauerstoffverbrauch und Sauerstoff -
asymptomatischen Verlaufsform, der
angebot aufeinander abzustimmen. Die
sogenannten Angina pectoris (stabile,
instabile und Prinzmetal-Angina). Risiko- wichtigsten Arzneimittelgruppen zur
faktoren für die koronare Herzkrankheit Therapie der koronaren Herzkrankheit
sind Rauchen, Übergewicht, Bluthoch - sind: Nitrate, β-Blocker und Kalziumanta-
druck, erhöhte Blutfette, Diabetes mel- gonisten.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


78 Koronare Herzkrankheit

Nitrate in der Nacht einzuhalten. Allerdings


können in diesem Intervall vermehrt
Vertreter: Angina pectoris-Anfälle auftreten. Ein
anderer NO-Donator, z.B. Molsidomin,
Kurzwirkend kann dies verhindern.
Nitroglycerin 1
Applikationsformen, Wirkungsein-
Langwirkend
tritt und -dauer: Für Glyceroltrinitrat
Isosorbiddinitrat 2
gibt es Zerbeißkapseln und Sublingual-
Isosorbidmononitrat3
Sprays zur raschen Resorption im Mund-
Molsidomin4
rachenraum. Dabei tritt die Wirkung
innerhalb von Sekunden bis wenigen
Wirkungsmechanismus: Nitrate wie Minuten ein. Die orale Gabe von
Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin) oder Iso- Glyceroltrinitrat ist wenig sinnvoll.
sorbiddinitrat setzen im Organismus Mittels Pflaster kann Glyceroltrinitrat
NO, das eigentliche Wirkprinzip, frei. NO perkutan prophylaktisch eingesetzt wer-
den. Es ist sinnvoll, das Pflaster wäh -
stimuliert die zytosolische Guanylatcy -
rend der Nacht zu entfernen.
clase und in der Folge die Bildung von
zyklischem Guanosinmonophosphat (zykli- Isosorbiddinitrat und Isosorbidmono -
schem GMP). Dieses senkt die intrazel- nitrat werden oral verabreicht und
luläre Kalzium-Konzentration und führt wegen ihrer langen Halbwertszeit zur
dadurch zur Gefäßerweiterung. Prophylaxe eingesetzt.
Wirkungen: Nitrate führen zu Gefäß- Nebenwirkungen: Die Nebenwir -
erweiterung vor allem im venösen Teil kungen der Nitrate sind auf die gefäß -
des Gefäßsystems und reduzieren so erweiternde Wirkung zurückzuführen.
den venösen Rückstrom zum Herz. Es können Kopfschmerzen sowie Blut -
Gleichzeitig wird durch Erweiterung druckabfall auftreten. Ferner ist mit
großer Arterien der periphere Wider- Schwindel, Übelkeit, Schwächegefühl
stand und die systolische Wand - und Hautrötung zu rechnen.
spannung gesenkt. Über Erweiterung Kombinationsmöglichkeiten: Nitra-
sogenannter Kollateralen gelangt auch te können mit β-Blockern oder mit
eine größere Blutmenge in unterver- Kalziumantagonisten kombiniert wer-
sorgte Gebiete der Herzmuskulatur. den. In Einzelfällen wird es notwendig
Durch Verringerung der Herzarbeit wird sein, Nitrate mit β-Blockern und Kalzium-
der Sauerstoffbedarf verringert und antagonisten zu kombinieren. Eine wei-
durch Gefäßerweiterung das Sauerstoff- tere Kombinationsmöglichkeit ist die
angebot verbessert. mit Acetylsalicylsäure, die selbst schon
Dosierung: Da Nitrate bei Dauer- die Inzidenz eines Infarktes bei chro-
applikation ihre Wirkung verlieren (Nitrat- nisch stabiler Angina pectoris herab-
toleranz), wird eine intermittierende setzt.
Gabe empfohlen. Meist genügt es, ein Wechselwirkungen: Bei der gleich-
Nitrat-freies Intervall von 6-8 Stunden zeitigen Gabe anderer gefäßerweitern-
1 A, CH, D: Nitrolingual 3 A: Isomonat; CH: Corangin; D: Isomonit
2 A, CH, D: Isoket 4 A: Molsidolat; CH, D: Corvaton

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Koronare Herzkrankheit 79

der bzw. blutdrucksenkender Arznei - kontraindiziert, für die Stillzeit gibt es


mittel ist mit einer verstärkten Wirkung keine Daten.
auf den Blutdruck zu rechnen. Dies gilt
vor allem für Kalziumantagonisten, Nicorandil3
ACE-Hemmer, β-Blocker, Diuretika, tri-
Wirkungsmechanismus: Nicorandil
zyklische Antidepressiva, Neuroleptika
ist eine Nitroverbindung, die zusätzlich
und Sildenafil1 bzw. auch für Alkohol.
Kaliumkanäle öffnet. Beide Eigenschaf -
Schwangerschaft und Stillzeit: Ni- ten führen zu einer Erweiterung arteri-
trate dürfen in der Schwangerschaft ver- eller und venöser Gefäße. Die Neben -
abreicht werden. Bei strenger Indika - wirkungen sind ähnlich denen der an -
tion sind sie auch in der Stillzeit an - deren Nitrate.
wendbar.
Gegenanzeigen: Ausgeprägte Hypo- Ivabradin 4
tonie und chronische Herzinsuffizienz Wirkungsmechanismus: Ivabradin
erfordern sorgfältige Abwägung. hemmt selektiv und spezifisch den
Ionenstrom durch den sogenannten HCN-
Molsidomin2 Kanal (Hyperpolarisations-aktivierter durch
Molsidomin ist die inaktive Vorstufe zyklisches Nukleotid gesteuerter Kanal).
eines aktiven Metaboliten und führt HCN-Kanäle steuern in den Schritt -
über Vasodilatation von venösen Kapa - macherzellen im Sinusknoten die lang -
zitätsgefäßen und Kollateralen zu einer same diastolische Depolarisation und re-
besseren Blutversorgung des Herzens gulieren so die Herzfrequenz. Ivabradin
bei reduziertem Sauerstoffbedarf. senkt die Herzfrequenz ohne Beein -
Wirkungsmechanismus: Die NO- flussung der anderen Herzquali täten
Freisetzung aus dem aktiven Meta - wie Kontraktilität oder atrioventrikuläre
boliten von Molsidomin erfolgt nicht- Überleitung. Eine häufige Neben wir -
enzymatisch und es tritt daher keine kung ist eine lichtbedingte Sehstörung.
Toleranz auf.
Wirkung: Die Wirkung von Molsido-
Ranolazin 5
min ist sehr ähnlich der von Glycerol - Ranolazin vermindert den Einstrom von
trinitrat. Na-Ionen und setzt die Aktivität Na-
abhängiger Ca-Kanäle auf der Ober -
Dosierung und Wirkungsdauer:
Die Dosierung beträgt ein- bis zweimal fläche der Herzmuskelzellen herab. Über
8mg/Tag und die Dauer ist wesentlich eine Herabsetzung der Kontraktions -
länger als die von Glyceroltrinitrat. kraft kommt es zu einer besseren Blut-
zufuhr. Ranolazin beeinflusst auch den
Nebenwirkungen und Wechsel - Zellstoffwechsel in Richtung Glukose -
wirkungen entsprechen denen der oxidation, sodass ein Sauerstoffmangel
anderen Nitrate. weniger Schaden anrichtet. Ranolazin ver-
Schwangerschaft und Stillzeit: Mol- längert die QT-Zeit, d.h. eine Kombi-
sidomin ist in der Schwangerschaft nation mit anderen Arzneimitteln, die
1 A, CH, D: Viagra 3 A, CH: Dancor; D: –
2 A: Molsidolat; CH, D: Corvaton 4 A, CH, D: Procoralan
5 A, D: Ranexa; CH: –
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
80 Koronare Herzkrankheit

QT-Zeitverlängerung bewirken, soll Kalziumantagonisten


unterbleiben.
Kalziumantagonisten vom Verapamil4-
Typ haben vornehmlich antiarrhythmi-
β-Blocker sche Wirkungen während Kalziumanta-
gonisten vom Nifedipin 5-Typ vornehm-
Wirkungsmechanismus: β-Blocker lich einen vasodilatatorischen Effekt,
reduzieren Herzfrequenz, Kontraktions - hauptsächlich auf die Widerstandsge-
kraft und Schlagvolumen und vermin- fäße, ausüben. Kalziumantagonisten
dern dadurch den myokardialen Sauer - senken auch den Sauerstoffverbrauch
stoffbedarf. des Herzens durch Senkung der Herz -
Vertreter, Wirkungen, Nebenwirkun- frequenz (Verapamil-Typ) und verbes-
gen und Wechselwirkungen siehe Seite sern die myokardiale Sauerstoffzufuhr
64. durch Senkung des Koronarwiderstan-
des.
Wirkungen, Nebenwirkungen und
Wechselwirkungen siehe Seite 67.

4 A, CH, D: Isoptin
5 A, CH, D: Adalat

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Herzrhythmusstörungen 81

HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN
Tab. 1: Arzneimittel für die Behandlung von Herzrhythmusstörungen
Na+-Kanalblocker (Klasse I) Chinidin 1 (Ia)
Lidocain2 (Ib)
Propafenon 3 (Ic)
Flecainid4
β-Blocker (Klasse II) Atenolol5
Metoprolol6
K+-Kanalblocker (Klasse III) Amiodaron7
Sotalol8
Ibutilid9
Dronedaron 10
Ca2+-Kanalblocker (Gruppe IV) Verapamil11
Diltiazem 12
(Einteilung nach Vaughan Williams)
1 A:, CH: –; D: Cordichin 7 A: Sedacoron; CH: Cordarone; D: Cordarex
2 A, CH, D: Xylocain 8 A: Sotacor; CH, D: Sotalex
3 A: Rytmonorma; CH, D: Rytmonorm 9 A, CH: Corvert; D: –
4 A: Aristocor; CH, D: Tambocor 10 A, CH, D: Multaq
5 A, CH, D: Tenormin 11 A, CH, D: Isoptin
6 A, CH, D: Beloc 12 A: Dildiazem, CH, D: Dilzem

Herzrhythmusstörungen sind auf eine rhythmusstörungen ohne Krankheitswert


Änderung der Erregungsbildung oder nicht mit Arzneimitteln behandelt.
der Erregungsleitung zurückzuführen.
Die häufigsten Änderungen sind be- Klasse I-Antiarrhythmika
schleunigte Herzfrequenz (Tachykar-
die), verminderte Herzfrequenz (Brady- Wirkungsmechanismus: Diese Sub-
kardie) oder unregelmäßige Herz - stanzen sind Natriumkanalblocker ähn-
schlagfolge (Arrhythmie). Da die Anti- lich wie Lokalanästhetika.
arrhythmika ihrerseits starke arrhythmo- Wirkungen: Sie bewirken eine Abnah-
gene Eigenschaften aufweisen, ist ihre me der Leitungsgeschwindigkeit und
Verwendung heute sehr stark einge- wurden auch als Membran-stabilisie-
schränkt. Dementsprechend werden Herz- rende Antiarrhythmika bezeichnet.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


82 Herzrhythmusstörungen

Klasse Ia-Antiarrhythmika allem die arrhythmogenen Wirkungen


dieser Substanzen haben ihre Verwen -
Vertreter: dung stark eingeschränkt. Zudem wurde
eine lebensverlängernde Wirkung der
Ajmalin1
Gruppe nicht nachgewiesen.

Wirkungsmechanismus: Diese Sub-


stanzen blockieren den schnellen Na - Klasse II-
triumeinstrom und verlängern die Dauer
des Aktionspotentials.
Antiarrhythmika

Klasse Ib-Antiarrhythmika β-Blocker


Die β-Blocker eignen sich vor allem
Vertreter:
für Therapie von Sinustachykardien,
Lidocain2 supraventrikulären paroxysmalen Tachy -
kardien und ventrikulären Extrasystolen.
Wirkungsmechanimus: Diese Sub- Vertreter, Wirkungen, Nebenwirkungen
stanzen greifen hauptsächlich an den und Wechselwirkungen siehe Seite 64.
Kammern an, verringern die Depolari -
sationsgeschwindigkeit bei niedrigem
Membranruhepotential und verlängern Klasse III-
die Erholungszeit der Natriumkanäle
Antiarrhythmika
bei hohen Frequenzen.
Vertreter:
Klasse Ic-Antiarrhythmika
Amiodaron5
Vertreter: Sotalol6
Ibutilid7
Flecainid 3
Dronedaron 8
Propafenon4

Wirkungsmechanismus: Diese Sub- Wirkungsmechanismus: Diese Sub-


stanzen blockieren den schnellen Na - stanzen blockieren Kaliumkanäle und
triumeinstrom in der Phase 0 des Ak -
verlängern durch Hemmung des Kalium-
tionspotentials, haben aber kaum Ein -
fluss auf die Dauer des Aktions poten- ausstromes die Repolarisationsphase.
tials.
Amiodaron
Nebenwirkungen: Eine Fülle von
Nebenwirkungen im Gastrointestinal - Wirkungen: Amiodaron wirkt bei
trakt, im Zentralnervensystem und vor thera pieresistentem Vorhofflimmern
1 A: Gilurytmal; CH: –; D: Gilurytmal 5 A: Sedacoron; CH: Cordarone; D: Cordarex
2 A, CH, D: Xylocain 6 A: Sotacor; CH, D: Sotalex
3 A: Aristocor; CH, D: Tambocor 7 A, CH: Corvert; D: –
4 A, CH, D: Rytmonorm (a) 8 A, CH, D: Multaq

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Herzrhythmusstörungen 83

und schweren ventrikulären Rhythmus - Klasse IV-


störungen.
Antiarrhythmika
Nebenwirkungen: Die starken Neben-
wirkungen von Amiodaron schränken Vertreter:
seine Verwendbarkeit ein. Nebenwirkun-
Kalziumantagonisten:
gen sind Beeinträchtigung des Sehver -
Verapamil 3
mögens durch Niederschläge in der Diltiazem 4
Hornhaut, Lungen- und Leberfibrose,
periphere Neuropathien und Störungen
der Schilddrüsenfunktion. Wirkungen: Kalziumkanalblocker aus
der Verapamil-Gruppe werden bei supra-
Dronedaron 1 ventrikulären Tachykardien, sowie bei Vor-
hofflattern und Vorhofflimmern einge-
Strukturähnlich dem Amiodaron ist setzt.
Dronedaron. Es besitzt keine Jod -
komponente wie Amiodaron, hat daher Nebenwirkungen: Zahlreiche Neben-
keine Nebenwirkungen auf die Schild - wirkungen im Gastrointestinaltrakt (Ob -
drüsenfunktion und geringere extrakar- stipation), zentralnervöser Natur wie
diale Nebenwirkungen wegen einer Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität
geringeren Gewebsakkumulation. und reversible Leberschäden schränken
die Verwendung von Verapamil stark
Wirkungen: Dronedaron blockiert ein.
Na-, K- und Ca-Kanäle („multi channel
blocker“) und wirkt antiadrenerg. Es ist Gegenanzeigen: Herzmuskelinsuffi-
zugelassen bei paroxysmalem oder per- zienz und ventrikuläre Arrhythmien.
sistierendem Vorhofflimmern, um ein
Wiederauftreten von Vorhofflimmern
zu verhindern oder die ventrikuläre Herz- Andere
frequenz zu senken. Es reduziert ferner Antiarrhythmika
die kardiovaskulär bedingte Morbidität
und Mortalität sowie das Schlaganfalls - Bei Bradykardien kann die parasympa-
risiko. tholytische Substanz Ipratropium 5 und
Nebenwirkungen: Eine Wirkung auf bei supraventrikulären Tachykardien
die Schilddrüse wie bei Amiodaron ent- Adenosin 6 eingesetzt werden.
fällt wegen des Fehlens der Jod-Kompo- Die Verwendung von oralen Magne-
nente. Andere Nebenwirkungen sind siumpräparaten bei verschiedenen Ar -
Bradykardie, Verdauungsbeschwerden, rhythmieformen ist umstritten.
Müdigkeit, Schwächegefühl und Haut -
reizungen.

Sotalol2
Wirkungen: Sotalol ist ein β-Blocker, 1 A, CH, D: Multaq
der zusätzlich Kaliumkanäle blockiert. 2 A: Sotacor; CH, D: Sotalex
Auch seine Verwendung ist stark einge- 3 A, CH, D: Isoptin
schränkt. 4 A, CH, D: Dilzem
5 A, CH, D: Atrovent
6 A: Adenoscan; CH: Krenosin; D: Adenoscan
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Atemwege 85

ATEMWEGE

Tab. 1: Arzneimittel für den Atmungstrakt


β-Sympathomimetika Salbutamol1
Terbutalin2
Topische Glucocorticoide Beclometason 3
Parasympatholytika Ipratropium 4
Xanthin-Alkaloid Theophyllin 5 (zweite Wahl)
Prophylaxe Cromoglicinsäure6
Leukotrien-Antagonisten Montelukast 7
Antitussiva Codein
1 A: Sultanol; CH: Ecovent, D: Sultanol 5 A: Theospirex; CH: Theolair; D: Solosin
2 A, CH, D: Bricanyl 6 A: Intal; CH: Cromosol; D: Intal
3 A: Becotide; CH: Beconase; D: Sanasthmax 7 A, CH, D: Singulair
4 A, CH, D: Atrovent

Erkrankungen: Die wichtigsten Er- und hemmt die Sekretion, aber nicht
krankungen der Atemwege, die mit die glatte Muskulatur.
Arzneimitteln behandelt werden kön-
nen, sind Asthma bronchiale, chro- Zirkulierendes Adrenalin bewirkt über
nisch obstruktive Atemwegserkrank- β 2-Adrenozeptoren eine Relaxation der
ung (COPD) und Husten. Andere Er- glatten Muskulatur der Atemwege.
krankungen, wie chronische Bronchitis Stickstoffmonoxid (NO): Der wich-
und das Emphysem sind einer Arznei -
tigste nicht-adrenerge, nicht-cholinerge
therapie nicht gut zugänglich.
(NANC) kontraktionshemmende Trans-
Regulation der Atemtätigkeit: mitter ist Stickstoffmonoxid.
Sti mulation des Parasympathicus
(nervus vagus) führt zu Bronchokon- Neuropeptide: Auch Neuropeptide
striktion und Schleimsekretion durch wie Substanz P und Neurokinin A sind
Aktivierung von Muskarin-Rezeptoren. an der lokalen Regulation der Atmung
Stimulation des Sympathicus führt beteiligt, aber nicht Ziel einer therapeu-
zu einer Konstriktion von Blutgefäßen tischen Intervention.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


86 Atemwege

ASTHMA BRONCHIALE

Asthma bronchiale ist eine entzündli- Typische Symptome sind anfallswei-


che Erkrankung der Atemwege und geht se auftretende Atemnot mit pfeifenden
einher mit Geräuschen und Abhusten von zähem
 Spasmus der Bronchialmuskulatur Schleim.
 ödematöser Schwellung der Man unterscheidet:
Bronchialwand und  Exogen allergisches Asthma
 gesteigerter Sekretion von zähem  Intrinsisches Asthma
Schleim.

Tab. 2: Zur Therapie des Asthma bronchiale werden eingesetzt:


Bronchodilatatoren β2-Sympathomimetika
z.B. Salbutamol1
Theophyllin 2
Muskarinrezeptorantagonisten
(Parasympatholytika),
z.B. Ipratropium3, Tiotropium4
Entzündungshemmende Arzneimittel Glucocorticoide
z.B. Beclometason5
Hemmstoffe der Mediatorfreisetzung
z.B. Cromoglicinsäure6
IgE-Antikörper: Omalizumab 7
Bronchodilatatorisch und entzündungshemmend wirken:
Cysteinyl-Leukotrien1-Rezeptorantagonisten
z.B. Montelukast8
1 A: Sultanol; CH: Ecovent; D: Sultanol 5 A: Becotide; CH: Beclonarin; D: Sanasthmax
2 A: Theospirex; CH: Theolair; D: Solosin 6 A: Intal; CH: Cromosol; D: Intal
3 A, CH, D: Atrovent 7 A, CH, D: Xolair
4 A, CH, D: Spiriva 8 A, CH, D: Singulair

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Atemwege 87

Bronchodilatatoren dauer von ca. 12 Stunden angegeben.


Applikationsformen: Hauptsächlich
β2-Sympathomimetika Dosieraerosol, Lösungen mit Vernebler
oder Pulverinhalationssysteme zur topi-
Vertreter: schen Applikation im Atmungstrakt.
Kurzwirkend Salbutamol Unerwünschte Wirkungen: Zu den
Fenoterol1 wichtigsten unerwünschten Wirkungen
Terbutalin2
gehören Kopfschmerzen, Tremor, Herz-
Clenbuterol 3
rhythmusstörungen (Tachykardien), Un -
Langwirkend Formoterol 4 ruhe, Muskelkrämpfe, Angina pectoris
Salmeterol5 Symptomatik, Blutdruckabfall und Hypo-
Bambuterol6 kaliämie.
(Prodrug von Terbutalin)
Wechselwirkungen: β-Blocker verrin-
gern die Wirkung von β 2-Sympathomi-
Wirkungsmechanismus: β 2 -Sym -
metika. Wechselwirkungen sind bekannt
pathomimetika stimulieren β 2-Rezepto-
mit Chinidin, Phenothiazinen, Antihista-
ren. Das sind G-Protein gekoppelte Re -
minika und trizyklischen Antidepressiva
zeptoren, deren Stimulation intrazellu -
(QT-Zeit-Verlängerung). Weitere Wechsel-
lär über Aktivierung der Adenylatzykla-
se zu einem Anstieg von zyklischem wirkungen mit L-Dopa, L-Thyroxin, Oxy -
AMP führt. Über Phosphorylierungs - tocin und Alkohol senken die kardiale
reaktionen kommt es in der Folge zur Toleranz. Diuretika verstärken den hypo-
Erschlaffung der glatten Muskulatur. kalämischen Effekt, und Herzglykoside
das arrhythmogene Potential.
Wirkung: β-Sympathomimetika führen
durch Erregung der β 2-Rezeptoren zu Schwangerschaft und Stillzeit: β2-
einer Erschlaffung der Bronchialmusku- Sympathomimetika sollen nicht im 1.
latur, erhöhen die Wasser- und Schleim - Trimenon, nicht während der Geburt
sekretion und verbessern die mukoziliä- (wehenhemmend) und womöglich nicht
re Clearance. Bei allen Schweregraden während der Stillzeit angewendet wer-
des Asthma bronchiale gelten β2-Sym- den. Während der übrigen Zeit der
pathomimetika als wichtigste Bedarfs - Schwangerschaft ist eine strenge Indi-
medikation. kationsstellung zu beachten.
Wirkungseintritt und -dauer: Je nach Gegenanzeigen: Herzrhythmusstörun-
Substanz ist ein Wirkungseintritt nach gen, Herzinsuffizienz, Vorsicht bei Dia-
topischer Applikation zwischen 3 und betes (β-Rezeptoraktivierung steigert die
10 Minuten zu erwarten. Die Wir - Glycogenolyse und so den Blutzucker),
kungsdauer beträgt – je nach Substanz – bei schweren Herz- und Koronarerkran-
4 bis 6 Stunden, für Salmeterol, For - kun gen, Bluthochdruck und Hyper -
moterol und Bambuterol ist eine Wirk - thyreose.

1 A, CH, D: Berotec 4 A, CH, D: Foradil, Oxis


2 A, CH, D: Bricanyl 5 A, CH, D: Serevent
3 A, CH, D: Spiropent 6 A: Bambec, CH: –; D: Bambec

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


88 Atemwege

Theophyllin Kombinationsmöglichkeiten: Die


Kombination mit lokalen Glucocorti co-
Theophyllin wirkt schwächer broncho -
iden ist möglich.
dilatatorisch als β2-Sympathomimetika,
hat aber darüber hinaus noch andere Wechselwirkungen: Die Theophyllin-
positive Wirkungen, wie Steigerung der plasmaspiegel werden erhöht durch
mukoziliären Clearance, Steigerung der Makrolidantibiotika, Cimetidin, Cipro -
Atemmuskelkontraktilität und ist ent- floxacin, Kalziumkanalblocker und Anti -
zündungshemmend. Theophyllin ist be - mykotika und werden erniedrigt durch
sonders indiziert bei nächtlichen Asthma- Enzyminduktoren wie Johanniskraut,
anfällen und parenteral beim Status Rifampicin und Carbamazepin.
asthmaticus. Kontraindikationen: Vorsicht ist ge-
Wirkungsmechanismus: Der Wir- boten bei Patienten mit Epilepsie,
Hyperthyreose, Herzrhythmusstörungen
kungsmechanismus von Theophyllin ist
und Lebererkrankungen.
nicht vollständig geklärt. Über die
Hemmung der Phosphodiesterase führt es
wie β2-Sympathomimetika zu einem intra- Muskarinrezeptor-
zellulären Anstieg von zyklischem AMP. antagonisten
Darüber hinaus blockiert Theophyllin Die einzigen verwendeten Vertreter
Adenosin-Rezeptoren. Adenosin steigert sind die quartären Verbindungen Ipra-
den Tonus der Bronchialmuskulatur. tropiumbromid als Dosieraerosol und
Dosierung: 2mal täglich 250 mg Tiotropium als Inhalationspulver.

Wirkungen: Theophyllin ist ein wirk- Wirkungsmechanismus: Ipratropium-


samer Bronchodilatator, wirkt ähnlich wie bromid und Tiotropium wirken selbst
Coffein erregend auf das Zentralnerven- nicht bronchodilatierend, hemmen aber
system, stimuliert die Herztätigkeit über die bronchokonstriktorische Wirkung
positiv inotrope und positiv chronotrope von körpereigenem Acetylcholin an M 3-
Wirkungen, führt in den meisten Blut- Rezeptoren der glatten Muskulatur. Sie
hemmen ferner die erhöhte Schleim -
gefäßen zu Gefäßerweiterung und hat
sekretion, die bei Asthma auftritt und
einen milden diuretischen Effekt.
erhöhen die mukoziliäre Clearance.
Wirkungseintritt und Wirkungs -
Wirkungseintritt und Wirkungs -
dauer: Der Wirkungseintritt normaler
dauer: Der Wirkungseintritt nach Inhala-
Arzneiformen ist nach 1 bis 2 Stunden
tion ist nach 30 Minuten zu erwarten,
zu erwarten, die Wirkungsdauer beträgt
die Wirkung hält 3 bis 5 Stunden an.
etwa 8 Stunden. Retardierte Arzneifor-
men ga rantieren eine Wirkung von 12 Nebenwirkungen: Anticholinerge
Stunden. Nach intravenöser Gabe ist Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit
mit sofortigem Wirkungseintritt zu können auftreten.
rechnen. Kombinationsmöglichkeit: Eine Kom-
Nebenwirkungen: Nebenwirkungen bination mit β 2-Sympathomimetika ist
sind zentral nervöse Störungen wie möglich.
Unruhe, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Wechselwirkungen: Ipratropium -
Kopfschmerz, Herzrhythmusstörungen bromid verstärkt die parasympatholyti-
und gastrointestinale Beschwerden. schen Wirkungen anderer Arzneimittel.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Atemwege 89

Entzündungshemmende Wirkung ist die regelmäßige Verabrei-


chung.
Substanzen
Nebenwirkungen: Lokale Nebenwir-
kungen sind Heiserkeit und Husten beim
Glucocorticoide
Inhalieren, sowie eine Candidiasis im
Topisch appliziert sind Glucocortico- Mund- und Rachenbereich. Die typi-
ide heute die Mittel der Wahl für die schen systemischen Glucocorticoidneben-
Langzeittherapie des Asthma bronchia- wirkungen sind bei der lokalen Applika -
le. tion nicht zu erwarten.
Vertreter sind: Wechselwirkungen: Die gleichzeiti-
ge Verabreichung des Antimykotikums
Beclometason 1
Itraconazol führte über Abbau hem -
Budesonid 2
mung von topisch verabreichtem Bude -
Flunisolid3
Fluticason 4
sonid zu einem Cushing-Syndrom.
Ciclesonid5
Hemmstoffe der
Der Vorteil der lokalen Anwendung
Mediatorfreisetzung
liegt in der geringen systemischen Vertreter dieser Arzneimittelgruppe sind
Verfügbarkeit und damit den weitge- Cromoglicinsäure6 und Nedocromil 7.
hend fehlenden systemischen Neben - Wirkungsmechanismus: Der Mecha-
wirkungen. nismus dieser Substanzen ist nicht
Systemisch werden Glucocorticoide gänzlich geklärt. Die ursprüngliche An -
bei Asthma nur verabreicht, wenn eine sicht, dass es sich um eine Mastzellen-
inhalative Applikation nicht möglich ist, stabilisierung handle, ist für die Erklä -
bzw. zu keinem Erfolg führt. Beim Sta- rung der Wirkung nicht ausreichend.
tus asthmaticus werden hohe Dosen Wirkung: Diese Substanzen werden
von Glucocorticoiden intravenös verab- vor allem bei allergischem Asthma zur
reicht. Prophylaxe verabreicht. Die antient-
Wirkung: Glucocorticoide gelten als zündlichen Wirkungen sind schwach
stärkste entzündungshemmende Substan- und diese Arzneistoffe sind keine
zen und weisen einen starken immun- Bronchodilatatoren.
supressiven Effekt auf. Der Erfolg der Wirkungseintritt und Wirkungs -
Wirkung bei topischer Applikation hängt dauer: Prophylaktisch verabreicht unter-
vor allem von der korrekten Verabrei- drücken sie die Sofort- und die Spät -
chung ab. reaktion nach Allergenexposition und da-
Wirkungseintritt und Wirkungs - mit auch die folgende Beeinträchtigung
dauer: Nach Inhalation ist ein maxima- der mukoziliären Clearancefunktion. Da
ler Plasmaspiegel innerhalb von 5 bis 10 die orale Resorption schlecht ist, müs-
Minuten erreicht. Wesentlich für das Er- sen diese Substanzen lokal appliziert
reichen einer entzündungshemmenden bzw. inhaliert werden.
1 A: Becotide; CH: Disanasthmax, D: Beconase 4 A: Flixotide; CH: Flutinase; D: Flutide
2 A, CH, D: Pulmicort 5 A, CH, D: Alvesco
3 A, CH: –; D: Syntaris 6 A: Intal; CH: Cromosol; D: Intal
7 A: Tilade; CH: Tilavist; D: Irtan
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
90 Atemwege

Wechselwirkungen: Wechselwirkun- handlung bei Patienten, die unter ei-


gen sind nicht bekannt. nem leichten bis mittelgradig persistie-
renden Asthma leiden.
Nebenwirkungen: Unerwünschte Wir-
kungen sind Husten nach Inhalation, Kombinationen: Leukotrien-Anta -
Halstrockenheit, Nasenreizung, Übel- gonisten werden mit inhalierbaren Glu-
keit und selten Bronchospasmen. cocorticoiden und kurzwirksamen β2-
Sympathomimetika kombiniert.
Nebenwirkungen: Unerwünschte
Bronchodilatatorisch Wirkungen sind: Kopfschmerzen, Bauch-
und entzündungshem- schmerzen, Husten, Durchfall, Dyspep -
sie und Fieber.
mende Arzneimittel
Antileukotriene Hemmer der
5-Lipoxygenase
Leukotriene spielen bei der Entzün-
dung der Atemwege eine wichtige Rolle Substanzen, die die 5-Lipoxygenase
und wirken bronchokonstriktorisch, sti- hemmen, wie Zileuton befinden sich zur
mulieren die Sekretion von Bronchial - Zeit in klinischer Prüfung.
schleim und führen zu vermehrtem
Bronchialödem. Die Wirkung der Leuko - IgE-Antikörper
triene lässt sich durch Hemmung der 5- Bei schweren Verlaufsformen von
Lipoxygenase oder durch Antagonismus Asthma, bei denen auch erhöhte IgE-
am Leukotrienrezeptor (Cysteinyl-Leuko- Spiegel gemessen wurden, kann heute
trien 1-Rezeptor) vermindern. Leukotrien- der IgE-spezifische monoklonale Anti -
Rezeptor-Antagonisten sind Montelu - körper Omalizumab3 verabreicht wer-
kast 1 und Zafirlukast 2. den. Omalizumab reduziert das freie
IgE innerhalb von 24 Stunden auf ca.
Wirkungsmechanismus: Leukotrien-
1% des Ausgangswertes. Es verhindert
Rezeptor-Antagonisten hemmen den so-
die Bindung von IgE an Entzün -
genannten Cysteinyl-Leukotrien1-Rezep-
dungszellen und unterdrückt dadurch
tor.
die Freisetzung von Histamin, Leuko-
Wirkung: Die Leukotrien-Rezeptor- trienen, Chemokinen und Zytokinen.
Antagonisten hemmen Aspirin Asthma, Omalizumab wird alle 2-4 Wochen sub-
Anstrengungsasthma und Asthma nach kutan verabreicht. Häufige Neben -
Provokation mit kalter Luft oder Aller - wirkungen sind Reizun gen an der
genen. Sie sind indiziert als Zusatzbe- Einstichstelle und Kopfschmerzen.

1 A, CH, D: Singulair
2 A, CH, D: Accolate (zur Zeit nicht im Handel)
3 A, CH, D: Xolair

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Atemwege 91

CHRONISCH OBSTRUKTIVE
ATEMWEGSERKRANKUNGEN (COPD)
Leichtere Verlaufsformen der COPD Sympathomimetika Indacaterol 3 und
können mit Tiotropium, langwirksamen Carmeterol4 müssen nur einmal am Tag
ß2-Sympathomimetika oder inhalativen appliziert werden.
Glucocorticoiden behandelt werden. In Bei COPD-Verläufen mit sekundärer pul-
schweren Fällen werden Kombinationen monaler Hypertonie werden spezifische
wie Budesonid plus Formoterol1 oder Inhibitoren für die Phosphodiesterase
Fluticason plus Salmeterol2 eingesetzt. IV wie Cilomilast5 und Roflumilast 6 ein-
Die besonders lang wirksamen β2- gesetzt.

HUSTEN
Husten ist ein Schutzreflex, der die ker Schleimproduktion soll der Husten-
Lunge von Schleim und Fremdkörpern reiz eher nicht gedämpft werden.
befreien soll. Arzneimittel, die den
Husten beeinflussen sind: Vertreter sind:
 Hustensedativa (Antitussiva) Codein 7
 Expektorantien (Auswurf-fördernde Dihydrocodein 8
Mittel) Noscapin 9
Dextromethorphan 10

Antitussiva Wirkung: Codein, ein Alkaloid des


Schlafmohns, Dihydrocodein und in
Antitussiva unterdrücken den Husten- höherer Dosierung auch Dextrometor-
reflex über eine Hemmung des Husten - phan weisen neben ihrer hustendämp-
zentrums im Stammhirn und eventuell fenden Wirkung auch eine analgetische
durch Blockade sensibler Hustenrezep- Wirkung auf. Noscapin, wie Codein ein
toren im Bronchialtrakt, sie sind indi- Alkaloid des Schlafmohns, hat keine
ziert bei trockenem Reizhusten. Bei star- analgetische Wirkung.
1 A, CH, D: Symbicort 5 A, CH, D: Ariflo
2 A, CH: Seretide, D: Viani 6 A, CH, D: Daxas
3 A, CH, D: Onbrez 7 A: Codipront; CH: Makatussin,
4 Noch nicht im Handel D: Makatussin u.a.
8 A, CH, D: Paracodin
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
9 A: Tuscalman; CH: Tussanil-N; D: Capval
10 A: Wick; CH: Vicks; D: Wick
92 Atemwege

Wirkungseintritt und Wirkungs - Dextrometorphan: 1. Trimenon nicht,


dauer: Die Substanzen werden gut 2. und 3. Trimenon stenge Indikation
resorbiert und entsprechend ist eine Gegenanzeigen: Die gelegentliche Ein-
rasche Wirkung zu erwarten. Die Wir- nahme von Antitussiva ist unbedenk-
kungsdauer beträgt etwa 4 Stunden, in lich.
retardierter Form verabreicht 12 Stun -
den.
Nebenwirkungen: Unerwünschte Wir- Expektorantien
kungen von Codein und Dihydrocodein
sind Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übel- Vertreter mit einigermaßen
keit, Erbrechen und Obstipation. Als belegter Wirksamkeit sind:
Opiate hemmen sie auch den Gallen- Bromhexin1
fluss und sind daher nicht mit fetter Nah- Ambroxol 2
rung zu kombinieren. Codein und Di - Acetylcystein3
hydrocodein wirken auch atemdepres-
siv und bei chronischem Lungenleiden
ist daher Vorsicht geboten. Weitere Ne- Expektorantien sollen das Bronchial-
benwirkungen können Miktionsbeschwer- sekret verflüssigen und das Abhusten
den, Bradykardie, Orthostase und Un - erleichtern. Bei vielen unter diesem Titel
ruhe sein. gehandelten Arzneimitteln fehlt der kli-
nische Beweis für die Wirksamkeit.
Noscapin ist nicht sedierend, gele-
gentlich können Brustschmerzen und Wirkungen: Bromhexin und sein bio-
Erbrechen auftreten. logisch aktiver Hauptmetabolit Ambro -
xol regen die Drüsenzellen zu Schleim -
Dextrometorphan wirkt sedierend bildung an. Acetylcystein vermindert die
Wechselwirkungen: Die sedierende Viskosität des Bronchialschleims und er -
Wirkung von Alkohol, Benzodiazepinen leichtert dadurch ein Abhusten.
und anderen Sedativa und Psychophar- Nebenwirkungen: Bromhexin und
maka oder Antihistaminika kann durch Ambroxol können Magen-Darm-Be -
Codein und Dihydrocodein verstärkt schwerden, Überempfindlichkeitsreak-
werden. tionen an der Haut und Schleimhaut
Schwangerschaft und Stillzeit: sowie Atemnot und Temperaturanstieg
mit Schüttelfrost verursachen. Für Ace -
Eine gelegentliche Einnahme von Co -
tylcystein wurden als seltene Nebenwir -
dein oder Dihydrocodein während der
kungen gastrointestinale Störungen,
Schwangerschaft ist unbedenklich. Auch
Kopfschmerzen, Tinnitus und allergi-
während der Stillzeit ist eine gelegentli-
sche Reaktionen berichtet. Bei einer
che Einnahme dieser Opiate erlaubt.
gleichzeitigen Antibiotikatherapie soll
Noscapin sollte während der Schwan- auf eine zeitversetzte Einnahme (min-
gerschaft nicht verordnet werden. destens 2 Stunden) geachtet werden.

1 A, CH, D: Bisolvon 3 A: Mucobene; CH, D: Fluimucil


2 A: Mucosolvan; CH: Mucosolvon; D: Mucosolvan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Atemwege 93

Wechselwirkungen: Expektorantien zu einem gefährlichen Atemnotsyndrom


sollen nicht gleichzeitig mit Antitussiva führen. Das körpereigene Surfactant
verordnet werden, da das mobilisierte soll die Grenzflächenspannung in den
Sekret dann nicht abgehustet werden Alveolen herabsetzen. Bei einem Man -
kann. Bei gleichzeitiger Antibiotikagabe gel wird Colfoscerilpalmitat 1 intratra-
ist auf zeitversetzte Einnahme zu ach- cheal instilliert und so die Mortalität
ten da es zu Wirkungsabschwächung von Frühgeborenen deutlich gesenkt.
der Antibiotika kommen kann. Als Nebenwirkungen können vorüber-
Surfactant: Der Mangel an Surfac- gehende Verlegung der Atemwege und
tant bei unreifen Neugeborenen kann pulmonale Blutungen auftreten.

1 A: Visudyne; CH, D: Survanta

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Ve r d a u u n g s t r a k t 95

VERDAUUNGSTRAKT
Tab. 1: Arzneimittel bei säurebedingten Erkrankungen
Protonenpumpenhemmer Omeprazol 1
Pantoprazol2
Lansoprazol 3
Rabeprazol4
Esomeprazol5
Histamin-H2-Rezeptorantagonisten Ranitidin 6
Famotidin7
Antazida Magaldrat 8
Schleimhautschützende Mittel Sucralfat9
1 A: Losec; CH, D: Antra 6 A: Zantac; CH, D: Zantic
2 A: Pantoloc; CH, D: Pantozol 7 A: Ulcusan; CH: –; D: Pepdul
3 A, CH, D: Agopton 8 A, CH, D: Riopan
4 A, CH, D: Pariet 9 A, CH, D: Ulcogant
5 A, CH, D: Nexium

SÄUREBEDINGTE ERKRANKUNGEN
Die wichtigsten Erkrankungen des aggressiver Faktor eine wichtige Rolle
oberen Gastrointestinaltrakts, die mit spielt, sind Methoden zur Reduktion
Arzneimitteln behandelt werden können der Säuresekretion die wichtigste und
sind: Refluxösophagitis (engl.: gastro- effizienteste Maßnahme.
esophagal reflux desease; GERD),
Arzneimittel, die zu Gastritis, respek-
Gastritis und Magen- bzw. Zwölf-
fingerdarm-Geschwür. Es gilt heute tive Magen- und Darmulcera führen
als gesichert, dass bei diesen Erkran - können sind: nicht-steroidale Antiphlo -
kungen (Ausnahme GERD) eine Infek - gistika (NSAR), neue Antidepressiva
tion mit Helicobacter pylori eine zentra- (SSRI) und Glucocorticoide. Ein wichti-
le Rolle spielt. Bei nachgewiesener ger Faktor ist ferner das Rauchen.
Helicobacter pylori-Infektion ist die Darüberhinaus können Stresssitua tio -
Eradikation dieses Keimes die wirksam- nen wie großflächige Verbrennungen,
ste Methode. Da die Salzsäure als Polytraumen und schwere chirurgische

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


96 Ve r d a u u n g s t r a k t

Eingriffe zu Erkrankungen des Magens Protonenpumpenhemmstoffe (Proto-


und des Zwölffingerdarmes führen. nenpumpeninhibitoren, PPI) sind heute
Maßnahmen zur Helicobacter pylo- die Mittel der Wahl zur Behandlung
ri-Elimination: Die Eradikation des säurebedingter Erkrankungen und haben
Helicobacter pylori erfolgt mit einer die H2-Rezeptor Antagonisten weitge-
Dreierkombination aus einem Protonen - hend verdrängt.
pumpen-Hemmstoff und zwei Chemo - Wirkungsmechanismus: Protonen-
therapeutika (Amoxicillin1 und Clarithro- pumpenhemmstoffe sind als irreversible
mycin2). Metronidazol ist schlecht ver- Hemmstoffe der Protonenpumpe der
träglich. Nach einer erfolgreichen Belegzelle die derzeit stärksten Hemm -
Elimination des Helicobacter pylori ist stoffe der basalen und stimulierten
mit Schmerzfreiheit und einer Abhei - Säuresekretion.
lung von Magen- und Zwölffingerdarm-
Wirkung: Unter der Therapie mit
geschwüren zu rechnen.
Protonenpumpenhemmstoffen heilen
Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre
schnell ab, treten aber wieder auf,
Regulation der wenn keine Elimination des Helico -
Säuresekretion bacter pylori vorgenommen wird.
Wirkungseintritt und -dauer: Pro-
Die Magensäure wird in den soge- tonenpumpenhemmstoffe werden erst
nannten Belegzellen der Magenschleim - im sauren Milieu aktiviert – der
haut gebildet, die Stimulation erfolgt Wirkungseintritt ist entsprechend ver-
über Histamin H2-Rezeptoren, Acetyl- zögert. Nach Absetzen der Therapie
cholin- und Gastrinrezeptoren. Die hält die säurehemmende Wirkung noch
Hemmung der beiden letzteren hat sich tagelang an. Protonenpumpen hemm-
therapeutisch nicht bewährt. Die Hem - stoffe eignen sich daher nur für eine
mung der Histamin H 2-Rezeptoren war konsequente, längerfristige Therapie.
therapeutisch ein großer Erfolg, wurde
aber von den noch wirksameren Pro - Unerwünschte Wirkungen: Proto-
tonenpumpenhemmern überholt. Diese nenpumpenhemmstoffe sind gut ver-
hemmen das Enzym H + /K + -ATPase, träglich und außer gelegentlichem
auch Protonenpumpe genannt. Auftreten von Kopfschmerzen oder
Durchfällen sind keine spezifischen
Protonenpumpenhemmstoffe Nebenwirkungen gut dokumentiert.
Wechselwirkungen: Protonenpum-
Vertreter: penhemmer werden von einem wichti-
Omeprazol3
gen Leberenzym aus der Gruppe der
Pantoprazol 4 Cytochrom P450 Enzyme abgebaut, das
Lansoprazol5 auch für den Abbau anderer Arznei -
Rabeprazol 6 mittel wie Diazepam, Citalopram, Imi -
Esomeprazol 7 pramin, Clomipramin und andere ver-
antwortlich ist. Unter der Therapie mit
1 A, CH: Clamoxyl; D: Amoclar 6 A, CH, D: Pariet
2 A, CH, D: Klacid 7 A, CH, D: Nexium
3 A: Losec; CH, D: Antra
4 A: Pantoloc; CH, D: Pantozol
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
5 A, CH, D: Agopton
Ve r d a u u n g s t r a k t 97

Protonenpumpenhemmern kann es da - ulcera, lindern Beschwerden und sind,


her zu Blutspiegelerhöhungen der ge - wenn die Einnahme fortgesetzt wird,
nannten Substanzen und zur Zunahme zur Rezidivprophylaxe des Ulcus ventri-
ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen culi et duodeni geeignet.
kommen. Vor allem bei der Kombina -
Wirkungseintritt und -dauer: Der
tion von Protonenpumpenhemmern mit
Wirkungseintritt ist rasch, die Wirkungs-
Benzodiazepinen, selektiven Serotonin -
dauer beträgt etwa 12 Stunden.
Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) oder
Cumarinen ist auf Wechsel wirkungen zu Nebenwirkungen: H2-Rezeptor-Anta-
achten. gonisten werden allgemein gut vertra-
Schwangerschaft und Stillzeit: gen, Nebenwirkungen wie Kopf -
Protonenpumpenhemmer sollen in der schmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Schlaf-
Schwangerschaft nur dann angewendet losigkeit und Verdauungsstörungen
werden, wenn Antazida oder H 2 - bessern sich ohne Unterbrechung der
Rezeptorantagonisten nicht wirksam Behandlung.
sind. Am längsten erprobt ist Ome pra- Wechselwirkungen: Aufgrund der
zol. Hemmung der Säuresekretion kann es
Gegenanzeigen: Es sind keine gra- zu Beeinflussung der Resorption ande-
vierenden Gegenanzeigen bekannt. rer Arzneimittel kommen. Ein Ein -
nahmeabstand von zwei Stunden kann
Histamin H2-Rezeptor- dieses Problem beseitigen.
Antagonisten Schwangerschaft und Stillzeit:
H 2 -Rezeptor-Antagonisten dürfen bei
Vertreter: strenger Indikationsstellung verordnet
Ranitidin 1 werden, wenn Antacida nicht ausrei-
Famotidin2 chend wirken. Bevorzugt ist das gut
untersuchte Ranitidin. Während der
Stillzeit ist Famotidin zu bevorzugen.
Der Vorteil der H2-Rezeptor-Antago- Gegenanzeigen: Sind keine wichti-
nisten gegenüber Protonenpumpen - gen bekannt.
hemmern ist ein rascher Wirkungs -
eintritt und damit die Verwendbarkeit Antacida
bei akuter Symptomatik.
Antacida sind Substanzen, die
Wirkungsmechanismus: Histamin Salzsäure im Magen neutralisieren. Ihre
H 2-Rezeptor-Antagonisten hemmen ei- therapeutische Bedeutung ist weitge-
nen Rezeptor der Säuresekretion und hend zurückgegangen. Als Indikationen
vermindern dadurch die stimulierte sind die symptomatische Behandlung
Säure- und Pepsinsekretion. von Sodbrennen, und anderen säurebe-
Wirkung: Histamin H 2 -Rezeptor- dingten Erkrankungen während der
Antagonisten beschleunigen die Ab - Schwangerschaft geblieben. Als opti-
heilung von Magen und Duodenal - mal hat sich die Kombination von

1 A: Zantac; CH, D: Zantic 2 A: Ulcusan; CH: –; D: Pepdul

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


98 Ve r d a u u n g s t r a k t

Al(OH)3 und Mg(OH)2 erwiesen. Eine Sucralfat ist das Aluminiumsalz von
Komplexverbindung der beiden Hydro- Saccarose-Sulfat. Sein Wirkungs mecha-
xide findet sich in Magaldrat 1. Die opti- nismus ist bisher nicht geklärt. Sowohl
male Wirkung von Antazida wird dann für das Duodenal-Ulcus wie für das
erzielt, wenn sie etwa 1-2 Stunden Magen-Ulcus liegen kontrollierte klini-
nach der Mahlzeit eingenommen wer- sche Studien vor, die zeigen, dass Su -
den. cralfat die Heilung der Ulcera beschleu-
nigt.
Schleimhautschützende Misoprostol ist ein PGE 1-Derivat. Es
Mittel wird zur Ulcusprophylaxe bei der Gabe
Schleimhautschützende Mittel sind von NSAR eingesetzt. Eine wichtige
Sucralfat2 und Misoprostol3. Nebenwirkung ist schwerer Durchfall.

FUNKTIONELLE ERKRANKUNGEN
Achalasie und Ösophagusspasmen
Übelkeit und Erbrechen
Durchfall
Verstopfung

Achalasie und Übelkeit und Erbrechen


Ösophagusspasmus Die wichtigsten Ursachen von Übel-
keit und Erbrechen sind die therapeuti-
Bei diesen Erkrankungen ist die für sche Verabreichung von radioaktiven
den normalen Schluckreflex nötige Er - Strahlen, Zytostatika, Opioiden und an -
schlaffung des unteren Ösophagus- deren Arzneimitteln, eine Vestibularis-
sphinkters gestört. Es treten Dysphagie, Reizung (Reisekrankheit), Schwanger -
Druckgefühl und Schmerzen ähnlich schaft, postoperative Zustände und
einer Angina pectoris auf. Thera peu- Vergiftungen (z.B. mit Alkohol). Erbre -
tisch versucht man, kontraktionsver- chen ist ein unspezifisches Symptom,
an dessen Auslösung Dopamin- (D2),
mindernde Substanzen zu verabrei-
Serotonin- (5-HT 3) und Histamin-(H 1)
chen. Geeignet sind Nitrate wie Isosor -
Rezeptoren sowie muskarinische Acetyl -
bid dinitrat 4 oder Nitroglycerin 5 . Die cholinrezeptoren beteiligt sind. Arznei -
Pharmakologie dieser Substanzen wird mittel, die antiemetisch wirken sollen,
im Kapitel „Koronare Herzkrankheit“ sind daher Antagonisten an den ge -
ab Seite 77 besprochen. nannten Rezeptoren.
1 A, CH, D: Riopan 5 A, CH, D: Nitrolingual
2 A, CH, D: Ulcogant
3 A: Cyprostol; CH: Cytotec; D: Arthotec E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
4 A, CH, D: Isoket
Ve r d a u u n g s t r a k t 99

Tab. 2: Vertreter der Antiemetika und ihre Indikationsgebiete


Stoffgruppe Arzneistoff Hauptindikation
Histamin-H1-Rezeptorantagonisten Dimenhydrinat 1 Kinetosen
Dopamin-D2-Rezeptorantagonisten Perphenazin 2 Zentral ausgelöstes Erbrechen
(Schwangerschaftserbrechen)
Haloperidol3 Opiat-induziertes Erbrechen
Metoclopramid4 Gastrointestinalbedingtes
Erbrechen
Serotonin 5-HT3-Rezeptorantagonisten Ondansetron 5 Zytostatika-induziertes
Granisetron 6 Erbrechen
Tropisetron7
Palonosetron8
Dolasetron9
Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten Aprepitant10
Fosaprepitant11
1 A: Vertirosan; CH: Trawell; D: Vomex 7 A, CH, D: Navoban
2 A: Decentan; CH: Trilafon; D: Decentan 8 A, CH: Aloxi; D: –
3 A, CH, D: Haldol 9 A: –; CH: Anzemet; D: Anemet
4 A, CH, D: Paspertin 10 A, CH, D: Emend
5 A, CH, D: Zofran 11 A, CH, D: Ivemend
6 A, CH: Kytril, D: Kevatril

Histamin H1- Dosis blockiert es auch 5-HT3-Rezep-


Rezeptorantagonisten toren. Metoclopramid ist verwendbar
bei gastrointestinal-bedingter Übelkeit,
Diese Substanzen sind vor allem bei bei Schwangerschaftserbrechen und in
Kinetosen wirksam, sowie bei Erbre- hoher Dosierung zur Prophylaxe von
chen, das durch Substanzen hervorge- Zytostatika-induziertem Erbrechen.
rufen wird, die direkt auf den Magen
Nebenwirkungen: Metoclopramid
wirken. Verwendet werden Dimen -
führt vor allem bei Kindern zu extrapy-
hydrinat und Meclozin. Sie wirken am
ramidalen Störungen und soll daher bei
besten prophylaktisch. Die wichtigste
diesen nicht eingesetzt werden. Weitere
Nebenwirkung ist Müdigkeit. Nebenwirkungen sind Stimulation der
Prolaktinfreisetzung und über seine
Dopaminrezeptorantago- motilitätsfördernde Wirkung Durchfall.
nisten: Metoclopramid und
Neuroleptika Serotonin 5-HT 3-
Metoclopramid blockiert Dopamin Rezeptorantagonisten
D2-Rezeptoren in der Area postrema Serotonin ist ein wichtiger Trans -
und hebt die Dopamin-bedingte Hemm- mitter bei der Enstehung von Übelkeit
ung der Magenmotorik auf. In hoher und Erbrechen. 5-HT 3 -Rezeptor anta -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


100 Ve r d a u u n g s t r a k t

gonisten wie Ondansetron, Granisetron werden. In besonders schweren Fällen


und Tropisetron werden vor allem haben sich auch dreifach Kombina -
gegen Zytostatika- oder Strahlen-indu- tionen bewährt.
ziertes Erbrechen eingesetzt, sind aber
auch wirksam gegen Opiat-induziertes Neurokinin-1-
Erbrechen. Rezeptorantagonisten
Palonosetron1 unterscheidet sich von Aprepitant4 und Fosaprepitant 5 sind
den anderen 5-HT3-Antagonisten durch NK-1 Rezeptorantagonisten und können
die lange Halbwertszeit von 40 Stun - in Kombination mit „Setronen“ und
den. Die intravenöse Verabreichung von Gluco corticoiden verabreicht werden.
0,25 mg einmal pro Woche ist ausrei- Sie vermindern Früherbrechen und ver-
chend. zögertes Erbrechen bei Chemotherapie.
Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Nebenwirkungen: Schluckauf, Müdig-
Mundtrockenheit, Wärmegefühl und keit, Obstipation und Kopfschmerzen.
Obstipation.
Wechselwirkungen: Serotonin 5-HT3-
Rezeptorantagonisten hemmen die anal- Durchfall
getische Wirkung von Paracetamol
(siehe Seite 137). Durchfall ist definiert als Entleerung
flüssigen Stuhls, häufiger als dreimal
Neuroleptika täglich bzw. über 250g/Tag. Durchfall
ist keine Erkrankung an sich sondern
Diese Substanzen hemmen viele Funk-
ein Symptom. Kennzeichen von Durch -
tionen des zentralen Nervensystems
fall sind Verlangsamung der Wasser -
und sind in schweren Fällen auch als
resorption, gestörter Wasser- und Elektro-
Antiemetika einsetzbar.
lyttransport oder Passagestörungen. Die
Aus der Gruppe der Phenothiazine häufigsten Ursachen von Durchfall sind
werden Triflupromazin, Perphenazin infektiöse Erkrankungen, entzündliche
und Thiethylperazin, aus der Gruppe Erkrankungen, funktionelle Störungen,
der Butyrophenone Haloperidol ver- irritables Colon, Neoplasmen, Toxine,
wendet. Ihre Anwendung ist gerecht- Verdauungs- und Resorptions störun -
fertigt bei unstillbaren Fällen von gen, Nahrungsmittelallergien und ver-
Hyperemisis gravidarum, sowie zur Pro - schiedene Arzneimittel.
phylaxe von opiatbedingtem Erbrechen.
Wenn möglich sollte die Behandlung
des Grundleidens im Vordergrund ste-
Steroide hen. Für die Reisediarrhoe ist die strikte
Hohe Dosen von Glucocorticoiden Einhaltung hygienischer Maßnahmen
wie Dexamethason 2 oder Methylpredni- die wichtigste Prophylaxe. Für die symp-
solon3 haben ebenfalls antiemetische tomatische Behandlung der Diarrhoe ist
Eigenschaften und können allein, häufi- die orale Rehydratationstherapie die
ger aber in Kombination mit 5-HT3- Methode der Wahl. Die orale Rehydra -
Rezeptor-Antagonisten, mit Metoclo - tationstherapie kann mit einer Lösung
pramid oder Neuroleptika eingesetzt erfolgen, deren Zusammensetzung
1 A, CH: Aloxi; D: – 5 A, CH, D: Ivemend
2 A, CH, D: Fortecortin
3 A: Urbason; CH: Advantan; D: Urbason E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie

4 A, CH, D: Emend
Ve r d a u u n g s t r a k t 101

nach den Empfehlungen der WHO und und harten Stuhls. Die Ursachen sind in
der UNICEF wie folgt sein sollte: unvernünftiger Ernährung, mangelnder
Bewegung, Stress, anderen Erkran -
ORS (Oral rehydration solution,
kungen oder anderen Arzneimitteln zu
WHO)1
suchen. Nicht in jedem Fall sollten von
NaCl 3,5g/l vornherein Arzneimittel zur Behebung
Trinatrium-Citrat-Dihydrat 2,9g/l der Störung angewendet werden.
KCl 1,5g/l
Glucose 20,0g/l Laxantien werden vor allem zur Darm-
entleerung vor chirurgischen Eingriffen
Bei bakteriell bedingten Durchfällen, oder vor bildgebender Diagnostik im
vor allem wenn sie länger als drei Tage Gastrointestinaltrakt, zum Aufweichen
dauern bzw. wenn sie mit blutigen des Stuhls bei schmerzhaften Anal -
Stühlen einhergehen, sind Antibiotika leiden und bei hartnäckiger Verstopfung
angezeigt. Zur Prophylaxe und Therapie über mehrere Tage verwendet. Eine ver-
einer Reise-Sommerdiarrhoe haben sich nünftige Therapie beinhaltet eine adä-
Doxycyclin2, Trimethoprim3 und Gyrase- quate Ernährung und psychische Füh-
hemmstoffe wie z.B. Norfloxacin4 als rung des Patienten. Der Patient muss
wirksam erwiesen. Zur Behandlung von informiert werden, dass die Stuhl -
Durchfällen mit nicht-bakterieller und entleerung ein physiologischer Vorgang
nicht-toxischer Genese ist die Gabe von ist und dieser Vorgang einer biologi-
Opioiden eine wirksame Therapiemög- schen Variabilität unterliegt. Die wich-
lichkeit. Verwendet werden Tinctura tigsten Laxantien sind:
opii simplex in einer Einzelmenge von
8-10 Tropfen und Loperamid5. Bei Klein- Laxantien:
kindern sollte letzteres nicht verwendet Füll- und Quellmittel
werden. Weizenkleie, Leinsamen
Zur Vorbeugung respektive Behand- Hydragoge Abführmittel
lung Antiobiotika assoziierter Diarrhoe Bisacodyl 7
können heute Probiotika eingesetzt Natriumpicosulfat 8
werden. Verwendet werden vornehm- Sennaglykoside9
lich sogenannte Multi-Spezies-Probio - Salinische Abführmittel
tika 6 die aus Stämmen verschiedener Natriumsulfat
probiotischer Arten meist auch mehre- Magnesiumsulfat
rer Gattungen bestehen. Karlsbadersalz
Osmotische Abführmittel
Lactulose 10
Verstopfung Macrogol 3350 11
Verstärkung der propulsiven Motorik
Verstopfung ist die seltene oder Prucaloprid 12
schwierige Entleerung eines trockenen
1 A: Normhydral; CH, D: Elotrans 5 A, CH, D: Imodium
2 A: Vibramycin; CH: Supracyclin; D: Doxycyclin 6 wie z.B. Omniflora, Trevis oder OmniBiotic 10
3 A: Solotrim; CH: –; D: Infectotrimet 7 A, CH, D: Dulcolax
4 A: Zoroxin; CH: Noroxin; D: Norflox 8 A: Agaffin; CH: Laxoberon; D: Laxoberal
9 A: Pursennid; CH: Bekunis; D: Agiolax
10 A: Laevolac; CH: Duphalac; D: Bifiteral
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
11 A, CH: Movicol; D: Laxofalk
12 A, CH, D: Resolor
102 Ve r d a u u n g s t r a k t

Füll- und Quellmittel, wie Weizenkleie Lactulose ist ein Disaccharid, das im
und Leinsamen sind eher für die Magendarmkanal nicht resorbiert und
Prophylaxe als für die Therapie geeig- im Colon gespalten wird. Dort wird
net. Falls Quellmittel mit unzureichen- auch osmotisch Wasser zurückgehalten
den Mengen mit Flüssigkeit eingenom- und die Peristaltik angeregt. Nach
men werden, besteht die Gefahr eines hohen Dosen können Übelkeit, Er -
Obstruktionsileus. brechen und Blähungen auftreten.
Hydragoge Abführmittel sind dann Ein neues osmotisch wirksames Laxans
anzuwenden, wenn eine weitgehende ist Makrogol 3350, ein nicht resor-
Darmentleerung erwünscht ist, z.B. bei bierbares Polyethylenglykol. Es eignet
der Vorbereitung von radiologischen, sich besonders zur Behandlung der
endoskopischen oder chirurgischen Maß- chronischen Obstipation, ist aber auch
nahmen am Gastrointestinaltrakt. Sie gegen Opiat-bedingte Obstipation ein-
sollten nicht zur Behandlung einer setzbar.
funktionellen Obstipation eingesetzt Nebenwirkungen: Bei chronischer
werden, sind jedoch bei älteren Men - Einnahme aller Abführmittel verlieren
schen gelegentlich nicht zu vermeiden. diese nach und nach die Wirkung und
Die Wirkung beruht auf einer Umkehr die Dosis muss gesteigert werden. Ab -
des Wassernettofluxes in Richtung Darm- führmittel bedingen einen Kaliumver-
lumen. Von den zahlreichen Anthra - lust und führen über diesen langsam
chinonderivaten, die in der Natur vor- zur Darmträgheit. Vor chronischer Ein -
kommen, sollen ausschließlich die nahme von Abführmitteln ist daher
Sennoside aus Folia Sennae verwendet dringend abzuraten.
werden. Die Wirkung tritt nach 6-10
Schwangerschaft und Stillzeit: Füll-
Stunden auf. Die Pigmentierung der
und Quellstoffe, Lactulose und als sali-
Colonschleimhaut nach längerfristiger
nisches Abführmittel Natriumsulfat dür-
Einnahme ist harmlos und reversibel.
fen in der Schwangerschaft angewen-
Natriumpicosulfat hat einen Wir- det werden. Von den hydragogen
kungseintritt nach 2-4 Stunden, wäh - Abführmitteln ist Bisacodyl das Mittel
rend nach Bisacodyl die Wirkung nach der Wahl. Die genannten Abführmittel
6-10 Stunden eintritt. sind auch in der Stillzeit erlaubt.
Salze wie Natriumsulfat und Magne- Prucaloprid: Ein neues Prinzip für
siumsulfat, in isotoner Lösung verab- die Behandlung der chronischen und
reicht, führen sicher und schnell zur opioidbedingten Obstipation ist die
Darmentleerung. Bei bestimmungsge - Stimulation von 5 HT4-Rezeptoren mit
mäßem Gebrauch sind beide Salze Prucaloprid. Die ses verstärkt die propul-
ohne Nebenwirkungen. sive Motorik.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Niere 103

NIERE
Tab. 1: Die wichtigsten Arzneimittel mit Wirkung auf die Niere
Thiazid-Diuretika Hydrochlorothiazid1
Xipamid2
Schleifendiuretika Furosemid 3
Kaliumsparende Diuretika Spironolacton 4
Amilorid 5
Triamteren6
Sarboanhydrasehemmer Acetazolamid7
Osmotische Diuretika Mannitol
1 A, CH, D: in Kombinationen 5 A, CH, D: in Kombinationen
2 A: Aquaphoril; CH: –; D: Aquaphor 6 A, CH, D: in Kombinationen
3 A, CH, D: Lasix 7 A, CH, D: Diamox
4 A, CH, D: Aldactone

In diesem Kapitel sollen Arzneimittel dene Tagesharnmenge beträgt dann nur


besprochen werden, die über die Niere 1-2 Liter. Diuretika rufen eine vermehr-
die Harn- und Elektrolytausscheidung ver- te Urinausscheidung durch Hemmung
ändern. Die kleinsten Funktionsein - der Rückresorption von Natriumchlorid
heiten der Niere sind die Nephrone, von und Wasser hervor. Die wichtigsten
denen es ungefähr eine Million beim Anwendungsgebiete für Diuretika sind
Menschen gibt. Funktionell wird in den Ödemausschwemmung, Blutdruck sen -
Nierenkörperchen durch einen Filtervor - kung, Behandlung der Herzinsuffizienz
gang etwa ein Zehntel der durch die und Prophylaxe einer Schockniere.
Niere fließenden Flüssigkeitsmenge (et -
wa 1.700 l Blut/Tag) als Primärharn in
die Nierenkanälchen abgegeben (ca. Thiazid-Diuretika
150 l/Tag). Die Nierenkanälchen beste-
hen aus proximalem Tubulus, Henlescher Vertreter:
Schleife, distalem Tubulus und dem
Hydrochlorothiazid
Sammelrohr. Wichtige Salze und Nähr -
Chlortalidon 7
stoffe sowie Wasser werden in den ein-
Xipamid
zelnen Abschnitten der Nierenkanäl - Indapamid 8
chen wieder resorbiert. Die ausgeschie-
7 A: Hydrosan; CH, D: Hygroton
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 8 A, CH: Fludex; D: Natrilix
104 Niere

Wirkungsmechanismus: Thiazide durch andere blutdrucksenkende Arznei-


hemmen die Resorption von Natrium und mittel verstärkt. NSAR reduzieren die
Chlorid vorwiegend im Beginn des dis - diuretische Wirkung der Thiazide.
talen Tubulus. Gehemmt wird der Na +- Schwangerschaft und Stillzeit: Thia-
und Cl¯-Co-Transporter in der lumina- zide sind nicht Mittel der Wahl zur Be-
len Membran der Tubuluszellen. Zu - handlung von Hochdruck in der Schwan-
gleich werden auch Kalium und Magne - gerschaft. Auch in der Stillzeit sollen
siumionen vermehrt ausgeschieden. keine Diuretika verwendet werden.
Wirkungen: Durch die Hemmung der Gegenanzeigen: Schwere Nieren -
Rückresorption kommt es zu einer ver- schädigung, schwere Leberschädigung
mehrten Ausscheidung von Natrium - und Gicht sowie Schwangerschaft und
chlorid, Kalium, Magnesium und Wasser. Stillzeit sind Gegenanzeigen für Thiazide.
Dosierung: Hydrochlorothiazid wird
in Kombinationen mit anderen Diureti-
ka in einer Dosis von 10-25mg einge- Schleifendiuretika
setzt, Xipamid in Dosierungen von etwa
40mg. Vertreter:
Chlortalidon wird täglich oder jeden Furosemid1
zweiten Tag in einer Dosis von 25 mg Torasemid2
(bis 50 mg) verabreicht.
Wirkungseintritt und -dauer: Nach Wirkungsmechanismus: Furosemid
oraler Zufuhr von Hydrochlorothiazid hemmt den Na +-K +-Cl¯-Co-Transport
tritt die Wirkung innerhalb von 2 Stun- im dicken Abschnitt der aufsteigenden
den ein, erreicht ihr Maximum nach 3-6 Henleschen Schleife und dadurch die
Stunden und hält bis zu 12 Stunden an. Fähigkeit zur Wasserrückresorption.
Der Wirkungseintritt von Chlortalidon Wirkungen: Furosemid steigert die
ist langsam, dafür hält die Wirkung 2 Ausscheidung von Natrium, Kalium und
Tage an. Xipamid verhält sich ähnlich Chloridionen sowie von Wasser. Die
wie Hydrochlorothiazid. Wirkung ist außerordentlich intensiv –
Nebenwirkungen: Thiazid-Diuretika große Flüssigkeitsmengen können in kur-
werden gut vertragen, eine wichtige zer Zeit ausgeschieden werden.
Nebenwirkung ist der Kaliumverlust. Die Wirkungseintritt und -dauer: Bei
Natriumausscheidung führt mit der Zeit parenteraler Applikation tritt die Wir-
zu einer Aktivierung des Renin-Angio - kung sofort ein und dauert etwa 2 Stun-
tensin-Aldosteronssystems und so zu den. Bei oraler Gabe wird Furosemid
einem Wirkungsverlust. Dieser kann zwar rasch, aber unvollständig resorbiert;
durch ACE-Hemmer verhindert werden. es kommt nach 30-60 Minuten zu einer
Kombinationsmöglichkeiten: Thia- starken Diurese, die etwa 6 Stunden an -
zide werden vor allem mit kaliumspa- hält.
renden Diuretika wie Triamteren oder Nebenwirkungen: Die massive Wasser-
Amilorid kombiniert. ausscheidung kann zu Bluteindickung
Wechselwirkungen: Die blutdruck- und dadurch zur Erhöhung der Throm -
senkende Wirkung der Thiazide wird boseneigung führen. Die Störung des
1 A, CH, D: Lasix
2 A: Torasemid; CH, D: Torem E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Niere 105

Elektrolythaushaltes kann das Hörvermö- Aldosteronantagonisten


gen beeinträchtigen. Weitere Nebenwir-
Wirkungsmechanismus: Aldosteron
kungen können Durchfall und Anstieg steigert die Effektivität der Natriumauf-
des Harnsäurespiegels sein. nahme und der Kaliumabgabe im dista-
Kombinationsmöglichkeiten: Furo- len Tubulus und am Beginn des Sammel-
semid wird mit Triamteren, einem kali- rohres. Spironolacton bzw. dessen Meta-
umsparenden Diuretikum oder Spirono - bolit, Kaliumcanrenoat, blockieren die
lacton, einem Aldosteronantagonisten Bindung von Aldosteron an dessen zyto-
kombiniert. plasmatischen Rezeptor. Die Folge ist
eine verminderte Natriumresorption und
Wechselwirkungen: Die blutdruck- eine verminderte Kaliumausscheidung.
senkende Wirkung anderer Antihyper-
Wirkung: Spironolacton eignet sich
tonika wird verstärkt. Gefährliche Wech-
zur Ausschwemmung von Ödemen bei
selwirkungen kann es mit Lithium, Herz-
Leberzirrhose, chronischer Herzmuskel -
glykosiden, Insulin und vielen anderen insuffizienz und bei chronisch entzünd-
Arzneimitteln geben. lichen Darmerkrankungen.
Schwangerschaft und Stillzeit: In Wirkungseintritt und -dauer: Die
der Schwangerschaft soll Furosemid nur Wirkung von Spironolacton setzt lang-
bei strengster Indikation und in der Still- sam ein und hält lange an.
zeit gar nicht angewendet werden. Nebenwirkungen: Außer Hyperkali-
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind ämie treten Magen-Darm-Störungen,
Überempfindlichkeit gegen Sulfonami- bei Männern Gynäkomastie und Potenz-
de, Hypovolämie, Hypokaliämie und Hypo- störungen und bei Frauen Amenorrhoe,
natriämie, sowie Schwangerschaft und Hirsutismus und Spannungsgefühl in den
Stillzeit. Brüsten auf.
Kombinationsmöglichkeiten: Spi-
ronolacton wird häufig mit anderen Diu-
Kaliumsparende retika wie Furosemid kombiniert.

Diuretika Wechselwirkungen: NSAR hemmen


die Wirkung von Spironolacton und in
Kombination mit Kalium, respektive mit
Vertreter:
kaliumsparenden Diuretika oder ACE-
Aldosteronantagonisten Hemmern kann Hyperkaliämie auftre-
Spironolacton 1 ten. Andere Antihypertonika verstärken
Eplerenon2
den blutdrucksenkenden Effekt.
Kaliumcanrenoat
Schwangerschaft und Stillzeit: Spi-
Andere
ronolacton soll weder in der Schwanger-
Triamteren3
Amilorid 4
schaft, noch in der Stillzeit angewendet
werden.

1 A, CH, D: Aldactone 3 A, CH, D: in zahlreichen Kombinationen


2 A, CH, D: Inspra 4 A, CH, D: in Kombinationen

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


106 Niere

Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind dere Wechselwirkungen sind bekannt.


Hyperkaliämie, Hyponatriämie und Nieren- Schwangerschaft und Stillzeit:
funktionsstörungen, sowie Schwanger - Kaliumsparende Diuretika sollen in der
schaft und Stillperiode. Schwangerschaft nicht angewendet
Dem Spironolacton strukturell ähnlich werden. Für die Stillzeit gibt es keine
ist Eplerenon 1, das keine antiandroge- Erfahrungswerte.
nen und antigestagene Nebenwirkun-
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
gen aufweist.
Sulfonamidüberempfindlichkeit und
schwere Nierenfunktionsstörungen, Hypo-
Triamteren und Amilorid kaliämie, sowie Schwangerschaft und
Wirkungsmechanismus: Triamteren Stillzeit.
und Amilorid sind kaliumsparende Diu-
retika, die in den Tubuluszellen des dis -
talen Tubulus den Eintritt von Natrium Osmotische Diuretika
und damit den Austausch gegen Kalium
hemmen. Die Wirkung ist unabhängig Die intravenöse Gabe von Mannit, ei-
von Aldosteron. nem sechswertigen Zuckeralkohol, führt
Wirkungen: Bei der Langzeitbehand- zu einer gesteigerten Harnaus schei -
lung in Kombination mit Thiaziden wird dung. Mannit verteilt sich gleichmäßig
die Gefahr einer Hyperkaliämie kompen- im Extrazellulärraum, geht nicht in die
siert. Zelle hinein und wird daher auch nach
Nebenwirkungen: Im Vordergrund Filtration in der Niere nicht rückresor-
steht die aus der Wirkung resultierende biert. Hypertone Mannitlösungen wer-
Hyperkaliämie. den bei akuten Organödemen wie
Hirnödemen oder einem akuten Glaukom-
Kombinationsmöglichkeiten: Triam- anfall angewendet. Dabei ist es nicht die
teren und Amilorid werden häufig mit Nierenleistung, die zur Ausschwemmung
Hydrochlorothiazid kombiniert. der Ödeme führt, sondern der osmoti-
Wechselwirkungen: Bei Kombination sche Druck, der Flüssigkeit aus dem Hirn-
mit anderen blutdrucksenkenden Arznei- raum bzw. aus dem Auge ins hyperos-
mitteln wird die Wirkung verstärkt. molare Plasma strömen lässt. Nach
NSAR können die Wirkung kaliumspa- Ausscheidung von Mannit durch die
render Diuretika aufheben. Zahlreiche an- Niere ist dieser Effekt verschwunden.

1 A, CH, D: Inspra

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Stoffwechselerkrankungen 107

STOFFWECHSEL-
ERKRANKUNGEN
DIABETES
Insulin ist ein Polypeptid, das in den absoluten Insulinmangel definiert, der
B-Zellen der Langerhansschen Inseln der durch eine Zerstörung der B-Zellen her-
Bauchspeicheldrüse entsteht und bei An- vorgerufen wird. Die Therapie erfolgt
stieg des Glukosespiegels im Blut frei- grundsätzlich durch Insulinsubstitution.
gesetzt wird. Es bindet an den Erfolgs - Die beste Diabetes Typ-1-Therapie wird
zellen (Muskelzellen, Leberzellen, Fett - mit der sogenannten „intensivierten
zellen) an Insulin-Rezeptoren, die zur Insulin-Therapie“ (Basis-Bolus-Therapie
Gruppe der Thyrosinkinase-gekoppelten genannt) erreicht. Dazu wird morgens
Rezeptoren gehören. Insulin stimuliert die und abends ein mittellang wirkendes
Aufnahme von Glukose. Vor allem in Insulin (intermediär-Insulin) verabreicht
der Muskelzelle fördert es die Glyko - und vor jeder Hauptmahlzeit ein kurz
gen- und Eiweißsynthese, sowie die wirkendes Insulin (Normal-Insulin, Insulin
Triglyzeridbildung. Letztlich senkt Insu - Lispro oder Insulin Aspart). Als Basis
lin den Blutglukosespiegel und steigert kann auch ein- oder zweimal täglich ein
die Energiedepots im Gewebe. Beim Dia- langwirkendes Insulin verabreicht wer-
betes mellitus kommt es, allgemein aus- den. Insulin Glargin eher einmal und
gedrückt, zu einer Hemmung der Glu - Insulin Detemir eher zweimal täglich.
koseverwertung und dadurch zu einem Der Patient muss selbst seinen
Blutzuckeranstieg. Man unterscheidet Blutzucker bestimmen und dementspre-
einen Insulin-Mangel-Diabetes (Typ 1) chend geschult sein. Ist der Patient
und einen Diabetes mit bestehender nicht in der Lage, diese Art von
Insulin-Produktion (Typ 2), bei dem über- Insulintherapie durchzuführen, ist die
wiegend eine Insulinresistenz im Gewe - sogenannte „konventionelle Insulin-
be oder ein relativer Insulinmangel vor- therapie“ indiziert. Dabei werden zwei
liegt. Darüber hinaus gibt es noch den Drittel der Tagesdosis an Insulin am
Gestationsdiabetes und andere spezifi- Morgen in Form einer Mischung von
sche Typen, die hier nicht besprochen Normalinsulin mit intermediärem Insu -
werden sollen. lin und ein Drittel als intermediäres
Der Typ 1 Diabetes wird durch einen Insulin vor dem Abendessen injiziert.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


108 Stoffwechselerkrankungen

Insulin
Tab. 1: Wichtige Insuline zur Behandlung des Typ-1 Diabetes
Insulinpräparat Wirkungseintritt (min) Wirkungsdauer (h)
Normal-(Alt-)Insulin
Normalinsulin 1 30 5-8
Kurz wirkende Insuline
Insulin Lispro 2 10-15 2-5
Insulin Aspart 3 10-20 2-8
Insulin Glulisin4
Mittellang wirkende Insuline (intermediär Insulin, NPH-Insulin)
Basal Human Insulin 5 30-60 10-20
Lang wirkende Insuline
Insulin Glargin 6 60 24-30
Insulin-Zn-Suspensionen 7 ca. 120 22-36
Insulin Detemir 8 ca. 180 24
1 A, CH, D: Insuman rapid, Huminsulin normal 5 A, CH, D: Huminsulin basal
2 A, CH, D: Humalog 6 A, CH, D: Lantus
3 A, CH, D: Novorapid 7 A, CH, D: Insulin
4 A, CH, D: Apidra 8 A, CH, D: Levemir

Wirkungsmechanismus: Wie das kör- zu achten, dass Luftblasen entfernt wur-


pereigene Insulin bindet von außen zu - den und dementsprechend die richtige
geführtes Insulin an Insulinrezeptoren, Dosierung möglich ist. Nach Applika -
die zur Gruppe der Thyrosinkinase-ge - tion, aber spätestens nach jedem Tag,
koppelten Rezeptoren gehören. Insu lin soll die Nadel gewechselt werden.
verbessert die Aufnahme von Glukose Wirkungseintritt und -dauer: Wie
und Aminosäuren in die Zellen, steigert Tabelle 1 zeigt, sind Wirkungseintritt
den Glukoseabbau, erhöht die Glykogen- und Wirkungsdauer der einzelnen Pro -
bildung in Leber und Muskeln und sti- dukte verschieden.
muliert die Bildung von Fetten aus Glukose.
Kombinationsmöglichkeiten: Bei
Dosierung: Die Dosierung erfolgt an- Typ-2 Diabetesformen, die mit oralen
gepasst an die Nahrungszufuhr und be - Antidiabetika nicht beherrscht werden
trägt im Erwachsenenalter etwa 30-70 können, werden diese mit Insulin kom-
I.E. täglich. Die Injektion erfolgt in der biniert. Verschiedene Insuline dürfen
Regel subkutan in den Bauch oder in nur kombiniert werden, wenn der Pa -
den Oberschenkel. tient entsprechend geschult ist.
Applikationsformen: Für die Insulin- Wechselwirkungen: Eine Reihe von
applikation gibt es eine Reihe von Arzneimitteln verstärkt die blutzucker-
Spritzen-Patenten (Pens), die in der Hand- senkende Wirkung von Insulin. Dazu ge-
habung je nach Fabrikat etwas unter- hören orale Antidiabetika, ACE-Hemmer,
schiedlich sind. Vor Applikation ist darauf Fibrate, Fluoxetin u.a. Der blutzucker-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Stoffwechselerkrankungen 109

senkende Effekt von Insulin kann durch der Schwangerschaft ist die Blutzucker -
andere Arzneimittel wie Glucocorticoide, einstellung besonders bedeutend. Dies
Diuretika, Glucagon, Östrogene, β- kann nur durch eine intensivierte Insulin-
Sympatho mi metika u.a. auch abge- therapie erreicht werden. In der Stillzeit
schwächt werden. β-Blocker können zu ist eine Insulinsubstitution unproblema-
einer Verstärkung, häufiger aber auch tisch, da Insulin nicht in die Mutter -
zu einer Abschwächung der blutzucker- milch übergeht.
senkenden Wirkung von Insulin führen. Gegenanzeigen: Allergien gegen die
Schwangerschaft und Stillzeit: In Wirksubstanz.

Orale Antidiabetika
Tab. 2: Wichtige orale Antidiabetika zur Behandlung des Typ-2 Diabetes
Hemmung der Gluconeogenese und Steigerung der Glukose-Verwertung
Biguanide Metformin1
Steigerung der Insulinfreisetzung aus den B-Zellen der Bauchspeicheldrüse
Sulfonylharnstoffe Glibenclamid2
Glimepirid3
Gliclazid 4
Gliquidon 5
Glipizid6
Glinide Repaglinid7
Nateglinid 8
Steigerung der Insulinempfindlichkeit der Muskelzellen
Glitazone Pioglitazon 9
Rosiglitazon 10
Inkretin-Mimetika Exenatide11
Sitagliptin12
Hemmung der Glukose-Resorption aus dem Darm
α-Glucosidase-Hemmstoff Acarbose 13
Miglitol14
1 A, CH, D: Glucophage 8 A, CH, D: Starlix
2 A, CH: Daonil; D: Euglucon 9 A, CH, D: Actos
3 A, CH, D: Amaryl 10 A, CH, D: Avandia
4 A, CH, D: Diamicron 11 A, CH, D: Byetta
5 A: Glurenorm; CH: –; D: Glurenorm 12 A, CH, D: Januvia
6 A: Glibenese; CH, D: – 13 A, CH, D: Glucobay
7 A, CH, D: Novonorm 14 A, CH, D: Diastabol

Orale Antidiabetika werden beim Typ-2 wechseleinstellung erreicht werden kann.


Diabetes nur eingesetzt, wenn mit nicht- Dies betrifft vor allem die Gewichts -
medikamentösen Maßnahmen keine be- reduktion.
friedigende Blutzucker- bzw. Stoff -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


110 Stoffwechselerkrankungen

Steigerung der die Sulfonylharnstoffverbindungen rela-


tiv gut verträglich. Gastrointestinale
Insulinsekretion Störungen und – in Einzelfällen – Blut-
Sulfonylharnstoffe bildveränderungen können auftreten.
Kombinationsmöglichkeiten: In
Vertreter: schweren Fällen bzw. bei fortgeschritte-
nem Typ-2 Diabetes ist eine Kombina-
Glibenclamid1
tion mit Insulinpräparaten empfehlens-
Glimepirid2
Gliclazid3
wert.
Gliquidon4 Wechselwirkungen: Die blutzucker-
Glipizid 5 senkende Wirkung der Sulfonyl harn -
stoffe kann durch eine Reihe von Arznei-
Wirkungsmechanismus: Die Sulfo- mitteln verstärkt und durch andere ab -
nylharnstoffe blockieren Kaliumkanäle an geschwächt werden. Besonders gefähr-
den B-Zellen der Langerhansschen In - lich ist die Kombination mit Alkohol.
seln. In der Folge werden spannungsab- Schwangerschaft und Stillzeit: Ora-
hängige Kalziumkanäle geöffnet und es le Antidiabetika sind in der Schwanger-
kommt zu einer erhöhten intrazellulä- schaft sowie in der Stillzeit kontraindi-
ren Kalziumkonzentration. Die B-Zelle ziert.
wird so empfindlicher auf exogene Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
Reize hinsichtlich Insulinsekretion. Sulfonamidallergie, Insulin-pflichtiger Dia-
Wirkung: Unter der Voraussetzung, betes, deutlich eingeschränkte Nieren -
dass die B-Zellen noch zu Insulinpro - funktion und schwere Leberfunktions -
duktion fähig sind und Glukose diese Frei- störungen sowie Schwangerschaft und
setzung stimuliert, führen Sulfonylharn - Stillperiode.
stoffe zu einer verstärkten Insulinfrei -
setzung. Glinide
Dosierung: Die bei den einzelnen Ver- Vertreter:
tretern in der Fachinformation angege-
Repaglinid6
benen Dosierungen sind einzuhalten, Nateglinid 7
höhere Dosen bewirken keine bessere
Wirksamkeit. Wirkungsmechanismus: Die Glinide
Nebenwirkungen: Die gefährlichste besitzen denselben Wirkungsmechanis -
Nebenwirkung ist eine Hypoglykämie, mus wie die Sulfonylharnstoffe.
wenn die Kohlenhydratzufuhr nicht auf
die Dosierung abgestimmt ist. Die Symp- Wirkungen: Das besondere Merkmal
tome sind Kopfschmerzen, Heißhunger, der Glinide ist das rasche An- und Ab -
Übelkeit, Erbrechen, Mattigkeit, Schläfrig- fluten nach peroraler Aufnahme. Der
keit, Schlafstörungen, depressive Ver - maximale Plasmaspiegel wird bereits
stimmung, Empfindungsstörungen bis zur nach einer halben Stunde erreicht. Die
Bewusstlosigkeit. Darüber hinaus sind Eliminationshalbwertszeit beträgt eine
1 A, CH, D: Euglucon 6 A, CH, D: Novonorm
2 A, CH, D: Amaryl 7 A, CH, D: Starlix
3 A, CH, D: Diamicron
4 A: Glurenorm; CH: –; D: Glurenorm E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
5 A: Glibenese; CH, D: –
Stoffwechselerkrankungen 111

Stunde. Das erlaubt eine Einnahme un - bitory peptide) regulieren die Glucose-
mittelbar vor den Mahlzeiten. Homöostease. Exenatide und Liraglutid
Nebenwirkungen: Die Nebenwir - stimulieren direkt den GLP-1 Rezeptor
kungen sind ähnlich wie bei den Sulfo- und steigern über diesen Insulinsyn-
nylharnstoffen. these und -sekretion und hemmen die
Glukagon-Freisetzung.
Kombinationsmöglichkeiten: Glini-
de können mit Metformin kombiniert Exenatide muss zweimal täglich inji-
werden. ziert werden und Liraglutid nur einmal
täglich.
Wechselwirkungen: Wechselwirkun-
gen mit Arzneimitteln, die die Cyto- Indirekte Inkretin-Mimetika: Die
chrome CYP 2C8 oder CYP 3A4 hem- körpereigenen Inkretine werden vor-
men, können die Blutspiegel von Repa - nehmlich über das Enzym Dipeptidyl-
glinid deutlich erhöhen. Dazu gehören Peptidase-4 (DPP-4) abgebaut. Indirekte
Gemfibrozil, Clarithromycin, Itraconazol, Inkretinmimetika sind spezifische Hemm-
MAO-Hemmer, β-Blocker, ACE-Hemmer, stoffe des Enzyms DPP-4, verhindern
NSAR und Alkohol. Auch die Wirkung den Abbau der körpereigenen Inkretine
von Nateglinid wird durch ACE Hemmer und verstärken so deren Wirkung. Die
verstärkt und durch Diuretika, Gluco - indirekten Inkretinmimetika können
corticoide und Betasympathomimetika peroral verabreicht werden.
abgeschwächt.
Schwangerschaft und Stillzeit: Gli-
nide sind in Schwangerschaft und Still -
Hemmung der
zeit kontraindiziert. Glukoseabgabe und
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind Steigerung der
schwere Leberfunktionsstörungen, Schwan- Glukoseverwertung
gerschaft und Stillzeit, sowie die gleich-
zeitige Einnahme von Gemfibrozil (einem
Lipidsenker).
Biguanide
Vertreter:
Inkretin-Mimetika Metformin 6
Vertreter:
Wirkungsmechanismus: Metformin
Direkte Inkretin-Mimetika:
Exenatide1
reduziert die hepatische Glukoseabgabe
Liraglutid 2
und steigert die Verwertung der Blut-
glukose in Muskel- und Fettgewebe. Der
Indirekte Inkretin-Mimetika: molekulare Wirkungsmechanismus von
Sitagliptin3
Metformin ist unbekannt.
Vildagliptin 4
Saxagliptin5
1 A, CH, D: Byetta
2
Direkte Inkretin-Mimetika: Körper- A: –; CH, D: Victoza
3 A, CH, D: Januvia
eigene Inkretine wie z.B. GLP-1 (Gluka -
4 A, CH, D: Galvus
gon-like Peptid 1) und GIP (gastric inhi-
5 A, CH, D: Onglyza
6 A, CH, D: Glucophage
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
112 Stoffwechselerkrankungen

Wirkungen: Metformin vermindert den Wert, die Triglyceride und die freien Fett-
Insulinbedarf und verlangsamt die Ent - säuren.
wicklung einer Insulinresistenz. Es wird Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
hauptsächlich bei übergewichtigen Typ- sind Flüssigkeitsretention und dadurch
2 Diabetes Patienten eingesetzt. Gewichtszunahme, Kopfschmerzen und
Nebenwirkungen: Neben gastroin- gelegentlich Blähungen.
testinalen Störungen ist die Laktatazi - Kombinationsmöglichkeiten: Glita-
dose besonders gefährlich. zone können mit Metformin oder Sul -
Kombinationsmöglichkeiten: Eine fonylharnstoffen kombiniert werden.
Kombination mit anderen oralen Anti- Schwangerschaft und Stillzeit: Gli-
diabetika, sowie mit Insulin ist möglich. tazone sollen in Schwangerschaft und
Wechselwirkungen: Vermieden wer- Stillzeit nicht angewendet werden.
den sollen Kombinationen mit Gluco- Gegenanzeigen: Herzinsuffizienz,
corticoiden, β 2-Sympathomimetika, Diu- Leberfunktionsstörungen und Alkoholis-
retika und ACE-Hemmern. Vor der Gabe mus, sowie Schwangerschaft und Still -
jodhaltiger Kontrastmittel soll Metfor - zeit.
min abgesetzt werden.
Warnhinweis: Glitazone werden
Schwangerschaft und Stillzeit: Met- wahrscheinlich wegen kardialer Neben-
formin sollte weder in der Schwanger - wirkungen wieder vom Markt genom-
schaft noch in der Stillzeit eingesetzt men.
werden.
Gegenanzeigen: Leberinsuffizienz,
Alkoholismus, kardiale oder respiratori- Hemmung der
sche Insuffizienz, Schwangerschaft und
Stillzeit. Glukoseresorption
aus dem Darm
Insulin Sensitizer –
Vertreter:
Glitazone
Acarbose3
Vertreter: Miglitol4
Rosiglitazon1
Pioglitazon2 Wirkungsmechanismus: Acarbose
und Miglitol hemmen im Darmepithel
Wirkungsmechanismus: Glitazone die α-Glucosidase, die Disaccharide
steigern die Insulinempfindlichkeit der spaltet, die aus Kohlenhydraten entste-
Skelettmuskulatur und des Fettgewebes hen. Dadurch wird die Glukoseresorp-
und vermindern so die Insulinresistenz, tion verzögert bzw. auch vermindert.
die auch bei nicht-diabetischen Patien- Wirkungen: α-Glucosidaseinhibitoren
ten auftreten kann. verhindern postprandiale Blutzucker -
Wirkungen: Unter Glitazonen sinken spitzen, wie sie bei Typ-2 Diabetes Pa-
der Nüchternblutzucker, der HbA1c- tienten häufig auftreten. Auch eine
Hypertriglyzeridämie wird verbessert.
1 A, CH, D: Avandia Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
2 A, CH, D: Actos
3 A, CH, D: Glucobay
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
4 A, CH, D: Diastabol
Stoffwechselerkrankungen 113

auf den Gastrointestinaltrakt wie Bläh - Antidiabetika oder Insulin auftreten


ungen und Durchfälle lassen sich durch und müssen mit Glukose behandelt
einschleichende Dosierung weitgehend werden.
vermindern.
Schwangerschaft und Stillzeit: α-
Kombinationsmöglichkeiten: α- Glucosidasehemmstoffe sind in ihrer Wir-
Glucosidaseinhibitoren können sowohl
kung zu unsicher, um bei Schwangeren
mit oralen Antidiabetika als auch mit
Insulin kombiniert werden. Bei einer even- respektive in der Stillzeit einen Diabetes
tuell auftretenden Hypoglykämie muss zu behandeln.
diese mit Glukose behandelt werden. Gegenanzeigen: Chronische Darmer-
Wechselwirkungen: Hypoglykämien krankungen und Störungen der Nieren -
können in Kombination mit oralen funktion.

FETTSTOFFWECHSELSTÖRUNGEN

Tab. 3: Wichtige Arzneimittel zur Behandlung von


Fettstoffwechselstörungen
Cholesterin-Synthese-Hemmer
Statine Simvastatin1
Pravastatin2
Fluvastatin 3
Lovastatin4
Atorvastatin5
Rosuvastatin 6
Triglyceridsenker
Fibrate Bezafibrat7
Fenofibrat8
Gemfibrozil9
Andere Lipidsenker Nikotinsäure10
Hemmstoffe der Gallensäure-Resorption
Ionenaustauscher Colestyramin11
Hemmstoffe der Cholesterin-Resorption Ezetimib12
1 A: Zocord; CH, D: Zocor 7 A: Bezalip; CH: Cedur; D: Befibrat
2 A: Pravastatin; CH: Selipran; D: Pravasin 8 A: Lipcor; CH: Lipanthyl; D: CiL
3 A, CH: Lescol; D: Locol 9 A, CH, D: Gevilon
4 A: Mevacor; CH: –; D: Mevinacor 10 A, CH, D: Niaspan
5 A, CH, D: Sortis 11 A, CH,D: Quantalan
6 A, CH, D: Crestor 12 A, CH, D: Ezetrol

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


114 Stoffwechselerkrankungen

Cholesterin und Triglyceride werden Statine


vom Gastrointestinaltrakt in Form von
Chylomicronen in die Leber transpor- Vertreter:
tiert, wo Cholesterin gespeichert, zu
Simvastatin1
Gallensäuren oxidiert oder in Lipo pro- Pravastatin2
teine eingebaut wird. VLDL (very low Fluvastatin 3
density lipoprotein) transportiert Cho - Lovastatin4
lesterin und Triglyceride ins Gewebe, Atorvastatin5
LDL (low density lipoprotein) hat einen Rosuvastatin 6
sehr hohen Gehalt an Cholesterin und
HDL (high density lipoprotein) nimmt
Wirkungsmechanismus: Statine sind
Cholesterin im Gewebe aus dem Zell-
Hemmstoffe der Hydroxymethylglutaryl-
zerfall auf und transportiert es in VLDL
CoA-Reduktase, einem Schlüsselenzym
und LDL. Fettstoffwechselstörungen
der Cholesterinbiosynthese. In der Folge
können genetisch bedingt sein (primäre
werden mehr LDL-Rezeptoren gebildet
Dyslipidämien) oder sekundär zu ande-
und so mehr Cholesterin aus dem Blut
ren Erkrankungen auftreten. Entspre-
aufgenommen. Dabei nehmen die LDL-,
chend der Veränderungen der Lipoprotein-
die Cholesterin- und die Triglyzerid-Kon-
konzentrationen werden sie in sechs
zentration im Blut ab und die HDL-Kon-
Gruppen eingeteilt. Je höher die Plas -
zentration etwas zu.
makonzentration von LDL-Cholesterin
und je niedriger die Konzentration von Wirkungen: Statine sind heute die
HDL-Cholesterin ist, desto höher ist das Mittel der Wahl bei der Prävention
Risiko einer koronaren Herzerkrankung. koronarer Herzkrankheiten und bei der
In erster Linie muss versucht werden, Prävention von Reinfarkten. Sie senken
Hyperlipoproteinämie durch nicht medi- das Serumcholesterin um etwa 45% und
kamentöse Maßnahmen wie regelmäßi- das LDL Cholesterin dosisabhängig bis
ge körperliche Bewegung, Umstellung zu 55%. Die Triglyzeride werden leicht
der Ernährung und Gewichtsnormalisie- erniedrigt und das HDL-Cholesterin
rung zu behandeln. Erst wenn damit leicht erhöht. Darüber hinaus haben sie
keine Normalisierung der Blutfette er - positive Wirkungen auf das Endothel,
reicht wird, können zusätzlich lipidsen- steigern die Revaskularisierung ischämi-
kende Arzneimittel verwendet werden. schen Gewebes, hemmen die Plättchen -
Diese sind aber kein Ersatz für diäteti- aggregation, stabilisieren atherosklero-
sche Maßnahmen und Bewegung. tische Plaques und senken den Blutdruck.
Wirkungseintritt und -dauer: Sta-
tine sollen erst nach einer dreimonati-
gen cholesterinsenkenden Diät und dann
einmal täglich, in der Regel abends, mit
1 Flüssigkeit verabreicht werden. Dosis -
A: Zocord; CH, D: Zocor
2 anpassungen erfolgen in großen Inter-
A: Pravachol; CH: Selipran; D: Pravasin
3 vallen, die cholesterinsenkende Diät soll
A, CH: Lescol; D: Locol
4 A: Mevacor; CH: –; D: Mevinacor
beibehalten werden.
5 A, CH, D: Sortis Nebenwirkungen: Statine sind all-
6 A, CH: Crestor; D: – gemein gut verträglich. Nebenwirkun -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Stoffwechselerkrankungen 115

gen können gastrointestinale Beschwer - Wirkungsmechanismus: Fibrate be-


den, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, einflussen mehrere Stoffwechselwege der
Juckreiz und Mundtrockenheit sein. Ein Lipoproteine in der Leberzelle. Unter an-
Anstieg der Serumtransaminasenwerte derem aktivieren sie eine Lipoprotein -
ist kein Anlass zum Therapieabbruch. lipase und damit den Abbau triglyzerid -
Vereinzelt kommt es zu Myopathien. Bei reicher Lipoproteine. Sie steigern die
Vorliegen entsprechender pharmakoge- Fettsäureoxidation und beeinflussen die
netischer Polymorphismen kann es zu Synthese verschiedener Apo-Lipo pro -
einer drastischen Zunahme an Neben - teine.
wirkungen kommen. Wirkungen: Unter Fibraten nimmt die
Kombinationsmöglichkeiten: Sta- Plasmakonzentration von HDL-Choles -
tine können mit Ionenaustauschern oder terin zu, Gesamt- und LDL-Cholesterin
mit Ezetimib zur Verbesserung der Wir- werden leicht gesenkt. Fibrate werden
kung kombiniert werden. Eine Kom - hauptsächlich für die Behandlung von
bination mit Fibraten ist nur bei stren- Hyperlipoproteinämien mit erhöhten Tri-
ger Indikation zulässig, da die Inzidenz glyceriden eingesetzt.
einer Rhabdomyolyse steigt. Dosierung: Fibrate werden einmal
Wechselwirkungen: Statine werden täglich – morgens oder abends – einge-
über das CYP 3A4 System abgebaut. nommen.
Wird dieses Enzym durch Arzneimittel Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
wie Itraconazol, Clarythromycin oder können gastrointestinale Beschwerden,
Fibrate bzw. durch Grapefruitsaft ge- Impotenz und eine Erhöhung der
hemmt, kommt es zu einem Blutspiegel- Leberenzyme sein. Es besteht wie bei
anstieg an Statinen und zu einer Risiko - den Statinen die Gefahr einer Myositis,
erhöhung hinsichtlich Myo pathien bzw. die in Kombination erhöht ist.
Rhabdomyalgien.
Kombinationsmöglichkeiten: Bei
Schwangerschaft und Stillzeit: Sta- der Kombination mit Colestyramin soll
tine sollen in Schwangerschaft und Still - ein Abstand von zwei Stunden einge-
zeit nicht verwendet werden. Eine den- halten werden, da Colestyramin die
noch erfolgte Behandlung rechtfertigt Resorption der Fibrate hemmt.
keinen Schwangerschaftsabbruch.
Wechselwirkungen: Fibrate verstär-
Gegenanzeigen: Aktive Lebererkran- ken die Wirkung von Cumarinen und
kun gen, sowie Schwangerschaft und ebenso die Wirkung von Sulfonyl harn-
Stillzeit. stoffen und Insulin. Fibrate sollen nicht
gleichzeitig mit MAO-Hemmern einge-
setzt werden. Bei gleichzeitiger Gabe
Fibrate von Fibraten mit Statinen erhöht sich
die Gefahr einer Rhabdomyolyse.
Vertreter:
Schwangerschaft und Stillzeit: Fi-
Bezafibrat1
brate sind in Schwangerschaft und Still -
Fenofibrat 2
zeit kontraindiziert.
Gemfibrozil3
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
schwere Lebererkrankungen, sowie Nie -
1 A: Bezalip; CH: Cedur; D: Befibrat
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 2 A: Lipcor; CH: Lipanthyl; D: CiL
3 A, CH, D: Gevilon
116 Stoffwechselerkrankungen

renfunktionsstörungen, Schwanger - terin um 20-30%. Triglyceride und HDL-


schaft und Stillzeit. Cholesterin können leicht, selten auch
stärker ansteigen.
Dosierung, Wirkungseintritt und
Nikotinsäure Wirkungsdauer: Die Dosierung sollte
einschleichend erfolgen: am 1. Tag ein
Nikotinsäure senkt die Konzentration Beutel, am 2. Tag zwei Beutel, etc. Die
der freien Fettsäuren, sowie den Tri - durchschnittliche Tagesdosis beträgt für
glycerid- und Cholesterinspiegel im Plas- den Erwachsenen 12-16g Colestyramin
ma. Darüber hinaus erfolgt unter Niko - (3-4 Beutel). Bei Bedarf kann bis auf
tinsäure eine ausgeprägte Erhöhung 24g täglich erhöht werden.
des HDL-Chlolesterins. Die lipidsenken-
de Wirkung beruht auf einer Hemmung Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
der Lipolyse. Die Dosierung beträgt sind gastrointestinale Beschwerden,
1000-2000 mg/Tag und muss wegen Übelkeit, Erbrechen und Sodbrennen.
Nebenwirkungen einschleichend erfol- Colestyramin vermindert die Resorption
gen. Nebenwirkungen sind vor allem fettlöslicher Vitamine, ein Vitaminman-
gefäßerweiternde Wirkung mit flush, gel ist erst nach längerer Behandlungs-
Blutdruckabfall, Juckreiz und gastroin- dauer zu erwarten. Weitere Nebenwir-
testinalen Beschwerden. Die Flush - kungen in vielen Organsystemen sind
symptomatik lässt sich durch eine möglich.
Kombination mit dem Prostaglandin Kombinationsmöglichkeiten: Bei
DP1-Rezeptorantagonisten Laropiprant1 Kombination von Colestyramin mit an-
zurückdrängen. deren Arzneimitteln sollen diese zeitver-
setzt erst nach zwei Stunden einge-
nommen werden. Bei der Kombination
Ionenaustauscher von Colestyramin mit Statinen wird de -
ren Wirksamkeit verbessert.
Vertreter:
Wechselwirkungen: Colestyramin
Colestyramin 2 kann die Resorption vieler anderer, vor
allem saurer Arzneimittel wie Cumarin -
Wirkungsmechanismus: Colestyra- derivate, Penicilline und Schilddrüsen-
min unterbricht den enterohepatischen präparate verzögern oder herabsetzen.
Kreislauf der Gallensäuren, indem er die Schwangerschaft und Stillzeit: Co-
Gallensäureresorption und die davon lestyramin darf in der Schwangerschaft
abhängige Cholesterinresorption aus dem eingesetzt werden. Vitaminpräparate
Darm vermindert. Daraufhin wird in der sollen zeitlich versetzt verordnet wer-
Leber vermehrt Cholesterin zur Neusyn - den. In den Stillzeit soll Colestyramin
these von Gallensäuren verbraucht. Es nicht verwendet werden.
kommt zu einer Vermehrung der hepa-
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
tischen LDL-Rezeptoren.
Obstruktionen der Gallenwege, schwere
Wirkungen: Colestyramin senkt das Nierenfunktionsstörungen und Hyper -
LDL Cholesterin und das Serum choles- parathyreoidose.
1 A, CH, D: Tredaptive 4 A, CH, D: Quantalan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Stoffwechselerkrankungen 117

Cholesterinresorptions- Nebenwirkungen: Ezetimib hat sehr


wenig Nebenwirkungen, die sich auch
hemmer kaum von Placebo unterscheiden.
Vertreter: Kombinationsmöglichkeiten: Eze-
timib ist zur Monotherapie und zur Kom-
Ezetimib1
bination mit Statinen oder Fibraten ge -
eignet.
Wirkungsmechanismus: Ezetimib Wechselwirkungen: Ezetimib hat
hemmt selektiv die Resorption von Nah - keinen Einfluss auf das Cytochrom P450
rungs-Cholesterin, von Cholesterin aus System; Wechselwirkungen sind zur
der Galle und von Phytosterolen aus Zeit keine bekannt.
dem Darm. Dadurch wird weniger Cho -
Schwangerschaft und Stillzeit: Da-
lesterin zur Leber transportiert.
rüber liegen noch keine Daten vor.
Wirkung: Ezetimib vermindert die Cho-
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
lesterinresorption um ca. 50% und in
schwer eingeschränkte Leber- und Nieren-
der Folge sinkt der LDL-Cholesterinspie-
funktion.
gel um etwa 20%. Auch Triglyzeride
und HDL-Cholesterin werden günstig
beeinflusst.

GICHT
Tab. 4: Wichtige Arzneimittel zur Behandlung der Gicht
Intervalltherapie der Gicht
Urikostatika Allopurinol1
Febuxostat2
Urikosurica (Probenicid)
Metabolisierung der Harnsäure Rasburicase 3
Akuter Gichtanfall
Antiphlogistika Indometacin
Diclofenac
Glucocorticoide
(Colchicin)
1 A, CH, D: Zyloric 3 A, CH, D: Fasturtec
2 A, CH, D: Adenuric

Chronisch erhöhte Harnsäurespiegel im es zum Ausfallen von Natrium urat -


Blut manifestieren sich klinisch als Gicht. kristallen in Geweben mit geringem Stoff-
Meist wird diese erstmals als akuter Gicht- wechsel. Über mehrere Schritte kommt
anfall wahrgenommen. Dabei kommt es zu sehr schmerzhaften entzündlichen
1 A, CH, D: Ezetrol
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
118 Stoffwechselerkrankungen

Reaktionen, die erst nach einigen Tagen Wechselwirkungen: Urikostatika


wieder abklingen. Danach kann ein haben eine Reihe von Wechselwirkun-
unterschiedlich langes, symptomfreies gen. In erster Linie mit Antikoagulan-
Intervall kommen. In der chronischen tien, mit Antibiotika, mit Azathioprin
Gichtphase sind Anfälle zwar geringer, und 6-Mercaptopurin.
aber eine Symptomfreiheit selten. In Schwangerschaft und Stillzeit: Uri-
erster Linie soll versucht werden, durch kostatika sollen in Schwangerschaft und
purinarme Diät den Harnsäurespiegel Stillzeit vermieden werden.
niedrig zu halten. Zusätzlich wird das
Urikostatikum Allopurinol verabreicht. Gegenanzeigen: Bei eingeschränk-
ter Nierenfunktion ist Vorsicht geboten.

Urikostatika
Metabolisierung
Vertreter: der Harnsäure
Allopurinol 1
Febuxostat2 Vertreter:
Rasburicase 3
Wirkungsmechanismus: Allo puri -
nol und Febuxostat sind Hemmstoffe der Rasburicase steht als rekombinantes
Xanthinoxidase, die Hypoxanthin über Enzym zur Verfügung, das die Oxida -
Xanthin zur Harnsäure oxidiert. Durch tion von Harnsäure zu Allantoin kataly-
die Hemmung der Xanthinoxidase wer- siert. Dieses wird besser ausgeschieden
den vermehrt Hypoxanthin und Xanthin und es kommt zu einem schnellen
im Urin ausgeschieden und der Harn - Abfall der Serumharnsäurekonzentra -
säurespiegel im Blut fällt. tion. Unerwünschte Wirkungen können
Wirkung: Urikostatika gelten als Mittel Fieber, Übelkeit und Erbrechen, auch
der Wahl zur Behandlung einer chroni- Durchfall und Kopfschmerzen sein.
schen Hyperurikämie. Die Harnsäurespie-
gel in Blut und Harnauscheidung wer-
den gesenkt. Der akute Gichtanfall
Nebenwirkungen: Febuxostat ist
spezifischer als Allopurinol und es wer- Beim akuten Gichtanfall werden heute
den weniger Nebenwirkungen erwartet. in erster Linie Antiphlogistika wie Indo -
Am Beginn der Therapie kann Allopuri- methacin, Diclofenac, aber auch Ibupro-
fen mit Erfolg eingesetzt. Ebenfalls wirk-
nol einen Gichtanfall auslösen, die wich-
sam sind orale Glucocorticoide. Das
tigsten Nebenwirkungen sind allergi-
früher sehr häufig verwendete Colchicin
sche Hauterscheinungen und gastroin-
sollte wegen seiner Nebenwirkungen
testinale Störungen. Daneben gibt es –
heute nur mehr sehr eingeschränkt ver-
selten – Nebenwirkungen in verschie-
wendet werden.
densten Organen und Organsystemen.
Kombinationen: Urikostatika kön- 1 A, CH, D: Zyloric
nen mit Colchicin oder mit NSAR kom- 2 A, CH, D: Adenuric
biniert werden. 3 A, CH, D: Fasturtec

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Psychopharmaka 119

PSYCHOPHARMAKA
Psychopharmaka sind Arzneimittel, die auf das Zentralnervensystem wirken
und psychische Prozesse beeinflussen. In den folgenden Kapiteln werden
die Neuroleptika, die Antidepressiva, die Tranquillantien und die
Psychostimulantien besprochen.

Neuroleptika
Tab. 1: Die wichtigsten Neuroleptika
Klassische, schwach wirkende
Neuroleptika (Auswahl) Levomepromazin1
Chlorprothixen2
Zuclopenthixol 3
Flupentixol4
Dixyrazin 5
Melperon 6
Klassische, stark wirkende Neuroleptika (Auswahl) Haloperidol7
Pimozid8
Atypische Neuroleptika Clozapin 9
Olanzapin 10
Quetiapin11
Risperidon12
Sulpirid 13
Amisulprid14
Zotepin15
Ziprasidon 16
Aripiprazol17
1 A, CH: Nozinan; D: Neurocil 10 A, CH, D: Zyprexa
2 A, CH, D: Truxal 11 A, CH, D: Seroquel
3 A: Cisordinol; CH: Clopixol; D: Ciatyl-Z 12 A, CH, D: Risperdal
4 A, CH, D: Fluanxol 13 A, CH, D: Dogmatil
5 A: Esucos; CH, D: – 14 A, CH, D: Solian
6 A: Buronil; CH: –; D: Eunerpan 15 A: Nipolept; CH: –; D: Nipolept
7 A, CH, D: Haldol 16 A: Zeldox; CH: –; D: Zeldox
8 A, CH, D: Orap 17 A, CH, D: Abilify
9 A, CH, D: Leponex

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


120 Psychopharmaka

Neuroleptika sind Arzneimittel zur Be- die nur durch langsames Absetzen
handlung schizophrener Psychosen, Er - zurückgehen.
krankungen, die mit dramatischen Ver - Vegetative Nebenwirkungen sind vor
änderungen der Wahrnehmung, des allem Mundtrockenheit, Pupillenerwei-
Denkens, der Affektivität, des Antriebs terung, Akkommodationsschwäche, Übel-
und der Persönlichkeit einhergehen. Die keit, Verstopfung und Harnsperre. Am
Leitsymptome der Schizophrenie teilen Herzen kann es zu Tachyarrhythmien,
sich in positive Symptome wie Wahn QT-Zeit-Verlängerungen und plötzli-
und Halluzination und negative Symp - chem Herztod kommen. Im endokrinen
tome mit Apathie und Affektver - Bereich treten Amenorrhoe, Libido- und
flachung. Während die positiven Symp - Potenzverlust, Gynäkomastie mit Lak -
tome einer Arzneitherapie einigermaßen tation auch bei Männern und Gewichts -
zugänglich sind, sind negative Sympto - zunahme auf. Darüberhinaus treten
me nur mit wenigen Vertretern und sehr immunallergische Erkrankungen wie
unzureichend behandelbar. Im Vorder - Myokarditis, Hepatitis, Vaskulitis, Urti -
grund der Arzneimittelwirkung der Neuro- karia und Blutveränderungen auf. Eine
leptika steht eine Blockade der Dopa - seltene, aber gefährliche Nebenwirkung
min D2 Rezeptoren. In Ausnahmefällen ist das maligne Neuroleptikasyndrom das
werden D4 Rezeptoren blockiert. Darüber- in 20% letal endet.
hinaus sind Neuroleptika auch antago-
Die Summe der möglichen Nebenwir-
nistisch auf Muskarinrezeptoren, α1-Re-
kungen der Neuroleptika soll daran er -
zeptoren, Histamin- und Serotoninre -
innern, dass sie nur bei strenger Indi -
zeptoren. Alle Neuroleptika wirken auch
kation anzuwenden sind. Die Verwen -
sedierend und antiemetisch, haben in
dung dieser Arzneimittel als Schlaf -
unterschiedlichem Ausmaß vegetative
mittel oder als Tagessedativa ist unzu -
Nebenwirkungen und bewirken extra-
lässig.
pyramidal-motorische Störungen. Diese
werden eingeteilt in
Klassische, schwach
 Frühdyskinesien mit Blickkrämpfen
wirkende Neuroleptika
und Zungenschlundkrämpfen, die
sich schon in der ersten Woche Vertreter:
manifestieren und mit parasympa- Levomepromazin1
tholytischen Antiparkinsonmitteln Chlorprothixen2
behandelbar sind. Zuclopenthixol 3
 Parkinsonsyndrom mit Rigor und Flupentixol4
Tremor nach ein- bis zweiwöchiger Dixyrazin 5
Behandlung. Melperon 6
 Akathisie mit ständigem Bewegungs- Sertindol7
drang nach monatelanger Behand-
lungsdauer und Wirkungsmechanisms: Die antipsy-
 Spätdyskinesien mit auffälligen chotische Wirkung beruht auf einer
Gesichts- und Mundbewegungen, Dopamin D2-Rezeptor-Hemmung. Die Do-
1 A, CH: Nozinan; D: Neurocil 5 A: Esucos; CH, D: –
2 A, CH, D: Truxal 6 A: Buronil; CH: –; D: Eunerpan
3 A: Cisordinol; CH: Clopixol; D: Ciatyl-Z 7 A, CH: Serdolect; D: –
4 A, CH, D: Fluanxol
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Psychopharmaka 121

paminrezeptoren sind G-Protein-gekop- Akkommodationsstörungen, Schwitzen,


pelte Rezeptoren. Darüber hinaus Verstopfung und Harnsperre. Dazu
blockieren diese Verbindungen auch in kommen hormonelle Störungen in Fol -
unterschiedlichem Ausmaß D 1-Rezepto- ge der Dopaminrezeptorblockade und
ren, 5-HT 2-Rezeptoren, Muskarin M1- psychische Nebenwirkungen wie An -
Rezeptoren, α1-Adrenorezeptoren und triebslosigkeit und depressive Zustände.
Histamin H1-Rezeptoren. Diese Wirkun-
Wechselwirkungen: Bei der Kombi-
gen sind möglicherweise auch an der
nation mit Arzneimitteln mit anticholi-
therapeutischen Wirkung, sicher aber
nergen Eigenschaften wie anticholiner-
an den zahlreichen Nebenwirkun gen
beteiligt. gen Antiparkinsonmitteln können Ne -
benwirkungen der Neuroleptika kaschiert
Wirkungen: Diese Substanzen wirken und das Risiko einer Späthyperkinesie
zentral dämpfend und antipsychotisch, erhöht werden. Andere Anticholiner -
ferner antiemetisch, lokalanästhetisch, gika wie trizyklische Anti depressiva
Ganglien blockierend, anticholinerg, anti- oder Antihistaminika können die vege-
adrenerg, antihistaminisch und stören tativen Nebenwirkungen der Neuro -
die Wärmeregulation. Levomepromazin
leptika verstärken. Bei Kombination mit
und Chlorprothixen besitzen auch noch
dopaminergen Parkinsonmitteln ist eine
einen antidepressiven Effekt.
Wirkungsverminderung möglich. Bei
Applikationsformen: Alle Neuro - Kombination mit zentral dämpfenden
leptika können oral verabreicht werden. Arzneimitteln ist mit einer gegenseiti-
Von einzelnen Vertretern gibt es intra- gen Wirkungsverstärkung zu rechnen.
muskulär zu verabreichende Depot - Eine Kombination mit MAO-Hemmern
formen mit einer Wirkungsdauer von soll vermieden werden.
bis zu 4 Wochen, die bei mangelnder
Compliance verabreicht werden. Bei - Schwangerschaft und Stillzeit:
spiele sind Flupentixol-Decanoat1 und Schwach wirkende Neuroleptika wie
Zuclopenthixol-Decanoat2. Levomepromazin sind die Mittel der
ersten Wahl zur Behandlung einer psy-
Nebenwirkungen: Die möglichen chotischen Symptomatik in der Schwan-
Nebenwirkungen sind in der Einleitung
gerschaft. Dieses kann auch während
aufgeführt. Bei klassischen, schwach
der Stillzeit verabreicht werden.
wirkenden Neuroleptika stehen die
vegetativen und sedierenden Neben - Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
wirkungen im Vordergrund. Die vegeta- akute Schlafmittel-, Analgetika-, Psycho-
tiven Nebenwirkungen beruhen auf pharmaka- oder Alkoholintoxikation. Vor-
Blockade von Muskarinrezeptoren und sicht ist geboten bei M. Parkinson, älte-
Adrenorezeptoren und äußern sich in ren Patienten, kardialer Vorschädigung
Benommenheit, orthostatischer Dysre- und orthostatischer Dysregulation, so -
gulation, Herzklopfen, Mundtrockenheit, wie bei Leber- oder Nierenschäden.

1 A, CH, D: Fluanxol-Depot
2 A: Cisordinol; CH: Clopixol; D: Ciatyl-Z-Depot

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


122 Psychopharmaka

Klassische, stark den schwach wirkenden Neuroleptika


wirkende Neuroleptika bekannt sind, treten in den Hintergrund.
Kombinationsmöglichkeiten: Als
Vertreter: Mittel gegen die extrapyramidalen Stö -
Haloperidol 1 rungen werden atypische Neuroleptika
Pimozid 2 wie Olanzapin 4 empfohlen.
Melperon3 Wechselwirkungen: Haloperidol
hemmt die Metabolisierung trizykli-
Wirkungsmechanismus: Halo peri - scher Antidepressiva und erhöht deren
dol ist ein starker Dopamin D 2 -Re - Plasmaspiegel. Enzyminduzierende Subs-
zeptor-Antagonist, muskarinische, adre- tanzen wie Carbamazepin führen zu
nerge, histaminerge und serotonerge Re- einer Wirkungsverminderung. Von einer
zeptoren werden kaum blockiert. Kombination mit Lithium wird abgera-
Wirkungen: Haloperidol ist stark anti- ten.
psychotisch wirksam. Antiparkinsonmittel vom Typ der
Wirkungseintritt und Wirkungs - Anticholinergika sollen nicht eingesetzt
dauer: Haloperidol zeigt gleich nach werden, da sie die Wirkung von Halo -
Applikation anxiolytisch-distanzierende peridol vermindern können.
und erregungsdämpfende Effekte, die se- Schwangerschaft und Stillzeit: Halo-
dative Wirkungskomponente ist gering. peridol wird nur nach strenger Indika -
Der antipsychotische Effekt tritt erst tionsstellung in der Schwangerschaft ver-
nach einiger Zeit ein. ordnet. In der Stillzeit sollten eher
Nebenwirkungen: Bei den Neben- schwach wirkende Neuroleptika ver-
wirkungen stehen die Störungen der wendet werden.
extrapyramidalen Motorik im Vorder-
grund. Es können Tremor, Rigidität, Atypische Neuroleptika
Speichelsekretion und Akathisie auftre-
Vertreter:
ten. Dyskinesien gehen einher mit un -
willkürlichen Bewegungen von Zunge, Clozapin 5
Gesicht, Mund oder Kiefer. Wie bei Olanzapin 4
anderen Neuroleptika kann ein malig- Quetiapin 6
nes, neuroleptisches Syndrom auftreten Risperidon7
Sulpirid 8
mit Fieber, Muskelsteifheit und Bewusst-
Amisulprid9
seinsstörungen. Andere zentralnervöse
Zotepin10
Nebenwirkungen wie Depression, Agi -
Paliperidon11
tiertheit, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit,
Ziprasidon 12
Kopfschmerzen, etc., treten seltener auf.
Aripiprazol13
Vegetative Nebenwirkungen, wie sie bei
1 A, CH, D: Haldol 9 A, CH, D: Solian
2 A, CH, D: Orap 10 A: Nipolept; CH: –; D: Nipolept
3 A: Buronil; CH: –; D: Eunerpan 11 A, CH, D: Invega
4 A, CH, D: Zyprexa 12 A: Zeldox; CH: –; D: Zeldox
5 A, CH, D: Leponex 13 A, CH, D: Abilify
6 A, CH, D: Seroquel
7 A, CH, D: Risperdal
8 A, CH, D: Dogmatil E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Psychopharmaka 123

Die atypischen Neuroleptika wirken Olanzapin zeichnet sich durch eine


antipsychotisch gegenüber positiven beträchtliche Gewichtszunahme aus.
und negativen Symptomen – eine Wir - Quetiapin kann zu Leukopenien und
kung, die allerdings erst nach vielen Mo- QT-Zeit-Verlängerung führen. Auch bei
naten erwartet werden darf. Hinsicht- Ziprasidon sind kardiale Nebenwirkun -
lich Nebenwirkungen zeigen sie gerin- gen häufiger als bei den anderen atypi-
gere extrapyramidal-motorische Störun - schen Neuroleptika. Weiters können bei
gen und weniger Spätdyskinesien. Die der Gruppe orthostatische Beschwerden
bessere Verträglichkeit verbessert auch auftreten, asymptomatische Erhöhun -
die Compliance. gen der Leberenzyme, erhöhte Plasma -
Wirkungsmechanismus: Im Vorder- prolaktinspiegel und damit zusammen-
grund steht die Dopamin D 2-Rezeptor- hängende klinische Befunde wie Gynä -
antagonistische und eine 5-HT 2-Rezep- komastie und Galaktorrhoe und gastro-
tor-antagonistische Wirkung. Clozapin intestinale Beschwerden wie Obstipa -
und Risperidon antagonisieren darüber- tion und Mundtrockenheit.
hinaus Dopamin D 4-Rezeptoren. Quetia- Kombinationsmöglichkeiten: Be-
pin und Ziprasidon haben eine ausge- vorzugt ist eine Monotherapie. In Einzel-
prägte antiserotoninerge Wirkung und fällen kann mit klassischen, schwach wirk-
Sulpirid sowie Amisulprid blockieren samen Neuroleptika vorübergehend kom-
zusätzlich Dopamin D 3-Rezeptoren. Ari- biniert werden. Bei akuten Psychosen wird
piprazol hingegen ist ein partieller Do - auch mit Benzodiazepinen oder, bei star-
pamin-Rezeptor-Agonist, der bei Über - ken Negativsymptomen, mit selektiven Sero-
aktivität Dopaminrezeptoren antagoni- tonin-Rückaufnahme-Inhibitoren kombi-
siert und bei Mangel als Agonist aktiv niert.
wird. Wechselwirkungen: Atypische Neuro-
Wirkungen: Die atypischen Neuro - leptika sollen nicht gemeinsam mit
leptika sind besonders gut antipsycho- langwirkenden Depot-Neuroleptika ver-
tisch wirksam und heute eigentlich die abreicht werden. Sie verstärken die zen-
Mittel der Wahl – vor allem, wenn es um tralen Effekte anderer ZNS-dämpfender
die Behandlung von Negativsymptomen Substanzen und können anticholinerge
geht. und blutdrucksenkende Wirkungen eben-
falls verstärken. Bei den einzelnen Prä -
Dosierung, Wirkungseintritt und
paraten ist auf Interaktionen auf der
Dauer: Die Dosierungen sind von
Ebene der Cytochrom P450 Enzyme zu
Substanz zu Substanz verschieden, der
achten.
Wirkungseintritt ist erst nach mehreren
Monaten und bei nicht-produktiven Schwangerschaft und Stillzeit:
Negativsymptomen erst nach einem Jahr Atypische Neuroleptika sollen in der
zu erwarten. Schwangerschaft nicht angewendet
werden. Auch in der Stillzeit sind klassi-
Nebenwirkungen: Die Nebenwirkun-
sche Neuroleptika zu bevorzugen.
gen sind bei den einzelnen Vertretern
unterschiedlich ausgeprägt. Der Proto - Gegenanzeigen: Substanz-spezifi-
typ dieser Gruppe, Clozapin, hat ge - sche Gegenanzeigen sind zu beachten;
häuft Agranulozytosen bewirkt und bei Clozapin vor allem Beeinträchtigun-
wird daher nur mehr selten eingesetzt. gen des Blutbildes.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


124 Psychopharmaka

Antidepressiva
Tab. 2: Die wichtigsten Antidepressiva
Nicht-selektive Rückaufnahme-Inhibitoren (NSRI)
(trizyklische Antidepressiva) (Auswahl) Amitriptylin 1
Clomipramin 2
Doxepin 3
(tetrazyklisches Antidepressivum) Maprotilin4
Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) Citalopram5
Escitalopram6
Fluoxetin 7
Fluvoxamin 8
Paroxetin9
Sertralin 10
Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SNRI) Venlafaxin11
Duloxetin 12
Milnacipran 13
Noradrenalin Rückaufnahme-Inhibitoren (NARI) Reboxetin14
Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antagonisten (NaSSA)
Mianserin 15
Mirtazapin 16
Serotonin (5-HT 2)-Antagonist und Rückaufnahme-Inhibitor
(SARI) Trazodon 17
Reversible Monoaminoxidase Hemmer (RIMA) Moclobemid18
Prophylaxe der Manie Lithium 19
Phytotherapie Johanniskraut 20
1 A, CH, D: Saroten 11 A: Efectin; CH: Efexor; D: Trevilor
2 A, CH, D: Anafranil 12 A, CH, D: Cymbalta, Yentreve
3 A: Sinequan; CH: Sinquan; D: Aponal 13 A: Dalcipran; CH, D: –
4 A, CH, D: Ludiomil 14 A, CH, D: Edronax
5 A, CH: Seropram; D: Cipramil 15 A, CH: Tolvon; D: Tolvin
6 A, CH, D: Cipralex 16 A, CH: Remeron; D: Remergil
7 A,CH: Fluctine; D: Fluctin 17 A, CH: Trittico; D: Thombran
8 A, CH: Floxyfral; D: Fevarin 18 A, CH, D: Aurorix
9 A: Seroxat; CH: Deroxat; D: Seroxat 19 A, CH: Quilonorm; D: Quilonum
10 A, CH, D: Gladem 20 A, CH, D: Jarsin

Die Kardinalsymptome einer De - Selbstwertgefühl und Schuldgefühle bis


pression sind depressive Verstimmung, hin zu Suizidgedanken. Der Schweregrad
Verlust von Interesse und Freude und wird nach der Anzahl diagnostizierter
erhöhte Ermüdbarkeit wegen vermin- Symptome beurteilt. Der De pression
dertem Antrieb. Dazu kommen noch liegt ein Ungleichgewicht verschiedener
andere Symptome wie vermindertes Neurotransmittersysteme zugrunde, wo-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Psychopharmaka 125

bei hier von serotonergen, noradrener- Die heute am häufigsten verordneten


gen, dopaminergen, GABAergen und Antidepressiva sind die SSRI, bei schwe-
cholinergen Beteiligungen besprochen ren Depressionen greift man aber häu-
wird. Dement sprechend zeigen auch fig auf trizyklische Antidepressiva zurück.
die Antidepressiva keinen gemeinsamen
Wirkungen der Antidepressiva durch
Wirkungs mechanismus. Nach ihren
spezifische Hemmungen (Tab. 3): Die
Wirkungen lassen sie sich einteilen in
Noradrenalinauf nah me hemmung be -
 Nichtselektive Rückaufnahme- wirkt Antriebssteigerung und psycho-
Inhibitoren (NSRI) (trizyklische motorische Aktivierung, die Serotonin-
Antidepressiva) aufnahmehemmung wirkt ebenfalls an -
 Selektive Serotonin-Rückaufnahme- triebssteigernd und führt zu Übelkeit,
Inhibitoren (SSRI) Durchfall, Schlafstörungen und sexuel-
 Serotonin-Noradrenalin-Rückauf- len Funktionsstörungen.
nahme-Inhibitoren (SNRI)
 Noradrenalin Rückaufnahme- Muskarinrezeptorblockade führt zur
Inhibitoren (NARI) Mundtrockenheit, Akkomodations stö -
 Noradrenerge und spezifisch rung und Verstopfung, α1-Rezeptor -
serotonerge Antagonisten (NaSSA) blockade zu Blutdruckabfall und α 2-Re-
 Selektive Serotonin (5-HT2)- zeptorblockade antagonisiert eine sexu-
Antagonisten und Rückaufnahme elle Funktionsstörung. Histamin H 1 -
Inhibitoren (SARI) Rezeptorblockade führt zu Sedierung
 und Hemmstoffe der Monoaminoxi- und zusammen mit der 5-HT2-Rezep-
dase (MAO-Inhibitoren). torblockade zu Gewichtszunahme.

Tab. 3: Antidepressiva und deren hemmende Wirkungen


(Relative Affinitäten ausgewählter Antidepressiva zu Noradrenalin-
(NAT) und Serotonin Transportern (5-HTT) sowie zu anderen
Rezeptoren)
Gruppe AD NAT 5-HTT M α1 α2 H1 5HT2A
Trizyklische Amitriptylin ++ ++ ++ ++ + ++ ++
(NSRI) Clomipramin ++ +++ ++ ++ – ++ ++
SSRI Fluoxetin + +++ – – – – –
Citalopram – +++ – – – + –
NARI Reboxetin +++ – – – – – –
SNRI Venlafaxin ++ +++ – – – – –
SARI Trazodon – + – +++ ++ + +++
NaSSA Mianserin + – + + +++ +++ +++
Mirtazapin – – + + +++ +++ +++

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


126 Psychopharmaka

Nicht-selektive Rückauf - sind Mundtrockenheit, Obstipation und


nahme-Inhibitoren (NSRI) Gewichtszunahme.
Kombinationsmöglichkeiten: Bei
Vertreter: schizophrenen Erkrankungen können
Amitriptylin1 trizyklische Antidepressiva mit Neuro -
Clomipramin2 leptika kombiniert werden. Da die
Doxepin 3 Antriebssteigerung rascher eintritt als die
Maprotilin4 Stimmungsaufhellung, sollten diese Anti-
depressiva anfangs mit Benzodiazepinen
Wirkungsmechanismus: Die trizy- kombiniert werden, um einem Suizid vor-
klischen Antidepressiva sind nicht selek- zubeugen.
tive Hemmstoffe der Wiederaufnahme Wechselwirkungen: Trizyklische Anti-
von Noradrenalin und Serotonin und depressiva sollen nicht mit anderen
haben wenig Einfluss auf Dopamin. Antidepressiva, vor allem nicht mit MAO-
Diese Arzneimittel sind darüber hinaus Hemmern kombiniert werden. Arznei -
Antagonisten an Muskarinrezeptoren, mittel mit anticholinergen Eigenschaf -
α 1-Rezeptoren, H1 und 5HT2-Rezepto- ten verstärken die Nebenwirkungen der
ren, woraus sich eine Reihe von Neben - trizyklischen Antidepressiva.
wirkungen ableiten lassen.
Schwangerschaft und Stillzeit:
Wirkungen: Trizyklische Antidepressi- Trizyklische Antidepressiva sind die
va werden bei mittelgradigen bis Mittel der Wahl zur Behandlung von
schweren Depressionen eingesetzt. Depressionen in der Schwangerschaft.
Dosierung, Wirkungseintritt und Auch in der Stillzeit sind sie anderen
Wirkungsdauer: Die Medikation sollte Antidepressiva vorzuziehen.
langsam eingeschlichen werden, z. B. Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind
zweimal 25mg Amitriptylin/Tag. Schritt- akute Intoxikationen mit zentral dämp-
weise bis zweimal 75mg/Tag. Die stim- fenden Substanzen.
mungsaufhellende antidepressive Wir -
kung wird erst nach zwei bis drei Wo - Selektive Serotonin Rück-
chen deutlich. aufnahme-Inhibitoren (SSRI)
Nebenwirkungen: Die Nebenwirkun-
Vertreter:
gen – vor allem die anticholinergen
Effekte – treten sehr rasch ein und sind Citalopram5
vor allem zu Beginn der Behandlung Escitalopram6
Fluoxetin7
ausgeprägt. Andere Nebenwirkungen
Fluvoxamin8
sind Sedierung, Verwirrtheit und ortho-
Paroxetin9
statische Hypotonie. Bei hohen Dosen
Sertralin 10
können Herzrhythmusstörungen ausge - Dapoxetin11
löst werden. Weitere Nebenwirkungen
1 A, CH, D: Saroten 8 A, CH: Floxyfral; D: Fevarin
2 A, CH, D: Anafranil 9 A: Seroxat; CH: Deroxat; D: Seroxat
3 A: Sinequan; CH: Sinquan; D: Aponal 10 A, CH, D: Gladem
4 A, CH, D: Ludiomil 11 A, CH, D: Priligy
5 A, CH: Seropram; D: Cipramil
6 A, CH, D: Cipralex E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
7 A, CH: Fluctine; D: Fluctin
Psychopharmaka 127

Selektive Serotonin Rückaufnahme- zweiter Wahl. Auch in der Stillzeit sind


Inhibitoren hemmen den Serotonin - trizyklische Antidepressiva zu bevorzu-
transport in die präsynaptischen Nerven- gen. Falls notwendig könnten aber auch
endigungen. Paroxetin oder Fluvoxamin verwendet
Wirkungen: SSRI werden angewen- werden.
det bei leichten bis mittelschweren Gegenanzeigen: Gleichzeitige Ver-
Depressionen. wendung von MAO-Hemmern.
Dosierung, Wirkungseintritt und
Wirkungsdauer: Die Behandlung er- Dapoxetin 1
folgt üblicherweise mit Einmalgabe pro Eine neue Indikation gibt es für den
Tag. Die Wirkung tritt nach etwa ein bis
SSRI-Dapoxetin. Dapoxetin ist ein SSRI
zwei Wochen ein. Bei Abbruch der Be -
mit besonders kurzer Halbwertszeit und
handlung sollte ein allmähliches Aus -
wird eingesetzt bei Ejaculatio praecox,
schleichen über einige Wochen erfol-
also frühzeitigem Samenerguss des
gen.
Mannes.
Nebenwirkungen: Sedierende und
anticholinerge Nebenwirkungen sind
wesentlich geringer als bei den trizykli-
schen Antidepressiva. Andererseits ver- Serotonin-Noradrenalin
ursachen sie Übelkeit, Diarrhoe, Kopf- Rückaufnahme-Inhibitoren
schmerzen, Schlaflosigkeit und Störun - (SNRI)
gen der Sexualfunktion.
In diese Gruppe gehört Venlafaxin 2,
Kombinationsmöglichkeiten: Kom- das bevorzugt den Serotonintransport,
binationen mit Neuroleptika sind mög- aber auch den Noradrenalintransport
lich. blockiert und außer als Antidepressivum
Wechselwirkungen: Wechselwirkun- auch bei neuropathischen Schmerzen ein-
gen auf der Ebene der Cytochrom gesetzt wird.
P450-Isoenzyme müssen sorgfältig be -
Ein ähnliches Wirkprofil hat Milnaci -
achtet werden. Bei der Kombination mit
pran3. Beiden ist gemeinsam dass sie
Opiaten, Triptanen und anderen sero-
tonergen Verbindungen kann es zum keine Affinität zu Muskarin-, α 1-, α2
Serotoninsyndrom kommen (siehe Seite oder Histaminrezeptoren haben und
50). Diese Gefahr besteht bei Fluoxetin daher die damit verbundenen spezifi-
bis 5 Wochen nach Absetzen der schen Nebenwirkungen nicht auftreten.
Therapie mit diesem SSRI. Nicht kom- Bei raschem Absetzen dieser Verbindun-
biniert werden sollen SSRI mit MAO- gen muss mit einer Entzugsproblematik
Hemmern oder Lithium. Protonenpum- gerechnet werden.
penhemmer können die Plasmahalb - Duloxetin wird in der Behandlung von
wertszeit der SSRI merklich verlängern. Depressionen, Angststörungen, Poly -
Schwangerschaft und Stillzeit: SSRI neuropathie, aber auch bei Harnin -
sind in der Schwangerschaft die Mittel kontinenz eingesetzt.

1 A, CH, D: Priligy
2 A: Efectin; CH: Efexor; D: Trevilor
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 3 A: Dalcipran, CH, D:–
128 Psychopharmaka

Noradrenalinrückaufnahme- ausgeprägt und Störungen der Sexual-


Inhibitoren (NARI) funktion wie bei den SSRI fehlen. Blut-
bildveränderungen sind zu beachten.
In diese Gruppe gehört Reboxetin1,
das bevorzugt den Noradrenalintrans- Reversible MAO-
port und nur geringfügig den Seroto - Hemmstoffe (RIMA)
nintransport blockiert. Da es nicht mit
Muskarin- oder Histamin-Rezeptoren Vertreter:
reagiert, führt es nicht zu Mund - Moclobemid5
trockenheit und Sedierung.
MAO-Hemmer (reversible Inhibitoren
Serotonin-Antagonisten der Monoaminoxidase = RIMA) hem-
und Rückaufnahme- men die oxidative Desaminierung von
Inhibitoren (SARI) Noradrenalin, Dopamin und Serotonin.
Sie sind stark antriebssteigernd und wer-
In diese Gruppe gehört Trazodon2,
den bei sonst therapieresistenten De -
das 5-HT2A/2C Rezeptoren, präsynapti-
pressio nen eingesetzt. Besonders zu
sche α2-Rezeptoren und α1-Rezeptoren
beachten bei der Therapie mit MAO-
hemmt. Neben der antidepressiven Wir -
Hemmern ist, dass mit zahlreichen Arz -
kung, die auf die Rückaufnahme- neimitteln sehr gefährliche Wechselwir-
Hemmung von Serotonin zurückzu- kungen auftreten können.
führen ist, verbessert es bei abendlicher
Einnahme die Schlafqualität bei Patien - Prophylaxe der Manie
ten mit somatoformen Schmerzen.
Vertreter:
Noradrenerge und Lithium6
spezifisch serotonerge-
Antagonisten (NaSSA) Wirkungsmechanismus: Der Wir -
kungsmechanismus von Lithiumionen
Vertreter:
ist nur teilweise bekannt. Lithium greift
Mianserin 3 in den Phosphatidylinositol-Stoff wech-
Mirtazapin 4 sel (PI turnover) ein und schwächt über
diesen Mechanismus vermittelte Neuro -
Diese Substanzen hemmen präsynap- transmitterwirkungen ab.
tische α2-Adrenorezeptoren und setzen
durch Hemmung der präsynaptischen Wirkungen: Lithiumsalze eignen sich
Feedbackhemmung Noradrenalin frei. zur Prophylaxe affektiver Psychosen,
Zusätzlich haben sie Serotonin-2- und sowie zur Therapie manischer Phasen
Serotonin-3-Rezeptor antagonistische bei der bipolaren Depression.
Wirkungen. Diese Substanzen ähneln in Dosierung, Wirkungseintritt und -
ihren Eigenschaften sehr den trizykli- dauer: Wegen der geringen therapeuti-
schen Antidepressiva, doch sind die anti- schen Breite ist eine individuelle Do -
cholinergen Nebenwirkungen weniger sierung und eine Kontrolle des Lithium-
1 A, CH, D: Edronax 5 A, CH, D: Aurorix
2 A, CH: Trittico; D: Thombran 6 A, CH: Quilonorm; D: Quilonum
3 A, CH: Tolvon; D: Tolvin
4 A, CH: Remeron; D: Remergil E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Psychopharmaka 129

serumsspiegels nötig. Der Wirkungs - Wenngleich der Wirkstoff nicht genau


eintritt ist nach etwa ein bis zwei bekannt ist, dürfte Johanniskraut ähn-
Wochen zu erwarten. lich wie die synthetischen Anti de -
Nebenwirkungen: Auch bei exakter pressiva eine Noradrenalin- und Sero -
Einstellung kann es zu Übelkeit, gastro- tonin- Rückaufnahmehemmung bewir-
intestinalen Beschwerden, Muskel - ken. Voraussetzung für eine vernünftige
schwäche und feinschlägigem Tremor Therapie mit Johanniskraut ist, dass nur
kommen. Bei längerer Einnahmedauer geprüfte und registrierte Arzneimittel
ist mit Gewichtszunahme zu rechnen. eingesetzt werden. Von den Neben -
wirkungen zu beachten ist besonders
Wechselwirkungen: Eine Kombina-
die Photosensibilität, d.h. Johanniskraut-
tion einer Lithiumtherapie mit anderen
therapie und Sonnenbad sind nicht ver-
Arzneimitteln muss sorgfältig überprüft
einbar. Zahlreiche Wechselwirkungen
werden, da es zahlreiche gefährliche
mit anderen Arzneimitteln, vor allem
Wechselwirkungen gibt. So können
mit Antikoagulantien, anderen Antide-
NSAR, ACE-Hemmer und Sartane wie
pressiva, oralen Kontrazeptiva und Theo-
Valsartan die Ausscheidung von Lithium
phyllin sind zu beachten.
hemmen und zu toxischen Blutspiegeln
führen. Auch Hyponatriämie verstärkt
die Toxizität von Lithium. Ein neueres Antidepressivum ist Ago -
Schwangerschaft und Stillzeit: Ist melatin 2, eine dem Melatonin struktu-
eine Lithiumtherapie in der Schwanger - rell verwandte Verbindung. Es bindet als
schaft zwingend notwendig, sollten spezifischer Agonist an Melotonin re-
gleichbleibend niedrige Serumkonzen - zeptoren im Hypothalamus, wo der zir-
trationen angestrebt werden. Im Ein - kadiane Rhythmus reguliert wird. Es
zelfall kann Lithium auch während der wird bei depressiven Patienten einge-
Stillzeit erlaubt werden. setzt und verbessert bei diesen die
Alternativen: Außer Lithium werden Schlafqualität.
auch Carbamazepin, Olanzapin, Valpro- Bupropion 3 hat chemische Ähnlich-
insäure, Lamotrigin und Topiramat zur keit mit Metamphetamin, wurde ur -
Prophylaxe affektiver Psychosen und sprünglich als Antidepressivum einge-
manischer Phasen bei der bipolaren setzt und ist jetzt in Verwendung zur
Depression eingesetzt. Raucherentwöhnung. Die Nebenwir -
kungen sind von der Amphetamin-Ähn-
Johanniskraut1 lichkeit abzuleiten: Schlaflosigkeit,
Zur Therapie leichter bis mittelschwe- Halluzinationen, Depersonalitätsempfin-
rer Depressionen ist Johanniskraut - den u.a. Der therapeutische Wert ist
extrakt eine mögliche Alternative. umstritten.

1 A, CH,D: Jarsin 3 A, CH, D: Zyban


2 A, CH, D: Valdoxan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


130 Psychopharmaka

Tranquillantien und Schlafmittel


In diesem Kapitel werden Arzneimittel sierung atemdepressiv und Herz-Kreislauf-
zur Behandlung von Angststörungen depressiv wirken können. Die wichtig-
sowie zur Behandlung von Schlaf stö- sten Anxiolytika sind die Benzodiazepi-
rungen besprochen. Die Tranquillantien, ne, die zum Teil auch als Schlafmittel Ver-
auch Anxiolytika genannt, können Angst- wendung finden. Darüber hinaus gibt
und Spannungszustände lösen, sind da - es Schlafmittel anderer Struktur mit ähn-
rüber hinaus sedativ, krampfhemmend lichem Angriffspunkt wie die Benzodia-
und muskelrelaxierend. Bei längerer zepine und solche mit anderen Angriffs-
Einnahmedauer erzeugen sie Abhängig- punkten wie die Histamin H 1-Rezeptor
keit. In höherer Dosierung sind sie auch Antagonisten. Gegen Angststörungen
schlafanstoßend, während andererseits können auch β-Adrenozeptorantagonis-
nicht alle Schlafmittel auch anxiolytische ten (β-Blocker) und selektive Serotonin-
Eigenschaften aufweisen. Beiden Gruppen Rückaufnahme-Inhibi to ren (SSRI) ver-
gemeinsam ist, dass sie in höherer Do- wendet werden.

Tab. 4: Wichtige Benzodiazepine


Wirkungsdauer Vertreter
Ultra kurz Midazolam1
Sehr kurz (<6 Stunden) Triazolam2
Brotizolam 3
Kurz (12-18 Stunden) Lorazepam4
Oxazepam 5
Lormetazepam 6
Nitrazepam 7
Flunitrazepam 8
Mittel (24 Stunden) Bromazepam9
Alprazolam 10
Lang (24-48 Stunden) Chlordiazepoxid 11
Clobazam 12
Diazepam 13
Prazepam 14
Benzodiazepinantagonist Flumazenil15
1 A, CH, D: Dormicum 9 A, CH, D: Lexotanil
2 A, CH: Halcion; D: – 10 A: Xanor; CH: Xanax; D: Alprazolam
3 A: Lendorm; CH: –; D: Lendormin 11 A, CH: –; D: Librium
4 A, CH: Temesta; D: Tavor 12 A: Frisium; CH: Urbanyl; D: Frisium
5 A: Adumbran; CH: Seresta; D: Adumbran 13 A, CH, D: Valium
6 A, CH, D: Noctamid 14 A, CH, D: Demetrin
7 A, CH: Mogadon; D: Mogadan 15 A, CH, D: Anexate
8 A, CH, D: Rohypnol

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Psychopharmaka 131

Tab. 5: Nicht-Benzodiazepin-Tranquillantien und Schlafmittel


Anxiolytikum Buspiron1
Schlafmittel Zolpidem2
Zaleplon3
Zopiclon4
1 A, CH: Buspar; D: Anxut 3 A, CH, D: Sonata
2 A: Ivadal; CH: Stilnox; D: Bikalm 4 A: Somnal; CH: Imovane; D: Ximovan

Anxiolytika-Benzodiazepine verwendet. Die Wirkungsdauer ist oft


durch pharmakologisch wirksame Meta-
Wirkungsmechanismus: Benzodiaze-
boliten bestimmt.
pine wirken selektiv an γ-Aminobutter-
säure A (GABA A, einem ligandgesteuer- Dosierung, Wirkungseintritt und
ten Ionenkanal)-Rezeptoren, die schnelle Wirkungsdauer: Die Dosierung soll
inhibitorische Impulse im ganzen zen- einschleichend (Beginn mit der Hälfte
tralen Nervensystem vermitteln. Die der üblichen Erwachsenendosis) begon-
Benzodiazepine erhöhen die Antwort nen werden und individuell, in Ab -
auf GABA durch eine Zunahme der Öff- stimmung mit der Wirkungsdauer des
nungswahrscheinlichkeit des Chlorid - gewählten Präparates, erfolgen. Beson-
kanals. Chlorid kann vermehrt einströ- ders wichtig ist, Benzodiazepine nur
men und die verstärkte Hyperpolarisa- vorübergehend zu verabreichen, da es
tion führt zu einer Hemmung der Nerven- relativ rasch zu einer Abhängigkeits-
zelle. Die Benzodiazepin-Bindungs - entwicklung kommen kann, die dann
stellen sind nicht an allen GABA A-Rezep- eine Unterbrechung der Therapie er -
toren zu finden. In besonders hoher schwert.
Dichte kommen sie jedoch im limbi- Nebenwirkungen: Die Nebenwirkun-
schen System vor, dem Hauptwirkort der gen sind entsprechend der dämpfenden
Benzodiazepine. Eigenschaften der Benzodiazepine Mattig-
Wirkungen: Die Wirkungen der Benzo- keit, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Beein -
diazepine, in Abhängigkeit von der trächtigung des Reaktionsvermögens
Dosis, sind: und Reduktion der geistigen Leistungs -
fähigkeit. Bei längerfristiger Einnahme
Dosis Wirkung: besteht die Gefahr der Arzneimittel -
niedrig: anxiolytisch abhängigkeit, die mit Toleranzent wick-
muskelrelaxierend lung (Dosissteigerung) einhergehen kann.
antikonvulsiv Bei Absetzen würde es dann zum
sedativ Entzugssyndrom mit Schlafstörungen
hypnotisch und psychischer Labilität bis zu Krämp-
hoch: amnestisch fen kommen. Der Ausweg ist eine
Als Anxiolytika werden hauptsächlich langsame, schrittweise Dosisreduktion
Benzodiazepine mit kurzer (12-18 Stun - über viele Wochen bis Monate.
den), mittlerer (24 Stunden) oder lan- Kombinationsmöglichkeiten: Bei
ger (über 24 Stunden) Wirkungsdauer der Kombination mit anderen Arznei-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


132 Psychopharmaka

mitteln, die eine sedierende Kompo - Benzodiazepin-Effekte aufheben. Zu


nente haben, können diese die Wirkung beachten ist, dass Flumazenil nur ein-
der Benzodiazepine verstärken. gesetzt werden darf, wenn es sich
Wechselwirkungen: Andere Arznei- nachweislich um eine Benzodiazepin-
mittel wie Protonenpumpenhemmer Überdosierung handelt und nicht um
können die Clearance von Benzodia- Überdosierungen anderer sedierender
zepinen vermindern und dadurch die Arzneimittel wie Antiepileptika oder
Wirkungsdauer verlängern. Dies muss Antidepressiva. Ferner ist zu beachten,
besonders bei Benzodiazepinen mit lan- dass die Eliminationshalbwertszeit von
ger Wirkungsdauer beachtet werden. Flumazenil sehr kurz ist und die Subs -
Arzneimittel wie Carbamazepin, die En - tanz daher bei lang wirksamen Benzo -
zyminduktion hervorrufen, können die diazepinen wiederholt verabreicht wer-
Blutspiegel von Benzodiazepinen und den muss. Bei Epilepsie ist Flumazenil
damit die Wirkungsdauer vermindern kontraindiziert.
bzw. wie im Fall von Midazolam, kom-
plett aufheben. Opiate und Benzodia - Tranquillizer –
zepine verstärken sich gegenseitig ge- Keine Benzodiazepine
fährlich hinsichtlich ihrer atemdepressi-
ven Wirkung. Vertreter:
Schwangerschaft und Stillzeit: Buspiron2
Unter strenger Indikationsstellung sind
Benzodiazepine die Mittel der Wahl zur
Behandlung einer Angstsymptomatik Buspiron wird ebenfalls als Anxio lyti-
oder von Schlafstörungen in der Schwan- kum eingesetzt, es bindet aber nicht an
gerschaft. Sie sollten aber nur kurzzei- Benzodiazepin-Rezeptoren. Buspiron
tig verordnet werden. Auch in der Still -
hat einen agonistischen Effekt an Sero -
zeit sind Benzodiazepine in Ausnahme -
fällen für kurze Zeit verwendbar. toninautorezeptoren des Typs 5-HT1A
und hemmt über diese die Freisetzung
Gegenanzeigen: Arzneimittel ab -
von Serotonin. Es hat keine sedativen,
hängigkeiten, Alkoholismus, schwere
muskelrelaxierenden und antikonvulsi-
respiratorische Insuffizienz und schwe-
re Leberinsuffizienz. ven Eigenschaften und es zeigt auch
keine Abhängigkeitsentwicklung. Nach -
Benzodiazepinantagonist teile sind der langsame Wirkungseintritt
und die geringere Wirkungsstärke im
Vertreter: Vergleich zu Benzodiazepinen. Neben -
wirkungen können Schwindel, Kopf -
Flumazenil1
schmerzen, Nervosität und Übelkeit sein.
Die gleichzeitige Verabreichung von
Flumazenil bindet an dieselbe Stelle Benzodiazepinen und MAO-Hemmern
wie die Benzodiazepine und kann wird nicht empfohlen.

1 A, CH, D: Anexate 2 A, CH: Buspar; D: Anxut

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Psychopharmaka 133

Schlafmittel-Benzodiazepine Schlafmittel –
Keine Benzodiazepine
Vertreter:
Triazolam 1 Vertreter:
Brotizolam 2 Zolpidem5
Nitrazepam3 Zaleplon6
Flunitrazepam4 Zopiclon 7

Als Schlafmittel sind nur Benzo dia- Wirkungsmechanismus: Diese Subs-


zepine mit sehr kurzer oder kurzer tanzen binden an den α 1 -GABA A -
Wirkungsdauer geeignet. Eine längere Rezeptor Subtyp. Dieser ist verantwort-
Wirkungsdauer bedingt einen „hang lich für die sedierende Wirkung von
over“, sehr oft Ursache von Verwirrtheit Benzodiazepinen, während der α 2 -
und Stürzen bei älteren Patienten. Man GABA A-Rezeptor für die anxiolytische
unterscheidet zwischen Einschlafmittel Wirkung verantwortlich gemacht wird.
wie z.B. Triazolam und Durchschlaf - Daher sind diese Substanzen als Schlaf -
mittel wie Nitrazepam und Flunitra - mittel, nicht aber als Anxiolytika ein-
zepam. Brotizolam ist als Ein- und setzbar.
Durchschlafmittel zugelassen. Schlafmittel
aus der Gruppe der Benzodiazepine Nebenwirkungen: Die Nebenwirkun-
haben alle Wirkungen und Nebenwir- gen hängen mit der Hauptwirkung
kungen der Benzodiazepine, vor allem zusammen, aber auch unspezifische Ne-
sollen sie, wie diese, nur vorübergehend benwirkungen wie Bauchschmerzen,
angewendet werden. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sind
möglich. Die Hoffnung, diese Arznei -
mittel würden keine Abhängigkeits -
entwicklung zeigen, hat sich nicht er -
füllt. Dementsprechend sollen sie auch
nur kurzfristig eingesetzt werden.
Schwangerschaft und Stillzeit: Es
liegen keine Befunde vor, sodass sie für
Schwangerschaft und Stillzeiten nicht
eingesetzt werden sollen.

1 A, CH: Halcion; D: – 5 A: Ivadal; CH: Stilnox; D: Bikalm


2 A: Lendorm; CH: –; D: Lendormin 6 A, CH, D: Sonata
3 A, CH: Mogadon; D: Mogadan 7 A: Somnal; CH: Imovane; D: Ximovan
4 A, CH, D: Rohypnol

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


134 Psychopharmaka

Psychostimulantien
sche Wiederaufnahme von Noradrena-
Vertreter:
lin, hat aber keine antidepressiven sti-
Methylphenidat1 mulierenden und euphorisierenden Eigen-
Atomoxetin2 schaften. Es wird ebenfalls bei Hyper -
Modafinil3
aktivitätsstörungen von Kindern einge-
setzt und hat weniger Nebenwirkungen
Methylphenidat ist ein Ampheta- als Methylphenidat.
minderivat und wird bei Hyperaktivitäts- Modafinil ist ein nicht-amphetamin-
störungen von Kindern eingesetzt. Die artig wirkendes Psychostimulans, das bei
Nebenwirkungen können sein: Appetit- Narkolepsie eingesetzt wird. Wegen
hemmung, Schlaflosigkeit und Tic-Stö- einer Fülle von Nebenwirkungen soll
rungen, eine Abhängigkeitsentwicklung diese Substanz nur bei strenger Indika-
zu späterer Zeit ist nicht zu erwarten. tionsstellung zum Einsatz gebracht
Atomoxetin hemmt die präsynapti- werden.

1 A, CH, D: Ritalin, Concerta 3 A, CH: Modasomil; D: Vigil


2 A, D: Strattera; CH: –

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 135

ANALGETIKA
Wichtige Gruppen:
Nicht-Opioid-Analgetika
Mittelstarke Opioid-Analgetika
Starke Opioid-Analgetika
Sehr starke Opioid-Analgetika

NICHT-OPIOID-ANALGETIKA
Die Nicht-Opioide gehören zu den der Prostaglandinsynthese bewirkt dem-
weltweit am meisten verordneten und am entsprechend eine Schmerzhemmung.
meisten eingenommenen Arzneimitteln.
Die Wirksamkeit dieser Substanzen, vor Der antipyretische Effekt
allem die analgetische Potenz, wird bei
Die Regulation der Körpertemperatur
weitem über-, die Nebenwirkungsinzi-
denz jedoch unterschätzt. Zu beachten erfolgt im thermoregulatorischen Zent -
ist vor allem, dass die Nicht-Opioid- rum des vorderen Hypothalamus. Wenn
Analgetika nur in ihrer Normaldosier- fiebererzeugende Substanzen in diesem
ung verwendet werden sollen. Wenn sie Zentrum den Sollwert nach oben ver-
nicht zu Schmerzfreiheit führen, müs- stellen, ist der Körper anfangs noch auf
sen stärkere Analgetika wie schwache Normaltemperatur und er reagiert mit
oder starke Opioide eingesetzt werden. Schüttelfrost. Dann steigt die Körper -
Die Nicht-Opioid-Analgetika haben fol- temperatur, bis sie den Sollwert des
gende Wirkungen: Zentrums erreicht hat. Wird durch ein
 analgetisch antipyretisches Arzneimittel der Soll -
wert im thermoregulatorischen Zent -
 antipyretisch rum wieder gesenkt, erscheint der Kör-
 antiphlogistisch per dem Zentrum als zu heiß und er
reagiert mit Schwitzen. Auch hier spie-
Der analgetische Effekt len die Prostaglandine eine wichtige
Der analge tische Effekt der Nicht- Rolle. Sie steigern, stimuliert durch
Opioid-Analgetika kommt hauptsächlich Pyrogene (fiebererzeugende Substan -
durch Hemmung von Cyclooxygenasen zen), den Sollwert und erzeugen auf
zustande – Enzyme, die für die Bildung diese Art Fieber. Die Nicht-Opioid-
von Prostaglandinen verantwortlich sind. Analgetika hemmen im thermoregula-
Prostaglandine sensibilisieren Schmerz - torischen Zentrum die Prostaglandin-
rezeptoren (Nozizeptoren). Eine Hemmung synthese und wirken so fiebersenkend.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


136 Analgetika

Der entzündungs- Auch die unerwünschten Wirkungen


hemmende Effekt der Nicht-Opioid-Analgetika sind auf
die Hemmung der Prostaglandinsynthese
Viele Verbindungen sind an der Ent- zurückzuführen. So sind Prostaglandine
stehung der Entzündung beteiligt. Jede wichtig für die Zytoprotektion der
Entzündung geht mit einer Freisetzung Schleimhäute im Verdauungstrakt. Da -
von Prostaglandinen einher, vor allem her sind häufige Nebenwirkungen der
PGE 2 und PGI 2. Diese führen zu Gefäß- Nicht-Opioid-Analgetika Mikroblutungen
erweiterung und zur Sensibilisierung und letztlich Geschwüre. Prostaglan -
der Schmerzrezeptoren. Der entzün- dine sind auch wichtig für die Durch -
dungshemmende Effekt der Nicht- blutung der Niere. Daher ist eine weite-
Opioid-Analgetika beruht auf einer re wichtige Nebenwirkung der Nicht-
Hemmung dieser Wirkungen der Prosta- Opioid-Analgetika bei längerer Anwen -
glandine. dung eine Nierenschädigung.

Nicht-Opioid-Analgetika:
Nichtsaure antipyretische Analgetika

Tab. 1: Nicht-Opioid-Analgetika: Nichtsaure antipyretische Analgetika


Freiname Einzeldosis Dosisintervall (h) t1/2 (h)
Paracetamol1 p.o. 500-1000mg 4-6 2
Metamizol2 500-1000mg 4-6 0,25
1 A: Mexalen; CH: Panadol; D: Paracetamol 2 A, CH, D: Novalgin

Paracetamol Dosierung, Wirkungseintritt und


Wirkungsdauer: Beim Erwachsenen
Wirkungsmechanismus: Für Para-
sollen viermal 1000mg/Tag nicht über-
cetamol wird ein vorwiegend zentraler
schritten werden. Der Wirkungseintritt
Wirkort postuliert.
nach oraler Aufnahme erfolgt nach et -
Der Wirkungsmechanismus ist nicht wa 15 Minuten, die Wirkungsdauer be -
eindeutig geklärt, diskutiert wird die trägt 4 Stunden.
Hemmung einer im ZNS nachgewiese-
nen COX. Dieser zentrale Wirkungs- Applikationsformen: Neben der
mechanismus erklärt einerseits die ge - oralen Applikationsform gibt es auch
ringe entzündungshemmende Wir kung eine intravenöse Verabreichungsform
und andererseits die gute Magenver- von Paracetamol3. Letztere wird haupt-
träglichkeit. sächlich gegen postoperative Schmerzen
eingesetzt. Eine rasche Infusion (ca. 10
Wirkung: Paracetamol wirkt gut
min.) ist Voraussetzung für die analge-
schmerzstillend und fiebersenkend. Die
tische Wirkung.
Indikationen für Paracetamol sind leich-
te bis mittelstarke Schmerzen und Fie- Nebenwirkungen: In normaler Do-
ber. sierung, fallweise verabreicht, ist Para-

3 A, CH, D: Perfalgan (=i.v. Form)


E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Analgetika 137

cetamol sehr gut verträglich. Ab mechanismus unbekannt. Es hemmt


100mg/kg kann es zu Leberschädigun- ähnlich wie Paracetamol die Erregungs-
gen führen, eine Dosis von über übertragung im nozizeptiven System.
250mg/kg gilt als toxisch. Überdosie- Wirkung: Metamizol wirkt gut anal-
rungen sind vor allem bei Kindern sehr getisch und antipyretisch, hat nur
gefährlich. Bei Erwachsenen steigert die schwache antiphlogistische Eigenschaf -
gleichzeitige Einnahme von Alkohol die ten, wird aber vor allem wegen seiner
Lebertoxizität enorm. spasmolytischen Wirkung geschätzt.
Kombinationsmöglichkeiten: Para- Dosierung, Wirkungseintritt und
cetamol verstärkt die Wirkung von Wirkungsdauer: Die Dosierung be -
Opioiden. Eine Kombination mit einem trägt 500-1000mg. Die Tagesdosis von
entzündungshemmenden Arzneimittel 3000mg soll nicht überschritten wer-
ist ebenfalls sinnvoll. den. Der Wirkungseintritt ist rasch, die
Wechselwirkungen: Gleichzeitige Wirkungsdauer etwa 5 Stunden.
Gabe von Antiemetika des Typs 5HT 3- Applikationsformen: Metamizol ist
Antagonisten wie Tropisetron oder Gra - in Tabletten, Tropfen- und Zäpfchen-
nisetron heben die analgetische Wir - form, sowie für intravenöse Applikation
kung von Paracetamol auf. Paracetamol in Ampullenform verfügbar.
kann die Blutzucker-senkende Wirkung
Nebenwirkungen: Metamizol ist
von Insulin vermindern. Die gleichzeiti- üblicherweise gut verträglich. Die wesent-
ge Gabe von Leberenzym-induzierenden lichen Nebenwirkungen von Metamizol
Arzneimitteln wie z.B. Antiepilepti ka beruhen auf Überempfindlichkeitsreak-
führt zu einer verstärkten Bildung toxi- tionen. Die wichtigsten sind Schock und
scher Metabolite. Blutzellschädigungen. Bei der intra-
Schwangerschaft und Stillzeit: Für venösen Applikation ist es ganz wich-
eine teratogene Wirkung von Paraceta- tig, Metamizol als Kurzinfusion zu
mol gibt es keine Hinweise. Das Medi - applizieren. Metamizol hemmt die Dia -
kament kann während der Schwanger - minoxidase und kann über Abbau -
schaft und Stillzeit angewendet wer- hemmung von Histamin und anderen
den. biogenen Aminen zu einem gefährlich
verlaufenden Schockzustand führen.
Gegenanzeigen: Ausgeprägte Leber-
und Nierenfunktionsstörungen, ein ge - Kombinationsmöglichkeiten: Meta-
netisch bedingter Mangel an Glucose - mizol wird häufig mit schwachen Opio -
phosphatdehydrogenase und chroni- iden wie Tramadol kombiniert.
scher Alkoholgenuss. Wechselwirkungen: Metamizol ver-
trägt sich nicht mit Alkohol.
Metamizol Schwangerschaft und Stillzeit: Me-
Wirkungsmechanismus: Auch für tamizol soll in Schwangerschaft und Still-
Metamizol ist der genaue Wirkungs - zeit nicht angewendet werden.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


138 Analgetika

Nicht-Opioid-Analgetika ohne
antipyretische und antiphlogistische Wirkung

Tab. 2: Nicht-Opioid-Analgetika: Nichtsaure Analgetika


Freiname Einzeldosis Dosisintervall (h) t1/2 (h)
Flupirtin 1 p.o. 100-200mg 6-8 4
1 A, CH: –; D: Katadolon

Flupirtin Nebenwirkungen: Gelegentlich wer-


den zentrale Nebenwirkungen wie Müdig-
Wirkungsmechanismus: Flupirtin
keit und Schwindel sowie gastrointesti-
hemmt im Rückenmark die Weiter -
leitung aufsteigender Schmerzimpulse. nale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Ob -
Es stabilisiert das Ruhemembran po - stipation, aber auch Diarrhoe beobach-
tential von Nerven durch Aktivierung tet. Ferner kann es zu Mundtrocken-
von Kaliumkanälen, was eine indirekte heit, Schwitzen, Hautreaktionen, Seh -
Hemmung von NMDA-Rezeptoren her- störungen, sowie zu einem Anstieg der
beiführt. Dabei wird auch die Erregungs- Transaminasen im Serum kommen.
überleitung auf Motoneurone gehemmt, Kombinationsmöglichkeiten: Kom-
was die muskelrelaxierende Wirkung von binationen mit nicht-steroidalen Anti -
Flupirtin erklären könnte. rheumatika sind sinnvoll.
Wirkungen: Flupirtin ist ein mittel- Wechselwirkungen: Wirkungen se-
stark wirksames Analgetikum, in seiner dierender, muskelrelaxierender und ge-
Wirkungsstärke zwischen Codein und rinnungshemmender Arzneimittel kön-
Morphin. Darüber hinaus besitzt es eine
nen verstärkt werden.
muskelrelaxierende Wirkung.
Schwangerschaft und Stillzeit: Flu-
Dosierung, Wirkungseintritt und -
pirtin ist in Schwangerschaft und Still -
dauer: Die Einzeldosis beträgt 100mg,
zeit kontraindiziert.
die Tagesdosis sollte 600mg nicht über-
schreiten. Die Wirkungsdauer beträgt Gegenanzeigen: Cholestase und he-
etwa 5-6 Stunden. patische Enzephalopathie.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 139

Nicht-Opioid-Analgetika: Saure antiphlogistische,


antipyretische Analgetika
Tab. 3: Nicht-Opioid-Analgetika: Saure antiphlogistische,
antipyretische Analgetika
Freiname Einzeldosis Dosisintervall (h) t1/2 (h)
Sehr kurz wirksam:
Acetylsalicylsäure1 500-1000mg 4-6 0,25
Kurz wirksam:
Diclofenac2 50- 100mg 6-8 1,5
Dexibuprofen3 200- 400mg 6-8 1-2
Ibuprofen4 400- 600mg 6-8 1-2
Mefenaminsäure 5 250- 500mg 6-8 2
Mittellang wirksam:
Indometacin6 25- 50mg 8-12 3-11
Naproxen7 250- 500mg 8-12 14
Ketoprofen8 50- 100mg 8-12 1-2(-6)
Lornoxicam9 4- 8mg 8-12 3-4
Lang wirksam:
Meloxicam10 7,5- 15mg 24 20
Piroxicam 11 20- 40mg 24 35
1 A, CH, D: Aspirin 7 A, CH, D: Proxen
2 A, CH, D: Voltaren 8 A: Profenid; CH: Fastum; D: Gabrilen
3 A, CH: Seractil; D: Deltaran 9 A, CH: Xefo; D: Telos
4 A, CH: Brufen; D: Aktren 10 A: Movalis; CH: Mobicox; D: Mobec
5 A: Parkemed; CH: Ponstan; D: – 11 A, CH: Felden; D: Piroxicam
6 A, CH: Indocid; D: Indometacin

Acetylsalicylsäure 500-1000mg zur Schmerzstillung ver-


abreicht. Eine Tageshöchstdosis von 5
Wirkungsmechanismus: Acetylsali-
Tabletten wird empfohlen. Der Wirkungs-
cylsäure (ASS) hemmt etwa gleicher-
maßen die Isoenzyme der Cyclooxyge- eintritt ist rasch, die Wirkungsdauer be -
nase, COX-1 und COX-2. trägt etwa 4 Stunden.

Wirkungen: ASS wirkt analgetisch, Applikationsformen: ASS gibt es


antiphlogistisch, antipyretisch und throm- als Tablette, als Kautablette, als Granu-
bozytenaggregationshemmend (siehe lat zum Herstellen einer Lösung, als
Seite 58). Brausetablette und als Ampulle zur
intravenösen Injektion 12.
Dosierung, Wirkungseintritt und -
dauer: ASS wird in Dosierungen von Nebenwirkungen: Die bekanntesten
12 A: –; CH: Aspègic-inject, D: Aspirin i.v.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


140 Analgetika

Nebenwirkungen von ASS sind Mikro - Diclofenac 1, Ibuprofen 2,


blutungen, sowie bei höheren Dosen
Ulcera im Gastrointestinaltrakt. Es kann
Dexibuprofen3,
ferner epigastrische Beschwerden, Übel- Mefenaminsäure4
keit, Erbrechen, Sodbrennen und Appetit- Wirkungsmechanismus: Der wich-
losigkeit sowie erosive Gastritis hervor- tigste Wirkungsmechanismus dieser
rufen. Eine dosisabhängige Leberschädi- Substanzen ist die Hemmung der Cyclo -
gung ist möglich. ASS verursacht Salz- oxygenase und zwar gleichermaßen
und Wasserretention, sowie eine Ver - COX-1 und COX-2.
minderung der Nierenfunktion. Beim Wirkungen: Diese Nicht-steroidalen
sogenannten Aspirinasthma liegt keine Antirheumatika (NSAR) sind analge-
echte allergische Reaktion als Ursache tisch, antipyretisch und antiphlogistisch
vor. Es wird angenommen, dass durch wirksam. Bei Ibuprofen und Dexibu -
Hemmung der Prostaglandinsynthese profen ist die entzündungshemmende
eine vermehrte Bildung von Leuko - Wirkung schwächer als die von Diclo-
trienen erfolgt, die eine Bronchokon- fenac und Mefenaminsäure.
striktion verursachen.
Applikationsformen: Für diese Sub-
Kombinationsmöglichkeit: Eine stanzen gibt es orale Verabreichungs-
Kombination von ASS mit schwachen formen, einige auch als Ampulle zur
Opioiden ist durchaus sinnvoll. Die Injektion sowie als Gel respektive als
Kombination mit Coffein ist kaum ziel- Salbe und als Pflaster zur topischen Ver-
führend. abreichung.
Wechselwirkungen: ASS verstärkt die Diclofenac gibt es als Kapsel mit
Wirkung gerinnungs- und thrombo- einem sogenannten Dual-Release-Sys -
zytenaggregationshemmender Arznei - tem 5. Dieses System enthält ein Drittel
mittel. Bei gleichzeitiger Gabe von der Dosis in schnell freisetzenden Pellets,
Glucocorticoiden oder selektiven Sero - die für eine rasche Wirkung sorgen.
tonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) Zwei Drittel der Dosis sind in Retard-
steigt das Risiko einer Magen-Darm- Pellets enthalten, die eine langanhal-
Blutung. Wirkung und Nebenwirkung tende Wirkung gewährleisten.
nicht-steroidaler Antirheu matika wer-
Dosierung, Wirkungseintritt und
den verstärkt. Die Wirkung von ACE-
Wirkungsdauer: Die Dosierungen sind
Hemmern und anderer Antihypertonika
bei einzelnen Vertretern unterschiedlich
kann gehemmt werden.
und aus der Tabelle ersichtlich. Die Wir-
Schwangerschaft und Stillzeit: In kung tritt relativ rasch ein, die Wirkungs-
den letzten drei Schwangerschaftsmo- dauer in entzündlichem Gewebe geht
naten soll ASS nicht angewendet wer- bei diesen Substanzen über die Verweil-
den. Eine gelegentliche Einnahme in zeit im Plasma hinaus.
der Stillzeit erscheint vertretbar.
Nebenwirkungen: Die Nebenwir -
Gegenanzeigen: Magen- und Darm- kungsinzidenz bei den NSAR ist hoch.
ulcera, Thrombozytopenie, Nierenin - Von allen Patienten, die mit NSAR
suffizienz und Schwangerschaft im letz- behandelt werden, urgieren 30% sub-
ten Trimenon. jektive Nebenwirkungen. Bei 40% da -
1 A, CH, D: Voltaren 5 A: Deflamat; CH, D: –
2 A, CH: Brufen; D: Aktren
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
3 A, CH: Seractil; D: Deltaran
4 A: Parkemed; CH: Ponstan; D: –
Analgetika 141

von können gastrointestinale Blutungen Indometacin1, Naproxen 2,


und Erosionen endoskopisch verifiziert
werden. Aber auch die, die keine Ne-
Ketoprofen3 und
benwirkungen angeben, können nach- Lornoxicam4
weisbare Schäden aufweisen. Darüber Diese Substanzen wirken gut analge-
hinaus gibt es Nebenwirkungen in Leber, tisch, antiphlogistisch und werden we -
Haut, Blut und Knochenmark und in den gen dieser Wirkungen bei Schmerzen
Nieren. Ferner können zentral nervöse des rheumatischen Formenkreises ein-
Störungen wie Sedierung, Konfusion, gesetzt. Ihre längere Wirksamkeit geht
Kopfschmerzen, Nausea und Emesis, einher mit einer stärkeren Nebenwir-
Sehstörungen, Tinnitus, Halluzinationen kungsinzidenz.
und Schweißausbrüche auftreten. Indometacin wird wegen seiner hohen
Kombinationsmöglichkeiten: Die Nebenwirkungsrate nur noch einge-
Kombination dieser entzündungshem- schränkt verwendet. Die Nebenwirkun -
menden Substanzen mit schwachen gen betreffen vor allem den Verdauungs-
oder starken Opiaten ist sinnvoll. Ab - trakt, die Leber und die Niere, aber
solut verboten ist die Kombination von auch das ZNS und das Herz-Kreislauf-
zwei NSAR. System. Ketoprofen hat alle Eigen -
schaften eines typischen NSAR und ist
Wechselwirkungen: NSAR hemmen
auch in topischen Antirheumatika zu
die blutdrucksenkende Wirkung der
finden. Lornoxicam hat von dieser
ACE-Hemmer, der Diuretika und ande-
Gruppe die kürzeste Halbwertszeit, ist
rer Antihypertonika und sie erhöhen die
von allen NSAR das potenteste und
Plasmaspiegel von Lithium und Digoxin.
zeigt ein für NSAR typisches Neben -
Das Risiko einer gastrointestinalen Blu -
wirkungsprofil.
tung bei gleichzeitiger Gabe von Gluco -
corticoiden ist gesteigert und sie ver- Meloxicam 5, Piroxicam6
stärken die gerinnungshemmende Wir -
Meloxicam ist in der Dosierung von
kung von Cumarinen und Thrombozyten-
7,5mg COX-2-selektiv, bei 15mg wird
aggrega tionshemmenden Substan zen.
jedoch auch die COX-1 deutlich ge -
Auch bei Kombination mit SSRIs steigt
hemmt. Es zeichnet sich im Vergleich zu
das Risiko gastrointestinaler Blutungen.
den klassischen NSAR durch eine besse-
Schwangerschaft und Stillzeit: In re Magenverträglichkeit aus und steht
den ersten 6 Monaten der Schwanger - somit zwischen den klassischen NSAR
schaft sind diese Substanzen bei zwin- und den selektiven COX-2-Hemmern.
genden Gründen anwendbar. In den
Piroxicam hat ähnlich wie Naproxen
letzten drei Monaten sollen sie nicht eine sehr lange Halbwertszeit. Es wird
angewendet werden. Während der vor allem bei chronisch entzündlichen
Stillzeit ist Ibuprofen das Mittel der Gelenkserkrankungen und anderen län-
Wahl. Eine gelegentliche Einnahme von ger dauernden rheumatischen Erkran -
Diclofenac ist zulässig. kungen eingesetzt. Die gute Wirksam -
Gegenanzeigen sind vor allem Magen- keit geht mit einer höheren Nebenwir-
und Zwölffingerdarmgeschwür. kungsrate einher.
1 A, CH: Indocid; D: Indometacin 2 A, CH, D: Proxen
3 A: Profenid; CH: Fastum; D: Gabrilen
4 A, CH: Xefo; D: Telos
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
5 A: Movalis; CH: Mobicox; D: Mobec
6 A, CH: Felden; D: Piroxicam
142 Analgetika

Nicht-Opioid-Analgetika: Selektive COX-2-Hemmer


Tab. 4: Nicht-Opioid-Analgetika: Selektive COX-2-Hemmer
Freiname Einzeldosis Dosisintervall (h) t1/2 (h)
Celecoxib1 100-200mg 12 8-12
Parecoxib2 20- 40mg 6-12 8
Etoricoxib 3 60-120mg 24 24
1 A, CH, D: Celebrex 3 A: Arcoxia; CH: –; D: Arcoxia
2 A, D: Dynastat; CH: –

Auch die selektiven COX-2 Hemmer Rofecoxib und Valdecoxib, zwei sehr
müssen definitionsgemäß der Arznei - bekannte Coxibe, bald nach der Ein-
mittelgruppe der NSAR zugeordnet führung wieder aus dem Handel gezo-
werden, da sie keine Steroide sind und gen. Bei kadiovaskulären Risikopatien -
entzündungshemmend wirken. Die se - ten sollen Coxibe daher nicht angewen-
lektiven COX-2 Inhibitoren werden als det werden. Dennoch können die
Coxibe bezeichnet, wobei das kein ge- Coxibe nicht als gefährlicher als die
meinsames Strukturmerkmal, sondern alten NSAR bezeichnet werden. Der un -
eine gemeinsame Eigenschaft bedeutet. bestrittene Vorteil bleibt die bessere
Die Coxibe zeigen in kontrollierten Magenverträglichkeit. Kardiotoxische
Studien ein verbessertes gastrointesti- Nebenwirkungen gibt es auch bei den
nales Sicherheitsprofil im Vergleich zu alten NSAR, wie eine Studie mit Na -
den konventionellen NSAR und haben proxen gezeigt hat. Ein weiteres Pro -
keinen Einfluss auf die Plättchen - blem der Coxibe könnte die Ähnlichkeit
aggregation. Die Coxibe wurden bisher mit Sulfonamiden sein, da in diesem
für die Behandlung der Osteoarthritis Zusammenhang vermehrt Haut-Neben -
und der rheumatoiden Arthritis einge- wirkungen auftreten.
setzt, finden aber teilweise auch Anwen-
Celecoxib gilt heute als Standard-Coxib
dung in der Therapie von Schmerzen
zur Behandlung von Osteoarthritis und
anderer Ursache. Zu den Risiken bei
rheumatoider Arthritis.
langfristiger Anwendung zählen Nieren -
funktionsstörungen und nachteilige Effek- Parecoxib ist als Ampulle im Handel
te auf die Heilung bestehender gastro- und dient zur postoperativen Schmerz -
intestinaler Ulcera. Wegen gefährlicher therapie. Es wird im Organismus rasch
kardiovaskulärer Zwischenfälle wurden in Valdecoxib umgewandelt.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 143

MITTELSTARKE OPIOIDE

Tab. 5: Mittelstarke Opioide


Freiname Dosisintervall (h) Einzeldosis initial
Tramadol1 4- 6 50-100mg
Codein2 4- 6 30-150mg
Dihydrocodein3 8-12 60-180mg
Tilidin4 2- 4 50-100mg
1 A, CH, D: Tramal 3 A: Codidol; CH: Codicontin; D: DHC
2 A: –; CH: Codein; D: Codeinum 4 A: –; CH: Valoron; D: Valoron N

Wenn Nicht-Opioid-Analgetika in ihrer mittel sind in oral verabreichbaren Appli-


normalen Dosierung die Schmerzen kationsformen vorhanden. Für Trama -
nicht ausreichend lindern können, wer- dol 1, Dihydrocodein 2 und Tilidin3 gibt
den mittelstarke oder starke Opioide, es orale Retardformen, die 12 Stunden
mit kleinster Dosierung beginnend, ein- wirksam sind. Für Tramadol gibt es auch
gesetzt. Auch bei mittelstarken Opioi - eine 24-Stunden Retardform4 und es
den soll die Dosierung nur geringfügig kann auch injiziert werden. Statine und
gesteigert werden. Wenn das nicht Er - SSRI, die das Cytochrom P450 2D6
folg hat, muss auf starke Opioide zu - Isoenzym hemmen, machen Codein
rückgegriffen werden, die ohne Ein - wirkungslos, da die Demethylierung
schränkung bis zur Schmerzfreiheit ge - nicht mehr stattfinden kann.
steigert werden können. Dosis-limitie- Dosierung, Wirkungseintritt und
rend sind allein die Nebenwirkungen. -dauer: Auch bei mittelstarken Opio-
Wirkungsmechanismus: Die mittel- iden wird immer mit der niedrigsten
starken Opioide sind μ-Rezep tor ago - Dosis begonnen und langsam gestei-
nisten, nur Tramadol beeinflusst darü- gert. Die Wirkungsdauer der einzelnen
ber hinaus zentrale noradrenerge und Vertreter ist unterschiedlich und auch
abhängig von der Verarbeitung (z.B. Re-
serotonerge Schmerzmodulationssyste-
tardformen). Besonders wichtig ist die
me. Opioidrezeptoren vom μ-Typ sind
regelmäßige Einnahme nach einem
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren.
Zeitschema.
Wirkungen: Mittelstarke Opioide sind,
Nebenwirkungen: Am Beginn der
ihrer Zuordnung entsprechend, mittel-
Therapie mit mittelstarken Opioiden
starke Analgetika, die bei akuten aber
steht die Übelkeit im Vordergrund. Die-
auch chronischen Schmerzen gut wirk-
se ist besonders bei Tramadol ausge-
sam sind. prägt. Bei längerer Behandlungsdauer
Applikationsformen: Diese Arznei- wird die Obstipation ein zunehmendes

1 A, CH: Tramal retard; D: Tramundin retard 3 A, CH: –; D: Valoron N retard


2 A: Codidol; CH: Codicontin; D: DHC 4 A: Noax Uno; CH: –; D: Tramadolor

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


144 Analgetika

Problem, die prophylaktisch behandelt gen verstärkt. Bei der Kombination mit
werden soll. Gelegentlich können auch selektiven Serotoninwiederaufnahme -
Schwitzen, Mundtrockenheit, Benommen- hemmern (SSRI) besteht die Gefahr des
heit, Störungen der Kreislaufregulation, Serotoninsyndroms (siehe Seite 50).
Hautreaktionen und Miktionsstörungen MAO-Hemmstoffe müssen 14 Tage vor
auftreten. Die Beendigung der Therapie der Opioidapplikation abgesetzt wer-
muss langsam erfolgen, um ein Entzugs- den.
syndrom zu verhindern.
Schwangerschaft und Stillzeit: Tra-
Kombinationsmöglichkeiten: Mittel-
madol soll in der Schwangerschaft nur
starke Opioide können und sollen mit
nach strenger Indikationsstellung ange-
Nicht-Opioiden kombiniert werden, wo-
bei deren entzündungshemmende Kom- wendet werden und ist in der Stillzeit
ponente ausgenützt wird. kontraindiziert. Das gilt auch für Co -
dein, Dihydrocodein und Tilidin.
Wechselwirkungen: Bei gleichzeiti-
ger Anwendung von Arzneimitteln, die Gegenanzeigen: Solche bestehen bei
ebenfalls zentral nervös dämpfend wir- akuter Alkohol-, Schlafmittel- oder Psycho-
ken (Neuroleptika, Antidepressiva, Anti - pharmaka-Vergiftung und bei Patien-
epileptika) werden sedierende Wirkun- ten, die MAO-Hemmer erhalten.

STARKE OPIOIDE

Tab. 6: Starke Opioide


Freiname Dosisintervall (h) Einzeldosis initial
Pethidin1
Piritramid2 6-8 7,5-15mg
Morphin3 4 10 -20mg
Nicomorphin4 4 10 -20mg
Oxycodon5 4 5 -10mg
Oxycodon-Naloxon6 12 10+5mg
Hydromorphon7 4 1,3mg
Methadon8 3-8 5 -20mg
Levomethadon9 3-8 5 -10mg
1 A: Alodan; CH: Pethidin; D: Dolantin 6 A, CH: –; D: Targin
2 A: Dipidolor; CH: –; D: Dipidolor 7 A: Hydal; CH, D: Palladon
3 A: Vendal; CH: Morphin; D: MSI 8 A: Heptadon; CH: Ketalgin; D: –
4 A, CH: Vilan; D: – 9 A, D: L-Polamidon; CH: –
5 A, CH: OxyContin, OxyNorm; D: Oxygesic

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 145

Wenn schwache Opioide in normaler gern. Am Beginn sollen rasch wirksame


Dosierung nicht ausreichend analge- Arzneiformen verwendet werden, da
tisch sind, müssen starke Opioide ein- die Retardformen bis zu 20 Stunden
gesetzt werden. Auch hier beginnt man brauchen, um voll wirksam zu sein. Die
mit niedriger Dosierung und steigert Wirkungsdauer ist durch die Arznei-
langsam bis zur Schmerzfreiheit. Starke form vorgegeben. Wesentlich ist, dass
Opioide haben den Nachteil, dass sie bei starken Opioiden die Therapie nach
mit einer eigenen Vignette verordnet einem fixen Zeitschema durchgeführt
werden müssen, aber den Vorteil, die wird.
besten und stärksten Anal ge tika zu Nebenwirkungen: Am Beginn der
sein. Die wichtigsten starken Opioide Therapie ist mit Übelkeit und Kreislauf-
sind Piritramid, Morphin, Oxy co don depression zu rechnen, auch Sedierung
und Hydromorphon. und Verwirrtheitszustände treten haupt-
Wirkungsmechanismus: Die star- sächlich am Anfang der Therapie auf.
ken Opioide sind μ-Rezeptoragonisten. Bei längerer Verabreichungsdauer kann
Opioidrezeptoren vom μ-Typ sind G-Pro- es zu Obstipation bzw. zu Miktions -
tein-gekoppelte Rezeptoren. störungen kommen. Die emetische Wir -
Wirkungen: Starke Opioide wirken kung vergeht nach einiger Zeit. Die
ausgezeichnet schmerzhemmend, vor gefürchtete Atemdepression kann nur
allem bei Nozizeptorschmerzen, nicht durch rasche intravenöse Verab rei -
so gut bei neuropathischen Schmerzen. chung eines Opioids erreicht werden
Intraoperativ, postoperativ, posttrau- bzw. beim Opioid-Naiven mit hohen
matisch, bei starken Schmerzen des Be- Anfangsdosierungen anderer Arznei for-
wegungsapparates, wie Osteoporose men.
und bei Tumorschmerzen sind die star- Kombinationsmöglichkeiten: Am
ken Opioide heute nicht mehr wegzu- Anfang der Therapie soll mit antiemeti-
denken. schen Substanzen und für eine längere
Applikationsformen: Piritramid, Mor- Therapie mit Laxantien kombiniert wer-
phin, Hydromorphon, Oxycodon, Nico - den. Eine zusätzliche entzündungshem-
morphin und Levomethadon sind als mende Therapie mit NSAR ist meistens
Ampullenlösungen für intravenöse oder angezeigt.
subkutane Applikation vorhanden. Wechselwirkungen: Bei der Kombina-
Morphin gibt es als orale Lösung und tion mit anderen sedierenden Substan -
als rasch wirkende Tablette und Levo- zen wie Benzodiazepinen kann die
methadon als orale Lösung zur Substi - sedierende Wirkung verstärkt werden
tution. Morphin, Oxycodon und Hydro - und es kann auch zu Atemdepressionen
morphon gibt es als orale Retardformen kommen. Bei Kombination starker Opio-
mit einer Wirkungsdauer von 12 bzw. ide mit SSRI kann es zum Serotonin-
24 Stunden. syndrom kommen (siehe Seite 50).
Dosierung, Wirkungseintritt und Schwangerschaft und Stillzeit: Die
-dauer: Hinsichtlich Dosierung ist es starken Opioide sind nicht teratogen
wichtig, bei den starken Opioiden mit und gelten während der Schwanger -
kleinen Dosen zu beginnen und dann schaft bei kurzzeitigem Gebrauch als
langsam bis zur Schmerzfreiheit zu stei- unbedenklich. Eine Ausnahme ist die

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


146 Analgetika

pränatale Zeit. Werden Opioide kurz vor Gegenanzeigen: Atemdepression,


Geburt verabreicht, führen sie bei den Kopfverletzungen, obstruktive Atemwegs-
Neugeborenen zu Atemdepression und erkrankungen, eine Therapie mit MAO-
Entzugserscheinungen. Auch in der Hemmern und paralytischer Ileus.
Stillzeit ist die kurzzeitige Gabe von
Opioiden bedeutungslos für den Säug -
ling.

SEHR STARKE OPIOIDE


Tab. 6: Sehr starke Opioide (siehe auch Seite 160)
Freiname Dosisintervall (h) Einzeldosis initial
Fentanyl 1 0,5 100μg
Sufentanil2 – 0,5-2μg
Alfentanil3 – 1mg
1 A, CH, D: Durogesic 3 A, CH, D: Rapifen
2 A, CH, D: Sufenta

Wirkungsmechanismus: Die sehr Alfentanil etwa 10 Minuten. Der Wir-


starken Opioide Fentanyl, Sufentanil und kungseintritt ist bei Alfentanil in 1-2
Alfentanil sind reine μ-Rezeptoragonis- Minuten zu erwarten, aber auch bei
ten. Sufentanil und Fentanyl tritt sehr rasch
Wirkungen: Alfentanil ist etwa 10 die Wirkung ein.
mal stärker, Fentanyl etwa 100 mal stär- Nebenwirkungen: Die am häufigsten
ker und Sufentanil etwa 1.000 mal stär- auftretenden Nebenwirkungen sind Atem-
ker als Morphin. Diese Beurteilung ist depression, Apnoe, Muskelrigidität, Myo-
insofern nicht therapierelevant, als bei klonien, Bradykardie, Hypotonie, Übel-
der Opioidtherapie immer bis zur Schmerz- keit und Erbrechen. Bei mehrmaliger
freiheit titriert wird. Verabreichung vor allem von Fentanyl
Applikationsformen: Fentanyl gibt es ist eine strenge Überwachung hinsicht-
als Ampullenlösung, als Pflaster1 mit lich Atemdepression in der Aufwach -
dreitägiger Wirksamkeit, als transmuko- phase wichtig.
sale Arzneiform 2 (Lutscher) und als Kombinationsmöglichkeiten: Auch
Buccaltablette 3 zur Behand lung von die sehr starken Opioide können mit Nicht-
Durchbruchschmerzen bei Tumorpatien- Opioid-Analgetika kombiniert werden.
ten, die auf Opioide eingestellt sind. Wechselwirkungen: Wechselwirkun-
Sufentanil und Alfentanil gibt es nur als gen mit Arzneimitteln, die vom CYP
Ampullen zur perioperativen Schmerzbe- 3A4-Enzym metabolisiert werden, sind
handlung. zu erwarten. Bei Kombination mit Sero-
Dosierung, Wirkungseintritt und tonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI)
-dauer: Fentanyl wirkt etwa 30 Minu- ist mit einem Serotoninsyndrom zu rech-
ten, Sufentanil etwa 50 Minuten und nen.
1 A, CH, D: Durogesic
2 A, CH, D: Actiq E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
3 A, CH, D: Effentora
Analgetika 147

Schwangerschaft und Stillzeit: Bei net werden. In der Stillzeit sollen auch
gegebener Indikation dürfen Fentanyl, diese Opioidanalgetika nur kurzzeitig
Alfentanil und Sulfentanil in jeder Phase angewendet werden.
der Schwangerschaft eingesetzt wer-
den. Bei Anwendung kurz vor der Ge - Gegenanzeigen: Eingeschränkte Lun-
burt muss mit einer atemdepressiven genfunktion und gleichzeitige Anwen -
Wirkung auf das Neugeborene gerech- dung von MAO-Hemmern.

STARKE OPIOIDE: AGONIST-ANTAGONISTEN

Tab. 7: Starke Opioide: Agonist-Antagonisten


Freiname Dosisintervall (h) Einzeldosis initial
Nalbuphin1 3-6 10-20mg
Buprenorphin 2 5-8 0,3mg
1 A, CH: Nalbuphin; D: – 2 A, CH, D: Temgesic

Buprenorphin Nebenwirkungen: Buprenorphin zeigt


die üblichen opioidbedingten Nebenwir-
Wirkungsmechanismus: Buprenor-
kungen, wobei die atemdepressive und
phin ist am μ-Rezeptor ein partieller Ago-
nist, am δ-Rezeptor ebenfalls ein Ago- obstipierende Wirkung eher schwach aus-
nist und am κ-Rezeptor ein Antagonist. geprägt ist.
Die Bindung von Buprenorphin an den Kombinationsmöglichkeiten: Bu -
Rezeptor erfolgt sehr langsam und ist prenorphin kann mit Nicht-Opioiden
dann sehr stark. oder mit Antidepressiva kombiniert wer-
Wirkungen: Buprenorphin ist gut anal- den. Bei der Therapie mit dem Pflaster
getisch wirksam mit einer sehr geringen haben sich für Durchbruchschmerzen
atemdepressiven Wirkung. auch andere starke Opioide bewährt.
Applikationsformen: Buprenorphin Wechselwirkungen: Die Wirkung
gibt es als Ampulle, als Sublingualta- zentral dämpfender Arzneimittel kann
blette und als Pflaster für die transder- verstärkt werden. Bei Opiatabhängigen
male Schmerztherapie. kann es unter Buprenorphin zu Entzugs-
Dosierung, Wirkungseintritt und erscheinungen kommen.
-dauer: Bei parenteraler und sublingua- Schwangerschaft und Stillzeit: Bu-
ler Applikation ist der Wirkungsein tritt prenorphin sollte während Schwanger -
verzögert. Bei einer Therapie mit dem
schaft und Stillzeit nicht angewendet
Pflaster muss ein schnell wirkendes Opio-
werden.
id vorher gegeben werden. Paren teral
und sublingual wirkt Buprenorphin etwa Gegenanzeigen sind physische Ab-
5-8 Stunden, das Pflaster sorgt während hängigkeit von Opioiden, MAO-Hemmer
48-96 Stunden für Schmerzfreiheit. und schwere Atemfunktionsstörungen.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


148 Analgetika

Nalbuphin Nebenwirkungen: Hier steht vor


allem die sedierende Wirkung im Vor-
Wirkungsmechanismus: Nalbuphin
dergrund. Darüber hinaus können Übel-
ist ein Agonist am κ-Rezeptor und ein keit, Erbrechen, Schwindel, Benommen-
Antagonist am μ-Rezeptor. heit, Schwitzen, Mundtrockenheit und
Wirkungen: Nalbuphin ist etwa halb Kopfschmerz auftreten.
so stark wirksam wie Morphin, jedoch Kombinationsmöglichkeiten: Nalbu-
hinsichtlich Atemdepression sehr sicher phin kann wie andere Opioide mit NSAR
und wird daher bevorzugt bei Kindern kombiniert werden.
zur Schmerzbehandlung eingesetzt.
Wechselwirkungen: Nalbuphin ver-
Applikationsformen: Nalbuphin ist stärkt die zentral dämpfenden Wirkun-
nur als Ampullenlösung verfügbar. gen anderer Arzneimittel. Bei Drogen -
abhängigen kann Nalbuphin ein akutes
Dosierung, Wirkungseintritt und -
Entzugssyndrom auslösen.
dauer: Der Wirkungseintritt ist nach i.v.
Gabe nach 2-3 Minuten und nach s.c. Schwangerschaft und Stillzeit:
Gabe nach etwa 15 Minuten zu erwar- Nalbuphin soll in Schwangerschaft und
ten. Die Dosis beträgt 0,15 bis 0,30 Still zeit nur kurzfristig angewendet
mg/kg Körpergewicht und kann alle 3-6 werden.
Stunden wiederholt werden. Gegenanzeigen: Opioidabhängigkeit.

OPIOID-ANTAGONISTEN
Tab. 8: Opioid-Antagonisten
Freiname Dosisintervall (h) Einzeldosis
Naloxon1 i.v. 0,5 0,2-0,4mg
Naltrexon2 p.o. 24 25-50mg
Methylnaltrexon3
1 A, CH, D: Naloxon 3 A, D: Relistor; CH: –
2 A, CH: Naltrexin; D: Nemexin

Naloxon kann aber zu Erbrechen, Schwitzen,


kardialen und zentralen Sensationen
Naloxon ist der Opioid-Antagonist der führen. Zu beachten ist die Aufhebung
Wahl bei opioid-induzierter Atemde - der Analgesie nach Naloxongabe.
pression. Die kurze Wirkungsdauer
erfordert eine genaue Beobachtung des Naltrexon
Patienten und eventuell wiederholte
Naltrexon ist 24 Stunden wirksam und
Gaben.
wird hauptsächlich zur medikamentö-
Nebenwirkungen: Naloxon ist an sen Unterstützung bei der Ent wöh -
sich gut verträglich, die plötzliche Auf - nungsbehandlung Opioidabhängiger
hebung einer opioidbedingten Dämpfung verwendet.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 149

Methylnaltrexon geschrittenen Krankheitsstadium, die


palliative Pflege erhalten, subcutan zur
Methylnaltrexon ist wie Naloxon ein
μ-Opioid-Rezeptorantagonist und unter- Behandlung einer schweren Opioid-
scheidet sich von Naloxon vor allem induzierten Obstipation verabreicht.
durch seine längere Halbwertszeit (6-9 Nebenwirkungen sind Übelkeit, Blähun-
Stunden). Es wird bei Patienten im fort- gen, Bauchschmerzen und Durchfall.

CANNABINOIDE
Die Entdeckung der Cannabinoid- zu 5 mal täglich 10mg gesteigert.
Rezeptoren CB1 und CB2 haben die Nebenwirkungen: Mundtrockenheit,
Forschung betreffend therapeutischer Tachykardie und Müdigkeit sind vor
Anwendung von Δ9-Tetrahydrocannabi- allem am Anfang der Therapie möglich.
nol (Δ9-THC) gefördert. Zur Zeit wird Appetitsteigerung kann zu Gewichts zu-
Δ9-THC zur unterstützenden analgeti- nahme führen.
schen Behandlung von Tumor schmer-
zen und Muskelschmerzen bei multipler Rimonabant
Sklerose eingesetzt. Δ9-THC senkt wei-
Der selektive Cannabinoid-1 Rezeptor
ters den Augeninnendruck und wirkt
Antagonist Rimonabant wird als unter-
bronchienerweiternd. International gibt
stützende Therapie zur Gewichtsab nah-
es registrierte Handelspräparate wie
me empfohlen.
Marinol und Nabilone. In Deutschland
und Österreich steht den Apotheken Wegen erhöhter Suizidgefahr wurde
Dronabinol, ein Stereoisomer von Δ9- es mittlerweile wieder aus dem Handel
THC zur Herstellung magistraler Arz - gezogen.
neimittel zur Verfügung. Dronabinol Nebenwirkungen sind Magen-Darm-
wird einschleichend, beginnend mit Störungen, depressive Verstimmungen
2,5mg zweimal täglich dosiert und bis und Muskelkrämpfe.

ANDERE ANALGETIKA

Ziconotid1 setzung von Acetylcholin. Es wirkt – im


Gegensatz zu den Opioden – nicht
Ziconotid ist ein hochwirksames Anal- atemdepressiv und zeigt auch keine To -
getikum zur intrathekalen Infusion bei leranzentwicklung.
starken chronischen Schmerzen, die mit
anderen Methoden nicht zu beherr- Capsaicin2
schen sind. Ziconotid ist das Ω-Cono- Capsaicin ist der scharfe Wirkstoff in
toxin, ein Gift aus marinen Kegel - Paprika (Capsicum longum) und führt
schnecken. Es blockiert im Hinterhorn zur einer Desensibilisierung von Haut -
des Rückenmarks N-Typ-Kalzium-Kanäle nerven. Capsaicin wird in Pflasterform
und verhindert die präsynaptische Frei - für 30-60 Minuten auf schmerzende

1 A, D: Prialt; CH: –
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
2 A, CH, D: Qutenza
150 Analgetika

Hautstellen aufgebracht. Wichtig ist die Andere Nervenreize wie mechanische


Vorbehandlung mit Lidocain, da die Reize oder Vibrationsreize bleiben er -
akute Wirkung von Capsaicin auf der halten. Als Nebenwirkung können
Haut sehr unangenehm ist. Eingesetzt Husten, Rachenreizung, Übelkeit, Aus -
wird Capsaicin Pflaster bei schweren schläge und vor allem Hauterscheinun-
neuropathischen Schmerzen. Nach ein- gen an der Anwendungstelle auftreten.
maliger Applikation hält die analgeti-
sche Wirkung etwa 3 Monate an.

ANTIRHEUMATIKA
Rheumatische Erkrankungen gehören
Vertreter der „Disease modi-
zu den häufigsten entzündlichen Erkran-
fying antirheumatoide drugs“
kungen; rheumatoide Arthritis bei-
(DMARDs):
spielsweise ist die häufigste Ursache
von Arbeitsunfähigkeit. Gelenks ver - Sulfasalazin 1
änderungen, wahrscheinlich auf einer Methotrexat2
Autoimmunreaktion basierend, führen Goldverbindungen:
Auranofin 3
zu Entzündungen und Schädigung von
Aurothiomalat4
Gelenken, Knorpeln und Knochen. Die
Chloroquin5
wichtigsten beteiligten Zytokine sind IL-
Penicillamin6
1 und TNFα. Die am häufigsten ange-
Azathioprin7
wendeten Arzneimittel sind nicht-stero-
idale Antirheumatika (NSAR) und soge-
nannte „Disease modifying antirheuma- Sulfasalazin
toide drugs“ (DMARDs). Diese Substan -
zen werden auch als antirheumatische Sulfasalazin ist eine Kombination
Basistherapeutika bezeichnet. Darüber - eines Sulfonamids (Sulfapyridin) mit ei -
hinaus werden noch Immunsuppressiva, nem Salicylat (5-Aminosalicylsäure). Es
Glucocorticoide und Immunbiologika (so- wird schlecht resorbiert und auch bei
genannte „biologicals“), die direkt ge - chronisch-entzündlichen Darmer kran -
gen bestimmte Zytokine wirksam sind, kungen wie Colitis ulcerosa eingesetzt.
verwendet. Als Basistherapeutikum wird es bei rheu -
matoider Arthritis verwendet. Neben -
wirkungen sind Übelkeit und Erbrechen,
Hauterscheinungen, Blutbildveränderun-
1 A, CH: Salazopyrin; D: Azulfidine gen und Abnahme der Spermienzahl.
2 A, CH, D: Methotrexat
3 A: Ridaura; CH, D: –
4
5
A: –; CH, D: Tauredon Methotrexat
A: Resochin; CH: Nivaquin; D: Resochin
6 A: Artamin; CH: Mercaptyl; D: Metalcaptase Methotrexat ist ein Folsäureantagonist
7 A, CH, D: Imurek mit zytotoxischer und immunsuppressi-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 151

ver Aktivität. Es ist das DMARD erster Immunmodulatoren


Wahl mit einem schnelleren Wirkungs -
eintritt und weniger Nebenwirkungen Vertreter:
als andere DMARDs. Nebenwirkungen
Ciclosporin 1
sind Leberschädigung, Blutbild verän -
Leflunomid 2
derungen, Nierenschädigung und Im -
potenz. Methotrexat darf bei Frauen
Die Hauptwirkung von Ciclosporin
nur bei strikter Empfängnisverhütung
ist die Hemmung der Interleukin-2-Syn -
verwendet werden.
these über Hemmung eines Trans -
skriptionsfaktors. Es wird bei Patienten
mit schwerer rheumatoider Arthritis ein-
Goldverbindungen gesetzt, die nicht auf Methotrexat an -
Von den Goldverbindungen werden sprechen. Als Neben wirkungen sind
Aurothiomalat und Auranofin ver- Nierenfunktions störun gen, Leber funk -
wendet. Der Wirkungseintritt erfolgt tionsstörungen und viele andere zu
erst nach 3-4 Monaten. Schmerz und nennen.
Schwellung entwickeln sich zurück, eben- Leflunomid führt zu einer Hemmung
so die Knorpelschäden. Der Mecha nis- der Proliferation aktivierter T-Lympho -
mus der Wirkung ist unbekannt. Un - zyten bei chronischen Entzündungen.
erwünschte Wirkungen sind Hauter - Es wird nur zur Behandlung von Pa -
scheinungen, Geschwüre im Mund, to - tienten mit rheumatoider Arthritis ein-
xische Neuropathien und Leberschäden. gesetzt. Außer der leberschädigenden
Wirkung gibt es noch eine Reihe ande-
rer Nebenwirkungen, die den Einsatz
Chloroquin einschränken.
Dieses auch als Malariamittel einge-
setzte Mittel führt zur Remission der
rheumatoiden Arthritis und wird auch Spezifische
bei Lupus erythematodes verwendet. Zytokin-Inhibitoren
Als Nebenwirkungen sind vor allem Seh-
störungen bis zur Blindheit zu nennen. Vertreter:
Infliximab 3
Adalimumab4
Azathioprin Etanercept5
Anakinra 6
Certolizumab 7
Die Wirkung von Azathioprin ist mit
Tocilizumab 8
der von Methotrexat, bei einem schlech-
Abatacept 9
teren Nutzen-Risiko-Verhältnis, ver-
Golimumab 10
gleichbar. Es gilt heute nur noch als Re- Rituximab 11
servesubstanz.
1 A, CH, D: Sandimmun 5 A, CH, D: Enbrel
2 A, CH, D: Arava 6 A: Kineret; CH: –; D: Kineret
3 A, CH, D: Remicade 7 A, CH, D: Cimzia
4 A, CH, D: Humira 8 A, D: RoActemra, CH: Actemra
9 A, CH, D: Orencia
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 10 A, CH, D: Simponi
11 A, CH, D: MabThera
152 Analgetika

Infliximab Certolizumab
Infliximab ist ein chimärer (Maus- Certolizumab ist ein rekombinant her-
Mensch) Antikörper gegen Tumorne - gestelltes humanisiertes Antikörper -
krosefaktor α (TNFα), der bei schweren fragment mit einer hohen Affinität zu
Verläufen der rheumatoiden Arthritis, humanem TNF-α. Es wird in Kombina-
bei Morbus Crohn und ankylosierender tion mit Methotrexat bei rheumatoider
Spondylitis eingesetzt wird. Die Neben - Arthritis eingesetzt. Ähnlich wie bei
wirkungen reichen von lokalen Infusions- anderen TNF-α-Hemmern steigt unter
reaktionen bis zu Infektionen des obe- der Behandlung das Infektionsrisiko.
ren Respirationstraktes, vor allem Tu -
berkulose.
Tocilizumab
Adalimumab Tocilizumab ist ein humanisierter
monoclonaler Antikörper gegen den
Zum Unterschied von Infliximab ist Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor und wird in
Adalimumab ein vollständig humaner Kombination mit Methotrexat zur
Antikörper gegen TNFα. Wirkung und Behandlung der rheumatoiden Arthritis
Nebenwirkung gleichen denen von In - eingesetzt. Es wird einmal in vier
fliximab. Wochen verabreicht. Auch bei Tocili -
zumab ist eine erhöhte Infektionsgefahr
der Atemwege, Nebenwirkungen im
Etanercept Verdauungstrakt und Hautausschläge
zu beachten.
Etanercept ist ein löslicher TNFα-Re-
zeptor, der die Wirkung von TNFα und
TNFβ blockiert. Die Indikation ist schwe- Anakinra
re rheumatoide Arthritis, Morbus Bech -
terew und Psoriasis-Arthropathie. Die Anakinra ist ein gentechnisch herge-
unerwünschten Wirkungen gleichen stellter humaner Interleukin-1 Rezeptor-
denen von Infliximab. Etanercept wird 2 antagonist. Auch Anakinra wird bei
mal wöchentlich verabreicht. rheumatoider Arthritis, kombiniert mit
Methotrexat eingesetzt. Wichtige uner-
wünschte Wirkungen sind schwerwie-
Abatacept gende Infektionen und Blutbildstörun-
gen. Anakinra darf nicht mit TNFα-
Abatacept hemmt indirekt die Akti- Hemmern kombiniert werden.
vierung von T-Lymphozyten und dient
als Reservemittel zur Behandlung schwe-
rer Formen der rheumatoiden Arthritis.
Es wird mit Methotrexat kombiniert
und einmal im Monat intravenös infun-
diert.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Analgetika 153

Glucocorticoide Nebenwirkungen sind Osteoporose,


Magengeschwüre, vor allem in Kombi-
(siehe auch Seite 181) nation mit NSAR, Störungen des Salz-
und Wasserhaushalts und Neben nie -
Glucocorticoide sind immunsuppres- renrindeninsuffizienz. In der Schwan -
siv und die wirksamsten entzündungs- gerschaft darf eine systemische Gluco -
hemmenden Stoffe, die wir kennen. Sie corticoidbehandlung nur bei strenger
hemmen die Synthese von Zytokinen Indikation erfolgen. Das gilt auch für
und die Phospholipase-A2 und daher die systemische Anwendung von Gluco -
den Syntheseweg der Prostaglandine corticoiden in der Stillzeit.
sowie die Synthese von Interleukin-2.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Lokalanästhetika 155

LOKALANÄSTHETIKA
thetika unterbrechen die Fortleitung der
Wichtige Vertreter:
Erregung in Nerven. Für das Aktions -
Lidocain1 potential in Nerven ist ein schneller
Prilocain 2 Natriumeinstrom in die Nervenzelle not-
Tetracain 3 wendig. Lokalanästhetika sind schwache
Mepivacain4 Basen, die bei physiologischem pH-Wert
Bupivacain 5 zum Teil in lipophiler, undissoziierter Form,
Ropivacain6
zum Teil in hydrophiler, ionisierter Form,
Articain7
vorliegen. In der lipophilen Form kön-
nen Lokalanästhetika die Nervenwand
Lokalanästhetika werden zur Schmerz- penetrieren und dann in der ionisierten
ausschaltung bei kleinen chirurgischen Form vom Lumen her den Natriumkanal
oder zahnärztlichen Eingriffen, sowie bei blockieren. Ein niedriger pH-Wert, wie
juckenden oder schmerzenden Hauter - er im entzündeten Gewebe vorliegt,
krankungen eingesetzt. kann die Wirksamkeit der Lokalanästhe-
tika abschwächen, da sie im sauren
Man kennt verschiedene Formen der
Milieu dissoziieren und in ionisierter
Lokalanästhesie: Form nicht ins Innere der Nerven gelan-
 Oberflächenanästhesie: Behan- gen können.
delt werden Haut oder Schleimhaut Wirkungen: Lokalanästhetika blockie-
mit verschiedenen Arzneiformen ren die schmerzleitenden Aδ- und C-Fa-
wie Lösungen, Salben, Gelen oder sern, in höherer Dosierung auch mechano-
Pflaster. sensitive Nervenfasern und zuletzt die
 Infiltrationsanästhesie: Das Lokal- motorischen Nerven.
anästhetikum wird ins Gewebe Dosierung, Wirkungseintritt und
injiziert und verteilt sich dort -dauer: Wirkungseintritt und Wirkungs-
dauer hängen vom gewählten Lokal -
 Leitungsanästhesie: Injiziert wird
anästhetikum ab. Sehr rasch wirksam
in die Nähe von Nerven
ist Lidocain und sehr lang wirksam ist
 Spinalanästhesie am Rückenmark, Bupivacain.
z.B. in der Geburtshilfe
Applikationsformen: Lokalanästheti-
Wirkungsmechanismus: Lokalanäs- ka werden zur Oberflächenanästhesie

1 A, CH, D: Xylocain 4 A, CH, D: Scandicain


2 A, CH, D: Emla 5 A, CH, D: Carbostesin
3 A: in Kombinationen; CH: Tetracaine; 6 A, CH, D: Naropin
D: Ophtocain-Augentropfen 7 A, CH, D: Ultracain

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


156 Lokalanästhetika

auf Haut- und Schleimhaut in Form von Lidocain


Lösungen, Gelen, Salben, Pflastern und
Sprays aufgebracht. Für Infiltrations-, Lidocain hat einen raschen Wirkungs-
Leitungs- und Spinalanästhesie sind Am- eintritt zwischen 2 und 10 Minuten und
pullenlösungen vorhanden. wird als Oberflächenanästhetikum, als
Nebenwirkungen: Schnelle Natrium- Injektionsanästhetikum und auch syste-
kanäle sind auch bei Erregungs lei - misch bei Rhythmusstörungen bzw. als
tungen im Herz und im ZNS beteiligt. systemisches Analgetikum angewendet.
Daher kann es am Herzen zu bradykar- In einer Mischung mit Prilocain wirkt es
den Rhythmusstörungen und im Zentral- auch lokalanästhetisch auf der intakten
nervensystem zu Agitationen bis zu Haut1.
Krampfanfällen, Lähmungen, Kreislauf -
versagen, Atemdepression und Koma füh-
ren. Bupivacain, Mepivacain
Kombinationsmöglichkeiten: Da - und Ropivacain
mit Lokalanästhetika vom behandelten
Gebiet nicht zu schnell abwandern, wer- Bupivacain hat einen langsamen Wir-
den vasokonstriktorische Zusätze wie kungseintritt, dafür eine längere Wir -
Adrenalin oder Vasopressinanaloga zu kungsdauer als Lidocain, hat aber eine
den Ampullenlösungen zugesetzt. Mit höhere Kardiotoxizität. Es wird haupt -
Unverträglichkeiten solcher Zusätze ist sächlich zur Epiduralanästhesie verwen-
zu rechnen. det. Die strukturähnlichen Verbindun -
Wechselwirkungen: Bei der gleich- gen Mepivacain und Ropivacain werden
zeitigen Gabe herzwirksamer Stoffe ist ebenfalls zur Leitungs- und Infiltrations-
mit einer additiv-hemmenden Wirkung anästhesie benutzt. Mepivacain wirkt
auf die Überleitung und die Kontrak- so lange, dass auf einen Adrenalin zu-
tionskraft im Herzen zu rechnen. satz verzichtet werden kann, Ropivacain
hat eine geringere Kardiotoxizität als
Schwangerschaft und Stillzeit: Lo-
Bupivacain.
kalanästhetika dürfen auch in der
Schwangerschaft zur Infiltrations- und
Leitungsanästhesie eingesetzt werden,
vor allem Bupivacain. Dies gilt auch für Articain
die Stillzeit. Prilocain sollte in Schwan -
gerschaft und Stillzeit wegen des Risi - Articain ist ein Lokalanästhetikum mit
kos der Methämoglobinbildung vermie- schnellem Wirkungseintritt und langer
den werden. Wirkungsdauer (bis 3 Stunden). Es wird
zur Infiltrations- und Leitungsanästhesie
Gegenanzeigen: Herz rhythmusstö - verwendet.
rungen, Herzmuskelinsuffizienz und fri-
scher Myokardinfarkt, sowie schwere
Hypotonie.

1 A, CH, D: Emla-Präparate

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Narkotika 157

NARKOSEMITTEL
Zur heute üblichen Kombinations nar- Wirkungsmechanismus: Barbitura-
kose gehört eine Prämedikation mit Tran- te führen am GABA-Chloridkanal-Re -
quillantien und Analgetika, eine Einlei - zeptor-Komplex zu einem verstärkten
tung mit einem Injektionsnarkotikum Einstrom von Chloridionen und damit
und eine Aufrechterhaltung durch ein zu einer Aktivitätshemmung von Nerven-
Inhalationsnarkotikum. Zusätzlich erhält zellen.
der Patient ein Muskelrelaxans, ein star-
Wirkungen: Die narkotische Wirkung
kes Opioid zur Schmerzbehandlung
setzt bereits während der Injektion ein
und wird künstlich beatmet. Während
und hält ohne zusätzliche Inhala tions-
der Narkose können operative Eingriffe
ohne Bewusstsein, ohne Schmerzempfin- narkose ca. 6-8 Minuten für Thiopental
dung und ohne vegetative Abwehrre- und ca. 5-7 Minuten für Methohexital
aktionen durchgeführt werden. an. Barbiturate wirken nicht analgetisch
und nicht muskelrelaxierend.
Nebenwirkungen: Barbiturate wir-
Injektionsnarkotika ken atemdepressiv und negativ inotrop.
Sie dürfen nur intravenös verabreicht
Vertreter: werden – bei versehentlicher Injektion
ins Gewebe können wegen der alkali-
Thiopental1
schen Reaktion Gewebsschädigungen
Methohexital2
auftreten.
Propofol3
Etomidat4 Kombinationsmöglichkeiten: Um
Ketamin5 eine Narkose längere Zeit aufrechtzuer-
Midazolam6 halten, wird mit einem Inhalationsnar-
Starke Opioide kotikum kombiniert. Die atemdepressi-
ve Wirkung von Barbituraten wird durch
andere zentral dämpfende Arzneimittel
Barbiturate verstärkt. Arzneimittel mit kreislaufde-
Zur Narkoseeinleitung werden als inji- pressiver Wirkung verstärken diese bar-
zierbare Kurzanästhetika heute nur biturat-bedingte Wirkung ebenfalls.
Thiopental und Methohexital einge- Schwangerschaft und Stillzeit: Thio-
setzt. pental und Methohexital können sowohl
1 A: Thiopental; CH: Pentothal; D: Thiopental 4 A: Hypnomidate; CH: Etomidat;
2 A: Brietal; CH: –; D: Brevimytal D: Hypnomidate
3 A: Diprivan; CH, D: Disoprivan 5 A: Ketanest; CH: Ketalar; D: Ketanest
6 A, CH, D: Dormicum

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


158 Narkotika

in der Geburtshilfe als auch zur Narkose- kende Wirkung anderer Arzneimittel.
einleitung bei Operationen während Durch zentral wirkende Pharmaka wie
der Schwangerschaft verwendet wer- Fentanyl wird die Wirkung der beiden
den. Auch in der Stillzeit sind diese Bar - Kurzanästhetika verlängert. Bei Kom -
biturate kein Problem. bination mit Bradykardie-auslösenden
Gegenanzeigen: Akute Alkohol-, Arzneimitteln ist die zusätzliche Gabe
von Anticholinergika angezeigt.
Schlafmittel-, Analgetika- oder Psycho-
pharmakavergiftungen, respiratorische Schwangerschaft und Stillzeit: Eto-
Insuffizienz, Status asthmaticus, schwe- midat und Propofol dürfen in der
re Myokardschäden, Herzrhythmus - Schwangerschaft und bei der Geburts -
störun gen und schwere Leber- und hilfe angewendet werden. Auch Stillen
Niereninsuffizienz. nach einer Narkose mit Propofol oder
Etomidat ist unbedenklich.
Propofol und Etomidat Gegenanzeigen: Bei Patienten mit
Wirkungsmechanismus: Der Wir - reduziertem Allgemeinzustand, mit Epi -
kungsmechanismus dieser Kurzanästhe- lepsie in der Anamnese und mit ande-
tika ist unbekannt. ren Organstörungen sollten Etomidat
und Propofol langsamer als üblich ver-
Wirkungen: Die narkotische Wir -
abreicht werden.
kung tritt sehr rasch ein und dauert nur
kurz. Weder Propofol noch Etomidat
sind analgetisch.
Ketamin
Wirkungsmechanismus: Ketamin
Applikationsformen: Etomidat und
blockiert den spannungsabhängigen
Propofol sind wasserunlöslich und wer-
NMDA-Rezeptor, einen Rezeptorsubtyp
den daher in einer 10%igen Sojaöl-
des erregenden Neurotransmitters Glu -
Emulsion verabreicht.
tamat. Benannt wird dieser Rezeptor
Nebenwirkungen: Beide Substan - nach der Modellsubstanz N-Methyl-D-
zen führen zu Myoklonien, Dyskinesien Aspartat (NMDA).
und Blutdruckabfall. Etomidat führt fer-
Wirkungen: Ketamin zeigt 30-60
ner zu einer Abnahme der Cortisol- und
Sekunden nach intravenöser Injektion
Mineralcorticoidsynthese.
eine starke analgetische Wirkung und
Kombinationsmöglichkeiten: Eto- bei entsprechender Dosierung Bewusst -
midat und Propofol haben keine anal- losigkeit. Blutdruck und Herzfrequenz
getischen Eigenschaften und müssen, steigen, die Atmung wird nur wenig be -
auch für kleine Eingriffe, mit stark wirk- einflusst.
samen Opioiden wie Fentanyl, Alfen- Nebenwirkungen: In der Aufwach-
tanil 1, Remifentanil2, oder Sufentanil3 phase kommt es zu unangenehmen
kombiniert werden. Träumen oder Halluzinationen, die durch
Wechselwirkungen: Etomidat und gleichzeitige Gabe von Benzodiaze pi-
Propofol verstärken die blutdrucksen- nen verhindert werden können.

1 A, CH, D: Rapifen 3 A, CH, D: Sufenta


2 A, CH, D: Ultiva

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Narkotika 159

Kombinationsmöglichkeiten: Kom- führen rasch zur Narkose, nach Ab -


bination mit Benzodiazepinen vermin- setzen klingt die Narkose schnell wieder
dert die Nebenwirkungen während der ab. Die Weiterentwicklungen Desfluran
Aufwachphase. Barbiturate und Opiate und Sevofluran zeichnen sich durch ein
können die Aufwachphase verlängern. besonders schnelles An- und Abfluten
Wechselwirkungen: Die gleichzeiti- aus.
ge Anwendung von Halothan kann das Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
Risiko von Herzrhythmusstörungen er - sind Blutdruckabfall, Atemdepression,
höhen. Arrhythmien, Schüttelfrost, sowie Nau -
Schwangerschaft und Stillzeit: Ke- sea und Erbrechen. Das Auftreten einer
tamin sollte in der Schwangerschaft malignen Hyperthermie ist nicht auszu-
nicht eingesetzt werden, ein notwendi- schließen. Selten kann es zu Leber -
ger Einsatz während der Stillzeit ist schädigungen kommen.
unproblematisch. Kombinationsmöglichkeiten: Bei
Gegenanzeigen: Gegenanzeigen sind Bedarf können Anticholinergika gege-
Angina pectoris, Glaukom oder Blut - ben werden.
hochdruck, sowie unbehandelte Hyper - Wechselwirkungen: Muskelrelaxan-
thyreose. tien werden durch diese Inhalationsnar-
kotika in ihrer Wirkung potenziert.
Inhalationsnarkotika Schwangerschaft und Stillzeit: Ha-
logenierte Inhalationsnarkotika gehö -
Halogenierte ren in der Geburtshilfe zu den Stan -
dardnarkotika. Gegen Anwendung in
Kohlenwasserstoffe
der Stillzeit gibt es keine Argumente.
Vertreter: Gegenanzeigen: Prädisposition zu
Enfluran1 maligner Hyperthermie.
Isofluran 2
Desfluran3 Distickstoffoxid (N 2O,
Sevofluran4 Stickoxydul, Lachgas)
Wirkungsmechanismus: Die mini- Wirkungen: Stickoxydul ist eines der
am meisten verwendeten und wenig-
male alveoläre Konzentration von In -
sten toxischen Narkosemittel. Es wirkt
halationsanästhetika (MAC), die zu ei -
schwach narkotisch und stark analge-
ner bestimmten Narkosetiefe führt, kor-
tisch, aber nicht muskelrelaxierend.
reliert direkt proportional mit der Lipid -
löslichkeit der entsprechenden Sub - Applikationsform: Stickoxydul wird
stanz. Das heißt, je höher die Lipid - mit einem Anteil von mindestens 30 Vo-
lumsprozent Sauerstoff gleichzeitig zu -
löslichkeit, desto niedriger kann die
geführt. Dennoch ist die Narkosetiefe
MAC sein, um eine bestimmte Narkose-
nicht ausreichend und nur mit einer Kom-
tiefe zu erreichen.
bination mit Enfluran oder Isofluran zu
Wirkungen: Enfluran und Isofluran erreichen.
1 A: Ethrane; CH, D: – 2 A: Forane; CH, D: Forene
3 A, CH, D: Suprane
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 4 A, CH, D: Sevorane
160 Narkotika

Nebenwirkungen: Blutdruck und At- Starke Opioide


mung werden wenig, Leber, Nieren und
Darmfunktionen nicht beeinflusst. Vertreter:
Kombinationsmöglichkeiten: Eine Fentanyl
Kombination von Stickoxydul mit halo- Alfentanil3
genierten Äthern (Enfluran, Isofluran Sufentanil 4
etc.) wird häufig verwendet. Remifentanil5

Schwangerschaft und Stillzeit: Für


kleine operative Eingriffe in der Schwan- Diese Opioide sind die Mittel der Wahl
gerschaft ist Stickoxydul ideal. Bei der zur intraoperativen und perioperativen
Geburtshilfe ist auf mögliche atemde- Schmerzbehandlung. Sie sind rasch und
pressive Effekte beim Neugeborenen zu kurz wirksam, daher gut steuerbar. Bei
achten. Alfentanil und Remifentanil tritt die
maximale Wirkung bereits 1 bis 1,5 Mi -
nuten nach Bolusgabe ein. Bei Fentanyl
nach vier und bei Sufentanil nach drei
Begleitmedikationen Minuten. Werden diese Substanzen als
Midazolam1 Infusion verabreicht, so ist die Kontext-
sensitive Halbwertszeit – das ist die Halb -
Wegen seiner kurzen Wirksamkeit und
wertszeit nach Absetzen der Infusion –
guten Steuerbarkeit wird das Benzo -
abhängig von der Infusions dauer. Remi-
diazepin Midazolam zur Narkose ein -
fentanil ist hier die Aus nahme; dessen
leitung verwendet. Ein großer Vorteil
Kontext-sensitive Halbwertszeit ist mit
von Midazolam ist, dass mit dem Ben-
drei bis vier Minuten unabhängig von
zodiazepin-Antagonisten Flumaze nil 2
der Infusionsdauer.
die Wirkung am Rezeptor spezifisch
aufgehoben werden kann. Als Neben -
wirkungen von Midazolam wurden
Übelkeit, Erbrechen, eventuell Angstge-
fühle und Herzklopfen beobachtet.

1 A, CH, D: Dormicum 4 A, CH, D: Sufenta


2 A, CH, D: Anexate 5 A, CH, D: Ultiva
3 A,CH, D: Rapifen

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Muskelrelaxantien 161

MUSKELRELAXANTIEN
Tab. 1: Die wichtigsten Muskelrelaxantien
Nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien Atracurium1
Cisatracurium2
Mivacurium3
Rocuronium4
Vecuronium5
Depolarisierende Muskelrelaxantien Suxamethonium6
Andere Muskelrelaxantien Dantrolen 7
Botulinustoxin
1 A, CH, D: Tracrium 5 A, CH, D: Norcuron
2 A, CH, D: Nimbex 6 A, CH, D: Lysthenon
3 A, CH, D: Mivacron 7 A: Dantrolen; CH, D: Dantamacrin
4 A, CH, D: Esmeron

Muskelrelaxantien führen zu einer Läh- Nicht-depolarisierende


mung der Skelettmuskulatur. Diese braucht
man vor allem im Rahmen einer Nar - Muskelrelaxantien
kose, um Kontraktionen der Mus kulatur
während der Operation auszuschließen. Wirkungsmechanismus: Die nicht
Der körpereigene Neurotransmitter an der depolarisierenden Muskelrelaxantien
sogenannten motorischen Endplatte ist blockieren den nikotinischen Acetylcholin-
Acetylcholin. Der Rezeptor an der mo - rezeptor an der motorischen Endplatte
torischen Endplatte ist ein nikotinischer im Sinne einer kompetitiven Hemmung.
Acetylcholinrezeptor. Muskelrelaxantien Wirkung: Die Wirkung ist eine Läh-
können die neuromuskuläre Übertra- mung des Skelettmuskels, da die Erre-
gung durch Bindung an diesen Rezep- gung der motorischen Nerven nicht mehr
tor hemmen. Dabei unterscheidet man auf die Muskulatur übergreifen kann.
sogenannte nicht-depolarisierende Mus- Da die Lähmung auch die Atemmusku-
kelrelaxantien, die die Wirkung von Ace- latur betrifft, muss unter diesen Muskel-
tylcholin blockieren, ohne selbst eine relaxantien eine künstliche Beatmung
Wirkung zu erzeugen und depolarisie- erfolgen. Muskelrelaxantien sind keine Nar-
rende Muskelrelaxantien, die selbst eine kotika, das Bewusstsein bleibt erhalten.
intrinsische Aktivität aufweisen.
Nebenwirkungen: Unter Muskelre-
laxantien kann es zu Bradykardie, Blut -
druckabfall und Bronchospasmus kom-
men.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


162 Muskelrelaxantien

Wechselwirkungen: Narkosemittel kurze Wirkungsdauer. Die Wirkung


wie Enfluran und Isofluran verstärken die einer normalen Dosis hält nur 10 Mi -
neuromuskuläre Blockade, aber auch nuten an.
Antibiotika, Diuretika und Lithiumsalze.
Nebenwirkungen: Nebenwirkungen
Enzyminduktoren wie Phenytoin oder
sind muskelkaterartige Schmerzen und
Carbamazepin können die Wirkung ver-
Muskelzuckungen.
mindern. Im Rahmen der Narkose dür-
fen die üblichen Muskelrelaxantien in
der Schwangerschaft eingesetzt werden.
Andere
Muskelrelaxantien
Cholinesterase-
inhibitoren Dantrolen
Wenn die Wirkung nicht-depolarisie- Dantrolen hemmt die Kontraktions-
render Muskelrelaxantien beendet wer- kraft des Skelettmuskels durch Hemmung
den soll, geschieht das mit Cholineste - der Freisetzung von Kalziumionen aus
raseinhibitoren wie Neostigmin oder dem sarkoplasmatischen Retikulum
Pyridostigmin. Diese verhindern den Ab- während des Erregungsprozesses. Es
bau des körpereigenen Acetylcholins, wird angewendet, um schmerzhafte
dessen Konzentration dann im synapti- spastische Zustände bei multipler Skle -
schen Spalt ansteigt. Da nicht-depolari- rose, nach Hirn- oder Rückenmarks -
sierende Muskelrelaxantien den Acetyl - läsionen und nach zerebralen Schäden
cholinrezeptor kompetitiv hemmen, zu behandeln. Eine weitere Indikation
können sie von höheren Acetylcholinkon- ist die maligne Hyperthermie. Die Ne -
zentrationen vom Rezeptor verdrängt benwirkungen sind hauptsächlich eine
werden und der Muskel kann wieder allgemeine Muskelschwäche, Durchfälle
kontrahieren. und zentral nervöse Symptome wie
Schwindelgefühl und Benommenheit.

Depolarisierende Botulinustoxin
Muskelrelaxantien Das vom Clostridium botulinus gebil-
dete Toxin hemmt die Freisetzung von
Depolarisierende Muskelrelaxantien Acetylcholin aus cholinergen Nerven -
erregen wie Acetylcholin die motorische endigungen. Die daraus resultierende
Endplatte, verhindern aber eine Repo- muskelrelaxierende Wirkung kann the-
lari sation und damit eine weitere rapeutisch bei Spasmen der Skelett -
Kontraktion des Muskels. Die Folge ist muskulatur, bei Oesophagusspasmus
eine Muskelerschlaffung. Der einzige und in der Kosmetik angewendet wer-
Vertreter in therapeutischer Verwen - den. Auch die Ausschaltung der Schweiß-
dung ist Suxamethonium. Es zeigt ei - drüsentätigkeit ist durch eine kutane
nen raschen Wirkungseintritt und eine Injektion von Botulinustoxin möglich.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Muskelrelaxantien 163

Myotonolytika Baclofen ist ein GABA B-Agonist und


hemmt die Erregungsübertragung im
Myotonolytika werden zur Behand - Rückenmark. Der Angriffspunkt von
lung spastischer Zustände spinaler Ge - Tiazanitin ist nicht gesichert, Tiazanitin
nese verwendet. Sie verstärken den wird bei multipler Sklerose und anderen
inhibitorischen Effekt der Gamma- Spasmen zentraler Ursache angewen-
Aminobuttersäure (GABA) im Rücken - det. Tetrazepam ist ein Benzodiazepin
mark. und wirkt modulierend am GABA A -
Rezeptor. Tolperison ähnelt chemisch
Vertreter: den Lokalanästhetika. Der primäre An -
griffspunkt ist der spannungsabhängige
Baclofen 1
Na-Kanal.
Tizanitin2
Tetrazepam3
Tolperison4

1 A, CH, D: Lioresal 3 A: Myolastan; CH: –; D: Musaril


2 A, CH, D: Sirdalud 4 A, CH, D: Mydocalm

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiparkinson-Mittel 165

ANTIPARKINSON-MITTEL
Tab. 1: Die wichtigsten Antiparkinson-Mittel
Dopaminvorstufen Levodopa+Benserazid 1
Levodopa+Carbidopa 2
Dopaminagonisten Bromocriptin 3
Lisurid4
Pergolid 5
Ropinirol6
Pramipexol7
Rotigotin8
MAO-B-Hemmstoffe Selegilin 9
Rasagilin10
COMT-Hemmstoffe Entacapon11
Tolcapon 12
NMDA-Antagonisten Amantadin13
Anticholinergica Biperiden 14
Trihexyphenidyl15
1 A, CH, D: Madopar 9 A: Jumex; CH: Jumexal; D: Movergan
2 A, CH: Sinemet; D: Nacom 10 A, CH, D: Azilect
3 A: Umprel; CH: Parlodel; D: Pravidel 11 A, CH: Comtan; D: Comtess
4 A: Dopergin; CH: –; D: Dopergin 12 A, CH, D: Tasmar
5 A, CH: Permax; D: Parkotil 13 A, CH, D: PK-Merz
6 A, CH, D: Requip 14 A, CH, D: Akineton
7 A, CH, D: Sifrol 15 A, CH: –; D: Artane
8 A, CH, D: Neupro

Morbus Parkinson beruht auf einer De- Ruhetremor, Rigor, Verlust der Stell-
generation von Ganglien-Zellen in der und Haltereflexe, Gang- und Stand -
Substantia nigra, deren dopaminerge unsicherheit und Ausdruckstarre. Thera-
Neurone eine hemmende Wirkung auf peutisch versucht man, das hemmende
das Corpus striatum ausüben. Fällt die - dopaminerge System zu stützen oder
se Hemmung weg, überwiegt die choli- das aktivierende cholinerge System zu
nerge Aktivität. Die Symptome sind unterbinden.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


166 Antiparkinson-Mittel

Levodopa rungen wie Magen- und Darmbe -


schwerden, kardiovaskuläre Störungen
Vertreter: und psychische Veränderungen wie Un -
ruhe, Agitiertheit und Halluzinationen.
Levodopa+Benserazid
Levodopa+Carbidopa Kombinationsmöglichkeiten: Eine
Kombination mit anderen Antiparkin-
son-Mitteln wie Anticholinergika, NMDA-
Die wichtigste und effektivste Phar-
Antagonisten oder Dopamin-Agonisten
makotherapie des Morbus Parkinson ist
ist möglich.
die L-Dopa-Therapie.
Wechselwirkungen: Antihypertensiva
Wirkungsmechanismus: L-Dopa (Le-
können in ihrer Wirkung durch L-Dopa
vodopa) ist die Vorstufe von Dopamin,
verstärkt und Neuroleptika in ihrer Wir -
das mit der Dopamindecarboxylase in
kung gehemmt werden. Auch die Wir -
Nerven synthetisiert wird. Um die kung von Sympathomimetika wird ver-
Dopaminsynthese in der Peripherie hint- stärkt.
anzuhalten wird L-Dopa mit Dopa -
decarboxylase-Inhibitoren wie Carbi - Schwangerschaft und Stillzeit: Par-
dopa oder Benserazid kombiniert. Diese kinsonismus ist eine Erkrankung des
Stoffe verhindern, dass in der Peripherie fortgeschrittenen Alters, doch wird
Dopamin entsteht und zu Nebenwirkun- empfohlen, bei gebärfähigen Frauen
gen führt. eine Kontrazeption durchzuführen.

Wirkungen: Levodopa verbessert alle Gegenanzeigen: Schwere Nieren-,


Symptome des Parkinson-Syndroms, Leber- und Herzerkrankungen, Psycho-
insbesondere die Akinese und die psy- sen und Engwinkelglaukom
chischen Störungen. Leider nimmt die
Wirkung nach einer mehrjährigen Be-
handlung ab, sodass mit anderen Anti- Dopaminagonisten
Parkinsonmitteln kombiniert bzw. auf
diese übergegangen werden muss. Vertreter:
Applikationsform: Levodopa wird Bromocriptin 1
in einer Kombination mit Benserazid Lisurid2
bzw. Carbidopa verabreicht. Diese Pergolid 3
Ropinirol4
Dopadecarboxylase-Inhibitoren können
Pramipexol5
nicht durch die Blut-Hirn-Schranke ge -
Rotigotin6
langen, verhindern aber eine Decar -
boxylierung von L-Dopa in der Peri phe-
rie. Wirkungsmechanismus: Dopamin-
Nebenwirkungen: Im Vordergrund agonisten erregen D 2-Rezeptoren und
stehen motorische Symptome wie vermindern so das Parkinson-Syndrom.
langsame Dyskinesien, vegetative Stö - Wirkungen: Im Frühstadium werden

1 A: Umprel; CH: Parlodel; D: Pravidel 4 A, CH, D: Requip


2 A: Dopergin; CH: –; D: Dopergin 5 A, CH, D: Sifrol
3 A, CH: Permax; D: Parkotil 6 A, CH, D: Neupro

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiparkinson-Mittel 167

sie allein eingesetzt, im fortgeschritte- MAO-B Hemmstoffe


nen Stadium werden sie mit Levodopa
kombiniert. Vertreter:
Applikationsform: Rotigotin ist der Selegilin 1
einzige Dopaminagonist, der als Pflas - Rasagilin 2
ter verabreicht werden kann. Das Pflas -
ter ist in vier Wirkungsstärken im Han-
Wirkungsmechanismus: MAO-B
del. Es wird als Monotherapie im
Hemmer hemmen den Dopaminabbau
Frühstadium der Parkinson´schen Er -
und führen auf diese Weise zu einer
krankung angewendet. Bei Absetzen
höheren Dopaminkonzentration.
muß die Dosis langsam ausgeschlichen
werden. Wirkungen: MAO-B-Hemmer verbes-
sern die Beweglichkeit von Parkinson-
Nebenwirkungen: Die Nebenwir -
patienten, vor allem wenn Levodopa
kungen sind viel ausgeprägter als von L-
nicht mehr wirksam ist, bzw. wenn es
Dopa und reichen von orthostatischer
bereits zu Dyskinesien kommt.
Hypotonie, Arrhythmien, Angina pecto-
ris-Anfällen, Übelkeit, Erbrechen bis zu Nebenwirkungen: Neben Übelkeit
Konfusion und Halluzinationen. und Blutdruckabfall können MAO-B-
Hemmer die Nebenwirkungen von
Kombinationsmöglichkeiten: Dopa-
Levodopa verstärken.
minagonisten sind als Monotherapie
oder als Kombination mit L-Dopa zur Kombinationsmöglichkeiten: MAO-
Behandlung der Parkinson´schen Er - B Hemmer werden mit Levodopa kom-
krankung geeignet. Kombiniert werden biniert.
kann auch mit COMT-Hemmern, Dopa - Wechselwirkungen: MAO-B Hemmer
minagonisten, NMDA-Antagonisten so - dürfen nicht gleichzeitig mit Fluoxetin
wie MAO-B Hemmern. angewendet werden, da es zur Erre-
Wechselwirkungen: Zahlreiche Wech- gung und Krämpfen kommen kann. Da -
selwirkungen der Dopamin-Agonisten bei ist zu beachten, dass Fluoxetin bzw.
sind bekannt, vor allem Dopa min - seine Metaboliten eine sehr lange Halb -
antagonisten wie Neuroleptika oder wertszeit haben. Auch mit anderen
Metoclopramid können die Wirkungen Serotonin-Rückaufnahme-Hemmern ist
der Dopaminagonisten hemmen. Vorsicht geboten. Bei Kombination mit
Schwangerschaft und Stillzeit: Do- trizyklischen Antidepressiva kann es zu
paminagonisten sollen in der Schwan - schweren zentralnervösen Neben wir -
gerschaft und Stillzeit nicht angewen- kungen kommen.
det werden. Schwangerschaft und Stillzeit: Eine
Gegenanzeigen: Besondere Vorsicht Anwendung während Schwangerschaft
ist geboten bei Herzrhythmusstörungen und Stillzeit ist nicht angezeigt, das
und Patienten mit Leber- und Nieren- Problem stellt sich aber selten.
insuffizienz. Gegenanzeigen: Herzrhythmus stö -
rungen, Angina pectoris, Hypertonie,
agitierte Psychosen, Anwendung von
Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren
1 A: Jumex; CH: Jumexal; D: Movergan
2 A, CH, D: Azilect
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
168 Antiparkinson-Mittel

oder trizyklischen Antidepressiva, sowie Nebenwirkungen: Nebenwirkungen


von Sympathomimetika. treten nur zu Beginn der Behandlung
auf. Es kann zu Unruhe und Magen-
und Darmbeschwerden kommen.
COMT-Hemmstoffe
Kombinationsmöglichkeiten: Aman-
Vertreter: tadin wird hauptsächlich bei bestehen-
der L-Dopa-Therapie und auftretenden
Entacapon1
Dyskinesien angewendet, unter gleich-
zeitiger Reduktion der L-Dopa-Dosis.
Wirkungsmechanismus: Entacapon MAO-B Hemmer und Entacapon sollten
hemmt die COMT (Catechol-O-methyl- bei Patienten mit Dyskinesien abgesetzt
transferase), die ebenfalls für den Ab - werden.
bau von Dopamin verantwortlich ist.
Entacapon kann nicht durch die Blut- Gegenanzeigen: Bei Niereninsuffi -
Hirn-Schranke, kann aber den Abbau zienz und schweren hypotonen Zu -
von Dopamin und Levodopa in der ständen ist Amantadin kontraindiziert.
Peripherie verhindern und so das
Dopamin-Angebot für die Blut-Hirn-
Schranke erhöhen. Entacapon allein ist Anticholinerge
wirkungslos, kann aber eine L-Dopa- Verbindungen
Therapie vestärken.
Nebenwirkungen: Dyskinesien, Übel- Vertreter:
keit und Abdominalschmerzen, Motili - Biperiden 3
tätsstörungen und Mundtrockenheit. Trihexyphenidyl4
Gegenanzeigen: Leberinsuffizienz,
Phäochromozytom und malignes neu- Wirkungsmechanismus: Durch Hem-
roleptisches Syndrom. mung der cholinergen Aktivität wird
das Gleichgewicht zwischen dopa-
minergem Mangel und cholinerger
NMDA-Antagonisten Überaktivität ausgeglichen.

Vertreter: Wirkungen: Anticholinerge Sub -


stanzen wirken gegen Rigor, Tremor und
Amantadin 2
Akinese.

Wirkungsmechanismus: Aman ta - Nebenwirkungen: Im Vordergrund


din hemmt nicht kompetitiv die NMDA- steht die Mundtrockenheit, dazu kom-
Rezeptoren und drosselt über diesen men Obstipation und tachykarde Rhyth -
Mechanismus die glutamaterge Stimu - musstörungen.
lation cholinerger Neurone. Das Gleich - Wechselwirkungen: Amantadin, Neu-
gewicht zwischen dopaminerger und roleptika und trizyklische Antidepressi -
cholinerger Aktivität wird wiederherge- va verstärken die Wirkungen der anti-
stellt. cholinergen Substanzen.
1 A: Comtan; CH: –; D: Comtess 3 A, CH, D: Akineton
2 A, CH, D: PK-Merz 4 A, CH: –; D: Artane

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiepileptika 169

ANTIEPILEPTIKA
Epilepsien sind anfallsartig auftreten- Carbamazepin und
de chronische Erkrankungen, die auf
einer gesteigerten Erregbarkeit zentra- Oxcarbazepin
ler Neurone beruhen. Es kommt zu
einer Erniedrigung der Krampfschwelle Wirkungsmechanismus: Diese Sub-
mit abnormen motorischen Reaktionen stanzen blockieren spannungsabhängi-
wie tonisch-klonischen Krämpfen, Zuck - ge Natriumkanäle und hemmen so die
ungen, Bewusstseinsstörungen, Bewusst- Ausbreitung elektrischer Erregung.
seinsverlust und im Verlauf der Krank - Wirkungen: Carbamazepin ist Mittel
heit auch zu Verhaltensstörungen und der Wahl bei einfachen und komplexen
kognitiven Veränderungen. Die Arznei - fokalen und generalisierten tonisch-klo-
therapie muss unter Umständen jahre- nischen Anfällen. Oxcarbazepin ist ein
lang durchgeführt werden. Derivat von Carbamazepin und wirkt
wie dieses, ist also bei fokalen und ge -
Wichtige Vertreter: neralisierten Anfällen induziert.
Carbamazepin 1
Nebenwirkungen: Bei allergischen
Oxcarbazepin2
Hauterscheinungen oder Blutbildverän -
Valproinsäure3
Phenytoin 4
derungen muss Carbamazepin abge-
Fosphenytoin 5 setzt werden. Weiters können zentral
Phenobarbital6 nervöse Störungen wie eingeschränkte
Barbexaclon7 Vigilanz und Schwindel, Wasserreten-
Ethosuximid 8 tion, Magen- Darmbeschwerden und
Vigabatrin9 Kochenmarkdepressionen auftreten.
Lamotrigin10
4
Gabapentin11 A: Epanutin; CH, D: Phenhydan
Pregabalin12 5 Pro-Epanutin
Topiramat13 6 A: –; CH, D: Luminal

Tiagabin 14 7 A, CH: Maliasin; D: –

Felbamat15 8 A: Suxinutin; CH: Petinimid; D: Petnidan


Clonazepam16 9 A, CH, D: Sabril
Levetiracetam17 10 A, CH, D: Lamictal
Zonisamid18 11 A, CH, D: Neurontin
Lacosamid 19 12 A, CH, D: Lyrica
Eslicarbazepinacetat20 13 A, CH, D: Topamax
14 A, CH, D: Gabitril
1 A, CH: Tegretol; D: Tegretal 15 A, CH, D: Taloxa
2 A, CH, D: Trileptal 16 A, CH, D: Rivotril
3 A, CH: Convulex; D: Ergenyl, Convulex
17 A, CH, D: Keppra
18 A, CH, D: Zonegran
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie 19 A, D: Vimpat; CH: –
20 A, D: Exalief; CH: –
170 Antiepileptika

Kombinationsmöglichkeiten: Car- Kombinationsmöglichkeiten: Val-


bamazepin kann mit anderen Antiepi- proinsäure kann mit Antiepileptika, die
leptika, die über einen GABAergen-Me - über Natriumkanalblockade wirken, kom-
chanismus wirken wie Valproinsäure, biniert werden.
Viga batrin oder Tiagabin kombiniert Wechselwirkungen: Vor allem bei
werden. Kombination mit anderen Antiepilepti-
Wechselwirkungen: Zwischen Carba- ka ist mit starken Wechselwirkungen zu
mazepin und zahlreichen anderen wich- rechnen. Auch mit anderen Arznei -
tigen Arzneimitteln gibt es Wechselwir- mitteln gibt es zahlreiche bedeutende
kungen im Sinne einer Wirkungsver- Wechselwirkungen, die im Einzelfall be -
stärkung und Wirkungsabschwächung, achtet werden müssen.
für das diese im Einzelfall nachgeschla- Schwangerschaft und Stillzeit:
gen werden müssen. Carbamazepin Eine antiepileptische Therapie sollte in
führt zu starker Enzyminduktion und der Schwangerschaft nicht abgebro-
verhindert so z.B. die Wirkung von chen werden. Bei Kinderwunsch sollen
Midazolam komplett. niedrige Dosierungen über den ganzen
Tag verteilt werden.
Schwangerschaft und Stillzeit: Car-
bamazepin kann und soll in der Schwan- Gegenanzeigen sind schwerwiegen-
gerschaft und Stillzeit verwendet wer- de Lebererkrankungen, Blutgerinnungs -
den. störungen und Nierenfunktionsstörun-
gen.
Gegenanzeigen: Absencen.

Valproinsäure1 Phenytoin2
Wirkungsmechanismus: Phenytoin
Wirkungsmechanismus: Valproin - hemmt spannungsabhängige Natrium -
säure wirkt über mehrere Mechanis - kanäle und hemmt so die Ausbreitung
men: Es hemmt den Natriumkanal und elektrischer Erregung. Es hemmt auch
erhöht die synaptische GABA-Kon - die Freisetzung des erregenden Trans-
zentration durch Hemmung GABA-ab - mitters Glutamat und stabilisiert die Mem-
bauender Enzyme. bran des Neurons gegen den Einfluss
Wirkungen: Valproinsäure ist ein repetitiver Reize.
Breitspektrum-Antiepileptikum, d.h. es Wirkungen: Phenytoin kann bei allen
ist bei zahlreichen Epilepsieformen an - Formen der Epilepsie eingesetzt wer-
wendbar, wie bei fokalen und generali- den, außer bei Absencen. Im Gegensatz
sierten Anfällen, sowie bei Absencen. zu Phenobarbital ist Phenytoin nur sehr
Nebenwirkungen sind zentral ner- schwach sedativ.
vöse Störungen, gastrointestinale Be - Nebenwirkungen: Eine häufige Ne-
schwerden, Haarausfall, Gewichtszu - benwirkung ist eine Zahnfleisch wu -
nahme, Gerinnungsstörungen und even- cherung, die sehr störend ist. Ferner
tuell Leberfunktionsstörungen. Hypertrichiose, Exantheme, Hirsutis -
1 A, CH: Convulex; D: Ergenyl, Convulex 2 A: Epanutin; CH, D: Phenhydan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiepileptika 171

mus, Ataxie und Blutbildstörungen, Nebenwirkungen: Im Vordergrund


Blutdruckabfall, Bradykardie, Kammer - steht der sedative Effekt des Bar bi -
flimmern und Phlebitis bei Injektion am turats. Phenobarbital ist ein starker
Injektionsort. Enzyminduktor und beschleunigt da -
Kombinationsmöglichkeiten: Eine durch den Abbau anderer Arzneimittel,
Kombination mit einem zweiten Anti- auch anderer Antiepileptika.
epileptikum wie Valproinsäure, Primi- Kombinationsmöglichkeiten: Phe-
don, Carbamazepin oder Lamotrigin ist nobarbital eignet sich zur Zweier kom-
möglich. bination mit anderen Antiepileptika.
Wechselwirkungen: Wechselwirkun- Wechselwirkungen: Wechselwirkun-
gen im Sinne von Blutspiegelerhöhun- gen beziehen sich auf die Enzymin-
gen oder Blutspiegelerniedrigungen duktion und führen u.a. zu verstärktem
sind sehr häufig und können mit zahl- Abbau von anderen Antiepileptika, Anti-
reichen anderen Arzneimitteln auftre- koagulantien, Herzglykosiden, Antibioti-
ten. Eine sorgfältige Überprüfung des ka und Steroiden.
Einzelfalls ist notwendig. Schwangerschaft und Stillzeit: Die
Schwangerschaft und Stillzeit: Eine Gabe von Phenobarbital in Schwan -
Phenytoin-Monotherapie in der Schwan- gerschaft und Stillzeit ist möglich. Bei
gerschaft und in der Stillzeit ist mög- einer Kombinationstherapie sollte das
lich. Stillen abgebrochen werden.
Gegenanzeigen sind schwere Blutbild-
veränderungen, manifeste Herzinsuffi-
zienz, Herzrhythmusstörungen und Ethosuximid2
schwere Hypertonie.
Wirkungsmechanismus: Etho suxi -
mid sensibilisiert den GABA-A-Rezeptor,
sodass Hemmungen durch das GABAerge
Phenobarbital1 System verstärkt werden.
Wirkungsmechanismus: Es verstärkt Wirkungen: Ethosuximid ist beson-
die inhibitorische Wirkung von GABA ders gut wirksam gegen Absencen im
durch allosterischen Angriff am GABA- Kindesalter.
A-Rezeptor. Es erhöht die GABA-be- Nebenwirkungen sind Sedierung,
dingte Öffnungsfrequenz des Chlorid - Ataxie, Magen-, Darmbeschwerden,
kanals und über eine Hyperpolarisation Exantheme und eventuelle Knochenmark-
kommt es zu einer Hemmung der Er- depressionen.
regbarkeit der Zelle.
Wirkungen: Phenobarbital wirkt bei
allen Formen der Epilsepsie ausser bei Vigabatrin3
Absencen. Es wird ferner bei therapie-
resistentem Status epilepticus einge- Wirkungsmechanismus: Vigabatrin
setzt. blockiert den Abbau von GABA und
1 A: –; CH, D: Luminal 2 A: Suxinutin; CH: Petinimid; D: Petnidan
3 A, CH, D: Sabril

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


172 Antiepileptika

erhöht dadurch dessen Wirkungen. Viga- Wirkungen: Gabapentin ist ein gut
batrin eignet sich zur Kombinations - verträgliches Antikonvulsivum und fin-
behandlung mit anderen Antiepileptika det auch bei der Behandlung neuropa-
wie Carbamazepin oder Phenytoin. thischer Schmerzen Anwendung.
Nebenwirkungen: Müdigkeit und Nebenwirkungen können Schläfrig-
Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, keit, Schwindel, periphere Ödeme, Übel-
bei Kindern Agitiertheit und aggressives keit, Erbrechen, Dyspepsie und Obsti -
Verhalten, sowie gastrointestinale Störun- pation sein. Auch Blutbildveränderungen
gen treten auf. Beobachtet wurden auch wurden beobachtet.
Gesichtsfeldeinschränkungen. Kombinationsmöglichkeiten: Gaba-
pentin wird meist mit anderen Antiepi-
leptika kombiniert.
Lamotrigin1
Wirkungsmechanismus: Lamotrigin Pregabalin3
blockiert die Freisetzung exzitatorischer
Transmitter, besonders die von Glutamat. Wirkungsmechanismus: Pregabalin
bindet selektiv und mit hoher Affinität
Wirkungen: Lamotrigin eignet sich
an die α2-δ-Untereinheit spannungsab-
als Monotherapie, zur Erstbehandlung
hängiger Kalziumkanäle in Nervenzellen.
fokaler und sekundär generalisierter An-
Bei neuropathischen Schmerzsyndromen
fälle, sowie als Zusatzbehandlung bei
resultiert der verminderte Kalziumein-
refraktären Anfällen. strom in einer Reduktion der Freisetzung
Nebenwirkungen: Lamotrigin zeigt von erregenden Neurotransmittern wie
eine Reihe von Nebenwirkungen wie Glutamat und Substanz P.
Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Wirkungen: Pregabalin wird als Zu-
Schwindel, Nystagmus und Hautausschlä- satztherapie von partiellen Anfällen ver-
ge. wendet. Wichtiger erscheint seine Wirk-
Wechselwirkungen: Auf Wechselwir- samkeit bei neuropathischen Schmer -
kungen bei Kombination mit anderen zen wie bei diabetischer Polyneuro pa-
Antiepileptika ist zu achten. thie und postzosterischer Neuralgie. Es
ist auch wirksam gegen Schlafstörun -
gen, die mit diesen Erkrankungen ein-
hergehen.
Gabapentin2
Nebenwirkungen sind vor allem
Wirkungsmechanismus: Gabapentin Benommenheit und Schläfrigkeit. Dazu
ist zwar strukturähnlich der Gamma - kommen noch eine Reihe von zentral-
aminobuttersäue (GABA), besitzt aber nervösen und vegetativen Nebenwirkun-
keine direkten oder indirekten GABA- gen.
Wirkungen. Eine erhöhte Freisetzung Wechselwirkungen: Sedierende Wir-
von GABA aus Neuronen wird disku- kungen anderer Arzneimittel und von
tiert. Alkohol werden verstärkt.

1 A, CH, D: Lamictal
2 A, CH, D: Neurontin
3 A, CH, D: Lyrica E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Antiepileptika 173

Nebenwirkungen sind Schwindel,


Lacosamid1 Som nolenz bzw. Nervosität, Tremor,
Konzentrations- und Denkstörungen.
Wirkungsmechanismus: Lacosamid
blockiert spannungsaktivierte Na-Ka -
näle in Form einer langsamen Inakti- Felbamat4
vierung. Diese führt nicht zu einer kom-
pletten Blockade der Na-Kanäle. Wirkungsmechanismus: Felbamat
Wirkungen: Lacosamid kann allein interagiert mit dem NMDA-Rezeptor
oder in Kombination mit anderen Anti- und verstärkt die GABAerge Erregungs -
epileptika eingesetzt werden, in letzter übertragung.
Zeit wurde es mit gutem Erfolg bei dia- Wirkungen: Felbamat wird in Kom-
betischer Neuropathie verwendet. binationstherapien mit Carbamazepin,
Phenytoin und Valproinsäure eingesetzt.
Nebenwirkungen: Schwere Neben-
Topiramat2 wir kungen wie aplastische Anämien
und toxische Hepatopathien, weiters
Wirkungsmechanismus: Topiramat
Müdigkeit, Schwindel, Ataxie, Kopf -
blockiert spannungsaktivierte Natrium -
schmerzen und Schlafstörungen schrän-
kanäle und erhöht die Aktivität der
ken die Anwendbarkeit ein.
GABA und damit den GABA-induzierten
Einstrom der Chloridionen. Wechselwirkungen: Auf Wechsel -
wirkungen mit anderen Antikonvulsiva
Wirkungen: Topiramat kann allein
ist zu achten. Felbamat erhöht die
oder in Kombination mit anderen
Wirkung von Phenytoin und Valproin -
Antiepileptika eingesetzt werden, eine
säure und vermindert die Plasmaspiegel
besondere Bedeutung hat der Einsatz
von Carbamazepin.
von Topiramat zur Intervalltherapie der
Mirgräne. Topiramat führt nicht, wie
andere Migränemittel zu Gewichtszu - Clonazepam5
nahme und hat außer Sensibilitäts -
störungen wenig Nebenwirkungen. Wirkungsmechanismus: Clonaze -
pam ist ein Benzodiazepinderivat und
Tiagabin3 verstärkt daher durch seine Bindung am
GABA-Chlorid-Rezeptor-Komplex die
Wirkung von GABA.
Wirkungsmechanismus: Tiagabin
blockiert die Wiederaufnahme von Wirkungen: Clonazepam wird in
GABA in die präsynaptischen Neuronen Kombination mit anderen Antiepilepti-
und erhöht so die GABA-Konzentration. ka wie Carbamazepin oder Phenytoin
Wirkungen: Tiagabin wird in Kombi- eingesetzt. Es wird auch beim Status
nationsbehandlungen mit anderen Anti- epilepticus verwendet.
epileptika eingesetzt. Nebenwirkungen: Die Nebenwirkun-

1 A, CH, D: Vimpad 3 A, CH, D: Gabitril


2 A, CH, D: Topamax 4 A, CH, D: Taloxa
5 A, CH, D: Rivotril

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


174 Antiepileptika

gen sind Benzodiazepin-Nebenwirkun - Therapie des Status


gen wie Schläfrigkeit, Müdigkeit, Mattig-
keit, Schwindelgefühl, Benommenheit epilepticus
und Ataxie. Zeitweise können auch Un -
ruhe, Erregbarkeit, aggressives Verhal - Der Status epilepticus ist eine lebens-
ten und Konzentrationsstörungen auf- bedrohend verlaufende Anfallsform
treten. und wird hauptsächlich mit Diazepam1,
Loraze pam 2, Clonazepam, Fosphe ny -
toin 3 oder Clomethiazol4 behandelt.

1 A, CH, D: Valium 3 Pro-Epantin


2 A, CH: Temesta; D: Tavor 4 A: –; CH, D: Distraneurin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 175

HORMONELLES SYSTEM
In diesem Kapitel sollen die Schild- sogenannte Releasing-Hormone (auch
drüse, die Nebenschilddrüse, die Liberine- oder Freisetzungshormone)
Nebennierenrinde und die Gonaden und Release-Inhibiting-Hormone (Hemm-
besprochen werden. Auf Störungen hormone). Diese gelangen über ein lo -
wird nur insofern eingegangen, als kales Blutversorgungssystem (Pfortader -
diese mit Arzneimitteln behandelt wer- system) zur Hypophyse und setzen dort
den können. Auf eine genaue Be - im Hypophysenvorderlappen glandotro-
schreibung der komplizierten regulato- pe (Thyreotropin, Corticotropin und Go-
rischen Vorgänge wird verzichtet. nadotropine) und effektorische Peptid -
Die Regulation der Hormonfreisetzung hormone (Somatotropin, Melanotropin
in den genannten Organen erfolgt über und Prolactin) frei. In den durch diese
die Funktionseinheit Hypothalamus und Hormone beeinflussten Erfolgsorganen
Hypophyse. Der Hypothalamus bildet, werden letztlich die systemisch wirken-
gesteuert über einen positiven oder ne - den Hormone (Schilddrüsenhormone,
gativen Feedback aus den betroffenen Nebennierenrindenhormone und Ge -
Organen oder über das Vegetativum schlechtshormone) freigesetzt.

SCHILDDRÜSE
Steuerung der Freisetzung der Schilddrüsenhormone:
Hypothalamus Hypophysenvorderlappen Schilddrüse Effekt

Thyreotropin- L-Thyroxin (T4) Grund-


Releasing- Thyreotropin (TSH)
Triiodthyronin (T3) umsatz
Hormon (TRH)

Die Sekretion der Schilddrüsenhormo- drüsenhormone im Blut wird die Hor -


ne wird über Hypothalamus und Hypo - monsekretion in Hypothalamus und
physenvorderlappen bzw. deren Hor - Hypophyse gedrosselt und vice versa.
mone gesteuert. Bei Anstieg der Schild- Die hauptsächlich im Blut vorhandene

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


176 Hormonelles System

Menge an Schilddrüsenhormon ist Thy - vorderlappen wird sodann vermehrt


roxin, da das eigentlich wirksame Hor - Thyreotropin ausgeschüttet. Um ihrer
mon, das Triiodthyronin, zum großen Aufgabe gerecht zu werden, vergrößert
Teil erst in der Zelle aus Thyroxin ent- sich die Schilddrüse nach und nach, und
steht. Triiodthyronin bewirkt eine Stei - es entsteht ein Kropf ohne weitere
gerung des Energieumsatzes, des Symptome, da die Schilddrüse eben den
Sauerstoffverbrauches und der Wärme - Jodmangel durch Vergrößerung aus-
bildung im Körper. In der Leber steigert gleicht (euthyreote Struma). Dieser Ent-
es die Glykogenolyse und die Glukoneo- wicklung wird durch Jodierung des Koch-
genese, beeinflusst den Fettstoff wech- salzes vorgebeugt. Die Behandlung er-
sel und Wachstumsvorgänge. folgt ebenfalls durch Jodidzufuhr, allein
oder in Kombination mit L-Thyroxin.
Arzneimittel zur Behandlung
von Störungen der Schilddrüse:
Schilddrüsen-
Kaliumjodid1
L-Thyroxin2 überfunktion
Thyreostatika:
Thiamazol 3
Die Behandlung der Schilddrüsenüber-
Carbimazol4 funktion erfolgt durch Hemmung der Syn-
Propylthiouracil5 these der Schilddrüsenhormone durch
Thyreostatika, durch selektive Schädigung
Die wichtigsten Störungen der der Zellen mit Jod 131 oder operativ.
Schilddrüsenfunktion:
Thyreostatika
 Vergrößerung der Schilddrüse unter
Jodmangel (Jodmangelstruma) Wirkungsmechanismus: Thyreosta-
 Schilddrüsenüberfunktion tika verhindern durch Hemmung einer
(Hyperthyreose) Peroxidase die Oxidation von Jodid zu
 Schilddrüsenunterfunktion Jod und damit den Einbau von Jod in
(Hypothyreose) das Thyreoglobulin der Schilddrüse und
so die Bildung von L-Thyroxin und L-Tri -
iodthyronin.
Schilddrüsen- Wirkungen: Im Zuge der Behand-
vergrößerung lung wird der Hormongehalt der Schild -
drüse vermindert und der Schilddrüsen-
unter Jodmangel hormonspiegel des Blutes herabgesetzt
Bei Jodmangel, wie er bei einem gro- und so die Stoffwechsellage normali-
ßen Teil der Bevölkerung geographisch siert.
bedingt besteht, werden weniger Schild- Dosierung: Man beginnt mit hohen
drüsenhormone gebildet. Über einen po- Initialdosen und geht dann langsam auf
sitiven Feedback aus dem Hypophysen- die Erhaltungsdosen zurück. Dabei soll
1 A: Jodthyrox; CH: Kaliumiodid; D: Jodetten 4 A: Carbistad; CH: Neo-Mercazole;
2 A, CH, D: Euthyrox D: Carbimazol
3 A: Thiamazol; CH: –; D: Favistan 5 A: Prothiucil; CH: Propycil; D: Propycil

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 177

der TSH-Spiegel ständig kontrolliert wer- und geistigen Entwicklung nach sich
den. zieht, ist es wichtig, möglichst rasch
Nebenwirkungen: Nebenwirkungen nach der Geburt die Schilddrüsen -
können Arzneimittelexantheme, Gelenk- hormone zu substituieren. Unter be -
stimmten Bedingungen entwickeln sich
schmerzen und selten Agranulozytose,
die Kinder dann normal. Lag aber schon
die sich durch Halsschmerzen und Fie -
bei der Mutter ein Schilddrüsenhormon-
ber ankündigt, sein. Eine engmaschige
mangel vor, ist eine normale geistige
Überwachung ist anzuraten.
Ent wicklung des Kindes nicht mehr
Kombinationsmöglichkeiten: Bei möglich. Beim Erwachsenen manife-
vollständiger Hemmung der Produktion stiert sich das Bild einer Hypothyreose
von Schilddrüsenhormonen durch Thyreo- im sogenannten Myxödem, das mit ver-
statika wird mit L-Thyroxin kombiniert. mindertem geistigen Antrieb, mit ver-
Bei auftretenden Zeichen von Sympa - mindertem Grundumsatz, Übergewicht
thikus-Erregung können β-Blocker ver- und brüchigen Haaren und Nägeln ein-
abreicht werden. hergeht. Die Therapie einer Hypo -
Wechselwirkungen: Jod und jod- thyreose erfolgt mit Thyroxin.
haltige Arzneimittel können die thy-
reostatische Wirkung vermindern. Die Calcitonin
Wirkung von Antikoagulantien wird Calcitonin ist ein Peptidhormon, das
durch Thyreostatika verstärkt. ebenfalls aus der Schilddrüse freige-
Schwangerschaft und Stillzeit: In setzt wird. Der Freisetzungsreiz ist ein
der Schwangerschaft muss eine sorgfäl- überhöhter Kalziumspiegel im Blut.
tige Nutzen-Risikoabwägung erfolgen. Wirkungen: Calcitonin hemmt die Frei-
Bei einer Anwendung in der Stillzeit ist setzung von Kalzium und Phosphat aus
ein Abstillen angezeigt. dem Knochen und fördert deren Ein -
Gegenanzeigen sind schwere Leber- bau. Die Aktivität von Osteoklasten
funktionsstörungen und Knochenmark - wird gehemmt und die Umwandlung
depressionen sowie bestehende Blutbild- von Osteoklasten in Osteoblasten ge -
veränderungen. fördert. Darüber hinaus hat Calcitonin
eine analgetische Wirkung.
Ausnahmetherapien bei Hyperthy-
reose sind Natriumperchlorat, das die Verwendung: Calcitonin wird beim
Aufnahme von Jod in die Schilddrüse Morbus Paget, einer Knochener kran -
blockiert, die Gabe von Radioiod, das kung und bei Osteoporose eingesetzt.
Schilddrüsengewebe zerstört und Lithium- Die Anwendung bei Osteoporose er -
carbonat, das die Freisetzung von L- folgt als Intervalltherapie. Als Neben -
wirkungen können Flush und gastroin-
Thyroxin aus Thyreoglobulin hemmt.
testinale Beschwerden auftreten. Calci -
tonin ist heute ein Mittel 2. Wahl zur
Behandlung von Osteoporose.
Schilddrüsen-
unterfunktion
Bei der Neugeborenenhypothyreose,
die eine Verzögerung der körperlichen

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


178 Hormonelles System

NEBENSCHILDDRÜSE
In der Nebenschilddrüse wird Parat- Ein sekundärer Hyperparathyreo tis -
hormon produziert, das als Gegenspie- mus bei chronischer Niereninsuffizienz
ler von Calcitonin zu einer Erhöhung kann mit Cinacalcet3 behandelt werden,
der Kalziumkonzentration und einer das direkt die Parathormonfreisetzung
Erniedrigung der Phosphatkonzen tra - senkt.
tion im Blut beiträgt. Es aktiviert im
Knochen die Osteoblasten, fördert in
der Niere die Rückresorption von Kal - Osteoporose
zium und hemmt die Rückresorption
von Phosphat. Schließlich fördert es die Arzneimittel zur Prophylaxe und
Synthese von Calcitriol, der Wirkform Behandlung der Osteoporose:
von Vitamin D3. Basistherapie
Störungen der Nebenschilddrüse kön- Kalzium4
nen Hypoparathyreoidismus und Vitamin D3 (Colecalciferol)
Hyperparathyreoidismus sein. Bisphosphonate
Alendronat5
Ibandronat6
Risedronat7
Hypoparathyreoidismus Clodronat8
Zoledronat9
Die Behandlung erfolgt mit Vitamin
Pamidronat10
D3 oder mit Dihydrotachysterol1, die
Parathormon
beide oral applizierbar sind.
Teriparatid11
Parathyroidhormon12
Östrogene
Hyperparathyreoidismus Raloxifen13
Lasoxifen 14
Die Behandlung besteht in einer Be- Bazedoxifen15
grenzung der Phosphatzufuhr und einer
Andere
Gabe von Kalziumkarbonat. Das Arznei -
Strontium16
mittel Sevelamer 2 kann alternativ zu
Calcitonin
Kalziumkarbonat als Phosphatbinder Denosumab17
verabreicht werden. Fluoride

1 A, CH, D: A.T.10 11 A, CH, D: Forsteo


2 A, CH, D: Renagel 12 A: Preotact; CH: –; D: Preotact
3 A, CH, D: Mimpara 13 A, CH, D: Evista
4 A, CH, D: Calcium Sandoz 14 A, CH, D: Fablyn
5 A, CH, D: Fosamax 15 A, D: Conbriza; CH: –
6 A, D: Bonviva; CH: – 16 A, D: Protelos; CH: –
7 A, CH, D: Actonel 17 A, CH, D: Prolia
8 A, D: Bonefos; CH: –
9 A, CH, D: Zometa E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
10 A, CH, D: Aredia
Hormonelles System 179

Osteoporose ist eine Störung des Kombinationsmöglichkeiten: Klini-


Knochenstoffwechsels, die mit einer sche Studien unterstützen eine Kom-
verminderten Knochenmasse und einer bination mit einer Hormonersatzthera-
erhöhten Brüchigkeit einhergeht. pie.
Kalzium und Vitamin D3-Zufuhr die- Wechselwirkungen: Bisphosphonate
nen der Prophylaxe sowie einer Art Ba - sollen nicht zugleich mit Kalzium präpa-
sistherapie bei bestehender Osteopo- raten eingenommen werden. Ein Ab -
rose. stand von 1 Stunde wird empfohlen.
Schwangerschaft und Stillzeit: Bis-
Bisphosphonate phosphonate sollen in Schwangerschaft
Wirkungsmechanismus: Bis phos - und Stillzeit nicht verabreicht werden.
phonate vermindern die Resorption des
Gegenanzeigen: Erkrankungen der
Knochen durch Hemmung der Bildung
Speiseröhre, Kalziummangel und schwe-
und Förderung der Apoptose von Osteo-
re Nierenfunktionseinschränkungen.
klasten. Sie stimulieren indirekt die Bil-
dung von Oestoblasten und lagern sich
in der Knochenmatrix ein. Sie hemmen
Parathormon-Präparate
auch in unterschiedlichem Ausmaß die Rekombinantes Parathormon 1 bzw.
Mineralisation. Diese Hemmung ist bei Teriparatid 2, ein Fragment des Parat-
den basischen Vertretern Alendronat, hormons werden zur Behandlung der
Ibandronat und Risedronat besonders manifesten Osteoporose bei postme-
gering. nopausalen Frauen eingesetzt. Die Prä -
Wirkungen: Die Bisphosphonate ver- parate werden einmal täglich vom Pa -
bessern die Knochendichte und vermin- tienten subkutan verabreicht. Neben -
dern die Häufigkeit von Knochen brü- wirkungen sind vor allem Übelkeit und
chen. Gliederschmerzen.
Dosierung, Wirkungseintritt und
Raloxifen 3
Wirkungsdauer: Alendronat und Rise-
dronat werden einmal pro Woche per Raloxifen ist ein SERM (selective est-
os, Ibandronat einmal im Monat per os rogen receptor modulator), steigert do -
oder einmal alle drei Monate und Zole - sisabhängig die Osteoblasten Aktivität
dronat einmal pro Jahr intravenös ver- und hemmt die Osteoklasten-Tätigkeit.
abreicht. Es verhindert bei postmenopausalen Frau-
en die Inzidenz vertebraler Frakturen,
Nebenwirkungen: Im Vordergrund
erhält die Knochenmasse und erhöht die
steht die schleimhautschädigende Wir-
Knochendichte.
kung in der Speiseröhre bei der Appli-
kation. Es wird empfohlen, Bisphospho - Nebenwirkungen: Entsprechend der
nate aufrecht stehend mit 200 ml Was- Östrogen-Eigenschaft von Raloxifen ist
ser 30 Minuten vor dem Frühstück zu eine Risikoerhöhung betreffend throm-
verabreichen. boembolischer Ereignisse zu erwarten.

1 A: Preotact; CH: –; D: Preotact 3 A, CH, D: Evista


2 A, CH, D: Forsteo

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


180 Hormonelles System

Strontium
Strontium wird an der Hydroxyapatit-
Oberfläche adsorbiert und ersetzt Kal -
zium im Apatit-Kristall ohne die Kno -
chenqualität und Elastizität zu verän-
dern. Es reduziert das Risiko von Wir -
bel- und Hüftfrakturen bei postmeno -
pausaler Osteoporose.
Nebenwirkungen: Kopfschmerzen
und gastrointestinale Störungen stehen
im Vordergrund. Hauterscheinungen
und ein erhöhtes thromboembolisches
Risiko sind zu beachten.

Calcitonin
Calcitonin ist heute Mittel 2. Wahl zur
Behandlung der Osteoporose (siehe
Seite 177).

Denosumab1
Denosumab verhindert die Aktivie -
rung unreifer Osteoklasten und hemmt
dadurch eine vermehrte Knochen -
resorption. Es wird hauptsächlich bei
Osteoporose, bei postmenopausalen
Frauen und bei skelettassoziierten Kompli-
kationen beim Prostatakarzinom einge-
setzt.

Fluoride
Die Therapie mit Fluoriden hat nicht
die gewünschten Erfolge ge bracht.
Fluorid fördert zwar den Knochenauf-
bau, der Knochen ist aber weniger be -
lastbar, sodass die Frakturhäufigkeit
nicht sinkt.

1 A, CH: Prolia; D: –

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 181

NEBENNIERENRINDENHORMONE
(Corticosteroide)
Physiologische Steuerung der Freisetzung der Nebennierenrinden-
hormone:
Hypothalamus Hypophyse Nebennierenrinde

Corticoliberin Corticotropin Cortisol


(CRH) (ACTH)

Die Nebennierenrindenhormone wie der Neusynthese von Glucose aus Amino-


Cortisol (=Hydrocortison) und dessen säuren (Gluconeogenese) und die Bereit-
Derivate werden als Glucocorticoide stellung dieser Aminosäuren. Therapeu-
und Aldosteron und dessen Derviate als tisch verwendet werden Glucocorticoide
Mineralocorticoide bezeichnet. Sie sol- jedoch in höheren Konzentrationen we-
len hier nur insoweit besprochen wer- gen ihrer entzündungshemmenden Wir-
den, als sie therapeutisch eingesetzt kung. Das Mineralocorticoid Aldosteron
werden. Dies trifft vor allem auf die steigert die aktive Rückresorption von
Glucocorticoide zu, die wegen ihrer aus- Natrium und Wasser und erhöht so das
geprägten entzündungshemmenden Wir- extrazelluläre Volumen.
kung therapeutisch verwendet werden.
Die Freisetzung von CRH respektive von
ACTH wird über einen positiven oder Glucocorticoide
negativen Rückkoppelungsmechanismus
von Cortisol im Blut beeinflusst. Wirkungsmechanismus: Glucocorti-
Die Nebennierenrindenhormone sind coide binden sich an spezifische Re -
Steroidhormone, die aus Cholesterin zeptoren im Zytosol und werden gemein-
mit der Zwischenstufe Progesteron syn- sam mit dem Rezeptor in den Zellkern
thetisiert werden. Cortisol zeichnet sich transloziert, wo sie letztlich in die Pro -
durch seine glucocorticoiden Wirkun - teinsynthese vieler Proteine eingreifen.
gen und Aldosteron durch seine mine- Die antiphlogistische Wirkung beruht
ralocorticoiden Wirkungen aus. Zu den auf mehreren Mechanismen: Hemmung
Wirkungen der Glucocorticoide gehö - der Phospholipase A2, die die Frei -
ren im Wesentlichen die Beeinflussung setzung von Arachidonsäure bewirkt,

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


182 Hormonelles System

weiters die Blockade der COX-2 Induk- den auch bei Tumorerkrankungen ein-
tion und damit die Hemmung der Prosta- gesetzt.
glandinsynthese, ferner die Hemmung Dosierung, Wirkungseintritt und
der Interleukin-1 Bildung in Makro -
Wirkungsdauer: Wegen der verschie-
phagen und der Interleukin-2 Synthese
denen Potenz der einzelnen Glucocorti-
in T-Lymphozyten. Auch die Synthese
coide sind die Dosierungen sehr unter-
anderer Zytokine wie Interferon oder
schiedlich. Meistens ist eine hohe An -
Tumornekrosefaktor α werden von Glu-
fangsdosis nötig; soll nach längerer Ein -
cocorticoiden gehemmt.
nahmedauer die Therapie beendet wer-
Vertreter therapeutisch den, muss die Dosierung ausgeschli-
verwendeter Glucocorticoide chen werden.

Hydrocortison1 Applikationsformen: Glucocorti co-


Prednisolon2 ide gibt es zur Applikation auf die Haut
Methylprednisolon3 in Form von Gelen, Salben und Lösun-
Dexamethason4 gen, als Augentropfen, als Tropfen und
Betamethason5 Sprays für intranasale Behandlung, so -
Triamcinolon6 wie als Ampullen und Tabletten zur sys-
Glucocorticoide zur topischen temischen Behandlung. Für die systemi-
Applikation (Inhalation): sche Applikation gibt es von einzelnen
Beclometason7 Glucocorticoiden De potpräparate mit
Flunisolid8 einer verlängerten Wirksamkeit. Zur
Budesonid9
Intervalltherapie von Asthma gibt es In-
Fluticason10
halate (siehe Seite 89) und zur Behand-
Mometason 11
lung chronisch-entzündlicher Darmer -
krankungen rektale Applikationsformen.
Wirkungen: Glucocorticoide sind die Nebenwirkungen: Eine Therapie mit
wirksamsten entzündungshemmenden Glucocorticoiden bewirkt eine erhöhte
Stoffe, die wir kennen. Daneben wirken Infektionsgefahr, eine gestörte Wund-
sie antiallergisch und immundepressiv. heilung, erhöhte Gefahr von Magen-
Glucocorticoide zeigen ein brei- und Darmgeschwüren, vor allem in
tes Anwendungsspektrum: Hauter- Kombination mit NSAR, Abnahme der
krankungen, rheumatische Erkrankun - Skelettmuskelmasse, Osteoporose und
gen, allergische Reaktionen, Atemwegs- in Folge mineralocorticoider Eigenschaf-
erkrankungen, chronisch entzündliche ten Blutdruckanstieg und Ödeme. Über
Darmerkrankungen und viele andere zentralnervöse Wirkungen kommt es zu
mehr. In Kombination mit anderen Anti- Euphorie, eine Wirkung, die auch, vor
emetika wirken sie antiemetisch und wer- allem bei Tumorpatienten, therapeu-

1 A: Hydrocortone; CH, D: Hydrocortison 6 A: Delphicort; CH: Kenacort; D: Delphicort


2 A: Solu-Dacortin; CH: Hexacorton; 7 A: Becotide; CH: Beconase; D: Bronchocort
D: Decortin 8 A, CH: –; D: Syntaris
3 A: Urbason; CH: Advantan; D: Urbason 9 A, CH, D: Pulmicort
4 A, CH, D: Fortecortin 10 A: Flixotide; CH: Flutinase; D: Flutide
5 A, CH, D: Betnesol 11 A, CH: Nasonex (Nasenspray); D: Asmanex

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 183

tisch ausgenutzt wird. Bei inhalativer Antidiabetika. Arzneimittel, die den Ab -


Anwendung kommt es zu Soor und bei bau von Glucocorticoiden hemmen, wie
Anwendung auf der Haut zu Haut atro- z.B. Antimykotika können auch bei
phie und anderen Erscheinungen. topisch applizierten Glucocorticoiden zu
Bei Überdosierung entsteht das soge- Cushing-Syndrom führen.
nannte Cushing-Syndrom, das einher- Schwangerschaft und Stillzeit: Eine
geht mit einem runden, dunkelrot ge- notwendige Glucocorticoid-Behandlung
färbten Vollmondgesicht und Stammfett- darf auch während der Schwanger -
sucht. Begleitet ist dieses Krankheitsbild schaft weitergeführt werden. Das gilt
von Störungen des Stoffwechsels, des auch für die Stillzeit, wobei nach hohen
hämatopoetischen Systems und des Dosen einige Stunden mit dem Stillen
Zentralnervensystems. gewartet werden soll.
Eine weitere Komplikation länger Gegenanzeigen sind gastrointestinale
dauernder Glucocorticoid-Gabe ist eine Geschwüre, Osteoporose, Viruserkrankun-
Hemmung der ACTH-Freisetzung in der gen und Glaukom.
Hypophyse und in der Folge eine Neben-
nierenrindenatrophie. Bei Absetzen der
Glucocorticoidzufuhr geht die Atrophie Mineralocorticoide
wieder zurück, doch kann es Monate
dauern, bis die Normalfunktion wieder (Aldosteron)
hergestellt ist.
Aldosteron ist an der Regulation des
Kombinationsmöglichkeiten: To - Elektrolyt- und Wasserhaushaltes betei-
pische Glucocorticoide werden oft mit ligt. Es steigert die Rückresorption von
Antibiotika kombiniert. Glucocorticoide Natrium und die Ausscheidung von
verbessern die antiemetische Wirkung Kalium und Protonen. Bei primärer Ne -
anderer Antiemetika. bennierenrindeninsuffizienz wird außer
Wechselwirkungen: Glucocortico - Cortisol das Mineralocorticoid Fludro -
ide erhöhen die gastrointestinale Toxizi- cortison 1 verabreicht. Als Nebenwirkun-
tät von NSAR, vermindern die Wirkung gen können Ödeme sowie Kaliumver -
von Antikoagulantien und von oralen luste auftreten.

1 A: Astonin; CH: Florinef; D: Astonin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


184 Hormonelles System

SEXUALHORMONE
Steuerung der Freisetzung der Sexualhormone
Hypothalamus Hypophysenvorderlappen Zielorgan Hormon

2 Gonadotropine

Follikelstimulieren- Follikel im Ovar Estrogene


des Hormon (FSH)
Gonadoliberin
Corpus luteum Progesteron
GnRH
Luteinisierendes
Hormon (LH) Hoden Testosteron

Die Sekretion der Sexualhormone wird Estrogene


über Hypothalamus und Hypophysen -
vorderlappen bzw. deren Hormone ge -
Wichtige Vertreter der Estrogene
steuert. Bei Anstieg der Sexualhormone
im Blut wird die Hormonsekretion in Ethinylestradiol 1
Hypothalamus und Hypophyse gedros- Estradiol2
selt und vice versa. Das follikelstimulie- Estriol3
Antiestrogene
rende Hormon (FSH) regt bei der Frau
Clomifen4
das Wachstum und die Reifung des
Tamoxifen5
Follikels im Ovar an und bewirkt eine
Raloxifen6
Estrogensekretion. Beim Mann fördert
Toremifen7
es die Spermatogenese. Das luteinisie- Aromatasehemmstoffe
rende Hormon (LH) induziert bei der Frau Aminoglutethimid8
den Eisprung, die Bildung des Corpus Anastrozol9
luteum und regt die Progesteronsekre - Letrozol 10
tion an. Beim Mann bewirkt es die Exemestan11
Testosteronfreisetzung aus den Hoden.

1 A, CH, D: In vielen Kombinationen 7 A, CH, D: Fareston


2 A: Estrofem; CH: Estramon; D: Estrifam 8 A: Orimeten; CH, D: –
3 A, CH, D: Ovestin 9 A, CH, D: Arimidex
4 A: Clomiphen; CH: Clomid; D: Clomifen 10 A, CH, D: Femara
5 A, CH, D: Nolvadex 11 A, CH, D: Aromasin
6 A, CH, D: Evista

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 185

Estrogene (z.B. Estradiol) werden bei -Creme, -Emulsion und -Ring im Handel.
entsprechendem Hormonmangel, für Schwangerschaft und Stillzeit: In
medikamentöse Kontrazeption und zur der Schwangerschaft gibt es keine In -
postmenopausalen Hormonersatzthera- dikationen für Estrogene, in der Stillzeit
pie eingesetzt. sollen sie nicht eingenommen werden.
Wegen eines ungünstigen Nutzen- Gegenanzeigen sind Verdacht auf
Risikoverhältnisses ist die obligatorische Mammakarzinom, chronische Leber -
Hormontherapie in der Menopause nicht erkrankungen, thromboembolische Erkran-
mehr zu empfehlen. Im Einzelfall soll so kungen, Vaginalblutungen unbekannter
kurz als möglich behandelt werden. Genese, sowie Schwangerschaft und Still-
Wirkungsmechanismus: Estrogene periode.
vermitteln ihre Wirkung mittels intrazel-
lulärer Estrogen-Rezeptoren, die in zwei Tibolon
Isoformen, den α- und den β-Rezep- Tibolon ist ein synthetisches Östrogen
toren, vorkommen. mit gestagenen und schwachen andro-
Wirkungen: Estrogene bewirken das genen Wirkungen. Die Anwendung geht
Wachstum der weiblichen Sexualorgane, ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für
verändern die Uterusschleimhaut und Mamma- und Endometriumkarzinom, so-
die Viskosität des Zervikalsekrets und wie für Schlaganfall einher.
beeinflussen Stoffwechselvorgänge im
Knochen.
Indikationen: Estrogene werden bei
Antiestrogene
Estrogenmangel wie z.B. nach Entfer-
nung der Eierstöcke sowie im Klimak - Clomifen 1
terium und zur postmenopausalen Osteo-
Wirkung: Clomifen hemmt durch
poroseprophylaxe verwendet.
Blockade von Estrogenrezeptoren im
Nebenwirkungen: Estrogene erhö- Hypothalamus das negative Feedback
hen das Thromboserisiko, führen zur Ge- und stimuliert auf diese Art die Go -
wichtszunahme, Ödembildung und Hyper- nado tropin se kretion und damit die
pigmentierung der Haut. Bei Lang - Ovulation. Clomifen wird zur Ovula-
zeitgabe von Estrogenen in der Meno - tionsauslösung bei Frauen mit unerfüll-
pause ist mit einer vermehrten Bildung tem Kinderwunsch angewendet.
von Endometriumkarzinomen zu rech- Nebenwirkungen können Hitze -
nen. wallungen, Appetitlosigkeit, Kopfschmer-
Wechselwirkungen: Zahlreiche Arznei- zen, Sehstörungen und Spannungsge-
mittel hemmen durch Enzyminduktion fühl in den Brüsten sein.
die Wirkung der Estrogene.
Applikationsformen: Estrogene sind Raloxifen 2
als Tabletten und Dragees, als Pflaster Wirkung: Raloxifen wird zur Osteo-
zur trans dermalen Applikation, als poroseprophylaxe in der Postmeno pau-
Ampullen, Nasenspray, Vaginal-Tabletten, se verwendet.
1 A: Clomiphen; CH: Clomid; D: Clomifen 2 A, CH, D: Evista

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


186 Hormonelles System

Nebenwirkungen sind Hitzewallun- Gestagene


gen und ein erhöhtes Thromboserisiko.
Wichtige Vertreter der Gestagene
Tamoxifen1 und Toremifen2 Hydroxyprogesteron3
Selektive Estrogenrezeptormodulato- Medroxyprogesteron4
ren (SERM) wie Tamoxifen werden zur Norethisteron5
Osteoporoseprophylaxe und bei meta- Lynestrenol 6
statisierendem Mammakarzinom im Dydrogesteron7
Rahmen der palliativen Therapie ange- Antigestagene
wendet. Mifepriston 8
Drospirenon9
Toremifen ist dem Tamoxifen sehr ähn-
lich. Unter der Therapie ist ein erhöhtes
Risi ko für ein Endo metrium kar zinom Gestagene werden therapeutisch bei
und für Thrombosen gegeben. drohendem Abort, bei Sterilität durch
Nebenwirkungen: Im Allgemeinen Gelbkörperinsuffizienz, bei primärer
werden Tamoxifen und Toremifen gut und sekundärer Amenorrhoe und ande-
vertragen, doch werden sehr viele Ne - ren Zyklusstörungen eingesetzt. Gesta -
benwirkungen genannt. Mit allgemei- gene verändern die Gebärmutterschleim-
nen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Er - haut, unterdrücken Ovulation und Men-
brechen, Hautausschlag, Schwindel, Mü- struation und hemmen die hypophysäre
digkeit und Depression bis zu Unterleibs- Sekretion gonadotroper Hormone durch
symptomen wie vaginaler Ausfluss, Blu- ihr negatives Feedback. In Kombination
tungen, Schmerzen u.a ist zu rechnen. mit Estrogenen werden sie als orale
Kontrazeptiva eingesetzt.
Aromatasehemmstoffe Nebenwirkungen: Spannungsschmer-
Diese Substanzen hemmen die körper- zen in den Milchdrüsen, Kopfschmer-
eigene Estrogenbildung und können bei zen, Übelkeit und Erbrechen, Durchfälle
metastasierenden Estrogen-abhängigen sowie Natrium- und Wasserretention.
Mammakarzinomen verwendet werden. Die Libido ist vermindert. Es kann zu
Die Anwendung ist nur sinnvoll nach Durchbruch und Schmierblutungen
Eierstockentfernung bzw. in der Meno - kommen, sowie zu vaginalen Infektio -
pause, wenn keine ovarielle Estrogen - nen, Hautveränderungen und bei Nei -
synthese mehr stattfindet. gung zu Depressionen zu einer Ver -
schlechterung der Stimmung.
Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Be-
nommenheit, Ataxie, Schwindel, Übel- Wechselwirkungen: Arzneimittel mit
keit und Hauterscheinungen. Enzym-induktorischer Wirkung wie Anti-
epileptika und bestimmte Antibiotika
können die Wirksamkeit von Gestage-
nen abschwächen. Der Bedarf an oralen

1 A, CH, D: Nolvadex 6 A: Orgametril; CH: –; D: Ovoresta


2 A, CH, D: Fareston 7 A, CH, D: Duphaston
3 A: Proluton; CH: –; D: Proluton 8 A, CH, D: Mifegyne
4 A, CH: Farlutal; D: Clinofem 9 A, CH, D: Yasmin
5 A, CH, D: Primolut

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 187

Antidiabetika oder Insulin kann sich er -


Injizierbare Depotgestagene:
höhen. Medroxyprogesteron 12 –
Schwangerschaft und Stillzeit: In für drei Monate
Schwangerschaft und Stillzeit sollen
Gestagene nicht eingesetzt werden. Die klassichen oralen Kontrazeptiva ent-
Gegenanzeigen: Schwere Leberfunk- halten eine Kombination aus einem Estro-
tionsstörungen, thromboembolische Pro- gen, meist Ethinylestradiol, und einem
zesse, progesteronabhängige Tumore. Gestagen wie Levonorgestrel in ver-
schiedenen Dosen. Diese Mittel werden
Antigestagene 21 Tage lang eingenommen, dann fol-
gen 7 Tage Pause, während der es zu
Eine antigestagen wirkende Substanz, einer Abbruchblutung kommt.
das Mifepriston, wird als Aportivum
verwendet. Es verhindert, rechtzeitig Wirkungsmechanismus: Die Estro-
verabreicht, die Nidation oder induziert gene hemmen die Sekretion von FSH
nach erfolgter Nidation einen Abort. über ein negatives Feedback auf den
Hypophysenvorderlappen und unter-
drücken so die Entwicklung der Follikel.
Gestagene hemmen die Sekretion von
Orale Kontrazeptiva LH im Hypophysenvorderlappen und ver-
Beispiele für hormonelle hindern die Ovulation. Sie verändern
Kontrazeption den Zervikalschleim und machen ihn
weniger durchlässig für Spermien. Estro-
Orale Kontrazeptiva:
gene und Gestagene verändern die Ge -
Kombinationen:
bärmutterschleimhaut im Sinne einer Ver-
Ethinylestradiol 1 + Levonorgestrel2
hinderung der Nidation.
Ethinylestradiol + Drospirenon 3
Wirkungen: Orale Kontrazeptiva ge-
Niedrig dosierte Gestagene (Minipille):
Lynestrenol 4
hören zu den sichersten Hemmern einer
Norethisteron5
Konzeption und übertreffen bei weitem
mechanische oder spermizide Maßnah -
Hochdosiertes Gestagen (Pille danach): men der Konzeptionsverhütung.
Levonorgestrel6
Ulipristal7
1 A, CH, D: in vielen Kombinationen
Transvaginales System 2 A, CH, D: Microgynon
(flexibler Ring8): 3 A, CH, D: Angeliq, Yasmin
mit Estrogen und Gestagen – 4 A: Orgametril; CH: –; D: Ovoresta
drei Wochen plus eine Woche Pause
5 A, CH, D: Primolut
Transdermales System (Pflaster 9): 6 A: Postinor, Vikela; CH: NorLevo; D: duofem
Estrogen plus Gestagen – drei Wochen 7 A, D: Ellaone; CH: –
plus 1 Woche Pause 8 A, CH, D: Nuva Ring

Implantierte Stäbchen10 mit Gestagen – 9 A, CH, D: Evra

für drei Jahre 10 A, CH, D: Implanon


11 A, CH, D: Mirena
Hormonspirale 11 mit Gestagen –
12 A: Farlutal-Depot, Depocon-Fertigspritze;
für fünf Jahre
CH: Farlutal; D: Depo-Clinovir

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


188 Hormonelles System

Die zweite Möglichkeit der oralen embolien. Für Frauen, die rauchen, ist
Kontrazeption sind niedrig dosierte Ge - auch das Risiko eines Herzinfarktes oder
stagene allein wie Levonorgestrel, Ly - Schlaganfalles erhöht.
nestrenol oder Norethisteron. Diese Eine Reihe anderer Nebenwirkungen
sogenannte „Minipille“ hat den Nachteil wie Hautausschläge, Kopfschmerz und
der geringeren Sicherheit. Schwindel, depressive Verstimmungen,
Die dritte Möglichkeit ist eine postko- Angst, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Ver -
itale Behandlung mit einer hohen Dosis änderungen der Libido und gastroin-
Levonorgestrel allein oder kombiniert testinale Nebenwirkungen werden be -
mit einer hohen Dosis Ethinylestradiol. richtet.
Diese Methode ist auf besondere Fälle Wechselwirkungen: Andere Arznei-
beschränkt und mit zahlreichen Neben - mittel wie gewisse Antibiotika, Anti -
wirkungen wie Übelkeit und Erbrechen epileptika u.a können die Sicherheit
ist zu rechnen. einer Antikonzeption vermindern.
Die Wirkung oraler Antidiabetika kann
durch hormonale Kontrazeption abneh-
Andere Methoden men.

Weitere Methoden der hormonellen Gegenanzeigen: Hormonabhängige


Kontrazeption sind gestagenhaltige Intra- Tumore, thromboembolische Prozesse,
uterinspiralen mit einer Verweildauer schwerer Diabetes mellitus, schwere
Leberfunktionsstörungen und Schwanger-
von fünf Jahren, implantierte „Hormon-
schaft.
stäbchen“ mit dem Wirkstoff Etono-
gestrel1 mit einer Wirkungsdauer von
drei Jahren, transdermale Systeme
(Pflaster) mit einem Estrogen und einem
Androgene
Gestagen, mit einer Wirkungsdauer von
Wichtige Androgene
drei Wochen und einer pflasterfreien
Woche danach, sowie ein flexibler trans- Testosteron3
parenter Ring, der in die Vagina einge-
führt werden muss und ebenfalls für Wichtige Antiandrogene
drei Wochen verweilt, worauf eine
Finasterid4
Woche Pause gemacht wird.
Dutasterid5
Schließlich gibt es die sogenannte 3- Cyproteronacetat 6
Monatsspritze mit Medroxypro geste - Flutamid7
ron2, die im Abstand von drei Monaten Bicalutamid8
intramuskulär appliziert wird.
Nebenwirkungen: Hormonelle Kontra- Androgene (z.B. Testosteron) werden
zeption erhöht das Risiko für Thrombo - bei entsprechendem Hormonmangel
1 A, CH, D: Implanon 5 A, CH, D: Avodart
2 A: Farlutal-Depot, Depocon-Fertigspritze; 6 A, CH, D: Androcur
CH: Farlutal Depot; D: Depo-Clinovir 7 A: Fugerel; CH: Flucinom; D: Fugerel
3 A, CH, D: Andriol 8 A, CH, D: Casodex
4 A, CH, D: Propecia

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Hormonelles System 189

substituiert. Pflasterpräparate1 mit Testo- potpräparate injiziert werden und wei -


steron erleichtern die Anwendung. sen dann eine verlängerte Wirkungs -
Einige Androgene werden auch als Ana - dauer auf (eine halbe bis zwei Wochen).
bolika verwendet. Nebenwirkungen: Über ein negati-
Die Bildung von Testosteron, dem wich- ves Feedback kann es zu Funktions-
tigsten androgenen Hormon, erfolgt in störungen des Hypophysenvorder -
den Hoden und wird über Hypo thala- lappens und damit zu einer Hemmung
mus und Hypophysenvorderlappen bzw. der Funktion und zur Atrophie der
deren Hormone (GnRH und LH) gesteu- männlichen und weiblichen Keimdrüsen
ert. In der Prostata und anderen Orga - kommen. Bei Männern kann es zu Pria -
nen wird Testosteron durch die 5-α-Re- pismus und bei Frauen zu Virilisierung
duktase in 5-α-Dihydrotestosteron umge- kommen. Allgemeine Nebenwirkungen
wandelt, das eine höhere Affinität zum sind gastrointestinale Störungen,
Androgenrezeptor besitzt als Testosteron. Kopfschmerzen, Akne, Glatzenbildung
Eine Verminderung von Dihydrotesto- und Leberfunktionsstörungen.
steron ist eine wichtige Maßnahme bei Wechselwirkungen: Die gerinnungs-
der Behandlung der benignen Prostata - hemmende Wirkung von Antikoagulan-
hyperplasie (BPH). tien kann durch Androgene verstärkt wer-
Wirkungsmechanismus: Wie die den. Der Insulinbedarf bei Diabetikern
anderen Steroidhormone bindet Testo- nimmt ab und in Kombination mit
steron an intrazelluläre Rezeptoren, 5- Corticosteroiden kann die Gefahr für
α-Dihydrotestosteron stärker als Testo - Ödembildung erhöht werden.
steron selbst. Schwangerschaft und Stillzeit: An-
Wirkungen: Testosteron fördert die drogene sind während Schwanger -
Entwicklung der männlichen Sexualorga- schaft und Stillzeit absolut kontraindi-
ne und in der Pupertät die sekundären ziert.
männlichen Geschlechtsmerkmale. Testo- Gegenanzeigen: Bestehendes oder
steron ist wichtig für die Funktion der vermutetes Prostatakarzinom oder
männlichen Sexualorgane und zusam- Mammakarzinom beim Mann.
men mit FSH für die Sper mien pro -
duktion. Testosteron erhöht die Libido Antiandrogene
und die Potenz und steigert die Eiweiß-
und Nukleinsäuresynthese (anabole Androgenrezeptor-Antagonisten wie
Wirkung). Testosteron ist auch, bei ge - Cyprosteronacetat werden beim Prosta -
takarzinom verwendet. Der 5-α-Reduk-
netischer Veranlagung, verantwortlich
tasehemmer Finasterid, der die körp-
für Glatzenbildung.
ereigene Synthese von Hydroxy-Testo -
Applikationsformen: Testosteron steron hemmt, wird zur Behandlung
selbst kann nur intravenös oder mittels der benignen Prostatahyperplasie (BPH)
Pflaster transdermal angewendet wer- verwendet.
den. Andere Testosteronverbindungen
sind peroral wirksam bzw. können als De-

1 A, CH, D: Intrinsa

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


190 Hormonelles System

Anabolika
Wichtige Vertreter:
Nandrolon 1
Danazol2

Anabolika werden zur Förderung des


Eiweißaufbaus bei schweren Erkrankun -
gen oder danach eingesetzt. Nebenwirkun-
gen sind Leberfunktionsstörungen und
über Hemmung der Gonadotropinsekre-
tion eine Reduktion der Spermatogene-
se. Bei Frauen kommt es zu Stimmver-
änderung. Bei Prostatakarzinom oder in
der Schwangerschaft sind Anabolika
streng kontraindiziert.

1 A, CH: Deca-Durabolin; D: – 2 A: Danokrin; CH: Danatrol; D: –

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 191

ANTIINFEKTIVE
ARZNEIMITTEL
In diesem Kapitel sollen
Antibiotika 1
Virustatika
Antimykotika
Wurmmittel und
Malariamittel
behandelt werden.

ANTIBIOTIKA
Für die Auswahl eines Antibiotikums Bakteriostatisch Bakterizid
zur Behandlung einer bakteriellen In - Tetracycline Betalactam-Antibiotika
fektion ist es für den behandelnden Arzt Makrolide Penicilline
nicht so wichtig, die genaue Wechsel - Sulfonamide Cephalosporine
wirkung zwischen Antibiotikum und Trimethoprim Peneme
Mikroorganismus zu kennen. Wichtiger Chloramphenicol Gyrasehemmer
ist es für die Therapie, vor allem für eine Aminoglykoside
Kombinationstherapie, zu erkennen, ob
ein Antibiotikum bakterizid, d. h. Bei der Auswahl des Antibiotikums
Bakterien abtötend oder bakteriosta- sind mehrere Kriterien ausschlaggebend:
tisch, d.h. Bakterien in ihrer Vermeh- Das erkrankte Organ, respektive Organ -
rung hemmend, ist. Da gewisse bakteri- system, die Dringlichkeit einer antibioti-
zide Antibiotika nur die in Vermehrung schen Therapie aufgrund des Allgemein-
befindlichen Zellen töten können, ist es zustands des Patienten, eine Verdachts -
verständlich, dass eine Kombination diagnose hinsichtlich des beteiligten Er -
eines solchen Antibiotikums mit einem regers und die mikrobiologische Ab -
bakteriostatischen Antibiotikum keinen klärung. Oft wird man nicht auf das
Sinn ergibt. Bei den einzelnen Vertre - Laborergebnis warten, sondern auf-
tern wird auf Kombinationsmöglich - grund der Verdachtsdiagnose mit ei -
nem bestimmten Antibiotikum die Thera-
keiten hingewiesen.
pie beginnen. Die klinische Erfahrung
1 Dieser Ausdruck wird hier für alle ist hier ein nicht zu unterschätzendes
antibakteriellen Substanzen verwendet. Faktum.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


192 Antiinfektive Arzneimittel

Die heute am häufigsten verordneten Wirkungsmechanismus: Penicilline


Antibiotika gehören zu den Betalacta - zeigen eine bakterizide Wirkung auf
men (Penicilline, Cephalosporine und sich vermehrende Bakterien durch Hem-
Peneme) den Tetracyclinen (Minocyclin mung der Zellwandsynthese aufgrund
und Doxicyclin) und den Makroliden (Azi- einer Blockierung der bakteriellen Trans -
thromycin, Clarithromycin, Erythromy - peptidase.
cin). Die Verordnung der Gyrasehemmer, Wirkungen (Indikationen): Penicilli-
allen voran Ciprofloxacin und Ofloxacin ne sind allgemein anwendbar bei Infek -
ist leicht rückläufig. Sulfonamide sind tionskrankheiten des Mund- und Rachen-
faktisch verschwunden und auch die raumes, des Atmungstraktes, der Haut
Verordnung der Sulfonamid-Trimeto - und der Geschlechtsorgane. Von den
prim-Kombination (Cotrimoxazol) geht Erregern zu nennen sind Strepto -
zurück. kokken, Pneumokokken, Staphylo -
kokken, Haemophilus influenzae, Borre -
lien und andere.
BETALACTAM- Applikationsformen: Während Peni-
cillin G und Acylaminopencilline nur par-
ANTIBIOTIKA enteral wirksam sind, können Penicillin
V, die penicillinaseresistenten Isoxazolyl-
penicilline und die Aminopenicilline
Penicilline auch oral verabreicht werden.
Nebenwirkungen: Die häufigste
Die wichtigsten Vertreter Komplikation ist die Penicillinallergie
der Penicilline: aufgrund einer früheren Sensibili sier-
Benzylpenicillin (nur parenteral) ung. Darüberhinaus sind Penicilline auch
Penicillin G 1 in hohen Dosen gut verträglich.
Phenoxymethylpenicillin (peroral)
Penicillin V2
Kombinationsmöglichkeiten: Kom-
Isoxazolylpenicilline (Penicillinase-fest) binationen mit bakteriostatischen Anti -
Flucloxacillin3 biotika sollen vermieden werden. Eine
Aminopenicilline (Breitbandwirkung) wichtige Kombination ist die mit Beta-
Ampicillin4 lacta mase-Hemmern. Viele Bakterien
Amoxicillin5 bilden ein Enzym, die Betalactamase,
Bacampicillin 6 die in der Lage ist, Penicilline abzubau-
Acylaminopenicilline en. Der Zusatz eines Betalactamase-
Mezlocillin 7 Hemmers kann diesen Prozess stoppen
Penicilline+Betalactamase-Hemmer und das Penicillin wirksamer machen.
Amoxicillin+Clavulansäure8
Wechselwirkungen: Die Wirksam-
Piperacillin+Tazobactam9
Sultamicillin10
keit oraler Antikonzeptiva kann durch
Penicilline gehemmt werden. Bei der
1 A, CH, D: Penicillin 7 A: Baypen; CH: –; D: Baypen
2 A, CH: Ospen; D: Isocillin 8 A, CH: Augmentin; D: Augmentan
3 A, CH: Floxapen; D: Staphylex 9 A: Tazonam; CH, D: Tazobac
4 A: Standacillin; CH: –; D: Binotal 10 A: Unasyn; CH: –; D: Unacid
5 A: Clamoxyl; CH: Azillin; D: Amoxi
6 A: Penglobe; CH, D: – E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Antiinfektive Arzneimittel 193

Kombination mit Antipyretika kann es entspricht dem des Penicillin G. Haupt-


zur gegenseitigen Ausscheidungshemm- indikationen sind leichtere Infektionen
ung kommen. Eine Kombination mit wie Streptokokken-Angina, Scharlach,
bakteriostatischen Antibiotika soll ver- Borrelieninfektionen, Harnwegsinfektio -
mieden werden. nen und Endokarditis-Prophylaxe.
Schwangerschaft und Stillzeit: Peni- Applikationsformen: Phenoxymethyl-
cilline sind die Antibiotika der Wahl in Penicilline sind säurestabil und daher
Schwangerschaft und Stillzeit. oral verabreichbar.
Gegenanzeigen: Penicillin-Über - Nebenwirkungen: Geringere Sensibili-
empfind lichkeit, auch Cephalosporin- sierungsgefahr, aber gastrointestinale
Überempfindlichkeit wegen einer mög- Störungen.
lichen Kreuzallergie.
Schwangerschaft und Stillzeit: Auch
Penicillin V ist in Schwangerschaft und
Benzylpenicillin Stillzeit verwendbar.
(Penicillin G)
Gegenanzeigen: Nicht angewendet
Wirkungen: Gute Wirkung gegen werden sollen Phenoxymethyl-Penicilline
verschiedene Streptokokken, Gono - bei Meningitis, Sepsis und Endokarditis.
kokken, Meningokokken, Diphterie-Bak-
terien, Spirocheten und Anaerobier.
Isoxazolylpenicilline
Ferner wirksam gegen Staphylokokkus
aureus, Listerien, Clostridien und Cam - (Flucloxacillin 3)
pylobacter-Arten. Die meisten Staphylo - Flucloxacillin ist Penicillinase-fest, Säure-
kokken-Stämme sind resistent. Resis - fest und oral anwendbar. Es ist gut
tent sind auch Salmonellen, Vibrio cho- wirksam gegen Penicillinase-bildende
lerae u.a.. Staphylokokken.
Applikationsarten: Pencillin G kann Nebenwirkungen: Gelegentlich gastro-
nur intramuskulär oder intravenös ver- intestinale Wirkungen wie Übelkeit und
abreicht werden. Depotpenicilline wie Durchfall, selten Überempfindlichkeits-
Benzathin-Penicillin G 1 lassen eine Wir- reaktionen. Vereinzelte Fälle von Colitis
kung über drei bis vier Wochen erwar- und gelegentlich Anstieg der Serum -
ten. Benzathin-Penicillin G kann auch transaminasen wurden beobachtet.
oral angewendet werden.
Wechselwirkungen: Flucloxacillin soll
Wechselwirkungen: Penicillin G kann nicht mit anderen bakteriostatisch wir-
die Wirksamkeit von Antikoagulantien, kenden Antibiotika wie Tetracyclinen
Thrombozytenaggregationshemmern oder Erythromycin kombiniert werden.
und oralen Kontrazeptiva vermindern. Orale Konzeptiva können ihre Wirkung
verlieren.
Phenoxymethylpenicilline
Gegenanzeigen: Penicillinallergie,
(Penicillin V 2) Kreuzreaktion mit anderen Penicillinde-
Wirkungen: Das Wirkungspektrum rivaten ist möglich.
1 A: Retarpen; CH: –; D: Tardocillin 3 A, CH: Floxapen; D: Staphylex
2 A, CH: Ospen; D: Isocillin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


194 Antiinfektive Arzneimittel

Aminopenicilline Acylaminopenicilline
(Ampicillin1, Amoxicillin2, (Mezlocillin 4 und
Bacampicillin 3) Piperacillin)
Ampicillin Wirkungen: Piperacillin und Mezlo -
cillin sind gut wirksam gegen Entero -
Wirkungen: Ampicillin ist ähnlich wirk-
bakterien, Haemophilus und Anaero -
sam wie Penicillin G, zeigt unterschied-
bier. Sie sind einsetzbar bei Infektionen
liche Resistenzausbildungen, Kreuzresis-
des Urogenitaltrakts und der Gallen -
tenz besteht mit Amoxycillin und Peni-
wege.
cillin G.
Kombinationsmöglichkeit: Kom -
Applikationsformen: Ampicillin wird
bination von Mezlocillin und Sulbactam
peroral verabreicht ist zur Betalactamase-Hemmung sinn-
Nebenwirkungen: Gut verträglich, voll. Auch Kombinationen mit Metro -
gelegentlich Magen-Darmerscheinun - nidazol können das Wirkungsspektrum
gen und Exantheme. Unter Umständen verbessern.
pseudomembranöse Enterocolitis mit Wechselwirkungen: Die Wirkung
Clostridium difficile, die mit Vancomy- von oralen Antikoagulantien und Throm-
cin behandelt werden kann. bozytenaggregationshemmern kann be-
Wechselwirkungen sind ähnlich wie einflusst werden.
bei Penicillin G
Gegenanzeigen: Staphylokokken-,
Kombinationen von
Streptokokken- und Pneumokokkeninfek- Penicillinen mit
tion, Angina, Pneumonie und Wund - Betalactamase-Hemmern
infektion. Die Resistenz von gramnegativen
Amoxicillin Stäbchen und Staphylokokken ist weit-
gehend durch Betalactamasen bedingt,
Wirkungen: Wirkungsspektrum ähn-
die Penicilline abbauen. Dieser Effekt
lich wie das von Ampicillin, wichtige
lässt sich teilweise durch Betalacta -
Indikationen sind die orale Behandlung
mase-Hemmer vermindern. Diese Zusatz-
von Sinusitis, Mittelohrentzündung und
stoffe haben jedoch selbst Nebenwir-
Bronchitis, sowie unkomplizierte Harn -
kungen und können in ungünstigen
wegsinfektionen. Fällen Betalactamase induzieren. Daher
Applikationsformen: Amoxicillin wird sind die klinischen Ansichten über diese
oral verabreicht. Kombinationen geteilt.
Nebenwirkungen und Interaktionen Amoxicillin + Clavulansäure 5
wie bei Ampicillin. Wirkungen: Clavulansäure ist ein
starker, irreversibler Betalactamase-
Hemmer und macht an sich Amoxicillin-
resistente Stämme von Staphylokokkus,

1 A: Standacillin; CH: –; D: Binotal 4 A: Baypen; CH: –, D: Baypen


2 A: Clamoxyl; CH: Azillin; D: Amoxi 5 A, CH: Augmentin; D: Augmentan
3 A: Penglobe; CH, D: –

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 195

Haemophilus influenzae und andere für Wechselwirkungen: Eine Kombina-


Penicilline empfindlich. tion mit bakteriostatisch wirkenden Anti-
Nebenwirkungen: Clavulansäure biotika wie Tetracyclinen oder Makro-
kann zu Übelkeit, krampfartigen Bauch - liden soll vermieden werden. Orale Kontra-
schmerzen, Erbrechen und Durchfall zeptiva und Thrombozytenaggregations-
führen. Eine Überschreitung der emp- hemmer werden in ihrer Wirksamkeit
fohlenen Dosis ist nicht ratsam. Leber - vermindert.
funktionsstörungen und cholestatische
Gegenanzeigen: Nicht anwenden bei
Gelbsucht sind beobachtet worden.
lymphathischer Leukämie oder infektiö-
Wechselwirkungen: Die Kombination ser Mononukleose wegen vermehrter
Amoxicillin und Clavulansäure kann die Hautreaktionen.
Wirkung von Antikoagulantien, Throm-
bozytenaggregationshemmern und ora-
len Kontrazeptiva vermindern.
Cephalosporine (Tab. 1)
Gegenanzeigen: Überempfindlich-
keit gegenüber Betalactam-Antibiotika Wirkungemechanismus: Die Ce -
und frühere Leberschädigung bei der phalo sporine hemmen wie die Peni-
Anwendung dieser Kombinationen. cilline die Synthese der Bakterienzell-
Piperacillin+Tazobactam1 wand und wirken nur in der Wachstums-
Wirkungen: Tazobactam hemmt die phase der Bakterien bakterizid.
meisten Betalactamasen und auch viele Wirkungen: Cephalosporine sind ge-
Cephalosporinasen. Piperacillin wirkt in gen viele gram-positive und gram-ne -
dieser Kombination auch gegen sonst resi- gative Bakterien wirksam.
stente Stämme von Staphylokokkus aure-
us, Haemophilus influenzae und E. coli. Nebenwirkungen: Allergische Reak-
tionen sind seltener als bei Penicillinen
Nebenwirkungen: Gastrointestinale
und es ist meist keine Kreuzallergie mit
Störungen wie weicher Stuhl oder
Penicillinen zu beobachten. Bei oraler
Durchfall, Bauchschmerzen, Krämpfe,
Übelkeit und Erbrechen, Anstieg der Gabe kann es gastrointestinale Störun -
Leberenzyme und Blutbildveränderun- gen und nach intramuskulärer Injektion
gen, kardiovaskuläre Störungen und Schmerzen und Gewebeschädigung ge -
eventuell pseudomembranöse Entero - ben. Intravenös können Cephalosporine
colitis. zu Thrombophlebitis führen.
Ampicillin + Sulbactam 2 Wechselwirkungen: Cephalo spori -
Anwendbar bei Betalactamase-bilden- ne können die Wirksamkeit von Anti-
den Stämmen von Staphylokokkus koagulantien und Thrombozytenaggre -
aureus und epidermis, E. coli, Kleb- gationshemmern vermindern.
siella-Pneumoniae u.a. Schwangerschaft und Stillzeit: Wie
Nebenwirkungen: Blutveränderungen die Penicilline können Cephalosporine
und vereinzelt Erhöhung der Leber - in Schwangerschaft und Stillzeit einge-
enzymwerte. setzt werden.
1 A: Tazonam; CH, D: Tazobac 2 A: Unasyn; CH: –; D: Unacid

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


196 Antiinfektive Arzneimittel

Tab. 1: Wichtige Vertreter der Cephalosporine


Generation Vertreter Eigenschaften
Parenteral zu applizierende Cephalosporine
1. Generation Cefazolin 1 Basiscephalosporin gegen
Staphylokokken
Keine β-Lactamasestabilität
2. Generation Cefuroxim 2 β-Lactamasestabil
Cefotiam 3 wirksam gegen Gram-negative
Stäbchen, insbesondere gegen
Haemophilus influenzae
Cefoxitin 4 β-Lactamasestabil, besonders
gegen Anaerobier
3. Generation Cefotaxim5 Breitspektrum-Cephalosporine
Ceftriaxon 6 Pseudomonas-wirksam
Ceftazidim 7
Cefepim 8
Peroral applizierbare Cephalosporine
1. Generation Cefalexin9 Gegen gram-negative Stäbchen,
Cefaclor10 gegen Strepto- und Pneumo-
Cefadroxil11 kokken und Haemophilus
influenzae
2. Generation Cefuroxim 12 β-Lactamasestabil
gegen Pneumo-, Strepto- und
Staphylokokken, gegen viele
resistente Stämme
3. Generation Cefixim 13 Ähnlich wie 1. Generation,
Cefpodoxim 14 aber viel stärker wirksam
1 A: Zolicef; CH: Kefzol; D: Basocef 8 A, CH: Cefepin; D: Maxipime
2 A: Zinnat; CH: Zinacef; D: Elobact, Zinnat 9 A: Ospexin; CH: –; D: Cephalex
3 A: Spizef; CH: –; D: Spizef 10 A, CH: Ceclor; D: Panoral
4 A: Mefoxitin; CH, D: – 11 A, Duracef; CH: –; Grüncef
5 A, CH, D: Claforan 12 A: Zinnat; CH: Zinacef; D: Zinnat
6 A, CH, D: Rocephin 13 A: Aerocef; CH, D: Cephoral
7 A: Fortum; CH: Fortam; D: Fortum 14 A: Otreon; CH, D: Orelox

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 197

Carbapeneme Schwangerschaft und Stillzeit: In


Schwangerschaft und Stillzeit sollen Car-
Die Carbapeneme vereinigen Wirkun- bapeneme nicht verwendet werden.
gen der Penicilline und der Cephalo -
sporine und sind zur Behandlung eines
sehr großen Erregerspektrums geeig- TETRACYCLINE
net. Sie hemmen ebenfalls die Zell -
wandsynthese der Bakterien und zeigen Tetracycline sind Breitbandantibiotika
bereits in niedrigen Konzentrationen mit bakteriostatischer Wirkung.
eine starke bakterizide Wirkung. Auch
β-Lactamase bildende Stämme sind gut Vertreter:
behandelbar. Doxycyclin 6
Minocyclin 7
Wichtige Vertreter: Tigecyclin 8
Imipenem1
Meropenem 2 Wirkungsmechanismus: Tetracycli-
Aztreonam3 ne hemmen die ribosomale Proteinsyn-
Ertapenem 4 these und verhindern dadurch die Ver-
Doripenem 5 mehrung der Bakterien.

Die wichtigsten Indikationen sind Misch- Wirkungen: Tetracycline sind wirk-


infektionen und schwere Infektionen – sam gegen Streptokokken und Pneumo-
kokken, Meningokokken, Listerien, Yer-
auch vor dem Erregernachweis –, Sepsis,
sinien, Campylobacter jejuni, Borrelien,
intraabdominelle und gynäkologische
Chlamydien und bei Bronchitis mit
Infektionen und Fälle, bei denen Peni -
Mycoplasma pneumoniae u.a.m.
cilline und Cephalosporine versagen.
Sie sind auch einsetzbar bei Meningitis, Minocyclin wird gegen Bakterien bei
die durch sonst resistente Keime verur- Akneerkrankung eingesetzt.
sacht ist, bei komplizierten Harnwegs- Nebenwirkungen: Tetracycline zeich-
infektionen (vor allem Aztreonam) und bei nen sich durch gute Verträglichkeit aus,
schweren Zahninfektionen (Ertapenem). gastrointestinale Reizungen sind nicht
Nebenwirkungen: Carbapeneme sind selten. Wegen Komplexbildung mit zwei-
relativ gut verträglich, gastroinestinale wertigen Kationen kommt es zu einer
Störungen, Hautreaktionen und zentral- irreversiblen Veränderung der Zähne, zu
nervöse Nebenwirkungen wurden beob- Nagelschäden und Wachstumsstörungen.
achtet. Selten treten Blutbildveränderun- Zu beachten ist auch die Photosensibili -
gen auf. sierung.

Kombinationsmöglichkeiten: Kom- Kombinationsmöglichkeiten: Tetra-


binationen mit Vancomycin, Metro - cycline sollen nicht mit Betalactam-
nidazol, einem Aminoglykosid oder Antibiotika kombiniert werden.
Ciprofloxacin sind möglich. Wechselwirkungen: Tetracycline ver-
1 A: Zienam; CH: –; D: Zienam 4 A, CH, D: Invanz
2 A: Optinem; CH, D: Meronem 5 A, D: Doribax; CH: –
3 A, CH, D: Azactam 6 A, CH: Vibramycin; D: Doxycyclin
7 A: Minostad; CH: Aknoral; D: Klinomycin
8 A, CH: Tygacil; D: Tigasyl
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
198 Antiinfektive Arzneimittel

stärken die Wirkung von Antikoagulan- men mit Penicillinresistenz und vor
tien und von oralen Antidiabetika. Anta- allem bewährt bei Erkrankungen des
cida vermindern die Tetracyclinresorption. Atmungstraktes mit Haemophilus influ-
Schwangerschaft und Stillzeit: Tetra- enzae oder Mycoplasma pneumoniae.
cycline sollen in Schwangerschaft und Azithromycin zeichnet sich durch eine
Stillzeit nicht verwendet werden. hohe Gewebsbindung aus, sodass es nur
drei Tage verabreicht werden muss, um
Gegenanzeigen sind schwere Leber- eine 14-tägige Wirkung zu erreichen.
schäden, Schwangerschaft und Stillzeit.
Nebenwirkungen: Gastrointestinale
Störungen, Übelkeit, Durchfälle und
unter Umständen Leberschädigungen
MAKROLID-ANTIBIOTIKA können auftreten. Erythromycin kann
zu EKG-Veränderungen führen.
Makrolide und Ketolide sind kompli-
ziert aufgebaute, zyklische Antibiotika Wechselwirkungen: Makrolide, vor
mit einem Wirkungsspektrum ähnlich allem Erythromycin und Clarithromycin
dem Penicillin G, jedoch wirken sie hemmen Cytochrom P450 Enzyme in
extrazellulär und intrazellulär und wer- der Leber, die für den Abbau anderer
den in Geweben gespeichert, sodass Blut- Arzneimittel wichtig sind. Diese Arznei -
spiegel und Wirksamkeitsdauer nicht mittel sind dann in ihrer Wirkung ver-
korrelieren. stärkt und können vermehrt Nebenwir-
kungen verursachen. Dazu gehören
Wichtige Vertreter: Benzodiazepine, Statine, Phenytoin und
Makrolid: Cumarine. Makrolid-Antibiotika können
(Erythromycin1) die Wirkung von Betalactam-Antibio -
Clarithromycin2 tika hemmen. Eine gleichzeitige Einnah -
Roxithromycin3 me ist nicht sinnvoll.
Azithromycin4
Schwangerschaft und Stillzeit:
Josamycin 5
Ketolid:
Erythromycin kann in der Schwanger -
Telithromycin 6 schaft angewendet werden, Azithro -
mycin, Clarithromycin und Roxithromy-
cin sind Mittel zweiter Wahl. In der
Wirkungsmechanismus: Makrolide
Stillzeit bestehen keine Bedenken gegen
hemmen die Proteinsynthese und wir-
diese Antibiotika.
ken bakteriostatisch auf wachsende
Keime. In höheren Dosen bzw. bei Gegenanzeigen sind schwere Nieren-
bestimmten Bakterien wirken sie auch schäden und gleichzeitige Verabreich-
bakterizid. ung von Substanzen, welche die QT-
Zeit im EKG verlängern.
Wirkungen: Makrolide wirken gegen
gram-positive extrazelluläre und intra-
zelluläre Keime ähnlich dem Penicillin Telithromycin
G. Sie sind wirksam gegen Staphylo-, Telithromycin hemmt wie die Makro-
Strepto- und Pneumokokken, bei Kei - lide die bakterielle Proteinsynthese. Es
1 A, CH, D: Erythrocin 5 A: Josalid; CH, D: –
2 A, CH, D: Klacid 6 A: Ketek; CH: –; D: Ketek
3 A: Rulide; CH, D: Rulid
4 A, CH, D: Zithromax E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Antiinfektive Arzneimittel 199

ist indiziert bei leichten bis mittel- tionen der Harnwege, der Gallenwege
schweren Atemwegsinfektionen und und des Darmtraktes. Spezielle Indika -
anderen akuten Infektionen des oberen tionen sind Gonorrhoe, Prostatitis, Legio-
Respirationstraktes. Nebenwirkungen nellose, Milzbrand, Salmonellose und
sind vor allem gastrointestinale Störun - Reisediarrhoe. Ciprofloxacin ist auch ein
gen und leichte zentral nervöse Störun - wichtiges Mittel bei Mukoviszidose.
gen wie Kopfschmerzen und Schwindel.
Levofloxacin ist wirksam bei chroni-
scher Bronchitis, komplizierten Harnwegs-
infektionen, Haut- oder Weichteilinfek-
GYRASEHEMMER tionen, ebenfalls bei Gonorrhoe, Chla -
mydien und Mycoplasmeninfektionen.
Gyrasehemmer sind bakterizide Anti- Levofloxacin ist auch wirksam bei
biotika. Sie hemmen ein Enzym, das Thyphus-Enteritis und Lepra.
Gyrase, auch Topoisomerase II heißt,
und für die Ordnung des Erbgutes nach Moxifloxacin wurde als Atemwegs-
der Zellteilung verantwortlich ist. Wird gyrasehemmer eingeführt. Auch bei
dieses Enzym gehemmt, stirbt der Er- schweren Haut- oder Weichteilinfektio-
reger ab. Der Mensch hat keine Gyrase nen, Gallenwegsinfektionen und abdomi-
und wird daher nicht geschädigt. nellen Infektionen ist es anwendbar. Eben-
so bei therapieresistenten Chlamydien -
Wichtige Vertreter: infektionen.
Ciprofloxacin 1 Nebenwirkungen: Das Neben wir -
Levofloxacin2 kungsprofil der Gyrasehemmer ist im
Moxifloxacin 3 Prinzip ähnlich. Am häufigsten sind
Norfloxacin4 gastrointestinale Reaktionen wie Übel-
Ofloxacin5 keit, Erbrechen, Diarrhoe und Magen -
Nadifloxacin6 schmerzen, seltener zentral nervöse Re -
aktionen, wie Schwindel, Kopfschmer-
Wirkungsmechanismus: Die Gyrase- zen, Müdigkeit, Erregtheit und Ängst-
hemmer haben alle den gleichen Wir - lichkeit. Unruhe und Schlaflosigkeit
kungsmechanimus, sie hemmen ein können in schweren Fällen mit Benzo -
wichtiges Enzym, die Gyrase, die für die diazepinen behandelt werden. Haut -
Vermehrung der Erreger wichtig ist. reaktionen, Kreislaufreaktionen und ein
gehemmtes Reaktionsvermögen im Stra-
Wirkungen: Ciprofloxacin hat ein
ßenverkehr sind zu beachten.
breites Spektrum gegen gram-positive
und gram-negative Erreger. Es wirkt Kombinationsmöglichkeiten: Gyrase-
auch gegen Erreger, die gegen Peni- hemmer können mit anderen Anti -
cilline, Cephalosporine und Amino - biotika wie Betalactam-Antibiotika und
glykoside resistent sind, ist wirksam Aminoglykosiden kombiniert werden.
gegen Haemophilus influenzae, Campylo- Auch Metronidazol und Clindamycin
bacter und Pseudomonas. Ciprofloxacin können in Kombination gegeben wer-
ist das Standardarzneimittel bei Infek - den.
1 A, CH: Ciproxin; D: Ciprobay 3 A: Avelox; CH, D: Avalox
2 A, CH, D: Tavanic 4 A: Zoroxin; CH: Noroxin; D: Barazan
5 A, CH, D: Tarivid
6 A, CH, D: Nadixa
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
200 Antiinfektive Arzneimittel

Wechselwirkungen: Eine Reihe von Antibiotika, Vancomycin, Bacitracin etc.),


Arzneimitteln kann die Resorption von verstärkt.
Gyrasehemmern beeinflussen. Anderer- Wirkungen: Die Substanzgruppe be-
seits können Gyrasehemmer die Blut -
sitzt ein breites Wirkungsspektrum und
spiegel anderer Arzneimittel erhöhen
ist bei Enterobakterien, Staphylokokken
und zu vermehrten Nebenwir kungen
und Pseudomonas verwendbar. Wenn
führen wie zum Beispiel von Theo -
andere, besser verträgliche Antibiotika
phyllin, Pentoxifyllin, Ciclosporin, Cuma-
versagen, können Aminoglykoside bei
rinen, Benzodiazepinen und Methotre-
Sepsis und vielen anderen komplizier-
xat.
ten Infektionen verwendet werden. Ein
Schwangerschaft und Stillzeit: besonders breites Spektrum besitzt
Gyrasehemmer sind in Schwangerschaft Amikacin, das auch noch wirkt, wenn
und Stillzeit kontraindiziert. Resistenzen gegen andere Vertreter die-
Gegenanzeigen: Kinder und Jugend- ser Gruppe vorliegen.
liche sollen nicht mit Gyrasehemmern Neomycin wird oral nicht resorbiert,
behandelt werden. kann aber zur Entkeimung des Darmes
vor Operationen verwendet werden.
Neomycin wird hauptsächlich lokal bei
AMINOGLYKOSIDE infektiösen Haut-, Augen- und Ohren -
erkrankungen verwendet.
Aminoglykoside sind bakterizide Anti-
Applikationsformen: Gentamicin,
biotika, die die Proteinsynthese in den
Tobramycin, Netilmicin und Amikacin sind
Erregern hemmen. Sie besitzen ein brei-
als Ampullenlösungen zur parenteralen
tes Spektrum an antimikrobieller Aktivi -
tät, doch sind viele Resistenzen entstan- Applikation verfügbar. Gentamicin und
den. Von den Nebenwirkungen sind die vor allem Neomycin, gibt es in Lösun -
Nierentoxizität und Gehörschäden am gen, Puder, Salben, Cremes, Augen-,
gefährlichsten. Ohren- und Nasentropfen, in besonde-
ren Arzneiformen für die Zahnheilkunde
Wichtige Vertreter: sowie als Lutschtabletten und als
Gentamicin1 Vaginalzäpfchen.
Amikacin2 Nebenwirkungen: Im Vordergrund
Tobramycin 3 stehen Gehörschäden und Nierenschädi-
Netilmicin4
gungen. Auch Sehstörungen, Gleichge -
Neomycin5
wichtsstörungen und Störungen des
Wirkungsmechanismus: Aminogly- Geruchssinns sind möglich. Dazu kom-
koside hemmen die bakterielle Protein - men gastrointestinale Beschwerden und
synthese und sind bakterizid. Der Effekt Hautschäden.
wird durch Antibiotika, die mit der Zell- Kombinationsmöglichkeiten: Amino-
wandsynthese interferieren (Betalactam- glykoside können mit anderen, zell-

1 A: Refobacin; CH: Garamycin; D: Refobacin 4 A: Certomycin; CH: –; D: Certomycin


2 A: Biklin; CH: Amikin; D: Biklin 5 A: Baneocin; CH: –; D: Myacine
3 A: Tobrasix; CH: Obracin; D: Gernebcin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 201

wandschädigenden Antibiotika wie Beta- Wirkungsmechanismus: Sulfa me -


lactamen und Vancomycin kombiniert toxazol verdrängt kompetitiv die p-
werden. Externa mit Glucocorticoiden Aminobenzosäure, die von Bakterien
werden oft mit Antibiotika dieser zum Aufbau der Hydrofolsäure benötigt
Gruppe kombiniert. wird. Sulfamethoxazol ist bakteriosta-
Wechselwirkungen: Durch andere, tisch, auch in höheren Dosen nicht bak-
potentiell gehörschädigende oder nephro- terizid.
toxische Medikamente (Amphothericin Wirkungen: Die Kombination Sulfa-
B, Ciclosporin, Schleifendiuretika etc.) methoxazol plus Trimethoprim, auch als
können die Nebenwirkungen der Amino- Co-Trimoxazol bezeichnet, wird bei aku-
glykoside hinsichtlich Gehörschaden ten und chronischen Harnwegsinfektio-
bzw. Nierentoxizität verstärkt werden. nen, bei chronisch bakterieller Prosta -
Schwangerschaft und Stillzeit: In titis und beim Prostataabszess einge-
Schwangerschaft und Stillzeit ist die setzt. Bei eitriger Bronchitis und Sinu -
systemische Anwendung von Amino - sitis wirkt die Kombination gegen Hae -
glykosiden nicht erlaubt. mophilus, Moraxella und Pneumo -
kokken. Auch bei Thyphus und Para -
Gegenanzeigen: Niereninsuffizienz, thyphus ist Co-Trimoxazol wirksam. Fer -
Gehörschädigungen und Schwanger - ner bei Enteritiden wie Ruhr, Cholera,
schaft. Vorsicht bei bestehendem Par- Salmonellosis, Yersiniose u.a. Infektio -
kinsonismus. nen. Eine wichtige Indikation ist die
Prophylaxe und Therapie der Pneumo -
cystis-jiroveci (früher carinii), einer Lungen-
SULFONAMIDE entzündung, die vor allem bei HIV-infi-
zierten und Immunsupprimierten auf-
Sulfonamide, 1935 von Domagk als tritt.
erste wirksame antibakterielle Substan -
Applikationsformen: Co-Trimoxazol
zen in die Therapie eingeführt, haben
gibt es als Tablette, Sirup oder Sus-
wegen Resistenzentwicklungen und
pension und als i.v.-Infusion.
Nebenwirkungen mittlerweile ihre Bedeu-
tung verloren. Sulfonamide sind bakte- Nebenwirkungen: Im Vordergrund
riostatisch, sie hemmen die Synthese stehen allergische Reaktionen und Blut -
von Dihydrofolsäure und wirken auf bildveränderungen, daneben gibt es
gram-positive und gram-negative Erre- Nebenwirkungen auf den Gastrointesti -
ger. Nur die Kombination Sulfame - naltrakt wie Übelkeit, Erbrechen, Durch-
thoxazol mit Trimethoprim wird heute fälle und pseudomembranöse Colitis.
noch verwendet. Selten Leberschädigungen und Verän-
derungen des Blutbildes. Ferner beob-
Wichtiger Vertreter: achtet wurden Neuropathien und Stoff -
wechselstörungen.
Sulfamethoxazol (in Kombination mit
Trimethoprim) 1 Wechselwirkungen: Sulfamethoxazol
und Trimethoprim interferieren mit dem
Cytochrom P450 System und können im

1 A, CH: Bactrim; D: Eusaprim

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


202 Antiinfektive Arzneimittel

Einzelfall den Metabolismus anderer bakterien und grammpositive Anaero -


Arzneimittel beeinflussen. Gleichzeitig ge- bier. Fosfomycin wirkt auch auf Salmo-
gebene Antikoagulantien vom Cumarin- nellen, Shigellen, Pseudomonas und auch
typ verlängern die Blutungszeit und der bei Anaerobiern.
Blutspiegel von Phenytoin wird erhöht.
Applikationsformen: Vancomycin
Bei gleichzeitiger Gabe von Sulfonylharn-
und Teicoplanin werden nicht resorbiert
stoffen kann eine Hypoglykämie auftre-
und sind daher nach oraler Gabe nur
ten.
lokal im Darm wirksam. Für systemische
Schwangerschaft und Stillzeit: Co- Wirkungen müssen die Substanzen intra-
Trimoxazol ist bei Schwangerschaft ein venös infundiert werden.
Antibiotikum zweiter Wahl. Einer An-
Nebenwirkungen: Vancomycin kann
wendung während der Stillzeit bei Harn-
Gehörschädigungen und Blutbild verän-
wegsinfekten steht nichts im Wege.
derungen verursachen. Teicoplanin wird
Gegenanzeigen: Bluterkrankungen, im Allgemeinen gut vertragen, selten
Leberschäden und schwere Niereninsuffi- aber treten Hörverlust, Tinnitus und
zienz. Gleichgewichtsstörungen auf. Fosfomy-
cin führt zu gastrointestinalen Neben -
wirkungen mit Brechreiz und Magen -
GLYKOPEPTID- druck, seltener Erbrechen und Durch -
ANTIBIOTIKA fall.
Kombinationsmöglichkeiten: Glyko-
Wichtige Vertreter: peptidantibiotika können mit Rifam -
Vancomycin1 picin5 und Gentamicin6 kombiniert wer-
Teicoplanin 2 den. Dabei ist auf Gehörschäden zu
Fosfomycin3 achten.
Bacitracin4 Wechselwirkungen: Vorsicht bei Kom-
bination mit anderen potentiell ototoxi-
schen und nephrotoxischen Arznei -
Wirkungsmechanismus: Glykopep-
mitteln.
tid-Antibiotika hemmen den Aufbau
der bakteriellen Zellwand und sind bak- Schwangerschaft und Stillzeit: Poly-
terizid. peptidantibiotika sollen in der Schwan -
Wirkungen: Vancomycin und Teico- gerschaft nur bei vital bedrohlicher
planin sind wirksam gegen Staphylo - Situation verwendet werden. In der Still-
kokken und Streptokokken. Fosfomycin zeit sind Vancomycin und Teicoplanin
wird oral als Einmalgabe bei unkompli- zwar milchgängig, werden vom Säug -
zierten Harnwegsinfekten und intra- ling aber nicht resorbiert.
venös in der Intensivmedizin verwendet. Bacitracin ist ein ausschließlich lokal
Glyko peptidantibiotika sind wirksam anwendbares, sehr toxisches Polypep-
gegen Clostridium difficile, Diphterie - tidantibiotikum mit bakterizider Wir -

1 A: Vancomycin; CH: Vancocin; D: Vancomycin 5 A: Eremfat; CH: Rifampicin; D: Eremfat


2 A, CH, D: Targocid 6 A: Refobacin; CH: Garamycin; D: Refobacin
3 A, CH, D: Monuril
4 A: Nebacetin; CH: in Kombinationen;

D: Nebacetin
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
Antiinfektive Arzneimittel 203

kung auf gram-positive Bakterien, vor oder bakterizid. Es ist ein wichtiges
allem Staphylokokken und Entero - Antibiotikum für schwere Anaerobier-
kokken. Verwendet wird es in Kombina - und Staphylokokkeninfektionen und ist
tion mit Neomycin in Form von Salben, gut geeignet für Knochen- und Gewebs-
Pudern, Lösungen, Augen- und Nasen - infektionen. Wichtigste Nebenwirkung
salben. ist die pseudomembranöse Enterocolitis
durch toxinbildende Clostridien. Zur Be -
handlung gibt man Vancomycin oral
Daptomycin1 oder Metronidazol.

Daptomycin ist ein Lipopeptid, das als Fusidinsäure


Porenbildner bakterizid gegen gram-po- Wirkungsmechanismus: Bakterio -
sitive Keime wirkt. Es kann zu Behand - statische Wirkung durch Hemmung der
lung schwerer Haut- und Weichteilin - Proteinsynthese des Bakteriums. Fusi-
fektionen, sowie bei Endokartitis einge- dinsäure ist ein Staphylokokken-Anti -
setzt werden. Nebenwirkungen sind biotikum zweiter Wahl bei schweren
Muskelschmerzen, Schädigung der Staphylokokkeninfektionen. Bei oraler
Muskulatur und Rhabdomyolyse. Gabe sind gastrointestinale Nebenwir -
kungen wie Magenschmerzen, Brech -
reiz oder Erbrechen möglich. Selten tre-
Andere Antibiotika mit ten Leberschäden auf.
Wirkung auf die Protein-
Linezolid
synthese der Bakterien
Wirkungsmechanismus: Linezolid
Wichtige Vertreter: hemmt die bakterielle Proteinsynthese
an den Ribosomen und wirkt bakte-
Chloramphenicol2
riostatisch. Es ist ein neues Antibioti -
Clindamycin3
kum für Infektionen hoch resistenter
Fusidinsäure 4
Linezolid 5
gram-positiver Erreger. Linezolid hat als
Nebenwirkung eine Monoaminoxi dase-
hemmung, woraus sich zahlreiche Inter-
Chloramphenicol
aktionen und Wechselwirkungen mit
Chloramphenicol ist schwach wirk- anderen Arzneimitteln ergeben. Wei -
sam und eher von historischer Be deu- tere Nebenwirkungen sind Durchfall,
tung. Eine systemische Anwendung ist Kopfschmerz und Blutdruckanstieg.
selten.

Clindamycin
Wirkungsmechanismus: Clindamy-
cin hemmt die Proteinbiosynthese von
Bakterien und wirkt bakteriostatisch
1 A, CH, D: Cubicin 4 A, CH: Fucidin; D: Fucidine
2 A: nur lokal; CH: Septicol; D: Posifenicol 5 A, CH, D: Zyvoxid
3 A, CH: Dalacin; D: Clinda

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


204 Antiinfektive Arzneimittel

Nitroimidazole Schwangerschaft und Stillzeit: In


der Schwangerschaft soll Metronidazol
Wichtige Vertreter: nur bei strengster Indikation und in der
Stillzeit gar nicht verwendet werden.
Metronidazol1
Nitrofurantoin 2 Nitrofurantoin gilt als Ausweich prä-
parat bei akuter und rezidivierender
Wirkungsmechanismus: Nitroimida- Cystitis. Nebenwirkungen sind schwere
zole hemmen die Nukleinsäuresynthese allergische Reaktionen, gastrointestina-
anaerober Bakterien und entwickeln le Störungen, zentralnervöse Symptome
dadurch eine stark bakterizide Wirkung. und Blutbildveränderungen. Von länger
dauernder Einnahme wird abgeraten.
Wirkungen: Metronidazol ist wirk-
sam gegen Protozoen, Entamoeba histo-
lytika, Trichomonas vaginalis, Giardia lam-
blia (Lamblien) und andere anaerobe Behandlung
Bakterien. So wirkt es auch gegen der Tuberkulose
Campylobacter fetus und Helicobacter
pylori. Zahlreiche Resistenzen wie ge - Die Tuberkulose nimmt weltweit zu
gen Trichomonas vaginalis und Helico - und ist wahrscheinlich die Erkrankung,
bacter sind bekannt. die die meisten Opfer fordert. Nach
Nebenwirkungen: Metronidazol ist Schätzungen sterben jährlich zwei
subjektiv nicht gut verträglich. Gastro - Millionen Menschen an Tuberkulose.
intestinale Störungen wie Übelkeit, Er - Dabei ist diese Erkrankung mit einer
brechen und Durchfälle, sowie ein un - kombinierten Therapie gut beherrsch-
angenehmer Metallgeschmack machen bar. Initial werden über zwei Monate
die Therapie schwierig. Dazu kommen Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid
periphere Neuropathien und zentral verabreicht, bei vermuteter Resistenz
nervöse Störungen, Hautsensationen zusätzlich mit Ethambutol kombiniert.
wie Exantheme und Juckreiz sowie eine Als weiterführende Therapie wird über
ausgeprägte Alkoholintoleranz. vier Monate Isoniacid mit Rifampicin
verabreicht. Bei Patienten mit Befall der
Kombinationsmöglichkeiten: Metro- Knochen und Gehirnhäute wird die
nidazol wird oft in Kombination mit Therapie noch länger fortgeführt.
Breitspektrumantibiotika wie Piper -
acillin, Cephalosporinen und Ciprofloxa-
cin verabreicht. Bei Helicobacter pylori Vertreter zur Behandlung der
Infektionen wird es mit Penicillinen oder Tuberkulose:
Clarithromycin plus Omeprazol kom - Isoniazid3
biniert. Rifampicin4
Rifabutin 5
Wechselwirkungen: Bei gleichzeiti-
Pyrazinamid6
ger Gabe wird die Wirkung oraler Anti-
Ethambutol7
koagulantien verstärkt und mit Alkohol
gibt es antabusähnliche Wirkungen.
1 A: Anaerobex; CH: Perilox; D: Clont 6 A: Pyrafat; CH: –; D: Pyrafat
2 A, CH, D: Furadantin 7 A, CH, D: Myambutol
3 A: INH; CH: Rimifon; D: Isozid
4 A: Eremfat; CH: Rifampicin; D: Eremfat
5 A,
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
CH: Mycobutin; D: Alfacid
Antiinfektive Arzneimittel 205

Isoniazid Ethambutol
Isoniazid ist an sich bakteriostatisch Ethambutol hemmt das Wachstum
wirksam, bei Mykobakterien, die sich in von Mykobakterien, der Wirkungs -
Teilung befinden, jedoch bakterizid. Der mechanismus ist nicht bekannt. Als
Wirkungsmechanismus ist unbekannt. Nebenwirkungen sind Sehstörungen,
Die wichtigsten Nebenwirkungen sind vor allem Rot-Grün-Blindheit, zu beach-
Hautreaktionen und Fieber, in Einzel - ten. Ansonsten ist Ethambutol gut ver-
fällen kommt es zu Leberschädigungen träglich.
und Blutbildveränderungen.
Wechselwirkungen: Die Blutspiegel Pyrazinamid
von Antiepileptika wie Phenytoin1, Etho- Pyrazinamid ist wegen des sauren
suximid 2 und Carbamazepin3 werden intrazellulären Milieus auf phagozytier-
erhöht und zugleich auch deren Neben - te Mykobakterien wirksam. Als Neben -
wirkungen vermehrt. wirkungen sind Uratablagerungen in den
Gelenken sowie gastrointestinale Störun-
Rifampicin und Rifabutin gen und Fieber zu beachten. In höheren
Diese Substanzen hemmen die Nuclein- Dosen kann Pyrazinamid lebertoxisch
säuresynthese und wirken extrazellulär sein.
und intrazellulär bakterizid.
Rifaximin 4
Wichtige Nebenwirkungen sind Haut-
reaktionen, Fieber und gastrointestinale Rifaximin wirkt ähnlich wie Rifampicin
Störungen, Leberschäden sind selten. auf die bakterielle Synthese von RNA
über Hemmung einer Polymerase.
Wechselwirkungen: Durch Enzymin- Rifaximin wird peroral verabreicht, aber
duktion können sie den Abbau von Cu - faktisch nicht resorbiert, woraus eine
marinen, Glucocorticoiden und oralen äußerst hohe Verträglichkeit resultiert.
Antidiabetika beschleunigen und diese Die Wirkung im Darm kann zur Be -
wirkungslos machen. Auch orale Kontra- handlung einer Reisediarrhoe herange-
zeptiva werden in ihrer Wirkung ge- zogen werden. Weitere Indikationen
hemmt. sind pseudomembranöse Colitis, Diverti-
kelerkrankungen und präoperative Darm-
dekontamination.

1 A: Epanutin; CH, D: Phenhydan 3 A, CH: Tegretol; D: Tegretal


2 A: Suxinutin; CH: Petinimid; D: Petnidan 4 A: Colidimin; CH: –; D: Xifaxan

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


206 Antiinfektive Arzneimittel

VIRUSTATIKA

In diesem Kapitel sollen Substanzen auch nicht die Rezidivhäufigkeit. Vala -


besprochen werden, die gegen Herpes-, ciclovir ist ein Ester von Aciclovir der
oder Influenzaviren wirksam sind. Arz- schneller resorbiert und dann in Aciclo -
neimittel, die gegen Hepatitis B und vir umgewandelt wird.
Hepatitis C, beide mittlerweile behan-
Wirkungen: Aciclovir und Valaciclo-
delbar, wirken, sollen hier nicht abge-
vir werden bei schweren Herpes sim-
handelt werden. Auch HIV-Therapeutika
plex-, Herpes zoster- und Herpes geni-
und Substanzen gegen Cytomegaloviren
talis-Infektionen eingesetzt.
werden in diesem Buch nicht bespro-
chen. Arzneiformen: Aciclovir gibt es zur
oralen Verabreichung als Tablette und
Wichtige antivirale Substanzen: als Saft zur parenteralen Verabreich-
Gegen Herpesviren: ung, als Pulver zur Herstellung einer
Aciclovir 1 Infusionslösung und zur lokalen Gabe
Valaciclovir2 als Creme sowie als Augensalbe.
Famciclovir3 Nebenwirkungen: Aciclovir und Vala-
Brivudin 4
ciclovir sind im Allgemeinen gut ver-
Gegen Influenza-Viren: träglich. Selten kommt es zu gastroin-
Zanamivir5 testinalen Störungen wie Übelkeit und
Oseltamivir 6 Erbrechen oder Durchfall. Weitere Neben-
wirkungen sind Kopfschmerzen, Schwin-
del und Hautausschlag. Bei höheren
Mittel gegen Dosen kommt es zu zentralnervösen
Störungen mit Verwirrtheit und Hallu zi-
Herpesviren nationen.
Wechselwirkungen: Bei gleichzeiti-
Aciclovir/Valaciclovir ger Gabe von nephrotoxischen Substan -
Wirkungsmechanismus: Die Substan- zen kann die Nephrotoxizität verstärkt
zen hemmen die virale DNS-Polymerase werden.
und verhindern so eine Vermehrung. Schwangerschaft und Stillzeit: Die
Bei Viren, die sich nicht vermehren, hat systemische Gabe in der Schwanger -
Aciclovir keine Wirkung und reduziert schaft ist nur bei strenger Indikation
1 A, CH, D: Zovirax 4 A: Mevir; CH: Brivex; D: Zostex
2 A, CH, D: Valtrex 5 A, CH, D: Relenza
3 A, CH, D: Famvir 6 A, CH, D: Tamiflu

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 207

gestattet. In der Stillzeit soll bei paren- Grippetherapie


teraler Gabe eine Stillpause eingelegt
werden. Lokale Applikation ist sowohl Mit Zanamivir 3 und Oseltamivir4 ste-
in der Schwangerschaft als auch in der hen heute zwei Substanzen zur Ver -
Stillzeit unproblematisch. fügung, die erstmals gegen Influenza A
und B wirksam sind. Sie hemmen die
Famciclovir1 virale Neuraminidase, ein Enzym, das
Famciclovir hat einen ähnlichen Mecha- für die Vermehrung des Influenzavirus
nismus wie Aciclovir und wird ebenfalls unbedingt notwendig ist. Die Be -
bei Herpes genitalis und Herpes zoster handlung soll möglichst in den ersten
eingesetzt. Mögliche Nebenwirkungen 24 Stunden nach Krankheitsbeginn ein-
sind Kopfschmerzen und Übelkeit. Auf setzen. Wäh rend Zanamivir inhaliert
eingeschränkte Nierenfunktion ist zu werden muss, kann Oseltamivir auch
achten. oral verabreicht werden, was einen
großen Vorteil darstellt. Die Substanzen
Brivudin2 sind gut verträglich, bei Oseltamivir
kann gelegentlich Übelkeit und Er -
Brivudin ist eine Alternative zu Aciclo- brechen auftreten.
vir, wenn Viren gegen letzteres resistent
sind. Als Nebenwirkungen treten Übel- Schwangerschaft und Stillzeit: Es
keit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmer- liegen keine ausreichenden Daten für
zen, Kopfschmerz und Müdigkeit auf. die Anwendung von Oseltamivir bei
Gelegentlich kommt es zu Beeinträchti - Schwangeren vor.
gung der Niere, der Leber und zu Blut - Wechselwirkungen: Es sind bis jetzt
bildveränderungen. keine gravierenden Wechselwirkungen
Wechselwirkungen: Bei gleichzeiti- bekannt.
ger Gabe mit Fluorouracil erhöht sich
die Gefahr von Nebenwirkungen.
Schwangerschaft und Stillzeit: In
Schwangerschaft und Stillzeit ist Brivu -
din kontraindiziert.

1 A, CH, D: Famvir 3 A, CH, D: Relenza


2 A: Mevir; CH: Brivex; D: Zostex 4 A, CH, D: Tamiflu

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


208 Antiinfektive Arzneimittel

ANTIMYKOTIKA

Pilzinfektionen werden durch syste- Antimykotika zur


misch verabreichbare oder lokal wirksa-
me Antimykotika behandelt. systemischen Therapie
Wichtige Antimykotika: Amphotericin B
Antimykotika zur
Amphotericin ist ein wichtiges paren-
systemischen Therapie
terales Antimykotikum zur Therapie
Amphotericin B1
lebensbedrohlicher invasiver Pilzinfektio-
Itraconazol2
nen.
Ketoconazol3
Fluconazol4 Applikationsformen: Ampullen zur
Voriconazol5 intravenösen Infusion, Lutschtabletten
Caspofungin6 zur Anwendung in der Mundhöhle und
Terbinafin 7 Oraltabletten zur Therapie intestinaler
Flucytosin 8 Hefemykosen. Ferner gibt es Salben und
Micafungin9 Cremes zur topischen Anwendung.
Antimykotika zur lokalen Therapie: Nebenwirkungen: Im Vordergrund
Nystatin10 steht die Nierentoxizität. Darüberhinaus
Clotrimazol 11 kann es zu Fieber, Schüttelfrost, Übel-
Miconazol 12
keit, Erbrechen, Glieder- und Gelenks-
Naftifin13
schmerzen sowie Arrhythmien kommen.
Amorolfin14
Selten treten Blutbildveränderungen auf.
Bifonazol15
Isoconazol 16 Wechselwirkungen: Amphotericin B
Oxiconazol17 löst eine Hypokaliämie aus und kann
die Wirkung von Herzglykosiden und
Antiarrhythmika verstärken.

1 A: Amphocil; CH, D: Ampho-Moronal 10 A, CH: Mycostatin; D: Moronal


2 A, CH: Sporanox; D: Sempera 11 A, CH, D: Canesten
3 A, CH, D: Nizoral 12 A, CH: Daktarin; D: Daktar
4 A, CH, D: Diflucan 13 A: Exoderil; CH:-; D: Exoderil
5 A, CH, D: Vfend 14 A, CH, D: Loceryl-Nagellack
6 A, CH, D: Cancidas 15 A: Canesten Bifonazol; CH:-;
7 A, CH, D: Lamisil D: Canesten-Extra
8 A, CH, D: Ancotil 16 A, CH: Travogen; D: Travocort
9 A, CH, D: Mycamine 17 A: Liderman; CH: Oceral; D: Myfungar

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 209

Schwangerschaft und Stillzeit: mit Itraconazol und Fluconazol sollte


Amphotericin B darf in der Schwanger- nur bei zwingender Indikation erfolgen.
schaft nur bei bedrohlichen Mykosen In der Stillzeit sollte, wenn unumgäng-
parenteral eingesetzt werden. In der lich, Fluconazol gewählt werden.
Stillzeit soll es vermieden werden.
Gegenanzeigen: Gleichzeitige Gabe
von Triazolam, Midazolam, sowie von
Itraconazol1 und Statinen ist kontraindiziert.
Fluconazol2
Itraconazol und Fluconazol sind oral Voriconazol 3
und intravenös anwendbare Antimyko - Voriconazol ist ein neues, systemisch
tika mit systemischer Wirkung. Itracona- wirksames Breitband-Antimykotikum
zol ist mit einem breiten Spektrum aus- zur Anwendung bei Aspargillus-, Fusa -
gestattet, Fluconazol ist bei Candida und rium- und invasiven Candida-Infektio -
Cryptokokkus-Infektionen wirksam. nen.
Applikationsformen: Itraconazol Applikationsarten: Es stehen Mittel
und Fluconazol sind als Kapseln und zur intravenösen und oralen Therapie zur
besser resorbierbar als orale Suspen sion Verfügung.
anwendbar und können intravenös ver-
abreicht werden. Nebenwirkungen: Voriconazol ist ins-
gesamt gut verträglich, vorübergehen-
Nebenwirkungen: Itraconazol und de Veränderung der Leberenzyme, Exan-
Fluconazol sind im Allgemeinen gut ver- theme und Verwirrtheitszustände wur-
träglich, die häufigsten Nebenwirkun - den berichtet.
gen sind gastrointestinale Störungen wie
Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, so - Wechselwirkungen: Voriconazol ist
wie zentral nervöse Störungen wie Kopf- Hemmer von Cytochrom P450 Enzymen
schmerz und Schwindel. Leberfunktions- und erhöht daher die Konzentrationen
störungen sind selten. einer Reihe anderer Arzneimittel wie
Omeprazol, Cumarinen, Sulfonylharn -
Wechselwirkungen: Itraconazol und
stoffen, Antiepileptika etc. Andererseits
Fluconazol hemmen Enzyme der Cyto -
können klassische Enzyminduktoren wie
chrom P450 3A4 Familie, die wichtig
Carbamazepin oder Phenytoin die Vori-
für den Metabolismus anderer Arznei-
conazol-Plasmakonzentration senken.
mittel sind. Tödliche Zwischenfälle durch
Kombination mit Terfenadin, einem harm- Schwangerschaft und Stillzeit: Es
losen Antihistamin, haben auf die Bri - gibt keine hinreichenden Daten für die
sanz der Wechselwirkungen generell auf- Verwendung von Voriconazol bei Schwan-
merksam gemacht. Zu beachten sind Wir- gerschaft und in der Stillzeit.
kungsverstärkung von Cumarinderivaten,
Theophyllin, Phenytoin, oralen Antidia- Caspofungin 4
betika und Carbamazepin. Caspofungin ist eine neue Substanz
Schwangerschaft und Stillzeit: Eine mit guter Verträglichkeit für die Pri -
systemische antimykotische Therapie märtherapie invasiver Candida-Infektio -
1 A, CH: Sporanox; D: Sempera 3 A, CH, D: Vfend
2 A, CH, D: Diflucan 4 A, CH, D: Cancidas

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


210 Antiinfektive Arzneimittel

nen und die Sekundärtherapie invasiver Micafungin4


Aspargillusinfektionen.
Mycamine wird intravenös appliziert
Arzneiformen: Caspofungin1 ist als und wird eingesetzt bei verschiedenen
Pulver zur Herstellung einer Infusions - Candidosen, vor allem bei Patienten mit
lösung im Handel. Stammzelltransplantation.
Nebenwirkungen: Das Nebenwir -
kungsprofil erscheint sehr günstig. Ver-
einzelt können Fieber, Übelkeit und Topische Antimykotika
Kopfschmerzen auftreten.
Die in der Tabelle genannten topi-
Terbinafin2 schen Antimykotika sollen hier nicht
Terbinafin dient zur systemischen Thera- detailliert besprochen werden. Die zur
pie schwerer Pilzerkrankungen der Haut. Verfügung stehenden Arzneiformen
Es ist im Allgemeinen gut verträglich, sind vielfältig (Creme, Puder, Lösung,
gastrointestinale Störungen und Hauter- Nagellack, Vaginalzäpfchen, Salben,
scheinungen werden beobachtet. Es gilt Spray, eventuell Lutschtabletten etc.).
als potentiell hepatotoxisch. Bei der lokalen Applikation ist eine syste-
mische Nebenwirkung faktisch auszu-
Flucytosin 3 schließen. Lokal kann es zu Reizungen
kommen, ein Präparatewechsel ist eine
Flucytosin ist ein Antimykotikum zur Möglichkeit.
systemischen Anwendung bei Krypto -
kokkenmeningoencephalitis und kom- Im ersten Trimenon der Schwanger-
plizierten Candidainfektionen, wegen schaft ist eine vaginale Anwendung nicht
Resistenzentwicklung mit Amphotericin B empfehlenswert.
oder Fluconazol zu kombinieren.

1 A, CH, D: Cancidas 3 A, CH, D: Ancotil


2 A, CH, D: Lamisil 4 A, CH, D: Mycamine

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 211

WURMMITTEL

Spulwürmer (Askariden) und die Maden-


Mittel gegen
würmer (Oxyuren). Hackenwurm und
Wurmerkrankungen:
Trichine kommen seltener vor.
Bandwürmer
Praziquantel 1
Niclosamid2
Mittel gegen
Rundwürmer
Mebendazol3
Bandwürmer
Albendazol 4
Pyrantel5
Pyrvinium-embonat6
Praziquantel
Praziquantel ist das Mittel der Wahl
Die wichtigsten Würmer, die in unse- gegen Bandwurminfektionen. Eine ein-
rem Lebensraum klinisch relevante Er - malige Behandlung ist ausreichend.
krankungen hervorrufen, sind Band - Nebenwirkungen: Vorübergehend
würmer und Rundwürmer. Von den Band- Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, gastroin-
würmern ist es hauptsächlich der Rinder- testinale Beschwerden und Urticaria.
bandwurm, eventuell noch der Schweine-
Wechselwirkungen: Arzneimittel,
bandwurm, der bei uns vorkommt. Bei
die das Cytochrom P450 System indu-
diesen Bandwürmern ist der Mensch
zieren, können zu vermindertem Plasma-
der Wirt und die Eier werden ausge-
spiegel von Praziquantel führen. Um -
schieden und führen zu neuen Infek -
gekehrt können Hemmer des Cyto -
tionen. Beim Fuchsbandwurm und beim
chrom P450 Systems erhöhte Plasma -
Hundebandwurm sind die entsprechen-
spiegel von Praziquantel verursachen.
den Tiere die Wirte, der Mensch kann
die Eier oral aufnehmen und die Larven Schwangerschaft und Stillzeit: Prazi-
wachsen dann in den menschlichen quantel soll in Schwangerschaft und Still-
Organen. Die entstehende Echino - zeit nicht verwendet werden.
kokkose kann eigentlich nur durch chir-
urgische Maßnahmen behandelt wer- Niclosamid
den oder durch Langzeitgabe von Wurm- Niclosamid ist ebenfalls ein sicheres
mitteln. Bandwurmmittel. Es wird nicht resor-
Die wichtigsten Rundwürmer sind die biert.
1 A, CH:-; D: Cesol 4 A: Eskazole; CH: Zentel; D: Eskazole
2 A, CH:-; D: Yomesan 5 A: Combantrin; CH: Cobantril; D: Helmex
3 A: Pantelmin; CH, D: Vermox 6 A, CH: –; D: Pyrcon

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


212 Antiinfektive Arzneimittel

Nebenwirkungen: Gelegentliche Albendazol 3


gastrointestinale Störungen.
Albendazol wirkt sehr ähnlich wie Me-
Wechselwirkungen: Da Niclosamid bendazol und besitzt ein breites Wir -
nicht resorbiert wird, sind Wechselwir- kungssprektrum. Die Nebenwirkungen
kungen auszuschließen. sind etwas ausgeprägter, daher gilt es
Schwangerschaft und Stillzeit: Ni- als Ausweichpräparat. In der Schwanger-
closamid1 ist das Bandwurmmittel der schaft wird es nur zur Behandlung einer
Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit, Echinokokkose verwendet.
da es nicht resorbiert wird.
Pyrantel-embonat4
Pyrantel wirkt gegen Askariden und
Mittel gegen Oxyuren. Es wird schlecht resorbiert,
Rundwürmer dennoch können Kopfschmerzen und
Müdigkeit sowie gastrointestinale Neben-
wirkungen auftreten. In Schwanger -
Mebendazol 2 schaft und Stillzeit sollen andere Wurm -
Mebendazol ist ein sehr wirksames mittel verwendet werden.
und gut verträgliches Mittel gegen
Rundwürmer. Pyrvinium-embonat5
Nebenwirkungen: Vorübergehende Pyrvinium-embonat ist gegen Maden-
Durchfälle und Leibschmerzen sind sel- würmer gut wirksam. Es ist im allge-
ten. meinen gut verträglich, gastrointestina-
le Störungen wie Übelkeit, Erbrechen
Wechselwirkungen: Wechselwirkun-
oder Durchfall können auftreten. Auch
gen mit Mebendazol sind nur hinsicht-
in Schwangerschaft und Stillzeit ist Pyr -
lich Cimetidin beschrieben, das kaum
vinium-embonat verwendbar.
noch verwendet wird.
Schwangerschaft und Stillzeit: Me-
bendazol darf bei behandlungspflichti-
gen Wurmerkrankungen in der Schwan -
gerschaft und in der Stillzeit eingesetzt
werden.

1 A, CH:-; D: Yomesan 4 A: Combantrin; CH: Cobantril; D: Helmex


2 A: Pantelmin; CH, D: Vermox 5 A: Molevac; CH:-; D: Pyrcon
3 A: Eskazole; CH: Zentel; D: Eskazole

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 213

MALARIA
Tab. 2: Wichtige Arzneimittel für Malaria-Prophylaxe und Therapie
Chloroquin1 Prophylaxe und Therapie der Malaria
tertiana und quartana
Mefloquin2 (ev. +Doxycyclin) Prophylaxe und in der Kombination zur
Therapie der Malaria tropica
Proguanil3 + Atovaquon 4 Prophylaxe und Therapie der Malaria
tropica
Arthemether + Lumefantrin5 Therapie der Malaria tropica
1 A: Resochin; CH: Nivaquine; D: Resochin 4 A, CH, D: Malarone
2 A, CH, D: Lariam 5 A, CH, D: Riamet
3 A: Paludrine; CH: –; D: Paludrine

Die Malaria gehört weltweit zu den ein. Es ist wichtig zu wissen, dass eine
wichtigsten Infektionskrankheiten, an Infektion nicht verhindert werden kann,
der hunderte Millionen Menschen jedoch der Ausbruch der Krankheit.
erkranken und etwa zwei Millionen In Europa gibt es keine Malaria. Für
Menschen pro Jahr versterben. Die Reisen empfiehlt sich die Auskunft eines
Malaria tritt in drei Formen auf, der Tropeninstituts oder eines Universitäts -
Malaria tertiana, der Malaria quartana instituts mit entsprechenden kompeten-
und der lebensgefährlichen Malaria tro- ten Abteilungen. Für Europäer gibt es
pica. Der Überträger der Malaria ist die Malariaerkrankungen nur bei fehlender
Anopheles-Mücke, die Sporozoiten mit Prophylaxe, bei falscher Prophylaxe, res -
dem Speichel ins Blut des Menschen pektive bei unzureichender Vorbereitung
bringt. Diese entwickeln sich in der auf Reisen. Für Zurückgekommene ist es
Leber zu Gewebeschizonten, die in der ganz wichtig, den Ärzten von den Rei -
Folge Merozoiten freisetzen, welche sen zu berichten.
dann die Erythrozyten befallen. Aus den
Blutschizonten werden beim Zerfall des Chloroquin
Erythrozyten erneut Merozoiten freige- Chloroquin unterbricht die Malaria
setzt, die wieder in Erythrozyten ein- auf der Stufe der Blutschizonten. Chloro-
dringen und der Zyklus beginnt von quin ist nach wie vor in vielen Gebieten
neuem. Die zu Prophylaxe und Therapie zur Prophylaxe geeignet und ist auch
verwendeten Arzneimittel greifen an verwendbar zur Therapie der Malaria
unterschiedlichen Stellen dieses Zyklus tertiana und quartana.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


214 Antiinfektive Arzneimittel

Nebenwirkungen: Zu Behandlungs- tion mit Arzneimitteln, die das Reiz -


beginn Sehstörungen, die reversibel sind leitungssystem des Herzens beeinflus-
und erst nach langfristiger Anwendung sen, wie Antiarrhythmika, Betablocker,
hoher Dosen irreversibel. Daneben Wir- Calciumantagonisten usw. ist auf Ver-
kungen auf den Gastrointestinaltrakt wie längerung des QT-Intervalls zu achten.
Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle und
Schwangerschaft und Stillzeit: Bei
auf das Zentralnervensystem mit Schlaf -
Chloroquin-resistenter Malaria tropica
störungen, Benommenheit und Verwirrt-
ist die Anwendung von Mefloquin ver-
heitszuständen. Selten sind Hautaus-
tretbar. Auch in der Stillzeit darf Mef-
schläge und Blutbildveränderungen.
loquin angewendet werden.
Wechselwirkungen: Chloroquin 1
darf nicht zusammen mit MAO-Hemm- Proguanil + Atovaquon
stoffen eingenommen werden und kann
die Plasmakonzentration von Digoxin
(Malarone®)
erhöhen. Vor der gleichzeitigen Gabe Diese Kombination greift sequentiell
von Metronidazol wird ebenfalls abge- in den Malaria-Zyklus ein: Proguanil
raten. zerstört die Gewebeschizonten und
Atovaquon die Blutschizonten. Daraus
Schwangerschaft und Stillzeit:
erklärt sich auch die gute Wirksamkeit.
Chloroquin ist in allen Stadien der
Schwangerschaft das Mittel der ersten Malarone ist ein wichtiges und relativ
Wahl zur Infektionsprophylaxe und zur nebenwirkungsarmes Mittel zur Pro -
Therapie der Malaria. Auch in der phylaxe und zur Therapie der unkompli-
Stillzeit ist Chloroquin das Mittel der zierten Malaria tropica.
Wahl. Nebenwirkungen: Das Kombinations-
präparat aus Atovaquon und Proguanil
Mefloquin2 ist relativ gut verträglich. Nebenwirkun -
Mefloquin greift ebenfalls an den gen treten im Gastrointestinaltrakt (Übel-
Blutschizonten an, Mefloquin eignet keit, Erbrechen und Diarrhoe), im Blut-
sich zur Behandlung der Malaria tropica und Lymphsystem (Anämie und Neutro-
bei Versagen einer Prophylaxe mit penie) auf, weiters ist mit erhöhten Leber-
Chloroquin. werten, Kopfschmerzen, Fieber und Aus-
schlägen zu rechnen.
Nebenwirkungen: Zentralnervöse
Nebenwirkungen bis hin zur Psychose Wechselwirkungen: Gleichzeitge
sowie Neuropathien, Krämpfe, Seh - Gabe von Metoclopramid oder Tetra-
störungen, Tinnitus und vestibuläre Störun- cyclinen vermindert die Blutspiegel von
gen machen die Substanz problema- Atovaquon.
tisch. Auch das kardiovaskuläre System Schwangerschaft und Stillzeit: Zu
mit Kreislaufstörungen und Herz rhyth- Atovaquon gibt es keine verlässlichen
musstörungen sowie Wirkungen auf das Daten, für Proguanil ist die Anwendung
Blutbild müssen beachtet werden. in Schwangerschaft und Stillzeit kein
Wechselwirkungen: Bei der Kombina- Problem.

1 A: Resochin; CH: Nivaquine; D: Resochin 2 A, CH, D: Lariam

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Antiinfektive Arzneimittel 215

Arthemether + Lumefantrin
(Riamet®)
Beide Stoffe greifen an den Blut -
schizonten an. Riamet ist nicht zur Pro -
phylaxe, jedoch zur Therapie der Malaria
tropica geeignet.
Nebenwirkungen: Kopfschmerzen,
Schwindel, abdominale Schmerzen,
Anorexie und Schlafstörungen. Unter
Umständen gastrointestinale Nebenwir -
kungen wie Diarrhoe, Übelkeit und Er -
brechen.
Wechselwirkungen: Die Substanzen
induzieren Cytochrom P450 Enzyme
und können über diesen Weg die
Kinetik anderer Arzneimittel beeinflus-
sen. Eine Kombination mit Arznei -
mitteln, die die QT-Zeit verlängern, ist
zu vermeiden (Makrolide, Gyrasehemmer,
Antimykotika).
Schwangerschaft und Stillzeit: Nur
bei strenger Indikationsstellung anzu-
wenden.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Immunmodulatoren 217

IMMUNMODULATOREN
Während die Immunstimulation mit Ciclosporin
pharmakologischen Mitteln nicht wirk-
lich funktioniert, ist die Immunsupp- Ciclosporin ist ein zyklisches Polypep -
ression pharmakologisch möglich und tid, das humorale und zelluläre Immun -
wichtig bei Organtransplantationen zur reaktionen unterdrückt. Es wird ange-
Verhinderung einer Organabstoßung wendet, um Abstoßungsreaktionen nach
und zur Behandlung von Autoimmun - Organtransplantationen zu verhindern.
erkrankungen. Auch der Einsatz bei Autoimmuner -
krankungen wird versucht.
Wichtige Immunsuppresiva:
Nebenwirkungen: Eine Reihe von
Ciclosporin1
Nebenwirkungen sind zu beachten, am
Tacrolimus2
Wichtigsten ist die Störung der Nieren-
Sirolimus3
Everolimus4
funktion. Gastrointestinale Störungen,
Glucocorticoide (siehe Seite 181)
neurologische Störungen, Stoffwechsel-
störungen und Störungen im Bereich
Zytostatika: des Herzkreislaufsystems sind möglich
Cyclophosphamid 5
und erfordern daher eine genaue Do -
Methotrexat6
sierung.
Azathioprin7
Mycophenolat mofetil 8 Wechselwirkungen: Arzneimittel,
die das Cytochrom P450-System stimu-
Monoklonale Antikörper:
lieren, wie Johanniskraut, Erythromycin
Muromonab-CD3 9
Basiliximab 10
oder Carbamazepin, können die Elimina-
Daclizumab11 tion von Ciclosporin beschleunigen und
so seine Wirkung vermindern. Von Or-
ganabstoßungen aufgrund der Wirkungs-
losigkeit von Ciclosporin als Folge einer
Wechselwirkung wird berichtet.
Schwangerschaft und Stillzeit: In

1 A, CH, D: Sandimmun 7 A, CH, D: Imurek


2 A, CH, D: Prograf 8 A: Cellcept, Myfortic; CH, D: Cellcept
3 A, CH, D: Rapamune 9 A:-; CH, D: Orthoclone
4 z.B. in Drug Eluting STENTS 10 A, CH, D: Simulect
5 A, CH, D: Endoxan 11 A, CH, D: Zenapax
6 A: Abitrexat; CH: Methotrexat; D: Lantarel

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


218 Immunmodulatoren

Schwangerschaft und Stillzeit ist Ciclo - es zeichnet sich auch durch eine gerin-
sporin kontraindiziert. gere Nephrotoxizität als die genannten
Gegenanzeigen: Schwere Nierenin- Immunsuppressiva aus.
suffizienz, schwere Hypertonie und un -
kontrollierte Infekte.
Glucocorticoide
Tacrolimus1 Neben ihrer entzündungshemmenden
Wirkung haben die Glucocorticoide auch
Auch die Wirkung von Tacrolimus be- eine starke immunsuppressive Wirkung.
ruht auf einer Hemmung von zellvermit- Diese wird benützt zur Behandlung der
telten und humoralen Immunantworten. rheumatoiden Arthritis, des Morbus
Crohn und der multiplen Sklerose. Wann
Nebenwirkungen: Die Nebenwirkun-
immer es möglich ist, werden Gluco -
gen sind ähnlich wie die von Ciclo -
sporin. Zusätzlich sind neurotoxische corticoide topisch, z.B. im Bronchial -
Symptome und Depressionen beobach- trakt, an der Haut und bei entzündli-
tet worden. chen Darmerkrankungen eingesetzt. Oft
ist dennoch die systemische Gabe not-
Wechselwirkungen: Tacrolimus wird wendig.
durch das Cytochrom P450 3A4-System
metabolisiert. Arzneistoffe, die dieses
System stimulieren oder hemmen, kön-
nen Tacrolimus im Blut erniedrigen oder Zytostatika
erhöhen und so die Wirkung verändern.
Bei gleichzeitiger Gabe nephrotoxischer Mycophenolat mofetil3
oder neurotoxischer Arzneimittel wie
bestimmten Antibiotika oder NSAR Mycophenolat mofetil wird zur Unter-
kann die Toxizität von Tacrolimus ver- drückung der Abstoßung nach Nieren-
stärkt werden. und Herztransplantation in Kombination
mit Ciclosporin und Glucocorticoiden ein-
Schwangerschaft und Stillzeit: In
gesetzt.
Schwangerschaft und Stillzeit ist Tacro -
limus kontraindiziert. Nebenwirkungen: Die Nebenwir -
kungen sind geringer als die der ge-
Gegenanzeigen: Schwangerschaft
nannten Immunsuppressiva, beschrän-
ken sich auf Durchfälle und Infektan-
fälligkeit. Gleichzeitige Verabreichung
Sirolimus2 von Colestyramin hemmt die Resorption
von Mycophenolat-mofetil.
Sirolimus unterscheidet sich im Wir-
kungsmechanismus von Ciclosporin Schwangerschaft und Stillzeit: In
und Tacrolimus, indem es die Wirkung Schwangerschaft und Stillzeit soll Myco -
von Interleukin 2 hemmt. Sirolimus wird phenolat mofetil nicht eingesetzt wer-
eingesetzt nach Nierentransplantation, den.

1 A, CH, D: Prograf 3 A: Cellcept, Myfortic; CH, D: Cellcept


2 A, CH, D: Rapamune

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Immunmodulatoren 219

Cyclophosphamid1 Monoklonale
Cyclophosphamid ist ein alkylierendes Antikörper
Zytostatikum, das in niedriger Dosis
auch zur Immunsuppression verwendet
wird. In dieser Dosis ist Cyclophospha- Muromonab CD34
mid besser verträglich, dennoch können Muromonab CD3 wird zur Behand-
gastrointestinale Nebenwirkungen, Blut- lung akuter Abstoßungsreaktionen nach
bildstörungen oder Haarausfall auftre- Organtransplantationen eingesetzt.
ten.
Wichtige Nebenwirkungen sind Fie-
Nebenwirkungen: Gastrointestinale ber, Schüttelfrost, Brustschmerzen und
Störungen wie Übelkeit und Erbrechen, gastrointestinale Beschwerden. Blutbild -
Blutbildveränderungen, toxische Wirkun- veränderungen und Anfälligkeit gegen
gen auf Blase und Harntrakt, Störungen Infektionen wie bei allen immunsuppri-
der Ovulation und der Wundheilung mierenden Substanzen.
wurden beobachtet. Bei hohen Dosen
kann es zu Myocardnekrosen kommen. Basiliximab5
Wechselwirkungen: Der Abbau von Basiliximab wird zur Prophylaxe der
Cyclophosphamid wird durch Allopuri - akuten Transplantatabstoßung in Kom -
nol gehemmt und es kann zu gefährli- bination mit Ciclosporin und Gluco -
chen Intoxikationen kommen. Cyclo - corticoiden eingesetzt.
phosphamid soll nicht zugleich mit
Glucocorticoiden verabreicht werden. Nebenwirkungen sind hauptsächlich
Enzyminduzierende Stoffe wie Anti epi- Verstopfung, Harnwegsinfekte, Schmer-
leptika können die Konzentrationen von zen und Wasserretention und in der Fol-
Cyclophosphamid erhöhen und damit ge Hypertonie.
seine Toxizität verstärken.
Daclizumab 6
Schwangerschaft und Stillzeit: In
der ersten Hälfte der Schwangerschaft Dieser monoklonale Antikörper dient
ist Cyclophosphamid absolut kontrain- zur Prophylaxe akuter Abstoßungs -
diziert, in der zweiten Hälfte bei gravie- reaktionen nach Nierentransplantatio-
render Indikation verwendbar. In der nen. Die Nebenwirkungen sind mit denen
Stillzeit darf Cyclophosphamid nicht von Basiliximab vergleichbar.
gegeben werden.

Methotrexat 2
Siehe Seite 150.

Azathioprin 3
Siehe Seite 151.

1 A, CH, D: Endoxan 4 A: –; CH, D: Orthoclone


2 A: Abitrexat; CH: Methotrexat; D: Lantarel 5 A, CH, D: Simulect
3 A, CH, D: Imurek 6 A, CH, D: Zenapax

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 223

TOXIKOLOGIE

Gifte und Vergiftungen scher Stoffe mit körpereigenen Struk -


turen. Sie sind abhängig von der Dosis,
Die Toxikologie ist die Lehre von den der Einwirkungsart, der Einwirkungs -
Vergiftungen. Ihre Aufgabe ist es, durch häufigkeit und der Einwirkungsdauer.
sorgfältige Dokumentation Diagnose Die Einschätzung der Giftigkeit von
und Therapie von Vergiftungen zu ver- Stoffen durch den Laien ist jedenfalls
bessern, Wirkungsmechanismen von oft unrealistisch. So zeigt sich, dass Botu-
Schadstoffen aufzuklären und durch Er - linustoxin, ein in der Kosmetik heute
stellung von Grenzwerten am Arbeits - zugelassener und häufig eingesetzter
platz und in der Umwelt weiteren Ver - Stoff millionenfach giftiger ist als Kalium-
giftungen vorzubeugen. Da die meisten zyanid (Zyankali), ein aus dem Kriminal -
Krankheitssymptome auch durch eine roman sehr bekanntes Mordgift.
Vergiftung hervorgerufen werden kön- Als Vergiftung wird im Folgenden die
nen, ist es für den Arzt besonders wich- Erkrankung durch einen Giftstoff be -
tig, immer auch an die Möglichkeit ei- zeichnet und nicht die äußerst seltene
ner Vergiftung als Ursache einer Symp - Beibringung eines Giftstoffes.
tomatik zu denken.
Als Gifte werden unbelebte Stoffe be-
zeichnet, die erfahrungsgemäß zur Ge - Häufigkeiten
sundheitsschädigung führen können,
wenn sie dem menschlichen oder tieri- Die Angaben über Häufigkeiten nicht
schen Körper absichtlich oder unabsicht- tödlicher oder tödlicher Vergiftungen
lich zugeführt werden. Praktisch sind sind bei den einzelnen erhebenden Zent-
Gifte solche Stoffe, bei denen das Risiko ren so unterschiedlich, dass die folgen-
einer Schädigung groß ist, d. h. dass den Zahlen nur als grobe Schätzwerte
schon kleine Dosen gefährlich sind und zu bewerten sind. Man nimmt an, dass
man mit steilen Dosiswirkungskurven etwa 25 Personen von 10.000 eine Ver -
rechnen muss. Giftwirkungen sind letzt- giftung erleiden und dass etwa 0,5%
lich gesundheitsschädliche Folgen bio- aller Todesfälle auf eine Vergiftung zu -
logischer Wechselwirkungen chemi- rückzuführen sind; zum Vergleich sind

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


224 To x i k o l o g i e

etwa 7% aller Todesfälle auf Unfälle im Unter der Rubrik andere Noxen ist vor
Straßenverkehr zurückzuführen. allem Kohlenmonoxid als herausragende
In der Tabelle 1 werden Stoffe bzw. Vergiftungsursache zu nennen.
Stoffgruppen genannt, die häufig zu
Vergiftungen führen können. Es muss
betont werden, dass zwei Drittel aller Ätiologie von
Vergiftungen auf Arzneimittel, und das Vergiftungen
in den meisten Fällen auf rezeptpflichti-
ge Arzneimittel, zurückzuführen sind, Man unterscheidet akzidentelle Ver-
ein Umstand, der dem Arzt eine bedeu- giftungen, absichtliche Selbstbei brin -
tende Rolle bei der Prophylaxe gegen gung (Suizid) und absichtliche Fremd -
Vergiftungen zuteilt. beibringung (Mord oder Todschlag).
Bei den Arzneimitteln sind es vor allem Weit über die Hälfte aller Vergiftungen
Psychopharmaka, Analgetika, Schlaf - beim Erwachsenen sind absichtliche
mittel und Sedativa, Hustenmittel, Selbstbeibringung, also Suizid oder
Betablocker, Kalziumantagonisten und Suizidversuch, in den meisten Fällen mit
ACE-Hemmer, die im Vordergrund von Arzneimitteln. Bei Kindern steht die ak -
Vergiftungen stehen. Im Haushalt sind zidentelle Vergiftung im Vordergrund
es Waschmittel und Kosmetika, und in und absichtliche Fremdbeibringung
der Landwirtschaft Schädlingsbe - wird als äußerst selten eingestuft (unter
kämpfungsmittel, die gefährlich sind. 1% aller Vergiftungen).

Tab. 1: Häufigkeiten von Vergiftungen nach Substanzgruppen


Arzneimittel 67%
Haushaltsprodukte (inkl. Nahrungsmittel und Kosmetika) 10%
Technische Produkte (inkl. Landwirtschaft) 10%
Genussmittel, Drogen und Alkohol 6%
Pflanzen und Pilze 4%
Andere oder unbekannte Noxen 3%
(Schweizerische Ärztezeitung 2006/87:2)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


221

TOXIKOLOGIE

Gifte und Vergiftungen


Häufigkeiten
Ätiologie von Vergiftungen

Allgemeine Toxikologie
Allgemeine Diagnose
Grenzwerte
Erstmaßnahmen bei Vergiftungen

Spezielle Toxikologie
Gasförmige Stoffe mit systemischer Wirkung
Gasförmige Stoffe mit lokaler Reizwirkung (Reizgase)
Flüssigkeiten bzw. Lösungsmittel
Schwermetalle
Pestizide
Chemische Karzinogene
Karzinogene Naturstoffe
Metalle und Festkörper
Giftpflanzen und Pflanzengifte
Giftpilze und Pilzgifte
Gifttiere und Tiergifte

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 225

Allgemeine Toxikologie
Für eine Giftwirkung maßgebend sind: men, während die chronische Arsenver-
 Die Expositionsphase giftung Hautkrebs verursacht. Eine chro-
nische Vergiftung kann durch Kumula-
 Die pharmakokinetische Phase tion kleiner Dosen im Körper (z.B. Thalli-
(Toxikokinetik) um) oder Summation wiederholter Effek-
 Die pharmakodynamische Phase te (Karzinogene) hervorgerufen werden.
(Toxikodynamik)
Toxikokinetische Phase
Expositionsphase Wie in der Pharmakologie sind Auf-
Ist bei einem Arzneimittel hauptsäch- nahme, Verteilung und Elimination
lich die Dosis für das Ausmaß der Wir - eines Stoffes im Körper für Verlauf und
kung verantwortlich, kommt bei Vergif - Dauer einer Vergiftung verantwortlich.
tungen noch die Einwirkungsdauer als Aufnahme: Die meisten Vergiftungen
wichtiger Faktor hinzu. Daraus ergeben erfolgen auf peroralem Wege, ein weite-
sich die Begriffe akute Vergiftung, bei rer häufiger Aufnahmeweg ist die In-
der meist einmalig oder wenige Male halation. Bei dieser ist noch die resorptive
hohe Dosen eines Stoffes in den Körper (z.B. Blausäure) von der lokalen (z.B.
gelangen und chronische Vergif - Salzsäure) Wirkung zu unterscheiden.
tung, bei der die Giftexposition über
einen längeren Zeitraum anhält. Ist bei Verteilung: Wie bei Arzneimitteln
der akuten Vergiftung die Latenzzeit, erfolgt die Verteilung von Giftstoffen
das ist die Zeit von der Aufnahme des entsprechend ihrer physikochemischen
Giftes bis zum Auftreten von Symp - Eigenschaften.
tomen, auf wenige Sekunden bis Tage Elimination: Diese umfasst den
beschränkt, kann es bei einer chroni- Metabolismus und die Ausscheidung.
schen Vergiftung sehr lange dauern bis Einer besonderen Bedeutung kommt
erste Symptome auftreten. Dabei ist der dabei dem Metabolismus zu, zumal
Beginn oft schleichend und es kann, Giftstoffe nicht nur entgiftet werden,
auch nach Jahren, plötzlich ein akutes sondern auch erst im Körper die gifti-
Krank heitsgeschehen auftreten (z.B. gen Metaboliten entstehen können (Bio-
chronische Bleivergiftung). Ein und der- aktivierung, Giftung). Diese Bioakti -
selbe Stoff kann unter akuten oder unter vierung kann sehr unterschiedlich lau-
chronischen Bedingungen völlig unter- fen wie die folgenden Beispiele zeigen:
schiedliche Symptome hervorrufen: So Tetrachlorkohlenstoff wird in Leber -
führt die akute Arsentrioxidvergiftung zellen zu einem Trichlormetan-Radikal
zu schweren gastrointestinalen Sympto- metabolisiert, welches die Leberzellmem-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


226 To x i k o l o g i e

branen irreversibel schädigt. Benzol nicht mehr als wissenschaftlich begründ-


wird in der Leber zu Phenol oxidiert, bar. Der Umstand, dass ein Tier an einer
welches dann im Knochenmark, dem bestimmten Dosis stirbt, gibt keinen
Ort der Schädigung, weiter zu einem Aufschluss über die zugrundeliegenden
Chinon oxidiert wird. Ist das Zielgewebe Mechanismen, ist aber einfach zu beob-
aber beispielsweise die Nervenzelle, so achten. Heute werden Stoffe eher in
kann sie selbst nicht metabolisieren, Toxizitätsklassen eingeteilt.
wird aber durch z. B. in der Leber her-
gestellte Metaboliten geschädigt. Dies
ist der Fall bei einer n-Hexan Belastung, Allgemeine Diagnose
bei der in der Leber ein Diketon ent-
steht. Die Möglichkeit der Speiche- Da etwa 5% aller akuten Krankenhaus-
rung hat keine besondere Bedeutung, aufnahmen auf Vergiftungen zurückge-
trifft z. B. für Silbersulfid und DDT zu. führt werden (davon sehr häufig Arz -
Ausscheidung: wie bei Arzneistoffen neimittelvergiftungen) und sehr viele
steht auch bei Giftstoffen die Niere als Krankheitssymptome durch Gifte simu-
Ausscheidungsorgan im Vordergrund. liert werden können, ist für das Er -
Stoffe können jedoch auch über die kennen einer Vergiftung das wichtigste,
Leber mit den Fäzes, über die Haut, an eine solche zu denken. Da spezifi-
über die Lunge und, unter Umständen sche Symptome selten sind, muss un -
gefährlich, über die Muttermilch ausge- spezifischen Symptomen bzw. Symptom-
schieden werden. Letzteres trifft vor komplexen entsprechende Bedeutung
allem auf ubiquitär verteilte Schadstoffe beigemessen werden. Wichtig ist auch
wie DDT, PCB, HCH, TCDD etc. zu. eine genaue Erfassung des Umfeldes
und der Begleitumstände. Bewusst -
Toxikodynamische Phase seinsstörungen, akute gastrointestinale
Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und
Wie in der Pharmakologie lassen sich Durchfälle, Pupillenweite, Hautfarbe
toxische Wirkungen mit statistischen und Temperatur sowie der Geruch der
Methoden beschreiben. Gibt man einer Ausatmungsluft können wichtige Hin -
Gruppe von Individuen steigende Dosen weise liefern. Ein nicht traumatisches
eines Giftes und beobachtet eine „alles Koma, plötzlich auftretende Herz -
oder nichts“ Reaktion wie Krampf oder rhythmusstörungen, Krämpfe, Ikterus,
Tod, werden bei einer kleinen Dosis nur blutiges Erbrechen und blutiger Stuhl
wenige Tiere reagieren, mit zunehmen- oder Mundtrockenheit, um einige
der Dosis steigt die Zahl der Tiere, bis Symptome zu nennen, können ihre
bei einer Dosis alle Tiere reagieren Ursache in einer akuten Vergiftung
(siehe Abbildung 1, Seite 6). Wird als haben. Bei chronischen Vergiftungen
Wirkung der Tod gemessen, so wird die können Polyneuropathien im Vorder -
Dosis, bei der 50% der Versuchstiere grund stehen.
sterben, als LD50 bezeichnet. Die LD50
Um die Menschen am Arbeitsplatz
ist also die Dosis eines Stoffes, bei der
und im Freien vor übermäßiger Schad-
50% eines Kollektivs sterben.
stoffeinwirkung zu schützen, hat der
In der modernen Toxikologie gilt die Gesetzgeber für viele Stoffe Grenzwerte
Ermittlung eines exakten LD50 Wertes eingesetzt.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 227

Grenzwerte Tab. 2: Wichtige Grenzwerte


Definitionen der MAK Maximale Arbeitsplatzkonzentration
Grenzwerte (gekürzt) BAT Biologischer Arbeitsstoff-Toleranz-Wert
Der MAK-Wert ist die höchstzulässi- TRK Technische Richtkonzentration
ge Konzentration eines Arbeitsstoffes
ADI Acceptable Daily Intake
als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der
Luft am Arbeitsplatz, die bei täglich 8 MIK Maximale Immissionskonzentration
stündiger Exposition im Allgemeinen
die Gesundheit der Beschäftigten nicht
beeinträchtigt und diese nicht unange- ADI-Werte werden von der Welt -
messen belästigt. gesundheitsorganisation (WHO) erlas-
In den MAK-Wert Tabellen werden die sen und geben die maximale tolerierba-
Angaben noch ergänzt durch Informa - re Aufnahmemenge eines Schadstoffes
über die Nahrung an.
tionen über Hautresorption, Sensibili -
sierung, Fotosensibilisierung und Spitzen- Die MIK ist die maximal zulässige Kon-
konzentrationen, Hinweise für Schwan - zentration eines luftverunreinigenden
gere werden in 4 Kategorien angege- Stoffes, die bodennah im Freien für
ben. Mensch, Tier oder Pflanze bei dauern-
der Einwirkung als unbedenklich anzu-
Der BAT-Wert ist die beim Menschen
sehen ist. MIK-Werte gibt es nur für
höchst zulässige Quantität eines Ar -
NO 2, Ozon, SO 2 und Staub.
beitsstoffes oder die dadurch ausgelö-
ste Abweichung eines biologischen Die Dimension von MAK, TRK und MIK
Indikators von seiner Norm. BAT-Werte ist ppm (part per million) was gleich
werden in der Alveolarluft, im Vollblut, bedeutend ist mit cm3/m3 für Gase
in Erythrozyten, im Plasma oder im Harn oder mg/m3 für Stäube.
gemessen. Für Innenräume gibt es keine gesetz-
Der TRK-Wert wurde für krebserzeu- lichen Grenzwerte, jedoch werden Richt-
gende und erbgutändernde Arbeits - werte angegeben, die Empfehlungs -
stoffe eingeführt, für die keine MAK- charakter haben.
Werte ermittelt werden können. Unter Anmerkung: In Deutschland wurde
TRK-Wert eines gefährlichen Arbeits - in der Gefahrstoffverordnung in der
stoffes versteht man diejenige Konzen - Neufassung vom 1. Jänner 2005 der
tration als Gas, Dampf oder Schweb - Begriff MAK durch den Begriff Ar -
stoff in der Luft, die als Anhalt für die beitsplatzgrenzwert (AGW) und der
zutreffenden Schutzmaßnahmen und Begriff BAT durch den Begriff Biologi-
die messtechnische Überwachung am scher Grenzwert (BGW) ersetzt. Der Be-
Arbeitsplatz heranzuziehen ist. TRK- griff TRK kommt in dieser Verordnung
Werte sind keine MAK-Werte; auch bei nicht mehr vor. In Österreich und in der
Einhaltung der TRK-Werte ist eine Ge - Schweiz sind nach wie vor die Begriffe
sundheitsgefährdung nicht vollständig MAK, BAT und TRK in Verwendung.
auszuschließen.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


228 To x i k o l o g i e

Erstmaßnahmen Maßnahmen hängen von der Natur des


Gases ab.
bei Vergiftungen
Nach perkutaner Kontamination mit
Diese umfassen unter Beachtung der giftigen oder aggressiven Stoffen ist es
eigenen Sicherheit die Verhin de rung wichtig, die Kleider zu entfernen und
weiterer Resorption, respektive Einwir- die Haut mit viel Wasser zu waschen.
kung des Giftes, die Aufrechterhaltung Am Auge wird vor allem spülen mit viel
von lebenswichtigen Organ funktionen, Wasser unter zwanghafter Offenhal -
die Gabe von Gegenmitteln und die tung des Auges empfohlen. Chemische
Beschleunigung der Giftelimination. Neutralisationen sollen nicht versucht
werden.
Die sogenannte primäre Giftelimi-
Sekundäre Giftelimination: Bereits
nation betrifft das Entfernen des Giftes
aufgenommenes Gift muss rasch elimi-
vom bzw. aus dem Organismus zur
niert werden. Aus dem Darm gelingt es
Hemmung weiterer Resorption. Nach
mit rasch wirkenden Abführmitteln (sa -
oraler Gabe kann mit Sirup Ipecacuan-
linische Abführmittel), über die Niere mit
hae 1 Erbrechen ausgelöst werden, um
forcierter Diurese und extrakorporal durch
das nicht resorbierte Gift aus dem Ma -
Hämoperfusion oder Hämodialyse.
gen zu entfernen. Diese Maßnahme ist
kontraindiziert bei Vergiftungen mit
Säuren, Laugen, Tensiden, organischen
Aufrechterhalten
Lösungsmitteln und Bewusstlosigkeit. von Organfunktionen
Eine Magenspülung wird heute von Dazu gehören Aufrechterhaltung der
den meisten Vergiftungszentren als zu Atmung, der Herzkreislauffunktion, der
gefährlich abgelehnt. In Einzelfällen muss Nierentätigkeit und der Temperaturre-
sie unter strengsten Kautelen (z.B. In - gulation.
tubation) durchgeführt werden. Un -
bedenklicher ist die Gabe von Aktiv - Gabe von Gegenmitteln
kohle, die eine große Zahl gängiger Spezifische Gegenmittel (Antidote) sind
Giftstoffe absorbieren und damit ent- leider nur für wenige Vergiftungen be -
giften kann. Nicht wirksam ist Aktiv - kannt. In der folgenden Tabelle werden
kohle bei Ethanolvergiftung, Methanol - einige Beispiele von Antidota angeführt,
vergiftung, Vergiftung mit Schwerme- wobei es wichtig ist, dass diese rasch
tallen, organischen Lösungsmitteln, Säu- eingesetzt werden können.
ren und Laugen.
Es gibt noch weitere mehr oder weni-
Nach Inhalation von giftigen Stoffen ger spezifische Gegenmittel, jedoch,
ist es wichtig, den Patienten aus der gif- gemessen an der hohen Zahl möglicher
tigen Atmosphäre in die frische Luft zu Gifte sind es viel zu wenige und die
bringen. Bei vielen Vergiftungen reicht Therapie bleibt in vielen Fällen sympto-
diese Maßnahme bereits aus. Andere matisch.

1 A, CH, D: Orpec-Sirup

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 229

Tab. 3: Antidota
Art der Vergiftung Antidot
Opioide Naloxon
Benzodiazepine Flumazenil
Paracetamol N-Acetylcystein
Organophosphate Atropin oder Oxime
Schwermetalle Chelatbildner (EDTA, DMPS,
Deferoxamin u.a.)
Methämoglobinbildner Redoxfarbstoffe
Blausäure, Cyanide Natriumthiosulfat
Dimethylaminophenol (DMAP)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


230 To x i k o l o g i e

Spezielle Toxikologie
Im Kapitel „Spezielle Toxikologie“ werden einzelne Gifte bzw. giftige
Stoff gruppen besprochen. In kurzer Form sollen jeweils die
folgenden Angaben gemacht werden.
Vork.: Eigenschaften des Stoffes, Vorkommen und Vergiftungs-
möglichkeiten
WM: Wirkungsmechanismus, sofern bekannt
Tox.: Toxizität, Angaben zur Giftigkeit mit Hilfe von MAK-Werten,
MIK-Werten und/oder LD50-Werten
Akute Verg.: Verlauf und Symptome der akuten Vergiftung
Chron. Verg.: Verlauf und Symptome der chronischen Vergiftung
Diagn.: Diagnostische Möglichkeiten
Ther.: Therapeutische Maßnahmen

Gasförmige Stoffe mit ursache sind Autoabgase in geschlosse-


nen Räumen sowie schadhafte Hei -
systemischer Wirkung zungsanlagen. Vom Ort der Entstehung
steigt es langsam auf und durchdringt
Wichtige Vertreter und ihre Mauern und Decken. CO entsteht ferner
Kurzbezeichnungen bei Schwelbränden, bei Kohle- und Erz -
verarbeitung und ist Bestandteil des Ta -
Kohlenmonoxid (CO)
bakrauchs. Die häufigste Todesursache
Kohlendioxid (CO 2)
Blausäure (HCN) und Cyanide
aufgrund einer CO Vergiftung ist der
Schwefelwasserstoff (H 2S) absichtliche oder unabsichtliche „Ga -
ragentod“.
WM: CO hat eine 200-300fach höhe-
Kohlenmonoxid (CO) re Affinität zum zweiwertigen Eisen im
Vork.: CO ist ein farb-, geruch- und Hämoglobin-Molekül als der Sauerstoff.
geschmackloses Gas mit einer ähnli- Dementsprechend verdrängt es schon
chen Dichte wie Luft, das daher keine in geringster Konzentration Sauerstoff
Warnwirkung aufweist. Es entsteht bei von seinem Transportvehikel und es
unvollständiger Verbrennung kohlenstoff- kommt zu Sauerstoffmangel. Aus dem
haltiger Materialien. Hauptvergiftungs - Sauerstoffgehalt der Luft (20%) und der

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 231

Affinität von Kohlenmonoxid errechnet krosen, Nervenlähmungen, Sinnesstörun-


sich, dass bei etwa 0,07% CO in der gen, Darm- und Blasenlähmungen, Epi -
Einatmungsluft bereits 50% des gesam- lepsie, Encephalitis, psychische Störun -
ten Hämoglobins blockiert sind, was gen und Nervenentzündungen. Auch
bereits eine schwere Vergiftung aus- leichte akute Vergiftungen können zu
macht. Da auch die CO 2 -Transport - schweren Nachkrankheiten führen.
kapazität unter CO abnimmt kommt es Chron. Verg.: Unspezifische Symp -
also zu einer schweren Hypoxie, aber tome wie Antriebsverlust, Gedächtnis-
auch zu einer metabolischen Acidose. schwäche und Psychosen könnten auf
Körperliche Arbeit beschleunigt den chronische CO-Belastung zurückzu-
Verlauf der Vergiftung. Zu Zellschädi- führen sein. Die Zusammenhänge sind
gungen kommt es durch freigelöstes nicht gesichert.
CO. Darüber hinaus hemmt CO eine
Reihe von Enzymen, wirkt auf die Diagn.: Ein CO Vergifteter zeichnet
Schilddrüse und den Glukosestoff wech- sich durch rosige (kirschrote) Farbe von
sel. Haut und Schleimhäuten aus.
Tox.: Die MAK für CO beträgt 30 ppm, Ther.: Die wichtigste therapeutische
zu Vergiftungen kommt es ab einem Maßnahme ist Beatmung, entweder mit
Hb-CO-Gehalt über 20%, 50% Hb-CO- reinem Sauerstoff oder besser mit Car -
Gehalt sind lebensgefährlich und bei bogen (O 2 + 5% CO2). Bei Auftreten
über 70% Hb-CO tritt der Tod in weni- eines Hirnödems müssen Glucocortico-
gen Minuten ein. ide systemisch verabreicht werden.
Wichtig ist die Behandlung einer u.U.
Akute Verg.: Die Symptome der aku- vorliegenden Acidose.
ten Vergiftung sind abhängig vom Hb-
CO-Gehalt im Blut:
Kohlendioxid (CO 2)
 Bei 5-10% kommt es zu Visus-
Vork.: CO 2 ist ein farb- und geruch-
einschränkung
loses Gas, schwerer als Luft und mit
 Bei 10-20% treten leichter Kopf- 0,03% Anteil Bestandteil der Luft. Es ist
schmerz, Mattigkeit, Unwohlsein ein Endprodukt der alkoholischen
und Kurzatmigkeit auf Gärung (Gär- und Weinkeller), entsteht
 Bei 20-30% kommt es zu Schwindel, bei Feuer, Fäulnis, in Jauchengruben
Bewusstseinseinschränkung, und in Getreide- und Grünfuttersilos.
Gliederschlaffheit Serienvergiftungen in Gärkellern und
Grünfuttersilos sind nicht selten.
 Bei 30-40% zu rosa Haut, Bewusst-
seinsschwund und flacher Atmung WM.: Ab 3-4% CO2 in der Luft kann
das körpereigene CO2 nicht mehr abge-
 40-60% führen zu tiefer Bewusst- atmet werden. Es kommt zu Acidose
losigkeit und Lähmungen, und letztlich zu Sauerstoffmangel.
 60-70% sind tödlich in wenigen Tox.: Die MAK beträgt 5000 ppm
Minuten bis einer Stunde (=0,5%), Symptome können allerdings
 70% sind tödlich in wenigen Minuten bereits ab 0,1% auftreten.
Spätschäden bzw. Nachkrankheiten Akute Verg.: Ab 4-5% CO2 in der Ein-
sind Hirnschädigungen, Herzmuskel ne- atmungsluft entstehen Kopfschmerzen,

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


232 To x i k o l o g i e

Ohrensausen, Herzklopfen, Blutdruckan- Tox.: Die MAK von HCN beträgt 10ppm.
stieg, psychische Erregung, Schwindel Die tödliche Dosis für den Menschen
und Benommenheit, 8-10% führen zu liegt bei ca. 1 mg/kg Blausäure bzw. bei
Atemnot, Blutdruckanstieg, Taumeln, 2 mg/kg Cyanid.
Krämpfen und Bewusstlosigkeit. 12% be- Akute Verg.: Die Inhalation von Blau-
wirken einen tödlichen Atemstillstand. säure führt sehr rasch zum Tod. Die
Chron. Verg.: Eine chronische Ver- Symptome sind ein warmes Gefühl im
giftung mit diesem körpereigenen Stoff- Hals, Lufthunger, kurze Hyperpnoe,
wechselprodukt ist nicht bekannt. Kollaps, Apnoe, Krämpfe und rote
Haut, da das Hämoglobin den Sauer -
Ther.: Rasche Frischluftzufuhr ist meist
stoff nicht ans Gewebe abgeben kann.
ausreichend, in schweren Fällen kann
Bei der oralen Aufnahme von Cyaniden
mit Sauerstoff beatmet werden. Die Aci-
wird durch die Magensäure HCN freige-
dosebehandlung erfolgt mit Puffer -
setzt und durch die dabei entstehende
lösungen.
Lauge ein Brechreiz ausgelöst. Die
Symptome sind Lufthunger und Hyper -
Blausäure (HCN) pnoe, Erbrechen, Bewusstlosigkeit,
und Cyanide Krämpfe, Tachykardie und der Tod tritt
Vork.: Blausäure ist eine farblose innerhalb von 10-20 Minuten ein. Bei
Flüssigkeit mit einem Siedepunkt von Aufnahme von Kaliumcyanid in gelöster
26°C. Sie hat einen charakteristischen Form kann das auch viel rascher vor sich
Geruch nach Bittermandeln, der nicht gehen.
von allen Menschen wahrgenommen wer- Chron. Verg.: Eine chronische Ver-
den kann. Cyanide sind die Salze der Blau- giftung ist nicht bekannt; bei chroni-
säure und liegen in kristalliner Form vor. scher Zufuhr wird durch das körperei-
Blausäure und Cyanide werden in gro - gene Enzym Rhodanase Cyanid in Thio -
ßen Mengen in der Edelmetallindustrie, cyanat umgewandelt, das zu einer Hypo-
in der Galvanisierung, beim Goldschmied thyreose führen kann.
und in der Farbstoffindustrie verwendet. Diag.: Charakteristisch sind der Bitter-
Blausäure wird eingesetzt als Pestizid zum mandelgeruch und die rote Haut
Ausgasen großer Räume, entsteht bei
Ther.: Bei HCN-Exposition ist es wich-
Bränden, z.B. aus Polyurethanschaumstof-
tig, den Betroffenen aus der giftigen
fen und ist im Tabakrauch enthalten.
Atmosphäre zu bringen. Wird dieser
WM.: Das Cyanid-Anion bindet an das Schritt überlebt, tritt eine rasche Er-
dreiwertige Eisen der Cytochro moxi - holung ein. Bei oraler Aufnahme von
dase, ein Enzym, das an der Zellatmung Cyaniden soll Kaliumpermanganat p.o.
beteiligt ist. Darüber hinaus blockiert es zur Oxidation und Natriumthiosulfat i.v.
eine Reihe anderer Enzyme wie die als Schwefellieferant für die körpereige-
Xanthinoxidase, die Carboanhydrase, ne Rhodanase gegeben werden. Met -
die Nitritreduktase u.a. Durch die hämoglobinbildner oxidieren das zwei-
Blockade der Cytochromoxidase wird die wertige Eisen im Hämoglobin zu drei-
Zellatmung unterbrochen und vor allem wertigem, welches einen großen Teil
im Nervensystem bricht sehr rasch der der Cyanidionen auffangen kann. Die
Energiestoffwechsel zusammen. Methämoglobinbildung erfolgt mit Na -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 233

triumnitrit oder besser mit γ-Dimethyl-


aminophenol; wirksam ist auch eine Schleimhautreizende Gase und
Komplexbildung mit Kobald in Form von ihre chemische Abkürzung in
Kobald EDTA oder Hydroxocobalamin. der Reihenfolge ihrer zuneh-
menden Lipidlöslichkeit
Schwefelwasserstoff (H2S) Ammoniak (NH 3)
Salzsäure (HCl)
Vork.: H2S entsteht bei Zersetzung
Formaldehyd (HCOH)
schwefelhaltiger Aminosäuren, also bei
Schwefeldioxid (SO2)
Fäulnisprozessen, tritt auf in Schwefel -
Chlorgas (Cl2)
quellen, in Vulkangasen und den Ab -
Bromgas (Br 2)
wässern von Zuckerfabriken, Gelatine - Ozon (O3)
fabriken und Gerbereien. H2S entsteht Stickstoffoxid (NO2)
auch in hohen Konzentrationen in Phosgen (COCl2)
Jauche und Abwassergruben, Reihen- Rauch- und Brandgase
vergiftungen sind nicht selten.
WM: H2S inaktiviert schwermetallhal-
tige Enzyme, ähnlich dem Cyanidanion. hängig Eiweiß denaturieren und so die
Atemwege bei Inhalation schädigen.
Tox.: Die MAK von H2S beträgt 10ppm.
Das Krankheitsbild wird von der Wasser-
Akute Verg.: Übelkeit, Erregung und löslichkeit bestimmt und zwar schlagen
Schwindel, ab 1400ppm tritt Bewusst - sich Reizgase mit hoher Wasser lös -
losigkeit und Atemstillstand ein (apo- lichkeit auf den Schleimhäuten der
plektiforme Vergiftung). Weitere Schä- Trachea und am Auge nieder (Ammo-
den betreffen das Myokard und den niak, Salzsäure-Dämpfe und Formalde-
Gastrointestinaltrakt. H 2S kann auch ein hyd), Reizgase mittlerer Wasserlöslich-
Lungenödem verursachen. keit schädigen die Bronchien und die
Chron. Verg.: Diese ist nicht genau Bronchiolen (Schwefeldioxid, Chlor- und
bekannt, ein Hinweis auf Karzinogeni- Bromgas), und Reizgase mit schlechter
tät existiert nicht. Spätfolgen können Wasserlöslichkeit respektive guter Lipid -
Lungenentzündung, Herzmuskel dege - löslichkeit schädigen die Alveolen der
nerationen, Intelligenzdefekte und Ge - Lunge (Ozon, Nitrose-Gase, Phosgen).
wichtsabnahme sein. Reizgase mit hoher Wasserlöslich-
Ther.: Eine spezifische Therapie exi- keit führen zu Verätzungen, langwieri-
stiert nicht. gen Entzündungen, Stimmritzenkrampf,
Glottisödem und verheilen unter Nar -
benbildung. Reizgase mittlerer Wasser-
Gasförmige Stoffe mit löslichkeit verursachen einen starken
Hustenreiz, führen zu Schleimabson -
lokaler Reizwirkung derung in den Bronchien, zu Broncho -
(Reizgase) konstriktion und Spasmus. Spätfolgen
können Bronchitis und Broncho pneu-
Schleimhautreizende Gase (Reizgase) monie sein. Reizgase hoher Lipidlös-
sind chemisch unterschiedliche, stark lichkeit führen zu exudativen Entzün-
reaktive Stoffe, die konzentrationsab- dungen im Bereich der Lungenalveolen.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


234 To x i k o l o g i e

Es kommt zu Austritt von Blutflüssigkeit position kann zu Entzündungen am Au -


in den Interstitialraum, zu einer Ver - ge und in den Atemwegen führen.
breiterung der Diffussionsstrecke von
Sauerstoff und CO2 und letztlich zu Chlorwasserstoff,
einem Lungenödem mit starker Salzsäure (HCl)
Schaumbildung. Die Inhalation verur-
sacht zuerst keine subjektiven Vork.: Chlorwasserstoff in wässriger
Beschwerden, dann kommt es zu Lösung heißt Salzsäure und diese ist ein
Beschwerden bei Anstrengung und häufig verwendetes Lösungsmittel in
noch später schon bei Lagewechsel. Haushalt, Landwirtschaft, Industrie und
Nach mehrstündiger Latenz kommt es Technik.
zum toxischen Lungenödem und unter WM: Chlorwasserstoff verbindet sich
Umständen zum Tod durch Ersticken. mit der Feuchtigkeit der Luft und wirkt
Ther.: Reizgas-exponierte Personen als Salzsäure auf den Schleimhäuten. Es
sollen auch ohne Symptomatik sta- ist ein starker Reizstoff, besonders für
tionär eingewiesen werden und strenge die oberen Atemwege und die Augen,
Bettruhe ist einzuhalten. Das toxische aber auch für die Haut.
Lungenödem entwickelt sich in Ab - Tox.: Die MAK beträgt 8 ppm.
hängigkeit von der Arbeitsleistung und
der aufgenommenen Flüssigkeitsmenge Akute Verg.: Bei Inhalation treten
nach Exposition. Eventuell wird der Glottisödem, Bronchospasmus, Broncho-
Patient mit Diazepam ruhig gestellt, pneumonien und Lungenödem auf und
Sauerstoff- Beatmung durchgeführt und es besteht Erstickungsgefahr. Am Auge
Glucocorticoide inhalativ oder intra- können schwere Entzündungen an der
venös verabreicht. Bindehaut auftreten.
Chron. Verg.: Bei chronischer Expo-
Ammoniak (NH 3) sition kommt es zu Entkalkungser -
Vork.: Ammoniak ist ein stechend scheinungen an den Zähnen und zu
riechendes Gas, gut wasserlöslich und Zahnfleischveränderungen.
bildet mit Wasser Ammoniumhydroxid
(NH4OH), eine stark alkalische Flüssig- Formaldehyd (HCOH)
keit. In komprimiertem Zustand findet Vork.: Formaldehyd ist ein techni-
sich Ammoniak in Kühlanlagen und ist sches Härtungsmittel in der Kunststoff-
ein wichtiges Lösungsmittel in der che- industrie, wird verwendet als Desinfek-
mischen Industrie. tionsmittel, zur Konservierung von Lei-
WM.: Die Wirkung auf die Schleim- chenteilen, als Saatbeizmittel und ent-
häute des Atmungstraktes ist eine Lau - steht als normaler Metabolit im Körper
genverätzung. im C-1 Stoffwechsel. In Innenräumen
Tox.: Die MAK beträgt 25 ppm. von Neubauten liegt die Formaldehyd -
konzentration meistens monatelang über
Akute Verg.: Nach Inhalation kann mit der wünschenswerten Raumkonzentra -
erheblicher Latenz eine Kolliquationsne- tion von 0,025 ppm und führt in Büro-
krose und ein Glottisödem auftreten. und Wohnungsräumen zu einer starken
Chron. Verg.: Berufliche Langzeitex- Belastung der betroffenen Personen.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 235

WM: Formaldehyd reagiert mit Pro- Tox.: Die MAK beträgt 5 ppm, die
teinen und zerstört ihre biologische Ak - MIK 200 μg/m3 (=200 ppb).
tivität. Akute Verg.: Schwefeldioxid führt zu
Tox.: Die MAK beträgt 1 ppm, Form- starken lokalen Reizerscheinungen und
aldehyd gilt als potentiell karzinogen, Bronchitis, nach längerer Einwirkung
(d.h., dass im Tierversuch eine karzino- auch zu Bronchopneumonie und in
gene Wirkung nachgewiesen wurde, schweren Fällen zu einem toxischen
ein Beweis am Menschen jedoch nicht Lungenödem. Am Auge kann es zu
erbracht worden ist), Reizungen sind ab schmerzhafter Konjunktivitis führen.
0,05 ppm möglich, krankmachend ist
Chronische Verg.: Chronische Symp-
es ab 0,3 ppm.
tome sind: chronische Bronchitis, Ent -
Akute Verg.: Formaldehyd führt zu zündung, Hypersekretion, Husten, Appe-
Hautreizungen, Augenreizungen, Reizun- titlosigkeit, Obstipation und Reizer -
gen im Atmungstrakt, Kopfschmerzen scheinungen im Atmungstrakt.
und Übelkeit. Trinken von Formaldehyd-
lösung führt zu schwerer Schleim - Chlor (Cl 2)
hautreizung, zu Magen- und Würge -
Vork.: Elementares Chlor ist ein grün-
krämpfen, blutigem Erbrechen, Nekro -
gelbes Gas mit stechendem Geruch. Es
sen, sowie zu Lungen- und Hirnödem.
ist in Druckflaschen im Handel und wird
Chron. Verg.: Als körpereigenes Stoff- zur Wasserdesinfektion in Hallen- oder
wechselprodukt bewirkt Formalde hyd auch Freibädern verwendet.
keine chronische Vergiftung, außer bei
WM.: Chlor ist ein starker Reizstoff
ständiger Einatmung eine asthma ähn-
für die Schleimhäute der oberen und
liche Sensibilisierung des Atmungstrakts.
tieferen Luftwege und kann dort tiefge-
hende schmerzhafte Nekrosen verursa-
Schwefeldioxid (SO 2) chen.
Vork.: Schwefeldioxid ist ein stechen-
Tox.: Die MAK beträgt 0,5ppm,
des Gas. Es wird als Konservierungs-
20ppm sind lebensgefährlich, 50ppm
mittel, als Desinfektionsmittel zum Aus -
tödlich.
räuchern von Fässern oder Räumen, als
Bleichmittel in der Zelluloseindustrie Akute Verg.: Durch Reizwirkung auf
und in Kühlsystemen verwendet. Es ent- die Schleimhäute kommt es zu Husten,
steht bei der Verbrennung fossiler Schnupfen und Augentränen. Bei län-
Brennstoffe wie Kohle und Heizöl, bei gerer Einwirkung kommt es zu blutiger
Erzverarbeitung, bei der Zementher - Sekretion und Lungenentzündung, auch
stellung und beim Hausbrand. Schwe - zu Lungenödem.
feldioxid ist ein wichtiges Leitgas der
Umweltverschmutzung. Brom (Br 2)
WM: SO2 ätzt die Schleimhaut durch Vork.: Brom ist eine dunkelbraune,
Bildung von schwefeliger Säure nach- leicht flüchtige Flüssigkeit mit starker
haltig. Es zeichnet sich aus durch einen Reizwirkung auf Haut und Schleimhaut.
besonders ausgeprägten subjektiven Es hat ähnliche Wirkungen wie Chlor-
Hustenreiz. gas, nur ist es stärker wirksam.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


236 To x i k o l o g i e

WM.: Brom ist ein starker Reizstoff der gefährdet. Bei 1 ppm kommt es zu
Schleimhäute, nach Zusatz von Wasser Epithelzellschädigungen, Entzündun -
entstehen Bromwasserstoffsäure und gen und Verletzung des Flimmerepi -
Sauerstoff, der zusätzlich oxidative thels.
Schäden verursacht. Chron. Verg.: Es kommt zu chroni-
Tox.: Die MAK beträgt 0,1 ppm. scher Bronchiolitis, zu Fibrosen und
Lungenentzündung. Lungenfibrosen und
Akute Verg.: Nekrosenbildung an Haut
Lungenentzündung sind vor allem im
und Schleimhäuten und schlecht hei-
Tierversuch nachgewiesen.
lende Ulcera. Nach Einatmung Husten,
vermehrte Sekretion der Schleimhäute,
Nasenbluten, Schwindel, Erstickungs - Nitrose Gase (NO2)
gefühl und Bronchospasmus. Nach Ein - Vork.: Nitrose Gase sind ein Gemisch
atmung größerer Mengen entsteht ein verschiedener Stickstoffoxide (NO, NO2,
Lungenödem. N2O3 und N2O4). Das wichtigste, NO2,
ist ein braunes Gas mit stechendem
Ozon (O3) Geruch, das bei der chemischen Pro -
duk tion, beim Elektroschweißen und
Vork.: Ozon ist ein farbloses, leicht
beim autogenen Schweißen entsteht.
bläuliches Gas mit einem typischen
Wichtigste Vergiftungsquelle sind
Geruch, Geruchsschwelle 0,01 ppm.
Autoabgase, die 1.000 ppm enthalten.
Ozon entsteht aus Sauerstoff unter
Der Tabakrauch enthält 300 ppm NO2.
dem Einfluss von UV-Strahlung. Es ent-
steht bei älteren Röntgengeräten, bei WM: NO 2 verursacht ähnliche Ver-
alten Spektrophotometern und in der giftungssymptome wie Chlorgas in Be -
Umwelt in Ballungsgebieten, vor allem zug auf Lungenschädigung. Dazu
im Sommer. kommt noch Methämoglobinbildung.
WM: Ozon ist ein starkes Oxidations- Tox.: Die MAK beträgt 5 ppm, die
mittel, das unmittelbar zu einer Zell- MIK 200 μg/m 3 (200 ppb).
schädigung führt. Akute Verg.: NO2 verursacht konzen-
Tox.: Die MAK beträgt 0,1 ppm, in trationsabhängig Husten, Kopfschmer -
der Umwelt liegt der Vorsorgegrenz- zen, Müdigkeit, Übelkeit, Schwindel, Lun-
wert (Halbstundenmittelwert HMW) bei genschäden bis zum Lungenödem. Nach
120 μg/m3 und die Informationsschwelle einer Latenzzeit von 6-12 Stunden kommt
bei 180 μg/m3. Der Vorwarnwert (3 Stun- es zu Zyanose und blutig schaumigem
den Mittelwert) liegt bei 200 μg/m 3, Auswurf. Das Lungenödem verläuft oft
Warnstufe 1 bei 300 und Warnstufe 2 innerhalb von 24 Stunden tödlich.
bei 400 μg/m3. Bei diesen Konzentra- Chron. Verg.: NO2 führt zu systemi-
tionen sind vor allem Kinder gesund- schen Schäden, beeinträchtigt das
heitlich schon schwer gefährdet. Immunsystem und ist Ursache für Lun -
genkrebs beim Raucher.
Akute Verg.: Geht einher mit Husten,
Schmerzen unter dem Brustbein, Kurz-
atmigkeit, enger, trockener Kehle, Kopf- Phosgen (COCl2)
schmerz, Übelkeit und Änderungen der Vork.: Phosgen ist ein wichtiges
Lungenfunktion. Kinder sind besonders Zwischenprodukt bei organischen Syn -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 237

thesen und entsteht aus Chloroform WM: Säuren führen zur Koagulation
oder Tetrachlorkohlenstoff beim Kon - von Eiweiß, Laugen verflüssigen Eiweiß.
takt mit heißen Metallflächen. Im ers- In beiden Fällen kommt es zu Gewebs-
ten Weltkrieg wurde es als Kampfstoff zerstörung.
verwendet.
Tox.: Die Giftigkeit ist abhängig von
WM: Phosgen wirkt am stärksten hin- der Konzentration.
sichtlich Lungenödem. Es blockiert
Akute Verg.: An Haut und Schleim-
wichtige Stoffwechselvorgänge, wobei
haut führt Säure zur Koagulation von
die Enzymblockade sofort beginnt und
Eiweiß, welches das darunterliegende
der Tod vor dem Lungenödem eintreten
Gewebe vor weiterem Eindringen schützt
kann.
(gilt nicht für Flusssäure). Verletzungen
Tox.: Die MAK beträgt 0,1 ppm heilen unter starker Narbenbildung.
Akute Verg.: Nach vielen Stunden Basen hingegen verflüssigen Eiweiß und
Latenz kommt es zu tödlicher Lungen - die Gewebszerstörung erfolgt bis in die
ödementwicklung. Tiefe. Die Folge sind Gewebsnekrosen
mit langsamer Heilungstendenz (Kolli -
quationsnekrose). Letztlich heilen Säuren-
FLÜSSIGKEITEN bzw. und Laugenverletzungen an der Haut
LÖSUNGSMITTEL nur unter Hinterlassung starker Narben,
die oft operative Korrekturen erfordern.
Wasserlösliche Flüssigkeiten: Ther.: Nach oraler Säure- oder Laugen-
Säuren und Basen (Laugen) vergiftung soll so schnell wie möglich
Seifen und Tenside mit Wasser (ca. 300 ml) verdünnt wer-
Alkohole: Methanol, Ethanol den. Von Magenspülung ist abzuraten,
Organische Lösungsmittel: auch Neutralisationsbehandlungen wer-
Aliphatische Kohlenwasserstoffe den nicht mehr durchgeführt.
Aromatische Kohlenwasserstoffe
Halogenierte aliphatische Kohlen- Seifen und Tenside
wasserstoffe
Halogenierte aromatische Kohlen-
Vork.: Seifen und Tenside sind Haupt-
wasserstoffe bestandteile der Waschmittel und sind
chemisch Alkylsulphate, Alkylsulfonate,
Alkylbenzolsulfonate und Phosphatab -
Wasserlösliche kömmlinge. Man unterscheidet zwischen
anionischen, kationischen und nicht
Flüssigkeiten ionogenen Tensiden.
Säuren und Basen (Laugen) WM: Seifen und Tenside führen zur Hä-
Vork.: Die wichtigsten Säuren sind molyse (Zerfall der roten Blutkörperchen)
Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure und in der Folge zu Nierenschäden,
und Eisessig. Die wichtigsten Basen sind auch zerebrale Störungen sind möglich.
Natronlauge, Kalilauge und Ammoniak Tox.: Systemisch gefährlich sind vor
(Salmiak). Verwendet werden Säuren und allem kationische Tenside, die ganglien-
Laugen im Haushalt, in chemischen La - blockierende Eigenschaften aufweisen.
bors und in der Industrie. Anionische und nicht ionogene Tenside

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


238 To x i k o l o g i e

sind eher harmlos. Akute Vergiftung auf Wechselwirkungen von Alkohol


Haut und Schleimhaut führt zu lokalen mit Gewerbegiften: Gefährliche Wech-
Reizerscheinungen und am Auge zu Kon- selwirkungen mit Alkohol treten mit Ni-
junktivitis und Hornhauttrübung. Nach trobenzol, Nitrophenol, Nitroglykol, Di-
oraler Aufnahme kommt es zu Gastro - methylformamid, Trichlorethylen, Kalzium-
enteritis mit Erbrechen und Durchfäl- cyanamid (Kalkstickstoff), Schwefelkoh-
len. Beim Übertritt ins Blut tritt Hä- lenstoff und mit dem Faltentintling auf.
molyse auf. Werden Tenside inhaliert,
sind Lungenschädigungen die Folge. Methanol
Vork.: Methanol ist ein wichtiges
Alkohole Lösungsmittel für Beizen und Lacke,
Aliphatische Alkohole wirken narko- Polituren und Reinigungsmittel und
tisch, keimtötend und hämolytisch. Die - wird als Vergällungsmittel von Ethanol
se Eigenschaften und die Toxizität korre- verwendet. Vergiftungen kommen haupt-
llieren mit der Kohlenstoffzahl. Wäh - sächlich durch Verwechslung oder
rend Methanol und Propanol giftige durch Einnahme in suizidaler Absicht
Metaboliten bilden, ist Ethanol selbst zustande.
toxisch. Der Abbau der Alkohole erfolgt
WM: Methanol wird langsam zu
über die Alkoholdehydrogenase, zu der
Formaldehyd und dieser rasch zu Amei-
Ethanol die höchste Affinität aufweist.
sensäure oxidiert. Die Ameisensäure
führt letztlich zu einer lebensgefährli-
Ethanol
chen Acidose.
Vork.: Ethanol entsteht bei alkoholi-
Tox.: Die MAK beträgt 200 ppm, 30-
scher Gärung aus Zucker oder Stärke. Die
50 ml sind für einen Erwachsenen tödlich.
Gärung stoppt bei einem bestimmten
Alkoholgehalt (ca. 14%). Höhere Konzen- Akute Verg.: Sie beginnt mit einem
trationen werden durch Destillation er - Rauschzustand und nach einer Latenz
reicht. von einigen Stunden kommt es zu
gastrointestinalen Beschwerden, Übel-
WM: Der genaue molekulare Wirkungs-
keit und Erbrechen, Schwindel und
mechanismus ist unklar, doch sind eini-
Kopfschmerzen. Der Tod tritt durch
ge zentrale Signalwege betroffen.
Atemlähmung ein. Sehstörungen sind
Tox.: Die MAK beträgt 1.000 ppm. in den ersten Tagen reversibel, später
Akute Verg.: Im Vordergrund stehen kommt es zu einer irreversiblen Seh -
die zentral nervösen Alkoholwirkungen, nervschädigung mit der Gefahr der völ-
ab 2‰ tritt die narkotische Wirkung in ligen Erblindung.
den Vordergrund. Weitere Symptome Chron. Verg.: Bei Dauerexposition
sind Übelkeit und Erbrechen, Hyperven- kommt es zu Seh- und Hörnervdegene-
ti la tion, Hyperglykämie, heiße und rationen.
trockene Haut und Abnahme der
Ther.: Rasches Erbrechen kann die
Körpertemperatur (Erfrierungstod). weitere Resorption von Methanol hem-
Chron. Verg.: Chronische Alkohol- men. Aktivkohle ist wirkungslos. Ist
zufuhr führt zu Alkoholismus, der hier Methanol bereits ins Blut aufgenom-
nicht abgehandelt werden soll. men, ist es wichtig die Oxidation zu

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 239

Formaldehyd und Ameisensäure zu


hemmen. Dies geschieht durch rasche Chloroform
Gabe von Ethanol, dessen Affinität zur Tetrachlorethan
Alkoholdehydrogenase größer ist. Man Tetrachlorethen
Trichlorethan
erzeugt einen Blutspiegel von etwa 1‰
Trichlorethen
Ethanol. Wirksam hemmt auch das
Dichlormethan
Arzneimittel Fomepizol1 die Alkohol-
dehydrogenase. Eine bereits bestehen- Halogenierte aromatische KW
de Acidose wird mit Bicarbonatinfusion Dioxine
kontrolliert. Bei hohen Methanolkonzen- Polychlorierte
trationen im Blut ist eine Hämodialyse Biphenyle
wirksam. DDT, Aldrin,
Dieldrin etc.
Glykole
Ethylenglykol, Diethylenglykol und Pro-
pylenglykol sind zweiwertige Alkohole, Allen organischen Lösungsmitteln ge -
die als Frostschutzmittel, als Lösungs - meinsam ist das Fettlösungsvermögen,
vermittler in Kosmetika und früher auch die Flüchtigkeit und die narkotische
für Arzneimittel verwendet wurden. Wirkung. Sie werden verwendet zur
Ethylenglykol wird zu Glyoxylsäure und Metallentfettung, zur Textilentfettung,
Oxalsäure abgebaut und führt zu neu- zur chemischen Reini gung und zur
rologischen Störungen, sowie zu einer
Lackverdünnung, als Lösungsmittel für
Schädigung der Nierentubuli. Da Ethy -
Klebstoffe, als Synthesehilfsstoffe und
lenglykol auch von der Alkohol dehydro-
Synthesegrundstoffe und dementspre-
genase abgebaut wird, ist Fomepizol eine
chend in der chemischen Industrie. Die
wirksame Therapie. Diethylenglykol hat
Schadwirkungen aller organischen Lö-
in den USA als Lösungsmittel für Arz -
sungsmittel sind Entfettung der Haut,
neimittel zahlreiche Todesfälle verur-
Schleimhautreizung, Lähmung des Ner-
sacht, die tödliche Dosis liegt im Gramm-
vensystems und meist Schädigung von
bereich.
Leber, Niere, Herz und Kreislauf. Gemein-
sam ist ihnen auch, dass es therapeu-
Organische tisch keine Möglichkeiten gibt.

Lösungsmittel Aliphatische
Aliphatische KW Benzin
Kohlenwasserstoffe
Petroleum Technische Gemische flüssiger Alkane
Lampenöl werden als Benzin (Siedebereich 50-
Aromatische KW Benzol 100°C) oder als Petroleum bzw. Lampenöl
Toluol (Siedepunkt 150-300°C) verwendet.
Xylol WM: Alkane wirken narkotisch und
Halogenierte aliphatische KW erregend auf das ZNS. Vorhandene Be-
Tetrachlorkohlenstoff gleitstoffe schädigen die Niere, die
Dichlorethan Leber und die Bauchspeicheldrüse. Am
stärksten toxisch ist n-Hexan, das bei
1 A: Fomepizole: CH: –; D: Fomepizole
E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie
240 To x i k o l o g i e

chronischer Exposition eine Neuro pa- steht die Rauschwirkung im Vorder -


thie der Extremitäten hervorruft. grund, die nach kurzer Exposition keine
Tox.: MAK von n-Hexan: 50 ppm, Hep- weiteren Schäden hinterlässt. Nach ora-
tan: 500 ppm, Oktan: 500 ppm. Tödliche ler Einnahme von ca. 25 ml treten
Unfälle sind vorgekommen, weil Kinder ebenfalls rauschartige Zustände sowie
gefärbtes Lampenöl getrunken haben. Bewusstlosigkeit, Erregung, Tremor,
Krämpfe und Herzrhythmusstörungen
Akute Verg.: Nach oraler Gabe kommt auf. Der Tod tritt durch Atemlähmung
es zum Erbrechen, bei Inhalation von oder Kreislaufversagen ein.
Benzintröpfchen kommt es zur Benzin -
pneumonie, die mit einer schweren Ge- Chron. Benzolvergiftung: Sie führt
fäßschädigung einhergeht. Bei Inhala - zu Knochenmarksschädigung und in
tion hoher Dampfkonzentrationen kommt der Folge zu einer Abnahme der Erythro-
es zum Lungenödem und zu narkose - zyten, einer Leuko- und Thrombopenie,
ähnlichen Symptomen. Der Tod tritt sowie einer aplastischen Anämie und
durch Atemlähmung ein. einer Leukämie.

Chron. Verg.: Benzin schnüffeln oder Ther.: Es ist keine Therapie bekannt
länger dauernder Umgang mit Benzin,
das n-Hexan enthält, verursacht eine Halogenierte aliphatische
periphere Polyneuropathie. Kohlenwasserstoffe
Therapie: Symptomatische Therapie Sie sind die wichtigste Gruppe der
Lösungsmittel und Grundstoffe chemi-
Aromatische scher Synthesen. Die Einfügung von
Kohlenwasserstoffe Halogenen in Alkanmoleküle steigert
die narkotische Wirksamkeit und die
Vork.: Benzol, Toluol und Xylol sind
Toxizität, wobei vor allem die Leber -
wichtige Lösungsmittel und Grund -
toxizität zu nennen ist. Diese ist am
stoffe in der organischen Chemie. Das
höchsten bei Tetrachlorkohlenstoff (Te -
giftigste davon ist Benzol, nach wie vor
trachlormethan), geringer bei Trichlor-
zu 5% dem Treibstoff zugesetzt.
ethan > Dichlorethan > Chloroform >
WM: Benzol wird oxidativ zu einem Tetrachlorethan > Tetrachlorethen > Tri-
Epoxid und nicht enzymatisch zu Phenol chlorethen > Trichlorethan und > Di-
umgewandelt. Dieses wird weiter oxi- chlormethan. Die Toxizität ist auf ver-
diert zu einem Chinon. Bei chronischer schiedene Mechanismen zurückzuführen:
Belastung kommt es zu Knochenmarks-
 Auf die Bildung freier Radikale
schädigung und in der Folge zu einer Leu-
(z.B. Tetrachlorkohlenstoff)
kämie. Toluol und Xylol haben keinen
oder weniger Einfluss auf das Blutbild.  Auf die Bildung von Epoxiden
Tox.: Benzol gilt als krebserzeugender (z.B. Trichlorethen)
Gefahrenstoff ohne MAK. Die TRK be -  Auf die Bildung von CO
trägt 2,5 ppm in einschlägigen Betrieben, (z. B. Trichlormethan)
im übrigen 1 ppm. Die MAK von Toluol Halogenierte aliphatische Kohlen was-
beträgt 50 ppm und von Xylol 100 ppm. serstoffe sind ferner starke Nervengifte,
Akute Verg.: Bei akuter Inhalation Stoffwechselgifte, Nierengifte und sen-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 241

sibilisieren das Herz gegenüber Sympa - fällen zu schwerer Leberzellschädigung


thikusreizen. und Nierenschädigung.
Tetrachlorkohlenstoff Trichlorethan
(Tetrachlormethan) (CCl4 ) Vork.: wichtiges Lösungsmittel
Vork.: Es ist ein wichtiges Lösungs- Tox.: MAK 10 ppm
mittel für Öle, Fette, Harze und Wachse
und wird heute weitgehend durch das Akute Verg.: Im Vordergrund steht
weniger toxische Tetrachlorethan ersetzt. die Nierenschädigung und nach Inhala-
tion sind Lungenschädigungen die Folge.
WM: Nach reduktiver Spaltung ent-
steht das CCl3 Radikal, das mit Sauer- Tetrachlorethan
stoff zum Trichlormethylperoxid-Radikal Vork.: Verwendung in der Kunst -
reagieren kann. Dieses führt zu einer seideerzeugung, in der Film-, Schuh-
Lipidperoxidation und zur Zerstörung und Hutindustrie
von Membranen in der Leber – es Tox.: Die MAK beträgt 1 ppm.
kommt zu irreversibler Zellnekrose.
Auch Tetrachlorethan und Dichlorethan Akute Verg.: Nach Inhalation kommt
können freie Radikale bilden und sind es zu Schleimhautreizung, Kopfschmerz,
dementsprechend äußerst gefährliche Übelkeit, Herzklopfen, Erbrechen, Koli-
halogenierte Kohlenwasserstoffe. ken, Leber- und Nierenschädigung.
Tox.: Für den Menschen sind 2-4 ml Trichlorethen (Trichlorethylen, Tri)
tödlich, für Kinder 1-2 ml. Die MAK Vork.: Es wird hauptsächlich in der Me-
beträgt 10 ppm. tallentfettung, in der Kunststoff ver ar-
Akute Verg.: Nach oraler Aufnahme beitung als Lösungsmittel für Kleb stoffe
oder Inhalation kommt es rasch zur und zur Textilreinigung verwendet.
Leberschädigung. Als erstes steigen die WM: Trichlorethen bildet mit Hilfe von
Leberenzyme im Plasma an, es folgen Monoxygenasen Epoxide, reaktionsfähi-
exzessive Fetteinlagerung und nach 1-2 ge Moleküle, die nach Zerfall Trichlor-
Tagen Ikterus. In schwersten Fällen essigsäure, Trichlorethanol u.a. wenig
überwiegt die Nierenschädigung mit lebertoxische Metaboliten bilden.
Oligo- bis Anurie und in der Folge ein
Tox.: Die MAK beträgt 50 ppm.
urämisches Koma.
Akute Verg.: Trichlorethen weist eine
1,2-Dichlorethan
geringe akute Toxizität auf. Bei Auf-
Vork.: Wichtiges Lösungsmittel, Kraft- nahme größerer Mengen kommt es zu
stoffzusatz und Saatbeizmittel, früher Bewusstlosigkeit, Erbrechen und Störun-
auch als Insektizid und in Feuerlöschern gen der Leber- und Nierenfunktion.
verwendet Tetrachlorethen
Tox.: Krebserzeugender Arbeitsstoff, (Tetrachlorethylen,
keine MAK, hoch toxisch Perchlorethylen, Per)
Akute Verg.: Es zeigt eine starke nar- Vork.: Wegen seiner geringeren Giftig-
kotische Wirkung, führt zu Hornhaut- keit als Ersatz von Tetrachlorkohlenstoff
trübung und nach einer gastroenteriti- und Trichlorethen als Lösungs- und Rei -
schen Phase mit Erbrechen und Durch - nigungsmittel sehr verbreitet.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


242 To x i k o l o g i e

Tox.: Die MAK beträgt 50 ppm. der giftigsten synthetisch hergestellten


Akute Verg.: Nach Inhalation kommt Substanzen traurige Berühmtheit er -
es zu einer euphorisierenden Wirkung, langt. 1976 ist nach einer Explosion aus
in der Folge zu Rauschzustand, weiters einer chemischen Fabrik in Seveso, Ober-
treten Herzrhythmusstörungen, Kopf - italien, eine große Menge in die Um -
schmerz und Störungen der Nieren- welt gelangt, worauf mehrere 100
und Leberfunktion auf. Menschen an Chlorakne erkrankten.
TCDD ist hepatotoxisch, zumindest im
Dichlormethan Tierversuch tumorpromovierend und
Vork.: Verwendung als Treibmittel teratogen. Dioxin entsteht außerdem in
und als Entfettungsmittel für Metalle Müllverbrennungsanlagen und ist auch
und Kunststoffe in Haupt- und Nebenstromrauch von
Zigaretten enthalten.
WM: Dichlormethan wird durch Leber-
enzyme zu Ameisensäure und Kohlen-
monoxid abgebaut (s. CO-Vergiftung).
Schwermetalle
Tox.: Die MAK beträgt 100 ppm.
Akute Verg.: Nach Inhalation kommt Gab es in der Vergangenheit häufig
es zu zentral nervösen Wirkungen und akute Schwermetallvergiftungen durch
später durch den Metabolismus zu CO- medizinische Anwendung oder gewerb-
Hb-Bildung (siehe Seite 230). liche Nutzung, steht heute im Zuge der
Umweltbelastung die chronische Ver -
Halogenierte aromatische giftung mit Schwermetallen im Vorder -
grund. Metalle sind als Elemente unver-
Kohlenwasserstoffe
änderbar und können nicht abgebaut
Polychlorierte Biphenyle (PCBs) werden. Sie sind zum Teil essentiell,
PCBs werden technisch als Weich - d.h. für die Funktion verschiedener En -
macher und als Transformatorenöle ver- zyme im Organismus als Spurenelement
wendet und sind nicht abbaubare notwendig, zum Teil primär toxisch,
Umweltgifte. Neben DDT sind PCBs d.h. diese Metalle sind für den Or -
unter anderem verantwortlich für die ganismus nur schädlich, wie z. B. Blei,
Störung des Kalziumstoffwechsels bei Quecksilber und Kadmium. Vergiftun-
Seevögeln, die in der Folge ihre Eier gen können durch einmalige Aufnahme
nicht ausbrüten können und vom großer Dosen oder durch Aufnahme
Aussterben bedroht sind. Die ubiquitä- kleiner Dosen über lange Zeit zu Stande
re Verteilung weltweit entspricht der kommen. Einen Kreislauf von Metallen
von DDT. in der Umwelt gab es immer schon,
bedingt durch Staub, Wind, Vulkan -
Dioxine tätigkeit, Regen und Verdunstung. Zur
Unter diesem Begriff werden eine natürlichen Emission kommt die vom
Reihe von Verbindungen zusammenge- Menschen gemachte Emission über In -
fasst, deren Grundgerüst ein polychlo- dustrie und Ver brennung fossiler
riertes Dibenzodioxin darstellt. Das be - Brennstoffe dazu. Diese anthropogene
kannteste, das 2,3,7,8-Tetrachlordi ben- Emission hat bedenkliche Auswirkun -
zo-p-dioxin (2,3,7,8-TCDD) hat als eine gen auf das Leben im Boden und im

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 243

Wasser. Nach erhöhter Aufnahme von bezeichnet man eine plötzlich auftre-
Metallen durch Pflanzen kommt es, tende Veränderung im Erbgut, als tera-
über die Metallbelastung pflanzenfres- togen jene Substanzen, die Missbildun-
sender Tiere (z.B. Fische), auch zur er- gen beim Ungeborenen hervorrufen.
höhten Schwermetallmenge beim Men-
schen. Sind in den normal belasteten Therapie von
Böden die Konzentrationen an Metallen Metallvergiftungen
noch zwei- bis fünffach unter den tole-
rierbaren Richtwerten, können im Um - Die wichtigste therapeutische Maß-
kreis von In dustrie und Gewerbe be - nahme ist die Anwendung chelatbilden-
trieben die Werte für Blei, Quecksilber der Stoffe, das sind organische Ver -
und Kadmium hundertfach erhöht sein. bindungen, die mit mehrwertigen Me -
Auch sogenannte essentielle Metalle tallen mehr oder minder stabile Kom -
sind für den Menschen in überhöhter plexe bilden und als solche mit dem
Konzentration toxisch und unter Um - Harn ausgeschieden werden können.
ständen sogar karzinogen. Während Die Therapie erfolgt nach der Menge
Metalle in vitro mit SH-Gruppen von des aufgenommenen Metalls und der
Proteinen reagieren, sind in vivo die Therapieerfolg soll in der Ausscheidung
Schadwirkungen oft sehr unterschied- überprüft werden.
lich und für ein bestimmtes Metall cha- Wichtige Chelatbildner sind:
rakteristisch. Tabelle 2 zeigt die Haupt-
 Dimercaptopropansulphonat (DMPS,
angriffspunkte für die wichtigsten
Dimaval), wirksam bei Hg, Pb, As,
Schwermetalle im Organismus sowie
Cu, Zn und Cd-Belastungen.
potentielle Gefahren in Hinblick auf
Entstehung bösartiger Tumoren (Kar-  Ca-Na 2-Ethylendiamintetraacetat
zinogenität) und Missbildungen (Mu- (EDTA), wirksam bei Pb, U, Mn, Fe,
tagenität, Teratogenität). Als Mutation Cu und Cd.

Tab. 2: Schadwirkungen von Schwermetallen auf den Organismus


Cd Cr Hg Ni Pb
Haut + + +
Lunge + +
Niere + +
Blutbildung +
Herz/Kreislauf ? +
Nervensystem + + +
Mutagenität +
Karzinogenität + + +
Teratogenität + +

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


244 To x i k o l o g i e

 D-Penicillamin, wirksam bei Pb, Cu, Harn führt. Über die Hemmung eines
Co, Zn, Hg und Au. anderen Enzyms kommt es zur Akku-
 Deferoxamin, wirksam bei drei- mulation von Protoporphyrin IX in den
wertigem Fe und Al. Erythrozyten und wieder ein anderes
Enzym führt zur basophilen Tüpfelung
Blei (Pb) der Erythrozyten stark bleiexponierter
Vork.: Die natürliche Bleiemission Patienten.
beträgt weltweit pro Jahr 18,6 x 103 Tox.: Die MAK beträgt 0,1 mg/m3, ge-
Tonnen, und die anthropogene Blei - messen als Gesamtstaub. Das Schwan -
emission 438x10 3 Tonnen. Die Haupt- gerschaftsrisiko wird als „wahrschein-
quellen anthropogener Bleiemissionen lich“ eingestuft (Gruppe B). Als Ober-
sind der KFZ-Verkehr, die Eisen- und grenze einer toxikologisch unbedenkli-
Stahlerzeugung, die Erzverhüttung und chen Blutkonzentration gelten 0,6μg/ml.
die Kohleverbrennung. Der Bleigehalt Bei Kindern soll ein Wert von 0,1μg/ml
im Grönlandeis hat in den letzten 3000 nicht überschritten werden. Zwischen 0,2
Jahren von 1 μg/kg auf 200 μg/kg zu- und 0,6μg/ml im Blut können bereits
genommen. Alle pflanzlichen und tieri- Schadwirkungen festgestellt werden.
schen Nahrungs- und Futtermittel sind
bleikontaminiert, wobei pflanzliche Akute Verg.: Aufnahme von Blei ist
Nahrungsmittel mehr Blei enthalten als über Atemwege, Magen-Darm-Trakt und
tierische. In Schlachttieren weisen die intakte Haut möglich. Die Hauptmenge
Innereien die höchsten Bleikonzen - wird in Knochen gebunden. Wenn das
trationen auf. Waren es früher medizi- Skelett gesättigt ist, entsteht bei gleich-
nale Verwendung und kosmetische bleibender Aufnahme ein endlicher
Präparate sowie Kinderspielzeug, die zu Blutspiegel. Durch Bindung an Erythro -
Bleivergiftungen geführt haben, hat zyten erfolgt der Transport in alle Ge -
man später bleihältige Rostschutzan- webe. Im Knochen bildet Blei ein Depot
striche (Mennige), Batterien und Zusatz mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren.
in organischer Form zu Treibstoffen ver- Bei Aufnahme großer Mengen über
wendet. Noch heute tritt Blei in vielen die Lunge erfolgt eine akute Encephalo-
Legierungen, Kabelummantelungen, pathie, Nierenversagen, schwere gastro-
Wasserrohren, Strahlenschutzplatten intestinale Symptome und Koliken mit
und Ballastgewichten auf. starken Schmerzen. Eine akute Vergif -
WM.: Blei hemmt verschiedene En- tung ist heute selten und würde ohne
zyme und hat letztlich im Organismus Behandlung in 30% tödlich enden.
drei Angriffsorte: Chronische Verg.: Die chronische Blei-
 Das blutbildende System, vergiftung manifestiert sich grundsätz-
lich in drei Angriffsorten: dem blutbil-
 die glatte Muskulatur sowie denden System, der glatten Muskulatur
 das motorische System. und dem motorischen Nervensystem.
Am bekanntesten ist die Hemmung Allein im Blut gibt es vier Angriffs-
der Delta-Aminolävulinsäure-Dehydra - punkte, so die Hemmung der Delta-
tase (ALAD), die zu einem Anstieg an Aminolävulinsäure-Dehydrase (ALAD)
Delta-Aminolävulinsäure im Blut und im die zu einem Anstieg an Delta-Amino -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 245

lävulinsäure im Harn führt, die Hem - Bleivergiftung durch Schädigungen des


mung der Carboxylierung von Copro - Zentralnervensystems. Es kommt zu De -
porphyrin III, das als brauner Farbstoff generationserscheinungen, psychomoto-
den Harn dunkelbraun färbt, die Hem - rischen Erregungszuständen, Krämpfen,
mung des Eiseneinbaus in Protopor - Lähmungen und Parkinsonismus. Eine
phyrin IX, das zu einem Anstieg an Therapie mit Komplexbildnern ist wir-
Protoporphyrin im Erythrozyten führt kungslos.
und eine Anämie mit basophil punktier- Quecksilber (Hg)
ten Erythrozyten. Durch Angriff auf die
glatte Muskulatur, vor allem im Vork.: Metallisches Quecksilber ist
Gastrointestinaltrakt, kommt es zu Blei - flüssig und weist einen hohen Dampf -
koliken, an der Niere zur Schrumpfniere druck auf. Da es in dieser Form auch in
und Nephritis und durch Verengung der Natur vorkommt, ist die natürliche
von Kapillaren und Arteriolen zu einem Emission von Quecksilber immer noch
sogenannten Bleikolorit der Haut, eine größer als die anthropogene Emission.
gelb-graue Blässe. Durch Angriff an Verwendet wird Quecksilber als flüssi-
motorischen Nerven kommt es zu Läh - ges Kontaktmaterial bei der Feuerver-
mungen, besonders an den Händen. Wei- goldung, für Mikrobatterien und in der
tere Symptome sind Netzhautschädigun- Zahnheilkunde als Amalgam. Die Ver -
gen, Magen- und Darmgeschwüre, Blei - wendung für Fieberthermometer, für
saum an den Zähnen durch Ablagerun- Schwimmbassinfarben und für Sport -
gen von Bleisulfid und Skelettschädigung platzbeläge ist nicht mehr üblich. Auch
in den Wachstumszonen bei Kindern. die medizinische Verwendung von Queck-
silberverbindungen ist weitgehend ver-
Die Folge einer chronischen Bleiver- schwunden. Die Hauptaufnahme an
giftung ist eine langwierige Krankheit Quecksilber beim Menschen erfolgt mit
und jahrelange Invalidität. der Nahrung, vor allem mit Fischen und
Diagnose: Am verlässlichsten wird Innereien.
eine Bleivergiftung durch Bleibestim - WM.: Quecksilber bindet mit hoher
mung im Blut und Messung von Pro - Affinität an SH-Gruppen von Eiweißen
toporphyrin IX in den Erythrozyten vor- und hemmt so deren biologische Ak -
genommen. Die Delta-Aminolävulin - tivität.
säureausscheidung im Harn ist zu emp-
findlich und tritt auch schon bei sehr Tox.: Die MAK beträgt 0,01 ppm bzw.
niedrigen Bleibelastungen auf. 0,1 mg/m3; metallisches Quecksilber ist
nicht giftig, Quecksilberdämpfe jedoch
Therapie: Der Komplexbildner der werden als äußerst giftig eingestuft. Im
Wahl ist EDTA. Auch die Gabe von D- Organismus werden Quecksilberdämpfe
Penicillamin wird empfohlen. sofort zu Hg2+-Ionen oxidiert, geringe
Bleitetraethyl Mengen überschreiten jedoch in der li -
Vork.: Bleitetraethyl wurde den Treib- pidlöslichen, metallischen Form die Blut-
stoffen als Antiklopfmittel über viele hirnschranke.
Jahre beigemengt. Die MAK beträgt Akute Verg. (mit Quecksilber -
0,01 ppm und das Vergiftungsbild unter- dampf): Sie geht einher mit Stomatitis,
scheidet sich von der anorganischen Colitis, Verwirrung, Fieber, Kurzatmig-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


246 To x i k o l o g i e

keit, Metallgeschmack, Kopfschmerzen, denen ZNS-Wirkung aus. Verwendet


Erbrechen und Durchfall. Die toxischen wurden organische Quecksilberverbin -
Lungeneffekte können dabei vor allem dungen als Bakterizide, Spermizide und
für Kinder tödliche Folgen haben. Es Fungizide und kamen als Saatbeizmittel
kommt zu Alveolarerweiterung, Pneu - in die Böden. In der Nahrungskette rei-
mothorax u.v.a. Schäden. chern sich organische Quecksilberver-
Akute Verg. (mit anorganischen bindungen an und kommen letztlich
Quecksilberverbindungen): Anorga- über Fische und Fleischwaren wieder in
nische Quecksilberverbindungen wie den Menschen. Therapie gibt es keine.
Kalomel oder Sublimat sind stark ätzend Arsen (As)
und führen über ihre Reizwirkung zu
Vork.: Arsen wurde in verschiedenen
Glottisödem, zu schwerer Gastroenter-
Quellen festgestellt, nicht alle haben
itis und Erbrechen. Eine anfangs auftre-
jedoch zu chronischen Vergiftungen ge-
tende Polyurie wird von einer Anurie
führt. Arsentrioxid (Arsenige Säure,
gefolgt. Über das ZNS kommt es zu
Hüttenrauch, Hitrach, Arsenik, As 2O3)
Appetitlosigkeit, Übelkeit, motorisch-
ist ein Nebenprodukt der Erzverhüttung
sensorischen Störungen und Krämpfen.
und seit 1000 Jahren als Rattengift ver-
Die gastrointestinale Phase mit schwe-
wendet. Es ist farb, geruch- und ge-
ren Durchfällen, Elektrolyt- und Eiweiß -
schmacklos und wird als König der Gifte
verlust sowie Kreislauf- und Nieren -
bezeichnet. Arsen wird als Entfärbungs -
schädigung kann in wenigen Tagen
mittel in der Glasherstellung sowie in
zum Tod führen.
der Zahnheilkunde zur Abtötung des
Chron. Verg.: Hauptangriffspunkt der Nerven eingesetzt. Früher hat die medi-
chronischen Vergiftung ist das ZNS. Es zinische Verwendung in Form von
kommt zu Reizbarkeit, Tremor, Sprach- Fowler’scher Lösung, asiatischer Pillen
störungen, Konzentrationsschwäche, oder Salvarsan zu zahlreichen Ver -
Schlaflosigkeit, emotionaler Labilität, De- giftungen geführt. Der Einsatz arsen-
pressionen, Appetitlosigkeit, Gewichts - haltiger Verbindungen als Pflanzen -
verlust und motorische Störungen las- schutzmittel hat bei betroffenen Wein -
sen jahrelang eine Zitterschrift erken- bauern Hautkrebs verursacht.
nen. Weitere Symptome sind Koliken,
Speichelfluss und Drüsenschwellungen. WM.: Arsen gilt als essentielles Spu-
Ein Quecksilbersulfidsaum an den Zahn - renelement, Mangelerscheinungen sind
rändern (grauschwarz) deutet auf Queck- jedoch nicht bekannt. Arsen ist ein Ätz-,
silberexposition hin. Kapillar- und Zellgift und blockiert vor
allem SH-Gruppen.
Ther.: Kurz nach der Einnahme kann
Aktivkohle adsorbierend wirken. Tox.: Arsen gilt als krebserzeugender
Arbeitsstoff, die TRK für Arsentrioxid
Als Komplexbildner wird hauptsäch- beträgt 0,1 mg/m3, berechnet als Arsen
lich DMPS eingesetzt. im Gesamtstaub.
Organische Quecksilber- Akute Verg.: Nach akuter Vergiftung
verbindungen, Methylquecksilber mit Arsentrioxid kommt es rasch zu
Diese zeichnen sich durch eine hohe Metallgeschmack, Übelkeit und Erbre -
Lipidlöslichkeit und einer damit verbun- chen und schweren Durchfällen mit

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 247

sogenannten Reiswasserstühlen, Durst, reiz und Erbrechen, und nach 2-3 sym-
Volumsverlust, Elektrolyt- und Eiweiß - ptomfreien Tagen zu einer generalisier-
verlust und in der Folge zum Schock. ten Gastroenteritis mit Brechkrämpfen
Auch die Lunge, die Leber, die Niere, und Durchfall. Nach weiteren 2-10 Ta-
das ZNS und motorische Nerven sind gen entwickelt sich eine Polyneuropathie
beeinträchtigt. Der Tod tritt durch Atem- mit Parästhesien, Hyperästhesien und
lähmung ein. bemerkenswerten taktilen Empfindlich-
Chron. Verg.: Bei der chronischen Ver- keiten, die besonders die Beine betref-
giftung stehen Hautveränderungen im fen. Auch psychische Veränderungen tre-
Vordergrund. Es kommt zu Melanosen, ten auf. Am 13. Tag kommt es zu Haar-
Exanthemen, Hyperkeratosen, Präcan - ausfall durch Epithelschädigung in der
cerosen und Haarausfall. Durch Wir - Tiefe der Haarbälge, wobei die media-
kung auf die Schleimhäute kommt es zu len Augenbrauen erhalten bleiben. Inner-
Speichelsekretion, Arsen-Schnupfen, halb von 3-4 Wochen kommt es zu peri-
Stomatitis und Durchfällen. ZNS-Wir - pheren Lähmungen, Miktionsbeschwer-
kungen bedingen Schwäche, Mattigkeit den und schweren Verstopfungen.
und Encephalopathie. Blutveränderun- Chron. Verg.: Sie geht einher mit
gen, Nierenversagen, Hepatopathie und Appetitlosigkeit, Anazidität, Abmage-
Polyneuropathie gehören ebenfalls zur rung, Schwäche, Schmerzen in den Bei -
chronischen Arsenvergiftung. nen, Haarausfall, Sehstörungen und
Ther.: Kurz nach der Einnahme kann basophil punktierten Erythrozyten. Bei
Aktivkohle verabreicht werden, der chronischer Zufuhr kumuliert Thallium
Komplexbildner der Wahl ist DMPS. im Organismus, da es schlecht ausge-
Thallium (Tl) schieden wird.

Vork.: Thallium wird verwendet für Ther.: Komplexbildner sind wirkungs-


Tieftemperaturthermometer, korrosi- los, Thallium wird in den Darm sezer-
onsbeständige Legierungen, Fotohalb- niert und kann mit Natriumhexacyano -
leiter, Spezialgläser mit hoher Licht - ferrat gebunden und mit den Fäzes aus-
brechung und binäre Mischkristalle. Die geschieden werden. Diese Methode ist
Jahresweltproduktion beträgt 15 Tonnen. jedoch nicht sehr wirksam.
Bis vor kurzem war Thalliumacetat als Kadmium (Cd)
Rattengift (Zeliopaste, Zeliokörner) im
Vork.: Kadmiunverbindungen finden
Handel. Seit dem Verbot dieser Prä -
in der Industrie vielfache Anwendung,
parate sind Vergiftungen mit diesem
Leuchtfarben, Trockenbatterien, Korro-
Metall zurückgegangen.
sionsschutz, Stabilisierungsmittel in der
WM.: Thallium ist ein allgemeines Zell- Kunststofferzeugung, Additiv in der
gift, das Enzymaktivitäten und Trans- Gummiindustrie (Autoreifen) und die
portvorgänge hemmt. Verwendung für Metallspritzverfahren
Tox.: Die MAK beträgt 0,1 mg/m3, ge- machen es zu einem wichtigen Grund -
messen als Gesamtstaub. 10 mg/kg per- stoff.
oral sind für den Menschen tödlich. WM.: Kadmium blockiert zahlreiche
Akute Verg.: Nach der Aufnahme Enzyme durch Bindung an SH-Gruppen,
kommt es zu leichter Übelkeit, Brech- entkoppelt die oxidative Phosphorilie -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


248 To x i k o l o g i e

rung und verdrängt Zink aus zinkab- Akute Verg.: Eine halbe Stunde nach
hängigen Enzymen. Beginn des Einatmens kommt es zur Se-
Tox.: Für Kadmium gibt es keine MAK, kretion von Nasenschleim, Niesen, Trä-
es gilt als karzinogener Arbeitsstoff. Es nen, Schmerzen unter dem Brustbein,
ist ein äußerst giftiges Metall mit lan- später zu Engegefühl in der Brust, Atem-
gen Halbwertszeiten im Körper (20-30 störungen, Blutüberfüllung, Blutungs -
Jahre). neigung der Lungen und chronischer
Bronchitis. Über eine ZNS-Wirkung
Akute Verg.: Es kommt zu Irrita- kommt es zu Depressionen. Charakte-
tionen, Übelkeit, Schwäche, Schwindel, ristisch ist die Grünfärbung der Zunge.
Husten, Erbrechen und Kopfschmerzen,
Ther.: Therapeutisch versucht man mit
sowie Durchfall. Bei der Inhalation von
hohen Dosen Vitamin C das fünfwertige
Kadmiumoxid treten Symptome wie bei
Vanadium zum weniger toxischen vier-
einer Reizgasvergiftung auf, insgesamt
wertigen zu reduzieren.
resultiert eine schwere Lungenschädi -
gung. Nach oraler Aufnahme stehen Mangan (Mn)
Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Schmer - Vork.: Mangan kommt im Organis-
zen, Durchfälle, Speichelfluss, sowie Leber- mus als katalytisches Zentrum einiger
und Nierennekrosen im Vordergrund, Peptidasen vor. Es ist ein sehr häufiges
auch Herzschäden werden beobachtet. Schwermetall auf der Erdoberfläche, tritt
Chron. Verg.: Im Vordergrund steht als Manganoxid (MnO 2) auf und wird in
eine Schädigung der Niere, bei Inhala- Trockenbatterien, in der Lackindustrie und
tion wird auch die Lunge geschädigt. In für spezielle Legierungen verwendet.
der Niere kommt es zu Tubularnekrosen Tox.: Die MAK beträgt 5 g/m 3 als Ge-
und letztlich zu Nierenversagen. Inter - samtstaub.
essant ist vielleicht, dass der Zigaretten -
Akute Verg.: Durch Reizung der
raucher doppelte Kadmiumkonzentra -
Atemwege kommt es zu Husten, Atem-
tionen in der Niere aufweist verglichen
not, Trockenheit von Mund und Rachen
mit dem Nichtraucher.
u.a. Symptomen (selten).
Ther.: Als Komplexbildner wirksam
Chronische Tox.: Bei chronischer
sind DMPS, EDTA und D-Penicillamin.
Manganexposition stehen ZNS-Schäden
Vanadium (V) im Vordergrund. Es entwickelt sich das
Vanadium fällt bei der Eisenerzeugung typische Bild eines Parkinsonismus mit
in der Schlacke an, wird beim Haus- Kopfschmerzen, Schwäche, Müdigkeit,
brand aus dem Erdöl frei, wird als Trägheit, Schläfrigkeit, Schlafstörungen,
Katalysator verwendet, als Edelstahl zu- Spasmen, Muskel- und Gesichtsschmer -
satz und in der Farbstoffherstellung und zen, psychomotorischer Unruhe, Zwangs-
tritt bei der Reinigung von Ölheizungs- weinen, Zwangslachen, optischen Hallu-
anlagen auf. zinationen, verwaschener Sprache, Zitter-
schrift und Akinese mit einschlägigem
WM: Es hemmt eine Na-K-ATPase und Tremor, Maskengesicht, Schluck- und
ist möglicherweise ein essentielles Metall. Sprachstörungen und einem charakteri-
Tox.: Die MAK beträgt als V2O5 0,05 stischen breitspurigen Gang mit Vor -
mg/m3 als Feinstaub. wärts- und Rückwärtsfallen.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 249

Ther.: Nach peroraler Gabe kann man tung, Blasenbildung an Schleimhäuten,


Kohle und DMPS verabreichen, bei zu Ödemen, Irritation der Speichel -
chronischer Vergiftung gibt es nur sym- drüsen und an der Augenlinse zu Trü -
ptomatische Möglichkeiten. bung. Nach Ganzkörperbestrahlung
Selen (Se) kommt es zu Blutbildveränderungen,
Magen-Darm-Kanal-Beeinträchtigung,
Vork.: Selen ist ein essentielles Spuren- Störungen im Hormonstoffwechsel und
element, es ist Bestandteil der Gluta - im vegetativen Nervensystem. Ab einer
thionperoxidase. Therapeutisch wird gewissen Dosis kommt es zu Knochen -
Natriumselenit bei Selenmangel zuge- marksinsuffizienz.
führt. In unseren Breiten ist eine Selen -
Tox.: Ab 2-4 Gray (Gy) kommt es be-
substitution überflüssig.
reits zu schweren Schäden, 6-10 Gy
WM: Selen tauscht sich in Amino - sind sicher tödlich (1Gray ist die Einheit
säuren gegen SH-Gruppen aus und der Energiedosis und entspricht 100
stört die Bildung von Schwefelbrücken. rad.).
Tox.: Selenverbindungen sind giftiger Akute Verg.: Im Frühstadium kommt
als Arsenverbindungen, die MAK be - es zum sogenannten Strahlenkater mit
trägt 0,1 mg/m 3 als Gesamtstaub. Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen
Akute Verg.: Die Selenvergiftung (Na- und Übelkeit, danach folgt ein sympto-
triumselenit) verläuft ähnlich wie die marmes Intervall von einigen Tagen bis
Arsenvergiftung mit rasch beginnender Wochen. In der zweiten Phase wird die
Übelkeit, Erbrechen, schweren Durch - Dünndarmmukosa geschädigt und es
fällen, toxischem Lungenödem und in treten choleraartige Durchfälle auf, die
der Folge Herzversagen. letztlich auch wegen Elektrolyt- und
Eiweißverlusts die Todesursache sind.
Chronische Verg.: Bei chronischer Daneben treten noch neurologische
Einwirkung steht die Reizung der obe- Störungen wie Erbrechen, Hirnödem
ren Luftwege im Vordergrund. Auch und Krämpfe sowie Augenschäden auf.
Störung des Magen-Darm-Trakts und
Knoblauchgeruch des Atems sind be - Chron. Verg.: Bei chronischer Belas-
kannte Symptome. tung ist die Inzidenz von Krebserkran -
kungen erhöht.
Ther.: Bei akuter Selenvergiftung
kann man versuchen, mit hohen Vita - Ther.: Es bleiben nur symptomatische
min C-Dosen Selen zu metallischem Möglichkeiten.
Selen zu reduzieren, das ungiftig ist.

Radioaktive Metalle
Vork.: Radioaktive Metalle werden als
Diagnostika und als Therapeutika ver-
wendet und fallen als Reaktorabfall und
Nuklearmüll an.
WM: Man unterscheidet zwischen lo-
kalen Wirkungen und Allgemeinschäden.
Lokal kommt es zu Hautschuppung, Rö -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


250 To x i k o l o g i e

Pestizide und greifen sowohl motorische als auch


sensorische Nerven an. Sie lagern sich
in die Lipidmembran der Nervenzelle
Toxikologisch wichtige Pestizide
ein und interferieren mit dem Natrium -
Insektizide, Typ chlorierte transport.
Kohlenwasserstoffe:
Chlorphenotan (DDT) Tox: Die MAK von DDT beträgt 1
Lindan (Hexachlorcyclohexan) mg/m3, von Lindan 0,5 mg/m3, von Al-
Aldrin drin 0,25 mg/m3 und von Dieldrin eben-
Dieldrin falls 0,25 mg/m3, jeweils als Gesamt-
Methoxychlor staub. Die akute Toxizität der haloge-
Insektizide, Typ Organophosphate:
nierten Kohlenwasserstoffe für den Men-
Parathion (E605) schen ist relativ gering, tödliche Dosen
Dichlorvos werden erst ab 150-300 mg/kg er -
Paraoxon (E600) reicht.
Malathion Akute Verg.: Nach oraler Aufnahme
Azinphos-methyl treten Parästhesien an Extremitäten, Un-
Charbamat-Insektizide: ruhe, Reizbarkeit und Schwindel und
Aldicarb schließlich tonisch- klonische Krämpfe
Carbofuran auf. Als Spätfolgen können motorische
Pyrethroide und sensible Lähmungen zurückbleiben.
Herbizide: Chron. Verg.: Trotz hoher Konzen-
Chlorphenoxycarbonsäuren trationen in der Umwelt und im Fett-
gewebe von Anwendern und Her -
Bispyridyliumverbindungen:
stellern traten keine klinisch fassbaren
Paraquat und Diquat
Krankheitszeichen auch bei Langzeit -
einwirkung auf. Leberschädigung und
Insektizide – Chlorierte krebserzeugende Wirkungen wurden
nur im Tierversuch beobachtet.
Kohlenwasserstoffe
Ther.: Antidot gibt es keines, man
Vork.: Sie wurden und werden in der kann die Resorption mittels Aktivkohle
Landwirtschaft großflächig aufgetragen verhindern und symptomatische Maß -
und auch zur Vernichtung der Ano- nahmen ergreifen.
phelesmücke, der Überträgerin der Ma -
laria, eingesetzt. Der Vorteil ist die ge-
Insektizide –
ringe akute Toxizität für den Menschen,
der Nachteil ist die Stabilität in der Na- Organophosphate
tur, sodass es durch Anrei cherung in Vork.: Diese Stoffe sind biologisch ab-
der Nahrungskette zu hohen Konzentra- baubar und werden weder in der
tionen in Fischen und Seevögeln kommt. Umwelt noch im Organismus gespei-
In Mitteleuropa sind chlorierte Kohlen - chert, zeichnen sich aber durch eine
wasserstoffe mittlerweile großflächig ver- hohe akute Toxizität aus. Organophos-
boten, andere Länder können ohne sie phate wurden auch als chemische
nicht auskommen. Kampfstoffe entwickelt.
WM: Diese Stoffe sind Nervengifte WM.: Organophosphate hemmen die

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 251

Cholinesterase, das Enzym das für den Herbizide


Abbau von Acetylcholin verantwortlich
Herbizide sind Substanzen zur Unkraut-
ist. Es kommt letztlich zu einer körper-
bekämpfung bzw. zur Entlaubung. Zahl-
eigenen Acetylcholinvergiftung.
reiche Verbindungen werden zu diesem
Tox.: Die MAK für Parathion beträgt Zweck eingesetzt, nur wenige davon
0,1 mg/m3 als Gesamtstaub, die MAK sind toxisch.
von Carbaryl beträgt 5 mg/m3 und von
Chlorierte Phenoxycarbonsäuren
Malathion 15 mg/m3, jeweils als Ge-
(2,4-Di- und 2,4,5-
samtstaub.
Trichlorphenoxycarbonsäure)
Akute Verg.: Durch Akkumulation
Sie wirken als Hemmstoffe für das
von Acetylcholin kommt es zu Tränen-
Wachstumshormon Auxin und dienen
und Speichelfluss, Bronchialsekretion,
zur Entlaubung großer Baumbestände zu
Bronchospasmus, gesteigerte Magen-
kriegerischen Zwecken und zur Schäd -
Darm-Sekretion, Sehstörungen, Blut -
lingsbekämpfung. Die akute Toxizität
drucksenkung, Schweißausbrüchen, und
dieser Stoffe ist gering, jedoch fällt bei
durch nikotinartige Effekte zu Muskel -
der Herstellung TCDD (Dioxin) in be -
steifheit, Tremor, Muskelzuckungen, to-
denklichen Konzentrationen an. Da die-
nisch-klonischen Krämpfen, Parästhe -
ses nicht abbaubar ist, bleibt es in Land-
sien, Bewusstseinsstörung und Atem -
strichen, wo chlorierte Phenoxycarbon -
lähmung.
säuren großflächig ausgebracht wurden
Ther.: Der Acetylcholinrezeptor kann (z.B. Vietnam), in relativ hoher Konzen -
mit Atropin blockiert werden und Oxi - tration jahrelang erhalten. Chlorakne
me können die Cholinesterase reaktivie- und Missbildungen sind die Folge.
ren; Voraussetzung ist eine rasche Ver-
Bispyridiniumderivate
abreichung.
Die Bispyridiniumderivate Paraquat und
Insektizide – Carbamate Diquat sind schnell wirksame Kontakt -
herbizide, die oberirdische Pflanzenteile
Die Wirkung der Carbamate ist eine
vernichten. Bei einer akuten Vergiftung
reversible Cholinesterasehemmung,
kommt es nach Kontakt und einer La -
schwere Vergiftungen sind selten. The -
tenz von mehreren Stunden zu Blasen -
rapeutisch wird ebenfalls Atropin ver-
ulcera und nach einem Intervall von 2
abreicht, Oxime sind kontraindiziert.
Tagen zu Enteritis, Nephritis und Le -
berschäden, nach weiteren Tagen zu
Pyrethroide Lungenerkrankungen, Bronchiolitis und
Pyrethroide sind Inhaltsstoffe von Chry- Tod durch Ersticken. Therapie gibt es
santhemenextrakten, die in geringsten keine.
Konzentrationen beim Insekt zu einer
Nervenlähmung führen, beim Warm -
blüter aber relativ untoxisch sind.
Dennoch sollten Pyrethroide zur Raum -
freihaltung von Insekten, vor allem für
Kinder, nur bei offenem Fenster verwen-
det werden (Gelsenstecker).

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


252 To x i k o l o g i e

Chemische Karzinogene fisch, ein Phänomen, das Organotropie


genannt wird. Die nötigen Gesamtdo-
sen bei aromatischen Aminen sind
Karzinogene Substanzen höher als bei den aromatischen Kohlen -
Aromatische Kohlenwasserstoffe wasserstoffen.
Aromatische Amine Beispiele karzinogener aro mati -
N-Nitrosoverbindungen
scher Amine: o-Toluidin, 2,4-Diamino -
Alkylierende Substanzen
anisol, 4-Aminobiphenyl, 2-Aminonaph-
Naturstoffe und Metalle
thalin, 2-Aminoanthracen, 4-Dimethyla-
minoazobenzol und 4-Dimethylamino-
Karzinogene sind Stoffe, die durch stilben. Aus Aminosäuren entstehen
DNA-Veränderung aus einer normalen durch Pyrolyse (Braten) ebenfalls karzi-
Zelle eine Tumorzelle entstehen lassen, nogene Amine.
und letztlich die Entwicklung eines bös-
artigen Tumors bewirken. Stoffe, die die N-Nitroso-Verbindungen
kanzerogene Aktivität anderer Substan - Diese sind ebenfalls systemisch wirk-
zen erhöhen sind Co-Karzinogene und sam und zeigen eine ausgeprägte Or -
solche, die die Entwicklung eines Tu - ganotropie. Sie können aus sekundären
mors aus einer Tumorzelle fördern, so - und tertiären Aminen in Gegenwart von
genannte Promotoren. Nitrit und Magensäure entstehen, wei -
ters beim Kochen und Braten aus Ei -
Aromatische weiß, in alkoholischen Getränken, im Ta-
Kohlenwasserstoffe bakrauch, und zwar im Nebenstrom-
mehr als im Hauptstromrauch.
Ein wichtiger krebserzeugender aro-
matischer Kohlenwasserstoff ist Benzol Beispiele für karzinogene Nitroso-
(s. Seite 230). Ebenso karzinogen sind verbindungen: Dimethylnitrosamin,
die polyzyklischen aromatischen Kohlen- Methyl-N-Butyl-Nitrosamin, N-Nitroso-
wasserstoffe, die bei unvollständiger Ver- N-Methyl-Harnstoff, Dibutylnitrosamin,
brennung organischer Materialien ent- N-Nitrosopiperidin und N-Nitroso-N-
stehen. Sie kommen in Steinkohlenteer, Methyl-Urethan.
Schieferöl, im Russ, in Autoabgasen, im
Tabakrauch und im Teer vor. Diese Stoffe
Alkylierende Substanzen
wirken lokal, d.h. sie bilden Tu moren Sie haben kein gemeinsames Struktur-
am Ort der Einwirkung (z.B. in der merkmal und reagieren mit nukleophi-
Lunge beim Raucher). Die meisten sind len Resten wie Aminen, Sulfiden, Pheny-
nicht selbst karzinogen, sondern bilden laten, Phosphaten und Carboxylgruppen.
im Organismus reaktionsfähige Metabo- Wie die aromatischen Kohlenwasser -
liten, die karzinogen wirksam sind. stoffe rufen sie Tumoren lokal am Ort
der Einwirkung hervor.
Aromatische Amine Beispiele für alkylierende Substan-
Diese kommen in der Natur nicht vor zen: Glyzidalde hyd, β-Propiolacton,
und erzeugen Tumoren systemisch (nicht Stickstoff-Lost, Methansulfonsäure-Me-
am Ort der Einwirkung). Die Verbindun- thylester, Diepoxybutan, Ethylenimin
gen sind für bestimmte Organe spezi- und Bischloromethyläther.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 253

Karzinogene Alkaloidhaltige Pflanzen


Naturstoffe Alkaloide sind basische Pflanzeninhalts-
stoffe, d. h. sie haben einen basischen
Verschiedene Pflanzeninhaltsstoffe Stickstoff im Molekül. In kleinen Dosen
und Stoffwechselprodukte von Mikro - wirken Alkaloide meist erregend und in
organismen können ebenfalls karzino- großen Dosen lähmend. Therapeutische
gen wirken. Diese Stoffe sind unter- Maßnahmen nach oraler Aufnahme
schiedlichen Substanzklassen zuzuord- alkaloidhaltiger Pflanzen beschränken
nen, und auch ihre Wirkung ist unein- sich auf Gabe von Aktivkohle und sym-
heitlich. ptomatische Behandlung der auftreten-
Beispiele für karzinogene Natur- den Störungen.
stoffe: Aflatoxin B1 aus Aspergillus fla- Tollkirsche
vus, Aristolochiasäure aus der Oster - (Atropa belladonna,
luzei, Cycasin aus Nüssen, Pyrrolizidin - Nachtschattengewächse)
alkaloide aus verschiedenen Pflanzen
Inhaltsstoff: Atropin, sehr stark giftig.
und Safrol aus Sassafrasöl.
Akute Verg.: Atropin blockiert Acetyl-
cholinrezeptoren. Es kommt zur Pu -
Metalle und Festkörper pillenerweiterung, Mundtrockenheit,
Zahlreiche Metalle und deren Salze heißer scharlachroter Haut, Zittern, Be -
sind tumorerzeugend, z.B. Kobald, wegung der Glieder, klonischen Krämpfen,
Kupfer, Zink, Molybdän, Zinn, Arsen, Rededrang, Lach- und Weinkrämpfen,
Beryllium, Chrom, Kadmium und Nickel. Tobsucht, Raserei, akuter Psychose, Er -
Auch häufig verwendete Festkörper kön- schöpfung und schließlich Schlaf. Un -
nen tumorerzeugend sein wie z.B. As- behandelt tritt der Tod durch Koma,
beststaub, Buchenstaub und Eichen - Atemlähmung und Herzstillstand ein.
staub. Als tödliche Dosis gelten für Kinder 3-4
Beeren und für den Erwachsenen 10-12
Beeren.
Giftpflanzen und Ther.: Kurz nach der Einnahme Aktiv-
kohle, als spezifisches Antidot Physo -
Pflanzengifte stigmin, sonst symptomatisch.
Im folgenden Abschnitt werden gifti- Stechapfel
ge einheimische Pflanzen und deren In - (Datura stramonium,
haltsstoffe kurz besprochen. Bei jeder Nachtschattengewächse)
Pflanze wird der Name inklusive lateini- Inhaltsstoff: Scopolamin, sehr stark
scher Bezeichnung, die Familie, der giftig
Inhaltsstoff und seine Gefährlichkeit,
die Symptome bei der akuten Ver - Akute Verg.: Ähnlich wie Atropin-
giftung sowie therapeutische Maßnah - vergiftung, am Beginn allgemeine Er -
men besprochen. Wenn nur symptoma- regung, von Heiterkeit bis Tobsucht,
tische Therapie möglich ist, wird auf Sinnestäuschungen, Sehstörungen, zu -
therapeutische Maßnahmen bei den letzt Atemlähmung.
einzelnen Pflanzen verzichtet. Ther.: Aktivkohle und Physostigmin

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


254 To x i k o l o g i e

Bilsenkraut Er brechen, Durchfall, Schwindel und


(Hyoscyamus niger, Kopfschmerzen
Nachtschattengewächse) Ther.: Aktivkohle und symptomatisch
Inhaltsstoff: Atropin und Scopolamin, Lupine
sehr stark giftig (Lupinus polyphyllus,
Akute Verg.: wie Atropinvergiftung Schmetterlingsblütler)
Ther.: Aktivkohle und Physostigmin Inhaltsstoff: Spartein in den Samen,
Gefleckter Schierling stark giftig
(Conium maculatum, Akute Verg.: Speichelfluss, Erbrechen,
Doldenblütler) Schluckbeschwerden, Herzrhyth mus -
Inhaltsstoff: Coniin in allen Pflanzen- störungen, aufsteigende Lähmung, Tod
teilen, sehr stark giftig durch Atemlähmung

Akute Verg.: Lähmung der Zunge, Ther.: Aktivkohle, symptomatisch


Übelkeit, Erbrechen, Leibschmerzen, Eisenhut
Kältegefühl, aufsteigende Lähmung, (Aconitum napellus,
Tod durch Atemlähmung bei vollem Hahnenfussgewächse)
Bewusstsein. Historisch als Hinrichtungs- Inhaltsstoff: Aconitin, in allen Pflan -
mittel verwendet (Sokrates). zenteilen, sehr stark giftig, gilt als gif-
Ther.: Aktivkohle und symptomatisch tigste Pflanze unserer Breiten
Goldregen Akute Verg.: Sensible Nervenwirkun-
(Cytisus laburnum, gen im Mund, Brennen, Vertaubung,
Schmetterlingsblütler) Lähmung, unerträgliches Kältegefühl,
Inhaltsstoff: Cytisin in allen Pflanzen- Herzrhythmusstörungen, Atemlähmung,
teilen, besonders im Samen, sehr stark 1 g Wurzel ist tödlich
giftig Ther.: Aktivkohle und symptomatisch
Akute Verg.: Ähnlich einer Nikotin- Herbstzeitlose
vergiftung, beginnt mit Brennen in (Colchicum autumnale,
Mund und Rachen. Speichelfluss, Durst, Liliengewächse)
Übelkeit, Würgen und blutiges Erbre- Inhaltsstoff: Colchicin, sehr stark
chen, weite Pupillen, Gliederschwäche, giftig
Lähmungen, Krämpfe, Tod durch Atem-
lähmung. Akute Verg.: Choleraartige Durch-
fälle, nach 2-6 Stunden Herzrhythmus -
Ther.: Aktivkohle und symptomatisch störungen, Harndrang, Übelkeit, Er -
Besenginster brechen, aufsteigende Lähmungen, Blau-
(Sarothamnus scoparius, färbung der Lippen, rascher Puls, Atem -
Schmetterlingsblütler) lähmung
Inhaltsstoff: Spartein in allen Pflan - Weißer Germer
zenteilen, giftig (Veratrum album,
Akute Verg.: Ähnlich wie Nikotin- Liliengewächse)
vergiftung, Herzrhythmusstörungen, Inhaltsstoff: Protoveratrin A, B und

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 255

Germerin, steroidähnliche Alkaloide, Akute Verg.: Schleimhautreizend,


stark giftig zentral erregend bis lähmend
Akute Verg.: Stechendes Gefühl in Eibe
Zunge und Hals, Schwindel, Kopf - (Taxus baccata, Eibengewächse)
schmerz, Muskelzuckungen, Zittern, Inhaltsstoff: Alkaloide, u.a. Taxin in
Kältegefühl, Durchfälle, Krämpfe, Angst, allen Pflanzenteilen, nicht im roten
Kollaps, Atemstillstand bei Bewusstsein. Fruchtfleisch, stark giftig
Wasserschierling Akute Verg.: Erbrechen mit Leib-
(Cicuta virosa, Doldenblütler) schmerzen, Schwindel, Bewusstlosigkeit,
Inhaltsstoff: Cicutoxin in allen Pflan- Tod durch Atemlähmung.
zenteilen, kein Alkaloid, sehr stark gif- Virginischer Tabak
tig (Nicotiana tabacum)
Akute Verg.: Übelkeit, Erbrechen, Ver- Inhaltsstoff: Nikotin u.a. Alkaloide,
dunkelung des Gesichtsfeldes, taumeln- in allen Pflanzenteilen, sehr stark giftig
der Gang, Bewusstlosigkeit, nach eini- Akute Verg.: Brennen im Mund, blasse
gen Stunden Tod durch Atemlähmung Haut, kalter Schweiß, Kopfschmerzen,
Schöllkraut Zittern, Zuckungen, Schwindel, Schwä -
(Chelidonium majus, che, Sehstörungen, Übelkeit, Erbre -
Mohngewächse) chen, Herzklopfen, Angina pectoris An -
fälle, Tod durch Atemlähmung
Inhaltsstoff: Chelidonin, Spartein u.a.
Alkaloide, giftig ist die ganze Pflanze,
Tabakrauch
besonders der orangegelbe Milchsaft,
stark giftig Tabakrauch enthält aliphatische und
aromatische Kohlenwasserstoffe, Alko -
Akute Verg.: An der Haut Entzün- hole, Amine, Ammoniak, Stickstoff -
dungen bis Geschwüre; bei oraler Auf - oxide und Kohlenmonoxid in hoher
nahme Entzündungen und Brennen im Konzentration. Eine Reihe kanzerogener
Mund, Lähmungen, Herzrhythmusstörun- Stoffe wurden im Tabakrauch nachge-
gen, Blut im Stuhl u.a. Symptome wiesen, so Nitrosamine, polyzyklische
Buschwindröschen (Anemone aromatische Kohlenwasserstoffe, Ethylen-
nemorosa, Hahnenfußgewächse) oxid, Acrylnitril, Vinylchlorid, und die
kanzerogenen Metalle Kadmium, Chrom,
Inhaltsstoff: Protoanemonin in allen Nickel und Polonium 210. Der Zusammen-
Pflanzenteilen, giftig hang zwischen Tabakrauchen und
Akute Verg.: Übelkeit, Durchfall, Er- Bronchialkarzinom, Kehlkopf-, Mund -
brechen, blutiger Harn, Erregung mit höhlen- und Oesophaguskarzinom ist
Krämpfen, Kollaps, Atemlähmung eindeutig und überzeugend. Auch an -
dere Erkrankungen wie koronare Herz -
Scharfer Hahnenfuß
krankheit, Gefäßerkrankungen, Magen-
(Ranunculus acer,
und Darmulcera, sowie schwere COPD
Hahnenfußgewächse)
treten bei Rauchern häufiger auf. Bei
Inhaltsstoff: Protoanemonin, Ane- Geburten von Raucherinnen sind Fehl -
monin und Saponine, giftig bildungen eindeutig erhöht, und auch

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


256 To x i k o l o g i e

ein rauchender Vater hat hier negativen Oleander


Einfluss. Auch der Nebenstromrauch (Nerium oleander,
enthält eine Reihe krebserzeugender Hundsgiftgewächse)
Substanzen und langjährige Exposition
Inhaltsstoff: Oleandrin und andere
eines Nichtrauchers erhöht das Risiko
herzwirksame Glykoside, stark giftig
eines Bronchialkarzinoms und einer
koronaren Herzkrankheit. Schneerose
(Helleborus niger,
Pflanzen mit Hahnenfußgewächse)
herzwirksamen Glykosiden Inhaltsstoff: Hellebrin und Hellebo-
rin, ein Saponin, Protoanemonin
Während herzwirksame Glykoside aus
Digitalis purpurea, dem roten Fin - Akute Verg.: Zu den für die Gruppe
gerhut, medizinische Verwendung fin- genannten Symptomen kommen noch
den, werden herzwirksame Glykoside starke gastrointestinale Reizungen und
anderer Pflanzen nicht therapeutisch schwere Gastroenteritis.
verwendet. Pfaffenhütchen
Akute Verg.: Alle herzwirksamen (Euonymus europaea,
Glykoside führen zu lokalen Reizwir kun- Spindelbaumgewächse)
gen, zu Pulsabfall auf 40-50 Schläge
Inhaltsstoff: Evonosid, Evobiosid,
pro Minute, zu Blutdruckabfall und
stark giftig
letztlich zu Herzlähmung in Kontrak-
tion. Weitere Symptome sind Übelkeit, Akute Verg.: Zu den für die Gruppe
Benommenheit, Sehstörungen und Hallu- genannten Symptomen kommen noch
zinationen. blutige Durchfälle mit Kolik, Leber- und
Nierenschädigung, Lähmung der Kau -
Roter Fingerhut
muskulatur und klonisch-tonische Kräm-
(Digitalis purpurea,
pfe.
Rachenblütler)
Inhaltsstoff: Digitoxin, Gitoxin und Saponinhaltige Pflanzen
Gitaloxin in allen Pflanzenteilen, sehr
stark giftig Saponine sind Glykoside verschiede-
ner Struktur, die in den Pflanzen sehr
Maiglöckchen verbreitet sind; oral verabreicht sind sie
(Convallaria majalis, wenig giftig, führen aber zu leichten
Liliengewächse) gastrointestinalen Beschwerden. Wenn
Inhaltsstoff: Convallatoxin in allen Saponine ins Blut gelangen, verursa-
Pflanzenteilen, sehr stark giftig chen sie Hämolyse und in der Folge
Akute Verg.: Zu den für die Gruppe Nierenschädigung.
genannten Symptomen kommen noch Schneebeere
Durchfall und Verlangsamung der At - (Symphoricarpos albus,
mung. Geißblattgewächse)
Inhaltsstoff: Saponine und unbe-
kannte Reizstoffe, giftig
Akute Verg.: an Haut und Schleim-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 257

haut Entzündungen und Reizwirkungen, Gartengeißblatt


nach oraler Aufnahme Übelkeit und (Lonicera caprifolium)
Durchfall, Erbrechen Schwarze und Gemeine
Einbeere Heckenkirsche
(Paris quadrifolia, (Geißblattgewächse)
Liliengewächse) Inhaltsstoff: verschiedene Saponine,
Inhaltsstoff: Saponine, Paridin und giftig
Paristyphnin Akute Verg.: Übelkeit, Erregung, Herz-
Akute Verg.: Übelkeit, enge Pupillen, rhythmusstörungen, blutige Durchfälle,
Schädigung der Nieren und des Zentral- Krämpfe, Nierenschädigung, Atemläh -
nervensystems, Darm- und Blasenent - mung
zündung
Giftpflanzen mit
Kornrade
(Agrostemma githago,
verschiedenen
Nelkengewächse) Inhaltsstoffen
Inhaltsstoff: Githagin, Githagenin, Christuspalme
stark giftig (Ricinus communis,
Wolfsmilchgewächse)
Akute Verg.: Schleimhautreizung, Trä-
nenfluss, Übelkeit, Benommenheit, Kräm- Inhaltsstoff: Rizin in den Samen,
pfe, Kopfschmerzen, Herzrhythmus - toxischer Eiweißkörper, sehr stark giftig,
störungen, Atemlähmung 30 mg Rizin subkutan sind tödlich
Wolliger Schneeball Akute Verg.: Übelkeit, blutiges Er-
(Viburnum lantana, brechen, blutiger Durchfall, Nierenent-
Geißblattgewächse) zündung, Leberschaden, Herzrhythmus-
störungen, Kreislaufversagen
Inhaltsstoff: Viburnin in allen Pflan -
zenteilen, nicht in den Beeren, giftig Zypressenwolfsmilch
(Euphorbia cyparissias,
Akute Verg.: Übelkeit, Erbrechen,
Wolfsmilchgewächse)
Durchfall, Schwindel, Kollaps, Nieren-
schädigung und Herzrhythmusstörungen, Inhaltsstoff: Euphorbon, Phorbol -
Krämpfe, Atemnot ester u.a. Stoffe, giftig ist der Milchsaft,
stark giftig
Rosskastanie
(Aesculus hippocastanum, Akute Verg.: an der Haut Blasen-
Rosskastaniengewächse) bildung, am Auge gefährliche Entzün -
dungen, bei oraler Aufnahme blutiger
Inhaltsstoff: Aescin und andere Sa-
Durchfall, Herzrhythmusstörungen, Nie-
ponine, wenig giftig
renentzündung, Bewusstseins störun -
Akute Verg.: Erbrechen, Durchfall, gen, tödliche Ausgänge sind möglich.
Durst, Unruhe, Sehstörungen

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


258 To x i k o l o g i e

Weihnachtsstern Stechpalme
(Euphorbia pulcherrima, (Ilex aquifolium,
Wolfsmilchgewächse) Stechpalmengewächse)
Inhaltsstoff: giftiger Milchsaft, wenig Inhaltsstoff: Rutin, Ursolsäure, Illi-
giftig, neuere Züchtungen ungiftig cin, Theobromin, vor allem in Beeren
Seidelbast und Blättern, stark giftig
(Daphne mezereum, Akute Verg.: Erbrechen, Durchfälle,
Seidelbastgewächse) Herzrhythmusstörungen, Nierenschädi -
Inhaltsstoff: Mezerein, ein Diterpen, gung, Lähmungen
Daphnin u.a. Stoffe in allen Pflanzen - Liguster
teilen, sehr stark giftig (Ligustrum vulgare, Ölbaumge-
Akute Verg.: Lokale Reizungen, wächse)
Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Inhaltsstoffe: Ligulin, Ligustron u.a.
Krämpfe, Durchfall, zentrale Störungen, unbekannte Stoffe, giftig
Nierenschädigung, Kollaps
Akute Verg.: Erbrechen, Durchfälle,
Eberesche Krämpfe, Kreislaufversagen, Lähmung,
(Sorbus aucuparia, Schock
Rosengewächse)
Mistel
Inhaltsstoff: Amygdalin, Sorbinsäure (Viscum album, Mistelgewächse)
und Aucuparin, wenig giftig
Inhaltsstoff: Viscotoxine (Peptide), in
Akute Verg.: Erbrechen, Magen- allen Pflanzenteilen, giftig
Darmentzündung, Hautausschläge,
Durchfälle Akute Verg.: Reizungen, Brech -
durchfall, blutige Stühle, Krämpfe
Aronstab
(Arum maculatum, Gartenbohne
Aronstabgewächse) (Phaseolus vulgaris,
Schmetterlingsblütler)
Inhaltsstoffe: Aroin, Blausäureglyko-
side, Nikotin u.a., in allen Pflanzen - Inhaltsstoffe: Phasin, in den rohen
teilen, sehr stark giftig Früchten, stark giftig
Akute Verg.: Örtliche Reizwirkung Akute Verg.: Erbrechen, Durchfälle,
und Entzündung der Haut bei Berüh - Darmkrämpfe, Hyperkaliämie, Schock,
rung, bei oraler Aufnahme geschwolle- für Kinder häufig tödlich
ne Zunge, Brennen auf der Zunge, Kartoffel
Blasen auf der Schleimhaut, heftige (Solanum tuberosum,
Entzündung, Herzrhythmusstörungen, Nachtschattengewächse)
Lähmungen im Zentralnervensystem
Inhaltsstoffe: Solanin u.a. Solanum
Alkaloide in den Beeren, in allen oberir-
dischen Pflanzenteilen und in Kartoffeln,
die bei der Lagerung auskeimen (hohe
Konzentration), stark giftig.
Akute Verg.: Übelkeit, Erbrechen,

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 259

Durchfall, weite Pupillen, Benommen -


heit, Schock, Schwindel, Krämpfe, Fie - Wichtige Giftpilze
ber und zuletzt Atemlähmung können Stark giftige Pilze
nach dem Genuss roher Kartoffeln auf- Grüner Knollenblätterpilz
treten. Weißer Knollenblätterpilz
Schlafmohn Frühjahrslorchel
Orangefuchsiger Hautkopf
(Papaver somniferum,
Spitzkegeliger Rauhkopf
Mohngewächse)
Mittelgiftige Pilze
Inhaltsstoffe: Morphin, Codein, Papa-
Fliegenpilz
verin, Thebain, Narkotin u.a., in der gan-
Pantherpilz
zen Pflanze, besonders in den Kapseln,
Risspilz
stark giftig Tintlinge
Akute Verg.: Schwindelgefühl, Er- Schwach giftige Pilze
brechen, Benommenheit, tiefe Bewusst - Satanspilz
losigkeit, Reduktion der Atmung, enge Birkenreizker
Pupillen, später Absinken der Körper - Kahler Krempling
temperatur, Tod durch zentrale Atem- Dreifärbige Koralle
lähmung Speitäubling
Stachelbeertäubling
Kartoffelbovist
Giftpilze und Pilzgifte
Pilzvergiftungen lassen sich einfach ver- Knollenblätterpilze-
meiden, wenn nur frische, bekannte Parenchymgifte
Pilze gesammelt und verzehrt werden.
Experimente, auch mit ausführlichen Grüner Knollenblätterpilz
Pilzbüchern, bergen immer ein gewisses (Amanita phalloides)
Risiko in sich. Bewertungen in Pilzsam- Weißer Knollenblätterpilz
melstellen sind eine Möglichkeit, Ver - (Amanita virosa)
wechslungen zu vermeiden.
Inhaltsstoffe: α-Amanitin, β-Amani-
Nützlicher Hinweis: Das Gesündes- tin, Phalloidine u.a. Toxine, sehr stark
te an Pilzen ist das Suchen. giftig
WM: Das hitzestabile α-Amanitin ist
ein zyklisches Oktapeptid und hemmt
die RNA-Polymerase II und damit die
Nukleinsäuresynthese im Zellkern. Ge -
webe mit einer raschen Regeneration
wie Leber, Niere und Darmepithel wer-
den besonders geschädigt.
Akute Verg.: Nach einer Latenz von
6-24 Stunden kommt es zu Übelkeit,
Erbrechen und starken Durchfällen.
Nach 1-2 Tagen kommt es zu einer mas-

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


260 To x i k o l o g i e

siven Leberschädigung, die, zusammen Ther.: Aktivkohle kurz nach der Auf-
mit einem akuten Nierenversagen, zum nahme, später Hämodialyse
Tod führen kann.
Ther.: So schnell wie möglich nach Fliegenpilz-Isoxazole
Aufnahme Magenspülung und Aktiv - Fliegenpilz (Amanita muscaria)
kohle, die Amanitine binden kann. Die Pantherpilz (Amanita pantherina)
Aktivkohlegabe möglichst oft wieder-
holen, Silibinin zum Schutz vor einer Inhaltsstoff: Diese Pilze enthalten
weiteren Leberschädigung und hohe Ibotensäure, beim Kochen entsteht
Muscimol, stark giftig
Dosen von Penicillin G. Symptomatisch
ist es wichtig, Wasser- und Elektrolyt- WM: Ibotensäure ist ein GABA-Re -
verlust zu ersetzen und hohe Dosen Glu- zeptor-Agonist
cocorticoide zu verabreichen. Bei Nieren- Akute Verg.: Nach kurzer Latenzzeit
versagen ist Hämodialyse angezeigt. Schwindel, Übelkeit, Muskelzittern und
Spasmen, Gleichgewichtsstörungen und
Frühjahrslorchel letztlich eine toxische Psychose mit
(Gyromitra esculenta) Halluzinationen, Erregung, Verwirrtheit
bis zur Tobsucht. Danach folgt unter
Inhaltsstoff: Die Frühjahrslorchel ent-
Umständen ein tiefer Schlaf.
hält Gyromitrin, das hitzelabil ist und
beim Kochen mit dem Wasserdampf Ther.: Eventuell Magenspülung und
entweicht (Vergiftungsgefahr), giftig Aktivkohle, später Benzodiazepine oder
Neuroleptika
Akute Verg.: Das Vergiftungsbild ist
ähnlich dem bei Knollenblätter pilz - Risspilze-Muscarin
vergiftung, Vergiftungen im Frühjahr
Ziegelroter Risspilz
Ther.: Gabe von Aktivkohle und symp- (Inocybe patouillardii)
tomatisch
Inhaltsstoff: Muscarin, stark giftig
Schleierlinge WM: Muscarin wirkt erregend am
postsynaptischen Acetylcholinrezeptor
Orangefuchsiger Hautkopf
(Cortinarius orellanus) Akute Verg.: Parasympathisches Zu-
standsbild mit Schwitzen, Speichelfluss,
Spitzkegeliger Rauhkopf
Tränen, Bradykardie, Bronchienver en -
(Cortinarius rupellus)
gung, Pupillenverengung mit Seh -
Inhaltsstoff: Orellanin, stark giftig störungen und eventuell Erbrechen und
WM: Schwere Nierenschädigung nach Durchfall.
zwei Wochen Latenz Therapie: Atropin zur Blockade des
Akute Verg.: Am Beginn nach nicht Acetylcholinrezeptors
sehr schwerer gastrointestinaler Phase
mit Übelkeit, Erbrechen und Durch -
fällen kommt es nach etwa zwei Wochen
zu schwerer Nierenschädigung und
Leberschwellung

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 261

Tintlinge schmerzen und Durchfällen. Todesfälle


sind selten und die Therapie symptoma-
Faltentintling
tisch.
(Coprinus atramentarius)
Satanspilz (Boletus satanas)
Inhaltsstoff: Coprin, giftig mit Alko-
hol Akute Verg.: Nach einer Latenzzeit
von einer Viertelstunde bis vier Stunden
WM: Hemmung der Acetaldehyd-
kommt es zu Brechdurchfällen, Schock
Dehydrogenase, Acetaldehyd ist ein
und Austrocknung.
toxischer Metabolit von Alkohol, letzt-
lich Acetaldehydvergiftung Birkenreizker
(Lactarius torminosus)
Akute Verg.: Rotes Gesicht, Schweiß-
ausbruch, Schwindel, Übelkeit, Tachykar- Inhaltsstoff: Terbenoide, Substanzen
die, Kopfschmerz, Erbrechen, Atemnot im weißen Milchsaft (der Reizker mit
und Krämpfe. Die Symptome gehen orangem Milchsaft ist essbar)
nach einigen Stunden zurück. Akute Verg.: Im Vordergrund stehen
choleraartige Durchfälle.
Magic Mushrooms- Kahler Krempling
Psilocybin (Paxillus involutus)
Mexikanischer Kahlkopf Akute Verg.: Vor allem mit rohen oder
(Psilocybe mexikana, Mexiko) halbgekochten Pilzen; hämolytische Anä-
Spitzkegeliger Kahlkopf mie und akutes Nierenversagen
(Psilocybe semilanceata, Dreifarbige Koralle
heimisch) (Ramaria formosa)
Inhaltsstoff: Psilocybin, Psilocin, Akute Verg.: Übelkeit, Erbrechen und
mäßig giftig Durchfälle
Akute Verg.: Psilocybin ist ein Hallu - Speitäubling
zinogen, die Wirkung ähnelt der des (Russula emetica, roter Schirm),
LSD. Es folgen Kopfschmerz, Benom- Stachelbeertäubling
menheit, Koordinationsstörungen, nied- (Russula queletii, purpurroter bis
riger Blutdruck, Verlust des Persön - lilaroter Schirm)
lichkeitsgefühls, Delirium, Todesfälle sind
beschrieben Akute Verg.: Ersterer leber- und nie-
rengiftig, letzterer führt zu Erbrechen
Ther.: Beruhigen, eventuell Benzodia - und Durchfällen
zepine
Kartoffelbovist
(Scleroderma aurantium)
Schwach giftige Pilze mit
unbekannten Inhaltsstoffen Akute Verg.: Übelkeit, Erbrechen und
Schwindelgefühl, Sehstörungen und Be-
Diese Pilze wirken hauptsächlich auf wusstlosigkeit
Magen und Darm, im Verlauf von einer
viertel Stunde bis zwei Stunden nach
dem Essen kommt es zu Gastroenteritis,
Übelkeit, Erbrechen, kolikartigen Leib -

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


262 To x i k o l o g i e

Gifttiere und Tiergifte Hornisse: Hornissenkinine


 Enzyme: Phospholipase A, Phospho-
Tiere verwenden Giftapparate respek- lipase B und Hyaluronidase
tive Gifte als Schutz vor Feinden oder
Akute Verg.: Lokale Reaktionen wie
um leichter an ihre Beute zu kommen.
Schmerz, Schwellung, Rötung und Juck-
Tiergifte enthalten biogene Amine,
reiz, systemische Wirkung nur bei Aller-
neurotoxische Polypeptide, Kinine und
gie unter Umständen lebensbedrohlich
Enzyme.
Therapie: Lokal kühlende Umschläge,
beim anaphylaktischen Schock Volumen-
Giftiere zufuhr und Adrenalin i.v.
Gliederfüsser Biene
Wespe Spinnen
Hornisse
Giftapparat: Giftdrüse und Beißwerk-
Spinnen
zeug
Skorpione
Krustentiere Gift: Verschiedene Polypeptide, manch-
Amphibien Kröten
mal auch enzymatische Komponente
Frösche Kreuzspinne, Tarantel
Salamander und Vogelspinne
Reptilien Schlangen
Nach dem Biss starke Schwellung, Läh-
Fische Petermännchen mung in der Umgebung der Bissstelle,
Rotfeuerfisch keine systemische Wirkung
Skorpionsfisch
Steinfisch Dornfingerspinne
Kugelfisch Lokale und systemische Wirkungen.
Kofferfisch Lokal kommt es zu stechenden und
Andere Gifttiere Konusschnecken brennenden Schmerzen an der Biss -
Nesseltiere stelle, blaurote Verfärbung und Schwel -
Korallen lung, systemisch kommt es zu Übelkeit,
Dinoflagellaten Erbrechen, Kopfschmerz und Tempera -
turerhöhung.
Kugelspinne, Schwarze Witwe
Hautflügler
(Latrodectus)
Biene, Wespe, Hornisse, Hummel
Gift: α-Latrotoxin, ein Polypeptid
Giftapparat: Giftdrüse, Giftblase und
Akute Verg.: Rasch eintretende
Stachel, eventuell mit Widerhaken
Schmerzen, Muskelrigidität, vegetative
Gifte: Biogene Amine (Histamin, Sero- Syptome wie Schweißausbruch und
tonin, Acetylcholin) Speichelfluss, Angstzustände und Atem-
 Polypeptide: Biene: Mellitin, Apamin, beschwerden, nach 24 Stunden klingen
Mastzelldegranulierendes Peptid die Symptome ab.
(MCD-Peptid)
Wespe: Wespenkinine und Masto -
parane

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


To x i k o l o g i e 263

Skorpione Proteasen, Nucleotidasen wie Phospho -


diesterasen und gewebsauflockernde
Giftapparat: Paarige Drüsen mit
En zyme wie Kollagenasen, Hyaluro -
einem Stachel verbunden
nidasen und Phospholipasen. Dazu
Gifte: Basische Polypeptide, Hyalu ro- kommen ver schiedene neurotoxische
nidase. Peptide unterschiedlicher Giftigkeit. Die
Akute Verg.: Lokale Schmerzen an der Gifte von Vi pern und Grubenottern
Einstichstelle. Systemisch: Schwitzen, stören zusätzlich die Blutgerinnung und
Schwäche, Pulsverlangsamung, später führen zu schweren Nekrosen.
Angst- und Ruhelosigkeit mit Pulsbe - Die wichtigsten Giftschlangen zählen
schleunigung, nach 10 Stunden eventu- zu vier Familien:
ell Lungenödem.
 Elapidae: Giftnattern, Mambas,
Hausskorpion: eher harmlos Kobras
Feldskorpion: Neurotoxisch, Lungen-  Viperidae: Kreuzotter, Sandviper
ödem möglich und Aspisviper, afrikanische Puff-
Nordamerikanische, nordafrikani- otter
sche und indische Skorpione: ge-  Crotalidae: Klapperschlangen
fährliche Vergiftungen mit basischen Poly- und Grubenotter
peptiden
 Hydrophiidae: blaue Breitband-
seeschlange (Ladicauda)
Amphibien, Kröten,
Akute Verg.: Die wichtigste Maßnah-
Frösche und Salamander
me ist die Verabreichung von polyvalen-
Giftapparat: Hautdrüsen sondern tem Schlangen-Serum.
passive Gifte als Schutz vor Feinden ab.
Gifte: Sie gehören zu den giftigsten Fische
Verbindungen, die die Natur hervorge- Fische mit Giftstacheln besitzen gifti-
bracht hat. Viele davon sind Alkaloide ge Hautdrüsen in Stacheln und Rücken -
und stark wirksame Nerven- und Mus - flosse oder in der Kiemendecke. Es han-
kelgifte. Das giftigste ist Batrachotoxin, delt sich um neurotoxische Peptide, die
ein Pfeilgift (LD 50 für Mäuse 2 μg/kg lokal zu heftigen Schmerzen und zum
subkutan). Die Gifte der heimischen Am- Teil auch zu schweren systemischen Stö-
phibien sind für den Menschen nicht rungen führen. Beispiele: Petermänn-
gefährlich. Bufotenin, Samandarin u.a. chen, Rotfeuerfisch, Skorpionsfisch und
Steinfisch. Der Kofferfisch hat ein gifti-
Schlangen ges Hautsekret, das Fraßfeinde ab -
Der Giftapparat der Schlangen be- schreckt.
steht aus Giftdrüsen und Giftzähnen,
die wie Injektionsnadeln fungieren, ca.
40.000 Personen werden jährlich durch
Schlangenbisse getötet.
Gifte: Schlangengifte enthalten pro-
teolytische Enzyme wie Proteinasen und

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


264 To x i k o l o g i e

Andere Gifttiere Spitze mit einem Widerhaken versehen


ist. Durch Muskeldruck des Schlund -
Tetrodotoxinhaltige Tiere rohres der Schnecke wird dieser Pfeil
Tetrodotoxin ist ein Nervengift und ausgeschleudert und in die Beute ge -
blockiert selektiv den spannungsabhän- schossen. Das Gift ist ein Gemisch ver-
gigen Natriumkanal. Am bekanntesten schiedener Peptide, die sequentiell in
ist der Kugelfisch (Fugufisch), der dieses die Muskelkontraktion des Beutetieres
Toxin vor allem in den Ovarien und in eingreifen. α-Conotoxine blockieren
Hautdrüsen gespeichert hat. Aber auch Nikotinrezeptoren, μ-Conotoxine Na -
Seesterne, diverse Krabben, Meeres - triumkanäle und δ-Conotoxine verschie-
schnecken, ein australischer Oktopus, dene Kalziumkanäle. In Bruchteilen von
sowie Frösche und Molche können Sekunden ist das Beutetier bewegungs-
Tetrodotoxin enthalten. unfähig und kann von der Schnecke
verzehrt werden. Für den Menschen
Akute Verg.: Beim Verzehr kommt es sind die Giftmengen zu gering, die
zu Parasthäsien im Mundbereich, höhe- Wirkung ist vergleichbar mit einem
re Dosen führen zu Lähmung der Atem - Wespenstich.
muskulatur.
Protozoen- und Algentoxine
Portugiesische Galeere
Algen können hoch giftige Toxine bil-
Die portugiesische Galeere (Physalia den, die sich in Muscheln, Krabben,
physalis) ist ein quallenähnliches Tier, Fischen und anderen Meerestieren an -
das mit einer luftgefüllten Blase an der reichern und beim Verzehr für den
Wasseroberfläche schwimmt. Es besitzt Menschen gefährliche Gifte sind. Bei -
meterlange Tentakeln, die dicht mit spiele sind Ciguatoxin, das epidemiear-
Nesselzellen besetzt sind. Diese Zellen tig eine Krankheit auslöst, die Ciguatera
können mit einem speziellen Mechanis- heißt und in der Karibik und im Pazifik
mus fadenförmige Spitzen ausschleu- auftritt. Nach anfänglichen gastrointes -
dern, die in das Opfer ein hoch wirksa- tinalen Beschwerden kommt es zu neu-
mes Toxingemisch injizieren. Beim Men - rologischen Beschwerden und Schleim -
schen kann es zu Kreislaufzusammen- hautentzündungen. Charakteristisch ist
bruch, Kammerflimmern und Herzstill - die Störung des Kalt-Warm-Empfin -
stand binnen weniger Minuten kom- dens. Ein anderes Toxin ist das Saxi -
men.
toxin, das ähnlich dem Tetrodotoxin
spannungsabhängige Natriumkanäle
Konusschnecken blockiert und ganze Familien ausrotten
Eine besondere Waffe haben die kann. Weitere Gifte sind die Brevetoxine
Konusschnecken entwickelt, von denen und die Ocadasäure, die ebenfalls
es etwa 300 Arten gibt. Der Giftapparat Natriumkanäle an Nerven blockieren.
besteht aus einer Giftdrüse, einem Gift - Alle diese Gifte können letztlich beim
kanal und einer Giftblase, in der ein Menschen durch Lähmung der Atem -
pfeilförmiger Zahn sitzt, der an seiner muskulatur zum Tod führen.

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 265

Anhang 1
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Aktories K, Förstermann U, Hofmann FB, Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer HK,
Starke K (Hrsg.) (2009): Allgemeine und spezi- Schäfer-Korting M (2007): Arzneimittel-
elle Pharmakologie und Toxikologie, Urban & wirkungen. 9. Auflage, Wissenschaftliche
Fischer Verlag, München, Jena, 10. Auflage Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart
Ammon, HPT (1991): Arzneimittelneben- Page CP, Curtis MJ, Sutter MC, Walker
und -wechselwirkungen. 3. Auflage, Wissen- MJA, Hoffman BB (2002): Integrated
schaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart Pharmacology, Mosby International, London
Austria Codex Fachinformation Rang HP, Dale MM, Ritter JM, Moore PK
(2010/2011), bearbeitet von Haberfeld H. (Hrsg.) (2007): Pharmacology, 7. Auflage,
Österreichische Apotheker-Verlagsgesell- Churchill Livingstone, Edinburgh, London
schaft mbH, Wien
Rote Liste 2010. Arzneimittelverzeichnis für
Beubler E (2009): Kompendium der medika- Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen
mentösen Schmerztherapie, 4. Auflage, und bestimmter Medizinprodukte). Editio
Springer Verlag Wien New York Candor Verlag, Aulendorf
Goodman & Gilman´s A (2011): The Roth L, Daunderer M, Kormann K (1994):
Pharmacological Basis of Therapeutics, Giftpflanzen, Pflanzengifte. 4. überarbeitete
12. Auflage, McGraw-Hill Medical Publishing Auflage, Karlsruhe, München
Division, New York, Chicago
Schaefer Ch, Spielmann H (2006):
Helwig/Otto (2004): Arzneimittel. Ein Hand- Arzneiverordnung in Schwangerschaft und
buch für Ärzte und Apotheker, 10. Auflage mit Stillzeit, 7. Auflage, Urban & Fischer,
2. Erg.-Lfg. 2004, Wissenschaftliche Verlags - München, Jena
gesellschaft mbH Stuttgart
Scholz H, Schwabe U (2005): Taschenbuch
Lemmer B, Brune K (2010): Pharmako- der Arzneibehandlung. 13. Auflage, Springer
therapie. Klinische Pharmakologie. 14. Auflage, Verlag, Berlin Heidelberg
Springer Verlag, Berlin, Heidelberg
Schwabe U, Paffrath D (2010):
Lüllmann H, Mohr K, Wehling M (Hrsg.) Arzneiverordnungs-Report 2010, Springer
(2010): Pharmakologie und Toxikologie, 17. Verlag, Berlin Heidelberg
Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, New York
Stille W, Brodt HR, Groll AH, Just-Nübling
Marquardt H, Schäfer S (2004): Lehrbuch G (2004): Antibiotika-Therapie, 11. Auflage,
der Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsge- Schattauer, Stuttgart, New York
sellschaft mbH, Stuttgart
Wehling M (2005): Klinische Pharmakologie,
Mebs D (1989): Gifte im Riff. Toxikologie Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
und Biochemie eines Lebensraumes. Wissen-
schaftliche Verlagsgesell schaft mbH, Stuttgart

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


266 Anhang

Anhang 2
SACHVERZEICHNIS
5-HT-Rezeptoragonisten (48) α1-Agonisten (41)
5-Lipoxygenase (90) α2-Rezeptor Agonisten (63,67)
α-Blocker (43)
Abatacept (151)
α-Glucosidase-Hemmstoff (109)
Abciximab (58, 60)
Alprazolam (130)
Abhängigkeit (17)
Alprostadil (52,69,70,71)
Acarbose (109,112)
Alteplase (53,58)
ACE-Hemmer (63,65,73,74)
Acenocoumarol (54,56) Amantadin (165,168)
Acetazolamid (103) Ambrisentan (68)
Acetylcholin (36,37) Ambroxol (92)
Acetylcystein (92) Amikacin (200)
Acetyldigoxin (73) Amilorid (74,103,105)
Acetylsalicylsäure (ASS) (53,59,139) Aminoglutethimid (184)
Achalasie (98) Aminoglykoside (191,200)
Aciclovir (206) Aminopenicilline (192,194)
Acylaminopenicilline (192,194) Amiodaron (14,81,82)
Adalimumab (151,152) Amisulprid (119,122)
ADI-Wert (227) Amitriptylin (13,124,125,126)
Adrenalin (36,37) Amlodipin (13,63,67,77)
Aerosole (25,30) Ammoniak (234)
Agomelatin (129) Amorolfin (208)
Agonist-Antagonisten (147) Amoxicillin (192,194)
Agonisten (7) Amphotericin B (208)
Ajmalin (82) Ampicillin (192,194)
Albendazol (211,212) Anabolika (190)
Aldosteron (183) Anaerobier (196)
Aldosteronantagonisten (105) Anakinra (152)
Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten (75) Analgetika (135)
Alendronat (178) – Nicht-Opioid-Analgetika
Alfentanil (146,160) (135,136,138,139,142)
Alfuzosin (42) – Nichtsaure antipyretische
Algentoxine (264) Analgetika (136)
Aliphatische Kohlenwasserstoffe (239) Anämie (62)
Aliskiren (63) – Eisenmangel-Anämie (62)
Alkohole (238) – Folsäuremangel-Anämie (62)
Alkylierende Substanzen (252) – perniziöse (62)
Allopurinol (117) – renale (62)
Almotriptan (48) Anastrozol (184)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 267

Androgene (188) Atemwege (85)


Angina pectoris (61,70,77) Atenolol (43,63,64,77,81)
Antagonismus, kompetitiver (8) Ätiologie von Vergiftungen (224)
Antagonisten (7) Atomoxetin (134)
Antazida (95) Atorvastatin (13,113,114)
Antiandrogene (188,189) Atovaquon (213,214)
Antiarrhythmika (81,82,83) Atracurium (161)
Antibiotika (191) Atropin (35,36,39,40,229,253)
Anticholinergica (165,168) Augenarzneien (25,30)
Antidementiva (39) Auranofin (150)
Antidepressiva (124) Aurothiomalat (150)
Antidote (228,229) Azathioprin (150,151,217,219)
Antiemetika (48,50,99) Azelastin (46)
Antiepileptika (169) Azithromycin (198)
Antiestrogene (184,185) Aztreonam (197)
Antifibrinolytika (58) Bacampicillin (192,194)
Antigestagene (186,187) Bacitracin (202)
Antiinfektive Arzneimittel (191) Baclofen (163)
Antikoagulantien (53,54,56,57) Bakteriostatisch (191)
Antikörper, monoklonale (217,219) Bakterizid (191)
Antileukotriene (90) Bambuterol (42,87)
Antimykotika (208) Bamipin (46)
– topische (210) Bandwürmer (211)
Antiparkinson-Mittel (165) Barbexaclon (169)
Antiphlogistika (117) Barbiturate (157)
Antirheumatika (150) Basen (237)
Antitussiva (85,91) Basiliximab (217,219)
Anxiolytika (131) BAT-Wert (227)
Aprotinin (58) Bazedoxifen (178)
Argatroban (53,54) Beclometason (85,86,89,182)
Aripiprazol (119,122) Bemiparin (55)
Aromatasehemmstoffe (184,186) Benserazid (165,166)
Aromatische Amine (252) Benzodiazepinantagonist (130,132)
Aromatische Kohlenwasserstoffe Benzylpenicillin (192,193)
(240,242,252) Besenginster (254)
Aronstab (258) β-Blocker (63,64,73,74,77,80)
Arsen (246) Betalactam-Antibiotika (192)
Arthemether (213,215) Betalactamase-Hemmer (192,194)
Articain (155,156) Betalactamasestabilität (196)
Arzneiformen (25) Betamethason (182)
Arzneimittelwechselwirkungen (19) β-Rezeptorantagonisten (43)
Asthma bronchiale (86) β-Sympathomimetika (85)
AT1-Rezeptor-Antagonisten (66,74) β2-Sympathomimetika (86)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


268 Anhang

Betaxolol (43) Cannabinoide (149)


Bezafibrat (113,115) Capsaicin (149)
Bicalutamid (188) Captopril (4,63,65,73,74)
Biene (262) Carbamate (251)
Bifonazol (208) Carbamazepin (13,14,169)
Biguanide (109,111) Carbapeneme (197)
Bilsenkraut (254) Carbidopa (165,166)
Bimatoprost (52) Carbimazol (176)
Bioäquivalenz (10) Carmeterol (91)
Bioverfügbarkeit (10) Carvedilol (13,43,64)
Biperiden (165,168) Caspofungin (208,209)
Birkenreizker (259,261) Cefaclor (196)
Bisacodyl (101) Cefadroxil (196)
Bisoprolol (43,64,73) Cefalexin (196)
Bisphosphonate (178,179) Cefazolin (196)
Bivalirudin (56) Cefepim (196)
Blausäure (229,230,232) Cefixim (196)
Blei (244) Cefotaxim (196)
Bleitetraethyl (245) Cefotiam (196)
Blut (53) Cefoxitin (196)
Bluthochdruck (63) Cefpodoxim (196)
Blutspiegel (9) Ceftazidim (196)
Blutstillung (53) Ceftriaxon (196)
Bosentan (68) Cefuroxim (196)
Botulinustoxin (161,162) Celecoxib (13,142)
Brivudin (206) Celiprolol (43,64)
Brom (235) Cephalosporine (191,195,196)
Bromazepam (130) Certolizumab (151)
Bromhexin (92) Certoparin (55)
Bromocriptin (165,166) Cetirizin (46)
Bronchodilatatoren (86,87) Chelatbildner (229)
Brotizolam (130,133) Chinidin (81)
Budesonid (89,182) Chlor (235)
Buflomedil (69,71) Chloramphenicol (191,203)
Bupivacain (155,156) Chlordiazepoxid (130)
Bupranolol (43) Chloroquin (150,151,213)
Buprenorphin (147)
Chlorprothixen (4,119,120)
Bupropion (129)
Chlortalidon (63,103)
Buschwindröschen (255)
Cholesterinresorptionshemmer (117)
Buspiron (13,48,131,132)
Cholesterin-Synthese-Hemmer (113)
Ca2+-Kanalblocker (81) Cholinesterasehemmer (39)
Calcitonin (177,178,180) Cholinesteraseinhibitoren (162)
Candesartan (66,73) Christuspalme (257)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 269

Chronisch obstruktive Atemwegs- Danaparoid (55)


erkrankungen (COPD) (91) Danazol (14,190)
Ciclesonid (89) Dantrolen (161,162)
Ciclosporin (151,217) Dapoxetin (126,127)
Cilazapril (65) Daptomycin (203)
Cilomilast (91) Darifenacin (39,41)
Cinacalcet (178) Denosumab (178)
Ciprofloxacin (14,199) Desfluran (159)
Cisatracurium (161) Desloratadin (46)
Citalopram (13,14,124,125,126) Dexamethason (100,182)
Clarithromycin (14,198) Dexibuprofen (139,140)
Clavulansäure (192,194) Dextromethorphan (13,50,91)
Clearance (12) Diabetes (107)
Clenbuterol (42,87) – Typ-1 (108)
Clindamycin (203) Diazepam (13,130,174)
Clobazam (130) Diazoxid (63)
Clodronat (178) Dichlormethan (239,242)
Clomifen (184,185) Diclofenac (13,117,139,140)
Clomipramin (13,124,125,126) Digitoxin (73)
Clonazepam (169,173) Digoxin (75)
Clonidin (63,68) Dihydralazin (63)
Clopidogrel (53,58,60) Dihydrocodein (91,143)
Clotrimazol (208) Dihydrotachysterol (178)
Clozapin (13,119,122) Diltiazem (14,81,83)
Codein (13,85,91,143) Dimenhydrinat (99)
Colchicin (117) Dimethylaminophenol (229)
Colestyramin (113,116) Dimetinden (46)
COMT-Hemmstoffe (165,168) Dioxine (239,242)
Corticosteroide (181) Diphenhydramin (46)
COX-2-Hemmer (142) Dipivefrin (41)
Cremes (29) Distickstoffoxid (159)
Cromoglicinsäure (45,85,86,89) Distigmin (4,36,38)
Cumarine (56) Diuretika (64,73,74)
Cyanide (229,230,232) – kaliumsparende (103,105)
Cyanocobalamin (62) – osmotische (103,106)
Cyclophosphamid (13,217,219) – Schleifendiuretika (103,104)
Cyproteronacetat (188)
– Thiazid-Diuretika (103)
Cysteinyl-Leukotrien1-Rezeptor-
Dixyrazin (119,120)
antagonisten (86)
Dolasetron (99,100)
Cytochrom P450-Isoenzyme (21)
Donepezil (13,39)
Dabigatran (53, 54, 57) Dopamin (42)
Daclizumab (217,219) Dopaminagonisten (165,166)
Dalteparin (53,55) Dopamin-D2-Rezeptorantagonisten (99)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


270 Anhang

Dopaminvorstufen (165) Eptifibatid (58,61)


Doputamin (42) Erbrechen (98)
Doripenem(197) Erektile Dysfunktion (69)
Dosis-Wirkung (6) Ertapenem (197)
Dosis-Wirkungs-Kurve (6) Erythromycin (13,14,198)
Doxazosin (42,63) Erythropoetin (62)
Doxepin (124,126) Escitalopram (124,126)
Doxycyclin (101,197,213) Eslicarbazepinacetat (169)
Doxylamin (46) Esmolol (43)
Dragees (25,28) Esomeprazol (95,96)
Dreifarbige Koralle (259,261) Estradiol (13,184,187)
Dronedaron (81,83) Estriol (184)
Drospirenon (186, 187) Estrogene (184)
Duloxetin (124,127) Etanercept (151,152)
Durchblutungsstörungen (69) Ethambutol (204)
– periphere (71) Ethanol (237,238)
– zentrale (71) Ethinylestradiol (184,187)
Durchfall (100) Ethosuximid (169,171)
Dutasterid (187) Etilefrin (36,41)
Dydrogesteron (186) Etomidat (157,158)
Etoricoxib (142)
Ebastin (46)
Exemestan (184)
Eberesche (258)
Exenatide (109,111)
Eibe (255)
Expektorantien (92)
Eicosanoide (45)
Expositionsphase (225)
Einbeere (257)
Ezetimib (113,117)
Eisen-2-Salze (62)
Eisen-3-Verbindungen (62) Famciclovir (206,207)
Eisenhut (254) Famotidin (47,95,97)
Eletriptan (48) Febuxostat (117,118)
Elimination (11) Felbamat (14,169,173)
– hepatische (11) Felodipin (13,67)
– renale (11) Fenofibrat (113,115)
Emedastin (46) Fenoterol (42,87)
Emulsionen (25,26) Fentanyl (13,146,160)
Enalapril (63,65,73) Fesoterodin (39,41)
Endothelinantagonisten (68) Fettstoffwechselstörungen (113)
Enfluran (13,159) Fexofenadin (46)
Enoxaparin (53,55) Fibrate (113,115)
Entacapon (4,165,168) Fibrinolytika (53,58)
Enzyminduktion (21) Filmtabletten (25)
Epinastin (46) Finasterid (188)
Eplerenon (105) Fingerhut (256)
Eprosartan (66) First pass effect (10)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 271

Fische (263) Gicht (117)


Fläche unter der Blutspiegelkurve Gichtanfall, akuter (118)
(AUC) (10) Gifte (223)
Flecainid (81,82) Giftpflanzen (253)
Fliegenpilz (259,260) Giftpilze (259)
Flucloxacillin (192,193) Gifttiere (262)
Fluconazol (13,14,208,209) Ginkgo biloba (69)
Flucytosin (208,210) Glibenclamid (109,110)
Flumazenil (130,132,229) Gliclazid (109,110)
Flunisolid (89,182) Glimepirid (109,110)
Flunitrazepam (130,133) Glinide (109,110)
Fluoride (178,180) Glipizid (109)
Fluoxetin (4,14,124,125,126) Gliquidon (109,110)
Flupentixol (119,120) Glitazone (109,112)
Flupirtin (138) Globuli (25,30)
Flutamid (188) Glucocorticoide (86,89,117,153,181,
Fluticason (89,182) 182,217,218)
Fluvastatin (14,113,114) – topische (85)
Fluvoxamin (13,14,124,126) Glukoseresorption (112)
Folsäure (62) Glyceroltrinitrat (68)
Fondaparinux (54,55) Glykole (239)
Formaldehyd (233,234) Glykopeptid-Antibiotika (202)
Formoterol (42,87,91) Goldregen (254)
Fosaprepitant (99,100) Goldverbindungen (150,151)
Fosfomycin (202) Golimumab (151)
Fosinopril (65) G-Protein (5)
Fosphenytoin (169) Granisetron (99)
Frösche (263) Granulate (25,27)
Frovatriptan (48) Grenzwerte (227)
Frühjahrslorchel (260) Grippetherapie (207)
Funktionelle Erkrankungen (98) Gyrasehemmer (191,199)
Furosemid (67,74,103,104)
H 1-Antagonisten (46)
Fusidinsäure (203)
H1-Antihistaminika (46)
Gabapentin (169,172) H2-Antihistaminika (47)
Galantamin (39) Haemophilus influenzae (196)
Gartenbohne (258) Halbwertszeit (9)
Gegenmittel (228) Halogenierte Kohlenwasserstoffe
Geißblatt (256,257) (159,240,242)
Gele (29) Haloperidol (13,14,99,119,122)
Gemfibrozil (113,115) HCN-Kanäle (79)
Gentamicin (200) Heparin
Gestagene (186) – niedermolekular (54,55)
Gewebeplasminogenaktivator (58) – unfraktioniert (54)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


272 Anhang

Heparinoide (54,55) – Insulin Glargin (108)


Herbizide (250,251) – Insulin Glulisin (108)
Herbstzeitlose (254) – Insulin Lispro (108)
Herpesviren (206) – Insulin-Zn-Suspensionen (108)
Herzglykoside (73,75) – Normalinsulin (108)
Herzinsuffizienz (73) Interaktionen (20)
Herzrhythmusstörungen (81) Intrinsic activity (7)
Hirudine (56) Ionenaustauscher (113,116)
Histamin (45) Ionenkanal (5)
Histamin-H1-Rezeptorantagonisten (99) Ipratropium (35,36,39,40,83,85,86)
Histamin-H2-Rezeptorantagonisten Irbesartan (66)
(95,97) Isradipin (67)
Hornisse (262) Isoconazol (208)
Hummel (262) Isofluran (13,159)
Husten (91) Isoniazid (13,14,204)
Hydrochlorothiazid (63,73,103) Isoprenalin (41)
Hydrocortison (182) Isosorbiddinitrat (77)
Hydromorphon (144) Isosorbidmononitrat (77,78)
Hydroxyprogesteron (186) Isoxazolylpenicilline (192,193)
Hydroxyzin (46) Itraconazol (14,208,209)
Hyperparathyreoidismus (178) Ivabradin (77,79)
Hypoparathyreoidismus (178)
Jodmangel (176)
Ibandronat (178) Johanniskraut (14,124,129)
IgE-Antikörper (86,90) Josamycin (198)
Ibuprofen (13,139,140)
Ibutilid (81,82) K +-Kanalblocker (81)
Iloprost (52,68) Kadmium (247)
Imipenem (197) Kahler Krempling (261)
Immunmodulatoren (151,217) Kaliumcanrenoat (105)
Indacaterol (91) Kaliumjodid (176)
Indapamid (103) Kalzium (178)
Indometacin (117,139,141) Kalziumantagonisten (63,67,77,80)
Infliximab (151) Kapseln (25,28)
Influenza-Viren (206) Karlsbadersalz (101)
Inhalationsnarkotika (159) Kartoffel (258)
Injektionsnarkotika (157) Kartoffelbovist (261)
Inkontinenz (40) Karzinogene Naturstoffe (253)
Inkretinmimetika (111) Karzinogene, chemische (252)
Insektizide (250) Ketamin (157,158)
Insulin (108) Ketoprofen (139,141)
– Basal Human Insulin (108) Ketoconazol (208)
– Insulin Aspart (108) Ketotifen (46)
– Insulin Detemir (108) Knollenblätterpilz (259)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 273

Kohlendioxid (231) Lisurid (165,166)


Kohlenmonoxid (230) Lithium (124,128)
Kontrazeptiva (187) Lokalanästhetika (155)
– Hormonspirale (187) Loperamid (101)
– implantierte Stäbchen (187) Loratadin (46)
– injizierbare Depotgestagene (187) Lorazepam (130)
– orale (187) Lormetazepam (130)
– transdermales System (187) Lornoxicam (139,141)
– transvaginales System (187) Losartan (4,13,63,66,73)
Konusschnecke (262,264) Lösungen (25,26)
Kornrade (257) Lösungsmittel (237)
Koronare Herzkrankheit (77) Lovastatin (13,113,114)
Kröten (262,263) L-Thyroxin (175)
Lumefantrin (213,215)
Labetalol (68)
Lupine (254)
Lachgas (159)
Lynestrenol (186,187)
Lacosamid (169)
Lactulose (101,102) Macrogol 3350 (101)
Lamotrigin (169,172) Magaldrat (95)
Lansoprazol (13,14,95,96) Magengeschwür (95)
Laropiprant (116) Magnesiumsulfat (101)
Lasofoxifen (178) Maiglöckchen (256)
Latanoprost (52) Makrolid-Antibiotika (198)
Leflunomid (151) MAK-Wert (227)
Leinsamen (101) Malaria (213)
Lepirudin (54) – quartana (213)
Lercanidipin (67) – tertiana (213)
Letrozol (184) Malarone (214)
Leukotrien-Antagonisten (85) Mangan (248)
Leukotriene (52) Manie (124,128)
Levetiracetam (169) Mannitol (103)
Levocabastin (46) MAO-B-Hemmstoffe (165,167)
Levocetirizin (46) MAO-Hemmstoffe (128)
Levodopa (165,166) Maprotilin (124,126)
Levofloxacin (199) Mebendazol (211,212)
Levomepromazin (119,120) Medroxyprogesteron (186,187)
Levomethadon (144) Mefenaminsäure (139,140)
Levonorgestrel (187) Mefloquin (213,214)
Levosimendan (76) Meloxicam (139,141)
Lidocain (81,82,155,156) Melperon (120,122)
Liguster (258) Memantin (39)
Linezolid (203) Mepivacain (155,156)
Liraglutid (111) Meropenem (197)
Lisinopril (63,65) Metabolismus (11)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


274 Anhang

Metallvergiftungen (243) Muskarinrezeptorantagonisten (86,88)


Metamizol (18,136,137) Muskelrelaxantien (161)
Metformin (109,111) – depolisierende (161,162)
Methadon (144) – nicht-depolarisierende (161)
Methanol (237,238) Mycophenolat mofetil (217,218)
Methohexital (157)
Na+-Kanalblocker (81)
Methotrexat (150,217,219)
N-Acetylcystein (229)
Methyldopa (63)
Nadifloxacin (197)
Methylnaltrexon (148,149) Nadroparin (55)
Methylphenidat (134) Naftidrofuryl (69,71)
Methylprednisolon (182) Naftifin (208)
Metoclopramid (99) Nalbuphin (147,148)
Metoprolol (13,36,42,63,64,73,74,77, Naloxon (148,229)
81) Naltrexon (148)
Metronidazol (14,204) Nandrolon (190)
Mexiletin (13,14) Naphazolin (41)
Mezlocillin (192,194) Naproxen (13,139,141)
Mianserin (124,125,128) Naratriptan (48)
Micafungin (208) Narkosemittel (157)
Miconazol (14,208) Nateglinid (109,110)
Midazolam (13,130,157,160) Natriumpicosulfat (101,102)
Mifepriston (186) Natriumsulfat (101)
Miglitol (109,112) Natriumthiosulfat (229)
Migräne (49) n-Butylscopolamin (39)
MIK-Wert (227) Nebennierenrindenhormone (181)
Milnacipran (124) Nebenschilddrüse (178)
Milrinon (76) Nebenwirkungen (16)
Mineralocorticoide (183) Nebivolol (43,64)
Minocyclin (197) Neomycin (200)
Minoxidil (63) Neostigmin (36,38)
Mirtazapin (124,125,128) Nervensystem, vegetatives (35)
Misoprostol (52,98) Netilmicin (200)
Mistel (258) Neurokinin-1-Rezeptorantagonist
Mivacurium (161) (99,100)
Moclobemid (4,50,124,128) Neuroleptika (119)
Modafinil (134) – atypische (119,122)
Molsidomin (4,77) – klassische (119,120,122)
Mometason (182) Niclosamid (211)
Montelukast (52,85,86) Nicotinsäure (116)
Morphin (144) Nicomorphin (144)
Moxifloxacin (199) Nicorandil (77,79)
Moxonidin (63) Niere (103)
Muromonab-CD3 (217,219) Nifedipin (13,63,67,69,77)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 275

Nilvadipin (67) Oxazepam (130)


Nimodipin (67) Oxcarbazepin (169)
Nisoldipin (67) Oxiconazol (208)
Nitrate (77) Oxime (229)
Nitrazepam (130,133) Oxybutynin (39)
Nitrendipin (67) Oxycodon (13,144)
Nitrofurantoin (204) Oxycodon-Naloxon (144)
Nitroglycerin (77,78,98) Oxymetazolin (41)
Nitrose Gase (236) Ozon (236)
NMDA-Antagonisten (39,165,168)
Paliperidon (122)
N-Nitroso-Verbindungen (252)
Palonosetron (99)
Noradrenalin (36,37)
Pamidronat (178)
Noradrenalin Rückaufnahme-
Pantoprazol (20,95,96)
Inhibitoren (NARI) (124,128)
Paracetamol (13,18,136,229)
Noradrenerge und spezifisch
Parasympathikus (35,36)
serotonerge Antagonisten (NaSSA)
Parasympatholytika (36,39,85,86)
(124,128)
Parasympathomimetika
Norethisteron (186,187)
– direkte (36,38)
Norfloxacin (199)
– indirekte (36,38)
Noscapin (91)
Parathormon-Präparate (179)
Number needed to harm (NNH) (23)
Parathyroidhormon (178)
Number needed to treat (NNT) (23)
Parecoxib (142)
Nystatin (208)
Parenteralia (Ampullen) (25,30)
Ofloxacin (14,199) Paroxetin (13,14,124,126)
Olanzapin (13,119,122) Pasten (25,29)
Oleander (256) Peneme (191)
Olmesartan (66) Penicillamin (150)
Olopatadin (46) Penicilline (191,192)
Omalizumab (86,90) – Penicillin G (193)
Omeprazol (4,13,14,20,95,96) – Penicillin V (193)
Ondansetron (99) Pentoxifyllin (69,71)
Opioid-Antagonisten (148) Pergolid (165,166)
Opioide Perindopril (65)
– mittelstarke (143) Perphenazin (99)
– sehr starke (146) Pestizide (250)
– starke (144,147,157) Pethidin (144)
Oral rehydration solution (101) Pfaffenhütchen (256)
Orale Antidiabetika (109) Pharmakodynamik (3)
Organische Lösungsmittel (237) Pharmakokinetik (9)
Organophosphate (229,250) Phase I-Reaktion (12)
Oseltamivir (206) Phase II-Reaktion (12)
Ösophagusspasmus (98) Pheniramin (46)
Osteoporose (178) Phenobarbital (14,169,171)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


276 Anhang

Phenoxybenzamin (42) Psychostimulantien (134)


Phenoxymethylpenicillin (192,193) Puder (25,27)
Phenprocoumon (13,53,54,56) Pulmonale Hypertonie (PAH) (68)
Phentolamin (42) Pulver (25,27)
Phenylephrin (41) Pyrantel (211,212)
Phenytoin (13,14,169,170) Pyrazinamid (204,205)
Phosgen (233,236) Pyrethroide (250,251)
Phosphorsäureester (39) Pyridostigmin (38)
Physostigmin (36) Pyrvinium (211,212)
Phytotherapie (124)
Quecksilber (245)
Pilocarpin (36,38)
Quetiapin (119,122)
Pimozid (13,119,122)
Quinapril (65)
Pindolol (43)
Pioglitazon (109,112) Rabeprazol (95,96)
Piperacillin (192,194) Radioaktive Metalle (249)
Piritramid (18,144) Raloxifen (178,179)
Piroxicam (13,139,141) Ramipril (65)
Placebo (24) Ranitidin (47,95,97)
Plasmaproteinbindung (10) Ranolazin (77,79)
Pneumokokken (196) Rasagilin (165,167)
Polychlorierte Biphenyle (239,242) Rasburicase (117,118)
Pramipexol (165,166) Reboxetin (124,125,128)
Prasugrel (53, 58) Redoxfarbstoffe (229)
Pravastatin (113,114) Refluxösophagitis (95)
Prazepam (130) Reizgase (233)
Praziquantel (211) Remifentanil (158,160)
Prazosin (36,42,69) Repaglinid (109,110)
Prednisolon (182) Resorption (11)
Pregabalin (169,172) Retard-Formen (25,31)
Prilocain (155) Reteplase (58)
Probenicid (117) Reversible Monoaminoxidase-Hemmer
Probiotika (101) (RIMA) (124,128)
Proguanil (213,214) Reviparin (55)
Propafenon (13,14,81,82) Rezeptoren (4)
Propofol (157,158) – adrenerg (36)
Propranolol (4,13,36,43) – Histaminrezeptoren (46)
Propylthiouracil (176) – muskarinisch (36,37)
Protonenpumpenhemmer (95) – nikotinerg (37)
Protozoentoxine (264) – Serotoninrezeptoren (47,48)
Prucaloprid (101, 102) Riamet (213,215)
Pseudomonas (196) Rifabutin (14,204)
Psilocybin (261) Rifampicin (14,204)
Psychopharmaka (119) Rifaximin (205)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 277

Rimonabant (149) Schneeball (257)


Risedronat (178) Schneebeere (256)
Risperidon (13,119,122) Schneerose (256)
Risspilz (259,260) Schöllkraut (255)
Rivastigmin (39) Schwefeldioxid (235)
Rizatriptan (48) Schwefelwasserstoff (233)
Rizin (257) Schwermetalle (242)
Rocuronium (161) Seidelbast (258)
Ropinirol (165,166) Seifen (237)
Ropivacain (155,156) Selegilin (165,167)
Rosiglitazon (109,112) Selen (249)
Rosskastanie (257) Sennaglykoside (101)
Rosuvastatin (113,114) Serotonin (45)
Rotigotin (165,166) Serotonin (5-HT2)-Antagonist und
Roxithromycin (198) Rückaufnahme-Inhibotor (SARI)
Rituximab (151) (124,125,128)
Rivaroxaban (53,54,57) Serotonin 5-HT 3-Antagonisten (48)
Roflumilast (91) Serotonin 5-HT3-Rezeptorantago-
Rückaufnahme-Inhibitoren nisten (99)
– nichtselektive (NSRI) (124,125,126) Serotoninantagonisten (48)
Rundwürmer (211,212) Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-
Rupatadin (46) Inhibitoren (SNRI) (124,125,126,127)
Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren
Salamander (263) (SSRI) (48,50,124,125,126)
Salben (25,28) Serotoninsyndrom (50)
Salbutamol (3,35,36,41,42,85,86,87) Sertindol (120)
Salmeterol (42,87,91) Sertralin (14,124,126)
Salzsäure (233,234) Sevelamer (178)
Sartane (63,66) Sevofluran (159)
Satanspilz (261) Sexualhormone (184)
Saxagliptin (111) Sildenafil (4,13,68,69,70)
Säurebedingte Erkrankungen (95) Silodosin (42)
Säuren (237) Simvastatin (13,113,114)
Säuresekretion (96) Sirolimus (217,218)
Scharfer Hahnenfuß (255) Sirupe (25,26)
Schierling, gefleckter (254) Sitagliptin (109,111)
Schilddrüse (175) Skorpione (262,263)
– Schilddrüsenüberfunktion (176) Solifenacin (39, 41)
– Schilddrüsenunterfunktion (177) Sotalol (81,82,83)
Schlafmittel (130,131,133) Speitäubling (259,261)
Schlafmohn (259) Spinnen (262)
Schlangen (263) Spirapril (65)
Schleierlinge (260) Spironolacton (73,75,103,105)
Schleimhautschützende Mittel (95) Sprays (25,30)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


278 Anhang

Staphylokokken (196) Terazosin (42)


Statine (113,114) Terbinafin (208,210)
Status epilepticus (173) Terbutalin (42,85,87)
Stechapfel (253) Teriparatid (178)
Stechpalme (258) Testosteron (184,188)
Stickoxydul (159) Testosteron Pflaster (189)
Stoffwechselerkrankungen (107) Tetracain (155)
Streptokinase (58) Tetrachlorethan (239,241)
Streptokokken (193) Tetrachlorethen (239,241)
Strontium (178,180) Tetrachlorkohlenstoff (239,241)
Sucralfat (95) Tetracycline (191,197)
Sufentanil (146,160) Tetrazepam (163)
Sulbactam (195) Tetrodotoxin (264)
Sulfamethoxazol (13,14,201) Thallium (247)
Sulfasalazin (150) Theophyllin (13,85,86,88)
Sulfonamide (191,201) Therapeutische Breite (7)
Sulfonylharnstoffe (109,110) Therapeutische Systeme (25,31)
Sulpirid (119,122) Thiamazol (176)
Sulproston (52) Tibolon (185)
Sultamicillin (192) Thiethylperazin (100)
Sumatriptan (48) Thiopental (157)
Suppositorien (25,30) Thrombose (53)
Suspensionen (25,26) Thrombozytenaggregationshemmer
Suxamethonium (161) (53,58)
Sympathikus (35) Thyreostatika (176)
Sympatholytika (36,42) Tiagabin (169,173)
Sympathomimetika Ticagrelor (53, 58)
– direkte (41) Ticlopidin (14,58)
– indirekte (42) Tigecyclin (197)
Tabak (255) Tilidin (143)
Tabakrauch (255) Timolol (43)
Tabletten (25,27) Tinkturen (25,27)
Tacrolimus (13,217,218) Tintling (259,261)
Tadalafil (69,70) Tinzaparin (55)
Tamoxifen (184,186) Tiotropium (39,86)
Tamsulosin (42) Tirofiban (58,61)
Tazobactam (192,195) Tizanitin (163)
Teegemische (27) Tobramycin (200)
Teicoplanin (202) Tocilizumab (151)
Telithromycin (14,198) Tolcapon (165)
Telmisartan (66) Tollkirsche (253)
Tenecteplase (53,58) Tolperison (163)
Tenside (237) Tolterodin (39)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie


Anhang 279

Topiramat (169,173) Verapamil (14,80,81,83)


Torasemid (104) Verdauungstrakt (95)
Toremifen (184,186) Vergiftungen (223)
Toxikodynamik (225) Verstopfung (101)
Toxikokinetik (225,226) Verteilung (11)
Toxikologie (223) Verteilungsvolumen (10)
Tramadol (13,50,143) Vigabatrin (169,171)
Tramazolin (41) Vildagliptin (111)
Tranexamsäure (58) Virustatika (206)
Tranquillantien (130) Vitamine
Transdermale therapeutische Systeme – Vitamin B12 (62)
(TTS) (31) – Vitamin D3 (178)
Transvaginale Systeme (31) Voriconazol (208,209)
Trazodon (124,125,128) Warfarin (54,56)
Triamcinolon (182) Wasserlösliche Flüssigkeiten (237)
Triamteren (74,103,105) Wasserschierling (255)
Triazolam (13,130,133) Wässrige Pflanzenextrakte (25)
Trichlorethan (239) Weihnachtsstern (258)
Triflupromazin (100) Weißer Germer (254)
Triglyceridsenker (113) Weizenkleie (101)
Trihexyphenidyl (165,168) Wespe (262)
Trimethoprim (14,101,191,201) Wurmmittel (211)
Triptane (48)
Xanthin-Alkaloid (85)
TRK-Wert (227)
Xipamid (103)
Tropisetron (99)
Xylometazolin (41)
Trospium (36,39)
Tuberkulose (204) Yohimbin (42)

Übelkeit (98) Zaleplon (131,133)


Überdosierung (17) Zanamivir (206)
Ulipristal (187) Zäpfchen (30)
Urapidil (48,63,67) Ziconotid (149)
Urikostatika (117) Ziprasidon (119,122)
Urikosurica (117) Zoledronat (178)
Urokinase (58) Zolmitriptan (48)
Zolpidem (13,131,133)
Valaciclovir (206) Zonisamid (169)
Valproinsäure (169,170) Zopiclon (131,133)
Valsartan (63,66) Zotepin (119,122)
Vanadium (248) Zuclopenthixol (119,120)
Vancomycin (202) Zwölffingerdarmgeschwür (95)
Vardenafil (69,70) Zypressenwolfsmilch (257)
Vecuronium (161) Zytokin-Inhibitoren (151)
Venlafaxin (13,124,125,127) Zytostatika (217,218)

E. Beubler – Kompendium der Pharmakologie