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AKTEN ZUR
DEUTSCHEN AUSWÄRTIGEN POLITIK
1918-1945

AUS DEM ARCHIV


DES AUSWÄRTIGEN AMTS

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HERAUSGEBER

H e r a u s g e b e r des Bandes II d e r Serie C der Documents on German Foreign


Policy, 1918-19451)

VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA


P a u l R. Sweet (Hauptherausgeber)
H o w a r d M. Smyth J a m e s Stuart Beddie
A r t h u r G. K o g a n George O. Kent

GROSSBRITANNIEN
T h e Hon. M a r g a r e t Lambert (Hauptherausgeberin)
E. C. M. Breuning K. H. M. Duke
F. G. Stambrook K. M. L. Simpson
D. C. W a t t

FRANKREICH
M a u r i c e Baumont (Hauptherausgeber)
Georges Bonnin A n d r e Scherer
J a c q u e s Bariety

HERAUSGEBER DER DEUTSCHEN AUSGABE 2 )

H a n s Rothfels ( H a u p t h e r a u s g e b e r )
Vincent Kroll (Geschäftsführender Herausgeber)
Roland Thimme H a r a l d Schinkel
Peter Krüger H a n s Lehmann
Ingrid Krüger-Bulcke Franz Knipping

(!) Die Liste zeigt die Zusammensetzung der Herausgeberkommission zur Zeit der ab-
schließenden Bearbeitung des Bandes (April 1958). Frühere Herausgeber waren:
Vereinigte Staaten von Amerika
Raymond James Sontag (Hauptherausgeber Sept. 1946-Juli 1949), Bernadotte E. Schmitt
(Hauptherausgeber Juli 1949-Juli 1952), Fredrick Aandahl (Jan. 1951-Sept. 1953), E. Mal-
colm Carroll (Okt. 1946-Aug. 1949), Jean Brownell Dulaney (Dez. 1946-April 1951), Fritz
Epstein (Okt. 1946-Juli 1948), Anna Maria Herbert (April 1951-Aug. 1952), John Huizenga
(Jan. 1947-Sept. 1952), Otto Pflanze (Jan. 1948-Aug. 1949), Joachim Remak (Dez. 1947-
Juli 1951), Norman Rieh (Aug. 1949-Aug. 1954).
Großbritannien
John W. Wheeler-Bennett (Hauptherausgeber Sept. 1946-Mai 1948, danach Historical
Adviser bis 1956), James Joll (Hauptherausgeber Juni-Dez. 1948), General Sir James
Marshall-Cornwall (Hauptherausgeber Juni 1948-Jan. 1951), E. K. Bramsted (Jan. 1948-
Febr. 1952), L. Branney (Sept. 1946-Juli 1948), P. Ericsson (Jan. 1948-Mai 1952), M. H.
Fisher (Mai 1949-Mai 1956), W. H. C. Frend (März 1947-Okt. 1951), K. Ronau (April 1952-
Juni 1956), T. F. D. Williams (Sept. 1947-Sept. 1949), Z. A. B. Zeman (Jan. 1956-Okt. 1957).
Frankreich
Jean Estienne (Juli 1947-April 1950), Leon de Groer (Juli 1947-Okt. 1950), Jacques
Grunewald (Okt. 1950-Okt. 1955).
(2) Frühere Mitarbeiter in der deutschen Herausgebergruppe waren:
Fritz T. Epstein (Geschäftsführender Herausgeber Dez. 1960-Febr. 1964), Hanno Graf
Wolff Metternich (Nov. 1961-Mai 1964), Hans Schwuppe (Okt. 1962-Mai 1969), Auguste
Pasthek (Juni 1964-April 1967).
BEARBEITER DER DEUTSCHEN AUSGABE

Franz Knipping

( Bayerische |
Staatsbibliothek
l München j
AKTEN ZUR DEUTSCHEN AUSWÄRTIGEN POLITIK
1918 - 1 9 4 5

SERIE C: 1933-1937
DAS DRITTE REICH: DIE ERSTEN JAHRE

B A N D II, 1

14. Oktober 1933 bis 3 1 . Januar 1934

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN


1973
Thenee Druck KG • Bonn
INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT ZUR ENGLISCHEN AUSGABE IX

VORBEMERKUNG ZUR DEUTSCHEN AUSGABE . . . . XIII

VERZEICHNIS DER DOKUMENTE (mit kurzer Inhaltsangabe)


Abrüstung und Völkerbund XV
Allgemeine Fragen XXIV
Baltisdie Staaten XXV
Belgien XXV
Bulgarien XXV
Evangelische Kirche XXVI
Ferner Osten XXVI
Finanzfragen XXXII
Frankreich XXXIV
Griechenland XXXVI
Großbritannien XXXVI
Italien XXXVII
Jugoslawien XLI
Litauen und Memel XLII
Niederlande XLIII
Osterreich XLIII
Ostpakt XLIX
Polen und Danzig LI
Rumänien LVI
Saargebiet LVI
Schweiz LX
Sowjetunion LX
Tschechoslowakei LXVIII
Ungarn LXIX
Vatikan LXXI
Vereinigte Staaten von Amerika LXXIV

DOKUMENTE 1
ANHANG
I Geschäftsverteilungsplan des Auswärtigen Amts
(Stand vom April 1934) 891
II Verzeichnis der Filmnummern 895
III Das Deutsche Weißbuch Nr. 2 - Ein Quellennachweis 905
IV Verzeichnis der in den Anmerkungen zitierten Publi-
kationen 907
V Verzeichnis der Abkürzungen 909
VI Personenverzeichnis 913
VORWORT ZUR ENGLISCHEN AUSGABE

Im Juni 1946 kamen das britische Foreign Office und das amerikanische
Department of State überein, aus den erbeuteten Archiven des deutschen
Auswärtigen Amts und der Reichskanzlei gemeinsam Dokumente zu ver-
öffentlichen. Diese Archive gehen bis auf das Jahr 1867 zurück.1) Da das
Ziel der Publikation jedoch sein sollte, „die Entwicklung der deutschen
Außenpolitik vor dem Zweiten Weltkrieg und während seiner Dauer auf-
zuzeigen", wurde beschlossen, lediglich Dokumente aus der Zeit nach 1918
zu veröffentlichen. Die Herausgeber sollten ihre Arbeit „auf der Grundlage
strengster wissenschaftlicher Objektivität" durchführen und sowohl bei der
Auswahl der Dokumente wie in der Methode ihrer Veröffentlichung
völlig unabhängig sein. Die Veröffentlichung sollte so rasch wie möglich in
Angriff genommen und zum Abschluß geführt werden. Jeder der beiden
Regierungen sollte es „freistehen, jeden beliebigen Teil der Akten in Son-
derveröffentlichungen herauszubringen". Die französische Regierung, die
an der Aktenveröffentlichung teilzunehmen wünschte, schloß sich den Be-
stimmungen dieses Abkommens im April 1947 an.
Ursprünglich war beabsichtigt, den gesamten Zeitraum von 1918 bis 1945
in etwa 20 Bänden zu erfassen. Als im Jahre 1954 die Vorarbeiten für die
Auswahl der Dokumente aus den Jahren 1933 bis 1945 abgeschlossen wur-
den, stellte sich jedoch heraus, daß eine angemessene Auswahl von Doku-
menten für diese Zeitspanne den Voranschlag um das Doppelte überschrei-
ten würde. Nach Berechnung der zur Durchführung dieses erweiterten Pro-
gramms erforderlichen Zeitdauer entschlossen sich die beteiligten Regie-
rungen, die Veröffentlichung in englischer Sprache auf die Jahre 1933-1941
zu beschränken - vom 30. Januar 1933, dem Beginn der Kanzlerschaft
Hitlers, bis zur Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten im
Dezember 1941. Es wurde mit der Veröffentlichung der Serie D begonnen,
von der bereits 10 Bände (1937-1940) erschienen sind; drei weitere Bände,
XI bis XIII, sind für die Serie D vorgesehen. Die Serie C (1933-1937) wird
6 Bände umfassen.2)

(1) [Anmerkung der Herausgeber der deutschen Ausgabe: Eine Gesamtübersicht über die
von den Alliierten beschlagnahmten und gefilmten deutschen diplomatischen Akten Hegt
inzwischen vor in A catalog oi liles and microiiims of the German Foreign Ministry
Archives 1920-1945, zusammengestellt und hrsg. von George O. Kent, Bde. I-IV,
Stanford, California, 1962-1972. Für die Akten der Zeit von 1867-1920 siehe A catalogue
ol iiies and microiiims oi the German Foreign Ministry Archives, 1867-1920, hrsg. von
The American Historical Association, Committee for the Study of War Documents,
Oxford 1959. Der größte Teil der Akten der Handelspolitischen, der Rechts- und der
Presse-Abteilung und andere Bestände befinden sich im Zentralarchiv Potsdam und
konnten für die Publikation nicht ausgewertet werden. Siehe hierzu Ubersichf über die
Bestände des Deutschen Zentralarchivs Potsdam, Schriftenreihe des Deutschen Zentral-
archivs, Nr. 1, hrsg. von Helmut Lötzke, Berlin 1957.]
(2) [Anmerkung der Herausgeber der deutschen Ausgabe: Zwischen dem Veröffentlichungs-
datum der englischen Ausgabe des Bandes II der Serie C - London und Washington
1959 - und des vorliegenden Bandes ist die Serie D in 13 Bänden sowohl in englischer
als auch in deutscher Ausgabe vollständig erschienen. Von Serie C erschienen inzwi-
schen in englischer Ausgabe auch Band III (Juni 1934 bis März 1935), London und

IX
Der vorliegende zweite Band der Serie C beginnt mit dem 14. Oktober
1933, als Deutschland den Völkerbund und die Abrüstungskonferenz ver-
ließ, und endet am 13. Juni 1934, dem Vorabend des ersten Zusammen-
treffens der beiden Diktatoren Hitler und Mussolini in Venedig. Die
Dokumente wurden von den amerikanischen, britischen und französischen
Herausgebern gemeinsam ausgewählt, doch tragen die amerikanischen
Herausgeber für die editorische Bearbeitung dieses Bandes die Verantwor-
tung. Die Herausgeber hatten völlig freie Hand sowohl bei der Auswahl als
auch in der editorischen Bearbeitung der Dokumente des Bandes. Der
Benutzer sollte davon ausgehen, daß diese Dokumente als eine Quellen-
sammlung zum Studium der Geschichte, nicht als eine abschließende Ge-
schichtsinterpretation vorgelegt werden. Es war durchgehend das Ziel, alle
deutenden Kommentare aus den Anmerkungen herauszuhalten.
Die Dokumente werden in chronologischer Reihenfolge abgedruckt. Die
thematische Anordnung des „Verzeichnisses der Dokumente" am Anfang
des Bandes soll die Benutzung für den an bestimmten Sachgebieten inter-
essierten Leser erleichtern. Jedes in dieser Publikation abgedruckte Doku-
ment trägt in der linken oberen Ecke die Serien- und Seitennummer des
Mikrofilms. Der Fundort des gefilmten Originals kann mit Hilfe des An-
hangs II, „Verzeichnis der Filmnummern", ermittelt werden. Die Mikro-
filme werden, so rasch es die technischen Gegebenheiten zulassen, der
Öffentlichkeit durch die National Archives in Washington und das Public
Record Office in London zugänglich gemacht. Die Akten des deutschen Aus-
wärtigen Amts für die Weimarer Zeit, die ursprünglich in den Serien
A und B dieser Publikation erfaßt werden sollten 3 ), werden ebenfalls
systematisch gefilmt. Eine beträchtliche Anzahl dieser Mikrofilme sind be-
reits in den National Archives und im Public Record Office deponiert
worden.
Die amerikanischen Herausgeber möchten für Mitarbeit und Unter-
stützung mehreren Beamten des Department of State, insbesondere G. Ber-
nard Noble, dem Leiter der Historical Division, und den Mitgliedern des
American Advisory Committee, Sidney B. Fay, Guy Stanton Ford, Carlton
J. H. Hayes, Hajo Holborn, William L. Langer, Conyers Read und Raymond
J. Sontag, ihren Dank aussprechen. Wertvolle Hilfe wurde von Beverly
A. Smith geleistet. Die technische Vorbereitung des Manuskripts für den
Druck erfolgte in der Division of Publishing Services des Department of
State unter der Leitung von Norris E. Drew. Die Herausgeber erkennen
dankbar die von ihm, von Elizabeth A. Vary, Collie E. Haibert, B. Etoile

[Fortsetzung von Anm. 2]


Washington 1959: Band IV (April 1935 bis März 1936), London und Washington 1962;
Band V (März bis Oktober 1936), London und Washington 1966. Von der deutschen
Ausgabe der Serie C erschien bisher Band I, Göttingen 1971.]
(3) [Anmerkung der Herausgeber der deutschen Ausgabe: Im Jahre 1960 faßte die Inter-
nationale Historikerkommission zur Veröffentlichung der Akten zur deutschen aus-
wärtigen Politik 1918-1945 den Beschluß, mit der Veröffentlichung der Akten der
Weimarer Zeit in der deutschen Originalfassung zu beginnen. Von Serie B liegen in-
zwischen vor: die Bände 1.1. 1.2, II.1, II.2, III, IV, V (Dezember 1925 bis Juni 1927),
Göttingen 1966-1972. Inzwischen wurde außerdem mit der Veröffentlichung der Serie E
(1941-1945) begonnen. Es Hegen vor die Bände I und II (Dezember 1941-Juni 1942),
Göttingen 1969, 1972]

X
Tine und anderen Mitgliedern dieser Abteilung gewährte Unterstützung
an.
Die Übersetzungen wurden von der Division of Language Services des
Department of State vorbereitet, doch tragen die Herausgeber sowohl die
endgültige Verantwortung für die Übersetzungen als auch die volle Ver-
antwortung für die Anmerkungen und die übrige editorische Arbeit. Die
Prinzipien, von denen sich die Herausgeber bei den Übersetzungen und in
den übrigen Stadien der Bearbeitung leiten ließen, sind in der ausführ-
lichen „Allgemeinen Einleitung" dargelegt, die in den Bänden I-IV der
Serie D abgedruckt ist.

XI
VORBEMERKUNG ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

Auf Grund eines im Jahre 1960 zwischen den Regierungen der Bundes-
republik Deutschland, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten
Staaten von Amerika getroffenen Übereinkommens konstituierte sich
am 8. Dezember 1960 in Bonn die Internationale Herausgeberkommission
für die Veröffentlichung der Akten zur deutschen auswärtigen Politik
1918-1945. Ihr gehören amerikanische, britische, deutsche und französische
Historiker an, als Hauptherausgeber zur Zeit Hans Rothfels (Bundesrepu-
blik Deutschland), Maurice Baumont (Frankreich), Hans W. Gatzke (Ver-
einigte Staaten von Amerika), Ronald R. A. Wheatley (Großbritannien)
sowie Alan L. C. Bullock als United Kingdom Historical Adviser. Die
Kommission erhielt den Auftrag, die Veröffentlichung von Akten aus dem
Archiv des Auswärtigen Amts, die in dem amerikanisch-britisch-französi-
schen Editionsprojekt begonnen worden war, fortzuführen. Die deutschen
Herausgeber übernahmen die zusätzliche Aufgabe, die - mit Ausnahme
der Bände I-VII der Serie D - nur in englischer Übersetzung vorliegenden
Aktenbände der Serien C und D (Documents on German Foreign Policy
1918-1945) in der deutschen Originalfassung herauszubringen. Mit dem
Erscheinen der Bände XIII. 1 und XIII.2 liegt die deutsche Ausgabe der
Serie D vollständig vor. Von Serie C ist der erste Band in deutscher Aus-
gabe 1971 erschienen.
Die von den deutschen Herausgebern vorgeschlagenen Editionsgrund-
sätze für die deutsche Ausgabe der Serien C und D wurden von der Inter-
nationalen Historikerkommission auf der Konferenz in Bonn im Dezember
1960 geprüft und gebilligt. Danach lehnt sich die deutsche Ausgabe des
Bandes II der Serie C eng an die englische Ausgabe an; alle Dokumente
erscheinen ungekürzt und in derselben zahlenmäßigen Reihenfolge. Jedoch
sind die deutschen Herausgeber mit Zustimmung der gesamten Kommission
in eigener Verantwortung in folgenden Punkten von der englischen Aus-
gabe abgewichen:
1. Auf bei der Entzifferung der Textvorlagen unbemerkt gebliebene Irr-
tümer wird in Anmerkungen hingewiesen.
2. In einzelnen Fällen werden Dokumente, die in den Anmerkungen der
englischen Ausgabe inhaltlich referiert werden, im Wortlaut zitiert.
3. Persönlichkeiten, die in den Texten nur ihrer Stellung nach bezeichnet
sind, werden nach Möglichkeit in einer Anmerkung identifiziert.
4. Zur Erleichterung der Feststellung des chronologischen Ablaufs der Er-
eignisse werden nur mit Tagesnamen erwähnte Vorgänge regelmäßig
in einer Anmerkung durch Angabe des Datums sichergestellt.
5. Die Regesten im „Verzeichnis der Dokumente" werden etwas ausführ-
licher gehalten als in der englischen Ausgabe.
6. Anmerkungen und sog. „Anmerkungen der Herausgeber" (Editor's
Notes) werden durch Hinweise auf deutsche Dokumenten-Veröffent-

XIII
lichungen ergänzt; auf Dokumente, die erst nach der Veröffentlichung
der englischen Ausgabe von Band II (1959) bekannt geworden sind,
wird hingewiesen.
Die unter den Punkten 1-4 und 6 aufgeführten Abweichungen werden
durch ein ' vor der Anmerkungsziffer kenntlich gemacht.
In dem vorliegenden Band werden die Aktenstücke grundsätzlich in der
deutschen Originalfassung bzw. der amtlichen deutschen Übersetzung ab-
gedruckt. Falls eine amtliche deutsche Übersetzung nicht zu ermitteln ist,
werden Texte in den Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch oder
Spanisch im originalen Wortlaut wiedergegeben; Dokumente in anderen
Sprachen werden in einer deutschen Übersetzung unter Hinweis auf das
Original abgedruckt.
Wurde in der englischen Ausgabe ein Dokument nur in Auszügen wieder-
gegeben, so werden in der deutschen Fassung die nicht gedruckten Ab-
schnitte in eckigen Klammern inhaltlich zusammengefaßt.
Der Abdruck gibt nicht das Äußere der Vorlage in allen Einzelheiten
wieder. Jedoch werden im Kopf Eil- und Geheimvermerke, Datum der Ab-
fassung und - soweit sie sich ermitteln lassen - Absende- und Ankunfts-
zeit sowie Journalnummer bzw. Aktenzeichen angegeben. Abschriften
werden ausdrücklich als solche gekennzeichnet.
Im Text wurden offensichtliche Schreib- und Zeichensetzungsfehler still-
schweigend berichtigt; von einer Änderung der Orthographie nach den
heute gültigen Regeln wurde jedoch abgesehen. Die Schreibweise von
Personen- und Ortsnamen wurde vereinheitlicht.
Um die Benutzung handlicher zu machen, wird dieser Band in zwei Halb-
bänden vorgelegt. Band 11,1 enthält die Dokumente Nr. 1-232, Band 11,2
enthält die Dokumente Nr. 233-506. Die Regesten für den Gesamtband
befinden sich im ersten, die Anhänge, die um ein Verzeichnis der in den
Anmerkungen zitierten Literatur erweitert wurden, sowie das ausführlicher
gehaltene Personenverzeichnis erscheinen am Ende des zweiten Halb-
bandes.
Die Verantwortung für die Bearbeitung des Bandes II der Serie C in der
deutschen Originalausgabe tragen Franz Knipping und die Unterzeichneten.
Sie danken Frau Margaret Messing und Frau Christa Saam für ihre Hilfe.
Besonderer Dank gebührt der Stiftung Volkswagenwerk e.V., die durch
ihre Unterstützung die Veröffentlichung dieses Bandes ermöglicht hat.
HANS ROTHFELS
VINCENT KROLL

XIV
VERZEICHNIS DER DOKUMENTE :

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND


1933
1 14. 10. Auirui der Reichsregierung an das deutsche Volk 1
Aufruf aus Anlaß des deutschen Auszuges aus der Abrüstungs-
konferenz und dem Völkerbund.

2 16. 10. Der Staalssefcreidr des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschait in Rom 2
Bülow erklärt, unter Hinweis auf die in Serie C, Bd. 1,2 abge-
druckten Dokumente Nr. 500 und 502, daß der jüngste italieni-
sche Vermittlungsvorschlag keine Verhandlungsbasis abgebe.

4 16. 10. Der Botschafter in Rom von Hasseil an das Auswärtige Amt 5
Hasseil meldet, er habe Mussolini mitgeteilt, daß durch den
Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund eine neue Sachlage
entstanden sei, die einen Hinweis auf den Viererpakt in der
Kanzlerrede unmöglich mache.

8 17. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 10
Francois-Poncet hat die Reden kritisiert, die Hitler und Neurath
zum Auszug Deutschlands aus der Abrüstungskonferenz und
dem Völkerbund gehalten haben.

9 17. 10. Au/zeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei) 11


Protokoll einer Kabinettssitzung vom 17. Oktober, in der Hitler
sich über die politische Lage nach dem Ausscheiden Deutsch-
lands aus der Abrüstungskonferenz äußerte.

10 17. 10. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 12
Bericht über eine Unterredung mit Suvich, der angeregt hat, der
gegenwärtigen Krise durch eine Aktivierung des Viermächte-
pakts zu begegnen.

13 18. 10. Auszeichnung des Legationssekretärs von Kotze 19


Hoesch hat aus London telefonisch über die Rundfunkrede
Simons vom 17. Oktober berichtet und dabei Vorschläge für
eine mögliche deutsche Antwort entwickelt.
18 20. 10. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 28
Hassell berichtet aufgrund einer Unterredung mit Suvich, Musso-
lini sei über den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund
sehr erregt und bedauere den Schritt aufs äußerste.

(U Die Dokumente dieses Bandes sind in chronologischer Reihenfolge angeordnet. Zur Hilfe
für den Leser, der bestimmte Themen durch den Band hindurch verfolgen möchte, ist
dieses Verzeichnis der Dokumente alphabetisch nach Ländern geordnet, unter Hinzu-
fügung folgender fünf Sachgebiete: „Abrüstung und Völkerbund", „Allgemeine Fragen",
.Evangelische Kirche", „Finanzfragen" und „Ostpakt".

XV
ABRÜSTUNG UND VOLKERBUND

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
19 21. 10 Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 30
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon, der ihn im
Interesse einer Ausräumung der zwischen ihm und Neurath ent-
standenen Differenzen um Unterstützung und Rat ersucht hat.

23 24. 10. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 38
Hitler hat in einer Unterredung mit dem neuen britischen Bot-
schafter Phipps einen neuen Abrüstungsplan entwickelt.

26 25. 10. Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrais Frohwein 41


Frohwein hat mit General Schönheinz den in Dokument Nr. 23
wiedergegebenen neuen Abrüstungsplan Hitlers erörtert.

Anmerkung der Herausgeber 42


Zusammenfassung einer Weisung des Reichswehrministers vom
25. Oktober 1933 an die Chefs der Heeres- und Marineleitung
und an den Reichsminister für Luftfahrt für den Fall, daß gegen
Deutschland Sanktionen angewendet werden.

29 26. 10. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschaft in London 45
Mitteilung, daß die in Dokument Nr. 23 enthaltenen Ausführun-
gen Hitlers zur Abrüstungsfrage nicht als ein in allen Einzel-
heiten ausgearbeiteter deutscher Vorschlag bewertet werden
dürfen. Nach Möglichkeit solle in der Presse über die Ange-
legenheit nichts weiteres veröffentlicht werden

32 27. 10 Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 49


Bericht Hassells über ein Gespräch mit Mussolini betreffend
Hitlers Erklärungen gegenüber Phipps (Dokument Nr. 23).
Mussolini hat seine Ansichten über die jetzt von Deutschland
einzuschlagende Linie dargelegt.
39 111. Reichswehrminister von Blomberg an den Reichsminister des
Auswärtigen Freiherrn von Neurath 60
Blomberg weist darauf hin, daß die Reichsregierung ihm die
Verantwortung dafür übertragen habe, daß in jedem einzelnen
Falle geprüft werde, ob und wie die wehrpolitischen Belange
mit den Rücksichten der Außenpolitik in Einklang zu bringen
seien. Er fordert, daß alle Maßnahmen, die Bestimmungen des
Versailler Vertrages berühren, ihm zur vorherigen Zustimmung
vorzulegen seien.

40 2. 11. Reichskanzler Hitler an den italienischen Ministerpräsidenten


Mussolini 62
Hitler entwickelt Mussolini seine Ansichten zur Abrüstungs-
frage.

42 [3. 11] Aulzeichnung ohne Unterschritt 71


Mitteilungen des ungarischen Gesandten Masirevich über ein
Gespräch mit Francois-Poncet betreffend die Abrüstungsfrage
und die politischen Ziele Deutschlands.

XVI
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel u n d Inhalt Seite

1933
45 [4. 11.] Aufzeichnung ohne Unterschritt 76
Notizen, die vom Reichswehrministerium und vom Stabe des
Chefs der Marineleitung für die bevorstehenden Besprechungen
zwischen Göring und Mussolini zusammengestellt wurden.

50 8. 11. Aulzeichnung des Botschatters in Rom von Hassell 86


Zusammenfassende Aufzeichnung über den Besuch Görings in
Rom, in dessen Verlauf Göring Mussolini den Brief Hitlers (Do-
kument Nr. 40) überreichte und mit dem italienischen Regie-
rungschef in zwei Unterredungen die deutsch-italienischen Be-
ziehungen, die Abrüstungsfrage und die österreichische Frage
diskutierte.
54 10. 11. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 94
Francois-Poncet hat einen als „rein persönlich" bezeichneten
Plan vorgetragen, der eine gewisse Aufrüstung Deutschlands für
Frankreich, England und Amerika akzeptabel machen könnte:
Deutschland solle mit Polen und der Tschechoslowakei unter Be-
teiligung Frankreichs und der anderen Mächte einen Ost-
Locarno-Vertrag abschließen und sich außerdem verpflichten,
die Unabhängigkeit Österreichs nicht anzutasten.

61 11. 11. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 105


Francois-Poncet hat Köpke in „privaten" Unterredungen am
3. und 7. November u. a. auf Möglichkeiten und Voraussetzun-
gen einer deutsch-französischen Annäherung angesprochen.

62 11. 11. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts


von Bülow 109
Stellungnahme Bülows zu den Erklärungen Francois-Poncets.
76 19. 11. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 134
Hoesch berichtet über zunehmende Differenzen zwischen der
britischen und der französischen Regierung in der Abrüstungs-
frage. Er empfiehlt, die Reichsregierung solle alles unterlassen,
was die Neubelebung der schon erschütterten britisch-französi-
schen Front fördern könnte.
78 20. 11. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 139
Göring hat Neurath über seine Gespräche mit Mussolini in Rom
Bericht erstattet.
99 5. 12. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 170
Aufzeichnung über eine Unterredung Hitlers mit dem britischen
Botschafter Phipps, der Fragen zu dem in Dokument Nr. 23 ent-
haltenen deutschen Plan gestellt hat. Hitlers Antworten.

100 5. 12. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts


von Bülow 171
Francois-Poncet hat Bülow, unter Bezugnahme auf die Unter-
redung mit Hitler am 24. November (Dokument Nr. 86), einige

XVII
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
spezielle Fragen zu den deutschen Rüstungswünschen und zu
der Rolle der paramilitärischen Verbände gestellt.

105 7. 12. Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts


von Bülow 180
Francois-Poncet hat um eine neue Unterredung mit Hitler ge-
beten und die Fragen erläutert, die er im Auftrage der franzö-
sischen Regierung mit dem Reichskanzler zu erörtern wünsche.

107 9. 12. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 185
Der britische Botschafter Phipps hat Hitler eine Reihe von Fra-
gen zum Abrüstungsproblem vorgelegt. Hitler hat auf die Frage
nach dem 300 000-Mann-Heer direkt geantwortet und für die
übrigen Fragen eine Antwort in Aussicht gestellt.

108 8. 12. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 186
Francois-Poncet hat sich beschwert, daß der britische Botschafter
ganz kurzfristig von Hitler empfangen worden sei, während er
selbst tagelang auf einen Gesprächstermin warten müsse.

111 8. 12. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an den Reichsminisler


des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 188
Phipps übersendet Neurath eine Zusammenfassung der Aus-
führungen, die er am gleichen Tage in der Abrüstungsfrage
mündlich gegenüber Hitler gemacht hat.

112 9. 12. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 190
Neurath hat Francois-Poncet erläutert, warum Hitler den briti-
schen Botschafter wesentlich früher als ihn empfangen habe.
Erörterung der deutschen Haltung in der Frage des Wiederein-
tritts in den Völkerbund.

113 9. 12. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 190
Neurath stellt richtig, daß Hitler bei seiner letzten Unterredung
mit Francois-Poncet die ihm in Paris zugeschriebenen Äußerun-
gen über die Möglichkeit des Wiedereintritts Deutschlands in
den Völkerbund, über die deutsch-schweizerischen Beziehungen
und über die ukrainische Frage nicht getan habe.

117 11. 12. Reichskanzler Hitler an den britischen Botschafter in Berlin


Phipps 194
Hitler antwortet namens der Reichsregierung auf die in Doku-
ment Nr. 111 enthaltenen Anfragen der britischen Regierung.

141 20. 12. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an Reichskanzler


Hitler 252
Antwort auf Dokument Nr. 117 mit der Bitte um weitere Er-
läuterung verschiedener Punkte.

XVIII
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel u n d Inhalt Seite

1934
159 1. 1. Aulzeichnung ohne Unterschritt 287
Francois-Poncet hat im Verlaufe einer Unterredung mit Hitler
und Neurath ein Aide-memoire der französischen Regierung zur
Abrüstungsfrage überreicht und es erläutert.

164 5. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 296
Hassell berichtet über Gespräche, die der britische Außenmini-
ster Simon in Rom über die Abrüstungsfrage und die Frage einer
Reform des Völkerbundes geführt hat.

172 10. 1. Der Reichsminister des Auswärligen Freiherr von Neurath an


die Botschalt in Rom 323
Weisung, Mussolini über die deutsche Stellungnahme zu dem
französischen Aide-memoire vom 1. Januar zu informieren.

178 12. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 335
Hassell berichtet, er habe die in Dokument Nr. 172 enthaltene
Weisung ausgeführt. Mussolini habe sich zustimmend geäußert.
Gegenüber Simon habe Mussolini nach eigenem Bekunden die
Ansicht vertreten, daß die Welt zwischen illegaler Aufrüstung
Deutschlands und Annahme der deutschen Vorschläge zu wählen
habe.
194 19. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 373
Unterredung Neuraths mit Francois-Poncet bei Gelegenheit der
Übergabe der deutschen Antwort auf das französische Aide-
memoire vom 1. Januar.

195 19. 1. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 373
Neurath hat Phipps die deutsche Antwort auf Dokument Nr. 141
übergeben.
208 23. 1. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 395
Unterredung Bülows mit dem italienischen Botschafter Cerruti,
der ein Aide-memoire seiner Regierung zur Reform des Völker-
bunds überreicht hat.
224 26. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 419
Hassell übermittelt vertrauliche und zum Teil amtliche Informa-
tionen aus guter Quelle über die Haltung des italienischen
Außenministeriums zur Abrüstungsfrage. Es werde dort immer
wieder die Ansicht geäußert, daß der Schlüssel zur Lösung des
Problems in einer Verbesserung des deutsch-sowjetischen Ver-
hältnisses liege.
228 30. 1. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 425
Unterredung zwischen Hitler und Phipps, der ein britisches
Memorandum zur Abrüstungsfrage mit Vorschlägen für eine
Konvention überreicht hat. Phipps erklärte, die britische Regie-
rung habe davon abgesehen, nochmals auf die Kontroverse

XIX
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
über eine angeblich veränderte britische Haltung in der Rede
Simons vom 14. Oktober 1933 zurückzukommen.

245 10. 2. Runderlaß des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 449
Weisung zur Information und Sprachregelung betreffend das
jüngste britische Memorandum zur Abrüstungsfrage

250 12. 2. Memorandum der Reichsregierung lür die Italienische Regierung 459
Antwort auf das italienische Aide-memoire vom 23. Januar 1934
zur Reform des Völkerbunds.
266 17. 2. Runderlaß des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 492
Weisung zur Information und Sprachregelung betreffend die
jüngste französische Haltung in der Abrüstungsfrage.
268 19. 2. Der Botschalter in Paris Köster an das Auswärtige Amt 496
Köster berichtet über eine Unterredung mit Eden, in der dieser
seine Eindrücke über die französische Politik in der Abrüstungs-
frage dargelegt hat.
270 20. 2. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 499
Unterredung zwischen Neurath und Eden im Beisein Blombergs.
Eden hat Neurath über die französische Kritik an dem jüngsten
britischen Abrüstungsmemorandum unterrichtet, Neurath Eden
über die Punkte, die die Reichsregierung an dem Memorandum
zu bemängeln findet.
271 20. 2. Aulzeichnung des Ministerialrats Thomsen {Reichskanzlei) 500 J
Erste Unterredung zwischen Hitler und Eden über die Abrü-
stungsfrage und die Reform des Völkerbunds.
273 21. 2. Aulzeichnung des Ministerialrats Thomsen (Reichskanzlei) 507
Zweite Unterredung zwischen Hitler und Eden. Hitler hat sich
gegen den Vorschlag Edens ausgesprochen, die Abrüstungs-
frage auf einer Konferenz der wichtigsten Regierungen weiter-
zubehandeln, und stattdessen eine britische Initiative zur Aus-
räumung des deutsch-französischen Gegensatzes angeregt.

276 22.2. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Frohwein


Abschlußbesprechung zwischen Neurath und Eden. Edens
514 J
Resümee seiner Berliner Besprechungen.

277 24. 2. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 516 *j
Hassell hat Mussolini weisungsgemäß über die Gespräche
Edens in Berlin unterrichtet. Stellungnahme Mussolinis.
280 26. 2. Vortragender Legationsrat Frohwein an Generalleutnant Schön-
heinz (Reichswehrministerium) 519
Frohwein übersendet Abschriften der Dokumente Nr. 270, 271,
273 und 276 und erläutert eine Bemerkung Hitlers über die Ab-
schaffung der Bombenflugzeuge.

XX
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
283 27. 2. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 522
Bericht Hasseils über Gespräche mit Eden, der bei seinem Rom-
besuch offenbar keine neuen Gesichtspunkte für seine nachfol-
genden Gespräche in Paris gefunden habe.

296 3. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den


Botschafter in Paris von Hoesch 540
Bülow übermittelt Hoesch ergänzende Informationen über die
Gespräche mit Eden in Berlin.
301 7. 3. Der Botschalter in Paris Köster an das Auswärtige Amt 548
Köster berichtet über eine Unterredung mit Barthou, in der
Edens Gespräche in Paris, die Ansichten französischer Senatsaus-
schüsse zur Abrüstungsfrage, die Möglichkeit einer Rückkehr
Deutschlands in den Völkerbund und der Besuch Ribbentrops in
Paris erörtert wurden.

305 8.3. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats von Bülow-


Schwante 556
Bülow-Schwante hat den Chef des SA-Ministeramts in Gegen-
wart Röhms gebeten, bei Gesprächen mit ausländischen Diplo-
maten Zurückhaltung zu üben, insbesondere in Fragen, die die
SA und die Abrüstungsfrage betreffen.

306 8. 3. Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 557
Hoesch berichtet über eine ausführliche Unterredung mit Simon
und Eden über die Abrüstungsfrage.
310 9.3. Aufzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 563
Unterredung Hitlers mit dem belgischen Gesandten Kerchove
über eine Erklärung des belgischen Ministerpräsidenten zur Ab-
rüstungsfrage. Hitler hat die Bescheidenheit der deutschen For-
derungen hervorgehoben und den Willen der Reichsregierung
bekräftigt, am Locarno-Vertrag festzuhalten.

321 13. 3. Memorandum der Reichsregierung für die Französische Regierung 584
Antwort auf das französische Aide-memoire zur Abrüstungsfrage
vom 14. Februar.
335 19.3. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Frohwein 621
Der deutsche Militärattache in Warschau hat angeregt, die pol-
nische Regierung vertraulich über den Gang der Abrüstungs-
gespräche und über die deutschen Rüstungspläne zu informieren.
343 15. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschalter in Paris Köster 632
Die Reaktion Hindenburgs auf die in Dokument Nr. 301 ange-
sprochene Mission Ribbentrops in Paris.
351 23. 3. Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 647
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon, in der die
beiderseitigen Standpunkte in der Frage der Luftrüstung erörtert
worden sind. Im weiteren Verlauf des Gesprächs hat Simon eine

XXI
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
Konvention der wichtigsten europäischen Staaten zur Kontrolle
und Garantierung allgemeiner Abrüstungsvereinbarungen vor-
geschlagen.

357 24. 3. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


die Bolschalt in London 657
Weisung zur Beantwortung der in Dokument Nr. 351 übermittel-
ten Anregungen Simons.

360 27. 3. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 661
Hoesch berichtet über eine Unterredung, die er gemäß den in
Dokument Nr. 357 enthaltenen Weisungen mit Simon und Eden
geführt hat. U. a. haben die beiden britischen Minister die
deutschen Bedenken gegen ein regionales Bombenabwurfverbot
bedauert und um weitere Prüfung der Angelegenheit gebeten.
Simon hat darum nachgesucht, in einem britischen Weißbuch
zur Abrüstungsfrage eine Aufzeichnung Edens über seine Ge-
spräche in Berlin veröffentlichen zu dürfen.

378 5.4. Ministerialdirektor Köpke an die Botschatt in London 690


Köpke erläutert die Ausgaben für Heer, Marine und Luftwaffe
in dem jüngst veröffentlichten Reichshaushaltsplan für das
Jahr 1934/35.

384 7. 4. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an den Reichsminister


des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 704
Die britische Regierung bittet um genauere Darlegung der
Gründe für die übermäßige Steigerung des deutschen Rüstungs-
haushalts.

385 9.4. Aide-memoire der Britischen Regierung tür die Reichsregierung 705
Die britische Regierung findet mehrere der Änderungswünsche,
die die Reichsregierung zu der Aufzeichnung Edens über seine
Besprechung im Auswärtigen Amt am 22. Februar vorgebracht
hat, unannehmbar.

386 9.4. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts


von Bülow 708
Hitler hat mit Bezug auf die Aufzeichnung Edens über die Be-
sprechung am 22. Februar den strittigen Punkt der Luftstreit-
kräfte klargestellt.

387 9.4. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 708
Neurath hat Phipps die Stellungnahme der Reichsregierung
zu dem britischen Aide-memoire (Dokument Nr. 385) mitgeteilt.

399 14.4. Autzeichnung des Ministerialdirektors Dieckhott 725


Die britische Regierung bittet die Reichsregierung um eine Er-
klärung zur Abrüstungsfrage, die anstelle der Aufzeichnung
Edens über die Besprechung vom 22. Februar veröffentlicht
werden soll.

XXII
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
402 16.4. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 730
Neurath hat Phipps den als Anlage zu Dokument Nr. 399 ge-
druckten britischen Entwurf einer Erklärung mit Abänderungen
zurückgegeben.

405 18. 4. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


die Botschalten in Paris und London 734
Weisungen aus Anlaß der Ernennung Ribbentrops zum Sonder-
beauftragten der Reichsregierung für Abrüstungsfragen.

435 3.5. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 775
Der italienische Botschafter hat mitgeteilt, nach Mussolinis An-
sicht sollte vor dem Zusammentritt der Abrüstungskonferenz
am 29. Mai kein weiterer Versuch zur Lösung der Abrüstungs-
frage mehr unternommen werden.
443 10.5. Aufzeichnung ohne Unterschritt 787
Aufzeichnung Ribbentrops über eine Unterredung mit Simon
und Eden über die Abrüstungsfrage. Ribbentrop hat die Frage
aufgeworfen, ob die Abrüstungskonferenz nicht für einige
Monate vertagt werden sollte, damit sich die internationale
Lage nicht weiter verschärfe.

456 18.5. Autzeichnung des Beauitragten der Reichsregierung tür Ab-


rüstungstragen von Ribbentrop 808
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Mussolini über die
Abrüstungsfrage und die Möglichkeit einer Vertagung der be-
vorstehenden Sitzungsperiode der Abrüstungskonferenz.
464 25. 5. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 824
Hoesch berichtet über Gespräche mit Grandi und Vansittart
über die Möglichkeit einer Vertagung der Abrüstungskonferenz.
Vansittart hält eine Vertagung aufgrund der Haltung Hender-
sons, der Opposition Frankreichs und der Ungeduld der briti-
schen Öffentlichkeit für unmöglich.

467 27. 5. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 829
Hoesch berichtet, er habe weisungsgemäß mit Simon die Mög-
lichkeit einer Vertagung der Abrüstungskonferenz und die
Frage eines deutsch-belgischen Nichtangriffspakts erörtert.

487 7.6. Aulzeichnung des Vortragenden Legalionsrats Frohwein 863


Hitler hat angeordnet, daß bis auf weiteres alle öffentlichen
Äußerungen führender Persönlichkeiten zur Abrüstungsfrage
unterbleiben sollen.

506 13. 6. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschaft in Paris 887
Weisungen für eine Unterredung mit Barthou über Abrüstung,
Völkerbund und Saarprobleme.
(Siehe auch „Großbritannien" und „Italien".)

XXIII
ALLGEMEINE FRAGEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

ALLGEMEINE FRAGEN
1933
31 27. 10. Aulzeichnung des Stellvertreters des Führers Heß 48
Heß verfügt die Einrichtung des Volksdeutschen Rates als
Beratungs- und Vollzugsorgan für alle Fragen des Grenz- und
Auslandsdeutschtums und für die Fragen der Stärkung und Ein-
heit des Gesamtdeutschtums.

60 11. 11. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Stieve 104


Aufzeichnung für eine Besprechung Neuraths mit Heß. Es sollte
vor allem klargestellt werden, daß die letzte Entscheidung in
allen Volksdeutschen und Minderheitenfragen der Reichsregie-
rung, im besonderen dem Auswärtigen Amt vorbehalten bleiben
müsse.

74 17. 11. Das Auswärtige Amt an das Reichsministerium des Innern 133
Neurath und Heß stimmen darin überein, daß der Volksdeut-
sche Rat lediglich als beratende Stelle wirken soll, die die Auf-
gabe hat, die Politik der zuständigen Ministerien in Fragen des
deutschen Volkstums und der Minderheiten zu unterstützen.

123 12. 12. Auizeichnung des Legalionssekretärs von Bargen 207


Aufzeichnung über die japanische Einstellung zur Rassenfrage.
Um schädlichen außenpolitischen Auswirkungen der deutschen
Rassenpolitik entgegenzuwirken, ist in einer Chefbesprechung
am 21. November eine Regierungserklärung entworfen worden,
die am 5. Dezember vom Reichsminister des Innern veröffent-
licht wurde.

140 20. 12. Das Auswärtige Amt an das Reichsministerium des Innern 249
Übermittlung einer Niederschrift über eine Besprechung des
interministeriellen Ausschusses für Volkstums- und Minder-
heitenfragen mit Vertretern des Volksdeutschen Rats am
14. Dezember.
1934
Anmerkung der Herausgeber 426
Hinweis auf Hitlers Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1934.

366 29. 3. Aulzeichnung des Legationssekrelärs von Bülow 671


Der Chef des Truppenamts hat sich bereiterklärt, in seinem
Bericht an den Reichswehrminister die Bedenken des Auswärti-
gen Amts gegen einen verstärkten Grenzaufsichtsdienst an den
deutschen Westgrenzen zu berücksichtigen

452 16. 5. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


Reichswehrminister von Blomberg 802
Neurath erklärt sich bereit, die außenpolitischen Bedenken
gegen die Einrichtung eines verstärkten Grenzaufsichtsdienstes
zurückzustellen, sofern die notwendigen Maßnahmen nicht als
verkappte Mobilmachungsvorbereitungen in der entmilitarisier-
ten Zone mißverstanden werden können.

XXIV
BALTISCHE STAATEN / BELGIEN / BULGARIEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

BALTISCHE STAATEN
1933
155 14. 12. Das Auswärtige Amt an die Gesandtschatt in Riga 281
Mitteilung, daß der Reichskanzler nicht beabsichtige, den letti-
schen Gesandten zu empfangen und anschließend die demon-
strative Veröffentlichung eines gemeinsamen Kommuniques zu-
zulassen.
1934
169 9. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 306
Aufzeichnung über Erklärungen des polnischen Gesandten Lipski
über angebliche polnisch-russische Verhandlungen mit dem Ziel
einer Garantierung der Unabhängigkeit der Randstaaten.
187 16. 1. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 359
Nadolny berichtet über eine Unterredung mit Litwinow über
die russisch-polnische Politik gegenüber den baltischen Staaten,
besonders über eine angebliche russisch-polnische Deklaration
zur Garantierung der Unabhängigkeit des Baltikums.
(Siehe auch „Sowjetunion")

BELGIEN
1934
497 12. 6. Ministerialdirektor Köpke an den Gesandten in Brüssel Graten
Adelmann von Adelmannstelden 874
Köpke unterrichtet Adelmann über kürzliche Gespräche be-
treffend die Möglichkeit eines deutsch-belgischen Nichtangriffs-
pakts. Hoesch habe der britischen Regierung die deutsche Be-
reitschaft zu einem solchen Vertrag bekundet. Adelmann könne
sich auf Anfrage in Brüssel entsprechend äußern.
503 13. 6. Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 883
Hoesch berichtet, Simon habe ihn auf die deutsche Bereitwillig-
keit zum Abschluß eines Nichtangriffspakts mit Belgien ange-
sprochen und bemerkt, es würde sich daraus vielleicht etwas
Nützliches machen lassen.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund")

BULGARIEN
1933
22 22. 10. Der Gesandte in Soiia Rümelin an den Reichsminister des Aus-
wärtigen Freiherrn von Neurath 35
König Boris hat Rümelin über seine kürzliche Reise in mehrere
westeuropäische Hauptstädte berichtet und die Nachricht be-
grüßt, daß Neurath im kommenden Frühjahr Sofia zu besuchen
beabsichtige.
1934
246 10. 2. Runderlaß des Ministerialdirektors Köpke 452
Sprachregelung hinsichtlich des tags zuvor abgeschlossenen Bal-
kanpakts, der offenbar direkt gegen Bulgarien gerichtet ist.

XXV
BULGARIEN / EVANGELISCHE KIRCHE / FERNER OSTEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
291 1. 3. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 534
Unterredung mit König Boris über den Balkanpakt und die Be-
ziehungen zwischen Bulgarien und Jugoslawien.
411 21. 4. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 742
Unterredung mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten Muscha-
noff über die bulgarische Außenpolitik im allgemeinen und die
bulgarischen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland im beson-
deren.

EVANGELISCHE KIRCHE
1933
37 31. 10. Aufzeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei) 57
Unterredung Hitlers mit Pastor Macfarland, dem früheren Ge-
neralsekretär des Bundesrats der christlichen Kirchen in den
Vereinigten Staaten von Amerika.
55 9. 11. Reichsbischol Müller an das Auswärtige Amt 96
Erörterung der Spannungen, die zwischen der Deutschen Evan-
gelischen Kirche und den ausländischen, vor allem skandina-
vischen Kirchen entstanden sind. Die Deutsche Evangelische
Kirche bemüht sich um besseres wechselseitiges Verständnis,
ist aber dabei auf die Hilfe des Auswärtigen Amts angewiesen.

FERNER OSTEN
1933
7 17. 10. Aulzeichnung des Botschafters in Moskau von Dirksen
(z. Z. Berlin) 9
Der japanische Botschafter Nagai hat inoffiziell die deutsche An-
erkennung Mandschukuos angeregt.
16 19. 10. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Völckers 23
Neurath hat Seeckt geraten, die Aufforderung Chiang Kai-sheks,
als militärischer Berater nach China zu kommen, abzulehnen.
Seeckt hat dies zugesagt.
48 8. 11. Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 82
Unterredung Bülows mit dem chinesischen Geschäftsträger, der
die Rassenfrage zur Sprache gebracht hat. Chiang Kai-shek
bittet dringend um einen erneuten Besuch Seeckts in China.
63 11. 11. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 110
Unterredung mit Seeckt über die Einladung nach China. Das
Reichswehrmiiiisterium ist mit einer nochmaligen Chinareise
Seeckts einverstanden.
80 23. 11. Auizeichnung des Legationsrats Allenburg 141
Nach Mitteilung des chinesischen Geschäftsträgers hat Seeckt
die Einladung Chiang Kai-sheks angenommen.

XXVI
FERNER OSTEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
89 27. 11. Aufzeichnung des Legationsrats Altenburg 151
Erörterung des Planes Kleins, in Kanton eine Rüstungsindu-
strie aufbauen zu helfen. Die politischen Implikationen des Pro-
jekts.

97 2. 12. Das Auswärtige Amt an die Botschalt in Tokio 169


Informationen über die Absichten Heyes, wieder nach Mand-
schukuo zu reisen und über die Möglichkeiten eines verstärk-
ten deutsch-mandschurischen Warenaustausches zu verhandeln.
Heye wird in ausschließlich privater Eigenschaft tätig sein.

138 20. 12. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 245
Bericht Dirksens über seinen Antrittsbesuch bei Hirota, der bei
der Gelegenheit die japanische Politik in Mandschukuo gegen-
über der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten und China er-
läutert hat.

154 29. 12. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 280
Nach einer Unterredung mit Hirota hält Dirksen einen persön-
lichen Besuch in der Mandschurei für vorteilhaft und bittet das
Auswärtige Amt um Zustimmung.

157 30. 12. Der Gesandte in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt 284
Trautmann erörtert die Position General Wetzells gegenüber der
chinesischen Regierung und die außenpolitischen Aspekte der
Reise Seeckts.
1934
158 1. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Tokio 286
Aus gesamtpolitischen Rücksichten erscheint dem Auswärtigen
Amt eine Reise Dirksens in die Mandschurei nicht ratsam.

162 4. 1. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an den Staatssekretär


des Auswärtigen Amts von Bülow 291
Dirksen äußert sich erstaunt über die Weisung, vorerst die
Mandschurei nicht bereisen zu dürfen. Er hält die Anerkennung
Mandschukuos für die wesentliche Voraussetzung einer aktiven
deutschen Japanpolitik.

174 10. 1. Der Staatssekretär des Auswärligen Amts von Bülow an den
Botschalter in Tokio von Dirksen 326
Unter Hinweis auf Dokument Nr. 154 legt Bülow Dirksen dar,
daß ein Besuch des Botschafters in der Mandschurei die Bezie-
hungen zur Sowjetunion und zu China beeinträchtigen müßte.
Eine Annäherung Deutschlands an Japan dürfe vorerst keinen
demonstrativen Charakter haben.

183 15. 1. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 345
Dirksen berichtet über die bevorstehende Ausrufung des Kaiser-
reichs Mandschukuo. Er empfiehlt erneut die Anerkennung
Mandschukuos als den einzigen Weg zu einer deutsch-japani-
schen Annäherung.

XXVII
FERNER OSTEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
198 18. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Tokio 376
Neurath erläutert die Politik der Reichsregierung hinsichtlich
der Anerkennung Mandschukuos und die Motive dieser Politik.
199 19. 1. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 378
Dirksen bittet Neurath, die neuerliche Reise Seeckts nach China
zu verhindern.
235 2.2. Aulzeichnung des Legalionsrats Allenburg 434
Der chinesische Botschaftsrat Tann hat darum ersucht, daß das
Auswärtige Amt die Errichtung von Rüstungsanlagen in den
chinesischen Südwestprovinzen verhindern möge.
236 2. 2. Der Gesandle in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt 436
Trautmann vertritt die Ansicht, daß Deutschland durch die Aner-
kennung der Mandschurei weder politische noch wirtschaftliche
Vorteile erringen werde.
237 4. 2. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 439
Dirksen unterrichtet Bülow über die Instruktionen, die er hin-
sichtlich einer möglichen Anerkennung Mandschukuos von Hitler
persönlich erhalten habe.
238 5. 2. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschait in Tokio 440
Neurath informiert die Botschaft über die bisher in bezug auf
Heye ergangenen Weisungen und bittet um eine Beurteilung
seiner bisherigen Tätigkeit.
241 7. 2. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 444
Antwort auf Dokument Nr. 238. Dirksen beschreibt Heyes Tätig-
keiten und schätzt deren mögliche künftige Nützlichkeit ab.
243 8.2. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 447
Unterredung mit Seeckt über dessen bevorstehende Reise nach
China.
256 9. 2. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschalter in Tokio von Dirksen 474
Bitte Bülows an Dirksen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten in
der Mandschurei genau zu untersuchen. Versicherung, daß es
im Auswärtigen Amt keine Vorliebe für China gibt.
262 16. 2. Aulzeichnung des Gesandlschaltsrals Kühlborn 483
Protokoll einer Referentenbesprechung über das Kleinsche Pro-
jekt der Errichtung von Rüstungsanlagen in der Provinz Kwan-
tung. Vor einer Entscheidung sollen die Besprechungen Seeckts
mit Chiang Kai-shek abgewartet werden.
267 17. 2. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 494
Dirksen wiederholt seine ihm von Hitler erteilten Anweisungen,
kommentiert die Weisungen des Auswärtigen Amts, vermutet,

XXVIII
FERNER OSTEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
daß der günstige Augenblick zur Anerkennung Mandschukuos
bereits verstrichen ist und wägt die wirtschaftlichen Möglich-
keiten Deutschlands in der Mandschurei ab.
269 19. 2. Aufzeichnung des Vorfragenden Legationsrats Ulrich 498
Hitler hat entschieden, Heye mit der Führung von Verhand-
lungen zwecks Herstellung eines Handelsverhältnisses mit
Mandschukuo zu beauftragen. Aufgrund von Einwänden des
Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird
Heye angewiesen, alle etwaigen Abreden vor ihrem formellen
Abschluß der Reichsregierung zur Genehmigung vorzulegen.

281 26. 2. Der chinesische Gesandte in Berlin Liu Chung-Chieh an den


Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 520
Liu Chung-Chieh bittet um die Bestätigung, daß die deutsche
Regierung, ungeachtet der Gerüchte über eine Anerkennung
Mandschukuos, von ihrer freundschaftlichen Gesinnung gegen-
über China nicht abgehen wird.
285 27. 2. Der Beaultragte lür Wirtschaitstragen in der Reichskanzlei
Keppler an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 526
Hitler hat geäußert, daß die Frage der Anerkennung Man-
dschukuos noch nicht akut sei.
300 6. 3. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschatt in Tokio 545
Weisung, daß die Frage der Anerkennung Mandschukuos dila-
torisch behandelt werden soll. Die aus der Anerkennung resul-
tierenden Vorteile würden nur zeitweilig sein und bedeutungs-
loser als die damit verbundenen Risiken. Der wirtschaftliche
Nutzen erscheint dem Auswärtigen Amt zweifelhaft.
312 10. 3. Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 567
Der japanische Botschafter hat sich unzufrieden über die Tätig-
keit Heyes in der Mandschurei geäußert.
323 13. 3. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 592
Bülow hat dem japanischen Botschafter in bezug auf die China-
reise Seeckts beruhigende Zusicherungen gegeben.
324 13. 3. Der Ostasiatische Verein Hamburg-Bremen e. V. an den Reichs-
minister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 593
Der Ostasiatische Verein fordert die baldige Abberufung Heyes
aus dem Fernen Osten, da seine Tätigkeit sich zum Nachteil
der dort bestehenden deutschen Handelslirmen auswirke.
326 14. 3. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 595
Dirksen berichtet über Versprechungen, die Heye im Vorjahr
gegenüber japanischen Militärkreisen abgegeben habe, über die
Verstimmung deutscher Firmen über Heye und seine Weige-
rung, über seine Tätigkeiten Bericht zu erstatten. Dirksen emp-
fiehlt eine Kontrolle Heyes durch die Partei oder durch den
Konsul in Mukden

XXIX
FERNER OSTEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
336 19. 3. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 623
Dirksen hat aus vertraulicher Quelle erfahren, daß Japan den
Versuch einer Annäherung an Großbritannien unternommen hat.
353 23. 3. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Ritter 650
Unterredung Ritters mit Keppler über Heye. Es besteht Einig-
keit, daß die Frage der Rückberufung Heyes über Thyssen in
die Wege geleitet werden soll. Keppler hat sich kritisch über
die Nachgiebigkeit des Auswärtigen Amts gegenüber Daitz ge-
äußert, Ritter hat auf die Verantwortlichkeit Kepplers für diese
Angelegenheit verwiesen.
358 26. 3. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an das
Auswärtige Amt 659
Der japanische Generalkonsul Suma hat Trautmann in warnen-
dem Ton den japanischen Standpunkt hinsichtlich der Präsenz
fremder Mächte in China erläutert.
373 30. 3. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an das
Auswärtige Amt 678
Chiang Kai-shek hat sich mit dem Abschluß eines Vertrages
zum Bau einer Flugzeugfabrik durch eine deutsche Firma ein-
verstanden erklärt. Trautmann bittet im Hinblick auf mögliche
japanische Einwände um Instruktionen. Die Botschaft in Tokio
wird ebenfalls informiert.
374 31. 3. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an den
Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow 679
Trautmann übermittelt Bülow die Abschrift eines Briefes an
Dirksen betreffend die deutsche Ostasienpolitik.
379 5. 4. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 691
Dirksen zählt Gründe auf, die gegen den Aufbau einer chine-
sischen Luftfahrtindustrie durch deutsche Firmen sprechen.
403 14. 4. Ministerialdirektor Meyer an den Botschalter in Tokio
von Dirksen 731
Meyer formuliert erneut die deutsche Politik gegenüber Japan
und setzt sich mit einigen Ansichten Dirksens auseinander.
404 18. 4. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 733
Unterredung Neuraths mit dem japanischen Botschafter über die
Beziehungen Deutschlands zu Japan und zur Sowjetunion sowie
über die Mandschurei und China.
408 19. 4. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Ami 739
Dirksen berichtet über ein Gespräch mit Hirota über eine Ver-
lautbarung der japanischen Regierung, die sich gegen jede
finanzielle oder militärische Unterstützung Chinas durch dritte
Mächte richtet.
412 21. 4. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an das Aus-
wärtige Amt 743
Der Vertreter von Solothurn hat Trautmann um Mitwirkung
beim Abschluß eines Waffengeschäfts gebeten. Bitte um Instruk-
tion.

XXX
FERNER OSTEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
429 27.4. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Ritter 767
Unterredung Ritters mit Fritz Thyssen am 26. April. Thyssen
hat sich gegen eine Rückberufung Heyes ausgesprochen und
seine Ansichten über die deutsche Ostasienpolitik dargelegt.
Dagegen Ritters Darstellung der Politik des Auswärtigen Amts.
438 7. 5. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 778
Dirksen übermittelt einen Bericht des Militärattaches Ott über
Persönlichkeit und Tätigkeit Heyes. Dirksen sieht sich in seiner
Ansicht bestätigt, daß Heye abberufen werden sollte.
454 17. 5. Der Gesandte in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt 806
Chiang Kai-shek hat entschieden, daß künftig nur noch deutsche
Waffen angeschafft werden sollen.
460 24. 5. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 819
Dirksen berichtet über eine Beschwerde des Leiters der Wirt-
schaftsabteilung im japanischen Außenministerium über deutsche
Restriktionsmaßnahmen gegenüber dem japanischen Handel.
Ankündigung japanischer Gegenmaßnahmen.
473 29. 5. Die Gesandtschait in Peping an das Auswärtige Amt 837
Übermittlung eines Berichts des Gesandtschaftsrats Lauten-
schlager über den Besuch Seeckts in China.
482 6.6. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 852
Übermittlung einer Meldung Heyes über ein mit der Regierung
von Mandschukuo abgeschlossenes vorläufiges Abkommen.
489 8.6. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Tokio 864
Bülow bittet, unter Bezugnahme auf Dokument Nr. 482, um
Wortlaut und Beurteilung des von Heye ausgehandelten Ab-
kommens.
493 8.6. Auizeichnung des Ministerialdirektors Ritter 870
Unterredung zwischen Neurath, Ritter, Rosenberg und Daitz
über das von Heye ausgehandelte Abkommen mit der Regie-
rung von Mandschukuo.
494 8.6. Der Leiter der Außenhandelsabteilung im Außenpolitischen Amt
der NSDAP Daitz an den Reichsminister des Auswärtigen Frei-
herrn von Neurath 871
Daitz legt Neurath den Text einer zur Absendung an Heye
vorgesehenen telegrafischen Instruktion vor, er solle die Ver-
handlungen über einen Kompensationsvertrag vorantreiben.
In der Anlage eine Zusammenfassung der möglichen Vertrags-
bestimmungen aus Hsinking.

495 9.6. Autzeichnung des Vortragenden Legationsrals von Erdmanns-


dorlt 872
Der chinesische Gesandte hat die Befürchtung geäußert, daß das
von Heye mit der Regierung der Mandschurei abgeschlossene
Abkommen zur Anerkennung von Mandschukuo durch Deutsch-
land führen werde.

XXXI
FINANZFRAGEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

FINANZFRAGEN
1933
93 30. 11. Reichswirlschaltsminister Schmitt an Reichsbankpräsident
Schacht 158
Schmitt wirbt für den Gedanken, daß Deutschland den Grund-
satz der gleichmäßigen Behandlung aller seiner Gläubiger auf-
geben und bei der Bedienung seiner Verpflichtungen diejenigen
Gläubigerländer günstiger stellten sollte, die die Voraussetzun-
gen für eine erhöhte Abnahme deutscher Waren erfüllen.
103 6. 12 Aulzeichnung des Ministerialrats Willuhn (Reichskanzlei) 176
Protokoll über eine Chefbesprechung, in der u. a. Schacht in
Gegenwart Hitlers über die Devisenlage und die Transferfrage
berichtete. Der Reichswirtschaftsminister hielt es für zweck-
mäßig, mit allen Gläubigervertretern zu verhandeln und erst
dann Sonderzugeständnisse an einzelne Gläubigerländer zu
machen. Hitler und Neurath schlössen sich diesem Vorschlag an.
146 23. 12. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 265
Die britische Regierung protestiert gegen die von der Reichs-
bank am 18. Dezember einseitig beschlossene sechsmonatige
Herabsetzung der Transfeiquote für Zinszahlungen an auslän-
dische Gläubiger. Eine solche Maßnahme hätte vorher mit den
Gläubigern abgestimmt werden müssen. Sie stelle eine neuer-
liche Diskriminierung der britischen Gläubiger dar.
151 27. 12 Das Reichsbank-Direktorium an Reichswirlschaltsminister
Schmitt 273
Das Reichsbank-Direktorium äußert Bedenken gegen das System
der Transfer-Sonderverträge, wie sie mit der Schweiz und
Holland bestehen. Dieses System mache Verhandlungen über
die Schuldenfrage äußerst schwierig und wirke sich für Deutsch-
land keineswegs nur vorteilhaft aus.
1934
193 19. I. Aulzeichnung des Reichsmimslers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 372
Der britische Botschafter hat Hitler dargelegt, daß seine Regie-
rung über das deutsche Verhalten in der Transferfrage aufs
schwerste besorgt sei Hitler hat darauf hingewiesen, daß
Deutschland sich durch äußerste Not gezwungen verhalte. Nur
über größere Exportmöglichkeiten könnten die Zahlungen der
Schulden und Zinsverpflichtungen eingehalten werden.
196 19. 1. Au/zeichung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 374
Ergänzend zu Dokument Nr 193 hat Neurath Phipps erklärt,
daß er die britische Ablehnung der von Schacht und Norman
vereinbarten Regelung als einen Versuch betrachte, auf Deutsch-
land für andere schwebende Fragen einen Druck auszuüben.
197 19. 1. Autzeichnung des Ministerialdirektors Ritter 374
Ritter vermerkt Mitteilungen Neuraths über die in den Doku-
menten Nr. 193 und 196 wiedergegebenen Unterredungen. In
der Anlage eine von Phipps hinterlassene Notiz.

XXXII
FINANZFRAGEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
200 19. 1. Der Reiclisminisler des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den britischen Botschaiter in Berlin Phipps 379
Antwort auf die britischen Noten vom 23 und 30. Dezember
über die Transferfrage. Neurath erklärt, daß die erhöhten Trans-
ferschwierigkeiten eine Folge der ungenügenden Entwicklung
des deutschen Exports seien und daß es nicht in der Macht der
deutschen Regierung liege, diese Grundbedingung zu ändern.
Die deutsche Auslandsverschuldung habe ihren Ursprung zum
guten Teil in den vorausgegangenen politischen Verhältnissen.

201 19. 1. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 382
Unterstaatssekretär Phillips hat Luther ein Aide-memoire zur
Schuldenfrage übergeben und mitgeteilt, daß Präsident Roose-
velt auf die besondere Bedeutung der amerikanischen Demarche
aufmerksam zu machen wünsche.

202 20. 1. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts


von Bülow 383
Der amerikanische Botschafter Dodd hat Bülow eine Note über-
reicht, die einen Protest gegen die Diskriminierung der ameri-
kanischen Bondholder enthält.

204 22. 1. Reichsbankpräsident Schacht an den Reichsminister des Aus-


wärligen Freiherrn von Neurath 387
Bericht Schachts über Verhandlungen mit dem Gouverneur der
Bank von England und dessen Angebot, daß die Bank von
England die in britischer Hand befindlichen Kupons deutscher
Anleihen zu 90 °/o aufkaufen wolle. Das Projekt wurde indessen
von der britischen Regierung nicht gebilligt.

205 22. 1. Reichsbankpräsident Schacht an den amerikanischen Botsclwtler


in Berlin Dodd 391
Schacht schlägt als Auswege aus den Transferschwierigkeiten
eine Erleichterung des deutschen Exports und eine Herabsetzung
der Zinssätze vor. Auch die Einsetzung eines Gläubiger-
Komitees wäre zweckdienlich.

206 22. 1. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 392
Luther berichtet über eine Unterredung mit Präsident Roosevelt
über die Behandlung der amerikanischen Gläubiger in der Trans-
ferfrage. Roosevelt hat sich zu Verhandlungen über eine Aus-
weitung der deutschen Exporte in die USA bereit erklärt, jedoch
auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger be-
harrt.

212 24. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 402
Der britische Botschafter Phipps hat in einer Unterredung die
Bedeutung der Transferfrage für die Zukunft der deutsch-briti-
schen Beziehungen hervorgehoben. Neurath hat ihm entgegen-
gehalten, die britische Regierung sei über die wirtschaftliche
Lage Deutschlands genau informiert, Deutschland sei indessen
nicht bereit, sich bis auf den letzten Pfennig zu entblößen.

XXXIII
FINANZFRAGEN / FRANKREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
231 31. 1. Ministerialdirektor Ritter an die Botschalt in London 421
Information über eine mit Vertretern britischer und amerikani-
scher Gläubiger erzielte Vereinbarung über das Transfer-Ver-
fahren für das laufende Halbjahr. Es ist anzunehmen, daß die
britische Regierung keine Einwände gegen die Vereinbarung
erheben wird, da sie an den Verhandlungen beteiligt war.
233 1.2. Reichsbankpräsident Schacht an Reichskanzler Hitler 433
Schacht erklärt, warum die mit britischen und amerikanischen
Gläubigern getroffene Vereinbarung trotz der günstigen Auf-
nahme in der angelsächsischen Presse vor allem einen deut-
schen Erfolg darstellt.
466 26.5. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 82E
Francois-Poncet hat Neurath darauf hingewiesen, daß ein abso-
lutes Moratorium für die Dawes- und die Young-Anleihe fran-
zösische Repressalien provozieren würde. Neurath hat erwidert,
eine Pause von mindestens 6 Monaten sei erforderlich, um den
deutschen Gold- und Devisenbestand wieder anzureichern.
471 29. 5. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an den Reichsminisler
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 834
Eine Unterbrechung der Zinszahlungen für die Dawes- und die
Young-Anleihe würde für die britische Regierung sehr ernste
Fragen aufwerfen. Die britische Regierung hat auch nach wie
vor kein Verständnis für die Bevorzugung von Gläubigern
anderer Nationalität.

484 7. 6. Autzeichnung des Ministerialrats Willuhn (Reichskanzler) 857


Protokoll einer Chefbesprechung über Transferfragen. Der
Reichsbankpräsident berichtete über Verhandlungen mit den
Gläubigervertretern und erklärte, daß auch für die Erfüllung
von Zahlungsverpflichtungen aus den politischen Anleihen keine
Devisen vorhanden seien. Die Bank für Internationalen Zah-
lungsausgleich und die betreffenden Regierungen sollen in die-
sem Sinne informiert werden. Erörterung des Rückkaufs von
Bonds und der Verwendung von Ersatzrohstoffen.
490 8.6. Runderlaß des Ministerialdirektors Ritter 865
Die diplomatischen Vertretungen in den wichtigsten Gläubiger-
ländern werden informiert, daß zum 1. Juli eine Ausweitung
des Transfermoratoriums auch auf Reichsanleihen vorgesehen
ist. Verhandlungen hierüber werden nicht stattfinden. Mit der
Schweiz und Holland sollen neue Sonderabkommen abge-
schlossen werden.

FRANKREICH
1933
27 25. 10. Botschaltsral Forster (Paris) an das Auswärtige Amt 42
Forster empfiehlt, daß Daladier, wenn er dem neuen Kabinett
Sarraut angehören sollte, von der deutschen Presse freundlich
begrüßt werden solle. Zuviel Freundlichkeit könne ihn aller-
dings in innenpolitische Schwierigkeiten bringen.

XXXIV
FRANKREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
65 13. 11. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 111
Eine ausführliche Analyse der französischen Politik seit dem
Fortgang Deutschlands aus Genf mit Schlußfolgerungen hinsicht-
lich des weiteren deutschen Verhaltens. Diese für interne
Zwecke des Auswärtigen Amts verfaßte Aufzeichnung wurde
zur Kenntnisnahme an Botschafter Köster übermittelt.
86 25. 11. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 149
In einer Aufzeichnung zwischen Francois-Poncet, Hitler und Neu-
rath am 24. November hat der französische Botschafter erklärt,
daß sich in der französischen öffentlichen Meinung über Deutsch-
land ein Umschwung vorbereite, doch werde noch einige Zeit
vergehen, ehe man sich an den Gedanken einer direkten Ver-
ständigung mit Deutschland gewöhnt habe. Erörtert wurden
auch die Frage einer Rückkehr Deutschlands in den Völker-
bund, deutsche Rüstungswünsche, die österreichische Frage und
die Saarfrage. Es herrschte Übereinstimmung, daß die deutsch-
französischen Besprechungen auf diplomatischem Wege fortzu-
setzen seien.
1934
220 26. 1. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 412
Bülow hat Röhm geraten, eine Einladung in die argentinische
Gesandtschaft anzunehmen, wo er zwanglos Francois-Poncet
kennenlernen könne.
314 [10.3.] Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärfigen Freiherrn
von Neurath 568
Eine von Bülow entworfene und Neurath zur Unterschrift vorge-
legte Aufzeichnung, mit der Reichspräsident Hindenburg über
die Tätigkeil Ribbentrops als persönlicher Vertreter Hitlers in
den Beziehungen zu Frankreich und Großbritannien informiert
wird.
317 10. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschaiter in Rom von Hassell 573
Bülow übermittelt zur persönlichen Information Hassells aus zu-
verlässiger Quelle einen Bericht über eine Unterredung zwi-
schen Chambrun und Mussolini am 2. März. Erörtert worden sei
die politische Bedeutung eines italienisch-österreichisch-unga-
rischen Abkommens insbesondere für Frankreich und die Kleine
Entente.
392 10. 4. Der Staatssekretär des Auswärligen Amts von Bülow an die
Botschait in Paris 717
Hitler hat Ribbentrop beauftragt, Barthou zu einem Besuch in
Berlin einzuladen.
413 21. 4. Der Botschaiter in Paris Köster an das Auswärtige Amt 744
Der Generalsekretär des französischen Außenministeriums hat
Köster im Auftrage Barthous über Barthous bevorstehende Rei-
sen nach Warschau und Prag unterrichtet. Diese Reisen dürften
auf keinen Fall etwa als Teil einer Konspiration gegen Deutsch-
land angesehen werden.

XXXV
FRANKREICH / GRIECHENLAND / GROSSBRITANNIEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
446 [11]. 5. Botschaftsrat Forster (Paris) an das Auswärtige Amt 795
Forster berichtet über eine Rede Barthous über die innerdeut-
sche Lage vor dem Auswärtigen Ausschuß der französischen
Kammer.
461 24.5. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 820
Francois-Poncet hat Eülow versichert, daß er in seinen Berich-
ten an die französische Regierung keinerlei Prophezeiungen
über einen baldigen Zusammenbruch des gegenwärtigen deut-
schen Systems verwende. Derartige Vorstellungen seien aller-
dings in der internationalen Sozialdemokratie, dem internatio-
nalen Judentum und der Freimaurerei, deren Einfluß in Frank-
reich beträchtlich sei, durchaus lebendig.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund", „Oslpakt" und „Saar-
gebiet".)

GRIECHENLAND
1934
289 28. 2. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrals Frohwein 530
Ein Vertreter des Rüstungskonzerns Rheinmetall-Borsig hat an-
gefragt, ob außenpolitische Bedenken gegen Waffenlieferungen
nach Griechenland bestünden. Frohwein bittet um Ermächtigung
für die Antwort, das Auswärtige Amt habe bei Beachtung der
nötigen Vorsicht keine Bedenken.

GROSSBRITANNIEN
1933
57 10. 11. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 101
Hoesch berichtet über ein Gespräch mit MacDonald, der es als
wichtig bezeichnet habe, daß für Deutschland wieder ein inter-
nationaler Kontakt geschaffen werde. MacDonald hat sich inoffi-
ziell nach der Möglichkeit eines Besuches Hitlers in London
erkundigt.
59 11. 11. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an die
Botschatt in London 103
Neurath informiert die Botschaft, daß der Gedanke einer Reise
Hitlers nach London abwegig sei. MacDonald solle dargelegt
werden, daß der deutsche Standpunkt zu allen schwebenden
Fragen in den Reden Hitlers und Neuraths sowie in den Er-
klärungen Hitlers gegenüber dem britischen Botschafter unmiß-
verständlich zum Ausdruck gekommen sei.
1934
426 25. 4. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 759
Hoesch berichtet über ein längeres politisches Gesprach mit dem
englischen König, das sich vor allem um die Abrüstungsfrage
drehte.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund" und „Finanzfragen".)

XXXVI
ITALIEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

ITALIEN
1933
28 25. 10. Der Botschalter in Rom von Hassell an den Reichsminister des
Auswärtigen Freiherrn von Neurath 43
Hassell äußert sich besorgt über den Zustand der deutsch-italie-
nischen Beziehungen. Er hebt die Notwendigkeit hervor, mit
Mussolini in Kontakt zu bleiben und Pressepolemiken zwischen
beiden Ländern zu v e r m e i d e n .
G7 13. 11. Ministerialdirektor Ritter an den Botschalter in Rom
von Hassell 121
Ritter hält die A n r e g u n g Hasseils, mit Italien ein A b k o m m e n
ü b e r wirtschaftliche Z u s a m m e n a r b e i t im Donaubecken anzu-
s t r e b e n , für nützlich.
104 7. 12. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 178
Hassell hat nach Rückkehr aus Berlin Mussolini über die j ü n g -
sten deutsch-französischen Gespräche unterrichtet. Mussolini
h a t sich zur Abrüstungsfrage, zum V ö l k e r b u n d , zu d e m j ü n g s t e n
Besuch Litwinows in Rom und zu den Möglichkeiten einer ge-
m e i n s a m e n Wirtschaftspolitik im Donauraum geäußert.
120 12. 12. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 203
In einer U n t e r r e d u n g mit N e u r a t h und Bülow hat Suvich die
F r a g e gestellt, ob Deutschland in den V ö l k e r b u n d oder zur Ab-
r ü s t u n g s k o n f e r e n z zurückzukehren g e d e n k e . N e g a t i v e Antwort.
126 13. 12. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 219
U n t e r r e d u n g zwischen Hitler und Suvich in N e u r a t h s Gegen-
w a r t ü b e r die Abrüstungsfrage und über Österreich.
145 22. 12. Der Botschafter in Rom von Hassell an Ministerialdirektor
Köpke 263
Hassell berichtet über die Eindrücke, die Suvich von seiner
Berlinreise nach Rom mitgenommen hat.
1934
257 15. 2. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 476
Hassell berichtet über Gerüchte um den Plan einer Zollunion
zwischen Italien, Österreich und Ungarn. Er glaubt, daß ein der-
artiger Plan existiert, aber keine unmittelbar aktuelle Bedeutung
besitzt.
279 26. 2. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Auswärtige
Amt 518
Mackensen berichtet über Äußerungen Känyas hinsichtlich der
Haltung Ungarns gegenüber Österreich, Deutschland und Italien.
282 27.2. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 521
Auf die Erklärung des italienischen Botschafters Cerruti, daß
die italienische Deutschlandpolitik sich ändern könne wofern
sich nicht die deutsche Österreichpolitik ändere, hat Neurath ge-
antwortet, daß diese Drohung ihn nicht beeindrucke und daß
Deutschland auch seine Italienpolitik ändern könne.
286 28. 2. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 527
Suvich hat Hassell unterrichtet, daß bei seinen Besprechungen
in Budapest und Wien weder eine Zollunion noch ein Konsul-

XXXVII
ITALIEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
tativpakt ins Auge gefaßt worden sei. Die Besprechungen seien
überwiegend wirtschaftlicher Natur gewesen.
292 1.3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 536
Nach Mitteilungen des Generalsekretärs des österreichischen
Außenministeriums hat Dollfuß gegenüber Suvich erklärt, eine
Zollunion zwischen Österreich und Ungarn oder zwischen Öster-
reich und Italien sei indiskutabel.
299 6. 3. Der Gesandte in Wien Ri'efh an das Auswärtige Amt 544
Dollfuß und Generalsekretär Peter haben Rieth erklärt, daß sie
nicht die Absicht hätten, während des bevorstehenden Besuchs
in Rom Verpflichtungen einzugehen, die den außenpolitischen
Spielraum Österreichs einengen würden.
311 9. 3. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 565
Der ungarische Gesandte Masirevich hat Köpke eine Aufzeich-
nung überreicht, in der die ungarische Marschroute für die be-
vorstehenden Dreierbesprechungen in Rom dargelegt ist. Münd-
liche Erläuterungen.
313 10.3. Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 568
Bülow erbittet die Zustimmung Neuraths zur Ablehnung eines
ungarischen Konsultativpakt-Vorschlags.
320 13. 3. Der Reichsminister des Auswärligen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom -<682—.
Cerruti hat Neurath mitgeteilt, daß Italien weder beim öster-
reichischen Problem noch in der Abrüstungsfrage eine Lösung
anstrebe, die eine antideutsche Spitze haben könnte. In den be-
vorstehenden Dreiergesprächen in Rom werde weder über eine
Zollunion noch über einen politischen Pakt verhandelt werden.
Neurath weist Hassell an, trotzdem in Rom deutlich zu machen,
daß eine politische Vereinbarung der drei Mächte von der
Reichsregierung als unfreundlicher Akt empfunden würde, selbst
wenn Deutschland eine Beitrittsmöglichkeit offengehalten werde.
327 15. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschalt in Budapest 597
Bülow unterrichtet Mackensen über die Erklärungen des unga-
rischen Gesandten vom 9. März hinsichtlich der Dreiergespräche
in Rom. Die ablehnende Haltung der Reichsregierung gegen-
über dem ungarischen Angebot eines Konsultativpaktes sei un-
verändert.
332 17. 3. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 603 J
Hassell berichtet ausführlich über die Dreierbesprechungen in
Rom und die im Anschluß daran unterzeichneten Protokolle.
In der Anlage Aufzeichnungen über Gespräche Hasseils mit
Gömbös, Dollfuß und Suvich.
333 19. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschalt in Wien 619
Bülow unterrichtet die Gesandtschaft zur Information und Sprach-
regelung über die den römischen Vereinbarungen im Auswär-
tigen Amt beigelegte Interpretation.

XXXVIII
ITALIEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
334 19. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschalt in Budapest 620
Bülow informiert die Gesandtschaft über die Weisung nach Wien
(Dokument Nr. 333) und kommentiert die Vereinbarungen von
Rom im Lichte der deutsch-ungarischen Beziehungen.

338 20. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschall in Wien 625
Bülow unterrichtet die Gesandtschaft über die Auffassungen des
Auswärtigen Amts hinsichtlich der wirtschaftlichen Ergebnisse
der römischen Besprechungen. Die österreichische Regierung soll
informiert werden, daß Deutschland sieh seine handelspoliti-
schen Entscheidungen bis nach Kenntnis der Einzelheiten der
römischen Verhandlungen vorbehalte.

339 20. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Rom 627
Bülow übermittelt der Botschaft zur Kenntnisnahme den Text
des Dokuments Nr. 338. Sprachregelung gegenüber der italieni-
schen Regierung.

341 20. 3. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Auswärtige


Amt 629
Mackensen berichtet, er habe Känya von der deutschen Über-
raschung über Art und Ausmaß der politischen Abmachungen
von Rom unterrichtet. Känya habe sich bemüht, das ungarische
Verhalten zu rechtfertigen.

344 20. 3. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


den Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers 632
Neurath übermittelt Lammers zur Unterrichtung Hitlers Ab-
schriften der Dokumente Nr. 333 und 334 und erläutert die Hal-
tung des Auswärtigen Amts.

345 21. 3. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 633
Unterredung zwischen Neurath und dem ungarischen Gesandten
über die römischen Protokolle und die Frage eines deutsch-
ungarischen Konsultativpakts. Masirevich hat eine Erklärung
der ungarischen Regierung übergeben.

346 21. 3. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Auswärtige


Amt 635
Mackensen berichtet über eine Unterredung mit Gömbös über
die deutsch-ungarischen Beziehungen im Lichte der römischen
Protokolle. Gömbös hat Mackensen Auszüge aus den Sitzungs-
protokollen von Rom vorgelesen, um seine Erläuterung der von
Ungarn vertretenen Haltung zu bekräftigen.

349 22. 3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 641
Rieth berichtet, unter Bezugnahme auf die Dokumente Nr. 333
und 338, über Unterredungen mit Dollfuß und Peter über die
römischen Protokolle.

XXXIX
ITALIEN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
y
354 23. 3. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 652
Hassell berichtet über ein Gespräch mit Mussolini über die
römischen Protokolle.
363 28. 3. Der Botschaiter in Rom von Hassell an Ministerialdirektor
Köpke 668 y
Hassell übersendet an Köpke und Neurath eine Aufzeichnung
über die „realen" Grundlagen der deutsch-italienischen Bezie-
hungen.
368 29. 3. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 673 y
Hassell berichtet über private Unterredungen zwischen Papen
und Mussolini, der den von Papen vorgebrachten Gedanken
eines Zusammentreffens mit Hitler, möglicherweise Ende April
in Venedig, lebhaft aufgegriffen hat
377 3. 4. Aulzeichnung des Bolschailers in Rom von Hassell 686 J
Mussolini und Papen haben sich über die mögliche Tagesord-
nung eines Treffens zwischen Hitler und Mussolini unterhalten.
Hassells Empfehlungen hierzu.
380 5. 4. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 692 ^
Nach Ansicht Neuraths sollte die Frage eines Treffens Hitler-
Mussolini zunächst eingehend geprüft und Italien nicht sofort
eine Antwort erteilt werden.
393 10.4. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 717
Unterredung zwischen Hitler, Neurath, Blomberg, Hassell und
Bülow über die Frage einer Zusammenkunft Hitlers und Musso-
linis. Entscheidungen wurden nicht getroffen.
420 23. 4. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 750
Hassell berichtet über eine Unterredung, die er weisungsgemäß
mit Mussolini über die geplante Zusammenkunft von Venedig
geführt hat.
432 1.5. Der Botschaiter m Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 772
Suvich hat Hassell im Auftrag Mussolinis mitgeteilt, daß ange-
sichts der Situation in der Abrüstungsfrage ein Treffen zwischen
Hitler und Mussolini besser bis zur ersten Juni-Dekade aufge-
schoben werden sollte.
449 15. 5. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom 798
Hitler ist einverstanden, daß die Zusammenkunft mit Mussolini
in der ersten Junihälfte stattfindet, nach Möglichkeit in Nord-
italien. Mussolini soll das genaue Datum bestimmen.
472 29. 5. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 835 y
Mussolini hat erklärt, der Zweck seiner bevorstehenden Zu-
sammenkunft mit Hitler sei eine umfassende und offene Aus-
sprache über schwebende internationale Fragen einschließlich
des Österreich-Problems
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund")

XL
JUGOSLAWIEN

Nummer Datum Titel u n d Inhalt Seite

JUGOSLAWIEN
1933
15 20. 10. Der Leiter des Verbindungsstabes der NSDAP an Gesandl-
schallsrat Hüfter 22
Übermittlung eines Schreibens Wiegands von Hohen-Aesten,
der die Ansicht äußert, daß die Gesandten Jugoslawiens und der
Tschechoslowakei geneigt sind, ihren Regierungen den Abschluß
von Nichtangriffspakten mit Deutschland zu empfehlen.
43 3. 11. Autzeichnung des Legationsrats Busse 73
Ein Vertreter des Reichswehrministeriums hat um entgegenkom-
mende Behandlung zweier kroatischer Emigrantenblätter gebe-
ten, jedoch von Busse die Auskunft erhalten, das Auswärtige
Amt halte ein Verbot dieser Zeitungen im Interesse störungs-
freier Beziehungen zu Jugoslawien für erforderlich.

72 16.11. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den


Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers 129
Bülow teilt Lammers mit, daß das Auswärtige Amt das preußi-
sche Innenministerium bitten wird, die beiden von Branimir
Jelic herausgegebenen kroatischen Emigrantenblätter zu verbie-
ten. Bülow bittet Lammers, zu veranlassen, daß das Außenpoli-
tische Amt der NSDAP nicht dieser Maßnahme entgegenwirke,
wie dies in der Vergangenheit mehrfach geschehen sei.

91 30 11. Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an das Aus-


wärtige Amt 154
Hitler hat, nachdem er über den Besuch Hohen-Aestens auf der
jugoslawischen Gesandtschaft erfahren hatte, die Verhaftung
Hohen-Aestens angeordnet. In der Anlage ein Protokoll über
die Vernehmung Hohen-Aestens durch Hitler.

92 30. 11. Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an den Staats-


sekretär des Auswärtigen Amts von Bülow 157
Antwort auf Dokument Nr. 72. Lammers übermittelt die Ab-
schrift eines Briefes an Rosenberg, in dem er diesem im Auf-
trag Hitlers mitteilt, daß die Reichsregierung kein Interesse
daran habe, die Tätigkeit kroatischer Emigranten zu fördern.
Den auf Veranlassung des Auswärtigen Amts gegen Jelic ein-
geleiteten Maßnahmen solle nicht entgegengewirkt werden.
1934
309 9.3. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 562
In einer Unterredung zwischen Hitler und dem jugoslawischen
Gesandten hat Hitler Deutschlands Bereitschaft zur begrenzten
Einfuhr jugoslawischer Erzeugnisse erklärt und der Feststellung
des Gesandten beigepllichtet, daß eine Habsburger-Restauration
von beiden Ländern abgelehnt werde.

318 12. 3. Das Auswärtige Amt an die Botschaft in Rom 576


Zusammenfassung der deutschen Position für die bevorstehen-
den Handelsvertragsverhandlungen mit Jugoslawien. Darlegung
der allgemeinen deutschen Politik gegenüber den wirtschaftli-
chen Problemen des Donauraumes.

XLI
JUGOSLAWIEN / LITAUEN UND MEMEL

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
381 5.4. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 692 »'
Unterredung mit dem jugoslawischen Gesandten, der soeben
aus Belgrad zurückgekehrt ist. Balugdzic hat über die zuneh-
mende anti-italienische Stimmung in Jugoslawien und das offen-
bar von Italien aus inspirierte Komplott gegen König Aleksan-
dar berichtet. Man suche in Jugoslawien eine Wiederannähe-
rung an das Deutsche Reich, wisse aber nicht, wie man dabei
vorgehen solle.
(Siehe auch „Österreich")

LITAUEN UND MEMEL


1933
125 12. 12. Der Gesandte in Kowno Zechlin an das Auswärtige Amt 211
Ausführlicher Bericht über die Beziehungen zwischen Litauen
und Polen und ihre Bedeutung für das deutsch-litauische Ver-
hältnis.

142 21. 12. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 254


Meyer hat bei dem litauischen Gesandten gegen die Entlassung
einer Anzahl reichsdeutseher Beamter im Memelgebiet prote-
stiert. Die Reichsregierung betrachte die Maßnahme als einen
Bruch des Memelstatuts und als einen unfreundlichen Akt, den
sie mit wirtschaftlichen Repressalien zu beantworten gedenke.
1934
214 24. 1. Autzeichnung ohne Unterschritt 404
Eine zur Information Bülows angefertigte Zusammenstellung der
Entgermanisierungsmaßnahmen Litauens im Memelgebiet. Als
Gegenmaßnahmen werden empfohlen energische Proteste und
eine Verstärkung des handelspolitischen Drucks auf Litauen.

215 24. 1. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärligen Amts


von Bülow 406
Der litauische Gesandte hat Bülow eine Protestnote gegen die
handelspolitischen Repressalien der Reichsregierung gegen
Litauen überreicht. Bülow hat sogar eine Verschärfung der Wirt-
schaftsmaßnahmen angekündigt.

348 22. 3. Aulzeichnung ohne Unterschrift 639


Zusammenfassung der jüngsten legislativen und administrativen
Maßnahmen der litauischen Regierung, die sich gegen Memel-
deutsche richten und auf die Deutschland mit wirtschaftlichen
Gegenmaßnahmen geantwortet hat.

388 9.4. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 709
Phipps hat mitgeteilt, daß der britische Gesandte in Kowno bei
der litauischen Regierung wegen der Memelfrage interveniert
habe; offensichtlich seien aber auch den Nationalsozialisten im
Memelgebiet schwerwiegende Fehler unterlaufen.
(Siehe auch „Sowjetunion".)

XLII
NIEDERLANDE / ÖSTERREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

NIEDERLANDE
1933
110 8. 12. Runderfaß des Auswärtigen Amts 187
Vertrauliche Informationen über Maßnahmen der niederländi-
schen Regierung gegen Ortsgruppen der NSDAP in den Nieder-
landen sowie über Vorstellungen der deutschen Gesandtschaft
im Haag gegen diese Maßnahmen.
(Siehe auch .Finanzfragen".)

ÖSTERREICH
1933
20 21. 10. Auizeichnung des Gesandfschaffsrafs Hüller 33
Aufzeichnung über ein Telefongespräch mit Habicht, der dem
Auswärtigen Amt gemeldet hat, daß zwei österreichische Abge-
sandte im Auftrage Dollfuß' bei ihm in München gewesen seien.
Sie hätten erklärt, daß Dollfuß eine Bereinigung der Beziehun-
gen zum Deutschen Reich wünsche.
35 30. 10. Aufzeichnung des Gesandtschaltsrats Hüiler 54
Bezugnahme auf Dokument Nr. 20. Hüffer hat von Habicht
weitere Informationen über seine Gespräche mit den beiden
österreichischen Abgesandten erhalten. Sie hätten erneut die
Verhandlungsbereitschaft Dollfuß' zum Ausdruck gebracht und
um eine Präzisierung der nationalsozialistischen Forderungen
gebeten.
Anmerkung der Herausgeber 59
Unterredung Schuschniggs mit Heß in München am 31. Oktober.
46 4. 11. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 77
Aufzeichnung über ein Telefongespräch mit dem österreichischen
Gesandten Tauschitz, der durch Nachrichten über die Bildung
eines sog. Kampfringes der in Deutschland lebenden Österrei-
cher alarmiert ist. Hüffer hat die Angelegenheit bagatellisiert,
gleichzeitig aber dem Vertreter Habichts mitgeteilt, daß er die
Bildung des Kampfringes zur Zeit nicht für opportun halte.
49 8. 11. Aulzeichnung des Gesandtschaltsrats Hülter 85
Habicht hat Hüffer mitgeteilt, daß Hitler sich in schärfster Form
gegen die Einmischung von Privatpersonen wie Alvensleben in
die deutsch-österreichische Politik ausgesprochen habe.
71 16. 11. Aufzeichnung des Gesandfschaffsrafs Hütler 128
Habicht hat Hüffer mitgeteilt, daß Dollfuß als Folge einer Initia-
tive Hanfstaengls neuerdings Verhandlungen mit ihm selbst
auszuweichen suche. Er, Habicht, glaube aber, daß Dollfuß
wegen innerpolitischer Schwierigkeiten bald wieder auf ihn zu-
rückgreifen müsse.
106 6. 12. Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht an
Gesandtschaltsrat Hüller 184
Habicht berichtet über fortschreitende Zersetzungserscheinungen
innerhalb der Heimwehr und Versuche Dollfuß', direkt mit Hit-
ler ins Gespräch zu kommen. Informationen über italienische
und ungarische Beziehungen zu Österreich.

XLIII
ÖSTERREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
115 11. 12. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 193
Hitler hat erneut erklärt, daß vor Verhandlungen von Regierung
zu Regierung im Verhältnis zu Österreich zunächst die Partei-
angelegenheit in Ordnung gebracht werden müsse.

124 [12.] 12. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 209
Rieth erörterte die innenpolitische Situation in Österreich und
weist auf ihre Labilität und die Machtkämpfe der verschiedenen
Richtungen im Regierungslager hin. Er folgert, daß die Haltung
der österreichischen Regierung gegenüber den Nationalsoziali-
sten wahrscheinlich so lange nicht freundlicher werden wird,
wie die italienische Politik ihren derzeitigen Kurs beibehält.

143 21. 12. Der Gesandle in Wien Rieth an den Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amts von Bülow 256
Rieth berichtet, unter dem Eindruck seiner jüngsten Gespräche
mit Dollfuß und neuer Bemühungen des österreichischen Regie-
rungschefs um Kontakte mit Habicht, über die Möglichkeiten
einer Verständigung zwischen Dollfuß und den Nationalso-
zialisten.
144 22. 12. Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht an
den Botschalter in Rom von Hassell 261
Habicht glaubt aus den Gesprächen, die Suvich während seines
Besuches in Berlin geführt hat, schließen zu können, daß Musso-
lini und Suvich über die tatsächliche Lage in Österreich voll-
kommen falsch informiert sind. Um Suvichs Ansichten vor
dessen Besuch in Wien zu korrigieren, soll eine einschlägige
Dokumentation für ihn zusammengestellt werden.

153 28. 12. Der Botschaiter in Rom von Hassell an den Landesinspekteur
der NSDAP in Österreich Habicht 278
Antwort auf Dokument Nr. 144. Hassell glaubt nicht, daß die
italienischen Ansichten zur österreichischen Frage so negativ
sind wie Habicht vermutet. Die italienische Regierung gehe
vielmehr davon aus, daß der Anschluß auf lange Sicht unver-
meidlich sei, doch wünsche sie ihn nicht zum gegenwärtigen
Zeitpunkt

156 30. 12. Aulzeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 282


Tauschitz hat angedeutet, daß er im Auftrage Dollfuß' den
deutsch-österreichischen Konflikt bei Neurath zur Sprache brin-
gen wolle. Gleichzeitig bahnen sich zwischen Habicht und Doll-
fuß Verhandlungen an. Habicht rechnet mit einer baldigen Reise
nach Wien.
1934
160 1.1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswarligen Freiherrn
von Neurath 288
Tauschitz hat Neurath mitgeteilt, daß Doilfuß sich entschlossen
habe, mit Habicht zu verhandeln, sofern die Verhandlungen
von Seiten Habichts mit Wissen, Willen und Ermächtigung des
Reichskanzlers geführt würden.

XLIV
ÖSTERREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
166 8. 1. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink 301
Dollfuß hat seine Einladung an Habicht zurückgezogen. Als
Habicht trotzdem nach Wien fliegen wollte, wurde er von
Hitler persönlich zurückbefohlen.

167 9. 1. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink 303


Unterredung mit Habicht, der über das Scheitern seiner Zusam-
menkunft mit Dollfuß enttäuscht ist. Nach Habichts Äußerungen
ist jetzt eine Verschärfung des Kampfes gegen Dollfuß zu er-
warten.
179 12. 1. Bolschaffsraf Prinz zu Erbach-Schönberg (Wien) an das Aus-
wärtige Amt 338
Erbach-Schönberg berichtet, daß Prinz Waldeck, der in Wien
mit Führern der Nationalsozialisten und der Heimwehr verhan-
delt habe, zusammen mit diesen verhaftet worden sei. Waldeck
sei schließlich aufgefordert worden, so rasch wie möglich Öster-
reich zu verlassen.
184 16. 1. Autzeichnung des Gesandtschaltsrats Hütier 353
Nach der erneuten Verhaftung des Gauleiters Frauenfeld in
Wien hat Hitler Anweisung gegeben, alle in Deutschland leben-
den Österreicher registrieren zu lassen, um unter ihnen eine
Auswahl für etwaige Verhaftungen treffen zu können. Man
hofft in Parteikreisen, die Freilassung Frauenfelds bereits durch
Androhung von Repressalien erreichen zu können.

188 17. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 361
Tauschitz hat bei Neurath gegen die jüngsten Aktivitäten der
NSDAP in Österreich unter Überreichung einer Note Protest er-
hoben. Neuraths zurückweisende Antwort.
213 24. 1. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 403
Nach den vorliegenden Meldungen hat der Besuch Suvichs in
Wien die Position Dollfuß' nicht nennenswert gestärkt. Dollfuß,
Starhemberg und der ehemalige Vizekanzler Winkler ver-
suchen, die Verbindungen zu Habicht wieder neu zu knüpfen.

225 26. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 421
Suvich hat Hassell über die Eindrücke berichtet, die er von
seinem Besuch in Wien mitgebracht hat.
229 31. 1. Botschattsrat Prinz zu Erbach-Schönberg (Wien) an das Aus-
wärtige Amt 426
Der Militärattache in Wien hat Kenntnis von einem Plan der
österreichischen SA und der Österreichischen Legion erhalten,
ohne Wissen der Landesleitung der NSDAP in Wien einen
Putsch zu wagen. Zu seiner Verhinderung erscheint ein Ein-
greifen der obersten Führung in Deutschland unumgänglich.
Anmerkung der Herausgeber 432
Die deutsche Antwort vom 31. Januar auf die österreichische
Note vom 17. Januar (siehe Dokument Nr. 188).

XLV
ÖSTERREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
242 7. 2. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 446
Hassell berichtet über eine Unterredung mit Suvich, der die
italienische Haltung in der Abrüstungsfrage und die italienischen
Sorgen über das Anwachsen des Nationalsozialismus in Öster-
reich dargelegt hat.
247 10.2. Aulzeichnung des Gesandten in Wien Rieth 453
Unterredung zwischen Hitler und Rieth über die Lage in Öster-
reich. Hitler hat keine neuen Weisungen gegeben, scheint aber
Entscheidungen vorzubereiten.
253 15.2. Der Gesandle in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 470
Rieth hat erfahren, daß der österreichische Verbindungsmann
zur SA in München, Rittmeister In der Maur, den Auftrag erhal-
ten hat, mit Dollfuß über die Bildung einer neuen Regierung
mit Habicht als Vizekanzler Verhandlungen aufzunehmen.
254 15. 2. Der Gesandte in Wien Rielh an das Auswärtige Amt 471
Rieth berichtet über Einzelheiten und politische Hintergründe
der in Österreich ausgebrochenen schweren Kämpfe zwischen
Regierungstruppen und den paramilitärischen Verbänden der
Sozialdemokraten.
255 15. 2. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 473
Suvich hat Hassell über den aktuellen Meinungsaustausch der
italienischen mit der britischen und französischen Regierung
bezüglich einer Erklärung über die Unabhängigkeit Österreichs
informiert.
258 16.2. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 480
Cerruti hat Neurath unter Hinweis auf eine kürzliche Erklärung
Mussolinis über Österreich seine große Sorge über die Entwick-
lung der deutsch-italienischen Beziehungen zum Ausdruck ge-
bracht.
260 16. 2. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom 481
Neurath unterrichtet Hassell über die Haltung der Reichsregie-
rung in der Frage einer Verständigung der österreichischen Re-
gierung mit den Nationalsozialisten.
261 16. 2. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschatl in London 482
Bülow übermittelt der Botschaft den Text des Dokuments
Nr. 255 und legt die deutsche Haltung gegenüber der von den
drei Mächten geplanten Erklärung über die Unabhängigkeit
Österreichs dar.
263 16.2. Aulzeichnung Gilberts In der Maur 486
Zusammenstellung über die von Habicht angeordneten Versuche,
über Schönberg und Schuschnigg neue Kontakte mit Dollfuß an-
zuknüpfen mit dem Ziel einer Zusammenarbeit zwischen NSDAP
und Dollfuß. Analyse der Lage in Österreich nach den Ereig-
nissen des 12. bis 15. Februar.

XLVI
ÖSTERREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
264 16. 2. Der Gesandte in Wien Rieth an den Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amts von Bülow 490
Rieth kommentiert Dokument Nr. 263 und äußert sich über ver-
schiedene Punkte kritisch.
278 26. 2. Aulzeichnung des Botschalters in Rom von Hassell 517
Hassell berichtet über eine Unterredung mit Mussolini am
24. Februar betreffend die Tätigkeit Habichts in Österreich und
die Wirtschaftsbesprechungen zwischen Italien, Österreich und
Ungarn.
308 7./8. 3. Autzeichnung des Stabsleiters der Landesleitung Österreich der
NSDAP Weydenhammer 560
Unterredungen Weydenhammers mit dem österreichischen Ge-
sandten in Rom Rintelen, der sich bedingungslos bereit erklärt
hat, den Weisungen Habichts zu folgen. Rintelen empfiehlt, die
deutsche Propaganda solle alles tun, um einen weiteren Keil
zwischen die Heimwehr und die Vaterländische Front zu treiben.
316 10. 3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 570
Rieth berichtet über eine Unterredung mit dem jugoslawischen
Gesandten Nastasijevic über Fragen der Habsburger-Restaura-
tion und der wirtschaftlichen Neuordnung im Donauraum sowie
über die bevorstehenden italienisch-österreichisch-ungarischen
Besprechungen in Rom.
328 15.3. Ministerialdirektor Köpke an den Gesandten in Wien Rieth 598 ^->
Köpke informiert Rieth über die von Hitler angeordnete Ände-
rung der Österreichpolitik. Künftig sollen Gewaltanwendung
und direkte Angriffe auf die österreichische Regierung vermie-
den werden, das Hauptgewicht soll auf die Propaganda inner-
halb Österreichs und den Ausbau der dortigen Parteiorgani-
sation gelegt werden.
329 16. 3. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 600
Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Neurath und
Habicht und eine weitere zwischen Neurath und Hitler. Habicht
hat sich über die neuen Weisungen bezüglich Österreich besorgt
gezeigt, doch hat Hitler sie erneut bekräftigt.
369 29. 3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 675
Rieth übermittelt eine Denkschrift eines österreichischen Natio-
nalsozialisten, in der Hitler um Zustimmung zu einer Gefangen-
setzung der österreichischen Regierung ersucht wird. Rieth emp-
fiehlt Maßnahmen zur Unterbindung solcher Aktionen.
389 9.4. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 710
Aufzeichnung mit Empfehlungen für Neurath zur Weiterbehand-
lung der österreichischen Frage, die in einer Unterredung mit
Hitler am 10. April erörtert werden soll.
394 10.4. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 719
Tauschitz hat bei Köpke unter Überreichung einer Note gegen
Grenzverletzungen sowie die Tätigkeit der österreichischen
Legion im deutsch-österreichischen Grenzgebiet protestiert.

XLVII
ÖSTERREICH

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
409 19.4. Auizeichnung des Gesandtsclialtsrats Hülter 739
Habicht hat Hüffer über eine Unterredung mit Hitler über alle
Aspekte der österreichischen Frage berichtet. Hitler habe er-
klärt, er werde weder italienischem Druck nachgeben noch Kon-
zessionen machen, die von den österreichischen Nationalsozia-
listen als Unterwerfung gedeutet werden könnten.
431 30.4. Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Ulrich 770
Aufzeichnung über eine Besprechung zwischen Habicht und
Beamten des Auswärtigen Amts und des Reichsministeriums
für Ernährung und Landwirtschaft. Es wurde über die Hand-
habung der von Hitler angeordneten Einfuhrbeschränkungen
für österreichische Produkte beraten
448 14. 5. Runderlaß des Auswärtigen Amts 797
Informationen über den Stand der Habsburger-Frage mit Sprach-
regelung.
451 16. 5. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hülter 800
Hüffer leitet eine Aktennotiz, die Habicht ihm übergeben hat,
an Ritter weiter. In der Notiz wird die Politik der Dresdner
Bank und der Deutschen Bank gegenüber österreichischen Ban-
ken, an denen sie erheblich beteiligt sind, kritisiert. Verbesse-
rungsvorschlage.
459 24.5. Autzeichnung des Leutnants von Pappenheim (Reichswehr-
ministerium) 817
Aufzeichnung über ein Gespräch zwischen dem Militärattache
in Wien General Muff und dem Chef der Heeresleitung am
23. Mai über die Lage in Österreich. Muff vermißt eine klare
Politik der Reichsregierung gegenüber Österreich und hält eine
Übereinkunft mit Italien für wünschenswert.
462 24. 5 Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
das Reichsministerium des Innern 821
Neurath informiert das Reichsministerium des Innern, daß die
Aktivitäten der Heimwehr und der österreichischen Legion an
der bayerischen Grenze eine kritische Situation herbeigeführt
haben. Er schlägt eine Ressortbesprechung zur Beschlußfassung
über die erforderlichen Schritte vor.
469 29. 5. Auizeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink 833
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Baron Wächter, dem
Stellvertreter Habichts, der sich über die Gefahr eines Aufstan-
des in Österreich besorgt gezeigt hat.
478 1. 6. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 849
Hassell berichtet, daß man im italienischen Außenministerium
die Bestrebungen österreichischer und ungarischer Legitimisten
nicht ernst nehme. Die italienische Regierung stehe Plänen einer
Habsburger-Restauration aus Furcht vor politischen Verwicklun-
gen ablehnend gegenüber.
479 4.6. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 850
Aufzeichnung über das Ergebnis von Besprechungen über die
Beteiligungen deutscher Banken an österreichischen Banken
(siehe Dokument Nr. 451).

XLVIII
ÖSTERREICH / OSTPAKT

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
492 8.6. Autzeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 868
Aufzeichnung über die zur Entspannung der in Dokument
Nr. 462 dargelegten Situation unternommenen Maßnahmen.
501 12. 6. Der Gesandle in Wien Rieth an den Staatssekretär des Auswär-
tigen Amts von Bülow 881
Rieth teilt mit, daß die Behauptungen Dollfuß', die jüngsten
Vorfälle in Österreich seien von Deutschland aus gesteuert
worden, wenigstens teilweise der Wahrheit entsprechen. Dies
könne gefährliche Folgen haben. Rieth hält einen persönlichen
Vortrag in Berlin für notwendig.
(Siehe auch „Ungarn" und „Italien".)

OSTPAKT
1933
147 25. 12. Ministerialdirektor Köpke an die Botschait in Moskau 266
Weisung, Litwinow auf die Verhandlungen anzusprechen, die
nach dessen eigenen Angaben zur Zeit zwischen der Sowjet-
union und Frankreich geführt werden.

148 26. 12. Autzeiclmung des Botschattsrats von Twardowski (Moskau) 267
Twardowski übermittelt Nachrichten aus zuverlässiger Quelle
über ein französisches Angebot an die Sowjetunion zum Ab-
schluß eines Paktes über gegenseitige Unterstützung für den
Fall, daß das europäische Gebiet eines der beiden Partner von
einer dritten Macht angegriffen wird. Abschätzung der mögli-
chen sowjetischen Reaktion und der Implikationen für die deut-
sche Politik.
150 27. 12. Botschaltsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 271
Twardowski ist der Ansicht, daß das französische Angebot die
Verhandlungsposition der Sowjetunion stärkt. Eine Initiative
zur Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen werde
fortan von Deutschland auszugehen haben. Twardowski spricht
sich gegen die in Dokument Nr. 147 angeordnete Demarche bei
Litwinow aus.
1934
458 23.5. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 815
Aufzeichnung über eine Unterredung Bülows mit Cerruti, der
von angeblichen Verhandlungen zwischen Barthou und Litwinow
über ein sog. „Ostiocarno" berichtet hat. Bülow hat erklärt,
hierüber nicht unterrichtet zu sein.

465 25. 5. Der Gesandie in Warschau von Mollke an das Auswärtige Amt 826
Moltke berichtet über die polnische Haltung gegenüber Meldun-
gen von Verhandlungen zwischen Frankreich und der Sowjet-
union über eine Militärallianz. Ausführungen Becks, auch über
die polnische Einstellung zu einem Eintritt der Sowjetunion in
den Völkerbund.

XL1X
OSTPAKT

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
486 7.6. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Paris 861
Vertrauliche Information, daß Francois-Poncet mitgeteilt habe,
Litwinow habe Barthou den Abschluß eines Ostpakts unter
Beteiligung Polens, der Tschechoslowakei, der baltischen Staa-
ten, der Sowjetunion und Deutschlands vorgeschlagen. Dieser
Ostpakt solle aus einem Konsultativpakt, einem Nichtangriffs-
pakt und einem Beistandspakt bestehen. Frankreich sei bereit,
diesen Pakt gegen eine sowjetische Garantie des Locarno-Ver-
trages zu garantieren. Der Pakt würde nicht gegen Deutschland
gerichtet sein. Barthou wünsche zu erfahren, ob die Reichsregie-
rung an einem solchen Vertragssystem interessiert sei. Die In-
formation wurde ebenfalls an die Botschaften in London und
Rom, an die Gesandtschaft in Brüssel und an das Konsulat
in Genf übermittelt.

491 8.6. Der Reichsminisler des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


die Botschalten in London und Rom und an die Gesandtschalt in
Brüssel 866
Bezugnahme auf Dokument Nr. 486. Die Reichsregierung wertet
den Vorschlag eines Ostpakts für Deutschland negativ. Sprach-
regelung.

496 9.6. Auizeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn


von Neurath 873
Der finnische Außenminister Hackzeil hat Neurath über eine
Unterredung mit Litwinow über den Plan eines Ostpakts unter-
richtet. Er, Hackzeil, habe Litwinow erklärt, daß Finnland nicht
in der Lage sei, an einem Garantiepakt solchen Ausmaßes teil-
zunehmen. Litwinow habe auf deutsche Expansionswünsche im
Baltikum hingewiesen, doch sehe er, Hackzell, keinen Grund für
Finnland, sich gegen Deutschland abzusichern.

502 13. 6. Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 882
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon über den
Ostpakt-Plan. Simon hat sich eine genauere Prüfung des Projekts
vorbehalten. Ganz allgemein begrüße England alle Versiche-
rungen, die die internationalen Beziehungen verbessern könn-
ten, ein Beitritt zu einem Ostpakt-System mit Beistandsverpflich-
tung sei für die britische Regierung aber indiskutabel.

504 13.6. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 884
Unterredung mit Litwinow über den Plan eines Ostpakts. Neu-
rath hat sich ablehnend geäußert, aber die Bereitschaft der
Reichsregierung zu bilateralen Abkommen hervorgehoben.

505 13. 6. Runderlaß des Staatssekretärs des Auswärligen Amts


von Bülow 886
Information über die Unterredung Neuraths mit Litwinow und
über die deutsche Haltung zum Ostpakt-Plan.

L
POLEN UND DANZIG

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

POLEN UND DANZIG


1933
11 17. 10. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 13
Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Hitler und dem
Präsidenten des Danziger Senats Rauschning. Rauschning hat
sich über die Schwierigkeiten beklagt, die ihm durch die loka-
len SA und SS gemacht würden und die den Bestrebungen
Danzigs um einen Ausgleich mit Polen zuwiderliefen. Rausch-
ning hat auch eine Zusammenkunft Hitlers mit Pilsudski ange-
regt.
38 1. 11. Auizeichnung des Ministerialdirektors Meyer 60
Neurath hat Hitler mitgeteilt, daß die deutsch-polnischen Wirt-
schaftsverhandlungen sich ungünstig entwickeln. Hitler hat
Konzessionen an Polen vorgeschlagen, um einen Abbruch der
Verhandlungen zu vermeiden.
41 3. 11. Aulzeichnung ohne Unterschritt 66
Aufzeichnung über eine Besprechung zwischen Vertretern des
Auswärtigen Amts, des Reichsfinanzministeriums, interessierter
Finanzinstitute sowie der IG-Gesellschaften über die Frage, ob
es möglich sei, mit den Polen wegen des IG-Kattowitz-Konzerns
zu einem modus vivendi zu gelangen.
52 9. 11. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 92
In einer Unterredung mit dem polnischen Gesandten Lipski hat
Neurath eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zwi-
schen Deutschland und Polen als eine notwendige Voraus-
setzung für die Entspannung der politischen Beziehungen zwi-
schen beiden Ländern bezeichnet.
58 11. 11. Der Gesandte in Warschau von Mollke an das Auswärtige Amt 102
Moltke berichtet, Beck habe versprochen, sich für die Weiter-
führung der Wirtschaftsverhandlungen einzusetzen, jedoch auch
darauf hingewiesen, daß es Schwierigkeiten gebe.
69 15. 11. Ministerialdirektor Meyer an die Gesandtschalt in Warschau 126
Information über eine Unterredung zwischen Hitler und Lipski.
Hitler hat seine Bereitschaft zu einer Erklärung bekundet, daß
die Reichsregierung keine gewaltsame Lösung der zwischen
Deutschland und Polen strittigen Probleme anstrebe.
70 16. 11. Ministerialdirektor Meyer an die Gesandtschalt in Warschau 127
Informationen zu dem Kommunique über die Unterredung zwi-
schen Hitler und Lipski.
73 17. 11. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 132
Unterredung Bülows mit Reichswirtschaftsminister Schmitt über
die veränderte Haltung, die nach einer Ministerbesprechung
vom Vortag in den Wirtschaftsverhandlungen mit Polen, be-
sonders in der Kohlenfrage einzunehmen sei. Moltke soll davon
unterrichtet werden, daß die Reichsregierung Polen gegenüber
in Wirtschaftfragen zu weitergehenden Konzessionen als bisher
bereit sei.

LI
POLEN UND DANZIG

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
75 18. 11. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 134
Nadolny berichtet, daß die deutsch-polnischen Besprechungen
über eine gemeinsame Gewaltverzichts-Erklärung in Moskau
größtes Interesse finden und regt an, bei Gelegenheit der Über-
reichung seines Beglaubigungsschreibens die sowjetische Regie-
rung offiziell ins Bild zu setzen.
77 Aulzeichnung ohne Unterschritt 136
Undatierte Bemerkungen zum Gedanken des Abschlusses eines
Nichtangriffspakts zwischen Deutschland und Polen.
79 21. 11. Das Auswärtige Amt an die Botschatt in Moskau 140
Spraehiegelung für die Behandlung des Themas der deutsch-pol-
nischen Beziehungen in Gesprächen mit sowjetischen Regie-
rungsvertretern.
81 Aulzeichnung ohne Unterschritt 142
Undatierte Bemerkungen zu einem im Auswärtigen Amt ver-
faßten Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung. Nach einem
Randvermerk Neuraths hat sich Hitler mit dem Entwurf ein-
verstanden erklärt.
82 23. 11. Auizeichnung des Ministerialdirektors Meyer 143
Moltke hat angeregt, daß er beauftragt werde, den Text einer
gemeinsamen Gewaltverzichts-Erklärung an Pilsudski zu über-
geben. Er fürchtet, daß anderenfalls die Polen als erste einen
Vorschlag vorlegen würden.
84 24. 11. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
der Gesandtschaft in Warschau 145
Neurath informiert Moltke, daß Hitler mit dem in Dokument
Nr. 81 abgedruckten Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung
einverstanden ist. Moltke soll zur Übergabe des Entwurfs un-
verzüglich um eine Audienz bei Pilsudski nachsuchen.
87 25. 11 Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 150
Beck hat Moltke mitgeteilt, daß er im Einvernehmen mit Pil-
sudski glaube, daß der Zeitpunkt für eine Initiative in der
deutsch-polnischen Frage gekommen sei.
88 27. 11. Aufzeichnung des Reichsminislers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 151
Neurath hat Lipski eine Abschrift des Entwurfs einer deutsch-
polnischen Erklärung (Dokument Nr. 81) übergeben.
90 28. 11. Der Gesandle in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 153
Moltke berichtet, daß er den Entwurf einer deutsch-polnischen
Erklärung Pilsudski übergeben habe und daß die sich daran an-
schließende Unterredung in betont freundlichem Rahmen ver-
laufen sei. Pilsudski habe den Grundgedanken des deutschen
Vorschlages zugestimmt, jedoch angemerkt, daß sich noch
Schwierigkeiten ergeben könnten und daß der Entwurf geprüft
werden müsse
102 5. 12. Konsul Koester (Danzig) an Ministerialdirektor Meyer 174
Koester äußert sich zu Differenzen zwischen Senatspräsident
Rauschning und Gauleiter Forster in Danzig.

LII
POLEN UND DANZIG

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
109 8. 12. Autzeichnung des Präsidenten des Senats der Freien Stadt
Danzig Rauschning 187
In einer Besprechung mit Heß sind Grundsätze zur Regelung der
Beziehungen zwischen dem Senatspräsidenten und dem Gau-
leiter in Danzig verabredet worden. Bei Meinungsverschieden-
heiten entscheidet künftig der Stellvertreter des Führers.

131 16. 12. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 229
Neurath hat mit Lipski den Entwurf einer deutsch-polnischen Er-
klärung (Dokument Nr. 81) erörtert. Die polnische Regierung
erhebt im Prinzip keine Einwände, fragt aber nach der Inter-
pretation des in dem Entwurf zitierten Schiedsvertrages von
Locarno.
1934
168 9. 1. Aufzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 304
Lipski hat Neurath den polnischen Gegenentwurf für eine
deutsch-polnische Erklärung übergeben.
186 16. 1. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Gaus 356
Gaus hat mit Lipski den polnischen Gegenentwurf für eine
deutsch-polnische Erklärung besprochen. Lipski hat sich zu Vor-
behalten seiner Regierung hinsichtlich der Verträge Polens mit
Frankreich und Rumänien sowie zu Minderheitenfragen ge-
äußert.
203 22. 1. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Gaus 384
Es haben zwei weitere Unterredungen zwischen Gaus und Lipski
über den Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung stattge-
funden. Für einzelne Punkte wurden neue Formulierungen aus-
gehandelt, die den polnischen Vorbehalten stärker Rechnung
tragen. Der neue Entwurf hat Neurath vorgelegen und die Billi-
gung Hitlers gefunden.
209 23. 1. Autzeichnung des Minslerialdircktors Meyer 397
Moltke hat Szembek weisungsgemäß darauf angesprochen, daß
die deutschen Vertreter der IG über die Verhältnisse ihrer Ge-
sellschaften in Oberschlesien mit den zuständigen polnischen
Stellen reden möchten. Meyer regt an, daß Neurath die Ange-
legenheit mit Lipski besprechen solle.
211 24. 1. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschatten in Rom und Moskau 401
Bülow unterrichtet die Botschaften, daß mit der polnischen Re-
gierung Verhandlungen über eine gemeinsame Gewaltverzichts-
erklärung stattfinden und vor dem Abschluß stehen. Die italie-
nische und die sowjetische Regierung sollen informiert werden.
217 25. 1. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 409
Unterredung Meyers mit Lipski über die polnischen Maßnahmen
gegen die IG-Gesellschaften. Meyer hat auf direkte Verhand-
lungen zwischen den IG-Vertretern und der polnischen Regie-
rung gedrängt.

LIU
POLEN UND DANZIG

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
218 25. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschatt in London 410
Neurath unterrichtet die Botschaft in London und gleichzeitig
die Botschaft in Paris, daß die Verhandlungen mit Polen über
eine gemeinsame Gewaltverzichts-Erklärung erfolgreich abge-
schlossen seien. Die britische und die französische Regierung
sollen unter Hinweis auf die Bedeutung der Vereinbarung für
den europäischen Frieden in Kenntnis gesetzt werden.
219 26. 1. Gemeinsame Erklärung der Deutschen Regierung und der Polni-
schen Regierung 411
Wortlaut der deutsch-polnischen Erklärung.
221 26. 1. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Fretherrn
von Neurath 413
Rauschning hat Neurath über die katastrophale Finanzlage
Danzigs informiert und um Unterstützung des Auswärtigen Amts
für eine Reichsbeihilfe nachgesucht. Neurath hat seine Unter-
stützung für den unbedingt notwendigen Betrag zugesagt.
226 27. 1. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 423
Moltke beriohtet, daß Beck sich über das Zustandekommen der
deutsch-polnischen Erklärung und ihre Aufnahme in der polni-
schen Öffentlichkeit sehr befriedigt geäußert habe.
230 31. 1. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 427
Beck hat Moltke mitgeteilt, daß Hitlers Rede vom 30. Januar
in allen Kreisen der polnischen Bevölkerung einen günstigen
Eindruck hinterlassen habe. Er beabsichtige, dem Reichskanzler
vor dem Sejm im gleichen Geiste der Verständigung zu ant-
worten.
234 2.2. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 434
Neurath hat Lipski den Vorschlag unterbreitet, daß die auf
beiden Seiten bestehenden Zeitungsverbote aufgehoben werden
sollten.
244 9. 2. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 447
Moltke hat in einer Unterredung mit Beck weisungsgemäß Hit-
lers Zufriedenheit über Becks Erklärungen vom 5. Februar über
das deutsch-polnische Verhältnis zum Ausdruck gebracht. Er-
örterung der bevorstehenden Reise Becks nach Moskau.
275 21. 2. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 512
Nadolny berichtet über den Besuch Becks in Moskau, dessen
Ergebnisse offenbar sehr dürftig sind.
287 28. 2. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 528
Moltke berichtet über die Paraphierung des Protokolls betref-
fend die Beendigung des Zollkrieges zwischen Deutschland und
Polen, das am 15. März 1934 in Kraft treten soll.
331 17. 3. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Gesandtschalt in Warschau 602
Neurath weist Moltke an, bei Beck energisch in der IG-Ange-
legenheit vorstellig zu werden und ihm mitzuteilen, daß die
Reichsregierung die sofortige Aufnahme von Verhandlungen
über den gesamten Fragenkomplex für notwendig halte.

LIV
POLEN UND DANZIG

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
340 20. 3. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 628
Moltke berichtet, er habe in Abwesenheit Becks mit Szembek
die IG-Angelegenheit erörtert. Szembek habe das bisherige pol-
nische Vorgehen zu rechtfertigen gesucht und, vorbehaltlich der
Zustimmung Becks, den Vorschlag der Aufnahme von Regie-
rungsverhandlungen beifällig aufgenommen.
352 23.3. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 649
In einer Unterredung mit Lipski über die IG-Angelegenheit hat
Neurath die Frage gestellt, ob die polnische Regierung an
deutschen Investitionen in Polen und an wirtschaftlicher Zusam-
menarbeit überhaupt interessiert sei. Lipski hat dies bejaht.
Neurath hat daraufhin den Gesandten gebeten, seiner Regie-
rung den deutschen Standpunkt in der IG-Angelegenheit in drin-
gender Form darzulegen, andernfalls könne er keinerlei Garan-
tien für die Rückwirkungen auf die deutsch-polnischen Beziehun-
gen übernehmen.
372 30. 3. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 677
Moltke berichtet, er sei bei Beck in der IG-Angelegenheit vor-
stellig geworden. Beck habe sich an deutsch-polnischer Wirt-
schaftszusammenarbeit unbedingt interessiert gezeigt und sehe
einer befriedigenden Lösung des gesamten Fragenkomplexes
zuversichtlich entgegen.
407 18.4. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 737
Aufzeichnung über eine Chefbesprechung, in der unter dem
Vorsitz von Heß über die Lage in Danzig beraten wurde.
439 7.5. Der Generalkonsul in Danzig von Radowifz an Minisferiaf-
direktor Meyer 780
Durch die persönlichen Differenzen zwischen Rauschning und
Forster ist eine schwierige Situation in Danzig entstanden. In
einer Aussprache zwischen Rauschning, Forster, Linsmayer und
mehreren Senatoren konnte ein Rücktritt Rauschnings noch ein-
mal vermieden werden. Radowitz hält den Frieden jedoch nicht
für dauerhaft und schlägt vor, von höherer Stelle aus auf
Forster einzuwirken und ihm den Ernst der Lage vor Augen
zu führen.
441 9.5. Der Generalkonsul in Danzig von Radowitz an Ministerial-
direktor Meyer 785
Fortsetzung der Berichterstattung über die Differenzen zwischen
Rauschning und Forster. Der Hohe Kommissar des Völkerbunds
Lester hat Forster auf die Gefährlichkeit seines Verhaltens hin-
gewiesen, den Generalkommissar Papee hat er gebeten, sich
für eine maßvolle Haltung Polens zu verwenden. Die einge-
tretene Entspannung sei vor allem Lester zu verdanken und
habe Rauschnings Position gefestigt.
485 [7. 6] Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 860
Unterredung zwischen Neurath und Beck, der sich auf der
Durchreise von Genf nach Warschau befindet. Gesprächsthemen
waren die jüngsten Vorgänge in Genf, das polnisch-sowjetische
Verhältnis und die deutsch-polnischen Beziehungen.
(Siehe auch „Ostpakt".)

LV
RUMÄNIEN / SAARGEBIET

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

RUMÄNIEN
1933
36 30. 10. Der Reichstührer des Volksbunds lür das Deutschtum im Aus-
land Steinadler an den Vortragenden Legationsrat Roediger 55
Steinadler übermittelt dem Auswärtigen Amt ein Schreiben Heß'
an Fabritius. Es enthält die Anweisung, daß die NSDR künftig
jeden Anschein einer Abhängigkeit von reichsdeutsdien Stellen
vermeiden müsse, da sonst die Existenz deutscher Einrichtungen
im Ausland gefährdet werde.
1934
468 28.5. Auizeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 832
Der rumänische Gesandte Petrescu-Comnen hat Neurath um
Stellungnahme zu einem früher überreichten rumänischen Wirt-
schaftsplan gebeten. Neurath hat angeführt, daß die Reichsregie-
rung wirtschaftliche Opfer nur für Staaten bringen könne, die
Deutschlands Gegner nicht politisch unterstützten.

SAARGEBIET
1933
94 30. 11. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte
von Papen an den Vortragenden Legat'.onsrat Voigt 160
Übermittlung einer Aufzeichnung über die erste Sitzung der
Saar-Referenten am 23. November unter Vorsitz des Saarbevoll-
mächtigten von Papen, der seine Pläne zur künftigen Behand-
lung der Saarfrage dargelegt hat.
96 30. 11. Das Auswärtige Amt an den Stellvertreter des Reichskanzlers
und Saarbevollmächtigten von Papen 164
Übermittlung eines Berichtes des Bischofs von Trier über seine
Besprechungen mit Pacelli und anderen in Rom am 18. und
19. November über die beabsichtigte Entsendung eines päpst-
lichen Vertreters in das Saargebiet.
101 5. 12. Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 173
Francois-Poncet hat Bülow erklärt, daß die gegenwärtige fran-
zösische Regierung wahrscheinlich zu schwach sei, um sich lei-
sten zu können, über die Anregung Hitlers zum Verzicht auf
die Saarabstimmung zu verhandeln.
114 9. 12. Der Adjutant des Stellvertreters des Reichskanzlers
von Tschirschky und Bögendorii an das Auswärtige Amt 191
Übermittlung einer Aufzeichnung Papens über eine Unterredung
mit dem Sondergesandten des Heiligen Stuhls Testa, der zur
persönlichen Unterrichtung in das Saargebiet entsandt worden
ist. Testa habe erklärt, für ihn sei das Saargebiet ein deutsches
Land, das so rasch wie möglich zum Reich zurückzukehren
wünsche.

116 11. 12. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 193
Unterredung Hitlers mit dem französischen Botschafter. Francois-
Poncet hat erklärt, daß seine Regierung nicht geneigt sei, auf

LVI
SAARGEBIET

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
die Saarabstimmung zu verzichten. Daraufhin hat Hitler den
Vorschlag des Botschafters abgewiesen, daß sofort mit Verhand-
lungen über Wirtschaftsfragen begonnen werden solle.
1934
170 9. 1. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte
von Papen an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 307
Übermittlung einer Aufzeichnung Papens über eine Unterredung
mit dem Präsidenten der Regierungskommission des Völker-
bunds für das Saargebiet Knox. Es wurden mehrere Deutschland
und das Saargebiet betreffende Fragen durchgesprochen.
185 16. 1. Konsul Krauel (Geni) an das Auswärtige Amt 355
Krauel berichtet über eine Unterredung mit Aloisi, der mitge-
teilt hat, daß der Völkerbundsrat die Einsetzung eines Dreier-
komitees zur Vorbereitung der Abstimmung im Saargebiet er-
wäge.
207 23. 1. Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 393
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon über die
Saarfrage. Der britische Außenminister hat angeregt, daß erneut
der Versuch gemacht werden sollte, die Saarabstimmung durch
eine deutsch-französische Vereinbarung überflüssig zu machen.
222 26. 1. Ministerialdirektor Köpke an das Konsulat in Geni 413
Die Einrichtung des Dreierkomitees könnte dazu führen, daß
die Beurteilung der Lage im Saargebiet hauptsächlich Knox zu-
fällt. Da dieser seine Informationen vorzugsweise aus franzö-
sichen Quellen bezieht, muß darauf geachtet werden, daß das
Komitee sich durch Beobachtung an Ort und Stelle ein eigenes
Urteil verschafft.

223 26. 1. Runderlaß des Auswärtigen Amts 414


Übermittlung einer vertraulichen Aufzeichnung Röchlings über
die Gespräche, die er vom 16. bis 19. Januar in Genf unter an-
derem mit Aloisi und Beck geführt hat.
249 12.2. Ministerialdirektor Köpke an die Botschatt in Rom 457
Köpke übermittelt die Stellungnahme der Reichsregierung zur
bevorstehenden ersten Tagung des Dreierkomitees und zu dem
zu erwartenden Bericht Knox'.
274 21.2. Ministerialdirektor Köpke an die Botschatt in Rom 511
Köpke übermittelt einen Bericht des Konsulats in Genf über die
Tagung des Dreierkomitees. Es ist beschlossen worden, eine
Abstimmungskommission und ein Juristenkomitee einzusetzen.
303 7. 3. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte
von Papen an den Botschaiter in Rom von Hassell 552
Papen unterrichtet Hassell über die Schritte, die unternommen
worden sind, um die Betätigung der NSDAP im Saargebiet ein-
zuschränken und die politische Aktivität in der Deutschen Front
zu zentralisieren. Papen äußert sich weiter zu verschiedenen An-
regungen Aloisis zur Saarpolitik.

LVII
SAARGEBIET

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
304 7. 3. Der Preußische Ministerpräsident und Chel der Geheimen
Staatspolizei Göring an das Auswärtige Amt 554
Übermittlung einer Verordnung betreffend die Fernhaltung Un-
befugter von der Saarpolitik und vom Saarnachrichtendienst.
350 22. 3. Der Botschaiter in Paris Köster an den Staatssekretär des Aus-
wärligen Amts von Bülow 646
Köster berichtet, daß im Auftrage Papens der Legationsrat a. D.
Lersner mit führenden französischen Politikern Gespräche über
die Saarfrage geführt hat. Köster befürchtet, daß Lersner seinem
Auftraggeber unangenehme Wahrheiten verschweigen wird.
365 29. 3. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 670
Hassell berichtet über eine Unterredung zwischen Papen und
Aloisi über die Saarfrage. Papen bittet um Mitteilung, wie er
auf einen Vorschlag Aloisis zu antworten habe, daß zur Siche-
rung der Abstimmungsfreiheit zwei Erklärungen abgegeben
werden sollten: ein Aufruf des Reichskanzlers, mit dem alle
deutschen Organisationen im Saargebiet zum Verzicht auf Ge-
waltanwendung aufgefordert werden, und eine gleichzeitige
deutsch-französische Erklärung, in der beide Regierungen sich
verpflichten, die Person und das Eigentum aller Abstimmenden
ohne Unterschied der politischen Gesinnung zu respektieren.

397 12. 4. Der Staatssekretär des Auswärligen Amts von Bülow an die
Botschatt In Rom 723
Instruktion, daß der in Dokument Nr. 365 enthaltene Vorschlag
Aloisis, die Abstimmungsfreiheit im Saargebiet durch eine
gleichzeitige deutsche und französische Erklärung zu sichern,
nicht praktikabel sei.
400 14. 4. Autzeichnung des Stellvertreters des Reichskanzlers und Saar-
bevollmächtigten von Papen 727
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Aloisi über die
Deutsche Front im Saargebiet, über die ablehnende Haltung der
Reichsregierung hinsichtlich einer deutsch-französischen Er-
klärung zur Sicherung der Abstimmungsfreiheit und über die
Schlußfolgerungen des Juristenkomitees in der Frage von
Repressalien.
428 26. 4. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 763
Hassell berichtet über eine Unterredung mit Aloisi, der be-
dauert, daß die Reichsregierung seine in Dokument Nr. 400 ent-
haltenen Vorschläge abgelehnt hat. In der Anlage ein Prome-
moria in dem Aloisi die verschiedenen Aspekte seiner Vor-
schläge und der deutschen Antwort beleuchtet.
436 3.5. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom 776
In Beantwortung des Dokuments Nr. 428 zeigt Neurath auf,
wie weit die Reichsregierung Aloisi aus politischen Gründen
entgegenkommen kann.
442 10. 5. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 786
Hassell übermittelt einen neuen Vorschlag Aloisis, nach dem
der Termin der Saarabstimmung festgesetzt werden soll, sobald

LVIII
SAARGEBIET

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
Deutschland und Frankreich die Verpflichtung des VersaiUer
Vertrags, eine freie Abstimmung zu sichern, bekräftigt haben.
445 11.5. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an das
Konsulat in Genf 794
Bülow übermittelt den Text des Dokuments Nr. 442 mit der
Instruktion, daß die Reichsregierung mit dem letzten Vorschlag
Aloisis einverstanden ist.
450 16. 5. Konsul Krauel (Geni) an das Auswärtige Amt 798
Krauel berichtet, Biancheri habe ihm einen Resolutionsentwurf
zur Frage der Garantien und des Abstimmungsdatums über-
reicht und ihn mündlich erläutert.
470 29.5. Konsul Krauel (Gent) an das Auswärtige Amt 834
Krauel übermittelt einen Bericht Lersners für Papen über den
Stand der Gespräche, die Lersner in Genf mit den Italienern
führt.
474 31.5. Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Voigt 838
In einer Besprechung mit Neurath und Papen über die Saarfrage
hat Hitler Beschlüsse gefaßt, die dem Konsul in Genf als Wei-
sung zugesandt worden sind.
475 31. 5. Legationsrat a. D. Freiherr von Lersner an das Auswärtige Amt 840
In einer Unterredung mit Lersner hat Barthou der sofortigen
Festsetzung eines Abstimmungstermins zugestimmt und erklärt,
er sei ein überzeugter Anhänger der Verständigung mit Deutsch-
land.
477 1. 6. Der Reichsminisler des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
das Konsulat in Genf 848
Weisung, den am Vortage im Hinblick auf die Saarabstimmung
formulierten Texten zuzustimmen.
481 5.6. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigle
von Papen an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 851
Unterrichtung über die bei der Durchführung der deutsch-fran-
zösischen Garantie-Erklärung vom 4. Juni einzuhaltende Linie.
498 12. 6. Der Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten Meissner an
den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 876
Übermittlung der Antwort Papens auf eine Anfrage Hinden-
burgs wegen der Mission Lersners in Genf.
499 12. 6. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten Meissner 877
Anmerkungen Neuraths zu den in Dokument Nr. 498 enthalte-
nen Erläuterungen Papens hinsichtlich der Mission Lersners in
Genf.
500 12.6. Runderfaß des Auswärtigen Amts 878
Informationen über die Bedeutung der am 4. Juni vom Völker-
bundsrat gefaßten Beschlüsse hinsichtlich der Vorbereitungen
für die Saarabstimmung.

LIX
SCHWEIZ / S O W J E T U N I O N

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

SCHWEIZ
1933
33 27. 10. Der Gesandle in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Aus-
wärtige Amt 50
Bericht über eine Unterredung mit dem schweizerischen Kriegs-
minister Bundesrat Minger, der auf Gefahren hingewiesen hat,
die der Nationalsozialismus für die Schweiz mit sich bringe.
Weizsäcker glaubt, daß die schweizerische Neutralitätspolitik
im Falle eines Krieges sich gegen Deutschland richten würde.
1934
422 24. 4. Der Gesandle in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Aus-
wärtige Amt 753
Weizsäcker analysiert das Verhältnis der Schweiz zum national-
sozialistischen Deutschland. Trotz Vorhandenseins deutsch-
freundlicher Momente ist die Gesamtbilanz negativ.
483 6. 6. Der Gesandle in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Aus-
wärtige Amt 853
Weizsäcker berichtet, daß das Verbot schweizerischer Zeitungen
in Deutschland wahrscheinlich analoge Maßnahmen gegen die
deutsche Presse in der Schweiz zur Folge haben werde.
(Siehe auch „Finanzfragen".)

SOWJETUNION
1933
12 17. 10. Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 14
Twardowski berichtet über eine Unterredung mit Litwinow über
das deutsch-sowjetische Verhältnis. Litwinow hat sich außerge-
wöhnlich freundlich und entgegenkommend gezeigt. Twardowski
sucht die Klimaveränderung zu erklären.
14 18. 10. Auizeichnung des Botschatters in Moskau von Dirksen
(z. Z. Berlin) 20
Der sowjetische Botschafter in Berlin Chintschuk hat Dirksen
erklärt, daß Krestinskis Versäumnis, seine Durchreise durch
Berlin zu politischen Gesprächen mit der Reichsregierung zu
nutzen, keine politische Bedeutung habe. Die sowjetische Regie-
rung wünsche ein gutes Verhältnis zu Deutschland.
21 22. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 34
Ministerialdirigent Fischer vom preußischen Innenministerium
hat Neurath mitgeteilt, er habe im Auftrage Görings mit der
sowjetischen Botschaft Verhandlungen über die Zulassung so-
wjetischer Vertreter zum Leipziger Reichstagsbrandprozeß ge-
führt. Neurath hat die Ansicht vertreten, daß die Angelegenheit
auf diplomatischem Wege erledigt werden müsse.

24 24. 10. Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 39


Bericht über ein Gespräch mit einem ungenannten Russen, der
angeregt hat, daß Dirksens Abschiedsbesuche in Moskau zum
Anlaß genommen werden sollten, das deutsch-sowjetische Ver-
hältnis wieder auf eine freundschaftlichere Basis zu stellen.

LX
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
25 24. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 40
Neurath ist in einer Unterredung mit Chintschuk zu einer vor-
läufigen Vereinbarung betreffend die Beilegung des Journa-
listenkonflikts sowie die Beendigung antideutscher Berichte
in der sowjetischen Presse und im Moskauer Rundfunk ge-
langt.
30 27. 10. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 47
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Chintschuk über Ein-
zelheiten der Erledigung des Journalistenkonflikts. Die Frage
der Zulassung deutscher Journalisten in der Sowjetunion ist
weiter ungeklärt.
34 28. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 52
Unterredung zwischen Neurath und Litwinow über die schwe-
benden Verhandlungen betreffend die Klärung der deutsch-so-
wjetischen Differenzen, Litwinow hat erklärt, gegen eine Zu-
lassung von Korrespondenten des Angriii und des Völkischen
Beobachters in Moskau bestünden keine prinzipiellen Bedenken,
über die Veröffentlichung eines Kommuniques besteht Einig-
keit.
44 3. 11. Der Botschaiter in Moskau von Dirksen an den Staatssekretär
des Auswärtigen Amts von Bülow 74
Dirksen berichtet am Vorabend seiner Abreise aus Moskau,
daß die Welle der Pressehetze und sonstigen deutschfeind-
lichen Einstellung im Abnehmen begriffen sei. Seine Verab-
schiedung habe sich in einer betont freundschaftlichen und herz-
lichen Form vollzogen.
47 6. 11. Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 79
Bericht über eine Unterredung zwischen Twardowski und
Tuchatschewski bei Gelegenheit des Abschiedsessens für Dirk-
sen. Tuchatsehewski hat versichert, die Rote Armee werde nie-
mals Material über die Zusammenarbeit mit der Reichswehr
an andere Mächte weitergeben. In der Roten Armee bestehe
nach wie vor größte Sympathie für die Reichswehr.
53 9. 11. Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 93
Twardowski berichtet, daß die sowjetische Presse voraussicht-
lich zu dem Ergebnis des Reichstagsbrandprozesses in scharfer
Form Stellung nehmen werde. Er regt an, Nadolnys Eintreffen
in Moskau solle soweit verschoben werden, daß es zeitlich nicht
mit dem Aufflackern der antideutschen Propaganda zusammen-
falle.
66 13. 11. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den Botschaiter in Moskau Nadolny (z. Z. Berlin) 118
Text der von Hitler gebilligten Richtlinien für Nadolny anläß-
lich seiner Entsendung als Botschafter nach Moskau.
118 11. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an Ministerialdirektor
Meyer 198
Nadolny empfiehlt, die sowjetische Regierung über den Stand
der deutsch-polnischen Verhandlungen zu unterrichten. Eine Zu-

LXI
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
rückhaltung in diesem Punkte würde in Moskau falsch interpre-
tiert werden und biete keinerlei Vorteil, da die polnische Re-
gierung ihrerseits die sowjetische Regierung mit Sicherheit über
die deutschen Schritte ins Bild setze
119 11. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 199
Nadolny gibt einen Überblick über den Stand des deutsch-
sowjetischen Wirtschaftsverkehrs und kommt zu dem Schluß,
daß die Auffassung, der Rückgang der sowjetischen Aufträge
an die deutsche Industrie sei auf die Abkühlung der politischen
Beziehungen zurückzuführen, unzutreffend sei. Die Gründe seien
vielmehr in der allgemeinen Wirtschaftslage der Sowjetunion
und ihren Beziehungen zu anderen Ländern zu suchen. Die deut-
sche Industrie müsse unter Berücksichtigung der veränderten
Situation besondere Anstrengungen unternehmen.

122 12. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 206
Bericht Nadolnys über eine Unterredung mit Litwinow nach
dessen Rückkehr aus den USA. Litwinow erwarte die Entwick-
lung sehr freundschaftlicher Beziehungen zu den Vereinigten
Staaten. Er habe auch über seine Unterredung mit Mussolini
auf dem Rückweg kurz berichtet. Nadolny hat Litwinow darauf
hingewiesen, daß in der Sowjetunion eine gefährliche Hetze
gegen Deutschland registriert werden müsse.

127 14. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 220
Nadolny berichtet über eine lange und heftige Diskussion mit
Litwinow, in der die zwischen Deutsehland und der Sowjetunion
bestehenden Meinungsverschiedenheiten durchgesprochen wur-
den. Die Verantwortung für die Verschlechterung der Beziehun-
gen wurde dabei jeweils der anderen Seite zugeschoben.
130 15. 12. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 227
Hassell berichtet über den Besuch Litwinows in Rom. Der Be-
such habe dort keinen sonderlichen Eindruck hinterlassen und
scheine auch keine unmittelbaren praktischen Ergebnisse ge-
bracht zu haben. Es scheine, daß die Sowjetunion Deutschland
fürchte und sieh wegen eines möglichen deutschen Eingreifens
im Falle einer sowjetischen Verwicklung im Fernen Osten
Sorgen mache.
1934
161 1. 1. Auizeichnung ohne Unterschritt 288
Eine vermutlich von Twardowski angefertigte Aufzeichnung
über eine Unterredung mit Litwinow zu dessen Rede vom
29. Dezember sowie über ein Gespräch mit Radek, der auf anti-
sowjetische Schriften und Reden deutscher Politiker, vor allem
auf die Neuauflage in unveränderter Form von Mein Kampt,
hingewiesen hat.
163 5. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 294
Bericht Nadolnys über eine Unterredung mit Litwinow, die sehr
unbefriedigend verlaufen ist. Litwinow hat dargelegt, daß er es
in seiner jüngsten Rede für notwendig gehalten habe, dem
deutschen Volk vor Augen zu führen, wohin die deutsch-
sowjetischen Beziehungen trieben. Nadolny hat Litwinow zu

LXII
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel u n d Inhalt Seite

1934
verstehen gegeben, daß die intransigente sowjetische Haltung
zu Konsequenzen führen müsse, an denen keines der beiden
Länder interessiert sein könne.
165 7. 1. Aulzeichnung ohne Unterschrill 299
Eine vermutlieh von Meyer verfaßte Analyse der jüngsten Un-
terredung Nadolnys mit Litwinow. Offenbar hat die sowje-
tische Außenpolitik eine Kehrtwendung gemacht und die „Ra-
pallo-Politik" beendet. Für die deutsche Regierung erscheint
eine abwartende Haltung angezeigt, eine Aufkündigung des
Berliner Vertrags ist nicht zu empfehlen.

171 9. 1. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 310


Ausführliche Analyse des deutsch-sowjetischen Verhältnisses.
Nadolny empfiehlt, mit allen Mitteln freundliehe Beziehungen
aufrechtzuerhalten. Die deutsehe Außenpolitik dürfe sieh nicht
von Spekulationen auf einen Zusammenbruch der Sowjetregie-
rung leiten lassen.

173 10. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 324
Bericht über das Interview eines deutsehen Journalisten mit
Radek, der die distanzierte Haltung Litwinows gegenüber
Deutschland zu erklären suchte.
176 11. 1. Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 329
Nadolny berichtet über eine Unterredung mit Woroschilow, der
die Hoffnung geäußert hat, daß in irgendeiner Form die Zusam-
menarbeit zwischen Roter Armee und Reichswehr wiederherge-
stellt werden könne. Nadolny hat deutlich gemacht, daß die
Rote Armee die Initiative ergreifen müsse.
181 13. 1. Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 343
Nadolny berichtet über eine Unterredung zwischen Twardowski
und Jegorow, der die freundschaftlichen Gefühle der Roten
Armee für die Reichswehr hervorgehoben und den Wunsch nach
Wiederherstellung der früheren guten Beziehungen geäußert
hat. Jegorow hat versichert, daß eine Weitergabe von Informa-
tionen über die Reichswehr an Frankreich nicht erfolgt sei.
190 17. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Moskau 365
Neurath informiert die Botschaft, daß die Haltung der Reiehs-
regierung gegenüber der Sowjetunion sich in keiner Weise ge-
ändert habe und daß eine Wiederherstellung des früheren
freundschaftlichen Verhältnisses ausschließlich von Moskau ab-
hänge. Deutsche Vorschläge kommen zur Zeit nicht in Betracht.
. Der Botschaft wird für Gespräche mit maßgebenden sowjetischen
Persönlichkeiten kühle Reserve auferlegt.
191 17. 1. Militärattache' Hartmann (Moskau) an das Auswärtige Amt 367
Jegorow hat sich für die Wiederherstellung des früheren guten
Verhältnisses zwischen der Roten Armee und der Reichswehr
ausgesprochen und anerkennende Worte für einzelne deutsche
Offiziere gefunden. Der Bericht Hartmanns enthält auch Infor-
mationen über die sowjetischen Seestreitkräfte im Fernen Osten.

LXIII
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
210 23. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 398
Nadolny bittet um ein überdenken der in Dokument Nr. 190
enthaltenen Weisungen. Die dort geforderte Reserve gegenüber
der sowjetischen Regierung würde seiner Meinung nach das
Ende des Versuchs bedeuten, die Sowjetunion von einem Zu-
sammengehen mit Frankreich fernzuhalten. Nadolny regt an,
daß die Reichsregierung durch eine freundschaftliche Erklärung
ihren guten Willen gegenüber der Sowjetunion bekunde.
227 29. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an des Auiwärt'ge Amt 424
Nadolny berichtet über die Rede Stalins am 26. Januar vor
dem 17. Kongreß der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.
Der Botschafter sieht Stalins Ausführungen als eine Bestätigung
seiner Ansicht an, daß die sowjetische Regierung eine maß-
gebende deutsche Erklärung zum deutsch-sowjetischen Verhält-
nis erwarte.
240 6. 2. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 442
Nadolny äußert sich beunruhigt über die Aktivitäten Litwinows
gegenüber den baltischen Staaten, insbesondere Litauen, sowie
über die Verhaftung zahlreicher Personen in der Sowjetunion,
die Verbindungen zu Deutschland besitzen. Nadolny empfiehlt,
daß als Geste guten Willens Thälmann und andere Kommuni-
sten der sowjetischen Regierung übergeben werden sollen.
251 12. 2. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschaiter in Moskau Nadolny 463
Antwort auf die Dokumente Nr. 210 und 240. Bülow hält wei-
tere Zusicherungen an die Sowjetunion nicht für wünschenswert,
beurteilt die französisch-sowjetische Annäherung als unbedeu-
tend und spricht sich gegen deutsch-polnische Gespräche über
Litauen und gegen einen Gefangenenaustausch mit der Sowjet-
union aus
342 20. 3. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 630
über das Protokoll für die Regelung des deutsch-russischen
Wirtschaftsverkehrs im Jahre 1934 und die Zahlungsmodalitäten
ist Einigung erzielt worden. Zusammenfassung der wichtigsten
Bestimmungen.
362 28. 3. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 666
Nadolny übermittelt den Entwurf einer deutsch-sowjetischen Er-
klärung über die Unabhängigkeit der baltischen Staaten, den
Litwinow ihm übergeben und erläutert hat. Nadolny regt an,
die Reichsregierung solle, anstatt auf Litwinows Vorschlag ein-
zugehen, lieber ein Erweiterungsabkommen zum Berliner Ver-
trag anstreben.
364 29. 3. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 669
Nadolny berichtet über Gespräche mit Krestinski und Woro-
sehilow, die die Bedeutsamkeit der von Litwinow vorgeschlage-
nen deutsch-sowjetischen Erklärung über die Unabhängigkeit
der baltischen Staaten hervorgehoben haben.

LXIV
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
375 3. 4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 684
Nadolny erläutert seine in Dokument Nr. 362 dargelegte Hal-
tung gegenüber Litwinows Vorschlag einer deutsch-sowjetischen
Erklärung über die Unabhängigkeit der baltischen Staaten. Der
Botsehafter empfiehlt, daß die Reichsregierung als Antwort den
Vorschlag einer gemeinsamen Erklärung zwar begrüßen, je-
doch gleichzeitig darauf dringen solle, die Erklärung nicht auf
die baltischen Staaten zu beschränken. Sie solle vielmehr auf
eine allgemeinere Basis gestellt werden und eine Ergänzung
zum Berliner Vertrag bilden.

376 3. 4. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die


Botschail in Moskau 686
Der sowjetische Vorschlag zur Garantierung der baltischen Staa-
ten kann erst nach Rückkehr Neuraths und Hitlers nach Berlin
behandelt werden. Bülow hält den Vorschlag für unannehmbar.
Nadolny soll vorerst substantiellen Erörterungen aus dem Weg
gehen.
382 5. 4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 695
Nadolny wiederholt, unter Bezugnahme auf Dokument Nr. 376,
seine Argumente für ein Zusatzabkommen zum Berliner Vertrag.
Er bittet, zu mündlichem Vortrag nach Berlin kommen zu dürfen.
390 9.4. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschaft in Moskau 713
Instruktion, daß Litwinow mitgeteilt werden solle, daß die
Reichsregierung den vorgeschlagenen Vertrag zur Garantierung
der baltischen Staaten weder für zweckmäßig noch für notwen-
dig halte, da die Unabhängigkeit dieser Staaten nicht bedroht
sei. Für die deutsch-sowjetischen Beziehungen solle weiter der
Berliner Vertrag die Grundlage bilden.
391 [9. 4.] Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschaiter in Moskau Nadolny 716
Antwort auf Dokument Nr. 382. Bülow erläutert, warum Na-
dolnys Vorschlag eines persönlichen Vortrags in Berlin für den
Augenblick abgelehnt worden ist.
396 12. 4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 722
Nadolny regt an, daß in der Antwort auf Litwinows Vorschlag
in konkreterer Form als bisher vorgesehen auf den Wunsch
der Reichsregierung hingewiesen werden sollte, die deutsch-
sowjetischen Beziehungen auf der Grundlage des Berliner Ver-
trags zu verbessern.
398 12. 4. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Moskau 724
Neurath stimmt zu, daß in die Antwort an Litwinow der zu-
sätzliche Hinweis aufgenommen wird, daß die Reichsregierung
in Übereinstimmung mit dem Berliner Vertrag bereit sei, mit
der sowjetischen Regierung die Wiederherstellung vertrauens-
voller, für beide Länder nutzbringender Beziehungen zu be-
sprechen.

LXV
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
401 15. 4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 729
Nadolny berichtet über die Übergabe der Antwort auf den Vor-
schlag Litwinows zur Garantierung der baltischen Staaten.
Litwinow hat sieh eine weitere Prüfung der deutschen Antwort
und die Möglichkeit einer öffentlichen Stellungnahme vorbe-
halten.
414 21.4. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 745
Nadolny berichtet über die Stellungnahme Litwinows zur deut-
schen Antwort auf seinen Vorschlag. Die sowjetische Regierung
erklärt sich bereit, über die Wiederherstellung vertrauensvoller
Beziehungen Besprechungen zu führen. Nadolny dringt darauf,
die baltischen Staaten nun über die gesamte Garantiepakt-Frage
umfassend zu informieren, da die sowjetische Regierung das in
ihrem Sinne ebenfalls beabsichtige.
415 23. 4. Der Gesandte in Riga Martius an das Auswärtige Amt 746
Martius berichtet über eine Unterredung mit Munters bei Ge-
legenheit der Unterrichtung der lettischen Regierung über die
deutsche Haltung zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemein-
samen Garantie der baltischen Staaten.
416 23. 4. Legationssekretär Mohrmann (Kowno) an das Auswärtige Amt 747
Mohrmann berichtet, er habe Zaunius über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
417 23. 4. Der Gesandte in Riga Martius an das Auswärtige Amt 748
Ulmanis hat Martius um weitere Informationen über die ableh-
nende deutsche Antwort auf den sowjetischen Vorschlag ge-
beten, damit die lettische Regierung in der Lage sei, alle dies-
bezüglichen Anfragen zu beantworten.
418 23. 4. Der Gesandte in Reval Reinebeck an das Auswärtige Amt 749
Reinebeck berichtet, er habe Seljamaa über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
419 23. 4. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 750
Hassell berichtet, er habe Mussolini über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
421 24. 4. Der Gesandte in Helsinki Büsing an das Auswärtige Amt 752
Büsing berichtet, er habe Hackzeil über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorsehlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
423 25. 4. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 756
Moltke berichtet, er habe Beck über die deutsche Haltung zu
dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie der
baltischen Staaten informiert. Stellungnahme Becks.
424 25.4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 757
Nadolny erörtert die Möglichkeit einer Normalisierung der
deutsch-sowjetischen Beziehungen. Es erscheint ihm notwendig,
zu persönlichem Vortrag nach Berlin zu kommen.

LXVI
SOWJETUNION

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
425 25. 4. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Gesandtschait in Riga 758
Unter Bezugnahme auf Dokument Nr. 417 übermittelt Neurath
die Ulmanis zu erteilende Antwort.
427 26. 4. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 762
Nadolny hat die sowjetische Regierung weisungsgemäß unter-
richtet, daß die Reichsregierung angesichts der lettischen Ver-
öffentlichung des sowjetischen Vorschlags einer Garantie der
baltischen Staaten und der deutschen Stellungnahme auch ihrer-
seits die Dokumente veröffentlichen wird.
430 28. 4. Der Gesandte in Reval Reinebeck an das Auswärtige Amt 769
Außenminister Seljamaa hat erklärt, er glaube nicht, daß die
Frage einer Garantierung der baltischen Staaten einfach fallen-
gelassen werden könne, da die Öffentlichkeit beunruhigt sei.
Reinebeck erwartet eine Initiative Estlands und Lettlands oder
möglicherweise aller drei baltischen Staaten.
433 2. 5. Auizeichnung des Legationsrats von Tippeiskirch 773
Aufzeichnung über die jüngste Entwicklung der deutsch-so-
wjetischen Wirtschaftsbeziehungen.
434 3.5. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 774
Nadolny empfiehlt Maßnahmen, die verhindern sollen, daß die
sowjetische Regierung die Ablehnung des Litwinow-Plans gegen
Deutschland auswertet.
437 4. 5. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Moskau 777
Die Reichsregierung beabsichtigt nicht, im Zusammenhang mit
der Ablehnung des Litwinow-Vorschlags weitere Erklärungen
abzugeben oder sich in eine Pressepolemik einzulassen.
440 9. 5. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 782
Nadolny analysiert anläßlich der Unterzeichnung des Proto-
kolls zur Verlängerung des sowjetisch-polnischen Nichtangriffs-
pakts die sowjetische Politik in Osteuropa.
447 12. 5. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 796
Litwinow hat Nadolny versichert, daß die sowjetische Regierung
eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland wünsche. Er
hat außerdem um das Agrement der Reichsregierung für die
Ernennung von Suritz zum Botsehafter in Berlin ersucht.
476 31.5. Auizeichnung ohne Unterschritt 841
Bemerkungen zu einer im Anhang beigefügten, auf Anordnung
Hitlers von Nadolny angefertigten Aufzeichnung über den Stand
der deutsch-sowjetischen Beziehungen.
488 7. 6. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 863
Nadolny rekapituliert die Erwägungen, die ihn zum Rücktritt
von seinem Moskauer Botschafterposten geführt haben.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund", „Baltische Staaten"
und „Ostpakt".)

LXVII
TSCHECHOSLOWAKEI

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

TSCHECHOSLOWAKEI
1933
51 8. 11. Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige Amt 89
Koch gibt einen Überblick über die Entwicklung der DNSAP
und die nach ihrer Auflösung begonnenen Versuche, neue sude-
tendeutsche Organisationen ins Leben zu rufen.
56 9. 11. Der Gesandte in Prag Kocli an das Auswärtige Amt 98
Koch berichtet über eine Unterredung mit Benes über die
deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen. Es bestand Einver-
nehmen, daß Konflikte zwischen beiden Staaten und jede Art
von Kriegshysterie vermieden werden müßten. Benes hat eine
stillschweigende Übereinkunft über die Freilassung von politi-
schen Gefangenen vorgeschlagen.
68 15. 11. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 123
Unterredung mit dem tschechoslowakischen Gesandten Mastny,
der in Prag eine Beruhigung der deutsch-tschechoslowakischen
Spannungen festgestellt haben will. Er hat Köpke vertraulieh
informiert, daß er kürzlidi von einer Persönlichkeit aus Hitlers
engerer Umgebung auf die Möglichkeit eines Nichtangriffspakts
zwischen Deutschland und der Tsechoslowakei angesprochen
worden sei.

83 23. 11. Das Auswärtige Amt an die Gesandtsdiatt in Prag 144


Antwort auf Dokument Nr. 56. Die Gesandtschaft wird angewie-
sen, vertraulich festzustellen, wie sich amtliche tschechoslowa-
kische Kreise die Realisierung der Vorschläge Benes' vorstellen.
128 14. 12. Der Sfaalssckreliir in der Reichskanzlei Lammers an den Reichs-
minister des Auswärligen Freiherrn von Neurath 222
Lammers übermittelt die Bitte Hitlers, das Auswärtige Amt solle
alles tun, um der Notlage der verfolgten sudetendeutschen Na-
tionalsozialisten abzuhelfen. Heß und Goebbels sollen zur Bera-
tung der erforderlichen Maßnahmen zugezogen werden.
132 17. 12 Der Gesandte in Prag Koai an das Ausvjärtige Amt 230
Koch unterbreitet Vorsehläge zur Linderung der Notlage der
sudetendeutschen Nationalsozialisten. Eine Hilfsaktion der
Reichsregierung könne im Augenblick nur finanzieller Natur
sein. Angesichts der Risiken solcher Hilfe müsse indessen mit
äußerster Vorsicht verfahren werden
137 19. 12. Aulzeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 243
Aufzeichnung über eine Ressortbesprechung, in der ein Beschluß
über finanzielle Hilfsmaßnahmen für die Mitglieder der verbote-
nen DNSAP gefaßt worden ist.
1934
180 12. 1. Aufzeichnung des Gesandtschaltsrats Hütfer 339
Während eines Besuchs in Prag hat Hüffer die mit der Hilfs-
aktion für die sudetendeutschen Nationalsozialisten im Zusam-
menhang stehenden Probleme erörtert. Er analysiert verschie-
dene Aspekte der deutsdi-tsdiechoslowakischen Beziehungen,
auch Gerüchte über Putsdipläne in Nordböhmen. Im Anhang
eine Verfügung Heß' betreffend nationalsozialistische Aktivi-
täten im Sudetengebiet.

LXVIII
TSCHECHOSLOWAKEI / UNGARN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
293 27. 2. Das Auswärtige Amt an den Gesandten in Prag Koch 537
Der Abschluß eines deutsch-tschechoslowakischen Abkommens
ähnlich der deutsch-polnischen Erklärung vom 26. Januar kommt
nach wie vor nicht in Frage.
330 19.3. Aulzeichnung des Wissenschattlichcn Hillsarbeiters Goeken 601
Aufzeichnung über eine Besprechung im Auswärtigen Amt über
sudetendeutsche Angelegenheiten. Der Gesdiäftsführer des
Volksdeutschen Rats Steinadler hat erklärt, daß in absehbarer
Zeit an eine nationalsozialistische politische Organisation in der
Tschechoslowakei nicht zu denken sei und daß Heß durch eine
Verfügung vorn 13. März dem Volksdeutschen Rat die alleinige
Zuständigkeit für sudetendeutsche Angelegenheiten übertragen
habe.
355 23.3. Der Gesandte in Prag Koch an Ministerialdirektor Köpke 653
In Vorbereitung einer Reise nach Berlin zur Besprechung von
sudetendeutschen Fragen übermittelt Koch eine Übersicht über
die aktuelle Lage.
361 28.3. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 664
Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Beamten des
Auswärtigen Amts und Steinadler über die durch die in Doku-
ment Nr. 330 wiedergegebene Entscheidung Heß' geschaffene
Lage. Es bestand Einverständnis darüber, daß die neue natio-
nale Bewegung der Sudetendeutschen sich selbständig und ohne
sichtbare Hilfe reichsdeutsdier Organisationen entwickeln müsse.
453 16.5. Der Gesandle in Prag Koch an das Auswärtige Amt 803
Koch beriditet über Gespräche betreffend das deutsch-tschecho-
slowakische Verhältnis mit Senator Kfepek und mit Benes, der
den Botschafter aufgefordert hat, die deutschen Beschwerden
schriftlich einzureichen.

UNGARN
1933
95 1. 12. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 162
Der ungarische Gesandte Masirevich hat Köpke auf Gerüchte
über einen deutsch-tschechoslowakischen Nichtangriffspakt sowie
auf die deutsch-österreichischen Beziehungen angesprochen.
129 14. 12. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Aus-
wärtige Amt 223
Mackensen berichtet über ein längeres Gespräch mit Gömbös
über die Minderheitenfrage. Gömbös beabsichtigt, zu diesem
Problem in naher Zukunft ein ausführliches Schreiben an Hitler
zu richten.
1934
175 11.1. Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärligen Amts
von Bülow 327
Masirevich hat eine mündliche Absprache bzw. einen geheimen
Notenwechsel über die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehun-
gen vorgeschlagen, außerdem einen Konsultativpakt in bezug
auf die Kleine Entente und die deutsche bzw. ungarische Politik
gegenüber dieser und ihre einzelnen Mitglieder.

LXIX
UNGARN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
182 13. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den ungarischen Außenminister Känya 344
Die Reichsregierung erklärt sich bereit, in Wirtschaftsverhand-
lungen mit Ungarn einzutreten. Geheimrat Waldeck vom Reichs-
wirtschaftsministerium ist als Leiter der deutsehen Verhand-
lungsdelegation vorgesehen.

189 17. 1. Autzeichnung des Ministerialrats Thomsen (Reichskanzlei) 364


Vermerk über eine Chefbesprechung, in der entschieden worden
ist, daß Ungarn Zollpräferenzen eingeräumt werden sollen, um
italienischen Bemühungen um eine Zollunion zwischen Öster-
reich und Ungarn zuvorzukommen.

192 18. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 370
Neurath hat in einer Unterredung mit Masirevich die deutsche
Unterstützung der ungarischen Revisionsbestrebungen bekräftigt.
Weitere Gesprächsthemen waren die Frage eines deutsch-unga-
rischen Nichtangriffspakts und das Problem der deutschen Min-
derheiten in Ungarn.

216 24. 1. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts


von Bülow 407
Bülow hat in einer Unterredung mit Masirevich zu den in Doku-
ment Nr. 175 enthaltenen ungarischen Vorschlägen Stellung ge-
nommen.
252 14.2. Der ungarische Minislerpräsi'denf Gömbös an Reichskanzler
Hitler 466
Gömbös erläutert ausführlich seine Haltung in der Frage der
deutsehen Minderheiten in Ungarn und des Verhältnisses zwi-
schen deutschen und ungarischen Minderheiten in den sog.
Nachfolgestaaten.

288 28. 2. Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an den Reichs-


minister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 529
Lammers übermittelt die Reaktion Hitlers auf den Brief Göm-
bös' vom 14. Februar (Dokument Nr. 252) und bittet das Aus-
wärtige Amt um Vorlage eines Antwortentwurfs.

290 28. 2. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Auswärtige


Amt 531
Bericht Mackensens über eine vertrauliche Unterredung mit
Horthy. Der Reichsverweser hat über seine jüngsten Gespräche
mit Dollfuß und Suvich berichtet und sich sehr darauf bedacht
gezeigt, daß seine Ausführungen zum deutsch-österreiehisehen
Konflikt sowie über die deutsch-ungarischen Beziehungen zur
Kenntnis Hitlers gelangen.

322 13. 3. Das Auswärtige Amt an den Staatssekretär in der Reichskanzlei


Lammers 588
Übermittlung einer Aufzeichnung über die Bedeutung zweier
Wirtschaftsvereinbarungen mit Ungarn, die am 21. Februar in
Budapest unterzeichnet worden sind.

LXX
UNGARN / VATIKAN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
371 29.3. Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an den
Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 676
Lammers teilt mit, daß Hitler vorerst von einer Beantwortung
des Briefes Gömbös' vom 14. Februar (Dokument Nr. 252) ab-
sehen möchte.

444 10. 5. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an den Reichsminister


des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 790
Mackensen übermittelt eine streng vertrauliehe Aufzeichnung
über eine Unterredung mit Känya. Känya hat die Überzeugung
Horthys dargelegt, daß die Beilegung des deutsch-österreichi-
schen Konflikts zur Verhinderung einer Habsburger-Restau-
ration beitragen werde.

455 18. 5. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


den Gesandten in Budapest von Mackensen 807
Neurath hat die in Dokument Nr. 444 übermittelten Vorstellun-
gen Horthys mit Hitler erörtert. Sowohl Neurath als auch Hitler
glauben, daß eine ungarische Intervention in Wien mit dem
Ziel der Beilegung des deutsch-österreichischen Konflikts zur
Zeit wenig sinnvoll ist.

480 4. 6. Der Gesandle in Budapest von Mackensen an den Reichsminister


des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 850
Mackensen berichtet, daß Känya sieh bei der Unterrichtung
über den Inhalt des Dokuments Nr. 455 weder überrascht noch
enttäuscht gezeigt hat.
(Siehe auch „Italien".)

VATIKAN
1933
3 16. 10. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 3
Kardinalstaatssekretär Pacelli hat Bergen mitgeteilt, daß Papst
Pius XI. weiter auf der Absendung einer Protestnote wegen
der Verletzungen des Konkordats durch die Reichsregierung be-
stehe. Abschätzung der in der Politik des Vatikans erkennbar
werdenden Einflüsse.

6 17. 10. Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 8
Bergen berichtet über eine Unterredung mit Pacelli, der dem
Papst empfehlen wird, der Aufnahme von Verhandlungen mit
Ministerialdirektor Buttmann über die bestehenden Differenzen
hinsichtlich der Durchführung des Konkordats zuzustimmen.

17 19. 10. Kardinalstaatssekretär Pacelli an den Botschalter beim Heiligen


Stuhl von Bergen 23
Pacelli hat Bergen zur Weiterleitung an Buttmann ein Prome-
moria über die päpstlichen Besehwerden hinsichtlieh der Durch-
führung des Konkordats überreicht.

LXXI
VATIKAN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
64 11. 11. Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen an den Bot-
schaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen 110
Papen berichtet über seine Bemühungen, mit dem katholischen
Episkopat zu einer Verständigung über die Beilegung der zwi-
schen Reichsregierung und Vatikan bestehenden Differenzen zu
gelangen.

85 24. 11. Auizeichnung des Vortragenden Legationsrats Menshausen 147


Aufzeichnung über eine Unterredung mit Ministerialdirektor
Jäger vom preußischen Kultusministerium über die Wahl des
Bischofs Bares von Hildesheim zum Bischof von Berlin. Im
preußischen Kultusministerium und im Auswärtigen Amt be-
stehen entgegengesetzte Meinungen. Hitlers persönliche Ent-
scheidung soll angerufen werden.

98 3. 12. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 170
Bergen berichtet, Pacelli empfinde das Ausbleiben jeglicher
Nachrichten seitens Buttmanns als Mangel an Courtoisie. Der
Botschafter empfiehlt, Buttmann solle dem Kardinalstaatssekre-
tär möglichst bald seine Bereitschaft zur Fortsetzung der Ver-
handlungen mitteilen.

121 12. 12. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschatt beim Heiligen Stuhl 205
Die Reidisregierung hat den Willen, die Verhandlungen mit
dem Heiligen Stuhl über die schwebenden Streitfragen fortzu-
führen, sie erwartet aber keine sofortigen abschließenden Ver-
einbarungen.

133 Aulzeichnung ohne Unterschritt 233


Undatierte Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Butt-
mann und Pacelli am 18. Dezember. Pacellis Gravamina und
Buttmanns Antworten.

134 18. 12. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Menshausen 239


Weiterleitung einer Stellungnahme Hitlers zu den von Buttmann
und Pacelli erörterten Streitfragen (Dokument Nr. 133). Butt-
mann sollen Instruktionen im Sinne dieser Stellungnahme zuge-
leitet werden.

135 19. 12. Ministerialdirektor Buttmann (Reichsministerium des Innern) an


Kardinalstaatssekretär Pacelli 240
Buttmann erklärt in diesem Schreiben die Haltung der Reidis-
regierung zu den am Vortage in seiner Unterredung mit Pacelli
erörterten Punkten.

136 Aulzeichnung ohne Untersdirilt 241


Undatierte Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Butt-
mann und Pacelli über die in Buttmanns Brief vom 19. Dezem-
ber (Dokument Nr. 135) enthaltenen Darlegungen und über die
Erfolgsaussichten weiterer Verhandlungen.

LXXII
VATIKAN

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1933
149 27. 12. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 270
Papst Pius XI. hat in einer Unterredung mit Bergen Kritik an
der Entwicklung in Deutschland geübt. Bergen hat anschließend
mit Pacelli die Ausführungen des Papstes sowie den Weih-
nachtshirtenbrief der österreichischen Bisehöfe erörtert.

152 28. 12. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an den Reichs-
minister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 276
Bergen rät zu einer schriftlichen Antwort auf das päpstliche
Promemoria vom 19. Oktober (Dokument Nr. 17). Die Antwort
müsse so abgefaßt sein, daß sie mögliche Absichten des Vati-
kans durchkreuze, über die Differenzen zwischen der Reichsre-
gierung und dem Heiligen Stuhl hinsichtlich des Konkordats
ein Weißbuch zu veröffentlichen.
1934
177 11. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen 331
Neurath übermittelt den Text eines Memorandums, das eine
Antwort auf verschiedene Memoranden und Noten des Heiligen
Stuhls betreffend die Durchführung der Konkordatsbestimmun-
gen darstellt und das Bergen Pacelli überreichen soll.

232 31. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


die Bolschait beim Heiligen Stuhl 430
Übermittlung des Inhalts einer Note, die Bergen dem Kardinal-
staatssekretär übermitteln soll. In der Note wird Klage geführt
über die zweideutige Haltung vieler katholischer Geistlicher
in Deutschland gegenüber der nationalsozialistischen Regierung.
Der Vatikan wird gebeten, durch zentrale Instruktion eine posi-
tivere Haltung des Klerus herbeizuführen.

239 5. 2. Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 441
Bemerkungen Bergens zu einer Note des Heiligen Stuhls vom
31. Januar, die das Memorandum der Reiehsregierung vom
15. Januar (Dokument Nr. 177) beantwortet hat, und zu der
Rolle des Prälaten Kaas in Rom.

265 16. 2. Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 491
Der Heilige Stuhl erwägt angeblich erneut die Publikation eines
Weißbuches, um seine Haltung in der Auseinandersetzung mit
der Reichsregierung öffentlich zu rechtfertigen. Bergen regt an,
Beschwerdematerial gegen deutsche Geistliche zusammenzustel-
len.

272 20. 2. Der Jugendiührer des Deutschen Reiches von Schirach an den
Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen 506
Schirach gibt sein Einverständnis zu Richtlinien für die Einglie-
derung der katholischen Jugendorganisation in die Hitler-
jugend.

LXXIII
VATIKAN / VEREINIGTE STAATEN V O N AMERIKA

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
370 29. 3. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen (z. Z. Berlin)
an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 675
In einer Besprechung über das deutsche Verhältnis zum Vatikan
hat Hitler für die Verhandlungen Buttmanns Weisungen hin-
sichtlich der katholischen Jugendorganisation erteilt.
383 7. 4. Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen an den Bot-
schalter beim Heiligen Stuhl von Bergen 696
Überblick über das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und
Staat in Deutschland. Erörterung von Möglichkeiten zur Bei-
legung der gegenwärtigen Differenzen.
406 18. 4. Runderlaß des Auswärtigen Amts 735
Unterrichtung der Auslandsvertretungen über die Haltung der
Reichsregierung in der Auseinandersetzung mit der katholi-
schen Kirche über die Durchführung des Konkordats. Die Reichs-
regierung beabsichtige nicht, eine antichristliche Politik einzu-
leiten, könne aber den Mißbrauch von Kanzel, Beichtstuhl,
Schule und kirchlichen Vereinen zur Agitation nicht dulden.
463 24. 5. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an den Reichs-
minister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 823
Bergen schlägt vor, daß die neue Beschwerdenote des Heiligen
Stuhls Hitler vorgelegt wird. Sofern sich die Reichsregierung
nicht zu einer Bereinigung der schwebenden Fragen und zur Er-
füllung der übernommenen Verpflichtungen entschließt, erseheint
ein Zusammenstoß unvermeidlich. Ein päpstlicher Vorwurf der
mangelnden Vertragstreue würde von anderen Mächten, wie
z. B. Frankreich, sicher gern aufgegriffen werden, um die Glaub-
würdigkeit aller von Deutsehland vorgeschlagenen Abmachungen
und Verpflichtungen von vornherein in Zweifel ziehen zu kön-
nen.

VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA


1933
5 16. 10. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Fuehr 5
Fuehr berichtet über den Besuch zweier Parteigenossen aus
New York, die nach Berlin gekommen sind, um die sofortige
Abstellung jeglicher parteipolitischen Betätigung der national-
sozialistischen Partei in den USA zu fordern. Eine entspre-
chende Anordnung, die mit Bohle abgesprochen und von Heß
genehmigt ist, soll an das Generalkonsulat in New York und
an die Botschaft in Washington übermittelt werden.
Anmerkung der Herausgeber 12
Unterredung Hitlers mit Botschafter Dodd am 17. Oktober.
139 20. 12. Autzeichnung des Vortragenden Legationsrats Fuehr 246
Aufzeichnung über die antideutsche Kampagne in New York,
über den gegen Spanknöbel wegen unterlassener Registrierung
als Beauftragter einer fremden Macht eingeleiteten Prozeß und
über die von Dickstein im Repräsentantenhaus geleiteten
Hearings über nationalsozialistische Agententätigkeit in den
USA.

LXXIV
VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
248 11.2. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 456
Luther warnt davor, die im Oktober 1933 erlassenen Richtlinien
betreffend den Bund der Freunde des Neuen Deutsehland (Doku-
ment Nr. 5) wieder zu ändern und nationalsozialistische Orts-
gruppen in den USA neu zu gründen.

259 16. 2. Ministerialdirektor Dieckholl an die Botschalt in Washington 480


Unterrichtung, daß die Auslandsabteilung der NSDAP allen
Parteimitgliedern in den USA in einem Rundschreiben die Mit-
gliedschaft im Bund der Freunde des neuen Deutschland ver-
boten hat.

284 27. 2. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


die Botschalt in Washington 524
Weisung, der amerikanischen Regierung die Aufnahme von
Verhandlungen über eine Verbesserung des deutsch-amerika-
nischen Handelsverkehrs vorzuschlagen. Eine deutsche Dele-
gation könne nach Washington entsandt werden.

294 3.3. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 538
Luther berichtet, er habe Außenminister Hüll den in Dokument
Nr. 284 enthaltenen Vorschlag unterbreitet, daß zur Erörterung
der deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen eine deut-
sche Delegation nach Washington entsandt werden könne. Hüll
habe den Gedanken begrüßt, halte jedoch den gegenwärtigen
Zeitpunkt für derartige Verhandlungen für ungeeignet.

295 3. 3. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 539


Luther berichtet, er habe im State Department gegen die ge-
plante Abhaltung einer Anti-Hitler-Veranstaltung in Form eines
Mode trial am 7. März in New York mehrfach Protest eingelegt.

297 5.3. Aufzeichnung des Reichsminisiers des Auswärtigen Freiherrn


von Neurath 542
Neurath hat Dodd erklärt, daß ernste Folgen für die deutsdi-
amerikanisdien Beziehungen zu erwarten seien, wenn das für
den 7. März in New York geplante Mode trial nicht unterbleibe.
Neurath hat dem Botschafter eine Aufzeichnung über die anti-
deutsche Agitation in den USA überreicht.

298 5. 3. Ministerialdirektor Dieckholi an die Botschalt in Washington 543


Dieckhoff antwortet auf Dokument Nr. 295 und informiert die
Botschaft über die Unterredung Neuraths mit Dodd (Dokument
Nr. 297).

302 7. 3. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 551


Luther berichtet, daß er bei Unterstaatssekretär Phillips erneut
gegen die New Yorker Veranstaltung am 7. März Protest einge-
legt habe. Phillips habe erklärt, daß die amerikanische Regie-
rung das Gesehehen zutiefst bedauere und das Justizministe-
rium mit der Angelegenheit befaßt habe. Die Bundesregierung
besitze aber keine Handhabe, um den Staat New York um ein
Verbot der Veranstaltung ersuchen zu können.

LXXV
VEREINIGTE STAATEN V O N AMERIKA

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
307 8. 3. Der Bolsdiatter m Washington Luther an das Auswärtige Amt 559
Bericht über den Verlauf der Anti-Hitler-Kundgebung vom
7. März in New York. Luther sehlägt vor, die Angelegenheit
nach außen hin zu ignorieren, aber auf diplomatischer Ebene
unter Hinweis auf Einzelheiten der Veranstaltung scharfen
Protest zu erheben.

315 10. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Washington 569
Bülow erklärt sich mit dem in Dokument Nr. 307 enthaltenen
Vorschlag einverstanden, daß die Anti-Hitler-Kundgebung nach
außen hin ignoriert werden soll. Luther wird angewiesen, er-
neut im State Department Protest einzulegen und zu erklären,
daß die deutsch-amerikanischen Beziehungen durch ständige
Verhetzung einer schweren Belastung unterworfen würden.

319 12.3. Auizeichnung des Ministerialdirektors Dieckholl 581


Dieckhoff vermerkt, daß Botschafter Dodd, der zum Urlaub in
die USA reist, ihn auf die Möglichkeit einer Botschaft Hitlers
an Roosevelt hingewiesen hat. Dies sei bereits mit Hitler be-
sprochen. Dieckhoff bittet Neurath um Weisung, ob die Ange-
legenheit weiter verfolgt werden soll.

325 14. 3. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an


das Generalkonsulat in New York 595
Weisung, Botschafter Dodd bei der Durchreise eine Botschaft
Hitlers an Roosevelt auszuhändigen.

337 20. 3. Ministerialdirektor Dieckholl an die Botschatt in Washington 624


Dieckhoff weist auf eine Agenturmeldung hin, nach der der Kon-
greßabgeordnete Didvstein eine Untersuchung der Aktivität der
Nationalsozialisten in den USA vorgeschlagen habe. Anfrage an
Luther, ob er eine Möglichkeit sehe, die Untersuchung abzu-
biegen.

347 22. 3. Der Botsdialter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 637
Bericht über eine Sitzung des Repräsentantenhauses, in der die
Gesetzesvorlage für die Einsetzung eines Ausschusses zur
Untersudiung nationalsozialistischer Umtriebe in den USA ange-
nommen wurde.

356 24. 3. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 655
Luther berichtet über eine Unterredung mit Hüll, in der er wei-
sungsgemäß gegen die antideutsche Propaganda in den Ver-
einigten Staaten protestiert hat

359 27. 3. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 660
Luther berichtet, bei einem von Hüll in der in Dokument
Nr. 356 wiedergegebenen Unterredung angesprochenen Schrift-
stück handele es sich um die Aufzeichnung zur Unterredung
Neuraths mit Dodd vom 5. März (Dokument Nr. 297).

LXXVI
VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA

Nummer Datum Titel und Inhalt Seite

1934
367 29. 3. Die amerikanische Botschatt in Berlin an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 673 -^
Der amerikanische Geschäftsträger übermittelt Neurath, in Er-
widerung der von Hitler an Roosevelt gesandten Botschaft
(Dokument Nr. 325), eine Botschaft Roosevelts an Hitler.
395 10. 4. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Diedihoii 720
Aufzeidinung über eine Unterredung mit dem amerikanischen
Geschäftsträger, der ein Aide-memoire mit der Stellungnahme
der amerikanischen Regierung zu der am 5. März Dodd über-
gebenen Aufzeichnung überreicht hat.
410 20. 4. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 741
Unter Hinweis auf Dokument Nr. 259 berichtet Luther, Kapitän
Mensing habe ihn gebeten, beim Department of State festzu-
stellen, ob gegen die Bestellung eines NS-Vertrauensmannes
in den Vereinigten Staaten wie auch gegen die Ernennung eines
Kassierers für die Beitragseinziehung Bedenken bestünden.
Das State Department habe auf seine Anfrage ablehnend reagiert,
mit der Begründung, jede Form des Obergreifens der NSDAP
auf die Vereinigten Staaten würde von vielen amerikanischen
Bürgern übel vermerkt werden.

457 22. 5. Das Auswärtige Amt an die Botschait in Washington 813


Weisung, der amerikanischen Regierung nochmals unter Hin-
weis auf die Dringlichkeit von Verhandlungen die Entsendung
einer deutschen Handelsdelegation nach Washington vorzu-
schlagen.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund" und „Finanzfragen".)

LXXVII
DOKUMENTE
Nr. 1 14. OKTOBER 1933

Aufruf der Reichsregierung an das deutsche Volk *)


BERLIN, den 14. Oktober 1933

Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind sich einig in
dem Willen, eine Politik des Friedens, der Versöhnung und der Verständi-
gung zu betreiben, als Grundlage aller Entschlüsse und jedes Handelns.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk lehnen daher die
Gewalt als ein untaugliches Mittel zur Behebung bestehender Differenzen
innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft ab.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk erneuern das Be-
kenntnis, jeder tatsächlichen Abrüstung der Welt freudig zuzustimmen, mit
der Versicherung der Bereitwilligkeit, auch das letzte deutsche Maschinen-
gewehr zu zerstören und den letzten Mann aus dem Heere zu entlassen,
insofern sich die andern Völker zu gleichem entschließen.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk verbinden sich in
dem aufrichtigen Wunsche, mit den anderen Nationen einschließlich aller
unserer früheren Gegner im Sinne der Überwindung der Kriegspsychose
und zur endlichen Wiederherstellung eines aufrichtigen Verhältnisses unter-
einander alle vorliegenden Fragen leidenschaftslos auf dem Wege von Ver-
handlungen prüfen und lösen zu wollen.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk erklären sich daher
auch jederzeit bereit, durch den Abschluß kontinentaler Nichtangriffspakte
auf längste Sicht den Frieden Europas sicherzustellen, seiner wirtschaft-
lichen Wohlfahrt zu dienen und am allgemeinen kulturellen Neuaufbau
teilzunehmen.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind erfüllt von der
gleichen Ehrauffassung, daß die Zubilligung der Gleichberechtigung
Deutschlands die unumgängliche moralische und sachliche Voraussetzung
für jede Teilnahme unseres Volkes und seiner Regierung an internationalen
Einrichtungen und Verträgen ist.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind daher eins in
dem Beschlüsse, die Abrüstungskonferenz zu verlassen und aus dem
Völkerbund auszuscheiden,2) bis diese wirkliche Gleichberechtigung unse-
rem Volke nicht mehr vorenthalten wird.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind entschlossen,
lieber jede Not, jede Verfolgung und jegliche Drangsal auf sich zu nehmen,

*(l) Der Text des Aufrufs wurde nachgedruckt aus Dokumente der Deutschen Politik, Bd. I,
7. Auflage, Berlin 1942, S. 115-16. Hitler persönlich erließ am 14. Oktober ebenfalls
einen Aufruf an das deutsche Volk und hielt außerdem am Abend des gleichen Tages
eine Rundfunkansprache. Der Aufruf Hitlers ist abgedruckt ebenda, S. 113-15: eine
englische Übersetzung findet sich in Documents on International Allairs, 1933, S. 287-89.
Die Rundfunkrede Hitlers ist abgedruckt in Dokumente der Deutschen Politik, Bd. I,
S. 116-25; Auszüge in englischer Übersetzung finden sieh in Documents on International
Allairs, 1933, S. 289-94.
Siehe auch Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 499.
(2) Neurath übermittelte Avenol am 19. Oktober die offizielle Mitteilung des deutsehen
Austritts aus dem Völkerbund (8692/E 607 636).

11,1 Bg. 1
Nr. 2 16. OKTOBER 1933

als künftighin Verträge zu unterzeichnen, die für jeden Ehrenmann und für
jedes ehrliebende Volk unannehmbar sein müssen, in ihren Folgen aber nur
zu einer Verewigung der Not und des Elends des VersaiUer Vertrags-
zustandes und damit zum Zusammenbruch der zivilisierten Staatengemein-
schaft führen würden.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk haben nicht den
Willen, an irgendeinem Rüstungswettlauf anderer Nationen teilzunehmen,
sie fordern nur jenes Maß an Sicherheit, das der Nation die Ruhe und
Freiheit der friedlichen Arbeit garantiert. Die deutsche Reichsregierung und
das deutsche Volk sind gewillt, diese berechtigten Forderungen der deut-
schen Nation auf dem Wege von Verhandlungen und durch Verträge sicher-
zustellen.
Die Reichsregierung richtet an das deutsche Volk die Frage: Billigt das
deutsche Volk die ihm hier vorgelegte Politik seiner Reichsregierung und
ist es bereit, diese als den Ausdruck seiner eigenen Auffassung und seines
eigenen Willens zu erklären und sich feierlich zu ihr zu bekennen? s)
DIE REICHSREGIERUNG
(3) Hitler gab in seinem Aufruf (siehe Anm. 1) bekannt, er habe dem Reichspräsidenten
empfohlen, die Politik der Reichsregierung dem deutschen Volke zur Stellungnahme
vorzulegen und Neuwahlen zum Reichstag abzuhalten. Als Datum wurde der 12. Novem-
ber festgelegt.

2
7467/H 178 874-75
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow
an die Botschaft in Rom
Telegramm
Nr. 247 BERLIN, den 16. Oktober 1933 11 Uhr 30
zu II F. Abr. 3298 »)
Auf Tel[egramme Nr.] 229 und 2302).
Hinweis auf Rom-Pakt3) für uns unmöglich, da dieser besonders in
Präambel mit Völkerbundsgrundsätzen durchsetzt, was Franzosen bequemen
Vorwand zur Ablehnung seiner Anwendung gibt. Ablehnung eines deut-
schen Verhandlungsangebots wäre schwere Niederlage für uns. Rom-Pakt
kommt für uns erst in Frage, wenn sichergestellt, daß übrigen Mächte
bereit ihn anzuwenden.
Letzter italienischer Vermittelungsvorschlag 4) keine Verhandlungsbasis,
da er in gemilderter Form die Grundsätze Simons wiedergibt und nicht von

*(l) II F.Abr. 3298: Telegramm Hasseils Nr. 229 vom 14. Oktober, abgedruckt in Serie C,
Bd. 1,2, Dokument Nr. 500.
(2) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 502.
(3) Der Text des Viermächtepakts ist abgedruckt in Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 292.
*(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 494.

2
Nr. 3 16. OKTOBER 1933

Gleichberechtigung ausgeht. Er sollte stillschweigend ohne unsere ausdrück-


liche Ablehnung begraben werden.
BÜLOW 5)

*(5) Randvermerk: .Hat dem Herrn RM vorgelegen. V[öldcer]s 16. 10."

3
8115/E 580 081-83
Der Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Vertraulich ROM (VAT.), den 16. Oktober 1933 13 Uhr 45
Nr. 71 vom 15.10. Ankunft: 16. Oktober 15 Uhr 55
II Vat. 451
Im Anschluß an Tel[egramm Nr.] 70 vom 14. [10.] *)
Für Reichsminister.
Bei Abwicklung wichtiger Aktionen und Ausgleich von Differenzen bildet
die Starrheit und Unberechenbarkeit Papstes 2 ) oft schwere Hemmungen, die
selbst der einflußreiche und realpolitisch eingestellte Kardinalstaatssekretär
nicht mehr zu beheben vermag. Dies Hindernis war bei Konflikt zwischen
Kurie und italienischer Regierung im Jahre 1931 deutlich erkennbar, des-
gleichen bei der Ratifizierung,3) die Botschaftsrat Klee während meines
Urlaubs nur mit größter Mühe vor Antritt Erholungsurlaubs Kardinalstaats-
sekretärs in der Schweiz durchsetzen konnte, und macht sich jetzt wieder
störend geltend. Kardinal Pacelli hat sein Versprechen erfüllt und nach
unserer telegrafisch gemeldeten Unterhaltung 4 ) Papst Vortrag gehalten.
Papst äußerte darauf nach freundlichen Bemerkungen über meine Person,
daß er trotz aller neu vorgebrachten Argumente es für nötig erachte, an
seiner Weisung festzuhalten, er wünscht sogar eine sehr scharfe Form der
abzusendenden Protestnote. Kardinal war im Begriff, diesem Befehl zu ent-
sprechen, hat aber unter Druck unserer neuen ernsten Darlegungen be-
schlossen, nochmals beim Papst vorstellig zu werden.
Kardinal erklärte sich wiederholt gern bereit, Ministerialdirektor Butt-
mann jeden Augenblick zu empfangen und in Besprechungen mit ihm einzu-
treten; 5) ich erwiderte, daß ich dessen Entsendung nach Rom nicht be-
antragen würde, solange die Protestdrohung schwebt, daß die Protestein-

(1) Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 501.


*P) Pius XI.
(3) Gemeint ist die Ratifizierung des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und der
Reichsregierung. Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 419 und 422 sowie ebenda die
Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 422, S. 780.
(4) Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 501.
(5) Buttmann war als Vertreter der Reiehsregierung für Verhandlungen mit dem Heiligen
Stuhl über die Durchführung des Reichskonkordats vorgeschlagen worden.

3
Nr. 3 16. OKTOBER 1933

legung die Aufnahme von Verhandlungen sehr erschwere, vielleicht unmög-


lich machen würde und daß eine Coramierung Reichsregierung durch den
Papst in einer Allokution die scharfen [sie] Folgen nach sich ziehen müsse.
Wolle die Kurie einen Konflikt, so würde ich ihm nicht ausweichen; ein
solcher müsse uns aber von dem Ziel abtreiben, dem der Kardinal und ich
bisher stets zugestrebt: die allgemeine Befriedung und die Aufrecht-
erhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl
und dem Reich.
Die in vorgeschriebenen Zwischenräumen auszuführende visitatio ad
limina der deutschen Bischöfe verteilt sich im allgemeinen über das ganze
Jahr; diesmal hat eine große Anzahl von ihnen kürzlich gleichzeitig in Rom
geweilt, oder sie sind schnell aufeinander gefolgt. Die Bischöfe haben jetzt
mehr oder weniger zahlreiche bewegte Klagen beim Papst vorgebracht und
um energische Abstellung der Mißstände gebeten, gleichzeitig aber ein
maßvolles Vorgehen angeregt. Dies gilt in erster Linie vom Kardinal
Bertram, wider Erwarten auch von bayerischen Bischöfen trotz ihrer beson-
ders schweren Beschwerden; dieselben aussprechen sich über Reichsstatt-
halter für Bayern 6 ) und den Ministerpräsidenten 7 ) sehr anerkennend, klag-
ten dahingegen bitter über die Haltung Kultusministers 8 ) und Innen-
ministers 9 ). Die in kurzen Abständen erfolgten Audienzen der deutschen
Bischöfe, die fast tägliche Abladung und Anhäufung von Beschwerden haben
in steigendem Maße zu den jetzt unliebsamen Bemerkungen Verstimmung
Papstes beigetragen. Gefühlsmäßig, nicht positiv nachweisbar, verdichtet
sich bei mir Eindruck, daß von Wien aus stark auf eine öffentliche Kund-
gebung des Papstes gegen uns gedrängt wird mit der Begründung, daß die
deutschfreundliche Haltung des Papstes, seine Reserve gegenüber der
konkordatswidrigen Behandlung Katholiken in Deutschland die Gläubigen
in Österreich irre machen müsse, so daß sie den gegnerischen National-
sozialismus stärken und die Stellung Regierung auf die Dauer gefährlich
schwächen würde. Österreich erfreut sich im Vatikan gegenwärtig beson-
derer Sympathien, und man wird daselbst gern alles vermeiden, was für
Land und Regierung abträglich sein könnte. - Beim italienischen Botschaf-
ter 10) fand ich bis jetzt weitgehendes freundliches Verständnis für das neue
Deutschland und mehrfach eine indirekte Unterstützung meiner Darlegun-
gen. Es liegt aber auf der Hand, daß seine Worte und Handlungen sich nach
jeweiligen Ansichten Mussolinis richten, dem er sehr nahesteht, und es ist
daher verständlich, daß er sich jetzt Gedankengänge zu eigen macht, die in
dem bekannten Artikel Popolo d' Italia „Gli Unterführer" ") wiedergegeben
wurden.
BERGEN

(6) Epp.
P) In der Vorlage heißt es: .die Minister". Der Text wurde nach einer anderen Ausferti-
gung des Dokuments aus den Akten der Botschaft Vatikan (8125/E 581 730-32) richtig-
gestellt. Bayerischer Ministerpräsident war Siebert.
(8) Sdiemm.
(») Wagner.
(10) Vecchi di Val Cismon.
(ii) Der Hinweis bezieht sich auf einen Artikel, der sich mit Fällen ungerechtfertigter
Befehlsanmaßung durch nachgeordnete deutsche Stellen beschäftigte. Er war am 5. Okto-
ber u. a. im Messagero nachgedruckt worden und ist gefilmt unter 8125/E 581 733.

4
Nr. 5 16. OKTOBER 1933

4
7467/H 178 877
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 232 v o m 16. 10. ROM (QUIR.), d e n 16. O k t o b e r 1933 20 Uhr
Ankunft: 16. Oktober 23 Uhr 15
II F. Abr. 3326
Auf Telegramm Nr. 247 v o m 16. [10.] »)
Meine Telegramme Nr. 229 2) u n d 230 3 ) gingen, da mir anderes nicht mit-
geteilt war, d a v o n a u s , d a ß w i r n u r a u s Abrüstungskonferenz ausgetreten
seien. In diesem Sinne h a b e ich mit Mussolini gesprochen und h a t er seine
A n r e g u n g gegeben. Nachdem ich eine halbe Stunde nach Besprechung mit
Mussolini durch Zeitungsleute Austritt aus Völkerbund erfahren hatte,
h a b e ich Mussolini dies privatbrieflich mitgeteilt und ihn auf Grund tele-
fonischer Rücksprache mit Baron v o n Neurath durch Mitglied italienischen
Außenministeriums v e r s t ä n d i g e n lassen, daß durch Austritt aus Völkerbund
neue Sachlage geschaffen, die natürlich Hinweis auf Viererpakt in Kanzler-
rede unmöglich mache.
HASSELL

(1) Dokument Nr. 2.


(2) Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 500.
(3) Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 502.

5
K 1052/K 269 239-42
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Fuehr
BERLIN, d e n 16. O k t o b e r 1933
III A. 3376
AUFZEICHNUNG

Von Herrn Generalkonsul Dr. Kiep eingeführt, erschienen heute bei dem
Unterzeichneten im A u s w ä r t i g e n Amt Herr Kapitän F. C. Mensing v o n d e r
New Yorker A g e n t u r d e s Norddeutschen Lloyd und Herr W a l t e r H. Schel-
lenberg ') v o n der Firma Robert C. M e y e r & Co. in N e w York, mit denen
in Gegenwart d e s d e m G e n e r a l k o n s u l a t in N e w York zugeteilten Attaches

(1) In den Unterlagen über eine spätere Vernehmung vor einem amerikanischen Kongreß-
ausschuß wurde der Name „Schallenberg" geschrieben. Siehe fnves/igafion of Nazi
Propaganda Activities and Investigation oi Cerlain Olher Propaganda Activities:
Hearings before the House Special Committee on Un-American Activities, 73rd. Cong.,
2nd sess., Hearings Nr. 73-NY 7 (July 9-12, 1934), S. 145-55.

5
Nr. 5 16. OKTOBER 1933

Dr. Schütter eine eingehende Unterredung betreffend die Betätigung der


NSDAP in den Vereinigten Staaten stattfand.
Die Herren Mensing und Schellenberg, die Pg. Pg. sind, erklärten, sich
speziell zu dem Zwecke nach Deutschland begeben zu haben, um bei der
Parteileitung sofortige Abstellung jeglicher parteilichen Betätigung der
NSDAP in den Vereinigten Staaten zu veranlassen, da eine solche Betäti-
gung nach ihrer Überzeugung die deutschen Belange jeder Art in diesem
Lande auf das schwerste zu gefährden geeignet ist. Sie bemerkten, daß sie
von der Aktion des Congressman Samuel Dickstein,2) die die Richtigkeit
ihrer Auffassung besonders unterstreicht, erst nach ihrer Ankunft in
Deutschland gehört hätten.
Zur Erreichung des gedachten Zweckes haben die beiden Herren mit
Unterstützung des Herrn Generalkonsuls Kiep mit dem Führer des Gaues
Ausland, Herrn Ernst Bohle in Hamburg, folgendes vereinbart:
1. Parteigenossen können nur Reichsangehörige sein.
2. Den in den Vereinigten Staaten lebenden Parteigenossen ist jegliche
parteiliche Betätigung strengstens untersagt. Sie unterstehen als Einzel-
mitglieder ausnahmslos dem Führer des Gaues Ausland in Hamburg.
3. Der mit einem ursprünglich tatsächlich erteilten, indessen längst wider-
rufenen Parteiauftrag in den Vereinigten Staaten weilende Pg. Spanknöbel
wird angewiesen werden, die Leitung des „Bundes der Freunde des Neuen
Deutschlands" einem amerikanischen Bürger zu übergeben.
4. Gegen die Zugehörigkeit der Pg. in den Vereinigten Staaten zu dem
„Bund der Freunde des Neuen Deutschlands" bestehen unter der Voraus-
setzung, daß der Bund sich auf reine Vereinstätigkeit beschränkt und von
jeder politischen Betätigung fernhält, keine Bedenken.
5. Der Auslandsgauführer Bohle wird einem seit längerer Zeit in den
Vereinigten Staaten lebenden Pg.3) schriftlichen Auftrag erteilen, als sein
persönlicher Vertrauensmann die genaue Durchführung des Abs. 4 zu über-
wachen.4)
Wie Herr Kapitän Mensing erklärte, sind die vorstehenden Abmachungen
von dem Auslandgauführer Bohle dem Stellvertreter des Führers, Pg. Heß,
zur parteiamtlichen Genehmigung vorgelegt worden und haben dessen aus-
drückliche Zustimmung gefunden. Pg. Spanknöbel wird durch ein an ihn
gerichtetes, am 21. d.M. nach New York abgehendes Schreiben des Aus-
landgauführers Bohle Instruktionen erhalten.6)

(2) Luther hatte in Telegrammen Nr. 558 und 559 vom 10. Oktober (K 1052/K 269 226-29) be-
richtet, der Abgeordnete Dickstein aus New York, Vorsitzender des Einwanderungs-
ausschusses des Repräsentantenhauses, habe angekündigt, er werde in Kürze eine
Sitzung des Unterausschusses zur Untersuchung pro-nationalsozialistiseher Tätigkeiten
in den USA einberufen.
*(3) Hier wurden folgende Worte gestrichen: „wahrscheinlich Herrn Kapitän Mensing".
4
*( ) Hier wurden folgende Worte gestrichen: „mit der Befugnis, zuwiderhandelnden Pg. Pg.
die Parteizugehörigkeit zu entziehen".
*(5) Randbemerkung Fuehrs: „Nicht mit abschreiben: Bei einem Besuch am 19. X. teilte
Herr K[a]p[i]t(än] Mensing mit, daß Herr Bohle es nachträglich (aus finanziellen
Bedenken) abgelehnt habe, Spanknöbel direkt abzuberufen. Vielmehr werde er ihm nur
die weitere parteipolitische Tätigkeit streng untersagen und ihm anheimstellen, wegen
seiner evtl. Rückkehr selber Vorschläge zu machen."

6
Nr. 5 16. OKTOBER 1933

Von der vorstehend umrissenen parteiamtlichen Regelung hat der Unter-


zeichnete Kenntnis genommen und zugesagt, ihren Inhalt mittels eines
unter den Anwesenden vereinbarten Telegramms dem deutschen General-
konsulat in New York und durch dieses der Botschaft in Washington zur
Kenntnis zu bringen.6) Er hat dabei darauf hingewiesen, daß es sich emp-
fehle, vor Absendung des Telegramms das Außenpolitische Amt der NSDAP
von der neuen Regelung in Kenntnis zu setzen, damit nicht etwa ihrerseits
in Unkenntnis der Abmachungen irgendwelche parteiliche Betätigung in
den Vereinigten Staaten stattfände. Herr Kapitän Mensing hat es über-
nommen, an die fragliche Stelle heranzutreten.
Es bestand Einverständnis darüber, daß die neue Regelung zweckdien-
licherweise von den Herren Bohle, Mensing und Schellenberg zur Kenntnis
des hiesigen amerikanischen Botschafters7) gebracht werden sollte. Der
Unterzeichnete wird zu diesem Zwecke einem befreundeten Sekretär der
amerikanischen Botschaft von der Angelegenheit mit dem Bemerken
sprechen, daß, falls sein Chef Interesse an der Sache nehmen sollte, die
New Yorker Herren auf Wunsch fraglos bereit sein würden, mit dem Aus-
landgauführer bei ihm vorzusprechen.
FUEHR

Zusatz vom 19. Oktober 1933.


Herr Hartmann vom Außenpolitischen Amt der NSDAP rief mich heute
telephonisch an und teilte folgendes mit:
Herr Kapitän Mensing habe bei ihm vorgesprochen und zur Sprache
gebracht, daß eine parteiliche Betätigung der Pg. in den Vereinigten Staaten
im höchsten Grade bedenklich sei. Das Außenpolitische Amt teile durchaus
diese Auffassung. Er, Hartmann, halte eine solche Betätigung direkt für
gefährlich. Aus diesem Grunde sei dem Pg. Spanknöbel der ihm erteilte
Parteiauftrag für Amerika bereits am 23. September wieder entzogen
worden.
Nachdem ich Herrn Hartmann meine Befriedigung über diese Regelung
ausgesprochen, bestätigte er mir ausdrücklich, daß nach Auffassung des
APA lediglich Reichsangehörige Pg. sein dürften, daß den Pg. in den Ver-
einigten Staaten künftig lokale parteiliche Organisationen nicht gestattet
seien, sie vielmehr zum Gau Ausland in Hamburg zu gehören hätten, und
daß der bestehende „Bund der Freunde des Neuen Deutschlands" sich ledig-
lich im Rahmen der gewöhnlichen Vereinstätigkeit, aber nicht politisch
betätigen dürfe.
FUEHR
[Fortsetzung von Anm. 5]
Der Inhalt dieser Randbemerkung und eine Abschrift der vorliegenden Aufzeichnung
unter Weglassung der laut Anm. 3 und 4 gestrichenen Worte wurden mit einem Erlaß
vom 21. Oktober der Botschaft in Washington und dem Generalkonsulat in New York
übermittelt (K 1052/K 269 244-50).
• («) Telegramm Prüfers Nr. 109 vom 19. Oktober (K 1052/K 269 243).
• (7) Dodd.

7
Nr. 6 16. OKTOBER 1933

6
8115/E 580 087-88

Der Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 72 vom 16. 10. ROM (VAT.), den 17. Oktober 1933 7 Uhr 55
Ankunft: 17. Oktober 11 Uhr 45
II Vat. 452
Im Anschluß an Telegramm Nr. 71 vom 15. d. M.1)
Für Herrn Reichsminister.
In einer ausdrücklich als rein privat charakterisierten freundschaftlichen
Unterhaltung haben Kardinalstaatssekretär 2 ) und ich heute nach einem
Weg gesucht, um den drohenden Konflikt abzuwenden und eine Lösung zu
finden, die auch Wünschen des Papstes 3) entgegenkäme. Schließlich habe
ich Kardinal folgenden Vorschlag gemacht: Ich bäte ihn, in meinem Namen
S. Heiligkeit zunächst nochmals meine ernsten Bedenken gegen eine Protest-
note wegen der daraus zu erwartenden Verzögerung der geplanten Ver-
handlungen und den noch ernsteren Bedenken gegen eine öffentliche Kritik
wegen der dann unausbleiblichen schweren Konflikte darzulegen und dann
zu sagen: Der wichtigste Artikel des Konkordats wäre für mich die Nr. 33
Absatz 2,4) der eine freundschaftliche Erledigung auftauchender Schwierig-
keiten vorsehe. Die Reichsregierung habe sich mehrfach zur Aufnahme von
Verhandlungen mit der Kurie bereit erklärt, und ihr Delegierter Ministerial-
direktor Buttmann wäre bereits auf dem Wege nach Rorschach gewesen,
aber auf Wunsch des Papstes zurückgerufen worden.5) Ich vorschlüge nun-
mehr baldigst Aufnahme der Verhandlungen und würde zu dem Zweck bei
meiner Regierung noch heute die möglichst umgehende Entsendung des
Herrn B. nach Rom beantragen. Kardinalstaatssekretär würde letzterem von
dem Beschwerdematerial soweit tunlich Kenntnis geben und ihm bei An-
kunft statt der Protestnote ein Memorandum über die Beschwerde Heiligen
Stuhls mit einem Begleitbrief zugehen lassen. Kardinal will S. Heiligkeit
morgen in dem Sinne Vortrag halten und erhofft dessen Zustimmung. Ich
darf meinerseits bitten, Ministerialdirektor B. einzuziehen, baldigste Her-
reise veranlassen zu wollen; auch möchte ich empfehlen, daß die von ihm
aufzunehmenden Verhandlungen ohne Hast geführt werden.
Auf diese Weise ist dieses Mal noch, hoffe ich, ein ernster Konflikt mit der
Kurie abgebogen worden, doch wird sich ein solcher auf die Dauer nur dann
vermeiden lassen, wenn wir den Wünschen Kurie, soweit sie berechtigt
sind, Rechnung tragen und regierungsseitig bindende Zusicherungen für die

(i) Dokument Nr. 3.


• (2) Pacelli.
*(3) Pius XI.
(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 371
(5) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 501

8
Nr. 7 17. OKTOBER 1933

wirksam e Durchführung der erteilten Z u s a g e n ausgesprochen werden. Darf


vorschlagen, Ministerialdirektor B. zur A b g a b e derartiger Erklärungen zu
ermächtigen.
Ich habe es mir a n g e l e g e n sein lassen, hier beruhigend auf die deutschen
Bischöfe einzuwirken, und ihnen empfohlen, sich mit ihren Klagen in
Deutschland an die führenden Stellen zu wenden, die es nicht unterlassen
würden, gegebenenfalls für Remedur zu sorgen. 6 )
BERGEN

(6) Neurath teilte Bergen in Telegramm Nr. 37 vom 18. Oktober (8115/E 580 091) mit:
.Angelegenheit mit Reichskanzler besprochen. Buttmann erhält Anweisung, noch im
Laufe dieser Woche nach Rom zu reisen. Er wird mit nötigen Instruktionen und Voll-
machten versehen. Bitte Kardinalstaatssekretär entsprechend verständigen."
Siehe Dokument Nr. 17.

7
8933/E626 711

Auizeichnung des Botschalters in Moskau von Dirksen (z. Z. Berlin)l)

BERLIN, den 17. O k t o b e r 1933


IV Ja. 1031
AUFZEICHNUNG

Gestern abend bei einem Essen auf der japanischen Botschaft sagte mir
der Botschafter Nagai, es w ä r e jetzt doch vielleicht für Deutschland der
Augenblick gekommen, um Mandschukuo anzuerkennen. Deutschland sei
an den Völkerbund nicht mehr gebunden; 2 ) die japanische Regierung w ü r d e
die A n e r k e n n u n g Mandschukuos auf das lebhafteste begrüßen; andererseits
seien die Franzosen in der Mandschurei sehr tätig und suchten dort wirt-
schaftlich einzudtingen.
Ich e r w i d e r t e dem Botschafter, daß auch ohne die Bindungen des Völker-
bundes u n s e r e Beziehungen zu China u n s große Zurückhaltung in der Frage
der A n e r k e n n u n g Mandschukuos auferlegten.
Hiermit H e r r n Staatssekretär über Abteilung IV vorgelegt.
v. DIRKSEN

*(i) Dirksen war am 31. August 1933 zum Botschafter in Tokio ernannt worden. Er ver-
ließ Moskau endgültig am 3. November (siehe Dokument Nr. 44) und trat seinen
Dienst in Tokio am 16. Dezember an. Vom 21. August bis zum 26. Oktober befand er
sieh in Urlaub und wurde am 18. Oktober von Hitler zu einer Unterredung empfangen
und mit Weisungen versehen. Siehe hierzu Dokument Nr. 237.
(2) Randbemerkung Bülows: „USA auch nichtl"

9
Nr. 8 17. OKTOBER 1933

8
3154/D 670 125-26
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 17. Oktober 1933
RM. 1438
AUFZEICHNUNG

Heute morgen suchte mich der französische Botschafter auf, um sich vom
Urlaub zurückzumelden. Herr Poncet erzählte, er sei von Paris abgereist,
als unsere Entschließung über den Austritt aus der Abrüstungskonferenz
und dem Völkerbund dort bekannt geworden sei. Er habe keine Gelegen-
heit mehr gehabt, sich mit Herrn Daladier darüber zu unterhalten. Herr
Poncet begann dann an meiner gestrigen Rede l) zu kritisieren, daß ich be-
hauptet hätte, man wolle von französischer Seite 8 Jahre lang nicht ab-
rüsten. Das sei nicht richtig, man hätte sich doch bereit erklärt, nach den
ersten 4 Jahren in Abständen von 2 zu 2 Jahren die schweren Waffen
allmählich zu zerstören und uns auch eine gewisse Aufrüstung zuzuge-
stehen. Ich sagte Herrn Poncet, ich hätte zwar in Genf am letzten Tage 2)
von einer gewissen Absicht der französischen Regierung, in der zweiten
Hälfte der Abrüstungskonvention einen Teil der schweren Waffen aufzu-
geben, gehört, dagegen sei mir nichts davon bekannt geworden, daß man
uns die verlangte qualitative Gleichberechtigung zugestehen wolle. Im
übrigen hätte er etwas vergessen, nämlich, daß auch diese eventuelle
Abrüstung der zweiten Periode von einer Prüfung des Funktionierens der
Kontrolle über unsere in der ersten Periode zu vollziehende Umbildung
unserer Reichswehr etc. abhängig gemacht worden sei. Herr Poncet wußte
darauf nichts zu erwidern. Er begann dann zu fragen, wie ich mir die
zukünftige Entwicklung denke. Ich verwies ihn auf den Schluß meiner
gestrigen Rede.8)
(1) Neurath hatte am 16. Oktober vor Vertretern der ausländischen Presse eine Rede ge-
halten, in der er die von der deutschen Regierung in Genf unternommenen Schritte
erläuterte. Der Text der Rede ist abgedruckt in Dokumente der Deutschen Politik, Bd. I,
S. 125-33; Auszüge in englischer Übersetzung finden sich in Documents on International
Allairs, 1933, S. 294-98.
(2) Gemeint ist der letzte Tag von Neuraths Aufenthalt in Genf. Siehe Serie C, Bd. 1,2,
Dokument Nr. 472.
*(3) Am Ende seiner Rede hatte Neurath im Hinblick auf die Zukunft folgende Erklärung
abgegeben: „Meine Damen und Herren! Sie werden midi vielleicht fragen: Was nun?
Die Antwort auf diese Frage ist aber nicht Sache Deutschlands, sondern Sache der
anderen Mächte. Diese haben jetzt das Wort. Die Konferenz in Genf mag doch zeigen,
ob sie etwas leisten kann. Unser Ausseheiden braucht für ihre Arbeiten kein Hindernis
zu bilden, da wir abgerüstet sind und da niemand den gewaltigen Rüstungsabstand
zwischen uns und den anderen leugnen kann. Die anderen haben jetzt zwar nicht mehr
die Möglichkeit, ihre Bemühungen auf eine zweite Entwaffnung Deutschlands zu kon-
zentrieren, dafür zeigt sich ihnen aber hoffentlich um so klarer die Aufgabe, sieh über
ihre gegenseitige Abrüstung zu einigen. Sie haben damit auch das künftige Schicksal
des Völkerbundes in der Hand, dessen Versagen in der Durchführung der allgemeinen
Abrüstung und der Herstellung der deutschen Gleichberechtigung ihn jeden Wertes für
Deutschland beraubt hat. Er hat sein praktisches Hauptziel, die Ausführung des Artikels
8 seiner Satzung, nicht erfüllt. Damit haben die hochgerüsteten Staaten eine der
elementarsten ihrer Bundespflichten verletzt. Deutschland wird selbstverständlich ernste

10
Nr. 9 17. OKTOBER 1933

Sodann kam Herr Poncet auf die Rede des Reichskanzlers vom 14.4) zu
sprechen und erklärte, durch diese Rede sei die Stellung Daladiers in Frank-
reich erschwert worden, da das Angebot direkter Verhandlungen zu „bru-
tal" gemacht worden sei. Ich erwiderte Herrn Poncet: Zunächst bezweifelte
ich, ob wirklich eine Verschlechterung der Stellung Daladiers eingetreten
sei. Im übrigen könnte man es den Franzosen nie recht machen. Jede Geste
von unserer Seite werde dort mit Mißtrauen aufgenommen. Herr Poncet
ging sodann auf die in der Kanzlerrede erwähnte Saarfrage 5 ) ein und
erging sich in Spekulationen, wie man diese lösen könne, wobei er eine
Lösung ohne Abstimmung als unmöglich zurückwies. Im übrigen könnte
man ja daran denken, eine gemischte Verwaltung für etwa 10 Jahre oder
die Einteilung in Zonen einzuführen. Ich lehnte diese Ideen als absurd ab.
Auf das Drängen Herrn Poncets, ihm mitzuteilen, wie wir die direkten Ver-
handlungen mit Frankreich zu führen gedächten, erwiderte ich, daß ich
zunächst einmal die Wirkungen unserer Entschlüsse abwarten wolle, ehe
ich mir darüber den Kopf zerbräche, wie wir die direkten Verhandlungen
führen könnten, und stellte ihm anheim, sich auch seinerseits darüber zu
besinnen, welcher Weg am ehesten zu einem Ergebnis führen könnte.6)
v. N[EURATH]
[Fortsetzung von Anm. 3]
Abrüstungsvorsdiläge jederzeit prüfen und auch weiterhin bereit bleiben, sich auf der
Grundlage der Gleichberechtigung über sein künftiges Rüstungsregime zu verstän-
digen."
4
( ) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1.
(5) Hitler hatte in seiner Rede hierzu ausgeführt: „Nach der Rückkehr des Saargebietes
zum Reich könnte nur ein Wahnsinniger an die Möglichkeit eines Krieges zwischen den
beiden Staaten denken, für den von uns aus gesehen dann kein moralisch oder ver-
nünftig zu rechtfertigender Grund mehr vorhanden ist."
*(') Der Bericht Francois-Poncets über diese Unterredung ist abgedruckt in Documents
Diplomatiques Frant;ais, 1. Serie, Bd. IV, Nr. 319.

9
3598/D 794 011-13
Aufzeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei)
Rk. 12176-77
NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE MINISTERBESPRECHUNG
AM 17. OKTOBER 1933, 4 UHR 30 NACHMITTAGS
Anwesend die Herren: Reichskanzler Adolf Hitler, Stellvertreter des
Reichskanzlers von Papen, Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von
Neurath, Reichsminister des Innern Dr. Frick, Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk, Reichswirtschaftsminister Dr. Schmitt, Reichs-
arbeitsminister Seldte, Reichsminister der Justiz Dr. Gürtner, Reichswehr-
minister von Blomberg, Reichspostminister und Reichsverkehrsminister
Freiherr von Eltz-Rübenach, Reichsminister für Ernährung und Landwirt-
schaft] Darre, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goeb-
bels, Reichsminister der Luftfahrt [und] Preußischer Ministerpräsident
Göring, Preußischer Finanzminister Dr. Popitz, Reichsbankpräsident Dr.

11
Nr. 10 17. OKTOBER 1933

Schacht, Staatssekretär in d e r Reichskanzlei Dr. Lammers, Reichspressechef


Staatssekretär Funk, Stellvertreter d e s Führers d e r NSDAP Heß. Protokoll-
führer: Oberregierungsrat Dr. Thomsen.
Beratungsgegenstand: Politische Lage.
Der Reichskanzler führte aus, daß die politische Lage sich wie zu erwarten
g e w e s e n sei entwickelt habe. Bedrohliche Schritte gegen Deutschland seien
w e d e r erfolgt noch zu e r w a r t e n . Schon in der vom Präsidenten d e r Abrü-
stungskonferenz an uns gerichteten Antwortnote ') seien die inneren Gegen-
sätze der in der Abrüstungskonferenz führenden Mächte ersichtlich. Deutsch-
land könne n u n m e h r die Ereignisse a n sich herankommen lassen. Irgendein
Schritt deutscherseits sei nicht erforderlich. Deutschland befindet sich in der
a n g e n e h m e n Lage, zusehen zu können, w i e die Streitigkeiten zwischen d e n
a n d e r e n Mächten sich auswirken. Der kritische Moment dürfte überwunden
sein. Die Erregung wird sich voraussichtlich in kurzer Zeit von selbst legen.
Die Gegenseite wird versuchen, auf welchem W e g e sie mit uns wieder in
Verbindung treten kann. Für die kommende Zeit muß für uns der Grund-
satz maßgebend sein, d a ß w i r a n k e i n e r internationalen Konferenz teil-
n e h m e n können, wenn nicht v o n vornherein feststeht, daß Deutschland die
Gleichberechtigung uneingeschränkt gewährt wird. Ein Aushandeln der
Gleichberechtigung im Verlaufe einer Konferenz würde nicht genügen, um
u n s e r e Teilnahme v o n vornherein zu rechtfertigen.
Für die Niederschrift:
THOMSEN

(1) Das von Henderson am 16. Oktober an Neurath gerichtete Telegramm ist abgedruckt in
Documenfs on international Atlairs, 1933, S. 286.

[ANMERKUNG DER HERAUSGEBER: Am 17. O k t o b e r s t a t t e t e William E. Dodd,


n e u e r Botschafter der USA in Berlin, Hitler seinen Antrittsbesuch ab. In
den deutschen A k t e n konnte eine Aufzeichnung über die Unterredung nicht
ermittelt werden. Dodds Bericht ist abgedruckt in Foreign Relations of the
United States, 1933, Bd. II, S. 396-97.]

10
7467/H178 896
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 235 vom 17. 10. ROM (QUIR.), den 17. O k t o b e r 1933 21 Uhr 05
Ankunft: 18. Oktober 0 Uhr 30
II F. Abr. 3345
Auf Telegramm Nr. 246 v o m 14. [10.] ')
Hatte heute Gelegenheit, Suvich im Sinne Weisung über unseren Stand-
p u n k t zu verständigen. Er meinte, d a ß italienische Regierung jeden W e g

(1) Fundort: 7360/E 537 813-16

12
Nr. 11 17. OKTOBER 1933

ergreifen würde, um Ausweg zu finden, insbesondere natürlich auch Vierer-


pakt. Indessen habe französischer Botschafter2) bereits Zweifel geäußert,
ob dieser Weg noch gangbar, da Viererpakt nicht ratifiziert und Deutschland
schwerlich einen Pakt ratifizieren könne, der sofort in Präambel auf Zuge-
hörigkeit zum Völkerbund Bezug nehme. Suvich meinte, daß man zur Not
auch mit nicht ratifiziertem Pakt arbeiten könnte, aber nur, wenn allerseits
guter Wille vorhanden und vorausgesetzt. Ich erwiderte, daß guter Wille
bei uns im Sinne Kanzlerrede 3 ) sicherlich vorhanden, aber keine Initiative
von uns zu erwarten, auch nicht bezüglich Viererpakts. Suvich meinte, daß
natürlich von Seiten Kleiner Entente und Polen heftigster Widerstand gegen
Versuch Aktivierung Viererpakts zu erwarten, was mir übrigens auch
Unterhaltung mit polnischem Botschafter4) bestätigte. Zur Zeit könne
Italien keine Initiative entfalten; das hierfür gegebene Land sei im Augen-
blick England, dessen Presse übrigens sehr energisch auf Viererpakt los-
ginge.
HASSELL
(2) Pineton de Chambrun.
(3) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1.
(<) Wysocki.

11
3015/D598 302
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 17. Oktober 1933
RM. 1439
Bei dem Empfang des Präsidenten des Danziger Senats Herrn Rauschning
durch den Herrn Reichskanzler brachte Rauschning zunächst die Sprache
auf die Schwierigkeiten, die ihm durch die lokalen SA, SS und auch den
Gauleiter Forster immer wieder gemacht würden und die eine Gefährdung
der Autorität der Danziger Regierung sowie ihrer Bestrebungen, zu einem
Ausgleich mit Polen zu kommen, darstellten. Der Kanzler verwies Herrn
Rauschning deswegen an den Stabschef Röhm, der von ihm Weisungen
erhalten werde. Sodann kam Herr Rauschning auf die beabsichtigte Trans-
aktion mit der Bank Polski*) zu sprechen. Der Kanzler verwies Herrn
Rauschning an den Reichsbankpräsidenten Schacht und an mich, da er über
diese technischen Fragen nicht genügend Bescheid wisse. Im übrigen billigte
der Kanzler die Bestrebungen der Danziger Regierung, soweit dies ohne
Gefährdung des deutschen Charakters von Danzig und der deutschen Inter-
essen überhaupt möglich sei, zu einer Verständigung mit Polen auf allen
Gebieten zu kommen.
Herr Rauschning schlug dem Kanzler endlich noch ein Zusammentreffen
zwischen ihm und Pilsudski vor. Der Reichskanzler lehnte den Gedanken
nicht vollständig ab, meinte jedoch, die Angelegenheit müßte gut vorbe-

(1) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 491 und 492

13
Nr. 12 17. OKTOBER 1933

reitet werden, jedenfalls käme ein Zusammentreffen zwischen ihm und


Pilsudski in Danzig, wie dies Herr Rauschning vorgeschlagen hätte, nicht in
Betracht.
v. N[EURATH]

12
6609/E 497 254-63
Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt')
A 2251 MOSKAU, den 17. Oktober 1933
Ankunft: 19. Oktober
IV Ru. 4632
POLITISCHER BERICHT

Inhalt: Gespräch mit Herrn Litwinow über die deutsch-sowjetischen Be-


ziehungen.
In der Anlage wird eine Aktennotiz über das Gespräch mit Herrn
Litwinow vom 16. d.M. vorgelegt, über dessen Inhalt ich bereits ander-
weitig 2 ) berichtet habe.
Die Tatsache, daß im gegenwärtigen Augenblick der Leiter der Sowjet-
außenpolitik es als notwendig erachtete, das Ausbleiben des Herrn
Krestinski aus Berlin3) nicht als Ausdruck eines politischen Willens der
Sowjetregierung hinzustellen, sondern zu betonen, daß die Sowjetregierung
nach wie vor und jederzeit bereit s[ei],4) mit der deutschen Regierung über
eine Beilegung des ak[uten] Konfliktes und eine Wiederherstellung der
alten Beziehungen] zu verhandeln, und daß die Sowjetregierung den
größten [Wert] auf möglichst gute und freundschaftliche Beziehungen zu
Deutschland lege, kann eine überraschende Wandlung in [der] Auffassung
der hiesigen amtlichen Kreise bedeuten. So[llte] diese Annahme richtig sein,
worauf vor allem die ganze Art der Gesprächsführung durch Herrn Litwinow
schließen läßt, so dürfte diese Sinnesänderung vor allem zurückzuführen
sein auf die Zuspitzung der Lage im Fernen Osten. In diesem Zusammen-
hang läßt der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund vor der hiesigen
Phantasie bereits das Gespenst einer deutsch-japanischen Zusammenarbeit
auftauchen. Andererseits könnte aber auch der Ausbruch des akuten Kon-
fliktes zwischen Deutschland und den Westmächten es der Sowjetregierung
als angebracht erscheinen lassen, sich als „verkannter Freund" bei Deutsch-
land wieder zu melden.

*(') Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. V[ölcker]s 20. 10."


(2) Telegramm Twardowskis Nr. 234 vom 16. Oktober (6609'E 497 247-51).
(3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 487. In einer Aufzeichnung des Auswärtigen Amts
ohne Unterschrift vom 18. Oktober (6609/E 497 243-46) ist eine Übersicht über die im Zu-
sammenhang mit der Reise Krestinskis nach Deutschland und der Möglichkeit seines
Zusammentreffens mit Hitler entstandene Korrespondenz enthalten.
*(4) Die Vorlage wurde durch Brand beschädigt. Fehlende Textstellen sind sinngemäß in
eckigen Klammern ergänzt worden.

14
Nr. 12 17. OKTOBER 1933

Es ist aber auch ebenso gut möglich, daß Herr Litwinow es vermeiden
wollte, daß durch Herrn Krestinski die Wiederanbahnung der deutsch-
sowjetischen guten Beziehungen erfolge. Als dann von deutscher Seite das
Ausbleiben Krestinskis politisch gewertet wurde, hat sich Herr Litwinow
beeilt, durch eine Erklärung diesen ungünstigen Eindruck zu verwischen,
und dabei als Bonbon die altbekannten Erklärungen wiederholt, ohne je-
doch dabei den materiellen Inhalt etwaiger Verhandlungen irgendwie zu
berühren.
Auf jeden Fall aber bleibt als erfreuliche Tatsache bestehen, daß Herr
Litwinow es für nötig hielt, diese Erklärungen im jetzigen Augenblick ab-
zugeben, und daß durch das Ausbleiben weiterer Zwischenfälle in Deutsch-
land die allgemeine Atmosphäre hier eine gewisse Beruhigung zeigt.
TWARDOWSKI

[Anlage]
MOSKAU, den 16. Oktober 1933
AKTENNOTIZ

Betrifft: Unterredung mit Volkskommissar Litwinow über die deutsch-


sowjetischen Beziehungen.
Litwinow bat mich heute zu sich. Er hatte vor sich ein Telegramm des Bot-
schafters Chintschuk über eine Unterredung mit Herrn von Dirksen liegen,
aus dem er vorlas.5) Botschafter von Dirksen habe darauf hingewiesen, daß
nach meiner Berichterstattung das Nichterscheinen Krestinskis in, Berlin
auf Weisung der Sowjetregierung erfolgt sei, die im jetzigen Augenblick
nicht in Gespräche mit der Reichsregierung einzutreten wünsche. Ferner
hätte ich nach den Worten des Herrn von Dirksen berichtet, daß ich aus
einer Unterredung mit Herrn Stern entnähme, daß der Sowjetregierung zur
Zeit nichts an einer Beilegung des Konfliktes mit Deutschland liege.6) Er,
Litwinow, wolle mir hierzu folgendes erklären: Krestinski habe niemals die
Absicht gehabt, seine Rückreise vom Urlaub über Berlin zu machen. Noch
am letzten Tage vor dessen Urlaubsantritt habe Krestinski ihm seinen Plan
folgendermaßen entwickelt: Kurzer Aufenthalt in Berlin, Kur in Kissingen,
Nachkur in Meran, Aufsuchen eines Arztes in Wien, von dort direkte Rück-
kehr. Von einer zweiten Reise nach Berlin sei also nicht die Rede gewesen.
Nun habe zwar Staatssekretär von Bülow in einem Gespräch mit Herrn
Chintschuk mitgeteilt, daß der Herr Reichskanzler bereit sei, Herrn
Krestinski bei einem eventuellen Aufenthalt in Berlin zu empfangen.7)
Gleichzeitig aber habe Herr von Bülow als seine und des Reichskanzlers
Auffassung der Lage unterstrichen, daß der Leipziger Prozeß einen Höhe-
punkt der gegenseitigen Agitation bedeute, womit also von ihm zugegeben
worden sei, daß man in Deutschland zur Zeit eine Agitation gegen die

(5) Die Aufzeichnung Dirksens über seine Unterredungen mit Chintschuk in Berlin ist als
Dokument Nr. 14 gedruckt.
(«) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 438 und 487.
(7) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 461.

15
Nr. 12 17. OKTOBER 1933

Sowjetunion notwendig habe. Die Sowjetregierung aber betreibe keine


Agitation gegen Deutschland.
Ich widersprach lebhaft, stellte eine üble Hetze der Sowjetpresse gegen
uns fest und verwies darauf, daß Staatssekretär von Bülow nicht von
„Agitation", sondern von „Erregung" gesprochen habe. Hierauf ließ sich
Litwinow den Bericht Chintschuks kommen und las daraus vor, daß
Chintschuk ausdrücklich die Worte des Herrn von Bülow wiederholt habe:
„Während des Leipziger Prozesses habe die gegenseitige Agitation ihren
Höhepunkt erreicht."
Herr Litwinow fuhr dann fort: Die Bereitwilligkeit des Herrn Reichs-
kanzlers, den Stellvertretenden Volkskommissar zu empfangen, stelle doch
an sich weiter nichts Besonderes dar, da es allgemein üblich sei, daß ein
führender Staatsmann, der in einer fremden Hauptstadt weile, dem Regie-
rungschef und dem Außenminister seine Aufwartung mache. Die Sowjet-
regierung hätte von deutscher Seite keine Benachrichtigung darüber er-
halten, daß beabsichtigt wäre, mit Herrn Krestinski bei Gelegenheit seiner
Anwesenheit in Berlin wichtige politische Fragen zu besprechen. Unter-
streichen möchte er, daß mein Eindruck aus der Unterhaltung mit Herrn
Stern, die Sowjetregierung habe zur Zeit kein Interesse, den Konflikt mit
Deutschland beizulegen, unzutreffend sei. Die Sowjetregierung lege großen
Wert auf möglichst gute und freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland
und s[ei] jederzeit bereit, in Besprechungen über eine Beilegung [des] Kon-
fliktes einzutreten, der lediglich durch die Schuld der deutschen Seite ent-
standen sei. Aber nach deutscher Auffassung sei während des Leipziger
Prozesses der Zeitpunkt hierzu noch nicht gekommen.
Ich habe Herrn Litwinow erwidert, ich sei sehr erfreut darüber, von ihm zu
hören, daß die Sowjetregierung bereit sei, in Verhandlungen über eine Bei-
legung des Konfliktes einzutreten, und daß sie großen Wert darauf lege,
in guten und freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland zu leben. Was
den Besuch des Herrn Krestinski in Berlin anbelange, so hätten sowohl Herr
von Dirksen wie ich bis unmittelbar vor der Abreise des Herrn Krestinski
mit ihm die Möglichkeit einer gründlichen Aussprache mit maßgebenden
deutschen Staatsmännern während seines projektierten Berliner Aufent-
haltes um den 10. Oktober in recht konkreter Form besprochen. Herr
Krestinski könne also wohl kaum im unklaren gewesen sein, welche Mög-
lichkeiten vorhanden wären. Außerdem hätte ich bei meinen Besprechungen
mit Litwinow sowohl am 14. wie am 26. September 8 ) nachdrücklich auf den
Besuch von Herrn Krestinski in Berlin und die daraus sich ergebenden Mög-
lichkeiten hingewiesen, von ihm, Litwinow, aber beidemal die Antwort
erhalten, daß Worte genug gewechselt wären, daß man hier nur nach den
Taten der Regierungen ihre wirklichen Absichten beurteile. Auch Herrn
Stern hätte ich in meinen vielfachen Unterhaltungen niemals darüber im
unklaren gelassen, daß die Anwesenheit von Herrn Krestinski in Berlin
nach meiner Auffassung die gegebene Gelegenheit sei, um in ernsthafter
Weise zu erörtern, wie die alten freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Deutschland und der Sowjetunion wieder herzustellen seien. Ich sei daher

(8) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr 438 und 458

16
Nr. 12 17. OKTOBER 1933

aufs äußerste überrascht, daß Herr Litwinow sich nicht darüber orientiert
fühle, daß die Anwesenheit des Herrn Krestinski in Berlin die Gelegenheit
geboten hätte, ohne die Prestigefrage anzuschneiden, in Erörterungen über
die Beilegung des deutsch-sowjetischen Konfliktes einzutreten. Hier unter-
brach mich Herr Litwinow mit den Worten, daß es nicht weiterführe, gegen-
seitig Höflichkeitsphrasen auszutauschen und unter vier Augen die Ver-
sicherung abzugeben, daß man in guten Beziehungen zu leben wünsche,
wenn nicht etwas Ernsthaftes daraufhin geschehe. Er habe nicht den Ein-
druck gehabt, daß anläßlich der Anwesenheit des Herrn Krestinski in Berlin
mehr als dieses von deutscher Seite beabsichtigt gewesen sei. Es müsse
auch bedacht werden, daß nach Ausbruch des akuten Konfliktes zwischen
Deutschland und der Sowjetunion es in der Welt einen falschen Eindruck
gemacht hätte, wenn Krestinski nach Berlin gekommen wäre. Dies wäre nur
möglich gewesen, wenn tatsächlich durch den Aufenthalt des Herrn
Krestinski in Berlin eine Beilegung des Konfliktes zu erreichen gewesen
wäre. Darüber habe man der Sowjetregierung von deutscher Seite keine
Mitteilungen gemacht. Er möchte noch einmal wiederholen, die Sowjet-
regierung habe sich in die Urlaubspläne des Herrn Krestinski nicht einge-
mischt und habe keine Veranlassung gesehen, ihn nach Berlin zu beordern.
Wenn auf deutscher Seite tatsächlich die Absicht vorhanden gewesen wäre,
in ernsthafte Besprechungen einzutreten, so wäre er natürlich bereit ge-
wesen, Herrn Krestinski nach Berlin zu entsenden und ihm entsprechende
Instruktionen zu geben. Ich erwiderte, daß die Situation natürlich nicht so
gewesen sei, daß etwa deutscherseits beabsichtigt gewesen wäre, an die
Sowjetregierung die Aufforderung zu richten, Herrn Krestinski mit Ver-
handlungen in Berlin zu beauftragen, sondern daß man bei uns der Auf-
fassung gewesen wäre, daß der zufällige Besuch von Herrn Krestinski in
Berlin die Möglichkeit ergeben könne, um einen verantwortlichen Staats-
mann der Sowjetunion mit den verantwortlichen Leitern der deutschen Poli-
tik in Berührung zu bringen, damit die vorhandenen Mißverständnisse auf-
geklärt würden. Diese Gelegenheit sei leider von der Sowjetregierung nicht
ergriffen worden, obgleich der Herr Staatssekretär von Bülow dem Sowjet-
botschafter ausdrücklich die Bereitwilligkeit des Herrn Reichskanzlers,
Herrn Krestinski zu empfangen, mitgeteilt habe. Was meine Unterhaltungen
mit Herrn Stern anbelangt, so hätte ich allerdings nicht nur den Eindruck
gehabt, sondern jeder Zweifel sei unmöglich gewesen, daß bei der gegen-
wärtigen Stimmung der Sowjetregierung Verhandlungen mit Aussicht auf
Erfolg nicht möglich wären und daß insbesondere während der Dauer des
Leipziger Prozesses wegen der Frage der Zulassung der Sowjetjournalisten
zum Leipziger Prozeß9) eine Verständigung nicht zu erreichen sei. Ich sei
daher sehr erfreut, aus seinen Worten zu entnehmen, daß die Sowjetregie-
rung jederzeit bereit sei, in Verhandlungen über eine Beilegung des Kon-
fliktes einzutreten. Dies unterstrich Herr Litwinow noch einmal und bat
mich, seine Ausführungen nach Berlin zu telegraphieren.
Ich setzte dann Herrn Litwinow die Gründe auseinander, die Deutschland
zum Austritt aus dem Völkerbund und zum Verlassen der Abrüstungskonfe-

(») Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 428, 455, 457, 461, 467, 476 und 487.

17

II.l Bg. 2
Nr. 12 17. OKTOBER 1933

renz gezwungen hätten. Herr Litwinow zeigte für unseren Standpunkt so


viel Verständnis, daß ich mein Bedauern darüber aussprach, daß diese Auf-
fassung des verantwortlichen Leiters der sowjetischen Außenpolitik sich
durchaus nicht in der Sowjetpresse widerspiegele. Es werde die Beilegung
des Konfliktes zwischen Deutschland und der Sowjetunion außerordentlich
erleichtern, wenn die Sowjetpresse Verständnis für die Handlungsweise
Deutschlands aufbringe. Herr Litwinow entgegnete, er habe in der Sowjet-
presse nichts gefunden, was für den deutschen Standpunkt ungünstig sei,
seiner Auffassung nach seien die hiesigen Leitartikel völlig farblos und
uninteressant. Ich entgegnete, die Sowjetpresse werfe Deutschland z. B.
kriegerische Absichten vor. Dies sei eine bösartige Verleumdung, die um so
schwerer wiege, als sie von einem alten Freunde komme. Die Sowjet-
regierung, die ihre Presse doch völlig in der Hand habe, sei über die
militärischen Möglichkeiten Deutschlands so gut orientiert wie keine
andere Regierung der Welt. Sie wisse also genau, daß Deutschland
schon aus militärischen Gründen keine kriegerischen Absichten hegen
könne. Herr Litwinow entgegnete, an einen Angriffskrieg Deutschlands
denke kein Mensch. Wohl aber sei durch den [Austritt] Deutschlands aus
dem Völkerbund die Gefahr kriegerischer Verwickelungen sehr gestiegen.
Japans Position sei z. B. gestärkt worden. Die deutsch-japanische Freund-
schaft sei jetzt in aller Leute Mund. Japan habe kriegerische Absichten
gegenüber der Sowjetunion. Es sei auch nicht zu leugnen, daß durch den
Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund und das Verlassen der Ab-
rüstungskonferenz die Gefahr eines Präventivkrieges Frankreichs gegen
Deutschland außerordentlich gestiegen sei. Die Sowjetpresse habe also allen
Grund, davon zu sprechen, daß durch die letzten Schritte der deutschen
Regierung die Kriegsgefahr unendlich gestiegen sei; aber an einen Angriffs-
krieg Deutschlands denke natürlich kein Mensch. Allerdings werde Deutsch-
land wohl jetzt aufrüsten, dann könnten auch die Pläne von Hugenberg,
Rosenberg etc. wieder akut werden. Ich habe erwidert, eine Aufrüstung
Deutschlands, um einen Angriffskrieg zu führen, sei eine völlige Utopie.
Deutschland sei friedlich und wolle nur die Mittel haben, um seine Grenzen
gegen einen Angriff verteidigen zu können. Ich nähme mit Befriedigung
davon Kenntnis, daß auch nach seiner Auffassung Deutschland für abseh-
bare Zeit eine friedliche Politik führen werde. Ich machte ihn dann beson-
ders aufmerksam auf die große Rede des Herrn Reichskanzlers vom Sonn-
abend, die in vorbildlicher Weise den Friedenswillen des neuen Deutsch-
land dokumentiere. 10 ) Da Herr Litwinow sie noch nicht kannte, übersandte
ich ihm einen Abdruck der Rede aus der Königsberger Allgemeinen Zeitung.
Ich fuhr dann fort, daß also nach seiner Auffassung für die aktuelle Politik
die sowjetischen Befürchtungen über aggressive Absichten Deutschlands
gegenüber [der] Sowjetunion hinfällig wären. Was die Beziehungen
Deutschlands zu Japan anbelange, so seien sie freundlich, ohne daß damit
in irgendeiner Form die Bedrohung eines Dritten gegeben sei. Der neue Bot-
schafter Deutschlands in Japan, Herr von Dirksen, sei ein überzeugter An-
hänger guter Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion.

(10) Gemeint ist die Rundfunkrede Hitlers vom 14. Oktober. Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1.

18
Nr. 13 18. OKTOBER 1933

Wenn gute Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion be-


ständen, so könne die Tätigkeit des Herrn von Dirksen auch für die Sowjet-
union in Japan sehr wertvoll werden. Herr Litwinow sprach sich darauf
sehr anerkennend über Herrn von Dirksen aus und betonte, daß er mit
großer Befriedigung davon Kenntnis genommen habe, daß Herr von Dirksen
auch noch jetzt, wo seine Tätigkeit in Moskau beendet sei, während seines
Urlaubs für eine Beilegung des deutsch-sowjetischen Konfliktes tätig sei. Er
bedauere um so mehr, daß durch seine Reise nach Ankara es ihm nicht mehr
möglich wäre, Herrn von Dirksen persönlich Lebewohl zu sagen. Herr
Litwinow erkundigte sich dann sehr angelegentlich, ob er Herrn Nadolny
in Ankara treffen werde.11)
Die Unterhaltung mit Herrn Litwinow, die fast eine Stunde dauerte, ver-
lief in ausgesprochen freundschaftlichem und entgegenkommendem Tone,
sehr im Gegensatz zu den Unterhaltungen, die ich in den letzten Wochen
mit ihm geführt hatte.

*(rt) Nadolny war als Nachfolger Dirksens als Botsehafter in Moskau vorgesehen. Siehe
Dokument Nr. 7, Anm. 1.

13
3154/D 670 136-37
Aufzeichnung des Legationssekretärs von Kotze
BERLIN, den 18. Oktober 1933
NOTIZ

Soeben, 10 Uhr 15 vm., rief Botschafter von Hoesch, London, persönlich


an und teilte folgendes mit:
Der englische Außenminister Sir John Simon sei sehr verärgert aus Genf
zurückgekehrt, verärgert insbesondere über die Rede des Herrn Reichs-
ministers vor den ausländischen Pressevertretern. 1 ) Er habe auf Grund
eines Beschlusses der englischen Minister gestern abend um 9 Uhr 15 im
englischen Rundfunk eine Rede gehalten,2) die rein als Polemik gegen die
Ausführungen des Herrn Reichsministers aufzufassen sei.
Zwei Punkte erschienen dem Botschafter aus den Ausführungen Sir John
Simons besonders wichtig: Erstens erwecke er den Anschein, daß Deutsch-
land bei den Vorverhandlungen zu den letzten Ereignissen in Genf beteiligt
gewesen sei, zweitens behaupte er, daß die deutschen Forderungen sich seit
seiner persönlichen Fühlungnahme mit dem Herrn Reichsminister in Genf 8)
versteift hätten. In diesen Argumenten versuche er, die Ausführungen des
Herrn Reichsministers zu dementieren. Nach den früheren persönlichen

(1) Siehe Dokument Nr. 8, Anm. 1.


(2) Der Text der Rede Simons wurde am 18. Oktober in der Londoner Zeitung The Times
abgedruckt.
(3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 447.

19
Nr. 14 18. OKTOBER 1933

Erörterungen habe er annehmen müssen, daß eine gemeinsame Basis für


die von ihm aufzustellenden Amendments zum MacDonald-Plan gefunden
sei. Aus den Erklärungen, die der Geschäftsträger, Fürst Bismarck, im Auf-
trag der Reichsregierung ihm übermittelt habe,4) habe er dann später mit
Bedauern feststellen müssen, daß die deutsche Regierung neuerdings
schärfere Forderungen als bei der persönlichen Fühlungnahme gestellt habe.
Der Botschafter wollte wissen, ob eine Replik des Herrn Reichsministers
beabsichtigt sei.5) Er schlüge vor, in einer evtl. Antwort stark zu unter-
streichen, daß die Vorverhandlungen über die neuen englischen Vorschläge
unter Ausschluß der Deutschen geführt worden wären, und ferner die Be-
hauptung richtigzustellen, daß die durch Bismarck überreichten Erklärungen
eine Versteifung der deutschen Forderungen darstellen.6)
Hiermit Herrn Reichsminister gehorsamst vorgelegt.
H. KOTZE
(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 480, Anm. 5.
(5) Randbemerkung Bülows: „Nein".
*(6) Randbemerkungen: „Der Herr RM bittet, Herrn v. Hoesch Mitteilung von der Instruk-
tion, die Aschmann heute an die Presse gegeben hat, zu machen. Herr v. Hoesch hat
den Herrn RM auch selbst angerufen. Der Herr RM hat auf die Richtigstellung durch
die Presse verwiesen u. gesagt, daß er nicht beabsichtige, die Polemik fortzusetzen.
Hiermit Herrn St.S. vorzulegen. V[ölekerjs 18. 10."
,H[errn] GR Völdcers. Heutiges Inf[ormations-]Material (siehe diplom[atisch-]polit[isehe]
Korrespondenz) ist an Botschaft London gegeben mit dem Ersuchen, es auch über
Ustinow an Reuter zu geben. Asch(man]n 18. 10."
Eine Mitteilung an die deutsehe Presse, die bei der Kommentierung der Rede Simons
als Sprachregelung diente, ist gefilmt unter 3154/D 670 138-40.

14
9460/E 667 431-33
Autzeichnung des Botschafters in Moskau von Dirksen (z. Z. Berlin) •)
Geheim BERLIN,den 18. Oktober 1933
zu IV Ru. 46002) III
AUFZEICHNUNG

Die Gespräche, die ich mit dem Botschafter Chintschuk über den gegen-
wärtigen Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen gehabt habe, ver-
liefen folgendermaßen:
Nach meiner Ankunft in Berlin suchte ich Herrn Chintschuk am Donners-
tag, den 12. d.M. auf. Ich hatte kurz vorher einen Brief von Herrn von
Twardowski bekommen, dem seine Aufzeichnung über die Unterhaltung mit
Herrn Stern 3 ) beilag.

*(t) Siehe Dokument Nr. 7, Anm. 1. - Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen
V(öloker]s 21. 10."
(2) IV Ru. 4600: Telegramm Twardowskis Nr. 234 vom 16. Oktober (6609/E 497 247-51)
Siehe Dokument Nr. 12 und Anm. 2 dazu.
(3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 487.

20
Nr. 14 18. OKTOBER 1933

Ich sagte Herrn Chintschuk, ich bedauerte sehr, daß anläßlich der An-
wesenheit Herrn Krestinskis in Deutschland dieser von der ihm gebotenen
Gelegenheit zu politischen Unterhaltungen in Berlin, insbesondere zu einer
Besprechung mit dem Herrn Reichskanzler, keinen Gebrauch gemacht habe.
Schon aus der Tatsache, daß Herr Krestinski über Wien nach Hause ge-
fahren sei, sei eine Ablehnung der ihm gegebenen politischen Möglich-
keiten zu erkennen gewesen. Wenn irgendein Zweifel noch über die Ab-
sichten der Sowjetregierung bestanden habe, so sei dieser durch die Unter-
haltung von Herrn Stern mit Herrn von Twardowski beseitigt worden. Auf
den Vorhalt von Herrn von Twardowski über die Schlüsse, die wir aus
einem Ausweichen Herrn Krestinskis durch direkte Rückreise über Wien
ziehen müßten, habe Herr Stern ausdrücklich gesagt, man sei eben in
Kreisen der Sowjetregierung der Ansicht, daß zur Zeit die Atmosphäre für
politische Unterhaltungen mit Deutschland nicht günstig genug sei; infolge-
dessen solle lieber beiderseits eine günstigere Stimmung abgewartet
werden.
Herr Chintschuk bemühte sich, den Reiseweg von Herrn Krestinski als
lediglich durch den Wunsch der Konsultation eines Arztes in Wien be-
gründet hinzustellen; als ich ihm den Inhalt des Gespräches Twardowski-
Stern wiedergegeben hatte, wußte er sich nicht anders zu helfen als durch
die Ausrede, daß Herr Stern sicherlich nicht befugt gewesen wäre, in dieser
Weise zu sprechen. Die Sowjetregierung wünsche gute Beziehungen zu
Deutschland; im übrigen legte Herr Chintschuk immer erneut Wert darauf,
daß die Wiederzulassung der Sowjetjournalisten zum Leipziger Prozeß 4)
gewissermaßen die Vorbedingung für alles Weitere sei. Ich erwiderte ihm,
daß alle weiteren Ersuchen der Sowjetregierung in dieser Beziehung nutz-
los seien; durch die vollzogene Ausweisung der deutschen Journalisten aus
Moskau sei die Tür für Verhandlungen in jeder Beziehung zugeschlagen
worden.
Am Freitag, dem 13. d.M., traf ich Herrn Chintschuk wieder auf einer
Abendgesellschaft bei Geheimrat Krückmann. Herr Chintschuk fragte mich
nach meinen Reiseplänen, worauf ich ihm darlegte, daß ich meine Abreise
nach Japan vorverlegt hätte, insbesondere um schon vor dem 1. Januar
mein Beglaubigungsschreiben abgeben zu können. Dazu käme, daß ich
meinen Aufenthalt in Moskau auf das durch Abschiedsbesuche bedingte
Maß hätte einschränken können, da eine Gelegenheit zu weitergehenden
politischen Gesprächen ja nunmehr nicht bestände.
Herr Chintschuk war über diese Mitteilungen sichtlich betroffen und
fragte wiederholt, was denn nun zu tun sei. Ich erwiderte ihm, daß unserer-
seits zweifellos keine Schritte unternommen werden würden, seitdem die
Verhandlungsbereitschaft, die wir durch den in Aussicht genommenen
Empfang Herrn Krestinskis beim Herrn Reichskanzler gezeigt hätten,
russischerseits zurückgewiesen worden wäre.
Hiermit dem Herrn Reichsminister über den Herrn Staatssekretär und
Herrn Ministerialdirektor Meyer vorgelegt.
gez. v. DIRKSEN

*(4) Siehe Dokument Nr. 12, Anm. 9.

21
Nr. 15 20. OKTOBER 1933

15
8911/E 621 809-11
Der Leiter des Verbindungsstabes der NSDAP an Gesandtschaftsrat Hüffer
Verbindungsstab der NSDAP BERLIN, den 20. Oktober 1933
Außenpol. Referat Ts. 1294
N./V.
Sehr geehrter Herr Doktor!
Im Anschluß an unsere gestrige Unterredung') übersende ich Ihnen in
Abschrift den mir von Pg. Wiegand von Hohen-Aesten eingereichten Brief
an Pg. Dr. Graeschke.2)
Heil Hitler!
Der Leiter des Verbindungsstabes
i. V. DEFHOLZ

[Anlage]
Abschrift

S. Wiegand von Hohen-Aesten BERLINW. 30, den 18. Oktober 1933


Rosenheimerstr. 17
Sehr geehrter Herr Pg. Dr. Graeschke!
In Ergänzung unserer letzten Besprechung teile ich Ihnen folgende Infor-
mation mit:
Gleich nach der Bekanntgabe des Textes des Appells des Herrn Reichs-
kanzlers an die Weltöffentlichkeit3) und des anschließenden Aufrufs unserer
Regierung 4 ) hatte ich Gelegenheit, mich mit den mir persönlich gut bekann-
ten Gesandten von Jugoslawien und der Tschechoslowakei, Herrn Balugdzic
und Mastny, über den Sinn und die politische Bedeutung beider dieser Ver-
öffentlichungen zu unterhalten.
Abgesehen von der Hochachtung vor der Person des Führers und aufrich-
tiger Bewunderung seiner staatsmännischen Genialität, die von beiden
Diplomaten unserem Volkskanzler gezollt werden, gewann ich aus dieser
Unterredung die Überzeugung, daß beide Exzellenzen geneigt wären, sich
mit ihren Regierungen in Verbindung zu setzen mit dem Ziel, die feierliche
Erklärung der deutschen Regierung: „durch den Abschluß kontinentaler
Nichtangriffspakte auf längste Sicht den Frieden Europas sicherzustellen",
als Grundlage für die Anbahnung der Verhandlungen über den Abschluß
der Nichtangriffspakte zwischen dem Deutschen Reich und Jugoslawien bzw.
der Tschechoslowakei wärmstens zu empfehlen, sobald sie (die Herren
Balugdzic und Mastny), durch vertrauliche Fühlungnahme mit den maßgeb-
lichen Vertretern unserer Partei, die Überzeugung gewinnen, daß ihre dies-
bezüglichen Anregungen von den führenden Männern der NSDAP geteilt
und unterstützt werden.

• (i) Nicht ermittelt.


*(2) Nähere Angaben über die Parteiämter Graeschkes konnten nicht ermittelt werden.
(3) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1.
(4) Dokument Nr. 1.

22
Nr. 17 19. OKTOBER 1933

Daß die beiden Diplomaten Wert darauf legen, vorerst die Meinung der
in Frage kommenden Parteifunktionäre hierüber zu hören, ergibt sich aus
der Stellung, die unsere Partei im Staate einnimmt, einer Stellung, mit der
jeder Diplomat unbedingt zu rechnen hat.
Indem ich Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, diese Information zur Kennt-
nis bringe, bitte ich Sie, sie an Ihre vorgesetzte Stelle weiterzuleiten und
dort zu erfragen, ob man höheren Orts bereit wäre, die von den Gesandten
Jugoslawiens und der Tschechoslowakei gewünschte Fühlung zu nehmen.6)
Heil Hitler!
(5) Siehe die Dokumente Nr. 68 und 91.

16
8580/E 601 927
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Völckers
Unter Umschlag BERLIN, den 19. Oktober 1933
e. o. IV Chi. 2366
Generaloberst von Seeckt wurde heute auf seinen Wunsch vom Herrn
Reichsminister empfangen. Herr von Seeckt berichtete dem Minister über
seine Chinareise l) und erwähnte bei der Gelegenheit, daß der Marschall
Chiang Kai-shek ihn aufgefordert habe, als militärischer Berater nach China
zu kommen. Der Herr Reichsminister hat Herrn von Seeckt erklärt, daß
diese Tätigkeit politisch für uns im Augenblick nicht tragbar sei, und hat
ihn ersucht, das Ansuchen abzulehnen. Herr von Seeckt hat dieses zugesagt.
Hiermit über den Herrn Staatssekretär Herrn Direktor IV 2 ) vorzulegen.
VÖLCKERS

(l) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 412.


• (2) Meyer.

17
8125/E 581 734-43
Kardinalstaatssekretär Pacelli
an den Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen •)
Abschrift
Segreteria di Stato di Sua Santitä DAL VATICANO, den 19. Oktober 1933
Nr. 2976/33
Euer Exzellenz
spreche ich den verbindlichsten Dank aus für Ihre gestrige sehr geschätzte
Meldung, daß Herr Ministerialdirektor Dr. Buttmann noch im Laufe dieser

(i) Bergen übermittelte mit Bericht Nr. 264 vom 23. Oktober (8115/E580 114) eine Abschrift
des vorliegenden Dokuments an das Auswärtige Amt.

23
Nr. 17 19. OKTOBER 1933

Woche nach Rom reisen wird. 2 ) Der H[ei]l[ige] Stuhl ist bereit, nach seiner
Ankunft unverzüglich in die vereinbarten Verhandlungen einzutreten.
In diesem Zusammenhange darf ich Euer Exzellenz bitten, H e r r n Dr. Butt-
m a n n in seiner Eigenschaft als außerordentlichem Bevollmächtigten d e r
Reichsregierung für die Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl nach seiner A n -
kunft in Rom umgehend das anliegende Promemoria auszuhändigen. Indem
der Hl. Stuhl es überreicht, legt Er W e r t darauf zu betonen, daß es in k e i n e r
W e i s e die Sphäre des rein Politischen berühren will, daß vielmehr die nach-
gerade zur Unerträglichkeit gesteigerten Schwierigkeiten und Bedrückungen,
die die katholische Kirche in Deutschland in offenbarem Gegensatz zum
Konkordat erfährt, dem Hl. Stuhl diesen Schritt zur strengen und unabweis-
lichen Pflicht gemacht haben. Ich k a n n nur der Hoffnung Ausdruck geben,
daß die bevorstehenden Verhandlungen zur beschleunigten Abstellung d e r
im Promemoria aufgeführten konkordatswidrigen Zustände führen werden. 3 )
Ich benütze die Gelegenheit, um Eure Exzellenz meiner ausgezeichneten
V e r e h r u n g zu versichern, in der ich verbleibe
Eurer Exzellenz ergebenster
gez. E. CARD. PACELLI

[Anlage]
Abschrift
Segreteria di Stato di Sua Santitä DAL VATICANO, den 19. O k t o b e r 1933
Nr. 2976/33
Bereits vor der Ratifizierung des Reichskonkordats 4 ) hat der Hl. Stuhl die
Reichsregierung mehrfach mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht, d a ß
seitens staatlicher oder sich auf die Staatsgewalt berufender Stellen eine
wachsende Zahl v o n Verfügungen und Eingriffen in den durch die Kon-
kordatsbestimmungen geschützten Wirkungs- und Freiheitsbereich der
katholischen Kirche erfolgt seien, die in offenbarem Widerspruch zu d e n
W o r t e n und dem Geist des Vertragswerkes stehen und zu den Zusiche-
rungen, die von verantwortlicher Stelle wiederholt in feierlicher W e i s e
gegeben worde n sind. Zugleich wurde um angemessenes Einschreiten gegen
diese Übergriffe ersucht.
Den Wunsch der Reichsregierung, durch eine baldige Ratifikation die
Zwischenphase der Unsicherheit und des Zweifels zu beenden, hat der Hl.
Stuhl erfüllt trotz schwerer Bedenken und ungeachtet seines begreiflichen
Strebens, vorerst die Anwendungsgrundsätze für Art. 31 und den Katalog

*(2) Siehe Dokument Nr. 6, Anm. 6. Menshausen vermerkte in einer Aufzeichnung vom
20. Oktober (8115/E 580 095), er habe Klee telephonisch mitgeteilt, daß Buttmann am
Abend des 22. Oktober in Rom eintreffen und „persönliche Instruktionen" des Reichs-
kanzlers mitbringen werde.
(3) Die Verhandlungen zwischen Buttmann und Pacelli endeten ohne Ergebnis am 28. Ok-
tober, als Buttmann zur Unterrichtung Hitlers nach Berlin zurückkehrte; siehe Tele-
gramm Bergens Nr. 79 vom 27. Oktober (8115/E 580 102). Am 28. Oktober übermittelte
Pacelli Buttmann eine Zusammenfassung der geklärten und ungeklärten Verhandlungs-
punkte nebst einer Zusatzaufzeichnung. Buttmann übersandte diese Dokumente am
1. Dezember an Neurath (8115/E 580 131-42). Siehe auch die Dokumente Nr. 98 und 121.
*(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 422, S. 780.

24
Nr. 17 19. OKTOBER 1933

der unter seinen Schutz fallenden katholischen Organisationen endgültig


vereinbart zu sehen. Er tat dies nicht zuletzt deshalb, weil von Seiten der
Regierungsvertreter erklärt worden war, mit geschehener Ratifikation er-
lange die Reichsregierung erst die gesetzliche Handhabe, um die kraftvolle
und sinngetreue Durchführung der Konkordatsbestimmungen gegen die
sich in gewissen Ländern und Gebieten geltend machenden Strömungen zu
sichern. Zugleich erklärte sich die Reichsregierung zur Besprechung gewis-
ser noch umstrittener Punkte bereit.
Die unterdessen zur Kenntnis des Hl. Stuhles gelangten Vorkommnisse
machen es Ihm jedoch zur unabweisbaren Pflicht, nicht zu schweigen gegen-
über den offenbaren Eigenmächtigkeiten und Gewalttätigkeiten, durch die
in Deutschland und besonders in gewissen Gebieten konkordatlich ge-
schützte und unveräußerliche Freiheitsrechte des katholischen Bekenntnisses
unterdrückt werden und ein Zustand geschaffen wird, der von den Er-
fahrungen des beklagenswerten Kulturkampfes früherer Zeiten sich nur
durch seine größere Härte und Willkür unterscheidet. Mit immer stärkerer
Ungeduld schaut das in seinen Gefühlen verletzte, in seinen Überzeugungen
enttäuschte, in seinen Freiheitsrechten und seinen Interessen, seiner wirt-
schaftlichen und bürgerlichen Existenz geschädigte katholische Volk nach
seinen geistlichen Oberhirten aus und erwartet und verlangt von ihnen das
Wort des Freimuts und der Verwahrung, das zum Besten des Leidenden
und Bedrückten stets eine apostolische Pflicht des Episkopats war. Immer
dringender und beschwörender wird der Ruf der Bischöfe an den Aposto-
lischen Stuhl als den kirchlichen Garanten einer sinngemäßen und würdigen
Erfüllung der in dem Reichskonkordat getroffenen und angebahnten Ver-
einbarungen. In dem Bestreben, der deutschen Reichsregierung die Peinlich-
keit einer öffentlichen Auseinandersetzung über die vielfach bestehenden
Zustände zu ersparen, und von dem Willen geleitet, in gegenseitiger Ein-
tracht die Mißstände behoben zu sehen, hat der HI. Stuhl bisher den Weg
vertraulicher Verhandlungen der Flucht in die Öffentlichkeit vorgezogen.
Er kann jedoch nicht zulassen, daß die durch diese seine versöhnliche und
abwartende Haltung bedingte Frist von Vertretern einer anderen und ver-
tragswidrigen Richtung ausgenutzt werde zu einer immer weiter fortschrei-
tenden, vielfach offenbar planmäßigen Minderung des bei der Vertrags-
unterzeichnung vorliegenden und vertraglich geschützten Besitzstandes des
katholischen Volksteils in Deutschland auf den verschiedensten Gebieten
seiner berechtigten und selbstverständlichen Betätigungsformen kirchlichen
und religiösen Lebens. Der Hl. Stuhl darf annehmen, daß die fortgesetzten
Beeinträchtigungen des katholischen Volksteils der Reichsregierung nur zu
sehr bekannt sind, und verzichtet daher - unter Hinweis auf die in Aussicht
stehenden Besprechungen - darauf, an dieser Stelle in Einzelheiten einzu-
treten. Er weist lediglich beispielsweise auf einige zentrale Fragen hin, die
er auch schon bei früheren Gelegenheiten in den Vordergrund der Er-
örterungen zu rücken genötigt war. Hierher gehören:
1. Die mit allen möglichen Mitteln betriebene Niederhaltung und Er-
drückung katholischer Vereine und Organisationen, vielerorts Verbot ihrer
Veranstaltungen (dem Katholischen Frauenbund sind in einem Land sogar
Nähabende für die Winterhilfe verboten worden), Wegnahme ihrer Heime

25
Nr. 17 19. OKTOBER 1933

oder Ausrüstung, ihre nationale Verfemung, die Verfolgung ihrer Mit-


glieder durch wirtschaftlichen Druck und Bedrohung mit Maßregelungen
und Schädigungen aller Art, die Unterbindung der geregelten Werbung
neuer Mitglieder, die Verhinderung der gleichmäßigen Mitgliedschaft in
Hitlerjugend und religiösen Vereinen usw. Neuerdings treten auf dem
Gebiet der katholischen Caritas ernste Behinderungen ein.
2. Die planmäßige Lahmlegung, die wirtschaftliche Vernichtung sowie
auch die meinungsmäßige Knechtung der katholischen Presse, letzteres
selbst in solchen Fragen, wo es sich um die pflichtmäßige Geltendmachung
katholischer Glaubens- und Lebensgrundsätze handelt. Selbst die Bezeich-
nung „Katholische Presse" ist, jedenfalls vereinzelt, verboten worden. Die
Entziehung amtlicher Nachrichten, Inserate und Publikationen, der Zwang
zur Haltung nationalsozialistischer Blätter, die Drohung wirtschaftlichen
Boykotts oder anderer schwerwiegender Nachteile gegen die Abonnenten
katholischer Blätter werden aus den verschiedensten Orten mit solcher
Gleichmäßigkeit berichtet, daß von zufälligen Exzessen einzelner nicht
gesprochen werden kann. Mancherorts sind Zeitungsverleger sogar wegen
der Veröffentlichung bischöflicher Hirtenschreiben in schwerster Weise
gemaßregelt worden.
3. Die entschädigungslose Entlassung zahlloser katholischer Beamter,
Angestellter und Gewerkschaftssekretäre, lediglich wegen ihrer früheren
aktiven Zugehörigkeit zu politischen Parteien, in denen der deutsche Katho-
lizismus nicht mit Unrecht für lange Zeit die traditionelle Vertretung seiner
religiösen Interessen sehen mußte. Die gegenüber solchen Männern geübte
Haltung findet in den Kreisen des katholischen Volkes um so weniger Ver-
ständnis, als nach übereinstimmenden Mitteilungen das Einströmen außer-
ordentlich zahlreicher militanter Kommunisten in die nationalsozialistischen
Reihen unbedenklich zugelassen wird.
4. Die Sonntagsheiligung gelegentlich öffentlicher Veranstaltungen ent-
spricht auch nicht bescheidenen Anforderungen. Appelle und Festlichkeiten
werden in vollem Widerspruch mit Art. 31 des Konkordats so gelegt, daß
für Gottesdienst und Sakramentsempfang unmöglich Zeit bleibt. Die für
Katholiken verbotenen Gemeinschaftsgottesdienste finden immer noch
statt. Die in manchen Arbeitsdienstlagern bestehenden Zustände geben
sowohl vom Standpunkt der Erfüllung der religiösen Pflichten wie beson-
ders vom sittlichen Standpunkt aus zu schwersten Klagen Anlaß.
5. Die katholischen Theologiestudierenden werden nach dem „Deutschen
Studentenrecht" zum Wehrsport, zum Arbeitsdienst in Arbeitslagern, zum
Eintritt in die studentische Fachschaft gezwungen, ohne daß vorher mit dem
Hl. Stuhl bzw. dem Episkopat festgestellt wurde, welche dieser Betätigun-
gen mit den Aufgaben des priesterlichen Standes vereinbar seien und
welche Formen man für ihre etwaige Verwirklichung mit Rücksicht auf die
Eigenart und die besonderen Aufgaben des priesterlichen Standes zu wählen
habe.
6. Die teilweise noch bestehende Beschlagnahmung kirchlichen Vermö-
gens und kirchlicher Stiftungen. Die Überwachung und mancherorts drako-
nisch strenge Kontrollierung der Predigttätigkeit unter Verletzung der kon-

26
Nr. 17 19. OKTOBER 1933

kordatsgemäßen Freiheit. Unbegründete, vielfach rein willkürliche Verhän-


gung von Schutzhaft über Geistliche. Dabei sind Priester in Kerkerzellen wie
Verbrecher untergebracht worden, ohne daß der Bischof auch nur verstän-
digt oder irgendein Grund der Verhaftung angegeben worden wäre. Die
Amtsentsetzung von geistlichen Religionslehrern ohne jede Benachrichti-
gung des zuständigen Bischofs. Die versuchte Anwendung des sogenannten,
von der katholischen Kirche nicht anerkannten Arierparagraphen auf Ange-
hörige des geistlichen Standes.
7. Die schwere Gefährdung der katholischen Bekenntnisschule nicht nur
durch gesteigerte Propaganda gegen die Bekenntnisschule und durch Ver-
suche, katholische Bekenntnisschulen auf dem Verwaltungswege in Ge-
meinschaftsschulen umzuwandeln, sondern ebenso sehr durch Methoden
der Lehrerbildung, die jegliche katholische Lehrererziehung in der Wurzel
vergiften müssen; so ist es, um nur ein Beispiel anzuführen, unerträglich,
wenn Werke wie Rosenberg, Der Mythos des Zwanzigsten Jahrhunderts, als
Lehrbücher in Lehrerbildungsanstalten gebraucht werden.
8. Die zwangsweise Schulung zur Durchdringung mit nationalsoziali-
stischer Weltanschauung, der in bestimmten Provinzen alle Beamten und
Angestellten, sogar die in der Krankenpflege tätigen katholischen
Schwestern unterstellt werden; da zwischen gewissen bisher vertretenen
Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung und dem katho-
lischen Glauben wesentliche Differenzen bestehen, ist eine solche zwangs-
weise Schulung offensichtlich gegen Art. 1 des Reichskonkordats.
9. Der Gewissensdruck, in den die kirchlich gesinnten Katholiken durch
das sogenannte Sterilisierungsgesetz kommen, und die Notwendigkeit
einer Lösung, welche unüberwindbaren Gewissensbedenken gesetzgeberisch
Rechnung trägt.
Der Hl. Stuhl gibt sich der Hoffnung hin, daß die deutsche Reichsregie-
rung die zwingenden Gründe würdigt, aus denen er es für angezeigt hält,
auf die Notwendigkeit einer beschleunigten und wirksamen Abstellung der-
jenigen Übergriffe zu drängen, die auf Eigenmächtigkeit untergeordneter,
aber einflußstarker Stellen zurückgehen, wie auch einer baldigen vereinbar-
lichen Regelung derjenigen Fragen, die z. Z. die volle Auswirkung des von
beiden Seiten beim Konkordatsabschluß ersehnten aufrichtigen Friedens-
zustandes zwischen Kirche und Staat in bedauerlichem Maße verzögern.
Die bisherige Zurückhaltung des Hl. Stuhles in der Öffentlichkeit hat
sowohl innerhalb Deutschlands als auch in der übrigen Welt die katho-
lischen Gewissen teilweise zu Auffassungen und Urteilen - wenn auch ohne
jede sachliche Berechtigung - gelangen lassen, die den Hl. Stuhl im Inter-
esse seiner Würde und der hohen moralischen Autorität seiner weltumspan-
nenden Mission nicht gleichgültig lassen können. Wenn nicht in kurzer
Frist die überzeugende Sprache der Tatsachen die katholische Welt darüber
aufzuklären imstande sein sollte, daß den berechtigten Forderungen der
katholischen Kirche Genüge geschehen ist, so wird der Hl. Stuhl nicht umhin
können, in der ihm geeignet erscheinenden Weise bekanntzugeben, was er
im Interesse des Friedens, der Gerechtigkeit und Freiheit getan hat, um
klarzustellen, daß die trotz all seiner Bemühungen noch nicht beseitigten

27
Nr. 18 20. OKTOBER 1933

Verstöße gegen die Gerechtigkeit und gegen die Freiheit der Kirche und
ihrer Bekenner in Deutschland nicht hoffen können, durch ein beschönigen-
des Schweigen der obersten kirchlichen Stelle der verdienten Beurteilung
entzogen zu werden.
SEGRETERIA DI STATO DI SUA SANTITÄ

18
7467/H 178 903-06
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 240 vom 20. 10. ROM (QUIR.), den 20. Oktober 1933 23 Uhr 50
Ankunft: 21. Oktober 2 Uhr 45
II F. Abr. 3412
Suvich bat mich heute in dringender Form zu sich, um mir folgendes mit-
zuteilen: Mussolini habe ihn beauftragt, mir ganz klaren Wein über seine
Auffassung bezüglich unseres Austritts aus dem Völkerbund einzuschenken.
An Hand von Notizen, die entweder von Mussolini stammten oder auf
Grund der Unterhaltung mit ihm aufgesetzt waren, ausführte Suvich, die
von der Regierung dirigierte günstige Haltung der italienischen Presse, so
auch gestriger Popolo d' Italia-Artikel, dürften nicht darüber täuschen, daß
Regierungschef über unseren Schritt sehr erregt sei und ihn aufs äußerste
beklage. Ausscheidung erfolge in einem Augenblick, in dem seines Erach-
tens taktisch Fortsetzung der Verhandlungen, gerade vom deutschen Stand-
punkte aus, nötig gewesen wäre. Es liege ihm aber fern, uns darüber Vor-
schriften oder Vorhaltungen zu machen, weil er unsere Motive sich schon
erklären könne, aber Ergebnis sei sehr bedenklich und lähme [vor allen
Dingen] ') jede italienische Betätigung im Sinne Rüstungsausgleichs. Wären
wir nur aus Abrüstungskonferenz ausgeschieden, so ergäbe sich zwanglos,
wie in Unterhaltung mit mir 2 ) dargelegt, Rückgriff auf Viererpakt. Aus-
scheiden aus dem Völkerbund aber mache dies unmöglich, wie schon fran-
zösische Kammerverhandlungen 3 ) bewiesen. Matin habe geschrieben, daß
seit Matteotti-Affaire4) deutscher Schritt schwerster Schlag für Mussolinis

*(l) Diese G r u p p e w u r d e in der V o r l a g e bei der Übermittlung verstümmelt. Sie w u r d e nach


einer in d e n A k t e n der Botschaft Rom befindliehen Abschrift (M 149/M 005 179-83)
ergänzt.
(2) Dieser Hinweis bezieht sieh auf die U n t e r r e d u n g zwischen Mussolini u n d Hassell am
14. O k t o b e r , siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 502.
(3) Dieser H i n w e i s bezieht sich vermutlich auf außenpolitische E r k l ä r u n g e n , d i e Daladier
am 17. O k t o b e r v o r der französischen A b g e o r d n e t e n k a m m e r a b g e g e b e n h a t t e . Darin
h a t t e der französische Ministerpräsident den deutschen Rückzug v o n der A b r ü s t u n g s -
konferenz s t a r k kritisiert. Der Text d e r K a m m e r r e d e w a r d e m A u s w ä r t i g e n A m t in
T e l e g r a m m Forsters Nr. 820 vom 17. O k t o b e r (3154/D 670 128-30) übermittelt w o r d e n .
(4) Mussolini w u r d e allgemein für die Ermordung des sozialistischen A b g e o r d n e t e n Matteotti
im J a h r e 1924 verantwortlich gemacht.

28
Nr. 18 20. OKTOBER 1933

Prestige. Als ehrlicher Kämpfer müsse er zugeben, daß dieser Hieb franzö-
sischer Zeitung gut getroffen habe. Es sei ganz abwegig, wenn deutsche
Presse jetzt vielfach ihm Initiative zuschiebe, als könne er, nachdem wir
alle Verhandlungsgrundlagen, nämlich Abrüstungskonferenz, Völkerbund
und Viererpakt zerschlagen, dieses Porzellan wieder kitten und als sei er
dazu geradezu verpflichtet. Weder sei er verpflichtet noch könne er erken-
nen, wie dies möglich sein sollte. Er sähe keinen Ausweg aus der Lage, und
er wisse nicht, wie Deutschland weiter vorwärts kommen wolle.
Ich erwiderte zunächst bezüglich Pressestimmen, diese seien nur aus
Gefühl entsprungen, daß Italien als einziges Verständnis gezeigt und ehr-
lich versucht habe, unter Berücksichtigung deutscher Interessen zu Ergebnis
zu gelangen; daraus entspringe Gedanke, Mussolini könne jetzt im Wege
Viererpakts Lage entwirren. Deutsche Regierung sei indessen weit davon
entfernt, eine Vermittlung Mussolinis gewissermaßen zu beanspruchen und
Initiative bezüglich Viererpakts zu verlangen. Kanzler und Außenminister
seien durchaus Gegner einer in Presse vielleicht gelegentlich durchblicken-
den sentimentalen Auffassung deutsch-italienischen Verhältnisses, die von
dieser Zusammenarbeit bald Unmögliches verlange, bald über Versagen
klage. Italienische Politik in Abrüstungsfrage und Mussolinis letztes Be-
mühen würden von deutscher Regierung durchaus anerkannt; ich könnte
daher auch nicht ganz verstehen, wie sich Mussolini von so eklatanter
Stinkbombe wie Mafin-Artikel beeindrucken lassen könne. Zur Sache selbst
erläuterte ich deutschen Standpunkt an Hand Telegramm Nr. 2506) sowie
Artikel von R[udolf] K[ircher] in Frankfurter Zeitung. Kernpunkt liege
nicht in Einzelfragen, sondern, darin, daß man uns gegebenes Versprechen
nicht mehr halten wolle, weil neue angeblich kriegerische deutsche Regie-
rung Garantien nicht mehr böte. Auf dieser Grundlage könnten wir nicht
mehr verhandeln, zumal wir schlechterdings nicht wüßten, was wir noch tun
sollten, unseren Friedenswillen besonders gegenüber Frankreich zu be-
weisen. Beweispflichtig für ihre Sorge sei im Gegenteil andere Seite.
Suvich einwendete, daß auch gerade unser Verfahren Nervosität der
anderen Seite, von der in Artikel Frankfurter Zeitung die Rede, neu ge-
steigert habe. Jedenfalls sei in der Sache mindestens bis zum 12. Novem-
ber 6 ) nichts zu machen. Die italienische Regierung sei für weitere Ver-
tagung der Abrüstungskonferenz. Der von anderer Seite vorgeschlagene
Weg, Konvention ohne Deutschland aufzustellen und Deutschland zur An-
nahme oder Ablehnung vorzulegen, scheine Italien nicht gangbar. Ich
erwiderte, daß wir der anderen Seite, wenn sie diesen Weg gehen wollte,
Verantwortung ganz überlassen müßten. Das einzige, was jetzt geschehen
könnte, sei, so meinte Suvich, diplomatische Besprechungen zwischen den
einzelnen Regierungen, um Atmosphäre allmählich zu bereinigen.
Erregung Mussolinis über deutschen Schritt wird mir auch von anderer
Seite bestätigt; deutsche Pressestimmen über angebliche bevorstehende
italienische Initiative auf Basis Viererpakts haben weiter verstimmt. Zur
Wiederherstellung deutsch-italienischen Vertrauensverhältnisses empfehle

(5) Fundort: 9653/E 680 943-46.


(«) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 3.

29
Nr. 19 20. OKTOBER 1933

dringend baldige Absendung des in Telegramm 251 7) erwähnten Briefes


unter Beachtung des sich aus vorstehendem ergebenden psychologischen
Moments.
Anrege, Brief mir mit regelmäßigem deutschen Flieger zur persönlichen
Übergabe zu senden,8) da ich vielleicht mündlich einiges ergänzen kann.
HASSELL

(?) Neurath hatte Hassell in Telegramm Nr. 251 vom 19. Oktober (3154/D 670 142) mitge-
teilt, Hitler habe ihm erneut zugesagt, Mussolini einen persönlichen Brief zu schreiben.
Siehe auch Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 500, Anm. 6.
*(8) Hierzu finden sidi in den Akten des Reichsministers folgende Notizen (3154/D 670
186-88):
„Der Kanzler hat erklärt, daß er einen Brief an M[ussolini] schreiben werde und diesen
durch einen Spezialbevollmächtigten mit münd[lichen] Instruktionen nach Rom bringen
lassen werde, v. N[eurath] 25. 10."
„Der Herr Reichsminister wird heute nachmittag Herrn von Hassell telefonisch ver-
ständigen. [Völckers 25. 10.]"
„Ich habe den Botschafter von Hassell verständigt, v. N[eurath] 25. 10."
Für die weitere Entwicklung siehe Dokument Nr. 40.

19
7360/E 537 963-66
Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 240 vom 20. 10. LONDON, den 21. Oktober 1933 12 Uhr 28
Ankunft: 21. Oktober 3 Uhr 55
II F. Abr. 3454
Für Reichsminister persönlich und ausschließlich.
Simon bat mich heute zu sich *) und ersuchte mich um Unterstützung und
Rat zwecks Beseitigung der zwischen dem Reichsminister und ihm ent-
standenen persönlichen Differenz.2)
Er ausführte, Differenz zwischen den beiden Außenministern sei zunächst
sachlich unerwünscht und müsse aus allgemeinem politischem Interesse
beseitigt werden. Darüber hinaus sei es ihm aber auch angesichts mehr-
jähriger guter Beziehungen zwischen Reichsminister und ihm und häufigem
freundschaftlichem Verkehr von Haus zu Haus schmerzlich, daß die frag-
lichen Differenzen entstanden seien, die durchaus nicht zusammenstimmten
mit dem Ansehen und Vertrauen, das dem Reichsminister von englischer
Regierung und nicht zum mindesten von ihm selbst entgegengebracht werde.
Er wünsche das seinige zu ihrer Beseitigung beizutragen.
Sachlich habe er in der Tat Eindruck gehabt, als ob Reichsminister in
Genf, ohne allerdings irgendwelche Zusicherungen zu machen, in Frage

*(l) Ein Bericht Simons über die Unterredung, der am 20. Oktober Botschafter Phipps über-
mittelt wurde, ist abgedruckt in Documents on British Foreign Pollcy, 2. Serie, Bd. V,
Nr. 475.
(2) Siehe Dokument Nr. 13.

30
Nr. 19 20. OKTOBER 1933

Zweiteilung Konvention und Musterwaffen eine entgegenkommendere


Sprache geführt habe 3 ) als Bismarck in Ausführung seiner Instruktion
vom 6. Oktober. 4 ) Dies habe er dementsprechend Bismarck und später am
10. Oktober mir gegenüber zum Ausdruck gebracht.5) öffentlich habe er
aber nichts über diesen vermeintlichen Unterschied verlauten lassen und
sich auch in seiner Rede in Genf am 13.6) Oktober absichtlich jeder Er-
wähnung Deutschlands enthalten. Reichsminister habe darauf in seiner
öffentlichen Darlegung den deutschen Standpunkt gegen ihn polemisiert,7)
was er zwar bedauert, aber begreift, da es ja Reichsminister darauf hätte
ankommen müssen, deutschen Standpunkt in möglichst umfassender und
wirkungsvoller Weise darzulegen. Ihm sei es andererseits unmöglich ge-
wesen, Ausführungen Reichsministers unbeantwortet zu lassen, da er sonst
einem Kreuzfeuer von Anfragen und Anwürfen ausgesetzt gewesen wäre
und sich auf eine peinliche, in ihren Auswirkungen möglicherweise sehr
unerfreuliche Debatte nach Zusammentritt Parlaments hätte gefaßt machen
müssen. Die Berliner Repliken 8 ) hätten dann wie eine Fortsetzung der
Kontroverse gewirkt, die er eben jetzt beizulegen wünsche und hoffe, daß
damit das alte Verhältnis zwischen Reichsminister und ihm wiederherge-
stellt werde.
Habe es sich bei den vorstehenden Divergenzen um bedauerliche Mißver-
ständnisse gehandelt, so sei der gegen ihn erhobene Vorwurf, daß er
Amerika falsch informiert habe,9) geeignet gewesen, ihn zu verletzen. Er
habe sofort Ermittlungen vorgenommen und festgestellt, daß eine direkte
Unterrichtung Washingtons oder eine Informierung hiesigen amerika-
nischen Botschafters10) nicht stattgefunden habe. Zwar habe er franzö-
sischen Botschafter n ) und italienischen Geschäftsträger 12 ) kurz ins Bild
gesetzt, Amerika aber sei englischerseits nur durch eine Mitteilung Cado-
gans an Norman Davis unterrichtet worden, die sich als überflüssig er-
wiesen habe, da Norman Davis Cadogan erklärt habe, Weizsäcker habe
ihm soeben die Instruktion an Bismarck vorgelesen.13) Er fühle sich also
(3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 447.
(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 480, Anm. 5.
(5) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 486.
(6) Randbemerkung: „14.?" - Der Hinweis bezieht sich offenkundig auf eine Rede, die
Simon am 14. Oktober auf einer Sitzung des Büros der Abrüstungskonferenz gehalten
hatte. Der Text der Rede ist abgedruckt in S.d.N., Conference pour la Reduction et la
Limitation des Armements, Actes, Serie C, Bd. II, S. 181-83.
(?) Siehe Dokument Nr. 8, Anm. 1.
(8) Siehe Dokument Nr. 13.
(8) Neurath hatte in seiner Rede am 16. Oktober (siehe Dokument Nr. 8, Anm. 1) erklärt:
„Unsere Instruktion nach London vom 6. Oktober wurde in so mißverständlicher Form
nach Washington weitergegeben, daß dort der Eindruck entstand, wir hätten neue, die
Konferenz gefährdende Forderungen erhoben. In Washington erfolgte daraufhin eine
offiziöse Verlautbarung, in der gesagt wurde, die Regierung der Vereinigten Staaten
sei durch den Berliner Vertrag von 1921 Mitunterzeichner der Abrüstungsbestimmungen
des VersaiUer Vertrages geworden und fühle sich deshalb berechtigt, in Deutsehland
Vorstellungen gegen die deutschen Forderungen zu erheben." Siehe auch Foreign
Relations ol the United States, 1933, Bd. I, S. 240-45.
• (10) Bingham.
*(il) Corbin.
• (12) Botschaftsrat Vitetti.
(13) Siehe Foreign Relations oi the Uniled States, 1933, Bd. I, S. 238-40.

31
Nr. 19 20. OKTOBER 1933

bezüglich des Vorwurfs tendenziöser Unterrichtung Washingtons unschul-


dig, da eben, abgesehen von dem Besuch Cadogans bei Norman Davis,
überhaupt keine Unterrichtung erfolgt sei.
Er ergreife gern die Initiative zur Beilegung der entstandenen persön-
lichen Differenz und hoffe sehr, daß auf diese Weise der Streitfall aus der
Welt geschafft werden würde.
Ich bemerkte, mir sei bekannt, daß Reichsminister nicht beabsichtige,
Kontroverse weiterzuführen, wie er ja auch schon auf Rundfunkrede Simons
nicht mehr persönlich geantwortet, sondern dies der Presse überlassen habe.
Im übrigen zusagte ich Übermittlung Mitteilungen Simons, nachdem ich
ihren Inhalt nochmals festgelegt hatte.
Gespräch glitt dann auf Sachlage selbst über, nachdem ich unter Zu-
stimmung Simons ausdrücklich erklärt hatte, daß natürlich von Verhand-
lungen gegenwärtig zwischen uns keine Rede sein könnte. Ich vorhielt
Simon nochmals ganzes Sündenregister englischer Politik: Nichtbeteiligung
Deutschlands an Vorverhandlungen, Abgleiten von Dezember-Verein-
barung,14) Preisgabe MacDonald-Plans,15) Abringen unseres großen Zuge-
ständnisses der Umformung Reichswehr mit nachträglicher Nichterfüllung
der verheißenen Gegenleistung einer sofortigen allgemeinen, insbesondere
französischen Abrüstung, Absurdität der Zumutung einer Prüfungsperiode
mit de facto einseitiger Kontrolle Deutschlands, Verunstaltung Gleich-
berechtigungsprinzips durch Berücksichtigung neuer französischer Sicher-
heitswünsche und Begründung dieses ganzen Abrutschens mit der durch
deutsche Umwälzung geschaffenen Lage. Nachdem Simon Verteidigungs-
versuch unter Hinweis darauf gemacht hatte, daß englischer Ansicht nach
MacDonald-Plan nicht aufgegeben sei, daß er sich nicht auf vierjährige
Dauer Vorperiode eingelassen habe, und daß es seine Absicht gewesen sei,
Frankreich auf substantielle Abrüstungsmaßnahmen in zweiter Periode fest-
zulegen und ihm Entscheidung über Gelingen erster Periode durch Zu-
weisung dieser Entscheidung an ein Kollektivorgan zu entziehen, betonte
Minister, er habe Dezember-Vereinbarung der fünf Mächte mit eigener
Hand unterschrieben und festhalte mithin an Zugeständnis der „egalite
des droits dans un regime de securite". Auf dieser Basis werde er auch
weiterarbeiten mit dem ehrlichen Bemühen, doch eine Einigung herbeizu-
führen. Die Gestaltung der Dinge in Deutschland würde dabei keine Rolle
spielen, da England sich grundsätzlich nicht in die inneren Angelegenheiten
eines anderen Landes einmischen wolle.
Am Schluß Unterhaltung, die von Simon mit dem offensichtlich aufrich-
tigen und sehr eindringlichen Bestreben nach Beseitigung persönlicher
Differenz geführt wurde, meinte Minister, er habe nun Hand zur Beilegung
Verstimmung geboten, könne diese aber ja nicht einseitig beseitigen. Dabei
ließ er durchblicken, daß es ihm lieb wäre, wenn Reichsminister ihm etwa
in einem persönlichen Brief mitteilen würde, daß er persönliche Verstim-
mung als beigelegt ansehe.
HOESCH

(14) Siehe Serie C, Bd. 1,1, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 8, S. 18.
(15) Siehe Serie C, Bd. 1,1, Dokument Nr. 90.

32
Nr. 20 21. OKTOBER 1933

20
6114/E 454 094-95
Aulzeichnung des Gesandtschaltsrats Hülter')
Eilt sehr BERLIN, den 21. Oktober 1933
Geheim e. o. II Oe. 1706
AUFZEICHNUNG

Landesinspekteur Habicht rief mich soeben telefonisch aus München an


und bat mich, dem Herrn Reichsminister von seinen weiteren Verhand-
lungen Kenntnis zu geben.2) Heute seien bei ihm zwei Abgesandte von
Dollfuß (Abgeordnete) gewesen,3) die sich im ausdrücklichen Auftrag von
Dollfuß über Habichts österreichische Pläne informiert hätten und denen er
in der hier besprochenen Weise Aufklärung gegeben habe. Die Herren
hätten betont, es sei Dollfuß besonders darum zu tun, zu einer Bereinigung
seines Verhältnisses mit dem Deutschen Reich zu kommen. Es fiele Dollfuß
natürlich schwer, dem Reich gegenüber einen Canossa-Gang machen zu
müssen, und er möchte daher zunächst von Habicht wissen, ob eine Be-
teiligung der Nationalsozialisten an der Regierung auch automatisch eine
Bereinigung des Verhältnisses mit dem Deutschen Reich zur Folge habe.
Letzteres sei von Habicht den Herren gegenüber zugesichert worden. Die
beiden Herren reisten noch heute nach Wien zurück mit dem von ihnen
selbst ausgehenden Vorschlage an Dollfuß, Herrn Habicht in den nächsten
14 Tagen auf Grund eines Geleitbriefs nach Wien kommen zu lassen, um
persönlich mit Dollfuß zu verhandeln.
Die betreffenden Herren hätten ebenfalls wieder die Frage angeschnitten,
ob es wünschenswert sei, daß Dollfuß vorher direkt mit den hiesigen
Reichsstellen eine Verbindung herstelle, was von ihm, Habicht, aber als
*(l) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. V[ölcker]s 21. 10."
• (2) Für frühere Verhandlungen zwischen Habicht und der Heimwehr-Vertretung in der
österreichischen Regierung siehe Serie C, Bd. 1.2, Dokument Nr. 497 und Anm. 1 dazu,
über die in dem vorliegenden Dokument behandelten Anfänge der Verhandlungen mit
Dollfuß konnten im Archiv des Auswärtigen Amts Akten nicht ermittelt werden. Es
gibt hierüber jedoch eine ausführliche veröffentlichte Darstellung von Franz Langoth,
der Mitglied der Großdeutschen Partei und Abgeordneter im oberösterreidiischen
Landtag war. Langoth war einer der beiden in der Vorlage genannten „Abgesandten
von Dollfuß". Der zweite war Hermann Foppa, Vorsitzender der Großdeutschen Partei
und Mitglied des österreichischen Nationalrats (siehe auch die Dokumente Nr. 35 und
71). Nach Langoths Darstellung waren er und Foppa in einer Unterredung in Marga-
rethenbad (Tschechoslowakei) am 27. September 1933 von Habicht ermächtigt worden,
.gegebenenfalls für die ganze Kampffront mit Kanzler Dollfuß in Verhandlungen zu
treten, soferne sich solche ergeben". Am 13. Oktober hatten Langoth und Foppa sidi zu
einer zweistündigen Unterredung bei Dollfuß eingefunden und mit diesem Möglich-
keiten einer Verständigung mit den Nationalsozialisten erörtert. Dollfuß hatte seine
beiden Gesprächspartner aufgefordert, einen direkten Kontakt zu Hitler und Heß her-
zustellen, sich jedoch ablehnend gegen Verhandlungen mit Habicht und die Landes-
leitung der österreichischen NSDAP in München geäußert. Abschließend hatte Dollfuß
seinen Standpunkt dargelegt und sieh bereit erklärt, für die ungehinderte Ausreise
Langoths und Foppas nach Deutschland Sorge zu tragen. Siehe Langoth, Kampt um
Österreich, S. 120-32. Siehe auch Dokument Nr. 35.
(3) Nach Langoths Darstellung fand diese Unterredung am Nachmittag des 20. Oktober
in München statt. Siehe Langoth, Kampt um Österreich, S. 132-36.

33

II,1 Bg. 3
Nr. 21 22. OKTOBER 1933

unnötig bezeichnet worden sei. - Habicht sagte mir weiterhin, daß er im


übrigen alles tue, um die außerordentlich aussichtsreichen Verhandlungen
nicht von seiner Seite durch irgendwelche Unvorsichtigkeiten zu stören. So
habe er heute seine sämtlichen Gauleiter nach München zusammenberufen
und ihnen in schärfster Form erklärt, daß er sie persönlich dafür haftbar
mache, daß auch nicht der geringste Zwischenfall in Österreich in den näch-
sten Wochen passiere. Gute Absicht oder guten Willen lasse er in Zukunft
nicht mehr gelten; er würde gegen jeden, der nicht pariere, in schärfster
Weise vorgehen.
Im übrigen bat Herr Habicht, seitens des Auswärtigen Amts alles zu ver-
meiden, was etwa die Österreicher als Stärkung ihrer Stellung auslegen
könnten. Er seinerseits wolle mich genauestens über seine Verhandlungen
auf dem laufenden halten,4) um mit dem AA völlig konform gehen zu
können.
Hiermit über Herrn MD Köpke und den Herrn Staatssekretär dem Herrn
Reichsminister gehorsamst vorgelegt.
HÜFFER

(4) Siehe Dokument Nr. 35.

21
9447/E 666 736-37
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 22. Oktober 1933
Heute rief mich der Ministerialdirigent Fischer im preußischen] Innen-
ministerium (Staatspolizei) an und teilte mir folgendes mit:
In den letzten Tagen habe er mit der russischen Botschaft Verhand-
lungen wegen Beilegung des durch die Verhaftung der russischen] Jour-
nalisten entstandenen Zwischenfalles1) geführt. Mit Zustimmung des
Reichskanzlers und des Ministerpräsidenten Göring sei abgemacht worden,
daß die Vertreter der Tass 2) und der Iswestija3) zu dem Reichstagsbrand-
prozeß zugelassen werden sollten, wenn der russische] Botschafter4) die
Zusicherung gebe, daß die Berichterstattung rein objektiv bleibe, und wenn
ferner die bereits gegebene Zusicherung, daß der russische] Sender seine
antideutsche Hetze unterlasse, weiterhin einhalte [sie]. Endlich, daß die aus-
gewiesenen deutschen Journalisten sofort wieder in Rußland zugelassen
würden. Diese Zusicherung habe der russische] Botschafter gegeben. Dar-
aufhin habe der Senat des Reichsgerichts die Zulassung der beiden
russischen] Journalisten beschlossen. Die Karten liegen bereit und sollten
morgen ausgehändigt werden.

(1) Siehe Dokument Nr. 12 und Anm. 9 dazu


• (2) Bespalow.
• (3) Keith.
• (4) Chintschuk.

34
Nr. 22 22. OKTOBER 1933

Ich äußerte mein Erstaunen über dieses Vorgehen der Staatspolizei und
fragte, wie er dazu komme, mit dem russischen] Botschafter direkt zu ver-
handeln. Fischer erklärte, er habe dies auf Weisung Görings getan, weil die
Staatspolizei ja durch die ungerechtfertigte Verhaftung der beiden Russen
an dem ganzen Zwischenfall schuldig sei. Göring habe gesagt, die Sache
müsse in Ordnung gebracht werden. Die deutsch-russischen Beziehungen
ertrügen keine solche Belastung.
Ich sagte darauf Herrn Fischer folgendes: Die Aushändigung der Karten
an die russischen] Journalisten dürfe nicht erfolgen, ehe ich oder mein
Vertreter eine Aussprache mit dem russischen] Botschafter gehabt hätte. Es
handle sich hier um die Erledigung eines politischen Zwischenfalls mit
seinen Konsequenzen, der auf dipIomat[ischem] Wege beigelegt werden
müsse.
Eine Ermächtigung, die Karten an die Journalisten auszuhändigen, erhalte
er von mir erst, nachdem ich die Angelegenheit noch einmal nachgeprüft
hätte, frühestens am Dienstag 5 ) morgen.
v. N[EURATH] 6)
• (5) 24. Oktober.
(«) Bei der Vorlage befindet sich folgende Notiz Neuraths (9447/E 666 734-35): „22. Okt.
St.S.: Ich bitte entweder den russischen] Botschafter kommen zu lassen u. mit ihm die
Angelegenheit zu besprechen oder Meyer zu beauftragen, damit die Sache in unserem
Sinn erledigt wird. Neurath."
Siehe auch Dokument Nr. 34 und Anm. 3 dazu.

22
5865/E 429 478-81
Der Gesandte in Sofia Rümelin an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath
Vertraulich SOFIA, den 22. Oktober 1933
II Balk. 2236 B.
Sehr verehrter, lieber Baron Neurath,
am Freitag, dem 20. Oktober, ließ mich der König ins Palais rufen, wo
ich zwei Stunden bei ihm war. Da er das immer tut, wenn ich von Berlin
komme, so nahm ich an, daß er sich auch dieses Mal von meinen Berliner
Eindrücken erzählen lassen wolle. Die erste Stunde unserer Unterhaltung
galt aber ausschließlich der auswärtigen Politik. Ich will versuchen, in mög-
lichst komprimierter Form das, was er sagte, wiederzugeben. Der Schwer-
punkt seiner Ausführungen galt der Reise, die er nach der Schweiz, Italien,
Frankreich und England gemacht hat.1) Während des Kuraufenthalts der
Königin 2 ) in Ragaz hat er mit dem Bundespräsidenten Schulthess und Motta

*(l) Die Reise König Boris' III. von Bulgarien hatte in der ersten Hälfte des September 1933
stattgefunden.
• (2) Ioanna.

35
Nr. 22 22. OKTOBER 1933

gesprochen. Den ersteren bezeichnete er als guten Wirtschaftler, während


er von Motta ausführlicher sprach, den er als guten Außenminister und
gründlichen Kenner des Genfer Milieus bezeichnete, auch als überzeugten
Neutralen. Motta habe ihm gesagt, daß die Außenpolitik Bulgariens, im
besonderen die Tendenz, sich aus allen Kombinationen herauszuhalten, die
einzig richtige sei. Motta habe direkt gewarnt, die bisherige Linie zu ver-
lassen.
In Italien hat er bei seinen Schwiegereltern 3 ) längere Unterhaltungen
mit Mussolini gehabt, dem er offen seine Absicht mitteilte, bei nächster
Gelegenheit sich mit dem rumänischen König 4 ) und auch mit dem jugo-
slawischen König 5 ) zu treffen. Der letztere Plan scheint zu einer lebhaften
Auseinandersetzung mit Mussolini geführt zu haben, wobei der König dem
Duce sagte, er habe keine Lust, bei seinen Nachbarn beständig als eine Art
„Führer der Komitadschis" hingestellt zu werden, der einer friedlichen An-
näherung der Balkanstaaten entgegenstehe. Mussolini solle nicht mehr ver-
langen als ein nach allen Seiten unabhängiges Bulgarien. Italien mache es
sich leicht. Es bezeichne sich als Feind Jugoslawiens, aber es sei der größte
Abnehmer jugoslawischer Erzeugnisse, während Bulgarien an wirtschaft-
licher „Asphyxie" zu Grunde gehe. Auch wies er Mussolini auf die
ungünstige Verteidigungslage Bulgariens hin. Mussolini, von dessen Politik
der König schließlich direkt einräumte, daß sie dazu neige, Bulgarien als
„Handelsobjekt" zu behandeln, habe schließlich keine Einwendungen mehr
gegen diese Darlegungen gemacht und sie schweigend angehört.
In England sei er von seinem Onkel, dem König Georg, sehr herzlich aufge-
nommen worden, dem es gesundheitlich nicht gut gehe und der ihn auch auf
der Jagd nicht habe begleiten können. Für die bulgarische Politik habe er
bei dem König volles Verständnis gefunden, ebenso bei Ramsay Mac-
Donald. über die Stellung des derzeitigen Kabinetts zu Deutschland sagte
er, daß Ramsay MacDonald der einzige Mann im Kabinett sei, der gegen
die volle Wiederherstellung der Entente mit Frankreich wie in der unmittel-
baren Nachkriegszeit sich einigermaßen wehre. Die übrigen Minister, dem
Beispiel des Außenministers 6) folgend, bliesen ins gegnerische Hörn. Der
König bat mich, ganz offen sprechen zu dürfen. Die Gegnerschaft komme
nicht von der politischen Struktur unseres Vaterlandes von heute, und sie
gelte noch weniger der Person des Führers, dessen besonnene und vernünf-
tige Außenpolitik anerkannt werde, sondern der Schwerpunkt der Gegner-
schaft liege in der Judenfrage.
Von dem Pariser Aufenthalt sprach der König nur kurz. Die Atmosphäre
war natürlich kühler als in London. Daladier schilderte der König als ernsten
und vernünftigen Mann, der im Unterschied zu manchen seiner Vorgänger
nicht in Phrasen mache und Deutschland gegenüber wenigstens kein
Fanatiker sei. Er selbst habe ihm - Daladier - gesagt, sein Ziel sei die Er-
haltung der Unabhängigkeit Bulgariens, wie es heute sei, und es würde im
Balkan besser aussehen, wenn die Nachbarn wenigstens ihrerseits die

*(3) König Vittorio Emanuele III. und Gattin Elena


• (*) CarolII.
• (5) Aleksandar I.
• («) Simon.

36
Nr. 22 22. OKTOBER 1933

Friedensverträge ausführen würden, womit dann das Thema der Minori-


täten von selbst gegeben war. Die Stimmung uns gegenüber in militärischen
Kreisen Frankreichs sei uns ja bekannt.
Der König sagte dann, daß sein Aufenthalt in London am Ende der Reise
sehr wenig gemütlich gewesen sei. Er habe auf die Rückkehr des Prinzen
von Wales 7 ) vier Tage warten müssen, den er nach dreiundzwanzig Jahren
einmal wieder habe ausführlich sprechen wollen, da er ja, so wie die Dinge
lägen, sehr bald auf den Thron kommen könne. Inzwischen hätten seine
Leute bei dem politisch in gar keiner Weise vorbereiteten Türkenbesuch 8)
nach verschiedenen Seiten hin einen Übereifer an den Tag gelegt, der ihm
politische Sorgen darüber bereitet hätte, ob man auch in Sofia fest bleiben
und keine Voreiligkeiten machen würde. (Darüber berichte ich gelegentlich
noch mündlich.) Dazu seien dann noch die Nachrichten in der bulgarischen
und deutschen Presse gekommen, er würde nach Berlin kommen, obwohl
der Herr Reichspräsident gar nicht in Berlin gewesen wäre. Die Nachricht
sei von dem General Gantscheff und dessen Kamarilla lanciert worden, der
in der von ihm herausgegebenen Balkankorrespondenz - er sage das als
König, nicht als Sohn seines Vaters - die unschöne Tendenz verfolge, den
Anschein hervorzurufen, als sei die Deutschfreundlichkeit des alten Königs
waschechter als die des jungen. Der König hat sofort versucht, als er die
Nachricht und ihren Urheber erfuhr, sich mit Hoesch in Verbindung zu
setzen, der aber auf Urlaub war, um auch nur den Anschein zu vermeiden,
als schneide er das Deutschland von heute. Er hat dann mit Pomenoff tele-
fonisch gesprochen und sich außerdem mit seinem Schwager, dem Prinzen
Philipp von Hessen, in Verbindung gesetzt, der im Flugzeug zu ihm ge-
fahren ist und den er gebeten hat, den Herrn Reichspräsidenten und den
Herrn Reichskanzler über diese Geschichte ins Bild zu setzen.
Am Schluß der Audienz habe ich, ohne Sie irgendwie festzulegen, auf
meine Verantwortung den König vertraulich von den Reiseerwägungen
informiert, die Sie für das Frühjahr haben. (Ich habe mit ihm verabredet,
daß er auch mit dem Ministerpräsidenten 9 ) nicht darüber spricht.) Der König
sagte mir, daß ihm ein Besuch auf der Rückreise von Ankara 10) eigentlich
ziemlich gegeben scheine. Die gemeinschaftliche Kriegsepisode könnten wir
nicht „mit dem Radiergummi wegwischen", und das sei auch gar nicht nötig.
Im Gegenteil würde es nur auffallen, wenn Sie hier durchfahren würden,
ohne auszusteigen.
Die Aufnahme würde sicher sehr gut sein, und er würde sich auch persön-
lich freuen.
• (7) Edward.
(8) Der türkische Ministerpräsident Ismet Pascha und sein Außenminister Ruschdi Bei
waren am 20. September zu einem Staatsbesuch nach Sofia gekommen.
(») Musdianoff.
(10) Ein Besuch Neuraths in Ankara im Frühjahr 1934 wurde eine Zeitlang in Berlin
erwogen. Anfang März teilte der Reichsminister des Auswärtigen jedoch Botschafter
Rosenberg mit, daß die für Mai 1934 in Ankara vorgesehene Konferenz der Außen-
minister der Balkanpakt-Staaten es ihm unmöglich mache, der türkischen Hauptstadt
zu diesem Zeitpunkt einen Besuch abzustatten. Siehe Aufzeichnung ohne Unterschrift
vom 22. September 1933 (9565/E 673 582); Schreiben Rosenbergs an Neurath vom
1. Februar 1934 (9609/E 678 371-73); Schreiben Neuraths an Rosenberg vom 7. März
1934 (9609/E 678 378).

37
Nr. 23 24. OKTOBER 1933

über die Frage, ob der Besuch ein offizieller oder nicht offizieller sein
würde, haben wir in dem jetzigen Stadium der Erwägungen noch nicht
gesprochen. Persönlich neige ich mehr zu einem zwanglosen, inoffiziellen.
Die Aufnahme seitens aller Beteiligten wird in beiden Fällen gleich herzlich
sein.
Interessant war auch noch, daß der König, als er mich um V28 Uhr zur Tür
begleitete, mir noch sagte, er hätte heute abend noch einen gemeinschaft-
lichen bulgarischen Bekannten von uns bei sich, den er als „Mittler" be-
nützen wolle, um die in Universitätskreisen über sein Zusammentreffen mit
dem serbischen König n ) entstandene Erregung zu beschwichtigen! Der
beste Beweis, wie diese Dinge in Wirklichkeit stehen.
Zum Schluß bat der König um Grüße an Sie und auch an den Herrn
Reichspräsidenten, die ich hiermit übermittle.
Da dieser Brief an die Stelle eines Berichts tritt, sende ich in der Voraus-
setzung Ihres Einverständnisses eine Abschrift an Herrn von Bülow.
Mit schönsten Grüßen und Empfehlungen stets Ihr
E. RÜMELIN

[P.S.] Für unseren Standpunkt in Sachen Völkerbund zeigt der König durch-
aus Verständnis.
(11) Am 3. Oktober war König Boris in der Nähe von Varna mit dem jugoslawischen
Königspaar zusammengetroffen, das auf dem Wege zu einem Besuch des türkischen
Präsidenten Kemal in Konstantinopel bulgarisches Staatsgebiet durchquerte.

23
3154/D 670 182-83
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 24. Oktober 1933
RM. 1472
Der Herr Reichskanzler empfing heute morgen in meiner Gegenwart den
neuen englischen Botschafter. Im Laufe der einstündigen Unterhaltung, in
welcher der Reichskanzler dem Botschafter eingehend die Gründe für unseren
Austritt aus der Abrüstungskonferenz und dem Völkerbund darlegte, verlas
Sir Phipps ein Telegramm des englischen Außenministers 1 ), in dem unge-
fähr gesagt war: 2 ) die englische Regierung bedauere unseren Rücktritt von
den beiden Institutionen und könne die dafür angegebenen Gründe nicht als
stichhaltig anerkennen. Sie hoffe aber, daß damit die Türe nicht zuge-
schlagen sei und daß wir baldigst wieder zur Mitarbeit bereit wären. Der
Reichskanzler versuchte, dem englischen Botschafter auseinanderzusetzen,
daß man in England offenbar noch immer nicht begriffen habe, wie die

• (i) Simon.
(2) Siehe Documents on British Foreign Policy, 2. Serie, Bd. V, Nr. 482.

38
Nr. 24 24. OKTOBER 1933

Dinge stünden. Er erklärte: es gebe zwei Möglichkeiten, um weiterzukom-


men, entweder die Abrüstung der andern oder die Aufrüstung Deutschlands.
Nach dem bisherigen Verlauf der Dinge sei ganz klar, daß die hochgerüste-
ten Staaten nicht abrüsten wollten und nicht abrüsten könnten. Es bleibe
also eigentlich nur der andere Weg, daß man nämlich Deutschland gestatte,
sich insoweit mit einer Rüstung zu versehen, daß es wenigstens in der Lage
sei, sich gegen Angriffe zu wehren. Auf die Frage des englischen Botschaf-
ters, welches danach die Wünsche Deutschlands seien, erwiderte der Kanz-
ler, er könnte sich etwa folgende Abmachungen denken: die hochgerüsteten
Staaten verabreden unter sich in bindender Weise, daß sie ihren jetzigen
Rüstungszustand nicht erhöhen wollen. Deutschland seinerseits wird die Auf-
stellung eines Heeres von 300 000 Mann mit einjähriger Dienstzeit zuge-
standen und außerdem die Anschaffung der dafür notwendigen Waffen.
Deutschland verzichtet auf alle schweren Waffen, insbesondere die Artillerie
über 15 cm, auf Tanks über 6 t und auf Bombenflugzeuge. Zu begrüßen wäre
ferner eine Abmachung über die Nichtanwendung von Giftgasen gegen die
Zivilbevölkerung und über das Verbot zum Abwurf von Fliegerbomben in
einem Abstand von 30 km hinter der Gefechtsfront. Eine solche Konvention
könnte etwa auf 8 Jahre abgeschlossen werden.
Der Kanzler betonte nochmals, daß Deutschland auf keinen Fall irgend-
welche Abmachungen unterzeichnen würde, die ihm nicht die Gleichberech-
tigung zugestehen.3)
v. N[EURATH]
(3) Berichte Phipps' über die Unterredung sind abgedruckt in Documents on British
Foreign Policy, 2. Serie, Bd. V, Nr. 485 und 489.

24
6609/E 497 277
Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Cito MOSKAU, den 24. Oktober 1933 14 Uhr 35
Nr. 239 vom 24. 10. Ankunft: 24. Oktober 14 Uhr 55
IV Ru. 4701
Für Botschafter v. Dirksen.
Unser Freund J) herbeiführte gestern Unterredung. Er hält Atmosphäre
gegenüber Deutschland durch das Ausbleiben neuer Zwischenfälle, letzte
Maßnahme Reichsregierung sowie vor allem durch den Notenwechsel mit
Roosevelt 2 ) neuerdings für so beruhigt, daß es jetzt nur kleinen Anstoßes

(1) Die hier angesprochene Person konnte nicht identifiziert werden. Siehe auch Serie C,
Bd. 1,2, Dokument Nr. 477.
(2) Dieser Hinweis bezieht sich auf einen Briefwechsel zwischen Roosevelt und Kalinin vom
10. bzw. 17. Oktober. Siehe Foreign Relations ot the United States, The Soviet Union,
1933-1939, S. 17-18.

39
Nr. 25 24. OKTOBER 1933

bedürfe, um Gespräch über Liquidierung Zerwürfnisses erfolgreich zu be-


ginnen. Endgültige Konfliktsbeendigung ohne Litwinow kaum möglich.
Immerhin erscheint es Freund wünschenswert, daß keine Zeit verloren
werde und daß Gelegenheit Ihrer Abschiedsbesuche 3) dazu benutzt wird,
Faden wieder anzuspinnen. Nadolny soll dann vielleicht durch die Unter-
zeichnung eines kleinen Protokolls Streitaxt endgültig begraben.
Da Molotow Ankara-Reise aufgegeben hat und unser Freund seine Ver-
mittlung ausdrücklich zur Verfügung stellt, hielt ich es für erforderlich,
diese Ideen Ihnen noch vor Ihrer Abreise aus Berlin zur Kenntnis zu
bringen.
TWARDOWSKI
(3) Siehe hierzu Dokument Nr. 14.

25
2860/D 562 580-81
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 24. Oktober 1933
RM. 1473
Ich habe heute den russischen Botschafter empfangen, um mit ihm die
Frage der Beilegung des deutsch-russischen Konflikts zu erörtern. 1 ) Ich habe
mich bei meinen Darlegungen an die anliegende Aufzeichnung 2 ) gehalten.
Der Botschafter äußerte sich sehr befriedigt darüber, daß die Angelegenheit,
die ihm außerordentlich unangenehm sei, nunmehr eine Regelung erfahren
soll. Er sagte zu,
1) daß der Moskauer Rundfunk und die Moskauer offiziöse Presse sich
jeder Einmischung in innerdeutsche Verhältnisse und jeder aggressiven
Tendenz gegenüber der deutschen Regierung und ihren maßgebenden Ver-
tretern enthalten werden. Er betonte, daß dies auf seine Veranlassung
bereits seit etwa 10 Tagen der Fall sei;
2) die deutschen Journalisten würden selbstverständlich wieder zuge-
lassen;
3) die russischen Journalisten würden ihre Tätigkeit in Deutschland
wieder aufnehmen. Bezüglich des Wiedererscheinens der Frau Keith 3 )
müsse er allerdings den Vorbehalt machen, daß sie gleichfalls zugelassen

(1) Siehe Dokument Nr. 21.


(2) Aufzeichnung Meyers vom 23. Oktober (9447/E 666 752-53), in der die in Unterredungen
mit Chintschuk über den Journalistenkonflikt sich empfehlende Verhandlungslinie
skizziert wurde.
(3) Meyer empfahl in seiner Aufzeichnung (siehe Anm. 2), der sowjetische Botschafter solle
informiert werden, daß es deutscherseits begrüßt werden würde, „wenn die russischen
Journalisten wieder in Deutschland ihre Tätigkeit aufnehmen würden, wobei wir aller-
dings davon ausgingen, daß ein Wiedererscheinen von Frau Keith nicht in Frage käme".
Siehe auch Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 455.

40
Nr. 26 25. OKTOBER 1933

werde. Er verspreche jedoch, dafür zu sorgen, daß Frau Keith etwa in einem
Monat aus Deutschland verschwinde.
Es wurde verabredet, daß ein gemeinschaftliches Kommunique über die
Beilegung des Konflikts verfaßt und daß vorher nichts darüber in die Presse
gegeben werde.
v. N[EURATH]

26
7467/H 178 926-27
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Frohwein
BERLIN, den 25. Oktober 1933
e. o. II F. Abr. 3476
VERMERK

Ich habe Herrn General Schönheinz über den Inhalt der Unterredung
zwischen dem Herrn Reichskanzler und dem britischen Botschafter') vom
24. d. M. (RM. 1472 2)) verständigt. Er erklärte, die Tatsache, daß der Kanzler
dem englischen Botschafter ein neues Abrüstungsprogramm entwickelt habe,
sei ihm völlig neu. Zu dem Inhalt des Programms bemerkte er, solche Er-
wägungen hätten zwar im Reichswehrministerium geschwebt und seien viel-
leicht auch zwischen dem Herrn Reichskanzler und dem Reichswehrmini-
ster 3 ) einmal erörtert worden. Es habe sich aber seines Wissens dabei
nicht um etwas Endgültiges gehandelt, Auch habe er seither immer ange-
nommen, daß vor dem 12. November 4 ) dieses Programm nicht nach außen
mitgeteilt werden solle. Zu den Einzelheiten, insbesondere darüber, ob der
Kanzler einen einseitigen Verzicht Deutschlands auf schwere Waffen
(Artillerie über 15 cm, Tanks über 6 t und Bombenflugzeuge) im Auge habe
oder ob dieser Verzicht unter der Voraussetzung der Abschaffung der
schweren Angriffswaffen auch durch die anderen Staaten gedacht ist, konnte
mir General Schönheinz nichts sagen.
Ich darf bemerken, daß die Äußerungen des Kanzlers über das Verbot
der Verwendung von Giftgasen gegen die Zivilbevölkerung und das Verbot
des Abwurfs von Fliegerbomben in einem Abstand von 30 km hinter der
Gefechtsfront hinter dem zurückbleiben, was bereits auf Grund der Ver-
handlungen der Abrüstungskonferenz als angenommen angesehen werden
kann. Danach ist die Anwendung von Giftgasen schlechthin verboten, und
es war nur zweifelhaft, ob auch die Anwendung als Repressalie bei Über-
tretung des Verbots ausgeschlossen werden soll; außerdem sollte nach dem
MacDonald-Plan der Abwurf von Bomben nicht nur hinsichtlich einer be-
bestimmten Zone hinter der Gefechtsfront, sondern allgemein verboten wer-

• (i) Phipps.
(2) Dokument Nr. 23.
• (3) Blomberg.
• (4) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 3

41
Nr. 27 25. OKTOBER 1933

d e n und n u r A u s n a h m e n für die entfernt liegenden Gebiete gemacht wer-


den, wobei die Engländer hauptsächlich an die indischen Grenzverhältnisse
denken.
FROHWEIN

[ANMERKUNG DER HERAUSGEBER: Am 25. O k t o b e r 1933 erließ Reichswehr-


minister v o n Blomberg a n die Chefs d e r Heeres- u n d Marineleitung sowie
an den Reichsminister für Luftfahrt eine Weisung, die „die G r u n d l a g e für
die Vorarbeiten d e r Wehrmacht für den Fall v o n Sanktionsmaßnahmen
gegen Deutschland" bilden sollte. In dieser W e i s u n g hieß es, d a ß die wei-
t e r e Entwicklung d e r durch Deutschlands Austrittserklärung a u s d e m Völ-
kerbund und sein Verlassen der Abrüstungskonferenz geschaffenen außen-
politischen Lage dazu führen könne, „daß Sanktionsmaßnahmen gegen
Deutschland zur A n w e n d u n g gelangen". Nach einer Prüfung d e r Fragen,
welche Staaten möglicherweise zu Sanktionen schreiten w ü r d e n u n d wel-
cher Art diese Sanktionen sein könnten, wurde in d e r W e i s u n g festgestellt:
„In erster Linie m u ß mit einer Besetzung deutschen Landgebietes gerechnet
werden". Die Reichsregierung sei gewillt, Sanktionen, „die eine Verletzung
des deutschen Hoheitsrechtes darstellen, [...] o h n e Rücksicht auf militäri-
sche Erfolgsaussicht örtlich bewaffneten W i d e r s t a n d entgegenzusetzen". So-
d a n n folgte eine Zusammenstellung d e r für Heer, M a r i n e und Luftwaffe zur
Durchführung des bewaffneten W i d e r s t a n d s ins A u g e gefaßten „organsato-
rischen Notwehrmaßnahmen". Der Text der W e i s u n g ist abgedruckt in Der
Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, Dokument Nr. 140-C, Bd. XXXIV,
S. 487-91.]

27
7811/E 566 630
Botschaitsrat Forster (Paris) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 848 vom 25. 10. PARIS, d e n 25. O k t o b e r 1933
Ankunft: 25. Oktober 17 U h r 20
II Fr. 3141
Für Min.Dir. Köpke persönlich.
Für d e n Fall, daß Daladier als Kriegsminister oder Außenminister in
n e u e s Kabinett eintreten sollte, 1 ) möchte ich empfehlen, daß er v o n deut-
scher Presse zwar freundlich begrüßt, seine Bereitschaft zur V e r s t ä n d i g u n g
mit Deutschland aber nicht zu stark betont wird. A b s t e m p e l u n g als Verstän-
digungsmann durch deutsche Presse w ä r e geeignet, ihm hier innerpolitische
Schwierigkeiten zu bereiten und ihn gegebenenfalls bei v o n u n s a n g e s t r e b -
ter außenpolitischer Aktion zu hemmen.

• (i) Daladier trat als Kriegsminister in das am 26. Oktober gebildete Kabinett Sarraut ein.

42
Nr. 28 25. OKTOBER 1933

Dabei erscheint es mir selbstverständlich, daß unsachliche Beurteilungen


und Bemerkungen, die ihn verletzen oder reizen könnten, zu vermeiden
sind.2)
FORSTER

(2) Randbemerkung: „Die Angelegenheit ist mit H[err]n Aschmann besprochen worden."

28
5737/H 028 762-67
Der Botschalter in Rom von Hassell an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath
ROM, den 25. Oktober 1933
Ankunft: 30. Oktober
zu II It. 1264 •)
Lieber Neurath,
eine wachsende Sorge über die Entwicklung der deutsch-italienischen Be-
ziehungen veranlaßt mich heute, noch einmal auf diesen Punkt zurückzu-
kommen.2) Ich glaube, alles Grundsätzliche und alles Wichtige, was ich
dazu zu sagen habe, in den Stichworten vom September 3 ) und dem daran
anschließenden Bericht Nr. I 1520 vom 6. Oktober d. J.4) dargelegt zu haben.
Aus beiden geht hervor, daß ich weit davon entfernt bin, von einer deutsch-
italienischen Front oder dergleichen zu träumen oder geträumt zu haben.
Im Gegenteil: Ich sehe die Grundursache der in letzter Zeit ungünstigen
Entwicklung, soweit unsere Seite in Frage kommt, in der maßlosen Über-
schätzung Italiens als Freund, der sich manche Kreise, besonders unmittel-
bar nach dem März 1933, hingegeben haben, und in gewissen Vorgängen,
die sich auf Grund dieser falschen Einsteilung bald danach, besonders aus
Anlaß der österreichischen Angelegenheit, ereignet haben. Wovor ich aber
nochmals auf das allerdringendste warnen möchte, das ist eine in das Gegen-
teil überschlagende Reaktion. Bei unserer außenpolitischen Lage können
wir m. E. kaum einen schwereren Fehler machen als den, die politische
Wichtigkeit Italiens für uns zu verkennen. Bei unserer in gewissem Grade
unvermeidlichen, wenn auch unnötig verschärften Isolierung bleibt Italien
nach wie vor das einzige große Land, das uns gegenüber eine einigermaßen
freundliche Haltung zeigt und das mit uns in einer entscheidenden Frage
durch ein gemeinsames politisches Interesse verbunden ist, das Interesse
nämlich, die Vormachtstellung Frankreichs zu beseitigen und eine Art
Gleichgewicht in Europa herzustellen. Es wäre m. E. nicht zu verantworten,
wenn wir dieses gemeinsame Interesse infolge der oben angedeuteten
gefühlsmäßigen Reaktion vernachlässigen würden. Ich kann mich des Ein-

(1) II It. 1264: Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 485.


(2) Randbemerkungen: „Eine unnötige Predigt, v. N(eurath]". „RM will H[erm] v. Hassell
vorläufig nicht nach Berlin kommen lassen. B[ülow] 30. 10."
(3) Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 448.
• («) Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 485.

43
Nr. 28 25. OKTOBER 1933

drucks nicht erwehren, daß Mussolini nicht ganz unrecht hat, wenn er meint,
in Deutschland scheine man manchmal eine Art Pflicht Italiens zu statuieren,
uns in der Abrüstungsfrage usw. durch dick und dünn zu unterstützen. In
Wahrheit besteht natürlich keine Pflicht, wohl aber ein reales italienisches
Interesse an einem gewissen Rüstungsausgleich in Europa; und wenn es
richtig ist, daß die italienischen Delegationen in Genf wiederholt und viel-
leicht auch zuletzt nicht so gearbeitet haben, wie wir es wünschten, so bleibt
doch unbedingt bestehen, daß Mussolini der einzige ist, der in der Ab-
rüstungsfrage in der großen Linie mit uns übereingestimmt und unsere In-
teressen gefördert hat. Ich kann nicht ganz einsehen, warum es nicht mög-
lich gewesen ist, auf seine Anregung wegen der Ziffern5) in irgendeiner
Weise zu reagieren, vor allem aus psychologischen Gründen. Aber ich muß
mich in dieser Hinsicht natürlich dem Urteil der maßgebenden Stellen in
Berlin unterordnen. Dagegen glaube ich, daß wir in der Frage der Donau-
politik Mussolinis Anregung 6) unbedingt hätten ausnutzen sollen und kön-
nen. Herr Ritter schreibt mir, daß er nach Rückkehr von seiner römischen
Reise meine entsprechenden Berichte erörtert und alsdann Berlin in der
Überzeugung verlassen habe, es sei beschlossen, auf der Basis der von mir
ausgearbeiteten 5 Punkte Mussolini eine Art Punktation vorzuschlagen.7)
Warum ich dann keine Instruktionen bekommen habe, weiß ich nicht. Auch
den Gedanken des deutsch-italienischen Gentlemen's Agreement über die
Verständigung mit Frankreich haben wir praktisch nicht weiter verfolgt.
Das schlimmste wäre nun aber m. E., wenn wir uns in eine Art gegen-
seitiger Verärgerung hineintreiben ließen.8) Daß Mussolini durch den Aus-
tritt aus dem Völkerbund schwer gereizt ist, steht fest 9 ) und ist sicherlich
noch dadurch gefördert worden, daß er am Sonnabend 10) mittag zunächst
nur die halbe Wahrheit erfuhr. Wir sollten aber unter keinen Umständen
den gleichen Weg gehen und uns nun wieder über Mussolinis Ärger ärgern.
Ich halte den italienischen Regierungschef für einen sehr großen Mann mit
einigen wenigen kleinen Eigenschaften, zu denen eine gewisse Eitelkeit und
Empfindlichkeit gehört, über diese sollten wir uns nicht ärgern und gegen
sie angehen, sondern sie auszunutzen suchen, indem wir ihn psychologisch
richtig behandeln. Ebenso unrichtig scheint mir der jetzt in Deutschland
häufiger auftretende Gedanke zu sein, der Nationalsozialismus müsse sich
sozusagen geistig vom Faschismus absetzen und seine Selbständigkeit, wo-
möglich gar Priorität, betonen. Auch das ist eine sehr gefährliche Reaktion,
nachdem man Mussolini vorher als Papst und unfehlbar verehrt hat. Das
geistige Absetzen des Nationalsozialismus vom Faschismus kommt ganz
von selbst, und wir müssen umgekehrt darauf achten, daß es nicht zu
unserm Nachteil umschlägt, ein Punkt, auf den ich in meinem Bericht ja
schon eingegangen bin.
(S) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 494.
(«) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 485, Anm. 6.
(7) Schreiben Ritters an Hassell vom 16. Oktober (8036'E 577 993-8 005). Ritter hatte am
2. und 3. August m Rom Gespräche geführt. Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 388
mit Anm. 5 sowie Dokument Nr. 485.
(8) Randbemerkung Neuraths: „Wir nicht".
(») Siehe Dokument Nr. 18.
• (10) 14. Oktober.

44
Nr. 29 26. OKTOBER 1933

Praktisch gesprochen scheint mir zweierlei erforderlich zu sein: 1.) den


Kontakt mit Mussolini nicht zu verlieren, wozu auch mein persönlicher
Kontakt gehört, der einen sehr freundschaftlichen Charakter angenommen
hatte und den ich als bedroht ansehe, wenn ich nicht die Basis habe, mit ihm
sachlich zu sprechen. Vor allem ist in dieser Hinsicht der bewußte Brief,11)
und ein psychologisch gut durchgearbeiteter Brief, nötig, um so mehr als
Mussolini offenbar durch die italienische Botschaft in Berlin von diesem
Plane hat etwas läuten hören. Wird er noch lange hinausgeschoben, so ver-
liert er seine Wirkung; 2.) sollten wir alles tun, um so lange wie möglich
eine gereizte Presseauseinandersetzung zu vermeiden. Bis jetzt hat sich die
italienische Presse nach unserem Austritt aus dem Völkerbund auf Weisung
von oben recht anständig verhalten. Das kann sich jeden Tag ändern, be-
sonders wenn nun etwa von deutscher Seite gereizte Stimmen herüber-
klingen. In der heutigen Morgenpresse hat schon ein nicht sehr freundlicher
Artikel des Tag starke Beachtung gefunden und, wie ich höre, soll heute
oder gestern ein scharfer Artikel in der DAZ 12) erschienen sein.
Wie ich eben höre, fährt Smend heute auf Deine Anregung nach B[er]l[i]n.
Ich gebe ihm daher diesen Brief mit. Meine eigene Reise nach B[er]l[i]n
könnte vom 6.-10. 11. (etwa) stattfinden oder, wenn besser, nach den
Wahlen, vom 16.-19. 11. (am 15. soll ich in Florenz sein). Vielleicht sagst Du
Smend, was Du für zweckmäßiger hältst.13)
Dein Sohn bewährt sich sehr! Ich freue mich täglich, ihn hier zu haben.
Herzlichste Grüße immer Dein
HASSELL
(U) Siehe Dokument Nr. 18 und Anm. 7 dazu.
(12) Abkürzung für Deutsche Affgemeine Zeitung.
(13) Einige der in der Vorlage von Hassell angesprodienen Probleme finden in dem als
Dokument Nr. 67 abgedruckten Brief Ritters an Hassell eine Antwort.

29
7467/H 178 934-36
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow
an die Botschalt in London •)
Telegramm
Sofort BERLIN, den 26. Oktober 1933 21 Uhr 20
Nr. 289 e. o. II F. Abr. 3486
Im Anschluß an Nr. 286.2)
Die Äußerungen des Reichskanzlers über Abrüstung in seinem Gespräch
mit hiesigem englischen Botschafter darstellen sich lediglich als spontane

*(i) Die Vorlage wurde gleichzeitig an die Botschaften in Paris (Nr. 531), Washington
(Nr. 375) und Moskau (Nr. 226) übermittelt.
*(2) Telegramm Bülows Nr. 286 vom 25. Oktober an die Botschaft in London, das gleich-
zeitig an die Botschaften in Paris (Nr. 527), Rom (Nr. 255), Washington (Nr. 369) und

45
Nr. 29 26. OKTOBER 1933

Skizzierung deutscher Forderungen in Erwiderung entsprechender Frage


des englischen Diplomaten. So bedeutsam Ausführungen Kanzlers für die
weitere Entwicklung Abrüstungsproblems sind, dürfen sie doch nicht etwa
als in allen Einzelheiten ausgearbeiteter deutscher Vorschlag bewertet wer-
den. Der vom Kanzler skizzierte deutsche Standpunkt beruht auf Fest-
stellung, daß hochgerüstete Staaten wirkliche Abrüstung nicht durchzu-
führen bereit sind. Diese angesichts völligen Versagens der Genfer Ver-
handlungen von keiner Seite mehr hinwegzuleugnende Tatsache wird durch
Verhalten zahlreicher Länder bestätigt. Frankreich, das seine Rüstungen in
letzter Zeit immer weiter vervollkommnet hat, konnte, offensichtlich aus
innerpolitischen Gründen, nicht einmal die geringste Abrüstungsmaßnahme
mit sofortiger Bindung zusagen. Polen, die Kleine Entente und Belgien ver-
stärken dauernd ihre Rüstung, selbst neutrale Schweiz faßt neueren Nach-
richten zufolge Rüstungsverstärkung ins Auge. Auch Italien kann sich
natürlich unter diesen Umständen zu wirklichen Abrüstungsmaßnahmen
nicht entschließen. England nimmt Privileg für sich in Anspruch, daß es,
soweit Landarmee in Frage kommt, nicht mehr abzurüsten braucht, lehnte
auch für sich Standardisierung der Armee gemäß MacDonald-Plan ab, ist
aber ebenso wie Vereinigte Staaten lebhaft mit Ausbau seiner Flotte be-
schäftigt. Angesichts dieser Gesamtlage ist Schlußfolgerung gerechtfertigt,
daß trotz unserer ständigen, auch heute noch mehr denn je berechtigten
Forderung nach endgültiger Einlösung des Abrüstungsversprechens durch
die hochgerüsteten Staaten zur Zeit bestenfalls Limitation auf jetzigen
Stand erreichbar. Hieraus ergeben sich nach Maßgabe der uns zugestande-
nen Gleichberechtigung zwangsläufig Folgerungen für Deutschland, die nur
in einer Anpassung des deutschen Rüstungsregimes an das der anderen, auf
ihrem Rüstungsstande verharrenden Staaten bestehen können. Die Präzi-
sierung dieser Folgerungen kann nicht als Bekundung deutschen Auf-
rüstungswillens ausgelegt werden, da uns der mangelnde Abrüstungswillen
der anderen, den wir nicht zu verantworten haben, schon im Hinblick auf
unsere eigene Sicherheit keine andere Wahl läßt. Daß wir auf dem Wege
von Verhandlungen keine Möglichkeit zu einer gerechten Regelung der
Gleichberechtigungsfrage etwa im Sinne der Ausführungen des Reichskanz-
lers gegenüber dem englischen Botschafter hatten, haben zuletzt noch die
Vorgänge in der Bürositzung der Abrüstungskonferenz vom 14. d.M.3) zur
Genüge gezeigt.
Sollten Sie von dortiger Regierungsseite auf die Äußerungen Reichs-
kanzlers zu englischem Botschafter angesprochen werden, so bitte ich, sich
im obigen Sinne zu äußern. Es wäre erwünscht, wenn Presse jetzt möglichst
nichts oder wenigstens keine Einzelheiten über die Angelegenheit bringen
würde.
BÜLOW 4)

(Fortsetzung von Anm. 2]


Moskau (Nr. 225) übermittelt worden war (7467/H 178 928). Darin hatte Bülow die
Missionen über die in Dokument Nr. 23 wiedergegebene Unterredung zwischen Hitler
und Phipps unterrichtet.
(3) Siehe Dokument Nr. 19, Anm. 6.
*(4) Auf der Vorlage befindet sich die Paraphe Neuraths vom 26. 10.

46
Nr. 30 27. OKTOBER 1933

30
9447/E 666 741-42

Autzeichnung des Ministerialdirektors Meyer


BERLIN, den 27. Oktober 1933

AUFZEICHNUNG

Ich habe heute die Frage der Erledigung des Journalistenkonfliktes ein-
gehend nochmals mit dem russischen Botschafter besprochen. Die sehr lange
Unterredung zeitigte folgendes Ergebnis:
1. In der Frage der Frau Keith 1 ) hat Herr Chintschuk die bindende Zu-
sicherung gegeben:
a) daß Frau Keith innerhalb der nächsten beiden Monate aus Deutsch-
land verschwindet,
b) daß die Tätigkeit der Frau Keith während der Zeit ihres Aufenthaltes
in Deutschland in keiner Weise zu Beanstandungen Anlaß geben wird.
Ich habe Herrn Chintschuk mitgeteilt, daß diese Zusicherung im Interesse
der Lösung des Konfliktes und als Zeichen des persönlichen Vertrauens
zu ihm als ausreichend angenommen würde.
2. In der Frage des Rundfunks gab Herr Botschafter Chintschuk die Er-
klärung ab, er werde dafür sorgen, daß der Moskauer Rundfunk, wie dies
bereits in den letzten 14 Tagen der Fall gewesen sei, zu Beschwerden
keinerlei Anlaß gebe. Er führte aus, daß es ihm unmöglich sei, einen Satz
über den Rundfunk in das Kommunique aufzunehmen, und bat dringend,
ihm die Aufgabe der Lösung des Konfliktes durch diese Forderung nicht zu
erschweren. In längerer Diskussion sagte ich zu, daß die Lösung des Kon-
fliktes im Hinblick auf seine Zusage an der Forderung einer Aufnahme
eines Satzes über den Rundfunk nicht scheitern sollte, falls im übrigen ein
Einvernehmen erzielt werde.
3. Die Zulassung des Vertreters des Völkischen Beobachters und des
Angritl. Ich führte aus, daß es sich um eine prinzipielle Frage handele und
daß eine Diskriminierung der der deutschen Regierung besonders nahe-
stehenden Presse ausgeschlossen sei. Der Herr Botschafter hatte weitgehen-
des Verständnis für unseren Standpunkt und erklärte sich bereit, ihn sich
voll und ganz zu eigen zu machen und die Angelegenheit morgen vormittag
sofort mit Herrn Litwinow zu besprechen. Er hoffe, mir noch morgen vor-
mittag einen günstigen Bescheid geben zu können.
Der Zusatz in dem Kommunique-Entwurf über die Einmischung in die
inneren Verhältnisse ist im gegenseitigen Einvernehmen gestrichen
worden.2)
Es besteht hiernach Einvernehmen a) über Frau Keith, b) über die Zu-

(l) Siehe Dokument Nr. 25.


• (2) Nach einer undatierten Aufzeichnung Meyers (9447/E 666 754-56) war in einer früheren
Unterredung mit Winogradow über einen solchen Passus diskutiert worden. Ein vom
Auswärtigen Amt abgelehnter sowjetischer Kommunique-Entwurf ist gefilmt unter
9447/E 666 758.

47
Nr. 31 27. OKTOBER 1933

lassung sämtlicher bisher in Rußland tätigen Journalisten, c) über den Text


des Kommuniques.3)
Es steht nur noch aus die Frage der Zulassung der Vertreter der national-
sozialistischen Zeitungen.4)
MEYER

(3) Der Text des am 31. Oktober veröffentlichten Kommuniques ist abgedruckt in Dokument
Nr. 34, Anm. 3.
(4) Randbemerkungen: „Dir. IV: Der russische Botschafter hat mir die obigen Abmachungen
bestätigt. In der Frage der Zulassung der nat[ional]soz[ialistischen] Zeitungen will er
morgen Litwinow fragen. Sollte dieser eine Entscheidung ablehnen, will der Botschafter
an Stalin direkt berichten. Er erklärte, daß er überzeugt sei, daß die Frage in unserem
Sinn geregelt werde. Schließlich frug Ch(intsdiuk) noch, wann midi morgen Litw[inow]
aufsuchen könne, v. N(eurath) 27. 10."
„Der Herr RM wird H[err]n Litwinow morgen, 12 Uhr 45, empfangen. V(öldcer]s
27. 10."
Siehe Dokument Nr. 34.

31
8772/E611267
Auizeichnung des Stellvertreters des Führers Heß
Streng vertraulich MÜNCHEN, den 27. Oktober 1933
zu VI A. 2428 l)
VERFÜGUNG

1.) Sämtliche Fragen des Deutschtums jenseits der Grenzen (Grenz- und
Auslandsdeutschtum) und die Fragen der Stärkung und Einheit des Gesamt-
deutschtums sowie alle damit zusammenhängenden Angelegenheiten im
Innern des Reiches unterliegen meiner Obhut und Aufsicht.
2.) Als Beratungs- und Vollzugsorgan habe ich den Volksdeutschen Rat
berufen, an dessen Spitze Herr Universitätsprofessor Dr. Haushofer, Mün-
chen, steht.
3.) Nach außen federführend vertritt den Volksdeutschen Rat Herr Dr.
Steinadler, Berlin.
4.) Der Volksdeutsche Rat tritt in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung.
gez. RUDOLF HESS

• (l) VI A. 2428: Schreiben Heß' an das Auswärtige Amt vom 28. Oktober (8772/E611 266),
in dem der Stellvertreter des Führers mitteilte, „daß dem Volksdeutschen Rat in allen
Volksdeutschen Fragen (Fragen des Grenz- und Auslandsdeutschtums) die Begutachtung
und Kontrolle zusteht".

48
Nr. 32 27. OKTOBER 1933

32
7467/H 178 954-55

Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt

Telegramm

Nr. 244 v o m 27. 10. ROM (QUIR.), den 27. O k t o b e r 1933 23 Uhr 10
Ankunft: 28. O k t o b e r 1 Uhr 45
II F. Abr. 3538

H a b e gestern Suvich gemäß Auftrag des H e r r n Reichsministers über be-


v o r s t e h e n d e n Brief •) unterrichtet und gleichzeitig in allgemeiner Form v o n
Unterredung Kanzlers mit dem englischen Botschafter in Berlin 2 ) vertraulich
Kenntnis gegeben. 3 ) Nachdem ich bei dieser U n t e r h a l t u n g angedeutet, daß
ich, w e n n erwünscht, Mitteilung persönlich a n Regierungschef machen
würde, w u r d e ich h e u t e zu Mussolini gerufen, d e n ich in gleicher W e i s e
informiert habe. Ich machte zunächst einige Ausführungen über Grund und
Sinn deutschen Schrittes und hatte Eindruck, daß Mussolini dafür allmäh-
lich Verständnis gewinnt. Mussolini ausführte ü b e r Lage etwa folgendes:
Nachdem deutscher Schritt einmal geschehen, sei es erforderlich, ohne nach-
trägliche G e d a n k e n über Zweckmäßigkeit von seiner Realität auszugehen.
Er glaube, daß es stärkstes deutsches Interesse sei, jetzt unbedingt fest zu
bleiben und k e i n e Schwäche zu zeigen. Deutschland w ü r d e seines Erachtens
am besten tun, mit keinerlei Initiative hervorzutreten, sondern Völkerbund
und Abrüstungskonferenz schmoren zu lassen. Völkerbund und A b -
rüstungskonferenz seien englisch-französisches Versicherungsunternehmen
auf Gegenseitigkeit und zum Schutz Vasallen. D a h e r mögen nun England
und Frankreich sehen, w i e sie dies Instrument w i e d e r zum Leben brächten
oder A u s w e g fänden. Ich sagte, daß meinem Eindruck nach England so
etwas wie schlechtes Gewissen habe und Zeichen des Wunsches zum Ein-
lenken zeige. Dies bestätigte er energisch und hinzufügte, bezeichnender-
weise sei er von englischer Seite schon gefragt, ob Italien auch ausscheiden
wollte. Er h a b e geantwortet, Italien betrachte sich ohnehin mehr als Gast in
dieser Gesellschaft. J e d e s Schwächezeichen unsererseits, das Initiative er-
k e n n e n ließe, vielleicht doch wieder mitzumachen, w e r d e Weiterentwicklung
englischer Stimmung stören. In Frankreich sei Lage verworren; Kabinetts-
krise 4 ) sei nur erfolgt, um Daladiers Gesicht zu wahren, der erklärt h a b e :
„Am 26. sind wir w i e d e r in Genf." Mussolini h a b e V e r t a g u n g auf J a n u a r
vorgeschlagen, 4. Dezember 5 ) sei nur auf französischen Wunsch angenom-

(1) Siehe Dokument Nr. 18 und Anm. 7 dazu.


• (2)Phipps. - Siehe Dokument Nr. 23.
(3) Randbemerkung Bülows: „?!"
(4) Das Kabinett Daladier war am 24. Oktober nach einer Abstimmungsniederlage in der
Abgeordnetenkammer zurückgetreten.
(5) Der Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz hatte auf seiner Sitzung am 26. Oktober
beschlossen, sich bis zum 4. Dezember zu vertagen. Das Büro der Konferenz war gleich-
zeitig ermächtigt worden „ä poursuivre ses travaux et ä prendre tous arrangements
necessaires pour permettre ä la Commission generale de commencer sa deuxieme

49

11,1 Bg. 4
Nr. 33 27. OKTOBER 1933

men worden, aber am 4. Dezember werde Lage noch im Grunde unverändert


sein, und das wäre auch in unserem Interesse durchaus zu wünschen. Letz-
ten Endes werde man dann auf Besprechungen zu vieren oder fünfen her-
auskommen, ob man das nun Viererpakt nenne oder nicht, der übrigens
seiner Ansicht nach in Kraft stände. Vor allem müsse man Polen und
sonstige französische Vasallen aus Erörterung heraushalten. Zur Ab-
rüstungsfrage selbst meinte er, nachdem ich ihm Grundgedanken Unter-
haltung Kanzlers mit englischem Botschafter in Berlin angedeutet, daß an
sich der schon von ihm früher vertretene Grundsatz richtig sei, statt von
einem nicht vorhandenen Abrüstungswillen Frankreichs von dem Gegenteil
auszugehen. Indessen war er bezüglich der Taktik offensichtlich der Mei-
nung, daß wir besser zur Zeit überhaupt keine Vorschläge machten, ebenso
wie sich Italien jeder Initiative enthalten werde.
HASSELL

[Fortsetzung von Anm. 5]


lecture sur un texte revise et parfaitement mis au point du projet". Siehe S.d.N.,
Conference pour la Riduction et la Limitation des Armements, Actes, Serie B, Bd. III,
S. 648-52.

33
8549/E 598 212-16

Der Gesandte in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Auswärtige Amt


A 858 BERN, den 27. Oktober 1933
Ankunft: 31. Oktober
II Sz. 1051
Inhalt: Schweizerische Neutralitätspolitik.
(Einheitlicher Wille zu passiver Neutralität besteht. Einheitlicher
Wille zur aktiven Neutralität ist fraglich. Verstärkung präventiver
Wehrbereitschaft. Zweifel an streng objektiver Neutralitätspolitik
im Krisenfall).
Der schweizerische Kriegsminister, Bundesrat Minger, Sohn einer kräf-
tigen deutsch-schweizerischen Bauernfamilie, sagte mir vor einigen Wochen,
als ich ihm meinen Antrittsbesuch machte, der Nationalsozialismus sei für
Deutschland eine naheliegende, ihm sympathische Entwicklung. In die
Schweiz passe der Nationalsozialismus freilich nicht; er sei geradezu eine
Gefahr für sie; denn er könne zu einer Zersplitterung des Landes und zum
Anheimfall seiner Teile an die sprachverwandten Nachbargebiete führen.
Wäre diese Ansicht nicht von einem so kernigen und gescheiten Mann
wie Herrn Minger geäußert worden, so hätte ich ihr nicht mehr Bedeutung
beigemessen als vielen ähnlichen Äußerungen welscher Eidgenossen, die als
gefährlich ansehen, was immer aus Deutschland kommen mag, oder als ähn-
lichen Stimmen solcher Parlamentarier und Stelleninhaber, die vor der An-

50
Nr. 33 27. OKTOBER 1933

steckung ihrer Wähler aus Deutschland Angst haben. In Wirklichkeit hat es


nämlich gute Weile, bis ein Nationalsozialismus deutscher Prägung und mit
Anlehnungsneigung an Deutschland in der Schweiz entscheidende Wirkung
üben könnte. An eine Aufspaltung des Landes im normalen Gang der Zeit
ist überhaupt nicht zu denken.
Der Äußerung von Herrn Minger liegt aber doch etwas Ernsteres zu-
grunde. Als Kriegsminister muß er an den Krieg denken, und zwar natür-
lich - wie er bei einer kürzlichen Rüstungsdebatte im Nationalrat näher aus-
führte - an den Krieg zweier Nachbarstaaten der Schweiz. In eine solche
Lage würden die Schweizer aller Richtungen gewiß mit dem einmütigen
Willen zur passiven Neutralität eintreten. Um diese sicherzustellen, tut
jeder Eidgenosse gerne etwas für seine Armee. Das zeigte sich auch in
diesem Fall in der Genehmigung einer ersten Rate von 15 Millionen
Franken für militärische Materialreserven (das Nähere hierüber und über
die folgenden Raten von insgesamt 85 Millionen Franken dürfte der Militär-
attache der Gesandtschaft berichten 1)). Besonders gern bewilligte das Parla-
ment diese Ausgabe aber unter dem Einfluß der bekannten Augur-Artikel
über deutsche Pläne für den Durchmarsch durch die Schweiz.2) Diese Artikel
wurden im Nationalrat nicht nur benutzt, um das Gruseln zu erwecken
- übrigens glauben oder glaubten an sie sehr viele Schweizer bis in die
hohen Beamtenstellen des Politischen Departements hinein -, sondern sie
sollten besonders das Gruseln vor Deutschland erwecken bzw. steigern.
Der Wille der Schweiz zur aktiven Neutralität - und das ist bei solcher
Einseitigkeit der kritische Fall - wird nun hier offiziell und wurde auch von
Bundesrat Minger in jener Parlamentsdebatte wieder so ausgelegt, daß die
Schweiz jedem Angriff, komme er von welcher Seite er wolle, ernsthaften
Widerstand entgegensetzen werde, womit sie sich zum faktischen Bundes-
genossen des anderen der kriegführenden Teile machen würde. Das hätte
aber zur Voraussetzung, daß im Notfalle die Deutschschweizer bereit wären,
auf einen deutschen Gegner zu schießen und ebenso die welschen Schweizer
auf einen französischen.
Ich halte zur Zeit das erstere für wahrscheinlich, das letztere für zweifel-
haft. Man kann sich nach der heutigen Stimmung in der Schweiz sogar kaum
einen Fall vorstellen, in welchem die Gewehre eines Regiments aus
Lausanne gegen französische Soldaten losgehen würden. Der germanisch-
rassenbetonte Nationalsozialismus kann in der welschen Schweiz keine
Werbekraft haben. Er brandet - wenn nicht vorher - am alten, stets vor-
handenen Graben zwischen der deutschen und der welschen Schweiz und
vertieft ihn. Die Hetze gegen Deutschland ähnelt in der welschen Schweiz
jetzt wieder sehr der von 1914-18. Mit Sorge muß daher der schweizerische

(1) Siehe hierzu den Berieht Muffs Geh. 82 vom 2. November (M 136/M 005 000-06).
(2) Dieser Hinweis bezieht sich auf mit „Augur" (Poliakow) gezeichnete Artikel des Pefff
Parisien vom 24. September und 8. Oktober. Weizsäcker hatte das Auswärtige Amt in
seinem Bericht Nr. A 774 vom 4. Oktober (M 137/M 005 011) über die Reaktion der
schweizerischen Presse auf den ersten dieser Artikel informiert. Seiner Meinung nach
kamen die in ihm enthaltenen Gerüchte dem schweizerischen Generalstab im Hinblick
auf seine Forderung nach militärischen Sonderkrediten für das kommende Jahr nicht
ungelegen.

51
Nr. 34 28. OKTOBER 1933

Kriegsminister an die geistige Verfassung seiner Truppen in dem Falle


denken, wo die Regierung zwischen Deutschland und Frankreich zu optieren
hätte. An diese Lage wird Herr Minger auch gedacht haben, als er zu mir
von der Gefahr sprach, die der schweizerischen Einheit vom Nationalsozia-
lismus her drohe.
Welchen Schluß zieht nun die schweizerische Regierung daraus? Zunächst
den sehr begreiflichen, die schweizerische Wehrmacht so zu stärken, daß sie
nach allen Seiten präventiv wirkt. Mit gutem Grund wird sie ferner politisch
versuchen, in einem deutsch-französischen Konflikt der offenen Option für
eine der beiden Streitparteien so lange wie irgend möglich zu entgehen. Sie
würde aber gegebenenfalls, so wie die Dinge heute liegen, den Begriff der
Neutralität gegen Deutschland zu unserem Nachteil bestimmt strenger aus-
legen als gegen Frankreich. Wir sollten darum nichts versäumen, was dazu
beitragen kann, sie wieder in die richtige Mitte zu rücken.
WEIZSÄCKER

34
2860/D 562 584-85
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 28. Oktober 1933
RM. 1489
Heute morgen besuchte mich Herr Litwinow.1) Nach einigen einleitenden
Worten über seine Reise nach den Vereinigten Staaten ging ich sofort auf
die zwischen uns schwebenden Verhandlungen über die Erledigung der
deutsch-russischen Differenzen ein. Ich erwähnte zunächst den noch offenen
Punkt der prinzipiellen Zustimmung zur Zulassung von Vertretern des
Angrili und des Völkischen Beobachters in Rußland. Herr Litwinow erklärte,
die Zulassung dieser Vertreter habe niemals in Frage gestanden. Sie sei
seines Wissens auch nie beantragt, jedenfalls aber von russischer Seite nicht
abgelehnt worden. Ich frug sodann Herrn Litwinow, ob danach also in der
eventuellen Zulassung in Rußland keine Schwierigkeiten gemacht würden,
worauf Herr Litwinow antwortete, mit dem Vorbehalt eines eventuellen
Einspruchs gegen ganz bestimmte Persönlichkeiten würden russischerseits
keine Schwierigkeiten gemacht werden.
Ich frug sodann ferner, ob gegen die Veröffentlichung des verabredeten
Kommuniques noch weitere Einwendungen von russischer Seite zu erheben
seien, worauf Herr Litwinow bat, noch bis Montag 2 ) zu warten, da eine
definitive Antwort der russischen Regierung noch ausstehe. Ich erklärte
mich damit einverstanden und sagte Herrn Chintschuk, der Litwinow be-
gleitet hatte, ich erwartete also eine Mitteilung von seiner Seite über die

(1) Litwinow legte auf seiner Reise in die USA in Berlin einen Zwischenaufenthalt ein.
(2) 30. Oktober.

52
Nr. 34 28. OKTOBER 1933

Entscheidung der russischen Regierung. Ich fügte hinzu, daß meinerseits


keinerlei Eilbedürftigkeit bestünde.3)
Herr Litwinow begann sodann in seiner bekannten süffisanten Weise
über die deutsch-russischen Beziehungen zu sprechen, wobei er versuchte,
die Schuld an der entstandenen Spannung uns zuzuschieben. Ich lehnte diese
Beweisführung entschieden ab und hielt Herrn Litwinow vor, daß er offen-
bar äußerst vergeßlich sei. Ich erinnerte ihn insbesondere an das Verhalten
der Sowjet-Regierung gegenüber den Deutschen nach der russischen Revo-
lution und an die vielen Zwischenfälle, die durch die schlechte und unge-
rechte Behandlung Deutscher in Rußland im Laufe der Jahre entstanden
seien. Herr Litwinow wich diesen Angriffen aus, indem er sagte, die Ver-
hältnisse in Rußland seien ganz andere gewesen als hier in Deutschland,
worauf ich ihm erwiderte, das sei allerdings richtig. Ich wollte aber nicht
näher darauf eingehen, um wieviel schwerer unsere deutschen Volks-
genossen in Rußland unter der Revolution zu leiden gehabt hätten als die
Russen in Deutschland.
Herr Litwinow meinte beim Abschied dann noch, unsere persönlichen
Beziehungen brauchten ja unter den jeweils auftretenden Spannungen nicht
zu leiden, worauf ich ihm lediglich eine gute Reise und „recht guten Erfolg"
in Amerika wünschte.
Ein Eingehen auf die vom Luftministerium vorgebrachten Wünsche be-
züglich der Regelung des deutsch-russischen Luftverkehrs war mir nicht
möglich.4)
v. N[EURATH]

*(3) Nach einer Aufzeichnung Meyers vom 30. Oktober (9447/E 666 747-48) wurde zwischen
ihm und Winogradow an diesem Tage eine endgültige Einigung über den Text des
Kommuniques zur Beilegung des Journalistenkonflikts erzielt. Das Kommunique wurde
am Abend des gleichen Tages unter dem Datum vom 31. Oktober veröffentlicht und
hatte folgenden Wortlaut (9447/E 666 750):
„WTB, amtlich. Berlin, den 31. Oktober 1933. Nachdem der bekannte Journalisten-
konflikt in letzter Zeit wiederholt Gegenstand diplomatischer Unterhaltungen zwischen
Deutsehland und der UdSSR gewesen ist, hat über diese Angelegenheit kürzlich eine
Besprechung zwischen dem Herrn Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath und dem
Botschafter der UdSSR, Herrn Chintschuk, stattgefunden. Dabei ist eine Verständigung
über die Beilegung des Konfliktes erzielt worden. Ausgangspunkt und Grundlage der
Verständigung ist die Übereinstimmung der beiden Regierungen darüber, daß die
Pflege der beiderseitigen Beziehungen von der Verschiedenheit der Regierungssysteme
in den beiden Ländern unberührt bleiben muß.
Die Journalisten der Sowjetunion werden ihre Tätigkeit in Deutsehland und die
deutschen Journalisten ihre Tätigkeit in der Sowjetunion wieder ausüben. Auf Anord-
nung des Senatspräsidenten werden der Vertreter der Tass und die Vertreterin der
Iswestija Zulassungskarten zum Reichstagsbrandprozeß erhalten."
Am gleichen Tage (30. Oktober) vermerkte Tippeiskirch in einer Aufzeichnung (9447/
E 666 761), er habe den Ministerialdirigenten Fischer vom preußischen Innenministerium
über die Beilegung des Journalistenkonflikts unterrichtet. Fischer habe sich befriedigt
gezeigt und darauf hingewiesen, daß die Zulassungskarten zum Leipziger Prozeß für
Bespalow und Keith zur Abholung bereitlägen. Siehe auch Dokument Nr. 21.
(4) Nach einer Aufzeichnung Schultz-Sponholz' vom 28. Oktober (9447/E 666 739) hatte ihm
Ministerialdirektor Fisch vom Reichsluftfahrtministerium telefonisch die Bitte über-
mittelt, Litwinow möge bei seinen Besprechungen im Auswärtigen Amt veranlaßt wer-
den, eine Erklärung etwa folgender Art abzugeben: „Die Sowjetregierung würde eine
Zusammenarbeit mit der deutschen Luftfahrt auf dem Wege nach dem Osten begrüßen."

53
Nr. 35 30. OKTOBER 1933

35
3086/D 617 001-04
Aufzeichnung des Gesandtschaltsrats HülterJ)
Geheim BERLIN, den 30. Oktober 1933
e. o. II Oe. 1757
AUFZEICHNUNG
Im Anschluß an die Aufzeichnung II Oe. 1706 vom 21. Oktober.2)
Herr Habicht teilte mir heute mit, daß seine Verhandlungen mit Dollfuß
bisher programmäßig verlaufen seien. Die von Dollfuß nach München ent-
sandten beiden Großdeutschen Abgeordneten (darunter Professor Foppa) 3 )
hätten Herrn Habichts Bereitwilligkeit zu Verhandlungen auf der hier be-
kannten Basis dem Bundeskanzler inzwischen vorgetragen. Insbesondere sei
Dollfuß darüber informiert worden, daß nach Weisung des Reichskanzlers
nur Herr Habicht im Namen der Nationalsozialistischen Partei berechtigt
sei, mit Dollfuß zu verhandeln, daß fernerhin sich aus der innerpolitischen
österreichischen Bereinigung des Verhältnisses zur NSDAP automatisch
eine Bereinigung des Verhältnisses zum Reich ergebe und daß die Forde-
rung von Dollfuß auf Beibehaltung von Herrn Fey in einem neuen Kabinett
von Herrn Habicht gleichfalls akzeptiert würde, wie denn überhaupt Dollfuß
innerhalb des Rahmens seiner prozentualen Beteiligung völlig frei sein
würde bei der Auswahl seiner Mitarbeiter.
Dollfuß habe sich daraufhin seinerseits prinzipiell zur Aufnahme der Ver-
handlungen bereiterklärt und um Präzisierung der nationalsozialistischen
Forderungen gebeten.4) Seine beiden Abgeordneten seien gestern wieder in
München eingetroffen und hätten diesen Wunsch von Dollfuß bekannt-
gegeben. Herr Habicht habe den Herren daraufhin eine Reihe von genau
formulierten Punkten überreicht und nunmehr verlangt, daß Dollfuß in
bindender Form sich über die Annahme oder Ablehnung äußere.
Als Basis der Verhandlungen ist von Herrn Habicht gefordert worden:
Völlige Gleichberechtigung der beiden Partner, d. h. Zusammensetzung des
neuen österreichischen Kabinetts zu je 50 Prozent durch die Gruppe Dollfuß
bzw. Habicht, wobei Dollfuß den Posten des Bundeskanzlers und Habicht
den eines mit erweiterten Rechten ausgestatteten Vizekanzlers bekommen
würde. Weiterhin hat Herr Habicht gefordert die Aufhebung des Verbots
der Partei, der SA und SS, der nationalsozialistischen Presse und Rück-
gängigmachung der erfolgten Ausweisungen und verhängten Strafen,
fernerhin seine Einbürgerung in Österreich. Eine weitere innenpolitische
Forderung Herrn Habichts ist die Eröffnung des schärfsten Kampfes gegen
den Marxismus sowie außenpolitisch die Herstellung eines freundschaft-
lichen Verhältnisses zum Reich.

• (1) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. V[öldcer]s 31. 10."


(2) Dokument Nr. 20.
(3) Siehe Dokument Nr. 20 und Anm. 2 dazu.
(4) Nach der Darstellung Langoths fand die Unterredung zwischen ihm und Foppa einer-
seits und Dollfuß und Staatssekretär Gleißner andererseits am 25. Oktober 1933 in Wien
statt. Siehe Langoth, Kampt um Österreich, S. 136-40.

54
Nr. 36 30. OKTOBER 1933

Die vorstehenden Punkte müssen als Ganzes von Dollfuß angenommen


oder abgelehnt werden, wobei im einzelnen in der Formulierung noch Ent-
gegenkommen gezeigt werden kann.
Zu dem von Dollfuß vorgeschlagenen Waffenstillstand hat Herr Habicht
geantwortet, daß dieser erst beginnen könne mit dem Tage der ersten Be-
sprechung zwischen ihm und Dollfuß und auf 14 Tage befristet sein solle.
Während dieser Zeit müsse er fordern, daß jede Agitation in der öster-
reichischen Presse gegen den Nationalsozialismus unterlassen würde und
Ausweisungen und Bestrafungen unterblieben. Er seinerseits werde sich
gleichfalls verpflichten, in dieser Zeit die Agitation gegen die österreichische
Regierung einzustellen, und seine Radiovorträge lediglich auf eine Dar-
legung der Arbeiten und Leistungen der deutschen Regierung beschränken.
Die beiden Abgesandten von Herrn Dollfuß reisen heute wieder nach
Wien zurück und werden verabredungsgemäß am Freitag 5 ) Herrn Dollfuß
die Forderungen von Herrn Habicht sowie den Vorschlag unmittelbarer
direkter Verhandlungen zwischen Dollfuß und Habicht übermitteln und mit
der endgültigen Antwort des Bundeskanzlers am Samstag wieder nach
München zurückkehren.
Herr Habicht hat im übrigen Herrn Dollfuß keinen Zweifel darüber ge-
lassen, daß bei einer Ablehnung seiner Vorschläge der Kampf im vollen und
verschärften Umfange wieder aufgenommen würde. Dollfuß, der auf die
Intervention Hanfstaengls 8 ) in den letzten Tagen gewisse Hoffnungen
gebaut hätte, habe sich inzwischen von der Bedeutungslosigkeit dieser
Aktion überzeugt.
Schließlich erzählte mir Herr Habicht noch, daß der Vizekanzler Fey in
den letzten Tagen ebenfalls mit Habichts Beauftragtem, dem Bundesrat
Schattenfroh, in Wien verhandelt, dabei allerdings die Forderung aufge-
stellt habe, daß vor direkten Verhandlungen wegen der Regierungsneu-
bildung erst eine Periode der Beruhigung und des Waffenstillstands ein-
treten müsse, was Herr Schattenfroh aber als unmöglich bezeichnet habe.
HÜFFER

• (5) 3. November.
(6) Siehe Dokument Nr. 71, Anm. 2.

36
9783/E 686 917-19
Der Reichsiührer des Volksbunds lür das Deutschtum im Ausland Steinacher
an den Vortragenden Legationsrat Roediger
BERLIN, den 30. Oktober 1933
Ankunft: 31. Oktober
VI A.2400
Sehr verehrter Herr Geheimrat!
Unter Bezugnahme auf das eben stattgefundene Ferngespräch darf ich
Ihnen beiliegend im verschlossenen Umschlag das bewußte Schreiben für

55
Nr. 36 30. OKTOBER 1933

Herrn Fabritius überbringen lassen. Ich bin vom Braunen Haus beauftragt,
den Brief auf kürzestem und geeignetstem Wege zu besorgen. Ich hatte
zuerst daran gedacht, den Brief Bischof Glondys mitzugeben. Dieser bleibt
aber doch noch viel länger, als er angenommen hatte, hier. Da andererseits
gerade in diesen Tagen in Siebenbürgen für den 5. November der Wahl-
kampf im Gange ist, halte ich dafür, daß es richtig ist, den Inhalt des Briefes
chiffriert nach Bukarest zu drahten') und das Original des Schreibens mit
dem nächsten Kurier des Auswärtigen Amtes nachzusenden.
Mit verbindlichsten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
DR. STEINACHER

[Anlage]
Abschrift
Nationalsozialistische MÜNCHEN, den 27. Oktober 1933
Deutsche Arbeiterpartei
Der Stellvertreter des Führers
K/S
An den Führer der NSDR
Herrn Fritz Fabritius,
Hermannstadt, Siebenbürgen
Sehr geehrter Herr Fabritius!
Die besondere Lage des Auslanddeutschtums erfordert die Vermeidung
jedes Anscheins einer Abhängigkeit von reichsdeutschen Stellen, welche
das Auslanddeutschtum als eine Art Expositur des Deutschen Reiches er-
scheinen lassen könnte und unnötigerweise Möglichkeiten zum Einschreiten
bietet. So sehr wir die Pflege des Gedankengutes und der sittlichen Kräfte
der NSDAP durch das Auslanddeutschtum begrüßen, müssen wir doch dar-
auf bestehen, daß unter allen Umständen alles vermieden werde, was zu
einer Vernichtung deutsch-völkischer Einrichtungen im Auslande Anlaß
geben könnte. Dazu kommt die Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Lage
des Auslanddeutschtums, die vor Belastungen nach Möglichkeit bewahrt
bleiben muß. Aus solchen Erwägungen heraus muß gefordert werden, daß
Bezeichnungen und Formen vermieden werden, die den Anschein auch nur
der geringsten Verbindung zu Reichs- wie parteiamtlichen Dienststellen
erregen könnten. Dazu gehört z. B. die Bezeichnung NSDR, SAM, Führer
und dgl. Die Umbenennung ist dringend geboten. Auch ist Wert darauf zu
legen, daß eine friedliche Durchdringung des Auslanddeutschtums, unter
Vermeidung rein personeller, machtpolitischer Auseinandersetzungen, durch
sachliche Erörterung der Grundidee des Nationalsozialismus angestrebt
werde. Die Beseitigung von Personen, welche diese Entwicklung hemmen,
aus ihren führenden Stellungen ist auf dem in den Bestimmungen der aus-
landdeutschen Organisation vorgesehenem Wege zu suchen, öffentlich

(1) Der Brief wurde am 31. Oktober chiffriert an die Gesandtschaft in Bukarest gesandt
(9783/E686 920).

56
Nr. 37 31. OKTOBER 1933

geführter Kampf schadet dem deutschen Ansehen in den Augen der nicht-
deutschen Welt. Mit Rücksicht auf die ohnehin vorhandene antisemitische
Haltung des Siebenbürger Sachsenvolkes ist unter stiller Beibehaltung,
eventuell Vertiefung dieser Einstellung von einem in öffentlichen Kund-
gebungen, Zeitungen, Versammlungen usw. hervortretenden aggressiven
Antisemitismus abzusehen.
Bei der großen Verantwortung, welche die NSDR einerseits als bewußte
Trägerin unseres Gedankengutes, andererseits mit Rücksicht auf ihre schon
errungene Machtstellung innerhalb des Sachsenvolkes Siebenbürgens unter
volkspolitischen Gesichtspunkten besitzt, muß eine genaue Beachtung dieser
Wünsche und ernsthaftes Eingehen auf alle sich bietenden Möglichkeiten zu
einer friedlichen Durchdringung des Sachsenvolkes mit den Kräften der
Erneuerung erwartet werden.
Heil!
gez. RUDOLF HESS

37
L433/L 124 299-302
Aufzeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei)
BERLIN, den 31. Oktober 1933
zuRk. 12 2881)
Der Herr Reichskanzler empfing heute den früheren Generalsekretär des
Bundesrats der christlichen Kirchen in den Vereinigten Staaten, Pastor
Charles S. Macfarland. Herr Macfarland leitete das Gespräch damit ein, daß
er seine Mission als eine völlig private bezeichnete. Er habe keinerlei amt-
lichen Auftrag, sondern lediglich den Wunsch, sich der Reichsregierung zur
Verfügung zu stellen als ein Mann, dessen Stimme in weiten Kreisen in
Amerika gehört werde. Er habe Deutschland seit drei Wochen bereist und
mit nicht weniger als 60 verschiedenen Persönlichkeiten, besonders über
kirchliche Fragen, gesprochen. Als er im Jahre 1915 sich auf einer kirch-
lichen Mission in Deutschland befand, habe er den Eindruck gewonnen, daß
der damalige Reichskanzler von Bethmann Hollweg keine Fühlung mit dem
Vertreter der Vereinigten Staaten in Berlin gehabt habe. Dadurch seien
viele Mißverständnisse entstanden, die man hätte vermeiden können. Er
habe jetzt eine völlig veränderte Atmosphäre festgestellt. Der amerika-
nische Botschafter Dodd habe sich in sehr warmen Worten über seinen Emp-
fang durch den Herrn Reichskanzler ausgesprochen.2) Herr Dodd sei zweifel-
los von den allerbesten Absichten beseelt und wünsche, das vertrauensvolle
Verhältnis zur Reichsregierung, das sich bereits in so kurzer Zeit angebahnt
habe, zu vertiefen. Da Herr Dodd aber eine zurückhaltende Natur sei, wäre

(1) Rk. 12 288: Nicht gedruckt (L 433/L 124 296-98).


(2) Hitler hatte Dodd am 17. Oktober 1933 empfangen. Siehe die Anmerkung der Heraus
geber nach Dokument Nr. 9, S. 12.

57
Nr. 37 31. OKTOBER 1933

es nützlich, wenn die Initiative zu einem regeren Meinungsaustausch mit


ihm von der Reichsregierung ausgehe.
Auf sein eigentliches Thema übergehend, betonte Herr Macfarland, daß
die Lage der evangelischen Kirche in Deutschland starke Rückwirkungen auf
die Beurteilung deutscher Verhältnisse durch das Ausland habe. Sein Ein-
druck sei, daß sich in den Kreisen der evangelischen Pastoren zwei etwa
gleich starke Parteien scharf gegenüberstehen. In beiden Lagern gäbe es
aggressive Kräfte. Aus einem Gespräch mit Reichsbischof Müller habe er die
Zuversicht gewonnen, daß dieser sich bemühe, zwischen diesen Kräften
einen Ausgleich herzustellen. In Amerika herrsche die Auffassung vor, die
durch sensationelle Zeitungsartikel genährt werde, daß die Reichsregie-
rung durch Ernennung des Reichsbischofs und andere organisatorische Ver-
änderungen über ihre Kompetenzen hinaus in die Verfassung der evan-
gelischen Kirche eingegriffen habe.3) Er, Macfarland, halte das für einen
falschen Eindruck, den er aufzuklären bestrebt sein wird. Die Frage habe
aber eine große Tragweite, weil die Organisation der deutschen evan-
gelischen Kirche mit der internationalen Kirchenorganisation in engster
Verbindung stehe. Er bäte daher, an den Herrn Reichskanzler die Frage
richten zu dürfen, welches seine Auffassung über das richtige Verhältnis
zwischen Kirche und Staat sei.
In seiner Antwort führte der Herr Reichskanzler folgendes aus:
Von der nationalen Erhebung in Deutschland sei das ganze deutsche Volk
erfaßt worden. Schon aus diesem Grunde könne man von einem Eingreifen
der Reichsregierung in das kirchliche Leben nicht sprechen. Regierung und
Volk in Deutschland ständen nicht zueinander im Gegensatz, sondern seien
miteinander identisch. Die Wahlen vom 12. November würden hierfür den
besten Beweis erbringen. Die Reichsregierung nähme an der inneren Orga-
nisation der evangelischen Kirche nur Anteil, soweit es sich um den Ab-
schluß des Vertragswerks handele, durch das die evangelische Kirche auf
eine neue Grundlage gestellt werde. Während die Struktur des Deutschen
Reichs grundlegende Veränderungen erfahren habe, hätten immer noch
26 evangelische Landeskirchen in Deutschland bestanden. Es hat sich der
Zustand herausgebildet, daß bei politischer Einigkeit des deutschen Volkes
eine Zersplitterung in der evangelischen Kirche eingerissen sei. Es sei daher
ein unabweisbares Erfordernis gewesen, hier klare organisatorische Ver-
hältnisse zu schaffen. Gerade dadurch erhalte die evangelische Kirche in
Deutschland ihre wahre Freiheit und Selbständigkeit. Irgendwelche Ein-
griffe der Reichsregierung in die innere Organisation der evangelischen
Kirche oder gar eine Einflußnahme auf den Lehrstoff der Kirche komme
überhaupt nicht in Frage. Die Reichsregierung habe in vereinzelten Fällen
lediglich dort eingreifen müssen, wo durch Zuspitzung gegensätzlicher Auf-
fassungen Gefahr einer Störung der öffentlichen Ordnung bestand.

(3) Durch das „Gesetz über die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche" vom
14. Juli 1933 (siehe Reichsgesefzbktft, 1933, Teil I, S. 471) war das Amt eines Reichs-
bischofs geschaffen worden. Nach den am 23. Juli durchgeführten Kirchenwahlen, bei
denen die „Deutschen Christen", Befürworter des Führerprinzips in kirchlichen Ange-
legenheiten, eine Mehrheit erreicht hatten, war am 27. September von der National-
synode in Wittenberg Dr. Müller zum Reidisbischof gewählt worden.

58
Nr. 37 31. OKTOBER 1933

Herr Macfarland fragte alsdann, wie die Reichsregierung sich zu etwaigen


Kundgebungen evangelischer Pastoren stellen würde, die mit der Auf-
fassung der Reichsregierung über die Belange der evangelischen Kirche
nicht übereinstimmten.
Der Herr Reichskanzler antwortete, daß eine solche Auflehnung evan-
gelischer Geistlicher an sich nicht in erster Linie gegen die Reichsregierung
sich richte. Sie sei vielmehr im Sinne des geistlichen Berufs als eine Ver-
sündigung religiöser Art, und zwar sowohl gegen das Dogma wie gegen die
kirchlichen Oberen und das Kirchenvolk selbst aufzufassen. Wenn gegen-
sätzliche Strömungen innerhalb der Pastorenschaft beständen, so werde
zweifellos das Kirchenvolk selbst seinen Einfluß dahin geltend machen, daß
diese Meinungsverschiedenheiten beseitigt würden. Aufgabe der Reichs-
regierung sei lediglich, an der Schlichtung solcher Konflikte mitzuwirken.
Seine, des Reichskanzlers, bisherige Amtsführung sei darauf gerichtet ge-
wesen, dem Volke das kirchliche Leben zu erhalten. Er habe dafür Beweise
genug gegeben. Sein einziger Wunsch gehe dahin, daß dem Volk eine
christliche Erziehung vermittelt werde.
Herr Macfarland erwähnte, daß er in allen Kreisen der evangelischen
Pastorenschaft ein unbedingtes Zutrauen zu der Person des Reichskanzlers
gefunden habe. Nur ständen diejenigen Pastoren, die gegen die Kirchen-
politik der jetzigen Regierung eingestellt seien, unter dem Eindruck, als ob
die der Regierung nahestehenden kirchlichen Kreise sich der vollen Unter-
stützung des Reichskanzlers erfreuten, während sie selbst abseits stehen
müßten. Er frage daher, ob nicht der Herr Reichskanzler, wenn auch nicht in
seiner Eigenschaft als Reichskanzler, so doch als Persönlichkeit gemein-
samen Vertrauens, führende Männer aus beiden Lagern empfangen wolle,
um auf diesem Wege eine Einigung durch seine Autorität herbeizuführen.
Der Herr Reichskanzler antwortete hierauf, daß er selbstverständlich hier-
zu bereit sei. Er könne aber erst dann in vermittelnde Funktion treten, wenn
er hierzu von einer der interessierten Teile gebeten werde. Er ermächtigte
aber Herrn Macfarland, von dieser Erklärung seiner Bereitschaft zu einer
Vermittlung den ihm gut dünkenden Gebrauch zu machen.4)
THOMSEN

(4) Zu Macfarlands Besuch in Deutsehland siehe Macfarland, The New Churdx and the
New Germany. Siehe auch Foreign Relations of fhe United Sfafes, 1933, Bd. II, S. 303-04.

[ANMERKUNG DER HERAUSGEBER: Am 31. Oktober wurde der österreichische


Minister für Justiz und Erziehung Schuschnigg, der auf Veranlassung Doll-
fuß' zu politischen Gesprächen mit führenden deutschen Nationalsozialisten
nach München gekommen war, von Heß zu einer einstündigen Unterredung
empfangen. Schuschnigg gab den Inhalt des Gesprächs wieder in seinem
Buch Dreimal Österreich, S. 243-45. In den Akten des Auswärtigen Amts
konnte eine Aufzeichnung über die Unterredung nicht ermittelt werden.]

59
Nr. 39 1. NOVEMBER 1933

38
5643/H 000 945
Aulzeichnung des Ministerialdirektors Meyer
Abschrift
BERLIN, den 1. November 1933
AUFZEICHNUNG

Der Herr Reichsminister hat heute dem Herrn Reichskanzler die Lage der
deutsch-polnischen Wirtschaftsverhandlungen : ) vorgetragen. Er hat dabei
präzisiert, daß die Verhandlungen sich bis zum 14. Oktober d. J. verhältnis-
mäßig günstig angelassen hätten, von diesem Datum an aber die Polen mit
Forderungen vorgetreten seien, deren Erfüllung ihm nicht möglich erscheine.
Es handele sich dabei in erster Linie um die Forderung der Einfuhr pol-
nischer Kohle nach Deutschland und um die Verweigerung der Aufhebung
der Diskriminierung der deutschen Schiffahrt. Der Herr Reichsminister hat
dem Herrn Reichskanzler vorgeschlagen, daß die Einfuhr von oberschlesi-
scher Kohle nicht zugestanden werden könne, daß aber deutscherseits auf
der Beseitigung der Diskriminierung der deutschen Schiffahrt bestanden
werden müsse. Er hat dabei darauf aufmerksam gemacht, daß bei einer
intransigenten Haltung der Polen damit gerechnet werden müsse, daß die
Verhandlungen abgebrochen würden. Der Herr Reichskanzler hat sich mit
dem Vorschlage des Herrn Reichsministers einverstanden erklärt. Der Herr
Reichskanzler hat aber Wert darauf gelegt, daß eine Prüfung vorgenommen
werde, ob nicht auf anderem Gebiete im Interesse einer Vermeidung des
Abbruchs der Verhandlungen den Polen Konzessionen gemacht werden
könnten.
gez. MEYER
(l) Während der vorangegangenen Monate hatten zwischen Deutschland und Polen Wirt-
sdiaftsverhandlungen stattgefunden, bei denen es vor allem um eine Modifizierung be-
stehender Zollbestimmungen und Einfuhrbeschränkungen ging.

39
3154/D 671 328-29
Reichswehrminister von Blomberg an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath s)
Streng vertraulich BERLIN, den 1. November 1933
Nr. 580/33 VGH I
Betrifft: Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit.
Das Verlassen der Abrüstungskonferenz und der Austritt des Reiches aus

• (1) Auf der Vorlage befindet sieh die Paraphe Neuraths vom 4. November. - Das Schreiben
wurde gleichzeitig dem Reichsminister des Innern (Friek), dem Reichsminister der Luft-

60
Nr. 39 1. NOVEMBER 1933

dem Völkerbund zwingen dazu, bei allen Maßnahmen zur Stärkung der
nationalen Verteidigungskraft der schwierigen außenpolitischen Lage in
besonderem Maße Rechnung zu tragen. Noch mehr als bisher ist in jedem
einzelnen Falle scharfe Prüfung nötig, ob und wie die wehrpolitischen Be-
lange mit den Rücksichten der Außenpolitik in Einklang zu bringen sind.
Die Verantwortung für die Durchführung dieser Forderungen hat mir die
Reichsregierung durch die in der Ministerbesprechung vom 17. 10. 33 ange-
nommene Entschließung 2 ) übertragen.
In Ausführung dieses Auftrages darf ich zunächst darauf hinweisen, daß
die mit meinem Schreiben vom 14. 9. 33 Nr. 489/33 W. IIb 3 ) mitgeteilten
Richtlinien über Maßnahmen auf den Gebieten der Tarnung, der Abwehr
und der wehrpolitischen Propaganda weiterhin voll in Kraft bleiben und die
Grundlage für die Behandlung dieser Fragen bilden müssen. Um eine ein-
heitliche Handhabung zu sichern, muß ich alle Maßnahmen, die gegen die
Bestimmungen des VersaiUer Diktats verstoßen, grundsätzlich von meiner
vorherigen Zustimmung abhängig machen, wobei ich bitten darf, zur Ver-
meidung unnötiger Arbeit in derartigen Fragen von vornherein mit mir in
Fühlung zu treten. In jedem Falle wird zu erwägen sein, ob auch an sich
wünschenswerte und richtige Maßnahmen nach ihrem augenblicklichen
praktischen Nutzen so hoch zu bewerten sind, daß sie die Übernahme der
damit verbundenen außenpolitischen Gefahr rechtfertigen. Ist diese Frage
zu bejahen, so wird eingehend zu prüfen sein, in welcher Form der Tarnung
und Geheimhaltung im Sinne meiner Richtlinien vom 14. 9. 33 am wirk-
samsten Rechnung zu tragen ist. Auch hierüber müßte vor Einleitung irgend-
welcher Schritte im Einvernehmen mit mir volle Klarheit geschaffen werden.
Besondere Bedeutung kommt unter der jetzigen außenpolitischen Lage
allen in der entmilitarisierten Zone zu treffenden Maßnahmen zu. Mit Rück-
sicht auf die freiwilligen Verpflichtungen, die das Reich im Locarno-Vertrag
hinsichtlich dieser Zone übernommen hat (Beobachtung der Bestimmungen
der Artikel 42 und 43 des VersaiUer Vertrages 4 )), muß hier zunächst alles
unterbleiben, was der Gegenseite Anlaß geben könnte, uns Verstöße gegen
unsere Vertragsverpflichtungen vorzuwerfen. Bei der Wichtigkeit dieser
Frage bitte ich daher, für jede Maßnahme, die den jetzt bestehenden Zu-
stand auf dem Gebiete der Landesverteidigung in der entmilitarisierten
Zone verändert, auch wenn dabei nicht ausdrücklich gegen die militärischen
Bestimmungen des VersaiUer Diktats verstoßen wird, mein vorheriges Ein-
verständnis herbeizuführen.
Weitere, ins einzelne gehende Richtlinien auf Grund des Kabinetts-
beschlusses vom 17. 10. 33 werde ich mir erlauben bei einer mündlichen
Besprechung zu geben, zu der ich die für Tarnungs- und Abwehrfragen zu-

[Fortsetzung von Anm. 1]


fahrt und preußischen Minister des Innern (Göring), dem Reichsminister für Volksauf-
klärung und Propaganda (Goebbels) sowie der Obersten SA-Führung, z. Hd. des Herrn
Stabschefs Röhm, übermittelt.
(2) Der Text der Entschließung oder andere aktenmäßige Hinweise hierauf konnten nicht
ermittelt werden. Siehe Dokument Nr. 9.
(3) Nicht ermittelt.
(4) Diese Artikel betreffen die Entmilitarisierung des Rheinlandes.

61
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933

ständigen Referenten der obersten Reichsbehörden und der Innenministerien


der Länder für den 10. 11. 33 eingeladen habe.5)
v. BLOMBERG
(5) Neurath antwortete dem Reidiswehrminister am 6. November (3154/D 671 327): „Mit dem
Inhalt des dortigen Schreibens vom 1. November 1933 - Nr. 580/33 VGH I -, betreffend
Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sidierheit, bin ich durchaus einverstanden. Um
Mißverständnissen vorzubeugen, die aus einem unbeabsichtigten Bekanntwerden dieses
oder ähnlicher Schreiben, z. B. der von anderen Dienststellen daraufhin veranlaßten
Mitteilungen, entstehen könnten, empfehle ich, nicht von Maßnahmen zu sprechen, die
gegen den VersaiUer Vertrag verstoßen, sondern von Maßnahmen, die von Frankreich
(oder anderen Ländern) als vertragswidrig angesehen werden könnten. Eine solche
Tarnung der Ausdrucksweise dürfte sich auch im Schriftverkehr zwischen den Behörden
empfehlen."
Eine Aufzeichnung über die von Blomberg für den 10. November anberaumte Bespre-
chung konnte nicht ermittelt werden.

40
3154/D 671 310-17
Reichskanzler Hitler an den italienischen Ministerpräsidenten Mussolini •)
BERLIN, den 2. November 1933
Euere Exzellenz!
Es ist die Wiedergabe der Empfindungen des ganzen deutschen Volkes,
wenn ich an die Spitze dieses Briefes die Versicherung des aufrichtigen
Dankes setze für die vielseitigen Bemühungen Euerer Exzellenz, in denen
wir eine ebenso wertvolle Unterstützung des deutschen Volkes wie tat-
kräftige Förderung aufrichtiger Friedensbestrebungen erblicken. Das deut-
sche Volk wird dies nicht vergessen. In mir selbst verbindet sich die Be-
wunderung für das geschichtliche Wirken Euerer Exzellenz mit dem
Wunsche einer vom Geiste wahrer Freundschaft erfüllten Zusammenarbeit
unserer beiden Nationen, die, weltanschaulich verwandt, durch zweckmäßige
Wahrnehmung gleicher Interessen unendlich viel zur Befriedung Europas
beitragen können.
Denn ich brauche Euerer Exzellenz nicht zu versichern, daß die deutsche
Regierung und das deutsche Volk nur von dem einen Wunsche beseelt sind,
unter Wahrung der allgemeinen Gleichberechtigung und damit des Lebens-
rechtes des deutschen Volkes, mitzuhelfen an der Beendigung einer Periode
der Geschichte der europäischen Staaten, die einzelnen Völkern vielleicht
scheinbare Vorteile gebracht haben mag, insgesamt aber weder der Wohl-
fahrt dieser Völker, ihrer zukünftigen Stellung innerhalb der übrigen Welt,
noch der allgemeinen menschlichen Kultur nützlich war. Ich darf weiter
Euerer Exzellenz versichern, daß ich während eines vierjährigen Einsatzes
an der Westfront den Krieg in seiner unromantischen Wirklichkeit zu sehr
kennengelernt habe, um nicht die ungeheure Verantwortung derer zu er-
messen, die die Vorsehung Völker regieren läßt, daß ich aber als Mann

(i) Für die näheren Umstände der Übermittlung dieses Briefes siehe Dokument Nr. 50.

62
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933

erfüllt bin von der Überzeugung, nicht nur das Recht, sondern auch die Ehre
der Nation, die mich als ihren Sprecher und Führer anerkennt, vertreten zu
müssen. Ich wollte daher lieber jede Drangsal ertragen, als für mich oder die
Nation jene Prinzipien preisgeben, die durch Blut und Opfer zahlreicher
Generationen verteidigt und erhalten, für die Existenz einer Nation unent-
behrlich und damit wahrhaft geheiligt sind.
Euere Exzellenz haben das Glück, der souveräne Führer eines aus dem
Weltkrieg erfolgreich zurückgekehrten Volkes zu sein. Als glühender
Patriot werden Sie aber dennoch Verständnis empfinden für Männer, die in
nicht minder großer Liebe an einem Volke hängen, das das Schicksal nach
heroischem Widerstände und unermeßlichen Opfern geschlagen hat und
die nun die geschichtliche Aufgabe zu erfüllen haben, diesem Volke Ehre
und Lebensrecht wiederzugeben. Als großer Italiener können Sie nicht
anders denken und würden selbst nicht anders handeln, wie wir deutsche
Nationalsozialisten es heute tun!
Die Abrüstungsfrage ist ein Problem, das für die anderen Nationen nur
sachliche, für Deutschland leider aber auch moralische Bedeutung besitzt. Es
ist für die Regierungen der anderen Staaten nur eine Angelegenheit sach-
licher militärischer Zweckerwägungen, Verminderungen oder Begrenzung
der Streitkräfte und Rüstungen vorzunehmen. Für Deutschland ist diese
Frage verbunden mit jenem Kapitel des VersaiUer Vertrages, das nicht nur
unsere sachliche Wehrlosigkeit, sondern auch moralische Diskriminierung
beinhaltet. Für uns kann daher diese Frage nicht nur eine solche ausschließ-
lich sachlicher Erwägungen sein, sondern es ist dies eine Frage des Ehr-
empfindens der Nation und ihrer Regierung. Es ist daher eher noch möglich,
auf sachlichen Gebieten entgegenzukommen, als es möglich ist, auf mora-
lischen Konzessionen zu machen!
Als die deutschen Regierungen einst den Waffenstillstand und später den
Friedensvertrag unterzeichneten, konnten sie nur eine einzige schwache
Entschuldigung für ihr Handeln anführen: Nicht die sonst drohende Not,
sondern nur die in den 14 Punkten Wilsons und später im Friedensvertrage
gegebene Aussicht, daß die Waffenniederlegung und Waffenzerstörung des
deutschen Volkes die Voraussetzungen sein würden zu einem analogen
Verfahren der übrigen Völker und damit zu einer Entgiftung und Befriedung
der Welt. Ich nehme nicht zur Ideologie dieser Auffassung Stellung, sondern
nur zu den in den Verträgen niedergelegten Zusicherungen und der in der
Tat vollzogenen deutschen Ausführung.
Deutschland hat abgerüstet.
Daß Deutschland ein Recht besitzt, die Abrüstung der anderen Staaten
unter Berufung auf den Friedensvertrag zu fordern, kann nicht bestritten
werden, schon aus dem Grunde, weil die Unbegrenztheit der Dauer der
deutschen Abrüstung bzw. die Fixierung der deutschen Rüstung für die
Zukunft überhaupt nur denkbar war unter der Annahme, damit eine Vor-
aussetzung für die Abrüstung der anderen Staaten und zugleich für deren
Ausmaß zu bestimmen. Denn wenn jemand die Verpflichtung der Abrüstung
der anderen Nationen bestreitet, so würde er bei der zeitlich unbegrenzten
Dauer der im VersaiUer Vertrag niedergelegten deutschen Abrüstung und
des in ihm fixierten deutschen Rüstungsstandes behaupten, daß durch diesen

63
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933

Vertrag für ewige Zeiten und unbegrenzt für alle Zukunft ein Kriegsaus-
gang entscheidend sein soll für die Minderberechtigung eines Volkes. Es
erübrigt sich jede Stellungnahme zu einer solchen wahnsinnigen Auf-
fassung; wollte man einen Friedensvertrag so auslegen, dann hieße dies
zugleich, dem Besiegten jedes moralische Recht zum Bruch eines solchen
Vertrages zubilligen. Damit aber läge in einem solchen Vertrage bereits
der Keim eines kommenden Krieges.
Dies konnte nicht der Sinn des Abschlusses des Weltkrieges sein und war
es auch nicht. Indem das deutsche Volk seine Verpflichtungen erfüllt hat,
besitzt es ein moralisches Recht, von der übrigen Welt die Erfüllung der
analogen Verpflichtung zu fordern und zu erwarten.
Die praktische Entwicklung dieser Angelegenheit läßt aber eines ein-
deutig und klar erkennen: Keine Macht denkt im Ernst daran, ihre Rüstung
irgendwie zu beschränken und damit die einst übernommene Verpflichtung
zu erfüllen. Es ist nicht notwendig, im einzelnen die Gründe für dieses Ver-
halten zu untersuchen. Ich will aber annehmen, daß es den Regierungen
unmöglich erscheint, vor den Parlamenten und den Generalstäben die Be-
lastung einer wirklichen Abrüstung auf sich zu nehmen. Ja, im Gespräch
unter vier Augen wurde uns von verschiedenen Staatsmännern ganz offen
und frei erklärt, daß ihre Regierungen nicht daran dächten, auch nur eine
einzige Kanone zu vernichten. Damit aber konnte der Zweck der Genfer
Verhandlungen nur mehr der sein:
Erstens eine wirkliche Abrüstung unter allen Umständen zu verhindern
und
zweitens die Schuld von sich ab- und auf einen anderen hinzuwälzen!
Ich habe schon in meiner Rede vor dem Reichstag 2) keinen Zweifel dar-
über gelassen, daß im Falle einer solchen Entwicklung Deutschland sowohl
die Abrüstungskonferenz als auch den Völkerbund verlassen würde. Ich
habe in einer Unterredung mit dem Botschafter Euerer Exzellenz 8 Tage
vorher 3 ) desgleichen darauf hingewiesen, daß ich dieser Entwicklung nicht
willenlos zusehen würde, sondern daß ich unter allen Umständen und auf
jede Gefahr hin die gebotenen Konsequenzen ziehen würde.
Baron von Neurath, der am 14. Oktober 10 Uhr vormittags Eurer Exzellenz
Botschafter die bevorstehende Durchführung des deutschen Schrittes mit-
teilen sollte, konnte diesen leider nicht erreichen. Ich hielt es aber nach den
gegebenen Umständen für notwendig, nach der Bekanntgabe der neuen
englischen Entwürfe 4 ) unverzüglich eine Bindung zu lösen, aus der sich
unter solchen Umständen nur noch mehr Verwirrungen und damit eine Ver-
schärfung der Lage hätten ergeben müssen.
Da der Vorsatz der hochgerüsteten Staaten, in Sonderheit Frankreichs,
nicht abzurüsten, feststeht, glaube ich auch nicht mehr an eine Möglichkeit

(2) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 246. S. 446.
(*) Dieser Hinweis bezieht sich vermutlieh auf die Unterredung, die am 12. Oktober,
wenige Tage vor dem Austritt Deutsehlands aus der Abrüstungskonferenz und dem
Völkerbund, zwischen Hitler und Cerruti stattgefunden hatte. Siehe Serie C, Bd. 1,2,
Dokument Nr. 494. Siehe auch Aloisi, Journal (25 juillet 1932 - 14 juin 1936), Eintragung
für den 13. Oktober 1933.
(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 486 und 493.

64
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933

der Verwirklichung des MacDonald-Planes. Im Gegenteil, ich fürchte, vom


deutschen Standpunkt aus gesehen, daß jede Verbindung der Forderung
unserer Gleichberechtigung mit einer Forderung nach Abrüstung der ande-
ren Staaten dem deutschen Rechtsanspruch nur schädlich sein kann.
Ich glaube daher auch, daß dieser und jeder ähnliche Versuch keinerlei
Aussicht auf tatsächliche Verwirklichung mehr besitzen. Ich glaube, daß
statt dessen bei der Lösung dieser Frage ausgegangen werden muß von der
Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände. Folgendes scheint mir dabei
wichtig:
1.) Deutschland hat ein unbestreitbares Recht auf Gleichberechtigung.
2.) Die hochgerüsteten Staaten gedenken unter keinen Umständen ihre
Rüstungen preiszugeben.
Ich sehe damit, soweit die hochgerüsteten Staaten in Frage kommen,
höchstens nur noch eine Möglichkeit, nämlich unter Verzicht auf eine wirk-
liche Abrüstung ihre Rüstungshöhe für die Dauer einer bestimmten Kon-
vention auf den heutigen Stand festzulegen und zu erhalten. Ich darf Eurer
Exzellenz dabei versichern, daß Deutschland an dieser Lösung weniger
interessiert ist als die hochgerüsteten Staaten selbst. Jede Steigerung der
derzeitigen Rüstungen kann nicht gegen Deutschland gedacht sein. Deutsch-
land fühlt sich auch durch sie nicht mehr bedroht, als es an sich bedroht ist.
Ob Frankreich zur Masse seiner zwanzig- oder dreißigtausend Kriegs-
geschütze noch einige tausend dazu erhält, seine viertausend Tanks noch um
einige tausend erhöht, seine dreitausend Flugzeuge auf fünf- oder zehn-
tausend bringt, seine Unterseeboote verdoppelt usw., kann für Deutschland
ziemlich gleich sein. Es sind die hochgerüsteten Staaten selbst, die allein
ein Interesse daran haben könnten, diesen nur sie betreffenden gegenseitigen
Rüstungskrieg zu stoppen.
Ich halte es nun für eher möglich, diesen Rüstungswettstreit anzuhalten,
als die vorhandenen Rüstungen abzubauen.
Deutschland, das an sich keinen anderen Wunsch besitzt, als in Ruhe und
Frieden seiner inneren Entwicklung nachgehen zu können, würde sich an
diesem Wettstreit der Schaffung von Angriffswaffen überhaupt nicht be-
teiligen. Wir würden uns aber im Rahmen einer solchen Konvention, die auf
eine längere Reihe von Jahren abgeschlossen werden könnte, beteiligen
a) unter Anerkennung einer wirklichen Gleichberechtigung durch die
anderen Mächte,
b) unter der freiwilligen eigenen Verpflichtung Deutschlands, von dieser
Gleichberechtigung nur einen ebenso begrenzten mäßigen wie für die
anderen Staaten angriffsungefährlichen Gebrauch zu machen.
Ministerpräsident General Göring, den ich beauftrage, dieses Schreiben
an Eure Exzellenz zu überbringen, ist unterrichtet, auf Eurer Exzellenz
Wunsch über diese Frage noch mündliche Ausführungen zu machen.
Ich halte es weiterhin für möglich, daß in einer solchen Konvention allge-
meine Verpflichtungen übernommen würden der Respektierung gewisser
humaner Grundsätze der Kriegführung, besonders gegenüber der Zivil-
bevölkerung. Wesentlich scheint mir aber zu sein, daß jedes Abkommen,
das Aussicht auf Erfolg haben soll, möglichst klar und einfach gehalten ist.
Und ebenso wesentlich, daß durch eine Fühlungnahme der in Frage kom-

65

11,1 Bg. 5
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933

menden europäischen Großmächte untereinander schon vorher versucht


wird, das vorhandene Mißtrauen nach Möglichkeit zu beheben und durch
eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens zu ersetzen.
Indem ich diese Gedanken Eurer Exzellenz unterbreite, möchte ich aus-
drücklich betonen, daß ich nicht die Absicht habe, sie irgendeiner Konferenz
vorzulegen oder gar zu diesem Zwecke eine solche anzuregen. Ich habe aber
diese Gedanken in Gesprächen mit dem amerikanischen und dem englischen
Botschafter5) - auf deren Befragung nach der Auffassung der deutschen
Regierung über eventuelle Möglichkeiten für die Zukunft - in groben Um-
rissen skizziert und möchte daher nicht verfehlen, sie auch Eurer Exzellenz
vorzulegen. Wie immer aber auch die Entwicklung in der Zukunft vor sich
gehen mag, so wird doch eines unser unabänderlicher Entschluß und Wille
sein, nichts zu tun und nichts zu unterschreiben, was irgendwie mit der Ehre
der Nation und ihren Ansprüchen auf Gleichberechtigung unverträglich ist.
Indem ich Eure Exzellenz nochmals des Dankes der deutschen Regierung
und des deutschen Volkes versichere, bin ich in persönlicher aufrichtiger
Bewunderung
Ihr
gez. ADOLF HITLER

• (5) Für Hitlers Unterredung mit Dodd siehe die Anmerkung der Herausgeber nach Doku-
ment Nr. 9, S. 12. Hitlers Unterredung mit Phipps ist wiedergegeben in Dokument
Nr. 23.

41
5552/E 393 494-99
Autzeichnung ohne Unterschriftl)
3. November 1933
AUFZEICHNUNG ÜBER EINE BESPRECHUNG IM AUSWÄRTIGEN AMT
AM 3. NOVEMBER 1933, 12 UHR 15 2)
Anwesend die Herren: Meyer, von Moltke, Graf Adelmann vom Aus-
wärtigen Amt; Nasse vom Reichsfinanzministerium; von Flotow von Hardy
& Co.; Ritscher von der Dresdner Bank; Flick, Steinbrinck, Bruhn für die
IG-Gesellschaften.
Dr. Bruhn führte etwa folgendes aus:
Am gestrigen Nachmittag ist das Verwaltungsgebäude der IG-Gesell-
schaften in Kattowitz 3 ) von polnischer Polizei besetzt worden. Die Ge-

• (i) Eine beiliegende Notiz (5552/E 393 493) lautet: „Herrn Ministerialdirektor Meyer im
Auftrage von Herrn Dr. Bruhn ergebenst überreicht. Berlin, den 21. November 1933.
Sekretariat Dr. Bruhn: Eberhardt."
(2) Neurath wurde über diese Besprechung durch eine kurze Aufzeichnung Meyers vom
3. November (5552/E 393 531) unterrichtet. In den Akten befindet sich noch eine weitere
Aufzeichnung des Auswärtigen Amts über die Besprechung (5552/E 393 509-11).
(>) Frühere Dokumente zur Frage des IG Kattowitz-Laura-Konzerns sind abgedruckt in
Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 359 und 473. Eine umfassende Aufstellung über die
Finanzstruktur und die Besitzverhältnisse des Konzerns (5552/E 393 368-84) wurde am
8. März 1934 von Flotow an Meyer übermittelt.

66
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933

schäftsbücher und Akten der Finanzabteilung wurden beschlagnahmt, die


Zimmer der deutschen Vorstandsmitglieder und ihrer Sekretäre versiegelt
und der Oberbuchhalter Szczendzina verhaftet. Nach vertraulichen Mit-
teilungen handelt es sich um eine von Warschau aus angeordnete Maß-
nahme der Kattowitzer Staatsanwaltschaft, um dem Steuerfiskus auf Grund
der Bilanzen 1931 und der Unterlagen für die Bilanzen 1932 einen Vorwand
zur Verhängung hoher Steuerstrafen zu geben.
Der Vorstoß gegen die IG ist von langer Hand vorbereitet und verfolgt
rein politische Zwecke. Es ist in kürzester Zeit damit zu rechnen, daß ent-
weder die Sequestrierung der Werke erfolgt oder eine Geschäftsaufsicht
eingesetzt wird. In beiden Fällen ist die vollständige Polonisierung der
Belegschaft unvermeidlich.
Seit IV2 Jahren bemüht sich der Woiwode 4) mit Nachdruck, eine stärkere
Berücksichtigung des polnischen Elementes in den maßgebenden Stellen der
Verwaltung herbeizuführen. Im Herbst 1932 schon wurde das Verlangen
gestellt nach einer Umbesetzung der Aufsichtsräte und nach einer Bestellung
eines neuen polnischen Vorstandsmitgliedes als Ersatz für die ausgefallenen
Herren Kiedron und Haase. Nach langem Drängen erfolgte am 1. Oktober
1932 die Bestellung von Radowski, wodurch das Verhältnis 5 deutsche Vor-
standsmitglieder zu 3 polnischen hergestellt wurde.
Im Februar dieses Jahres wurde der Austritt des Fürsten Radziwill aus
dem Aufsichtsrate durch einen unmotivierten Angriff des Handelsministers
Zarzycki im Sejm-Ausschuß durchgesetzt.
Im März 1933 verlangte der Woiwode weitere Maßnahmen zur Ver-
stärkung des polnischen Einflusses mit der Begründung, daß die Werke von
uns nicht nach wirtschaftlichen, sondern nach rein politischen Gesichtspunk-
ten geführt würden. Als Beweis wurden angezogen: unser Widerstand gegen
den Beitritt zur Unja, die viel zu hohe Belegschaft und unsere Weigerung,
deutsche Beamten (Optanten) zu entlassen.
Herr Flick lehnte damals die Einsetzung eines Generaldirektors ab, stellte
aber in Aussicht, die Parität im Vorstande bis zum Juli d. Js. herzustellen.
Wie in früheren Jahren wäre es zweifellos bei Drohungen und vielleicht
allmählich verstärktem Druck geblieben, weil die Polen letzten Endes
damit rechneten, daß sich die deutsche Aktionärgruppe bei der Aufrecht-
erhaltung des deutschen Einflusses bei den O/S-Gesellschaften auf die
Politik der deutschen Regierung stützte. Es wurde in polnischen Zeitungen
wiederholt ausgesprochen, daß ein großer Teil des Aktienbesitzes direkt
oder indirekt im Besitz des Deutschen Reiches sei; sie schlössen daraus, daß
das Deutsche Reich starkes Interesse daran habe, die Position für das
Deutschtum zu erhalten. Diese Tatsache ist letzten Endes wohl ein wirk-
samer Schutz vor allzu weitgehenden Eingriffen der polnischen Regierung
gewesen.
Mit dem Augenblick, als im Mai (Londoner Konferenz) die Polen er-
fuhren, daß die deutsche Regierung gesonnen sei, diese Position aufzugeben,
und als Verkaufsverhandlungen mit Rajchmann eingeleitet wurden, brach
dieser gewissermaßen moralische Schutz für die Gesellschaften zusammen.

• (4) Grazynski.

67
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933

Das Feld wurde frei für energische polnische Vorstöße. Diese setzten nun
auch schlagartig ein. Es genügt der Hinweis auf einige wenige Vorfälle:
Anfang Juli Verhaftung Bernhardt.5)
Schärfstes Drängen auf Vorlage der Bilanzen, Androhung hoher Steuern
und Verzugsstrafen.
Verlangen nach Beseitigung der Parität zu Gunsten einer polnischen
Majorität im Vorstand.
Formulierte Forderungen der polnischen Regierung für die neue Be-
setzung des Aufsichtsrates.
Verweigerung der Diskontierung von Russenwechseln und Staatsbahn-
wechseln mit dem ausgesprochenen Hinweis, daß so lange nicht diskontiert
werde, als gewisse politische Forderungen nicht erfüllt sind.
Der bisher den Polen entgegengesetzte Widerstand wurde dadurch völlig
untergraben, daß seitens der Unterhändler die mit großer Sorgfalt aufge-
zogene Tarnung der amerikanischen Beteiligung, der geringe Einfluß der
Amerikaner, die tatsächlichen Besitzverhältnisse beim Stahlverein und
Gelsenkirchen, die Ausschaltung des Herrn Flick und dergleichen mehr in
allen Einzelheiten den Polen berichtet wurden. Durch diese Art der Ver-
handlungsführung seitens der Vermittler sind die schwachen Punkte unserer
Position den Polen zur Kenntnis gekommen, die nun mit großer Geschick-
lichkeit ihren Angriffsplan ansetzen konnten. Die Vorwürfe gehen dahin,
daß auf Veranlassung der deutschen Kapitalisten die Gesellschaften von
den deutschen Vorständen mit fiktiven Schulden belastet worden sind, so
daß die deutschen Kapitalisten aus den Zinsen auf diese Schulden laufend
Einnahmen aus den Gesellschaften herausgezogen haben, die an und für
sich einkommensteuerpflichtig wären. Aus diesem Vorwurf konstruieren
die Steuerbehörden eine Anklage gegen den Vorstand wegen Steuerhinter-
ziehung; sie wollen die Werke mit einer Steuer von 25 bis 30 Millionen
Zloty belasten und aus Anlaß dieses Prozesses zunächst die deutschen Vor-
standsmitglieder Rohde und Tomalla entfernen.6)
Als Kuriosum wurde noch erwähnt: Der polnische Unterhändler Levin,
der neben Herrn Honigmann mit der Vermittlung des Verkaufs betraut
worden ist, hat heute morgen von Paris aus erklärt, die Aktion der Staats-
anwaltschaft habe nichts zu bedeuten, man solle sich darüber nicht be-
unruhigen, sondern die Verkaufsverhandlungen in bisheriger Weise fort-
führen. Es bestehe die größte Wahrscheinlichkeit, daß der Verkauf in näch-
ster Zeit in der gedachten Weise perfekt werde.

(5) Ein Mitarbeiter des Kattowitz-Konzerns, dem von den polnischen Behörden kriminelle
Handlungen zur Last gelegt wurden.
(6) Adelmann meldete dem Auswärtigen Amt am 24. November aus Kattowitz (5552/E 393
473), daß polnischen Presseberichten zufolge ein Haftbefehl gegen Rohde und Tomalla
ergangen sei, weil sie sieh trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zur Vernehmung vor
Gericht gestellt hätten; beide seien jedoch inzwischen ins Ausland gegangen. Siehe
auch Sehreiben des Reichsfinanzministeriums an das Auswärtige Amt und das Reichs-
wirtschaftsministerium vom 29. November (5552/E 393 459-63). Am 14. Januar 1934
informierte Meyer jedoch Moltke (5552/E 393 436-39), daß ein Verfahren gegen die IG
nicht schwebe, nur gegen einige Vorstandsmitglieder! seines Wissens sei gegen Rohde
und Tomalla „ein formelles Verfahren noch gar nicht eingeleitet". Siehe auch Dokument
Nr. 217.

68
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933

Der Vertreter der Harriman-Gruppe, Mr. Rossi, ist heute früh von Herrn
Dr. Radowski gebeten worden, nach Kattowitz zu kommen, um morgen eine
Unterredung mit dem Woiwoden zu haben, der ihn sprechen möchte.
Herr Meyer führte aus, daß er auf die Vorgänge der letzten Monate heute
nicht eingehen wolle, und erklärte, daß entsprechend der Entscheidung von
höchster Stelle ein Verkauf der Werke nicht mehr in Frage komme.7) Es sei
aber entschieden worden, daß die Verhandlungen nicht brüsk abgebrochen
werden, sondern allmählich versanden sollten. Hierüber bestand allge-
meines Einverständnis.
Herr Flick erklärt, er sei immer der größte Gegner des Verkaufsgedan-
kens gewesen und habe die Tatsache, besonders aber die Art der Verhand-
lungen, für ein großes Unheil angesehen. Sobald er davon in Kenntnis
gesetzt worden sei, daß über den Verkauf im Auftrage der deutschen
Aktionäre verhandelt werde, habe er kaum mehr daran gezweifelt, daß die
polnische Regierung Mittel und Wege finden werde, sich in den Besitz der
begehrten Werke zu setzen, daß sie aber gleichzeitig auch Mittel und Wege
finden werde, um dies ohne nennenswerten Gegenwert zu erreichen.
Nach kurzer Erörterung der Lage schlägt Herr Meyer vor, die noch be-
stehende Verbindung mit den Unterhändlern auszunutzen, um den Eingriff
der Kattowitzer Behörden zur Sprache zu bringen und auch auf diesem
Wege eine Einwirkung zu versuchen. Herr Meyer schlägt ferner vor, daß
Herr Flick gleichzeitig mit Herrn Rossi den Woiwoden besuchen möge.
Dr. Bruhn empfiehlt ein Vorgehen in dieser Richtung in zwei Etappen der-
gestalt, daß Herr Rossi den Woiwoden veranlaßt, Herrn Flick um eine
Unterredung zu bitten.
Herr Meyer schlägt vor, nicht allzusehr auf einer formellen Einladung
von Herrn Flick zu bestehen. Wie die Form gewählt werde, sei gleichgültig,
wichtig sei nur, daß bald eine Besprechung zwischen Herrn Flick und dem
Woiwoden zustande komme.
Dr. Bruhn empfiehlt, die Sanierung der Bilanzen mit tunlichster Be-
schleunigung vorzubereiten, um zu einem Arrangement mit der polnischen
Behörde zu gelangen, wobei man gegenseitige Konzessionen anbieten kann,
z. B. Verzicht der polnischen Behörde auf ihre unberechtigten Steuerforde-
rungen gegen Stundung der deutschen Bankforderungen nebst Zinserlaß
und gegen Opfer der Aktionäre in Gestalt einer Zusammenlegung des
Kapitals und dergleichen.
Herr Ritscher hält diesen Gedanken für richtig, weist aber darauf hin,
daß die mit einer Sanierung verknüpften Opfer nutzlos gebracht würden,
wenn man nicht entschlossen sei, durch die Beschaffung flüssiger Betriebs-
mittel die Gesellschaften unter allen Umständen durchzuhalten, auch wenn
die Bank Polski in Zukunft bei der Finanzierung der Russenwechsel Schwie-
rigkeiten machen sollte.
Die Herren Meyer und Flick schließen sich dieser Auffassung an. Herr
Meyer betont, daß der Beschluß, die Werke zu halten, selbstverständlich
zur Folge habe, daß die Werke finanziell sichergestellt werden müßten. Das

(7) Neurath hatte diese Entscheidung Hitlers in einem hsdir. Vermerk vom 1. November
(5552/E 393 535) aufgezeichnet.

69
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933

Finanzministerium wird gebeten, die Bereitstellung der dafür erforderlichen


Mittel zu betreiben.
Auf eine Frage des Herrn Nasse legte Dr. Bruhn den Umfang der bisher
gewährten Zuschüsse zahlenmäßig dar. Im Jahre 1932 wurden durch die
Akzeptbank 8 Millionen RM, in diesem Jahre 6,7 Millionen RM zur Ver-
fügung gestellt, insgesamt also 14,7 Millionen RM. Demgegenüber sind aber
noch immer neben den dinglichen Sicherheiten und der Verpfändung der
CSSC 8)-shares und der Vorräte und Bestände rd. 4 Millionen RM liguide
geldwerte Sicherheiten in Gestalt von Russenwechseln und Zessionen von
Forderungen hinterlegt, die den Betriebsmitteln der IG entzogen sind, so
daß, wenn man die ersten 8 Millionen RM auf das Vorjahr anrechnet, in
diesem Jahre nicht, wie es den Anschein haben könnte, 6,7 Millionen RM,
sondern nur 2,7 Millionen RM an neuen Mitteln gegeben worden sind.
Auf die Frage des Herrn Nasse, welche Beträge für die nächste Zeit
erforderlich sein würden, um den Betrieb in der bisherigen Weise zu finan-
zieren, antwortet Dr. Bruhn, daß dies naturgemäß von der Konjunktur ab-
hängig sei. Die Betriebsergebnisse seien seit Frühjahr dieses Jahres aktiv,
reichten aber nicht dazu aus, die langfristigen Zahlungsbedingungen fast
aller heutigen Lieferungsaufträge, insbesondere der russischen, zu über-
brücken und darüber hinaus nennenswerte Zinsen zu zahlen, ganz zu
schweigen von den Abschreibungen. Er erinnerte an die von Herrn v. d.
Porten im Februar verfaßte Denkschrift, in der der Geldbedarf bis Ende 1933
auf 14 Millionen RM geschätzt sei, wobei die Freigabe der oben erwähnten
liquiden Sicherheiten ausdrücklich vorausgesetzt wurde. Die Verhältnisse
haben sich inzwischen etwas gebessert, und, ohne die Verwaltung irgend-
wie festlegen zu können, glaubte Dr. Bruhn, daß bei Fortdauer der gegen-
wärtigen Beschäftigungslage ein Zuschuß in Höhe der gegenüber der
v. d. Portenschen Schätzung noch ausstehenden 7,3 Millionen RM die Ge-
sellschaften bis zum nächsten Sommer gut über Wasser halten werde, aber-
mals unter der Voraussetzung, daß eine Freigabe der liquiden Sicherheiten
erfolgt.
Auf Vorschlag von Herrn Meyer erklären sich die Herren Ritscher,
v. Flotow, Nasse und Bruhn bereit, die Vorbereitung der Sanierung mit
aller Beschleunigung zu fördern und im Einvernehmen mit dem Finanz-
ministerium festzustellen, ob die zur Durchhaltung der Gesellschaft erforder-
lichen Mittel auch für den Fall des Versagens der Bank Polski bereitgestellt
werden können. Herr Meyer verspricht die politische Hilfestellung des
Auswärtigen] A[mts].
Es soll versucht werden, mit der polnischen Seite zu einem modus vivendi
zu kommen, zu dem die Besprechung mit dem Woiwoden den Auftakt geben
kann.*)

(8) In der umfassenden Aufzeichnung über die Finanzstruktur des IG-Kattowitz-Laura-


Konzerns, die Meyer am 8. März von Flotow zugesandt wurde (siehe Anm. 3), heißt es,
daß die CSSC im Jahre 1929 gegründet worden sei, „um angesichts der in Polen drohen-
den Liquidationsgefahr den deutschen Besitz als amerikanischen erscheinen zu lassen".
(9) Dokumente über die nachfolgenden Verhandlungen zwischen Rossi und polnischen Ver-
tretern sind gefilmt unter der Seriennummer 5552.

70
Nr. 42 3. NOVEMBER 1933

42
3154/D 670 215-19
Aufzeichnung ohne Unterschrittl)
[3. November 1933]
RM. 1519
Die Feinde des Regimes liefern aus Rache zahlreiche Denunziationen über
die Wiederaufrüstung Deutschlands. Bei den hiesigen fremden Militär-
attaches laufen derartige Denunziationen täglich in großer Anzahl ein. Aus
denselben geht hervor, daß Deutschland sich nicht an das Rüstungsniveau
von Versailles gehalten hat, und infolgedessen halten sich die Sieger auch
nicht mehr an ihr Abrüstungsversprechen gebunden.
Auf meinen Einwand, daß, wenn dieses wahr wäre, Hitler kaum in der
Lage gewesen wäre, die angeblichen geheimen Rüstungen Deutschlands mit
solcher Entschiedenheit zu dementieren, antwortete mein Mitredner, daß
Hitler bloß die angeblichen deutschen Waffenfabriken in Holland, Schweden,
Rußland etc. erwähnt hätte, hingegen kein Wort darüber sagte, was in
dieser Beziehung innerhalb der deutschen Grenzen geschieht.
Auf meine Frage, ob die von deutschen amtlichen Stellen und insbeson-
dere von seiten des Reichskanzlers immer häufiger erklingenden Friedens-
botschaften vollkommen wirkungslos seien, antwortete mein Mitredner, daß
diese Erklärungen nicht ganz ohne Eindruck blieben. Der gesäte Samen ver-
dorre nicht im Sande und, bei entsprechend behutsamer Behandlung, könne
daraus Nützliches hervorsprießen. Der Wert dieser Erklärungen werde je-
doch dadurch abgeschwächt, daß die Deutschen gleich zuviel sagen. Er ver-
wies auf jenen Teil der Rede Daladiers,2) wo letzterer in Beantwortung der
Erklärungen Hitlers sagte, er habe offene Ohren, um zu hören, aber auch
offene Augen, um zu sehen.
Hierauf fing mein Mitredner an darüber zu sprechen, was meinem Ein-
drucke nach der Hauptzweck seines Besuches war, nämlich über die Frage
der unmittelbaren Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich. Er
frug mich, ob ich etwas darüber gehört hätte, daß Deutschland bereits ein
fertiges Programm für diese Besprechungen habe. Seine Informationen
lauten dahin, daß Deutschland bei diesen direkten Verhandlungen mit
solchen Forderungen aufzutreten gedenkt, deren Erfüllung mit der deut-
schen Hegemonie in Europa gleichbedeutend wäre. Diese Forderungen
wären:
1.) Rückkehr des Saargebietes. Dies hätte, sagte mein Mitredner, von
politischem Standpunkt keine größeren Schwierigkeiten; es handle sich nur
darum, ob bei der Abstimmung 90, 80 oder nur 70 oder 60 Prozent der

*(1) Am Kopf des nicht unterzeichneten und undatierten Dokuments befindet sich folgender
nschr. Vermerk: „Der ungarische] Gesandte teilte mir nachstehendes über eine Unter-
redung mit dem französischen] Botschafter [Francois-Poncet] mit (unter Betonung der
Notwendigkeit strengster Diskretion). B[ülow] 3. 11."
Das Dokument wurde in den Akten in einem versiegelten Umschlag abgelegt, der die
Aufschrift trägt: „Memorandum Masirevich".
Das Datum wurde vom Eingangsstempel des Auswärtigen Amts übernommen.
(2) Siehe Dokument Nr. 18, Anm. 3.

71
Nr. 42 3. NOVEMBER 1933

Stimmen für die Rückkehr zum Reich abgegeben würden. Die Schwierig-
keiten werden sich nur ergeben bei der Regelung der finanziellen und der
Bergwerksfragen.
2.) Unterstellung von Elsaß-Lothringen unter die Bestimmungen des
Minoritätenschutzes.
3.) Durchführung des österreichischen Anschlusses.
4.) Rückgabe des polnischen Korridors.
Ich antwortete, daß ich nicht den Eindruck habe, Deutschland hätte solch
ein bestimmtes Programm, und selbst wenn ein Programm vorhanden wäre,
so glaube ich sicherlich nicht an deutsche hegemonistische Velleitäten.
Meiner Überzeugung nach seien die friedlichen Absichten Deutschlands voll-
kommen aufrichtig, und selbst wenn sie nicht aufrichtig wären, so sei die
Lage eine derartige, daß die Durchführung nichtfriedlicher Absichten die
Frage einer nur äußerst entfernten Zukunft sein könnte; es schiene mir
aber nicht zweckmäßig, eine europäische Politik auf so weite Sicht zu be-
treiben. Mein Mitredner gab zu, daß er selbst die Quelle, aus welcher die
Informationen über die angeblichen deutschen Wunschzettel stammte, für
nicht sehr zuverlässig halte. Im übrigen wäre es eine Naivität, anzunehmen,
daß Frankreich gerade nach den letzten Ereignissen in der Lage wäre, sich
in ä-deux-Verhandlungen einzulassen, wodurch es seinen Alliierten und
dem Völkerbund einen Affront antun würde.
Der Austritt Deutschlands, sagte mein Mitredner, habe überraschend
gewirkt. Man habe den Eindruck gehabt, daß Hitler gemäßigt sein und die
Dinge nicht auf die Spitze treiben wolle. Er betonte mit sorgenvoller Miene,
daß dieser drastische Schritt noch schwere Folgen nach sich ziehen könne.
Ich antwortete, ich könne meiner innersten Überzeugung nach in diesem
Schritte des Reichskanzlers ebenso wenig einen Akt erblicken, der die
Wiederaufrüstung oder die Störung des Friedens zum Ziele hätte, als auch
einen Akt politischer Taktik. Meiner Auffassung nach sei der Austritt
Deutschlands aus dem Völkerbunde ganz einfach aus der Hitler eigentüm-
lichen Ideologie entsprungen: er wollte aus der mit Intrigen erfüllten Atmo-
sphäre in freie Luft gelangen.
Mein Mitredner kam dann auf die Kontroverse Neurath-Simon *) zu
sprechen. Er sagte, die Deutschen hätten nicht recht, wenn sie behaupteten,
sie wären über das Wesen des Simon-Planes nicht unterrichtet gewesen;
die vier Großmächte hätten sich darüber geeinigt gehabt und der Plan wäre
äußerst raisonabel gewesen, nämlich:
1.) In der ersten vierjährigen Periode hätte sich die Kontrolle bei den
gerüsteten Staaten darauf erstreckt, daß sie ihre Rüstungen nicht erhöhen,
bei den abgerüsteten Staaten hingegen darauf, daß sie das Niveau des
Friedensvertrages nicht überschreiten. In dieser Periode hätte auch die
Standardisierung der Heere begonnen.
2.) In der zweiten Vierjahres-Periode wären die schweren Angriffswaffen
der gerüsteten Staaten stufenweise vernichtet worden, die abgerüsteten
Staaten hingegen hätten, gleichfalls stufenweise, die bisher verbotenen Ver-

*(3) Siehe die Dokumente Nr. 13 und 19

72
Nr. 43 3. NOVEMBER 1933

teidigungswaffen erhalten. Innerhalb 8 Jahren wäre daher die Gleichberech-


tigung verwirklicht worden.4)
Wie aus obigem hervorgeht, bemerkte mein Mitredner, sei die deutsche
Einstellung nicht stichhaltig, daß nämlich bloß von einer einseitigen Kon-
trolle die Rede gewesen wäre und daß die Frage der Zeitspanne und des
Rüstungsmaterials im unklaren gelassen worden wäre.
Zum Schluß sagte mein Mitredner, er glaube nicht, daß Frankreich in eine
Vertagung der Abrüstungskonferenz einwilligen, sondern vielmehr deren
Weiterführung verlangen werde. Falls eine Konvention zustande kommt,
würde dieselbe Deutschland präsentiert werden, und wenn Deutschland
nicht annimmt, würde auf die Bestimmungen von Versailles zurückgegriffen
werden.

(4) Randbemerkung Neuraths: „?"

43
6065/E 448 738-40
Autzeichnung des Legationsrats Busse
Geheim [BERLIN, den] 3. November 1933
II Balk. 1989 Js.
In der Angelegenheit der beiden in Berlin erscheinenden kroatischen
Emigrantenblätter') suchte mich heute Herr Major a. D. Voss vom Reichs-
wehrministerium auf, um mir den Standpunkt seiner Dienststelle zu der
Frage des Verbots der beiden Blätter darzulegen. Er sagte, eine entgegen-
kommende Behandlung der hier lebenden kroatischen Emigranten, insbe-
sondere des Herausgebers der beiden Blätter, Dr. Branimir Jelic, durch die
deutschen Behörden sei deshalb erwünscht, weil die Kroaten bei der Nach-
richtenbeschaffung, insbesondere aber wegen ihrer Verbindung mit den im
Auslande, namentlich in Italien und in Ungarn befindlichen und dort mili-
tärisch geschulten kroatischen Organisationen nützlich seien. Denn das
Reichswehrministerium gehe davon aus, daß bei einer etwaigen künftigen
kriegerischen Verwicklung in Europa Jugoslawien auf der Seite unserer
Gegner stehen werde und daß daher die organisierten kroatischen Emi-
granten, die gegen das jetzige Jugoslawien feindlich eingestellt seien, uns
als Verbündete willkommen sein müßten. Die Zahl dieser im Auslande
lebenden, für den Kriegsfall zu einer Verwendung gegen Jugoslawien in
Betracht kommenden kroatischen Emigranten schätzte Herr Voss auf 3000
bis 10 000 Mann. Diese sollten nach der Vorstellung des Reichswehrministe-

(1) Die Frage des Status dieser kroatischen Emigrantenblätter und ihres Herausgebers
Jelic war Gegenstand mehrerer Schriftwechsel zwischen dem Auswärtigen Amt und
dem Reichsministerium des Innern gewesen und hatte Demarchen der jugoslawischen
Gesandtschaft in Berlin ausgelöst. Die Akten zu dieser Angelegenheit sind gefilmt
unter der Seriennummer 6065.

73
Nr. 44 3. NOVEMBER 1933

riums die kroatische Bevölkerung in Jugoslawien selbst im Falle eines


Kriegsausbruchs zu einem Aufstand mobilisieren. Die Bauernrevolte in der
Lika vom vorigen Jahre, die von nur 9 Mann inszeniert worden sei, habe
ein Probeaufstand sein sollen. Ich erwiderte Herrn Voss, daß das Auswär-
tige Amt sich von den kroatischen Dingen fernhalte und danach trachte, zu
dem jugoslawischen Staat, auf dessen Zerfall nicht zu rechnen sei, unge-
störte Beziehungen zu unterhalten. Durch das Bestehen der beiden Kroaten-
Blätter in Deutschland würden diese Beziehungen aber beeinträchtigt; wir
legten daher Wert darauf, daß ein endgültiges Verbot ausgesprochen werde.
Dies erscheine auch dann erforderlich, wenn die Blätter sich jetzt etwa einer
anderen Schreibweise befleißigen würden; ein Blatt unter dem Namen Der
unabhängige Kroatische Staat (Nezavisna Hrvatska Drzava) sei vollends
unmöglich. Wenn das Reichswehrministerium auf die Aufrechterhaltung
freundlicher Beziehungen zu der kroatischen Emigration seinerseits Wert
lege, so sei es erwünscht, wenn es diese Beziehungen in anderer Weise als
durch Eintreten für die beiden Blätter pflegen würde.
Herr Major Voss erkannte diesen letzteren Gesichtspunkt an und wollte
versuchen, wenn er von seinen Vorgesetzten hierzu ermächtigt werde, auf
Dr. Jelic in dem Sinne einzuwirken, daß er freiwillig von der weiteren Her-
ausgabe der beiden Blätter absehe oder sie anderswo im Auslande erschei-
nen lasse, oder sich gar selbst, wenigstens vorübergehend, in ein anderes
Land, z. B. nach Danzig, begebe. Über das Ergebnis seiner Bemühungen in
dieser Hinsicht wollte er mich im Laufe der nächsten Woche verständigen. 2 )
BUSSE
(2) Siehe Dokument Nr. 72.

44
4620/E 200 288-92
Der Botschalter in Moskau von Dirksen
an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow l)
MOSKAU, den 3. November 1933
Lieber Bülow!
In der Eile eines vollbesetzten Abreisetages möchte ich Ihnen kurz privat-
brieflich über meine Eindrücke in Moskau in dieser letzten Woche berichten.
Mein Gesamteindruck war der, daß die Welle der Pressehetze und sonstigen
deutschfeindlichen Einstellung im Abnehmen begriffen ist. Dazu hat die be-
ginnende Ernüchterung über die neue Freundschaft zu Frankreich bei-
getragen, ebenso wie eine allmählich einsetzende ruhigere Beurteilung der
Einstellung Deutschlands gegenüber der Sowjetunion; insbesondere hat.
natürlich die Beilegung des Journalisten-Konflikts beruhigend gewirkt.
In meinen Unterhaltungen mit Krestinski habe ich unsere Bereitwilligkeit

(1) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Vö[ldcer]s 9. 11."

74
Nr. 44 3. NOVEMBER 1933

zu einer Aussprache über eine Bereinigung der gesamten Atmosphäre bzw.


der entstandenen Konflikte betont, nachdem wir durch das Gespräch Litwi-
nows mit Twardowski 2 ) endlich Klarheit über die entsprechende Bereit-
willigkeit der Russen erhalten hätten. Alle weiteren Einzelheiten habe ich
offen gelassen und nur darauf hingewiesen, daß es nun Sache der Russen
wäre, den weiteren modus procedendi vorzuschlagen.
Hinsichtlich der unterbliebenen Reise Krestinskis nach Berlin habe ich die
Überzeugung gewonnen, daß diese Unterlassung, die auf uns als Brüskie-
rung wirken mußte, einerseits auf die Intrige Litwinows zurückzuführen ist,
der keine anderen Götter neben sich duldet und Krestinski nicht an diese
Besprechungen heranlassen wollte; andererseits befürchtete man, daß der
Beginn von politischen Besprechungen durch Krestinski in Berlin von der
Öffentlichkeit als ein Nachlaufen der Sowjetseite gedeutet werden könne.
Der Abschied von mir wurde in betont freundschaftlichen und herzlichen
Formen gehalten. Mir wurde vom Protokollchef Florinski im Auftrage von
Kalinin und Jenukidse - also des Präsidenten und des Sekretärs des ZIK -
ein Geschenk in Form einer wertvollen Nephritschale überreicht; für meine
Frau wurde mir eine Wiener Tabatiere - Ende des XVIII. Jahrhunderts -
mit einer sehr schönen Miniaturmalerei übergeben. Es wurde dabei zu
meiner Kenntnis gebracht, daß bis auf Brockdorff-Rantzau noch kein Bot-
schafter durch ein Geschenk ausgezeichnet worden sei.
überrascht wurde ich auch durch ein Geschenk, das mir Woroschilow, der
zur Zeit in der Türkei ist, überreichen ließ: eine Schreibtischgarnitur in
schwarzem Lack mit den aus altrussischer Tradition stammenden Palech-
Malereien geschmückt.
Mir ist nicht ganz erinnerlich, ob nach den Bestimmungen des Auswärtigen
Amts solche Geschenke der Genehmigung bedürfen; sollte dies der Fall sein,
so wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diese Genehmigung herbeiführen
wollten.
Zu meiner Verabschiedung gab Krestinski ein großes Essen, an dem etwa
50 Personen teilnahmen; zu ihm waren die hier maßgebenden amtlichen
Persönlichkeiten in einer sonst hier kaum zu erreichenden Vollzähligkeit
vereinigt: Der „Staatssekretär beim Reichspräsidenten" Jenukidse, Finanz-
kommissar Grinko, Außenhandelskommissar Rosenholz, Volkskommissar
für die leichte Industrie Lubimow, Volkskommissar für Versorgung Mikojan,
Stellvertretender Kriegskommissar Tuchatschewski, der Chef des General-
stabes der Roten Armee Jegorow, die Spitzen des Außenkommissariats, der
Presse, Kommandeure der Roten Armee und Flotte etc.
Krestinski hielt eine sehr warme und freundschaftliche Rede auf mich, in
der er die Verdienste betonte, die ich mir in neunjähriger Arbeit um die
deutsch-russischen Beziehungen erworben hätte. In der Rede klang sehr
deutlich der Wunsch mit, mit Deutschland überhaupt in freundschaftlichen
Beziehungen zu leben. Der ganze Abend verlief auch in den Unterhaltungen
der anderen Botschaftsmitglieder betont freundschaftlich und harmonisch.
Ich möchte noch hervorheben, daß ich in unmißverständlicher Weise
gebeten wurde, in Tokio mäßigend und beruhigend zu wirken.

(2) Siehe Dokument Nr. 12

75
Nr. 45 4. NOVEMBER 1933

Zur Überreichung meines Abberufungsschreibens k o n n t e ich die Rückkehr


Kalinins nicht mehr abwarten. Ich h a b e das Abberufungsschreiben gestern
dem Stellvertreter Kalinins Tscherwiakow übergeben in A n w e s e n h e i t von
Jenukidze und Krestinski. Die Unterhaltung w a r kurz, aber freundschaft-
lich und bewegte sich mehr in offiziellen Gemeinplätzen.
Meine Moskauer fünf J a h r e haben durch die vielen Zeichen freundschaft-
licher Gesinnung und ehrlichen Bedauerns über das Scheiden v o n meiner
Frau und mir einen für mich sehr befriedigenden Abschluß gefunden.
Ich fahre also heute abend von hier ab; am 12. N o v e m b e r von N e a p e l .
Einen Durchdruck füge ich mit der Bitte um A u s h ä n d i g u n g an M e y e r bei.
Mit vielen Grüßen bin ich
Ihr g e t r e u e r
DIRKSEN

45
3154/D 671 323-24
Aulzeichnung ohne Unterschrift1)
[4. N o v e m b e r 1933]

NOTIZEN FÜR MINISTERPRÄSIDENT GÖRING


(IHM AM 4. NOVEMBER ÜBERGEBEN)

Reines 300 000-Mann-Heer, d. h. ohne Einrechnung von Luftstreitkräften,


Luftschutztruppen, Küstenwehr, Polizei und Verbänden.
Allmählicher Übergang dazu in insgesamt 6 J a h r e n .
300 000 bedeutet Tagesdurchschnittstärke.
Höchstdienstzeit 1 Jahr, i. ü. angemessene Zahl Langdienender - minde-
stens 40 % - keine Beschränkung der Rekrutenquote.
Artillerie (Feldheer) nicht über 15-cm-Kaliber.
Tanks nicht über 6 t (Leergewicht).
Im Dienst befindliches Material im übrigen entsprechend der Ausrüstung
der französischen Armee.
30 %> der Zahl der Aufklärungs- und Jagdflugzeuge folgender an Deutsch-
land angrenzender Staaten: Frankreich, Belgien, Polen, Tschechoslowakei.
Allgemeines absolutes Gas- sowie Bombenabwurfverbot. Unter dieser
Bedingung Verzicht auf Bombenflugzeuge.
Teil V des V[ersailler] Vfertrags] 2 ) fällt im übrigen.

(1) Randvermerk Neuraths: „Vom R[eichs-]Wehrminister." Die vorliegende Aufzeichnung


und Hitlers Brief an Mussolini vom 2. November (Dokument Nr. 40) wurden am
18. November mehreren auswärtigen Vertretungen übermittelt. In einem Begleit-
sehreiben bezeichnete Bülow die Aufzeichnung als eine Unterlage für die Unterredung
Görings mit Mussolini, die in Abstimmung mit dem Reichswehrministerium zusammen-
gestellt worden sei. Siehe Dokument Nr. 50.
(2) Bestimmungen über Landheer, Seemacht und Luftfahrt.

76
Nr. 46 4. NOVEMBER 1933

KONVENTIONS-ENTWURF ALS ÜBERGANG BIS ZUM SCHLUSS


3
DER LONDONER SEE-ABRÜSTUNGS-KONFERENZ BZW- BIS ENDE 1936 )
I.
Soll die Marine überhaupt nicht erwähnt werden, wie offenbar die übrigen
Großmächte es im Hinblick auf die neue Marinekonferenz 1935/36 planen,
würde die deutsche Marine in der bisher vorgesehenen Weise in Anlehnung
an das VersaiUer Diktat ausgebaut. Dann müßte aber unbedingt vermieden
werden, etwa die Bestimmungen des Diktats nochmals für die Marine aus-
drücklich zu garantieren, da dann auch kleinere Abweichungen in Frage
gestellt wären.
II.
Für die Marine kann eine mehrjährige Ausbauperiode nicht festgesetzt
werden, da sie in die Verhandlungen über Erneuerung des Washington-
London-Abkommens 1935/36 eingeschaltet werden muß. Sie bedarf daher
einer kurzen Übergangszeit, für die folgende Einzelheiten vorgeschlagen
werden:
1) Deutschland findet sich bis zur Herstellung der völligen Gleichberech-
tigung auf der neuen Washington-London-Konferenz 1935/36 mit einer
Übergangsperiode ab.
2) Es wird sich in der Schiffszahl der Uberwasserschiffe weiter an die
bisherigen Bindungen halten.
3) Für Kreuzer und Torpedobootszerstörer gelten die Bestimmungen des
MacDonald-Planes.
4) Für Verteidigungszwecke werden U-Boote kleineren Typs bis zu
10 000 t Gesamtdeplacement gebaut.
(3) Auf einer Abschrift dieses Entwurfs, die sieh in den Akten der Marineleitung befindet
(7792/E 565 697), wurde vermerkt, daß er vom Stabe des Chefs der Marineleitung für
die Besprechungen Görings mit Mussolini angefertigt wurde.

46
3086/D 617 009-11
Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats Hüfter *)
BERLIN, den 4. November 1933
e. o. II Oe. 1800
AUFZEICHNUNG

Der österreichische Gesandte, der ursprünglich am Montag 2 ) zu Herrn


Ministerialdirektor Köpke kommen wollte, rief mich heute telefonisch an,
um mir zu sagen, daß die Angelegenheit, die er am Montag mit Herrn
Ministerialdirektor Köpke besprechen wollte, so dringend sei, daß er sie
bereits jetzt mir telefonisch mitteilen möchte. Nach ihm zugegangenen Mit-
*(i) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. V[ökker]s 6. 11."
• (2) 6. November.

77
Nr. 46 4. NOVEMBER 1933

teilungen solle morgen in Kassel ein Kampfring der Österreicher im Deut-


schen Reiche gebildet und ein Aufruf erlassen werden, in dem erneut der
Kampf gegen die Regierung Dollfuß proklamiert werde. Er sei von sicherer
Seite über diese Sache informiert und halte sie im gegenwärtigen Augen-
blick mit Rücksicht auf die Verhandlungen für höchst unerwünscht. Es sei
fernerhin beabsichtigt, die im Deutschen Reich bisher bestehenden öster-
reichischen Vereine aufzulösen und auch das Vereinsvermögen zugunsten
dieses Kampfringes zu beschlagnahmen. Ich habe Minister Tauschitz zu-
nächst geantwortet, daß die Angelegenheit zweifellos wieder aufgebauscht
sei und daß meiner Ansicht nach von einer Auflösung der österreichischen
Vereine bzw. Beschlagnahme ihres Vermögens doch keine Rede sein könne.
Im übrigen schiene mir die ganze Angelegenheit in erster Linie Sache der
Österreicher selber zu sein, da es sich ja bei dieser Gründung um den Zu-
sammenschluß österreichischer Staatsangehöriger handele, der ich im
übrigen keine große Bedeutung beimäße.
Tatsächlich ist die Situation folgende: Aus den Kreisen der ca. 100 000 im
Reiche lebenden Österreicher ist in den letzten Wochen in immer dringen-
derer Form an die maßgebenden Stellen der Wunsch herangebracht worden,
sich eine Organisation der Österreicher im Reiche zu schaffen, die den
jetzigen innerdeutschen Verhältnissen konform geht. Verschiedene öster-
reichische Vereine, so der Volksbund, haben sich bereits freiwillig auf-
gelöst, um neuen Formen Platz zu machen. Die morgige Kasseler Tagung ist,
wie mir von der Landesleitung Österreich mitgeteilt wurde, seit längerer
Zeit von den nationalsozialistischen Österreichern im Reiche vorbereitet
worden und soll mit einer Rede von Landesinspekteur Habicht vor ungefähr
50 Abgeordneten eröffnet werden. Die deutschen parteiamtlichen Stellen
halten sich an sich von der Angelegenheit zurück und betrachten sie als
eine rein österreichische Sache.
Ich habe mit dem Stellvertreter von Herrn Habicht,3) der selber zur Zeit
nicht in München zu erreichen war, gesprochen und ihn auf das Inopportune
dieser mir bisher nicht bekannten Gründung im gegenwärtigen Augenblick
hingewiesen. Eine Verlegung des Zeitpunkts der Gründung scheint nicht
mehr möglich zu sein, da die Delegierten bereits nach Kassel unterwegs
sind. Wie mir noch mitgeteilt wurde, betrachtet Herr Habicht die Ernennung
Steidles zum Staatssekretär für Propaganda 4 ) und die Errichtung von Kon-
zentrationslagern 5) als eine von den Österreichern beabsichtigte Verschär-
fung der Situation, so daß er nicht beabsichtigt, in der Sache des Kampf-
ringes irgendeinen Rückzug anzutreten. An eine gewaltsame Auflösung
der anderen öst[er]r[eichischen] Vereine oder Vermögensbeschlagnahme
wurde natürlich nicht gedacht.
HÜFFER
• (8) Wächter.
(4) Richard Steidle, Führer der Tiroler Heimwehr und Sicherheitsdirektor von Tirol, wurde
Anfang November 1933 als Staatskommissar für Propaganda nach Wien berufen.
• (5) Durch eine Verordnung des österreichischen Bundeskanzlers vom 23. September 1933
war verfügt worden, daß Personen, die im begründeten Verdacht stünden, staatsfeind-
liche oder sonstige die öffentliche Sicherheit gefährdende Handlungen vorzubereiten, zu
fördern oder zu ermutigen, zwecks Verhinderung von Störungen der öffentlichen Ruhe,
Ordnung und Sicherheit „in einem bestimmten Ort oder Gebiet" festgehalten werden
könnten. Siehe Keesing's Archiv der Gegenwart, 1933, S. 1052.

78
Nr. 47 6. NOVEMBER 1933

47
6609/E 497 288-94
Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Geheim MOSKAU, den 6. November 1933
A 2410 Ankunft: 8. November
IV Ru. 4915
POLITISCHER BERICHT

Inhalt: Unterredung mit dem Stellvertreter des Kriegskommissars Tucha-


tschewski.
In der Anlage wird die Aktennotiz über eine Unterredung mit Herrn
Tuchatschewski vorgelegt, die ich anläßlich des Abschiedsessens für Herrn
Botschafter J) mit ihm gehabt habe. Die Unterredung, die nur auszugsweise
wiedergegeben wird, dauerte etwa dreiviertel Stunden. Wenn auch vieles,
was Herr Tuchatschewski als seine Meinung über die politischen Zusam-
menhänge äußerte, falsch oder schief gesehen ist, so sind seine mit großem
Ernst vorgetragenen Erklärungen, daß die Rote Armee niemals anderen
Mächten gegenüber die Zusammenarbeit mit der Reichswehr preisgeben
würde und daß in der Roten Armee nach wie vor größte Sympathien für die
Reichswehr herrschen, bedeutungsvoll und interessant. Die Persönlichkeit
und das Ansehen Tuchatschewskis sind derartig, daß seinen Worten Gewicht
beizumessen ist.
TWARDOWSKI

[Anlage]
MOSKAU, den 1. November 1933
NOTIZ

Ich hatte gestern abend Gelegenheit zu einer ausgedehnten Unterhaltung


mit dem Stellvertretenden Kommissar für das Kriegswesen, Tuchatschewski.
Herr Tuchatschewski sprach in sehr freundlichen Worten über die Tätigkeit
des Herrn Botschafters von Dirksen und betonte, wie sehr man in der
Sowjetunion sein Scheiden bedauere, da man hier überzeugt gewesen sei,
daß die deutsch-sowjetischen Beziehungen bei ihm in den besten Händen
gelegen hätten. Das Gespräch wandte sich dann allgemein den deutsch-
sowjetischen Beziehungen zu. Herr Tuchatschewski unterstrich mehrfach,
daß trotz der bedauerlichen politischen Entwicklung die Gefühle der Roten
Armee gegenüber der Reichswehr und dem deutschen Volke die alten
geblieben seien und daß man nie vergessen werde, daß die Reichswehr die
Rote Armee bei ihrem Aufbau entscheidend unterstützt habe.
Ich erwiderte, auch die Reichswehr erinnere sich gern der Zeit gemein-
samer Arbeit, aber ich möchte ihm nicht verhehlen, daß wir in letzter Zeit
aus guten Quellen von den verschiedensten Seiten in den Besitz von Nach-

(l) Siehe Dokument Nr. 44

79
Nr. 47 6. NOVEMBER 1933

richten gekommen wären, daß die Sowjetregierung oder die Rote Armee,
um ihre neue Freundschaft mit Frankreich zu festigen, den Franzosen oder
Polen Material über die deutsch-sowjetische militärische Zusammenarbeit in
die Hände gespielt habe. Das habe bei uns, besonders in der Reichswehr,
natürlich eine gewisse Beunruhigung hervorgerufen.
Herr Tuchatschewski wurde über diese meine Ausführungen sehr erregt
und führte etwa aus, daß solche Nachrichten doch deutlich den Stempel der
politischen Intrige trügen und in Deutschland doch nicht ernst genommen
werden könnten. Denn erstens wäre es von der Roten Armee eine große
Dummheit, etwas Derartiges zu tun, da die Reichswehr über den inneren
Aufbau und die Stärke und die strategischen Absichten der Roten Armee
weit besser orientiert sei als die Rote Armee über die Reichswehr, so daß
also in der Beziehung die Rote Armee sich sehr viel mehr preisgegeben
habe als die Reichswehr; zweitens aber gäbe es auch in der Roten Armee
eine soldatische Ehre. Ebensowenig, wie man bei der Roten Armee jemals
auf den Gedanken kommen würde, daß der deutsche Offizier die ihm ver-
trauensvoll gewährten Einblicke in die Rote Armee anderen Ländern gegen-
über verwenden könne, ebenso wenig dürfe die Reichswehr etwas Der-
artiges von der Roten Armee annehmen. Der Begriff der Ehre sei mit dem
Soldaten untrennbar verbunden, und die Rote Armee habe, auch wenn ihre
Weltanschauung anders sei als die der Reichswehr, genau die gleiche
soldatische Ehre und erhebe unbedingten Anspruch auf sie. Es sei völlig
ausgeschlossen, daß von der Roten Armee jemals etwas Derartiges gemacht
würde.
Ich warf darauf ein: „Auch von der Sowjetregierung?", worauf Herr
Tuchatschewski erwiderte: „Audi von der Sowjetregierung." Ich entgegnete,
leider gäbe es gewisse Fakten, die diese Verdachtsgründe bei uns verstärkt
hätten: die Reise des Generals von Bockelberg in der Sowjetunion 2) sei sehr
harmonisch verlaufen, aber in der Zeit zwischen seiner Abreise von Moskau
und seiner Ankunft in Berlin habe die Rote Armee plötzlich ganz unerwartet
die Forderung nach einer sofortigen Liquidation der Unternehmungen ge-
stellt.3) Kurz darauf sei in einer äußerst unhöflichen Form die Absage für die
Teilnahme an Kursen in Deutschland durch Offiziere der Roten Armee
erfolgt, die auf Wunsch der Roten Armee für sowjetische Kommandeure
eingerichtet worden wären.4) Um diese Zeit seien auch die ersten Nachrich-
ten zu uns gedrungen, die davon sprachen, daß die Rote Armee sich auf
eine engere Zusammenarbeit mit Frankreich einstelle. Er werde also ver-
stehen, daß diese Fakten einen guten Nährboden abgegeben hätten für
solche Nachrichten, die er als politische Intrige bezeichnet hätte.
Herr Tuchatschewski entgegnete, die Liquidation der Stationen sei eine
politische Konsequenz gewesen, nachdem man sich in der Sowjetunion
davon überzeugt hätte, daß der Kurs der deutschen Regierung eine sowjet-

(2) Zu der Reise General Bockelbergs in die Sowjetunion siehe Serie C, Bde. 1,1 und 1,2,
Dokumente Nr. 147, 232 und 252.
*(') Dieser Hinweis bezieht sich auf die von der Reichswehr in der Sowjetunion in Zusam-
menarbeit mit der Roten Armee unterhaltenen drei Militärstationen Tomka, Lipezk und
Kasan. Siehe Serie C, Bde. 1,1 und 1,2, Dokumente Nr. 197, 252, 460 und 470.
(<) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 460.

30
Nr. 47 6. NOVEMBER 1933

feindliche Richtung nähme. Er möchte in diesem Zusammenhang an die


Tätigkeit des Herrn Dr. Rosenberg, an das Memorandum des damaligen
Ministers Hugenberg 5 ) etc. etc. erinnern. Die Absage der Kurse hinge
damit zusammen, daß der Kommandeurbestand in diesem Sommer außer-
ordentlich beansprucht gewesen sei und daß man daher geglaubt habe, im
gegenwärtigen Augenblick bei dem jetzigen Ausbildungsstande der Roten
Armee auch eventuell ohne die Kurse auskommen zu können. Irgendeine
Kränkung der Reichswehr sei damit nicht beabsichtigt gewesen, und ihm
sei nichts davon bekannt, daß die Form der Absage ungehörig gewesen
wäre. Was die Zusammenarbeit mit der französischen Armee anbelange, sei
natürlich davon keine Rede; so etwas entwickele sich nicht von heute auf
morgen und sei, wie er mir ganz bestimmt versichern könne, zum aller-
größten Teil auch von der deutschen Politik abhängig. Andererseits könne
es doch kein denkender Mensch der Roten Armee übelnehmen, daß sie,
wenn man ihr die Gelegenheit biete, etwas von der französischen Luftwaffe
einmal zu sehen, daß sie diese Gelegenheit gern ergreife. Die Rote Armee
sei den Franzosen gegenüber noch sehr zurückhaltend. Was habe denn
Herr Cot viel gesehen! 6 ) In Charkow habe man ihm von einem Geschwader
einen Schauflug vorführen lassen. In Moskau habe man ihn und seinen Stab
die Fabriken besichtigen lassen, die uns Deutschen doch bis ins kleinste
Detail gezeigt worden wären. General Bockelberg, das wolle er mir auf das
bestimmteste versichern, habe unendlich viel mehr gesehen als Herr Pierre
Cot. Er möchte noch einmal betonen, daß die Rote Armee nie und nimmer
irgend etwas von der Zusammenarbeit mit der Reichswehr preisgeben
würde, daß solche Nachrichten gemeine Denunziationen darstellten; er
möchte unterstreichen, daß die Gefühle der Roten Armee gegenüber der
Reichswehr und dem deutschen Volke die gleichen geblieben seien und daß
man gern zu den alten Beziehungen zurückkommen würde. Aber das sei
eine Frage, die einzig und allein von der Politik abhänge. Man sei in der
Sowjetunion trotz gewisser offizieller Erklärungen der Überzeugung, daß
die neue deutsche Regierung in ihren letzten Absichten der Sowjetunion
feindlich oder zum mindesten gleichgültig gegenüberstehe. Gelinge es der
Politik, diese Bedenken bei der Sowjetregierung zu zerstreuen, so gäbe es
keinen Grund, die alte Zusammenarbeit zwischen beiden Armeen nicht
wieder aufzunehmen, die von der Roten Armee aufs freundlichste begrüßt
werden würde. Natürlich sei die Sowjetunion bestrebt, auch ihre Beziehun-
gen zu Polen und zu Frankreich möglichst freundschaftlich zu gestalten, weil
dies der allgemeinen Friedenspolitik der Sowjetregierung entspreche. Das
habe aber nichts mit einer intimen Zusammenarbeit der Armeen zu tun. In
der Sowjetunion bleibe die Rapallopolitik die populärste, und die Reichs-
wehr sei die Lehrmeisterin der Roten Armee in schwerer Zeit gewesen; das
sei unvergessen und werde nicht vergessen werden.

Durch das Hinzutreten anderer Personen wurde das Gespräch abge-


brochen.
Bei der Verabschiedung, etwa eine Stunde später, gab mir Herr Tucha-

(5) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 312.


(8) Zum Besuch Cots in der Sowjetunion siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 439.

81

11,1 Bg. 6
Nr. 48 8. NOVEMBER 1933

tschewski die Hand mit den Worten: Vergessen Sie nicht, es ist die Politik,
Ihre Politik, die uns trennt, nicht unsere Gefühle, die Gefühle der Freund-
schaft der Roten Armee zur Reichswehr! (N'oubliez pas, mon ami, c'est la
politique, seulement votre politique, qui nous separe, pas nos sentiments,
nos sentiments les plus amicaux pour la Reichswehr.)
gez. VON TWARDOWSKI

48
8580/E 601 928-32
Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 8. November 1933
IV Chi. 2473
Der chinesische Geschäftsträger besuchte mich heute und brachte die
Sprache auf das Memorandum betreffend die Diskriminierung der farbigen
Rassen, das er am 2. ds. Mts. überreicht hat.1) Ich sagte ihm eine Antwort
auf dieses Memorandum zu und setzte ihm auseinander, daß wir keineswegs
auf die chinesische Rasse irgendwie herabblickten oder sie deklassieren
wollten. Bei uns sei allerdings ein Vorurteil gegen Rassenvermischung weit
verbreitet, jedoch nur gegen die Vermischung als solche, nicht gegen die
Rassen, die für eine solche Vermischung in Frage kämen. Was die Gesetz-
gebung anlange, so werde nur verlangt die Rassenreinheit von deutschen
Beamten, Anwälten usw. sowie neuerdings von Erbhofbauern. Alles dies
seien Angelegenheiten, die für China und seine Staatsangehörigen praktisch
nicht in Frage kämen und wo seine Regierung doch nicht gut Gleichstellung
fordern könne. Ein Entwurf des preußischen Justizministers vom neuen
Strafgesetzbuch 2) habe ein gewisses Aufsehen hervorgerufen. Dieser Ent-
wurf sei gänzlich mißverstanden worden. Es handele sich praktisch nur um
einen Vortrag auf einer juristischen Gesellschaft. Preußen sei für eine der-
artige Gesetzgebung gar nicht zuständig, und das Reichsjustizministerium
habe auch nicht die Absicht, diesen preußischen Vorschlägen zu folgen. Wir
hätten den preußischen Justizminister auch befragt, woran er bei seinen
Vorschlägen gedacht habe, und es sei uns geantwortet worden, er habe den
Fall der Rheinlandbesetzung mit farbigen Truppen vor 10 Jahren im Auge
gehabt und die Mischehen, die damals gelegentlich vorgekommen seien.
Der Geschäftsträger meinte, es werde uns offenbar nicht schwer fallen, eine
die chinesische Regierung befriedigende Antwort auf dieses Memorandum
zu geben.3)
Er brachte dann seinerseits den Fall des Professors Tun Hui-shen zur
Sprache, der eine Deutsche, Gertrud Schulz, heiraten möchte, mit der er seit

(1) Fundort: 6022/H 044 372.


(2) Kerrl, Nationalsozialistisches Stralrecht: Denkschritt des Preußischen Justizminislers
(Berlin 1933).
(*) Eine deutsche Antwort auf das chinesische Memorandum konnte nicht ermittelt werden.

82
Nr. 48 8. NOVEMBER 1933

zwei Jahren verlobt ist. Der preußische Justizminister hat bekanntlich die
Genehmigung zur Eheschließung verweigert. Ich sagte dem Geschäftsträger,
nach unseren Erkundigungen habe diese Verweigerung an sich nichts mit
dem Rassenproblem und der diesbezüglichen Gesetzgebung zu tun, sondern
hänge damit zusammen, daß der Dispens nur in Ausnahmefällen erteilt
werden solle und sich das preußische Justizministerium über die Sachlage
nicht recht klar geworden sei. Der Fall werde aber sowohl im preußischen
Justizministerium wie von uns noch geprüft.4)
Schließlich brachte der Geschäftsträger zur Sprache, daß der Marschall
Chiang Kai-shek außerordentlichen Wert darauf lege, daß General von
Seeckt wieder nach China komme, um die Reorganisation der chinesischen
Armee in die Hand zu nehmen. Der Geschäftsträger führte aus, daß der
General Wetzell für die chinesischen Verhältnisse doch etwas zu preußisch
und nicht mehr recht in der Lage sei, seine Aufgabe zu erfüllen, da er sich
viele Feindschaften zugezogen habe. Der Geschäftsträger deutete auch an,
daß die Franzosen sich um diese Stelle bewürben und daß die deutsche mili-
tärische Beratung für Waffen- und Materiallieferungen auch von Einfluß sei,
um zu beweisen, welchen Schaden wir eventuell erleiden könnten, sowohl
moralisch wie materiell, wenn Herr von Seeckt die ehrenvolle Berufung
ablehne. Herr von Seeckt habe dem Marschall ganz außerordentlich gefallen
und auf ihn einen nachdrücklichen Eindruck gemacht. Der Marschall sei ein
Typ, den man nach europäischen Begriffen als ritterlich bezeichnen würde,
bei dem das persönliche Vertrauen die allergrößte Rolle spiele. Ebenso wie
General Bauer entsandt worden sei wegen des großen Vertrauens, das der
Marschall in die Person von Ludendorff gesetzt habe, so sei es jetzt auch mit
Seeckt, nur daß hier eine persönliche Bekanntschaft vorliege und der Mar-
schall sich in den Kopf gesetzt habe, Seeckt müsse unbedingt nach China
kommen. General von Seeckt habe jedoch abgelehnt, wahrscheinlich wegen
seiner Gesundheit, vielleicht auch wegen seines Alters. Der Geschäftsträger
bat, wir möchten doch auf Seeckt einwirken, daß er wenigstens noch eine
Reise nach China mache.
Ich bat den Geschäftsträger, mir ganz offen zu sagen, ob man Seeckt nur
haben wolle, um auf elegante Weise den General Wetzell auszuschiffen. Er
verneinte dies und sagte, der Grund sei lediglich die starke Zuneigung und
das große Vertrauen des Marschalls für Seeckt. Ich suchte ihm dann ausein-
anderzusetzen, daß Seeckt ein alternder Mann von schwacher Gesundheit
sei, der sich eine so große und schwere Aufgabe wohl kaum zumuten könne
und auf den wir auch nicht in diesem Sinne drücken könnten, denn uns liege
natürlich daran, daß der Leiter der Militärberatung tatsächlichen Erfolg habe
und seiner Aufgabe nicht nur geistig, sondern auch physisch gewachsen sei.
Diese Argumentation machte auf den Geschäftsträger wenig Eindruck, und
er gab mir schließlich zu verstehen, daß es ihm und den anderen Chinesen
(mit Ausnahme vielleicht des Marschalls, der Herrn von Seeckt in China
behalten wolle) vor allen Dingen darauf ankomme, daß der Wunsch des
Marschalls befriedigt werde und Seeckt wieder, wenn auch nur für einige

(4) Weitere Dokumente über diese Angelegenheit sind gefilmt unter 6022/H 044 362-67 und
6022/H 044 377-79.

83
Nr. 48 8. NOVEMBER 1933

Monate, nach China komme. N u r so k ö n n e seiner Meinung nach der


deutsche Charakter der Militärberatung gewahrt bleiben. Der Vorschlag
des Marschalls gehe nach dem Telegramm, das eingegange n sei und von
dem er mir Abschrift hinterließ (siehe Anlage) dahin, daß Seeckt die beiden
Generale, die er an seiner Stelle anscheinend vorgeschlagen hat (der
Geschäftsträger n a n n t e sie nicht, es handelt sich a b e r um General von
F a l k e n h a y n 5 ) und General Faupel), mitbringe. Es sei ja Seeckt, der anschei-
nend vor dem heißen Sommer in China Angst habe, unbenommen, nach
zwei oder drei Monaten zu erklären, er könne nicht länger in China bleiben,
und die Generale, die er mitbringe, dort zu belassen. Er k ö n n e auch in Aus-
sicht stellen, von Deutschland aus durch Vermittlung dieser G e n e r a l e die
chinesische A r m e e weiter zu beraten. Das Entscheidende und Ausschlag-
gebende sei, daß Seeckt wieder nach China komme und die Bitte des Mar-
schalls nicht abschlage.
Ich sagte abschließend dem Geschäftsträger, die ganze Vorgeschichte der
Angelegenheit, d. h. alles, was nach Rückkehr Seeckts aus China sich
ereignet habe, sei mir neu. Ich sei aber bereit, dem Herrn Reichsminister
vorzuschlagen, daß er die Angelegenheit mit Seeckt bespreche, oder auch
selbst die Frage mit dem General von Seeckt zu erörtern. 6 )
BÜLOW

[Anlage]
Abschrift

TELEGRAMM VON HERRN MINISTER CHU VOM 2. NOVEMBER 1933

Bitte Exzellenz von Seeckt folgendes Telegramm weiterzuleiten:


Mein Telegramm vom 28. Oktober wohl angekommen. - Soeben Tele-
gramm vom Marschall erhalten mit folgendem Inhalt:
„Drahte umgehend an Herrn General von Seeckt, daß ich ihn aufrichtigst
bitte, persönlich mit den von ihm vorgeschlagenen beiden Generäle n zu
kommen. Könnte Herr General von Seeckt nicht kommen, w a s [sie] dann
eine Führung über die beiden Herren fehlt, dann stellen wir die Berufung
beider H e r r e n zurück." Herr Marschall wünscht und bittet Sie unbedingt zu
kommen. Die geplante Lehrbrigade hat schon jetzt mit der Vorbereitung
begonnen unter der Führung des in Deutschland studierten Obersten Kuei
Yuen-tsing. M a n arbeitet schon ernst mit der Ausbildung der u n t e r e n
Offiziere. Ich bitte Sie, bald zu kommen, damit alle Arbeiten unter Ihrer
Führung erfolgreich durchgeführt w e r d e n können.
CHU CHIA-HUA

(5) Gemeint ist offenkundig Generalleutnant a. D. von Falkenhausen, der von 1934 bis
1938 als militärischer Berater der chinesischen Nationalregierung tätig war. Siehe auch
Dokument Nr. 323.
(«) Siehe Dokument Nr. 63.

84
Nr. 49 8. NOVEMBER 1933

49
6114/E 454 100-01
Autzeichnung des Gesandtschaltsrats Hütler

Geheim BERLIN, d e n 8. N o v e m b e r 1933


e. o. II Oe. 1823

Landesinspekteur Habicht, der gestern mit d e m Herrn Reichskanzler nach


München zurückgeflogen ist, teilte mir heute a u s München mit, daß d e r
Kanzler sich in schärfster Form gegen die Einmischung, die in letzter Zeit
von verschiedenen Privatpersonen in die deutsch-österreichische Politik
erfolgt ist, ausgesprochen habe. Gemeint sind damit in erster Linie die
H e r r e n v o n Alvensleben, 1 ) Graf Trautmannsdorff (Reichsarbeitsministerium)
und Reichsgraf Lamberg. Herr Habicht sei nach w i e v o r einzig befugt, in
diesen Dingen V e r h a n d l u n g e n zu führen.
H e r r n v o n Alvensleben, d e r sich in d e n letzten T a g e n wiederum mit
einem Gesuch um kostenfreie Erteilung eines A u s r e i s e v e r m e r k s bzw. Be-
freiungsvermerks v o n d e r 1000-RM-Gebühr für Österreich an das Reichs-
ministerium d e s Innern bzw. das Auswärtige A m t g e w a n d t hat, 2 ) soll auf
ausdrückliche W e i s u n g des Reichskanzlers in Zukunft weder ein Paß noch
A u s r e i s e v e r m e r k für Österreich gegeben w e r d e n . Ich habe d a s Reichs-
ministerium d e s Innern entsprechend verständigt. 3 )
H e r r Habicht fügte im übrigen noch hinzu, d a ß d e r Stellvertreter d e s
F ü h r e r s 4 ) H e r r n v o n Alvensleben heute oder morgen zu sich bestellen
werde, um ihm im N a m e n des Kanzlers zu e r k l ä r e n , daß er unweigerlich in
ein Konzentrationslager komme, w e n n sein N a m e nochmals mit d e r deutsch-
österreichischen Politik verquickt w ü r d e .
HÜFFER

(1) Bülow-Sehwante hatte in einer Aufzeichnung vom 30. Oktober (6114/E 454 096-98) ver-
merkt, daß zwei Tage zuvor Werner von Alvensleben bei ihm gewesen sei, der soeben
in Wien seinen Sohn aufgesucht habe, der wegen Mittäterschaft an der versuchten
Ermordung des österreichischen Heimwehrführers Steidle seiner Aburteilung entgegen-
sehe (siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 305, Anm. 1). Alvensleben habe mitgeteilt,
er habe in Wien Gelegenheit gehabt, Vizekanzler Fey und Generalsekretär Peter zu
sprechen; „beide Herren seien ohne sein Zutun auch auf die derzeitige politische
Situation zu sprechen gekommen". Fey habe erklärt, daß gegen eine österreichische
NSDAP mit österreichischen Führern nichts einzuwenden sei und daß man mit einer
solchen Partei sehr wohl gemeinsam ein Kabinett bilden und einen scharfen Kampf
gegen den Marxismus führen könne. Allerdings wehre sich Fey gegen Habicht, „über
den er sehr bittere Worte äußerte". Siehe weiter Dokument Nr. 71.
(2) Ein solches Gesuch war in einem Schreiben Alvenslebens an Neurath vom 8. Novem-
ber (6114/E 454 103-04) enthalten. Alvensleben bezog sich in diesem Sehreiben auch
auf seine Unterredung mit Fey in Wien (siehe Anm. 1) und bemerkte, er habe darüber
„sowohl dem Auswärtigen Amt wie auch dem mir befreundeten Stabschef Röhm"
berichtet. Siehe auch Langoth, Kampt um Österreich, S. 146-47.
(3) Randbemerkung: „H[err]n GR Hüffer erg[e]b[en]st. Der H[er]r RM bittet H[err]n
v. A[lvensleben] kommen zu lassen und in diesem Sinne zu belehren. Ko[tze] 8. 11."
(<) Heß.

85
Nr. 50 8. NOVEMBER 1933

50
8054/E 578 952-56
Aulzeichnung des Botschafters in Rom von Hassell *)
ROM, den 8. November 1933
Herr Ministerpräsident Göring traf am Montag, den 6. d. M. etwa um
V23 Uhr nachmittags auf dem Flugplatz Centocelle Nord ein, wo er von
Herrn Suvich und Graf Valle empfangen wurde. Ich begleitete ihn nach der
Villa Pollissena, wo er abstieg, und hatte dort eine längere Unterredung
mit ihm über die augenblickliche Lage der deutsch-italienischen Beziehungen
(Viererpakt, Donaupolitik, österreichische Frage, Abrüstungsfrage, Austritt
aus dem Völkerbund). Dabei habe ich besonders auf die Notwendigkeit hin-
gewiesen, Mussolini klar zu machen, daß die endgültige Entscheidung über
den Austritt aus dem Völkerbund wirklich erst am Sonnabend 2 ) mittag
gefallen sei, da die halbe Unterrichtung ihn stark verschnupft habe; sodann
habe ich betont, daß die anfangs scharf ablehnende Stellungnahme Musso-
linis zu unserm Austritt aus dem Völkerbund in erster Linie durch die Sorge
um den Viererpakt hervorgerufen wurde und daß es daher zweckmäßig sei,
auf diesen Punkt einzugehen. In bezug auf die Unterrichtung Mussolinis
vertrat Herr Göring die Auffassung, daß dem Kanzler von diesen Vor-
gängen beim Schreiben des Briefes3) nichts bekannt gewesen sei; vielmehr
sei der Kanzler davon ausgegangen, daß ich beauftragt worden sei, Musso-
lini nicht nur das Ausscheiden aus der Abrüstungskonferenz, sondern auch
den bevorstehenden Austritt aus dem Völkerbund mitzuteilen. Daher sei in
dem Briefe auch davon die Rede, daß der deutsche Botschafter in Rom beauf-
tragt worden sei, Mussolini über den deutschen Schritt zu unterrichten. Herr
Ministerpräsident Göring versprach, Herrn Mussolini zu diesem Punkte alle
erforderliche Aufklärung zu geben. Im übrigen habe ich in einem Telefon-
gespräch mit Baron Neurath 4) auf diese Angelegenheit besonders hinge-
wiesen. Was den Viererpakt angeht, so legte Herr Göring dar, in welcher
Weise er versuchen würde, die Besorgnisse Mussolinis in dieser Hinsicht
zu zerstreuen. Schließlich wurde in unserer Unterhaltung noch in ganz ver-
traulicher Form eine geheime Personalfrage besprochen,6) die Herr Göring
Mussolini vortragen wollte.
Die Unterredung mit Mussolini war auf 5 Uhr festgesetzt, wurde aber
dadurch etwas verzögert, daß infolge der Nachlässigkeit des Cerimoniale
das zur Abholung entsandte Auto zu spät kam. Bei der Unterhaltung war
Herr Suvich anwesend. Herr Göring übergab zunächst den Brief des Kanz-

(i) Die Vorlage befindet sich in den Akten der Botschaft in Rom. In den Akten des Aus-
wärtigen Amts konnte ein Exemplar nicht ermittelt werden. In seinem Bericht Nr. I
1078 vom 17. November (3154/D 670 322-27), in dem er sich mit dem Göring-Besuch in
Rom und seinen Auswirkungen befaßte, vermerkte Hassell, daß Göring über den Ver-
lauf seiner politischen Gespräche mit Mussolini und Suvich wohl noch persönlich be-
richten werde. Siehe Dokument Nr. 78.
(2) 14. Oktober.
(3) Dokument Nr. 40.
(4) Eine Aufzeichnung über das Telefongespräch konnte nicht ermittelt werden.
(5) Siehe Dokument Nr. 78.

86
Nr. 50 8. NOVEMBER 1933

lers an den italienischen Regierungschef und gab dazu einige Aufklärungen.


Indessen dauerte die Unterhaltung nur kurze Zeit, und es wurde vereinbart,
sie am nächsten Morgen um 11 Uhr fortzusetzen und zu vertiefen.
Bei dem Essen in der Botschaft zu Ehren des Ministerpräsidenten waren
von politischen Persönlichkeiten der Kolonialminister de Bono, Finanz-
minister Jung, Suvich, Graf Ciano, Buti, Quaroni, Fürst Borghese-Nettuno
und die Gräfin Robilant anwesend, deutscherseits Botschaftsrat Smend,
Oberst Fischer, Hauptmann v. Waldau sowie die in Begleitung des Herrn
Göring erschienenen Herren Staatssekretär Körner und Major Bodenschatz.
Der Prinz von Hessen, der gleichfalls mit dem Ministerpräsidenten in Rom
angekommen war, hatte sich wegen seines Geburtstages entschuldigt. Nach
dem Essen unterrichtete mich Herr Göring über die Unterhaltung, und ich
setzte alsdann mit Herrn Suvich einen ersten Entwurf für ein Kommunique
auf, wobei von Interesse ist, daß Herr Suvich ursprünglich als Grund des
Dankes des Kanzlers den „aiuto" zu bezeichnen vorschlug, den Mussolini
Deutschland habe zuteil werden lassen. Ich habe hiergegen Bedenken
geäußert, und es wurde dann der Ausdruck „equa sistemazione dei rapporti
internazionali" gewählt.6) Für das Kommunique wurde telefonisch während
des Abends das grundsätzliche Einverständnis Baron Neuraths eingeholt.7)
Baron Neurath machte besonders auf die Notwendigkeit aufmerksam, jeden
Anschein zu vermeiden, als wenn wir mit dem Briefe und der Reise eine
Hand ausstrecken wollten, um den abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen.
In diesem Sinne sind auch alle Informationen der Botschaft an die Presse
usw. gehalten worden, ebenso wie über das Unterlassen jeglicher Initiative
deutscher- oder italienischerseits sich volle Übereinstimmung zwischen dem
deutschen und dem italienischen Standpunkt ergab.
Herr Göring war von dem ersten Eindruck der Unterhaltung durch-
aus befriedigt, weniger davon, daß Mussolini ihn in Gegenwart von Suvich
empfangen hatte. Er bat mich, etwas zu unternehmen, um sicherzustellen,
daß er am nächsten Morgen allein empfangen würde. Auf meinen Einwand,
daß es kaum möglich sein werde, in die italienischen Dispositionen in der
Hinsicht einzugreifen, meinte er, daß er einen Brief an Mussolini mit dieser
Bitte schreiben würde. Da ich meinerseits hiergegen etwas Bedenken hatte,
so habe ich Herrn Suvich in vertraulicher und persönlicher Weise auf den
begreiflichen Wunsch des Ministerpräsidenten hingewiesen, worauf er sich
ohne weiteres bereit erklärte, bei der nächsten Unterredung nach einiger
Zeit zu verschwinden. Dieses Versprechen hat er auch gehalten, so daß Herr
Göring den Schluß der Unterhaltung heute morgen allein mit Mussolini
führen konnte.
Nach allem, was ich von Herrn Göring selbst, von Mussolini und von
Suvich über die zweite Unterhaltung gehört habe, muß sie in jeder Be-
ziehung befriedigend verlaufen sein, über die Taktik in der Abrüstungs-

(8) In dem am 7. November in Rom veröffentlichten Kommunique hieß es, Göring habe
Mussolini einen Brief überbracht, in dem Hitler dem italienischen Regierungschef „für
seine zugunsten einer gerechten Regelung der internationalen Beziehungen entfalteten
Tätigkeit" den Dank ausspreche.
*P) In den Akten des Reichsministers befindet sich eine kurze Notiz über das Telefonge-
spräch (3154/D 670 224).

87
Nr. 50 8. NOVEMBER 1933

frage und über den Charakter des deutsch-italienischen Verhältnisses wurde


volles Einverständnis erzielt, und auch die österreichische Frage wurde in
einer Form berührt, die eine Verständigung hoffen läßt. Dabei wurde der
Gedanke geäußert, vielleicht sogar eine schriftliche Form für die Festlegung
des gegenseitigen Verhaltens in dieser Frage zu finden. Auch wurde von
Herrn Göring angeregt und von Herrn Mussolini mit Beifall aufgenommen
der Gedanke, etwa im Januar n. J. einen Besuch des Herrn Suvich in Berlin
zu veranstalten. 8 )
Auf dem Festbankett am Abend zeigte sich Mussolini sowohl in der sehr
intensiven Unterhaltung mit meiner Frau wie später in der Unterhaltung
zunächst mit mir und dann mit Herrn Göring und mir gemeinsam in bester
Stimmung.
Ich habe dann heute morgen vor der Abreise des Ministerpräsidenten
noch einmal eine längere Unteihaltung mit ihm gehabt, in der er mich ein-
gehend über die Besprechung mit Mussolini unterrichtete. Dabei wurde auch
die oben angedeutete Personalfrage berührt, in der Herr Göring glaubte,
den beabsichtigten Erfolg erzielt zu haben. Ferner teilte er mir mit, daß er
mit Herrn Mussolini über den besonderen Charakter der Botschafterposten
in Rom und Berlin einig geworden sei, weil es sich nicht nur um das rein
diplomatische Geschäft, sondern auch um das Vertrauensverhältnis zwischen
den beiden Führern und Regimen handle. Er habe Herrn Mussolini gebeten,
mich in dieser Weise als besonderen Vertrauensmann aufzufassen, sofern
er eben das hierzu erforderliche persönliche Vertrauen zu mir habe, da man
unter diesen Umständen keine andere Persönlichkeit neben dem Botschafter
für diesen Zweck nach Rom zu entsenden wünsche. Herr Mussolini hat
darauf in sehr klarer und bestimmter Weise zum Ausdruck gebracht, daß er
volles Vertrauen zu mir habe und sehr gern mit mir arbeite. Herr Göring
erklärte dazu, daß also nunmehr das Verhältnis auf dieser Basis stabilisiert
sei, in welchem Sinne er auch den Kanzler, Baron Neurath und Herrn Heß
(worum ich aus besonderen Gründen besonders bat) informieren werde.
Prinz Philipp von Hessen sprach sich mir gegenüber dahin aus, daß nach
seinen Eindrücken aus der Unterhaltung mit Mussolini der Besuch ein voller
Erfolg gewesen sei, und fügte hinzu, daß ich für dieses Ergebnis ausgezeich-
net vorgearbeitet hätte.
Die Rückfahrt erfolgte etwa um V2I Uhr. Außer dem Unterstaatssekretär
im Luftfahrtministerium Valle waren vom Außenministerium Graf Senni
und Jacomoni erschienen. Die Verabschiedung erfolgte in besonders herz-
licher Form.
Nach Informationen, die von unserem gut unterrichteten Vertrauensmann
stammen, hat der Brief des Kanzlers einen sehr guten Eindruck gemacht
und sicherlich dazu beigetragen, die in den letzten Monaten durch ver-
schiedene Vorgänge etwas getrübte Atmosphäre zwischen Deutschland und
Italien zu bereinigen. Nur hätte man vorgezogen und würde in künftigen
Fällen vorziehen, wenn solche Botschaften ohne besonderen Boten, der
unnützes Aufsehen errege und zu Kombinationen reize, auf üblichem diplo-
matischem Wege überbracht werden.
H[ASSELL]
(8) Siehe die Dokumente Nr. 120 und 126.

88
Nr. 51 8. NOVEMBER 1933

51
9151/E 643 880-86
Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige AmtJ)
A I I I 2 f. PRAG, den 8. November 1933
Ankunft: 11. November
II Ts. 1432
Unter Bezugnahme auf den Bericht A III 2 f. vom 10. 10. 19332)
Inhaltsverzeichnis: Entwicklung der DNSAP. Auflösung der DNSAP. Der
Kameradschaftsbund. „Volksfront" und „Sudetendeut-
sche Heimatfront". Schwenkung der Heimatfront in
Richtung „Aktivismus".
Entwicklung der DNSAP.
Mit der Auflösung der „Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei",
die sich der NSDAP in Deutschland gegenüber gern als die ältere rühmte,
hat eine Bewegung ihren Abschluß gefunden, die bis in die 90er Jahre des
vorigen Jahrhunderts zurückverfolgt werden kann. Damals gründeten in
Böhmen, Mähren und Schlesien die Buchbinder Ludwig Vogel und Ferdinand
Buschowsky den „Deutschnationalen Arbeiterverein" mit dem Programm
„Kampf gegen tschechische Unternehmer und deutsche Sozialdemokratie".
Politisch gliederten sich die Arbeitervereine der Alldeutschen Partei Georg
von Schönerers an. 1904 gründete der Deutschnationale Arbeiterverein eine
eigene Partei (Deutsche Arbeiter-Partei). Unter ihren Abgeordneten befand
sich der spätere Nationalsozialist Hans Knirsch. Auf dem Parteitag in Wien
vom 5. Mai 1918 nahm die Partei den Namen „Deutsche Nationalsoziali-
stische Partei Österreichs" an, die nach dem Umsturz in eine österreichische
und eine sudetendeutsche Gruppe, letztere unter Führung des Ingenieurs
Rudolf Jung, auseinanderfiel. Die sudetendeutschen Nationalsozialisten
gaben sich auf dem Parteitag zu Dux, 1919, ein den neuen Verhältnissen
angepaßtes Programm. 1920 zog die DNSAP mit 5 Mandaten in das tschecho-
slowakische Abgeordnetenhaus ein, 1925 erzielte sie 7 Mandate, 1928
8 Abgeordneten- und 4 Senats-Mandate. Charakteristisch war die Ein-
stellung der DNSAP auf eine starke parlamentarische Tätigkeit unter dem
Taktiker Jung.
War die Partei bis dahin in ruhiger, stetiger Entwicklung ihren Weg
gegangen, ohne sich zu einer hervorragenden Bedeutung im tschecho-
slowakischen Parteileben aufzuschwingen, so änderte sich die Lage grund-
sätzlich mit der stürmisch voranschreitenden Entwicklung im Reich. Die
Welle der nationalen Erhebung in Deutschland schlug auch ins sudeten-
deutsche Lager und führte der hiesigen DNSAP viele Mitglieder, ja im
Herzen die gesamte sudetendeutsche Jugend zu. In den Gemeinderats-
wahlen kam der große Stimmenzuwachs offensichtlich zum Ausdruck. Zu
Parlamentswahlen, die in dieser Zeit ein ähnliches Bild ergeben hätten,

*(l) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 13. 11."


(2) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 488.

89
Nr. 51 8. NOVEMBER 1933

ist es nicht gekommen. Die Jugend organisierte sich im „Volkssport", einer


der SA entsprechenden Formation.
Die Parteileitung geriet durch diese Entwicklung in einen tragischen
Konflikt. In der alten, liberalistischen Epoche aufgewachsen und geschult,
jedem gewaltsamen Vorgehen abhold, sah sie sich einer stürmisch drängen-
den Jugend gegenüber, der es nicht darauf ankommt, für die Freiheit im
Gefängnis zu schmachten. Einer solchen, über die bisherige kleinbürgerliche
Form hinauswachsenden Bewegung fehlte der Führer, der in der Lage
gewesen wäre, die parteipolitische Linie klar und eindeutig zu bestimmen.
Die Beteuerungen, daß die Partei nur die Autonomie anstrebe, wurden im
Hinblick auf die Betätigung der Parteimitglieder von den tschechoslowa-
kischen Behörden nicht ernst genommen. Die Verhaftung und Verurteilung
von 7 jungen Volkssportführern, 1932,3) war der erste Schlag, der gleich-
wohl das weitere Anwachsen der Partei bis zum Sommer dieses Jahres nicht
verhindern konnte.
Auflösung der DNSAP.
Die tschechoslowakische Regierung geriet dieser von Tag zu Tag wach-
senden sudetendeutschen Einheitsfront gegenüber in eine schwierige Lage,
zumal die Slowaken unter Führung des Prälaten Hlinka ebenfalls nach
Autonomie drängten. So lange die Deutschen sich in mehrere Parteien zer-
splitterten, drohte dem tschechoslowakischen Staat, dessen Regierung ge-
schickt nach dem Prinzip „divide et impera" verfährt, keine Gefahr. Dies
wurde anders, als der Nationalsozialismus das gesamte sudetendeutsche
Volk zu umfassen begann. In diesem Augenblick griff die tschechoslowa-
kische Regierung, ermuntert durch den Widerstand von Dollfuß in dem
kleineren Österreich, scharf durch. Als es feststand, daß das Oberste Gericht
in Brunn das Volkssporturteil bestätigen würde, war das Schicksal der
DNSAP besiegelt. Die Partei suchte dem durch Selbstauflösung zuvorzu-
kommen, nach tschechoslowakischer Version, um die Parteigelder in Sicher-
heit zu bringen. Die obrigkeitliche Auflösungsorder folgte gleichwohl nach.
Die Parteiführer wurden verhaftet. Der Abgeordnete Krebs flüchtete nach
Deutschland.
Der „Kameradschaftsbund".
Es fehlt nicht an Bemühungen, die Anhänger der nationalsozialistischen
Bewegung in einer neuen „Front" unterzubringen. Bei diesen Versuchen
schob sich in den Vordergrund die in der Öffentlichkeit bisher wenig be-
kannte, aber immer schon sehr einflußreiche Organisation „Kameradschafts-
bund", von ihren Anhängern als eine Art „sudetendeutscher Maffia" be-
zeichnet. Die im Kameradschaftsbund vereinigten Persönlichkeiten stehen
den Gedankengängen des Wiener Professors Othmar Spann und seines
Schülers Walter Heinrich nahe, die ihr Programm „Abkehr von der Demo-
kratie" und „ganzheitlich ständischer Aufbau" auch der österreichischen
Heimwehr geliefert haben. Dem Kameradschaftsbund gehören zwar nur
etwa 200 Sudetendeutsche, meist Intellektuelle der verschiedensten poli-
tischen Schattierungen an, die sich höherem Befehl folgend absichtlich von

• (3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 326, Anm. 3 und Dokument Nr. 429, Anm. 3

90
Nr. 51 8. NOVEMBER 1933

Parteipolitik möglichst ferngehalten haben. Sein Einfluß geht aber so weit,


daß kein wichtiger Posten im sudetendeutschen Lager ohne seine Zustim-
mung besetzt werden kann, ob es sich nun um das Deutsch-politische
Arbeitsamt (Amtsleiter Kundt ist Kameradschaftsbündler) oder eine kul-
turelle Organisation handelt. Durch den führenden Kameradschaftsbündler
Dr. Brand hat der Bund auch Einfluß auf den Deutschen Turnverband (Leiter
Konrad Henlein) und damit auf die junge Generation aller bürgerlichen
Parteien erlangt. Trotz der Gegensätze zwischen Kameradschaftsbund und
DNSAP bezüglich des Anspruchs auf die sudetendeutsche Führung bestehen
bzw. bestanden doch auch enge Querverbindungen der Kameradschafts-
bündler zu einzelnen jugendlichen Führern der nationalsozialistischen Be-
wegung.
Der geschickten, zurückhaltenden Taktik entsprechend hat sich der Kame-
radschaftsbund über sein Verhältnis zu Deutschland nie ausgesprochen. Es
steht fest, daß er stark die sudetendeutsche Raumlage und Eigenart betont.
Von Nationalsozialisten mit dem Blick auf ein Großdeutschland wird den
Kameradschaftsbündlern vorgeworfen, daß sie den „sudetendeutschen Men-
schen" analog dem „österreichischen Menschen" schaffen wollen, daß sie
also nicht zum Reich streben, sondern vom Reiche fort. Damit wäre der Weg
zu einer Art „Verschweizerung" offen.
„Volksfront" und „Sudetendeutsche Heimatfront".
Mit der Zerschlagung der Nationalsozialistischen Partei (ebenso wie der
Deutschnationalen) glaubte der Kameradschaftsbund den Zeitpunkt für den
aktiven Eintritt in die sudetendeutsche Politik gekommen. Nach dem
Scheitern der Idee der „Volksfront", die außer Nationalsozialisten und
Deutschnationalen auch den Bund der Landwirte, die Christlich-Sozialen, die
Gewerbe-Partei und die Deutsch-Demokraten umfassen sollte, rief in letzter
Stunde der Leiter des Turnverbandes Konrad Henlein, angeblich aus eigener
Initiative, in Wirklichkeit vom Kameradschaftsbund vorgeschoben, zum
Beitritt zur „Sudetendeutschen Heimatfront" auf, die ein Sammelbecken für
die den aufgelösten Parteien angehörenden Massen sein soll. Jugendliche
Führer der Nationalsozialisten, die damals noch nicht eingekerkert waren,
wie Kasper und Haider, neigten unter der Bedingung, daß ihnen führende
Stellungen zuerkannt würden, zum Beitritt. Von der älteren Generation der
Nationalsozialisten (Jung, Knirsch) sagt man, daß sie nach der Entwicklung
der Dinge in den letzten Wochen des Kampfes müde geworden seien.

Schwenkung der „Heimatfront" in Richtung „Aktivismus".


Die Ereignisse überstürzten sich. In den Oktoberwochen brach die ganze
Welle der tschechischen Verfolgung über das nationale Sudetendeutschtum
herein. Obwohl Henlein in einer von der Polizei später aufgelösten Presse-
konferenz sich zur Demokratie bekannte, obwohl er den Arierparagraphen
für die Heimatfront ablehnte, obwohl er sogar Zusicherungen für eine
loyale, ja aktivistische 4 ) Einstellung zum tschechoslowakischen Staat gab

(4) Die Bezeichnungen „aktivistisch" und „Aktivismus" wurden für die deutsehen Parteien
und ihre politischen Führer verwendet, die in tschechoslowakischen Kabinetten vertreten
waren und sie im Parlament unterstützten.

91
Nr. 52 9. NOVEMBER 1933

und damit eine vollständige Frontschwenkung ankündigte, blieben die


Tschechen mißtrauisch. Eine große Anzahl von Turnvereinen - seine
ureigenste Domäne - wurden aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt.
In der allgemeinen Nervosität folgten Verhaftungen über Verhaftungen.
Das Schicksal der Heimatfront erscheint danach völlig ungewiß. Nur eines
ist sicher, daß Henlein politischer Gefangener des im Kabinett sitzenden
Landbundführers Spina geworden ist, der in dem allgemeinen Chaos über
Wohl und Wehe der Sudetendeutschen entscheidet.
Das Sudetendeutschtum hat durch den Zusammenbruch der DNSAP einen
schweren Schlag erlitten und ist gegenwärtig vollständig führerlos. Aus
der Provinz drangen bis vor kurzem Gerüchte über von Sudetendeutschen
geplante Terrormaßnahmen, die willkommenen Anlaß für eine tschechische
Militärdiktatur bieten würden. Mit der überraschenden Beteiligung des
Sudetendeutschtums an dem Staatsfeiertag vom 28. 10. sind die Gerüchte
verstummt.
Nach einer Beruhigung der allgemeinen Lage wird jedenfalls künftighin
eine offene politische Betätigung der Sudetendeutschen nur in loyalster
Einstellung zum tschechoslowakischen Staat möglich sein. Auf lange Sicht
gesehen könnte hiermit bei einem Teil der Bevölkerung die vorerwähnte
„Verschweizerung" Hand in Hand gehen. Auf der anderen Seite steht die
ungebrochene Kraft der Jugend, die fest mit dem Ideengut des National-
sozialismus und dem großdeutschen Gedanken verbunden ist. Welche Rich-
tung sich in dem Spiel der Kräfte durchsetzen wird, hängt letztlich von der
machtpolitischen Stellung Deutschlands ab.
DR. KOCH

52
2945/D 575 854-55
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. November 1933
e. o. RM. 1541
Bei der Unterredung, die ich heute morgen mit dem polnischen Gesandten
hatte, habe ich Herrn Lipski eingehend auf die Unmöglichkeit hingewiesen,
das Verlangen der polnischen Regierung auf Gewährung eines Kohlenkon-
tingents zu erfüllen.1) Herr Lipski erwiderte darauf, daß es für die polnische
Regierung besonders schwer sei, auf dieses Verlangen zu verzichten, weil
der ganze deutsch-polnische Handelskrieg seinerzeit in der Kohlenfrage
seinen Ausgang gehabt habe. Es sei also für die polnische Regierung schwer,
irgendwelche vertraglichen Abmachungen mit Deutschland zu treffen, in
denen die Kohlenfrage nicht geregelt werde. Immerhin wolle er seiner
Regierung von meinen Mitteilungen sofort Kenntnis geben. Der Gesandte

(l) Siehe Dokument Nr. 38

92
Nr. 53 9. NOVEMBER 1933

sprach dann von der Eventualität des Abschlusses eines kleineren Abkom-
mens, wozu ich erwähnte, daß mir auch ein solches Abkommen möglich
erscheine, vorausgesetzt, daß die Diskriminierung der deutschen Schiffahrt
aufgehoben würde. Als Herr Lipski auch dagegen gewisse Bedenken geltend
machte, erklärte ich ihm, daß ich dann allerdings nicht wüßte, wie man auf
dem doch auch von seiner Regierung gewünschten Wege der Entspannung
der deutsch-polnischen Verhältnisse und der Einleitung normaler Handels-
beziehungen weiterkommen könne. Für uns sei jedenfalls die Beibehaltung
dieser Diskriminierungsbestimmung durch Polen nicht tragbar.
Sodann sprach ich Herrn Lipski auf die Vorkommnisse in Ostober-
schlesien an und betonte die hier von deutschen Aktionären und Geldgebern
zum Ausdruck gebrachte Besorgnis der Gefährdung ihrer Interessen.2) Ich
sagte dem Gesandten, die Maßnahmen, die in letzter Zeit von den polni-
schen Verwaltungsstellen unternommen würden, um eine weitere Poloni-
sierung der Verwaltung der Unternehmungen der IG-Kattowitz durchzu-
führen, seien nicht geeignet, eine Entspannung der deutsch-polnischen Be-
ziehungen herbeizuführen, sondern eher das Gegenteil. Ich ersuchte Herrn
Lipski, in diesem Sinne nach Warschau zu berichten und dabei auch noch zu
erwähnen, daß ich hoffte, die von unserer Seite erfolgte Zurückziehung der
Klagen im Haag 3 ) werde von der polnischen Regierung als ein Akt des Ent-
gegenkommens aufgefaßt und nicht etwa dazu benutzt werden, schärfere
Maßnahmen zu ergreifen.
Herr Lipski war in seinen Ausführungen äußerst zurückhaltend.
v. N[EURATH]
(2) Siehe Dokument Nr. 41.
(3) Der Hinweis bezieht sieh auf den Rückzug von einem Prozeß um das Vermögen des
Fürsten von Pleß, der von der deutsdien Regierung vor dem Ständigen Internationalen
Gerichtshof in Den Haag angestrengt worden war

53
9452/E 666 895
Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 254 vom 9. 11. MOSKAU, den 9. November 1933 18 Uhr 59
Ankunft: 9. November 20 Uhr
IV Ru. 4937
Auf [Telegramm Nr.] 231.1)
Für Herrn Botschafter Nadolny persönlich.
Beim Empfang anläßlich Revolutionsfeier bin ich von nichtamtlicher
russischer Seite wiederholt gefragt worden, wann voraussichtlich Leipziger

*(i) Telegramm Meyers Nr. 231 vom 6. November (9452/E 666 894) mit der Nachricht, daß
Nadolny beabsichtige, am 14. November nach Moskau abzureisen.

93
Nr. 54 10. NOVEMBER 1933

Prozeß zu Ende gehen würde.2) Dabei gab man zu verstehen, daß die Sowjet-
presse voraussichtlich zu Ergebnis scharf Stellung nehmen müsse. Gleich-
zeitig wurde der Besorgnis Ausdruck gegeben, daß Ende Leipziger Prozeß
und damit erneutes Aufflackern antideutscher Pressepropaganda zeitlich mit
Ihrem Eintreffen in Moskau zusammenfallen könnte, wodurch der Beginn
Ihrer Tätigkeit in eine unangenehme Atmosphäre fallen würde; ob dieses
Zusammentreffen sich nicht irgendwie vermeiden lasse.3)
TWARDOWSKI

*(2) Randbemerkung: „Nach Auskunft von H[errn] v. Bargen wird der Prozeß noch minde-
stens 3 Wochen dauernl v. T[ippelskireh] 10. 11."
(3) Bülow antwortete mit Telegramm Nr. 235 vom 10. November (9452/E 666 896): „Reichs-
tagsbrandprozeß wird voraussichtlich noch einige Wochen dauern. An Reisetermin von
Herrn Botschafter Nadolny ändert sich nichts."

54
3154/D 670 245-48

Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath


BERLIN, den 10. November 1933
RM. 1549
Gestern abend suchte mich der französische Botschafter auf. Er begann
damit, daß er gehört habe, in der Wilhelmstraße sei man betroffen davon,
daß in der französischen Regierungserklärung Deutschland nicht erwähnt
worden sei.1) Dies habe aber seinen Grund darin, daß das Ministerium
Sarraut sich als ein Ubergangsministerium betrachte. Im übrigen habe ja
Herr Sarraut selbst sofort erklärt, daß er in der Außenpolitik die Linie von
Herrn Daladier einhalten werde. Ich erwiderte Herrn Poncet, es sei völlig
irrig anzunehmen, „daß wir von der Nichterwähnung Deutschlands .betrof-
fen' seien". Er habe ja schon aus meiner Rede am Montag 2 ) ersehen, daß ich
der Ansicht sei, die im Völkerbund und in der Abrüstungskonferenz zurück-
gebliebenen Mächte brauchten Zeit, um sich zu überlegen, was sie nun tun

• (1) Forster hatte in Telegramm Nr. 877 vom 5. November (8216/E 583 824-25) aus Paris
über die Regierungserklärung des neugebildeten französischen Kabinetts Sarraut be-
richtet. Der Schlußabsatz des Telegramms lautete: „Außenpolitischer Teil der Regie-
rungserklärung, der Deutschland mit keinem Wort erwähnt, deutet auf Unsicherheit
hinsichtlich außenpolitischen Vorgehens. Erklärung kann als unfreundliche Zurück-
haltung gekennzeichnet werden." Am 6. November fertigte Bülow eine Aufzeichnung
über ein Telefongespräch mit dem französischen Botschafter vom gleichen Tage an
(2406/D 510 742). Frangois-Poncet habe sich über das Echo, das die französische Regie-
rungserklärung in Berlin ausgelöst habe, sehr besorgt gezeigt und versichert, daß der
beabsichtigte Passus über Deutschland „nur aus französischen innerpolitischen Gründen"
gestrichen worden sei. Dieser Sachverhalt wurde in Telegramm Forsters Nr. 882 vom
7. November (7467/H 179 030) bestätigt.
(2) Der Text dieser Rede, die Neurath am 6. November im Deutschen Klub hielt, ist abge-
druckt in Schwendemann, Abrüstung und Sicherheit, Bd. II, S. 494-506.

94
Nr. 54 10. NOVEMBER 1933
X • • **.
sollten. Es sei für mich also keineswegs erstaunlich gewesen, daß Herr
Sarraut über Deutschland nichts gesagt habe.
Herr Poncet kam sodann auf die Reise von Herrn Göring 8 ) und den
Kanzlerbrief an Mussolini 4 ) zu sprechen und sagte, wir hätten jetzt wohl
Herrn Mussolini gebeten, seine Vermittlerrolle wieder aufzunehmen. Ich
erwiderte ihm darauf, er befinde sich in einem groben Irrtum, wir dächten
nicht daran, jemanden zum Vermittler anzurufen. Unsere Ansprüche seien
klar fixiert, und wir warteten nun darauf, was man uns etwa zu sagen habe.
Der Brief an Mussolini sei lediglich ein Dankschreiben des Kanzlers für
die früheren Bemühungen Mussolinis auf der Abrüstungskonferenz und für
den Weltfrieden und enthalte ferner noch eine eingehende Darstellung der
Gründe, die uns zum Austritt aus dem Völkerbund und aus der Abrüstungs-
konferenz veranlaßt hätten. Herr Poncet frug sodann nochmals, ob es richtig
sei, daß der Kanzler dem englischen Botschafter5) unsere Rüstungswünsche
mitgeteilt habe, und führte diese Wünsche einzeln auf.6) Ich erwiderte ihm,
das sei durchaus zutreffend, worauf Herr Poncet meinte, dann hätten wir
doch keine Veranlassung gehabt, aus der Abrüstungskonferenz fortzugehen,
denn über diese Wünsche hätte man ja verhandeln können. Ich brach diese
Unterhaltung damit ab, daß ich Herrn Poncet erklärte, ich hätte nicht die
Absicht, mich mit ihm nochmals über die Gründe, die zu unserem Schritt
vom 14. Oktober geführt hätten, auseinanderzusetzen. Er brauche nur die
Reden des Kanzlers 7 ) und die meinige nachzulesen, um sich diese ins
Gedächtnis zurückzurufen.
Herr Poncet ging sodann ganz plötzlich unter Bezugnahme auf eine
private Unterredung, die er mit Herrn Köpke gehabt habe,8) dazu über, mir
einen Plan auseinanderzusetzen, den er als rein persönliche Ansicht bezeich-
nete, um die durch den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund geschaf-
fene Gefahrenzone zu überbrücken. Der Botschafter führte aus, es unter-
liege keinem Zweifel, daß Deutschland mit allen Mitteln aufrüste. Wenn
man auch bisher in Frankreich dazu noch keine offizielle Stellung genom-
men habe, so sei doch mit absoluter Bestimmtheit damit zu rechnen, daß die
französische Regierung in Bälde aus ihrer Zurückhaltung heraustreten und
gegen diese Verfehlungen Deutschlands Schritte unternehmen werde.
Welcher Art diese Schritte sein würden, vermöge er nicht zu sagen. Nun
gehe ja aus den Mitteilungen, die der Herr Reichskanzler dem britischen
Botschafter gemacht habe, hervor, daß wir nicht mehr die Abrüstung der
hochgerüsteten Staaten, sondern nur das Weiterrüsten und das Wettrüsten
verhindern wollten, daß wir aber unsererseits ein gewisses Maß der Auf-
rüstung verlangten. Nun sei uns ja bekannt, daß das Wort Aufrüstung in
den angelsächsischen Ländern die Gemüter in heftige Erregung bringe und
daß man von dort her alle Versuche Deutschlands, auch nur die sogenann-
ten Verteidigungswaffen zugebilligt zu bekommen, bekämpfe. Man müsse

(3) Siehe Dokument Nr. 50.


(4) Dokument Nr. 40.
*(5) Phipps.
(6) Siehe Dokument Nr. 23.
*(?) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1
(8) Siehe Dokument Nr. 61.

95
Nr. 55 9. NOVEMBER 1933

also einen Weg suchen, um die Aufrüstung zu verkleiden. Dies könne


dadurch erreicht werden, daß Deutschland mit Polen und der Tschecho-
slowakei unter Beteiligung Frankreichs und der anderen Mächte einen Ost-
locarno-Vertrag abschließe und daß es sich ferner verpflichte, die öster-
reichische Unabhängigkeit nicht anzurühren. In diesem Falle glaube er, daß
auch England und Amerika sich mit einer gewissen Aufrüstung Deutsch-
lands abfinden würden, da ja durch die oben erwähnten Verträge der
Friede Europas sichergestellt werde.
Ich erwiderte Herrn Poncet, daß ich den von ihm vorgeschlagenen Weg
kaum für gangbar hielte. Wenn wir auch, wie aus den wiederholten Er-
klärungen aller verantwortlichen Stellen hervorgehe, keineswegs die Ab-
sicht hätten, Grenzfragen durch Gewalt zu lösen, so sei es doch etwas ganz
anderes, wenn man von uns verlange, daß wir diese Fragen überhaupt nicht
anrühren sollten. Man wolle uns durch solche Verträge nur in ein neues
Netz einspinnen und uns dadurch jede Bewegungsfreiheit nehmen.
Herr Poncet erklärte ferner noch, er wisse ja auch gar nicht, ob seine
Regierung einem solchen Plan zustimmen würde, immerhin beabsichtige er,
demnächst um eine Audienz beim Herrn Reichskanzler nachzusuchen, um
ihm diese Pläne vorzutragen. 9 )
10
v. N[EURATH] )

(») Siehe Dokument Nr. 86.


'(10) Randvermerk: „Durchdruck von RM dem Herrn RK persönlich übergeben. 11. 11."
Der Bericht Francois-Poncets über diese Unterredung ist abgedruckt in Documents
Dipiomatiques Francais, 1. Serie, Bd. IV, Nr. 413.

55
L432/L 123 536-38
Reichsbischof Müller an das Auswärtige Amt •)
K.K. 12765 BERLIN, den 9. November 1933
Ankunft: 11. November
VI A. 2549
Auf das Schreiben vom 22. September 1933 betr. die Stellung der nor-
dischen evangelischen Kirchen zur Deutschen Evangelischen Kirche und die
Arierfrage 2 ) erwidere ich, daß auf der Deutschen Evangelischen National-
synode 3) keinerlei Bestimmungen über nichtarische Geistliche und Beamte

*(i) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 15. [11.]"


*(2) In diesem Schreiben (L 432/L 123 485-86) hatte das Auswärtige Amt die Leitung der
Deutschen Evangelischen Kirche auf die Gefahr hingewiesen, daß die evangelischen
Kirchen in den skandinavischen Staaten geneigt sein könnten, die engen Beziehungen
zur Deutsehen Evangelischen Kirche abzubrechen, besonders wenn diese auf der bevor-
stehenden Nationalsynode einen Arierparagraphen offiziell einführen sollte. Das Aus-
wärtige Amt gab zu erwägen, „ob nicht eine Durchführung des Arierparagraphen auf
dem Verwaltungswege anstelle einer offiziellen Annahme des Gesetzes möglich wäre".
(3) Siehe Dokument Nr. 37, Anm. 3.

96
Nr. 55 9. NOVEMBER 1933

der Kirche oder über nichtarische Kirchenglieder [sie] beraten und angenom-
men worden sind. Es ist auch nicht beabsichtigt, solche Bestimmungen e'ner
späteren Tagung der Nationalsynode zur Beratung und Beschlußfassung
vorzulegen.
über die Stimmung in den ausländischen protestantischen Kirchen, insbe-
sondere auch des Nordens, bin ich durch zahlreiche mündliche und schrift-
liche Äußerungen ausländischer Kirchenführer unterrichtet. Ich bin mir der
Spannungen, die durch die Behandlung des Arierproblems in den Be-
ziehungen der Deutschen Evangelischen Kirche zu den Kirchen des Aus-
landes eingetreten sind, durchaus bewußt und fühle die Verantwortung, die
die Deutsche Evangelische Kirche hierbei auch gegenüber Volk und Vater-
land trägt. Denn in der Tat würde eine Lockerung oder gar ein Verlust
der bisher freundlichen Beziehungen gerade zu den lutherischen Kirchen
des Nordens nicht nur für die Kirche selbst, sondern auch für unser Volk
einen Nachteil bedeuten. Deshalb ist es mein ernstes Bemühen, die Er-
kaltung dieser Beziehungen zu verhindern. Andererseits kann ich mich des
Urteils nicht enthalten, daß die Einwendungen, auch von kirchlich-aus-
ländischer Seite, gegen den Arierparagraphen schlechthin nicht frei von
politischen und weltanschaulichen Vorurteilen sind und vielfach auf einer
theologischen Grundeinstellung beruhen, die unhaltbar ist.
Es ist zunächst versucht worden, die durch die Annahme des Arierpara-
graphen durch verschiedene Landeskirchen entstandene Mißstimmung in
den ausländischen Kirchen im Wege der Korrespondenz mit ausländischen
Kirchenführern und durch persönliche Besprechungen zu klären. Ferner
bemühen sich die deutschen evangelischen Pfarrer des Auslandes darum,
durch Aussprachen und, wo es möglich ist, durch Vorträge oder Zeitungs-
äußerungen aufklärend zu wirken. Anfang Oktober war eine Gruppe von
Göttinger theologischen Universitätsprofessoren zu Besuch in Schweden
und hat hierbei durch Vorträge und Besprechungen, u. a. auch mit dem Erz-
bischof von Schweden,4) zu wirken gesucht. Aus Anlaß der Lutherfeier am
10. November wird D. Dr. Johannes Müller-Elmau in Oslo Vorträge halten.
Ferner weilt der Generalsekretär der Deutsch-Christlichen Studenten-Ver-
einigung (DCSV), Pfarrer Dr. Lilje - allerdings in seiner Eigenschaft als
Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes - Anfang November
in Schweden und wird hierbei vor allem in studentischen Kreisen über die
deutschen Probleme sprechen können. Auch mit englischen, vor allem angli-
kanischen Kirchenkreisen ist durch Besuche von Bischof Hossenfelder und
der hiesigen Sachbearbeiter im Oktober in London Fühlung aufgenommen
und - vor allem über die Oxford-Bewegung des Pfarrers Buchman - die
Möglichkeit zu aufklärenden Aussprachen gefunden worden.
Es ist beabsichtigt, die Vortragstätigkeit, wenn einmal die erste Auf-
regung im Ausland sich gelegt hat, vor allem im Norden planmäßig auszu-
gestalten, wozu allerdings Mittel bereitgestellt werden müßten. Ferner wird
versucht werden, durch theologische Schriften über die Grundlage der
Deutschen Evangelischen Kirche das Urteil des Auslandes zu bestimmen.
Ich wäre dem Auswärtigen Amt ganz außerordentlich dankbar, wenn es sich

(4) Eidem.

97

iL i Bg. 7 f Bayerische
I Staatsbibliothek
Nr. 56 9. NOVEMBER 1933

bereit erklären könnte, die geplante Arbeit eventuell auch finanziell zu


fördern.5) Der Etat der Deutschen Evangelischen Kirche, der mindestens bis
1. Januar 1934 noch auf die geringeren Bedürfnisse des Deutschen Evan-
gelischen Kirchenbundes zugeschnitten ist, wird keinesfalls ausreichen, die
durch die - auch im Interesse von Volk und Reich - neu in Angriff genom-
menen Aufgabengebiete und die stärkere Konzentration der Arbeit ge-
stiegenen finanziellen Anforderungen der Deutschen Evangelischen Kirche
zu decken.9)
LUDWIG MÜLLER
(5) Randbemerkung Bülows: „Pro[paganda]mi|nisterium]P
(8) Randbemerkung: „Die Ev[angelische] Kirche steht wegen der Vortragsreisen auch mit
dem Pro[paganda]mi[nisterium] in Verbindung.
Ich habe H[err]n OKR Hedeel mitgeteilt, daß wir im Augenblick keine Mittel zur Ver-
fügung hätten. Er schien dies zu erwarten u[nd] meinte, eine Antwort auf das Schreiben
sei nicht nötig. Der Reichsbischof habe damit in erster Linie die Absicht verfolgt, das
AA auf die Notwendigkeit verstärkter Auslandspropaganda auf kirchlichem Gebiet hin-
zuweisen. Ich erklärte H[err]n Hedeel, daß wir gern bereit seien, evtl. an uns heran-
tretende Wünsche der Kirche betreffend] Einzelreisen deutscher evangelischer] Geist-
licher ins Ausland von Fall zu Fall zu prüfen. Z. d. A. RJoediger] 23. 11."

56
9151/E 643 887-91
Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige Amt •)
A III 1 b. 8 PRAG, am 9. November 1933
Ankunft: 11. November
II Ts. 1435
POLITISCHER BERICHT

Inh[alt]: Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei.


Gestern suchte ich Minister Benes auf und hatte ein längeres Gespräch
mit ihm über die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der
Tschechoslowakei.
Ich ging zunächst von der Tatsache aus, daß der deutsche Konsul in
Brunn 2 ) wegen versuchter Nötigung - er soll einen Buchhändler durch die
Androhung, ihm Kundschaft abwendig zu machen, zur Entfernung von
Greuelliteratur aus dem Schaufenster veranlaßt haben - vor den Straf-
richter geladen worden ist. Ich fragte Benes geradezu, was man mit solchem
Unsinn, hinter dem Kommunisten die treibenden Kräfte sind, eigentlich
bezwecke. Möglich, daß man einen Konsul wegen privater Handlungen
strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen könne. Aber hier hätte der Konsul
- übrigens in einer Form, bei der von Nötigung nicht die Rede sein könne -

*(l) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 11. 11."


*(2) Bethusy-Huc.

98
Nr. 56 9. NOVEMBER 1933

ganz zweifellos in amtlicher Eigenschaft, auf Grund des generellen Auf-


trags, der Greuelpropaganda entgegenzutreten, gehandelt. Wenn die
tschechoslowakische Regierung Bedenken gegen die Amtsführung des Kon-
suls hätte, so wäre doch wohl die Einvernahme mit der Reichsregierung,
nicht aber die Inanspruchnahme der Gerichte der einzig mögliche Weg.
Benes, der wie gewöhnlich „das erste Wort von der Sache hörte", erklärte,
er könne gegen meine Ausführungen nichts einwenden, müsse sich aber
zunächst informieren und werde mir möglichst bald Bescheid geben.
Er betonte bei dieser Gelegenheit in einer geradezu herzlichen Weise, daß
er zu seinem Teile alles tun wolle, um jede Schwierigkeit mit dem Deut-
schen Reiche auszuräumen, alle Konflikte zu vermeiden und ein ruhiges
Nebeneinanderleben beider Staaten herbeiführen.
Ich dankte ihm für diese Erklärung und versicherte ihm, daß ich bei
meiner kürzlichen Anwesenheit in Berlin die Reichsregierung durchaus von
den gleichen Absichten beseelt gefunden habe. Er, Benes, habe in seiner
jüngsten Rede im Auswärtigen Ausschuß3) von korrekten Beziehungen
zwischen unsern Ländern gesprochen, und ich würde sehr glücklich sein,
wenn ich diesen Ausdruck akzeptieren und bestätigen könne. Wie er aber
mit ihm die Tatsache in Einklang bringen wolle, daß Regierungsblätter, wie
z. B. der Sozialdemokrat, bis in die neueste Zeit das deutsche Volk als Mord-
und Brandstifter bezeichnen, das sei mir ein Rätsel.
Benes entgegnete, dieser Unfug, den er am allermeisten beklage, werde
sich, nun er wieder im Lande sei, wohl bald legen. Wenn er nicht genötigt
gewesen wäre, sehr oft abwesend zu sein, wäre manches anders gelaufen.
Sein Stellvertreter 4 ) habe wohl im Verkehr mit der Regierung die nötige
Autorität; aber nicht gegenüber den Parteien die erforderliche Durchschlags-
kraft, und darauf komme es an. Er werde jedenfalls alles versuchen, um die
gerügten Mißstände abzustellen und die Emigranten zu der Bescheidenheit
zu verhalten [sie], die ihnen als Asylsuchenden zukomme.
Ich kam dann auf die 25 bis 30 Reichsdeutschen zu sprechen, die hier im
Lande noch in Untersuchungshaft wegen Vergehen gegen das Schutzgesetz
gehalten werden und deren einziges Vergehen zumeist darin bestehe, daß
sie nationalsozialistische Parteimitglieder im Reich seien oder im Besitz
von nationalsozialistischen Schriften befunden worden seien. Nachdem die
sudetendeutsche Nationalsozialistische Partei aufgelöst 5 ) und tatsächlich
von der Bildfläche verschwunden sei und nachdem man sich auf Grund der
Haltung, die die reichsdeutsche Presse zu diesen Vorgängen eingenommen
habe, hoffentlich davon überzeugt habe, daß die bombastischen Vermutun-
gen, das Reich suche die Sudetendeutschen zu revolutionieren, haltlos ge-
wesen seien, liege doch gar kein Grund mehr vor, gegen jeden Reichsdeut-
schen, der Nationalsozialist sei, mit Feuer und Schwert vorzugehen. Man
möge die Leute doch möglichst bald laufen lassen.

(3) Benes hatte am 31. O k t o b e r im A u s w ä r t i g e n Ausschuß der tschechoslowakischen


N a t i o n a l v e r s a m m l u n g eine außenpolitische Rede gehalten, in der nach einem Bericht
H o l z h a u s e n s v o m 2. N o v e m b e r (9147/E 643 359-60) eine völlig n e g a t i v e Haltung gegen-
ü b e r Deutsehland zum Ausdruck gekommen war.
(4) Krofta.
(5) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 483.

99
Nr. 56 9. NOVEMBER 1933

Benes erwiderte, da müsse er doch zunächst einmal meinen Blick über die
Grenze nach Reichsdeutschland hinüberlenken, dort säßen in Haft oder in
Konzentrationslagern sieben- oder acht- oder zehnmal soviel Tschecho-
slowaken, die zumeist auch nichts anderes auf dem Kerbholz hätten, als daß
sie einer in Deutschland verfemten Partei, die in der Tschechoslowakei
Regierungspartei sei, angehörten. Er hätte seinem Gesandten 6 ) bei den
unzähligen Schritten, die er für diese Unglücklichen getan habe, die konzi-
lianteste Tonart zur Pflicht gemacht, weil er den Ausnahmeverhältnissen,
die in Deutschland herrschten, voll habe Rechnung tragen wollen. Er bitte
mich, dem Herrn Reichsaußenminister sowie dem Herrn Staatssekretär
von Bülow und Herrn Ministerialdirektor Köpke seinen herzlichen Dank zu
übermitteln für die gute und verständnisvolle Aufnahme, die die Schritte
seines Gesandten im Auswärtigen Amt gefunden haben. Aber der Erfolg
habe dem guten Willen der Beteiligten doch nur sehr ungenügend ent-
sprochen. Die Ausnahmeverhältnisse im Reiche seien doch nun vorüber,
und er sei genötigt, in Kürze wesentlich energischer auf die Freilassung
seiner Landsleute zu dringen. Sei es denn nicht möglich, alle diese Fälle
jenseits und diesseits der Grenze pari passu - in stillem, äußerlich nicht in
die Erscheinung tretenden Einverständnis - zu liquidieren?
Es hätte nahe gelegen zu bemerken, daß die Verhaftungen Reichsdeut-
scher in der Tschechoslowakei wohl zum größeren Teile aus diesem Kom-
pensationsbedürfnis entsprungen seien. Ich unterdrückte aber diese Be-
merkung, um die freundliche Temperatur des Gesprächs nicht zu stören, und
beschränkte mich darauf zu erklären, daß ich diesen Gedanken, zu dem ich
selbst keine Stellung nehmen könne, da ich die Fälle im Reich nicht kenne,
meiner Regierung unterbreiten wolle.
Wir kamen zum Schluß überein, daß von beiden Seiten alles geschehen
müsse, um der sinnlosen Kriegshysterie, die Teile der Bevölkerung ergrif-
fen hätte, entgegenzutreten. Benes bemerkte dabei, sie sei vielfach auf das
„rastlose Marschieren" in Deutschland, das in Zeitungsabbildungen und
Filmen vom Tage dem Publikum gezeigt werde und das man hierzulande
nur begreifen könne als Vorbereitung eines künftigen Krieges, zurückzu-
führen. Er sei geradezu erschüttert gewesen, als er dieselbe Hysterie auch
in breiten Schichten Frankreichs und Englands angetroffen hätte.
Die ganze Unterhaltung blieb zwar, von beiden Seiten gewollt, an der
Oberfläche des Problems. Denn die tiefer liegenden Gegensätze zwischen
beiden Ländern sind mindestens derzeit unlösbar. Aber wenn es wenigstens
gelänge, diese Oberfläche zu glätten und äußerlich ein reibungsloses Neben-
einanderleben herzustellen, so wäre, scheint mir, auch für uns in unserer
jetzigen Lage viel gewonnen.
Die heute früh erschienene Replik Benes' in den Auswärtigen Ausschüs-
sen füge ich bei.7)
DR. KOCH

• (6) Mastny.
(7) Fundort: 9151/E 643 892-95.

100
Nr. 57 10. NOVEMBER 1933

57

3154/D 671 320-22

Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt


Telegramm
Nr. 258 vom 10.11. LONDON, den 10. November 1933 15 Uhr 17
Ankunft: 10. November 18 Uhr 55
RM. 1555
Für Herrn Reichsminister ausschließlich.

MacDonald hat gestern bei Jahresbankett des Lord Mayor eine bedeut-
same politische Rede gehalten, deren ganzer außenpolitischer Teil dem
Abrüstungsproblem und dem Vorgehen Deutschlands gewidmet war. Rede
darstellt einen dringenden Appell an Deutschland zur Rückkehr zur inter-
nationalen Zusammenarbeit. Sie ist kritisch gegenüber Ausscheiden Deutsch-
lands aus Abrüstungskonferenz und Völkerbund, enthält aber verschiedene
Stellen, in denen weitgehendes Verständnis für deutsche Beschwerde und
Bestrebungen und Sympathie für deutsche Wünsche bekundet wird. Wich-
tigste Stellen aus der Rede habe in Telegramm Nr. 257 •) gedrahtet. Voller
Text abgeht heute abend mit Flugpost.
Vor Bankett zog mich MacDonald in ein Gespräch. Er aussprach Bedauern
über Rückzug Deutschlands aus internationaler Zusammenarbeit, worauf
ich kurz unsere Hauptgravamina betreffend Behandlung Abrüstungspro-
blems aufzählte: Preisgabe MacDonald-Plans, Ausschaltung Deutschlands bei
Vorbesprechungen, vierjährige Probezeit, Hinausschiebung Gleichberechti-
gung, einseitige Kontrolle usw. MacDonald verteidigte englisches Vorgehen,
ließ aber vorsichtig durchschimmern, daß er mit Behandlung Angelegenheit
durch Foreign Office nicht ganz einverstanden sei. So sagte er, er habe Er-
gebnis der Vorbesprechungen dieses Sommers keineswegs als bindende Ab-
machungen betrachtet und gewünscht, daß sie auch Deutschland gegenüber
nur als Vorschläge, über die weitere Verhandlungen durchaus möglich
seien, in Erscheinung treten sollten.
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung wiederholte MacDonald immer
wieder, man dürfe die Dinge, wie sie sich nun einmal gestaltet hätten, nicht
weiter hinschleppen lassen, sondern müsse darauf bedacht sein, daß wieder
ein internationaler Kontakt geschaffen werde. Wie man dazu kommen solle,
darüber zerbreche er sich den Kopf, und dabei sei ihm der Gedanke ge-
kommen, ob nicht vielleicht ein Besuch des Herrn Reichskanzlers in Lon-
don 2) ein geeigneter Weg sein würde. Es handelte sich bei diesem Gedan-
ken, wie er ausdrücklich betonen wolle, um eine rein persönliche Idee, von
der das englische Kabinett überhaupt nichts wisse. Er spreche mit mir dar-
über nur als Freund und nicht als Ministerpräsident. Jedenfalls sei er aber

(1) Fundort: 3154/D 670 258-61.


(2) Randbemerkung Neuraths: „Ganz abwegig"

101
Nr. 58 10. NOVEMBER 1933

sicher, daß der Herr Reichskanzler in England freundlichste Aufnahme bei


Volk und Regierung finden würde.
Ich bin auf diesen Gedanken, den ich in der Tat für ein rein persönliches
Produkt MacDonalds halte, nicht eingegangen, da ich mir über die viel-
fachen Umstände, die einen solchen Besuch unmöglich machen, natürlich
vollkommen klar bin und da ich selbst für den Fall der Denkbarkeit eines
solchen Besuchs ihn im gegenwärtigen Augenblick nicht für angezeigt hal-
ten würde.
Das Gespräch endete mit der nochmaligen Betonung der Notwendigkeit
durch MacDonald, daß nach Beendigung deutscher Wahl 3 ) ein Weg gefun-
den werden müsse, um internationale Zusammenarbeit wieder in Gang zu
bringen.
Ich werde am Mittwoch, den 15. November bei einem gemeinsamen Be-
kannten in ganz kleinem Kreise mit MacDonald speisen. Natürlich bin ich
mir bewußt, daß ich nur in Kritik und Aufklärung der vergangenen Ereig-
nisse positiv sein kann, während ich mich bezüglich Weiterentwicklung
rezeptiv zu verhalten haben werde.4)
HOESCH
(3) Gemeint ist die Reichstagswahl am 12. November 1933.
(4) Siehe Dokument Nr. 59 und Anm. 6 dazu.

58
9176/E 645 570

Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt


Telegramm
Nr. 67 vom 10. 11. WARSCHAU, den 11. November 1933 1 Uhr 30
Ankunft: 11. November 2 Uhr 50
W. IV Po. 8179
Habe heute mit dem Außenminister Weiterführung der Wirtschaftsver-
handlungen gemäß den in Berlin getroffenen Entscheidungen besprochen.
Beck zusagte, Angelegenheit vor Ministerrat zu bringen und sich für Zu-
standekommen Vereinbarung einzusetzen. Er betonte aber, für Erfolg seiner
Bemühungen nicht garantieren zu können, weil bei gegenwärtiger Wirt-
schaftskrise Einfluß des Außenministeriums auf Wirtschaftsressort gering
sei. Dabei ließ er durchblicken, daß Entwicklung allgemeiner Lage seit Aus-
tritt Deutschlands aus dem Völkerbund nicht ohne Einfluß auf polnisches
Interesse an Regelung deutsch-polnischer Wirtschaftsbeziehungen geblieben
sei. Wenn auch hiesige öffentliche Meinung im Gegensatz zu gewissen ande-
ren Ländern die politische Lage mit Ruhe verfolge, so würde es doch schwer
sein, ohne das Argument großer wirtschaftlicher Vorteile, wie sie Ermög-
lichung einer Kohlenausfuhr nach Deutschland geboten hätte, vorhandene
Widerstände zu überwinden.

102
Nr. 59 11. NOVEMBER 1933

Unterhaltung wurde in betont freundschaftlicher Form geführt; doch fehlte


diesmal die Beteuerung des unbedingten Verständigungswillens, wie sie
von Beck sonst unterstrichen zu werden pflegt.
Da Handelsminister J ) zur Zeit abwesend, wird die mit diesem vorge-
sehene Besprechung der Einzelfragen erst am Mittwoch 2 ) stattfinden kön-
nen. Ich werde daher Verlängerung Provisoriums in die Wege leiten, falls
nicht die Polen ihrerseits Initiative hierzu ergreifen.
MOLTKE

*(i) Zarzyoki.
(2) 15. November.

59
3154/D 671 318-19

Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath


an die Botschatt in London
Telegramm
Nr. 302 BERLIN, den 11. November 1933 17 Uhr 05
zuRM. 15551)
Auf [Telegramm Nr.] 258.
Für Botschafter persönlich.
Der Ihnen gegenüber von MacDonald zum Ausdruck gebrachte Gedanke
einer eventuellen Reise des Reichskanzlers nach England ist natürlich gänz-
lich abwegig. Gründe brauche ich nicht einzeln aufzuführen. Ich bitte jedoch,
MacDonald gelegentlich darauf aufmerksam zu machen, daß ja der eng-
lische Außenminister öffentlich erklärt hat, die Deutschland im Dezember
vorigen Jahres zugestandene Gleichberechtigung2) könne dem jetzigen
Regime in Deutschland nicht gewährt werden. Im gleichen Sinne hat sich
Simon auch in Genf mir gegenüber ausgesprochen. Ferner bitte ich
MacDonald darauf hinzuweisen, daß unsere Wünsche ihm doch eigentlich
bekannt sein müßten, und zwar sowohl aus den Reden des Reichskanzlers
als auch aus den meinigen, ganz besonders aber aus den vom Herrn Reichs-
kanzler dem englischen Botschafter3) gemachten eingehenden Mitteilun-
gen.4) Diesen Mitteilungen hätten wir vorerst nichts hinzuzufügen, und
MacDonald befinde sich in einem Irrtum, wenn er glaube, aus meiner Rede

(i) RM. 1555: Telegramm Hoeschs Nr. 258 vom 10. November, gedruckt als Dokument
Nr. 57.
(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 8, S. 18.
• (3) Phipps.
(4) Siehe Dokument Nr. 23.

103
Nr. 60 11. NOVEMBER 1933

am 6. November 5 ) herauslesen zu können, daß wir nach den Wahlen mit


neuen Vorschlägen hervortreten würden.8)
NEURATH
(5) Siehe Dokument Nr. 54, Anm. 2.
*(6) In Telegramm Nr. 263 vom 15. November (3154/D 671 330-33) berichtete Hoesch, er habe
an diesem Tage im Hause eines Bekannten eine zweistündige Unterredung mit
MacDonald geführt. MacDonald habe gefragt, „ob Deutschland nicht irgendeinen
Fingerzeig geben könne, der zur Wiederaufnahme des Verhandlungskontakts führen
könnte. Ich beschränkte mich demgegenüber auf Erklärung, daß Deutschland sicherlich
bereit sein würde, auf jede Unterhaltung einzugehen, die man mit ihm zu führen
wünsche, daß aber mit einer deutschen Initiative nicht gerechnet werden könne, eben-
sowenig wie es für Deutschland in Frage komme, den Genfer Schacher nach der alten
Methode wieder aufzunehmen. Die vom Reichskanzler dem englischen Botschafter in
Berlin gemachten Mitteilungen habe ich nicht vorgebracht, da sie MacDonald offenbar
nicht gegenwärtig waren und ich es für taktisch falsch gehalten hätte, sie in diesem
Augenblick vorzubringen".

60
8772/E611 274-76
Autzeichnung des Vortragenden Legationsrats Stieve
BERLIN, den 11. November 1933
e. o. VI A. 2531
Ref.: VLR Roediger
AUFZEICHNUNG FÜR DIE BESPRECHUNG DES HERRN REICHSMINISTERS
MIT HERRN RUDOLF HESS

In dem Schreiben des Herrn Heß an das Auswärtige Amt vom 28. Okto-
ber J) wird mitgeteilt, daß der Volksdeutsche Rat sich wegen der Einzel-
heiten seiner Betätigung mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung setzen
werde. Herr Steinadler hat inzwischen um eine Besprechung gebeten. Das
Auswärtige Amt ist hierzu bereit. Es ist zugleich beabsichtigt, dem Volks-
deutschen Rat Gelegenheit zu geben, seine Gedanken dem für Volksdeutsche
Fragen zuständigen interministeriellen Gremium gegenüber zu äußern. In
diesem Gremium sind die Abteilungsleiter und Referenten des Auswärtigen
Amts (federführend), des Reichsministeriums des Innern, des Reichsfinanz-
ministeriums, des Reichswirtschaftsministeriums, des Ministeriums für
Volksaufklärung und Propaganda, des preußischen Staatsministeriums, des
preußischen Ministeriums des Innern, des preußischen Kultusministeriums
und des preußischen Finanzministeriums vertreten.
Die Schaffung des Volksdeutschen Rats ist zu begrüßen, da er ein wert-
volles Mittel zur Vereinheitlichung der Deutschtumsarbeit, besonders im
Interesse der deutschen Volksgruppen im Ausland darstellt. Es muß aber
volle Klarheit darüber bestehen, daß die von dem Volksdeutschen Rat

(i) Siehe Dokument Nr. 31, Anm. 1.

104
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933

erbetenen Besprechungen nur auf folgender Grundlage geführt werden


können:
Die Volksdeutsche Arbeit und die Minderheitenfrage sind aufs engste mit
der allgemeinen Außenpolitik des Reichs verknüpft. Die zuständigen
Ressorts werden von dem Volksdeutschen Rat gern jede Anregung hinsicht-
lich der Förderung der Deutschtumsarbeit entgegennehmen und prüfen. Es
muß jedoch die letzte Entscheidung in allen Volksdeutschen und Minder-
heitenfragen der Reichsregierung, insbesondere dem für Außenpolitik ver-
antwortlichen Auswärtigen Amt vorbehalten bleiben.
Auch über Fragen der finanziellen Betreuung des Auslandsdeutschtums
sind die zuständigen Ressorts gern bereit, Anregungen und Vorschläge des
Volksdeutschen Rats entgegenzunehmen. Aber auch auf diesem Gebiet muß
die letzte Entscheidung in allen Fragen, die die amtlichen Fonds oder die
Fonds von solchen Organisationen, die von amtlichen Stellen abhängen
(Deutsche Stiftung, Ossa) 2 ), ausschließlich den zuständigen Ressorts vorbe-
halten bleiben [sie]. Auf diesen letzten Punkt ist Herr Heß in dem Schreiben
des Herrn Reichsministers vom 3. November d. J.3) in Beantwortung seines
Schreibens vom 28. Oktober bereits hingewiesen worden.
Hiermit dem Herrn Reichsminister über den Herrn Staatssekretär erge-
benst vorgelegt. 4 )
STIEVE
(2) Diese unter der Kontrolle des Auswärtigen Amts stehenden Organisationen waren zur
Unternehmensfinanzierung mit dem Zweck der wirtschaftlichen Stärkung deutscher
Minderheiten im europäischen Ausland geschaffen worden. Siehe hierzu Serie D,
Bd. VIII, Dokument Nr. 523, Anm. 2.
(3) In diesem Schreiben (8772/E 611 268-71) war die Einsetzung des Volksdeutschen Rats
vom Auswärtigen Amt grundsätzlich gutgeheißen worden, jedoch unter Hinweis auf die
Tatsache, „daß sowohl die Ossa mit ihren Tochtergesellschaften (Ostsee, Pontus, Ver-
einigte Finanzkontore usw.) als auch die Deutsche Stiftung Organisationen sind, die von
der Reichsregierung zur Durchführung politischer Aufgaben geschaffen worden sind und
die der laufenden Überwachung der aufsichtsführenden Reichsministerien und des
Rechnungshofs des Deutsehen Reichs unterliegen". Zu diesem Hinweis war Neurath
veranlaßt worden durch ein Sehreiben Heß' vom 30. Oktober an die Ossa und andere
Organisationen (9781/E 686 851), daß sie der Gerichtsbarkeit des Volksdeutschen Rats
unterstellt würden.
(4) Randvermerk: „Zur Besprechung] mit Heß w[ieder]v[or]z[u]l(egen]. v. N[eurath] 13. 11."

61
3154/D 670 250-57
Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke
BERLIN, den 11. November 1933
zuRM. 1549 •)
Mit der auf S. 2 der Aufzeichnung des Herrn Reichsministers über seine
Unterhaltung mit dem französischen Botschafter Francois-Poncet erwähnten

(1) RM. 1549: Dokument Nr. 54

105
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933
' • '• (!%k
privaten Unterredung des Botschafters mit mir 2 ) hat es folgende Bewandt-
nis:
Der französische Botschafter, der gegen seine Gewohnheit sich mehrere
Wochen nicht hatte bei mir blicken lassen, sprach mich beim Empfang auf
der englischen Botschaft am 3. d. M. darauf an, daß er mich so lange nidit
aufgesucht habe, und stellte seinen Besuch für Anfang nächster Woche mit
dem Hinzufügen in Aussicht, daß er mir keinerlei amtliche Mitteilung zu
machen habe, aber das Bedürfnis fühle, sich einmal mit mir ganz privat und
freundschaftlich über die ihn außerordentlich beunruhigende außenpolitische
Lage auszusprechen. Herr Francois-Poncet hat mich dann nach dem Empfang
auf der russischen Botschaft am 7. d. M. abends aufgesucht. Er leitete seine
Unterhaltung mit der Bemerkung ein, daß er, wie schon angekündigt, ohne
amtlichen Auftrag, ja ohne vorherige Fühlungnahme mit Paris komme und
sich mit mir lediglich als Privatmann unterhalten wolle. Er hat diesen Hin-
weis im Laufe der Unterhaltung verschiedentlich wiederholt und seine
Zurückhaltung u. a. damit begründet, daß er zu Sarraut und dessen Kreis
keine persönlichen Beziehungen habe, im übrigen auch kaum glaube, daß
die Regierung Sarraut stark genug sei, um mit ihr deutscherseits ein Ge-
spräch, geschweige denn nutzbringende Verhandlungen zu beginnen. Am
Schluß der Unterhaltung bat der Botschafter mich noch einmal, seine Mit-
teilungen als ganz persönliche Ideen, als eine Art Privatstudie zu betrach-
ten und auch zu behandeln. Er bäte mich, nichts darüber zu Papier zu brin-
gen, werde aber, sobald er in Paris etwas klarer sehe, im gleichen Sinne mit
dem Herrn Reichsminister und womöglich auch mit dem Herrn Reichskanzler
zu sprechen suchen.
Dieses vorweg bemerkt, ist über seine Ausführungen in Anknüpfung an
die Niederschrift des Herrn Reichsministers zu bemerken, daß Herr
Francois-Poncet mir gegenüber nicht die Behauptung, daß „Deutschland mit
allen Mitteln aufrüste", zum Ausgangspunkt seiner Unterhaltung genom-
men hat. Herr Francois-Poncet ging vielmehr im Gegenteil davon aus, daß
eine Aufrüstung im Rahmen der Erklärungen, die der Herr Reichskanzler
dem englischen Botschafter3) gegenüber gemacht habe,4) ihm durchaus dis-
kutabel erscheine, wenn man gleichzeitig, wie dies dem Herrn Reichskanzler
selbst offensichtlich vorschwebe, den Status guo der Rüstungen der anderen
Großmächte vertraglich sanktioniere. Der Botschafter ergänzte diese Be-
merkung noch dahin, daß in einem solchen Abkommen bezüglich der schwe-
ren Angriffswaffen auch seitens der hochgerüsteten Staaten Zugeständnisse
möglich und erreichbar erschienen. Eine solche Abrüstungs-Konvention
würde aber vor allem in der angelsächsischen Welt den Widerspruch der
gesamten öffentlichen Meinung finden, da sie sich als eine Aufrüstung
Deutschlands und ein Beibehalten der gefährlichen schweren Rüstungen der
anderen Großmächte darstelle, also keinerlei Fortschritt in Richtung auf die
allseits so heiß ersehnte Abrüstung bringen würde. Insoweit decken sich
also die Ausführungen des französischen Botschafters durchaus mit dem,
was er dem Herrn Reichsminister erklärt hat. Herr Francois-Poncet fügte

*(2) Siehe Dokument Nr. 54


• (3) Phipps.
(4) Siehe Dokument Nr. 23

106
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933

noch hinzu, daß man von dem Wort „Aufrüstung" loskommen müßte. Man
müsse etwa von Modernisierung der deutschen Wehrmacht sprechen oder
sonst irgendein anderes, propagandistisch wirksameres Wort ersinnen. Den
Übergang zu den Ausführungen über die Nichtangriffspakte mit Polen und
der Tschechoslowakei sowie über die österreichische Unabhängigkeit und
die Saar, die Francois-Poncet auch mir gegenüber gemacht hat, suchte der
Botschafter durch die Formulierung herzustellen, daß ein demgemäß die
Waffen nicht niederlegendes Europa seinen Völkern die allseitige Friedens-
liebe durch besondere Akte wie die oben erwähnten darlegen müsse. Die
in die Tat umgesetzte, vertragsmäßig sanktionierte Gleichberechtigung
Deutschlands sei für Europa nur erträglich verbunden mit einer treuga dei
für einen möglichst lang bemessenen Zeitraum. Der Botschafter führte dann
in der Unterhaltung mit mir noch des weiteren aus, daß seiner persönlichen
Ansicht nach Abschluß eines Nichtangriffs-Paktes mit Polen durchaus im
Rahmen der Erklärungen liege, die der Herr Reichskanzler seinerzeit in
seiner Reichstagsrede 5) und auch später abgegeben habe. Das gleiche gelte
für den zweifellos weniger schwierigen Abschluß eines Nichtangriffs-Paktes
mit der Tschechoslowakei. Auch bezüglich der Unabhängigkeit Österreichs
glaubte der Botschafter aus verschiedenen Äußerungen des Herrn Reichs-
kanzlers eine Geneigtheit zu einer beruhigenden vertraglichen Zusicherung
des Nichtanschlusses herleiten zu können. Besonders ausführlich äußerte
sich Herr Francois-Poncet dann noch über seine Ideen wegen der Bereini-
gung des Saar-Problems. Diese lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß
er das Saargebiet als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich betrach-
tet. Die Saar, die er wiederholt als Zwei-Sprachen-Gebiet 6 ) bezeichnete, sei
wirtschaftlich von Frankreich ebenso abhängig wie von Deutschland. Hier
sei der gegebene Boden für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Herr Francois-
Poncet ließ im Laufe dieser reichlich vagen und zum Teil phantastischen
Ausführungen auch das Wort von der Einrichtung einer Freizone fallen.
Schließlich ging der Botschafter noch auf die Frage ein, wie Verhandlungen
zwischen Frankreich und Deutschland zweckmäßig angebahnt werden könn-
ten. Herr Francois-Poncet schien dabei als selbstverständlich vorauszu-
setzen, daß besonders die Verhandlungen über die vorerwähnten Nicht-
angriffs-Pakte mit Polen und der Tschechoslowakei über Paris zu laufen
haben würden. Er wies wiederholt darauf hin, daß für jede französische
Regierung die Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund die selbstver-
ständliche Voraussetzung für den Abschluß eines solchen Vertragswerks
sei. Er meinte aber, daß dieses Axiom der französischen Politik nicht aus-
schließe, daß die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich un-
mittelbar und außerhalb Genfs begonnen und geführt würden, nur müsse die
Vollendung des Werkes durch die Rückkehr Deutschlands in den Völker-
bund gekrönt werden.

Ich habe mich bei den Ausführungen des Botschafters rezeptiv verhalten
und mich auf gelegentliche Fragen beschränkt, wie z. B., warum er die
Schiedsverträge mit Polen und der Tschechoslowakei im Rahmen von

(5) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 246, S. 446.
(6) Randbemerkung Neuraths: „11"

107
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933

Locarno 7) nicht für ausreichend halte, was er damit beantwortete, daß [er]
die politische Wirkung dieser absichtlich gegenüber dem Westen differen-
zierten Abkommen nicht für ausreichend halte; wie er sich die Lösung des
Korridor-Problems oder zum mindesten die Aufrechterhaltung dieses An-
spruchs denke, worauf der Botschafter erwiderte, daß man dem berechtigten
Verlangen Deutschlands sicherlich durch entsprechend formulierte Vorbe-
halte Rechnung tragen könne;8) was er sich unter der österreichischen Un-
abhängigkeit vorstelle, worauf es der Botschafter für ausreichend erklärte,
daß man es aufgebe, dauernd vom Anschluß zu reden, geschweige denn
ihn etwa jetzt zu vollziehen. Die Ausführungen des Botschafters über die
Saar waren derartig allgemein und zeugten von so geringem Sachverständ-
nis, daß ich ihm erklärte, eine Unterhaltung über dieses Problem könne auf
der von ihm skizzierten Grundlage überhaupt nicht in Frage kommen.
Zusammenfassend habe ich den Botschafter darauf hingewiesen, daß eine
Initiative Deutschlands in der von ihm angeregten Richtung meiner persön-
lichen Auffassung nach nach Lage der Dinge nicht in Betracht kommen
könne. Es sei jetzt Sache der anderen Großmächte, uns Vorschläge zu unter-
breiten, um so mehr, als auch seine Pläne letzten Endes von einer vorheri-
gen allseits zufriedenstellenden Regelung der deutschen Gleichberechti-
gungsforderung auf dem Gebiete der Abrüstung abhänge [sie].
Ich habe der Unterhaltung, bei der, wie geschildert, Herr Francois-Poncet
so gut wie ausschließlich das Wort führte, zunächst keine besondere Be-
deutung beigelegt. Ich bin dann aber stutzig geworden, als gestern der
belgische Gesandte mich gleichfalls ohne besonderen Anlaß nach seiner
Rückkehr aus Brüssel aufsuchte, um dann im Laufe einer längeren Unter-
haltung über schwebende Angelegenheiten auf das gleiche Thema zu kom-
men, das Francois-Poncet mit mir erörtert hatte. Graf de Kerchove bewegte
sich in den gleichen Gedankengängen und gebrauchte nahezu dieselben
Argumente. Wie wir aus verläßlicher Quelle wissen, hat der französische
Botschafter fast die gleiche Unterhaltung nach dem 7. d. M. auch mit dem
italienischen Botschafter geführt. Herr Francois-Poncet hat dabei Herrn
Cerruti als die ihm vorschwebende Formel etwa folgendes ausgeführt: es
könne Akt genommen werden von den tatsächlichen friedlichen Gefühlen
Deutschlands, die es mit seinem Vorschlag an Frankreich, über das Saar-
problem zu verhandeln, und mit seinem Angebot eines Nichtangriffs-Paktes
an die Tschechoslowakei und Polen klar bekundet habe; man könnte von
ihm Zusicherungen darüber verlangen, daß es die Unabhängigkeit Öster-
reichs respektieren werde,- dagegen würde man Deutschland eine Miliz von
300 000 Mann zubilligen können, desgleichen leichte Tanks und eine ge-
wisse Anzahl Verteidigungsflugzeuge, während die anderen Mächte die
Verpflichtung eingehen müßten, ihre Rüstungen während einer gewissen
Reihe von Jahren nicht zu vermehren. Bezeichnenderweise scheint hiernach
Francois-Poncet dem italienischen Botschafter gegenüber das in der Unter-
haltung mit mir so stark in den Vordergrund geschobene Verlangen der
vorherigen Rückkehr Deutschlands nach Genf nicht wiederholt zu haben.

(7) Siehe S. d. N., Recueil des Traites, Bd. LIV, S. 289-363


(8) Randbemerkung Neuraths: „?"

108
Nr. 62 11. NOVEMBER 1933

Auffällig ist, daß auch der französische Marine-Attache •) kürzlich den


Korvettenkapitän Bürkner vom Stabe des Chefs der Marineleitung aufge-
sucht hat, um diesen nach anfänglicher Unterhaltung über rein maritime
Fragen zu sondieren, was für Absichten die deutsche Regierung auf poli-
tischem Gebiete habe. Herr Bürkner hat die Unterhaltung abgelehnt und
dem zuständigen Referenten im AA entsprechende Mitteilung gemacht.
Nach alledem hat es den Anschein, daß es sich doch wohl nicht nur um pri-
vate Ideen und persönliche Ermittlungsversuche des französischen Botschaf-
ters mehr handelt, sondern daß er seine Unterhaltung zum mindesten im
Einvernehmen mit Paris geführt hat.10)
KÖPKE

(») T r a c o u .
(10) R a n d v e r m e r k : „Hat RK vorgelegen, v. N(eurath] 15. 11."

62
3154/D 670 249
Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 11. November 1933
zuRM. 1549 J)
Die Gedankengänge des französischen Botschafters sind sehr einfach:
Er will uns die geringe von uns geforderte Aufrüstung mit einer Treuga
Dei bezahlen lassen, die auf eine freiwillige Anerkennung der territorialen
Lösungen des VersaiUer Vertrages hinauslaufen würde. Der Herr Reichs-
kanzler hat dagegen diese bescheidene Aufrüstung als Gegenleistung dafür
gefordert, daß wir zunächst auf die - vertraglich fällige - Abrüstung der
anderen verzichten und uns mit einer Begrenzung ihrer Rüstungen be-
gnügen.
Zur Abwehr der Vorschläge Francois-Poncets können wir geltend machen,
daß Leistung und Gegenleistung in keinem Verhältnis stünden. Für ein
Ostiocarno bzw. eine Treuga Dei müßten wir entweder eine Aufwertung
der Möglichkeiten friedlicher Revision oder effektive Abrüstung der ande-
ren (oder beides) fordern.
Der Botschafter fordert natürlich das Ostiocarno zusätzlich zu den alten
Sicherheiten: No-force,2) Kontrolle usw. Würden wir auf seine Anregungen
eingehen, dann hätten wir nach Ablauf der ersten Abrüstungskonvention,
wenn die Frage der Abrüstung der anderen erneut spruchreif wird, nichts
mehr zu vergeben und wären auf die „moralischen" Druckmittel beschränkt,
die jetzt so offenkundig versagt haben.3)
BÜLOW

*(i) RM. 1549: D o k u m e n t Nr. 54. Siehe auch Dokument Nr. 61.
(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, D o k u m e n t e Nr. 36 u n d 38.
(3) Hschr. R a n d v e r m e r k e : „[Für] Neurath. H[itler]." „Hat RK vorgelegen, v. N(eurath)
11. 11."

109
Nr. 64 11. NOVEMBER 1933

63
8580/E 601 937
Auizeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 11. November 1933
RM. 1554 / IV Chi. 2490
Ich habe heute mit Generaloberst von Seeckt wegen des Wunsches des
Marschalls Chiang Kai-shek J ) gesprochen. Herr von Seeckt, an den der
chinesische Geschäftsträger bereits herangetreten war, sagte mir, er müsse
sich die Antwort, ob er eventuell wenigstens für einige Monate nochmals
nach China gehen könne, vorbehalten. Er habe den Gedanken ganz aufge-
geben gehabt. Wenn er eventuell sich jetzt doch noch dazu bereit finden
würde, so geschehe es nur, weil er der Überzeugung sei, daß im Falle der
Ablehnung der Berufung der Marschall Chiang Kai-shek sich an die Fran-
zosen wenden und damit die deutsche Position in China verloren gehen
würde.
Nach einer Mitteilung des Oberst von Reichenau im Reichswehrministe-
rium wäre das Reichswehrministerium mit einem nochmaligen Hinausgehen
des Generaloberst von Seeckt nach China einverstanden. 2 )
gez. FRHR. V. NEURATH

(i) Siehe die Dokumente Nr. 16 und 48.


(2) Randbemerkung: „Abt. IV. Reichenau hat heute im gleichen Sinne mit mir gesprochen
Ich wies ihn darauf hin, daß es wesentlich sei, daß S|eedct] nur eine Besuchsreise
unternehme und keinen Anstellungsvertrag oder dgl. abschließe. B[ülow] 11. 11."

64
8125/E 581 744-45
Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen
an den Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen
BERLIN, den 11. November 1933
A591
Lieber Herr von Bergen!
Herzlichen Dank für Ihre Zeilen vom 3. d. M. l ) und Ihre dahingehenden
Bemühungen. Bezüglich unserer eigenen Lage hoffe ich auf baldige Ver-
ständigung. Meine mehrfachen Besprechungen, wie zuletzt gestern in Köln,
hatten den Erfolg, daß der Episkopat wahrscheinlich sich damit abfinden
wird, wenn wir bezüglich des Verbändewesens eine der italienischen ana-
loge Regelung treffen, d. h. wenn die katholischen Vereine, auch die der
ersten Kategorie,2) dem Gesamtverband der Hitlerjugend eingefügt werden

(i) Nicht ermittelt.


(2) Siehe Artikel 31 des Reiehskonkordats, Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 371

110
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

u n t e r d e r Bedingung, daß sie eine ausreichende r e l i g i ö s e B e t r e u u n g durch


Geistliche (Balilla-Kapläne 3)) erhalten. Ich h a b e mich a n Erzbischof G r ö b e r
mit d e r Bitte gewandt, ob nicht d e r Episkopat v o n sich a u s e i n e n solchen
V o r s c h l a g m a c h e n wolle. 4 )
M i t herzlichen Grüßen, auch für die v e r e h r t e G a t t i n , I h r aufrichtig e r g e -
bener
PAPEN

(3) Baliila war die Bezeichnung für eine faschistische Jugendorganisation in Italien.
(4) Randbemerkung: „Wie ich vertraulich erfahre, hat der K[ardina]lst[aats]s[ekretär] es
in schroffer Form abgelehnt, den Vermittlungsvorschlag der deutsehen Bischöfe ent-
gegenzunehmen, und darauf hingewiesen, daß für die Behandlung dieser konkordats-
mäßig gebundenen Frage der Heilfige] Stuhl allein zuständig wäre. Der Papst wollte
ursprünglich das diesbezügliche Schreiben des Erzbischofs Gröber unbeantwortet zurück-
schicken lassen. BJergen] 22. 11."

65
8681/E 607 321-33

Autzeichnung des Ministerialdirektors Köpkex)

BERLIN, d e n 13. N o v e m b e r 1933

BEMERKUNGEN ZUR FRANZÖSISCHEN POLITIK


SEIT DEM FORTGANG DEUTSCHLANDS VON G E N F

Entscheidende Bedeutung d e r H a l t u n g Frankreichs.


I. D a ß für die Erfolgsaussichten des v o n d e r d e u t s c h e n Politik in d e r
A b r ü s t u n g s f r a g e am 14. O k t o b e r d. J. e i n g e s c h l a g e n e n W e g e s sich die
H a l t u n g Frankreichs letzten Endes als a u s s c h l a g g e b e n d e r w e i s e n wird,
bedarf k e i n e r n ä h e r e n Darlegung. Bis h e u t e ist d i e s e H a l t u n g noch nicht
k l a r ersichtlich; es läßt sich n u r feststellen, d a ß F r a n k r e i c h j e d e n f a l l s v o n
einem sofortigen scharfen Zupacken, w i e es angesichts d e r h e u t i g e n Situa-
tion im Sinne eines C l e m e n c e a u oder Poincare vielleicht h ä t t e erfolgen
m ü s s e n , A b s t a n d g e n o m m e n hat. Wesentlich ist die F r a g e , o b es mit Sicher-
h e i t d a b e i b l e i b e n wird. Die hierfür b e s t i m m e n d e n M o m e n t e sind e i n m a l

(1) Diese Aufzeichnung wurde als eine von mehreren Anlagen (8681/E 607 334-41) mit
einem Brief Köpkes vom 21. November (8681/E 607 316-20) an den Botschafter in Paris
Köster übermittelt. Köpke führte in seinem Brief aus, die Aufzeichnung sei im Aus-
wärtigen Amt für „interne Zwecke" angefertigt worden. Wenngleich sie inzwischen
durch die Ereignisse in einigen Punkten etwas überholt erscheine, könnte sie vielleicht
für Köster von Interesse sein. Im Auswärtigen Amt sei ein Kommentar des Botschafters
erwünscht.
Abschließend bemerkte Köpke in seinem Brief, „daß es sich bei den in den beiliegen-
den Schriftstücken behandelten Fragen selbstverständlich um Probleme allererster
Ordnung handelt, die privatbrieflich eigentlich nicht behandelt werden sollten. Die
Fragen sind aber noch nicht so spruchreif, daß wir Ihnen in Form eines höheren Ortes
sanktionierten Erlasses die erforderlichen Weisungen zu erteilen in der Lage wären.
Deshalb habe ich diese Form der freundschaftliehen unverbindlichen Verständigung
gewählt. Ich bitte, dies bei der Verwertung des Materials zu berücksichtigen".

111
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

in den Gegebenheiten und Erfordernissen der französischen Innen- und


Außenpolitik zu suchen; als weiterhin entscheidende Faktoren treten hierzu
die Haltung der anderen Großmächte sowie unsere eigenen weiteren Ent-
schlüsse.
Auswirkung der innerpolitischen Lage in Frankreich.
II. Die innerpolitische Lage in Frankreich ist für die Durchsetzung unserer
Gleichberechtigungsforderung verhältnismäßig günstig. Die politische Füh-
rung liegt auch jetzt noch bei der bürgerlichen Linken, die schon, um nicht
mit ihrer eigenen politischen Ideologie in Widerspruch zu geraten, sich
nur schwer zu Gewaltmaßnahmen entschließen wird. Wichtiger ist noch die
Stimmung der französischen Wählermassen, die von kriegerischen Aben-
teuern in ihrer großen Mehrheit nichts wissen wollen. Die Scheu vor einer
Politik der Gewaltmaßnahmen ist heute in Frankreich zudem um so wirk-
samer, als man das unbestimmte Gefühl haben wird, jetzt bei einem Ein-
marsch in deutsches Gebiet nicht nur auf eine lediglich passive Resistenz
wie vor 10 Jahren an der Ruhr zu stoßen, sondern mit unabsehbaren und
blutigen Folgen rechnen zu müssen. Von den Pariser Redaktionsstuben aus
hat man sich zwar seit Jahr und Tag eifrig bemüht, die Deutschfeindlichkeit
der Massen mit dem Schreckgespenst des von Deutschland drohenden Krie-
ges erneut anzufachen, und damit den Erfolg erzielt, daß der Durchschnitts-
franzose den Erklärungen der deutschen Regierung heute mit tiefem Miß-
trauen gegenübersteht. Die Überzeugung von der drohenden deutschen
Revanche, die man dem französischen Volke eingeimpft hat, wird denn auch
nicht von heute auf morgen verschwinden. Aber gerade weil dem franzö-
sischen Volke der Glaube an den kommenden Krieg in dieser Weise beige-
bracht worden ist, haben die Worte des Herrn Reichskanzlers, daß Deutsch-
land Frankreich die Hand zur Versöhnung biete, jenseits der Vogesen trotz
allen bestehenden Mißtrauens doch größere Beachtung gefunden, als die
französische Presse gelten lassen will. Man fragt sich, ob sich die Regierung
nicht mit schwerster Verantwortung belaste, wenn sie die dargebotene
Hand zur Verständigung zurückweise. Die erdrückende Mehrheit des fran-
zösischen Volkes will in Frieden leben, die Währung nicht erneut aufs Spiel
gesetzt wissen und die Staatsfinanzen möglichst ohne eigene Opfer geordnet
sehen. Nur wenn es gelingt, dem Franzosen die Überzeugung von dem
unmittelbaren Bevorstehen eines feindlichen Einfalls in sein Land beizu-
bringen, wird er alles hintansetzen und wie noch stets in der Geschichte in
patriotischer Begeisterung zu den Fahnen eilen.

Möglichkeit eines Umschwungs in Frankreich.


Freilich darf die Hemmung, die diese Volksstimmung für die französische
Politik bildet, auch nicht überschätzt werden. Bismarcks Satz, daß Frank-
reichs Politik jederzeit unter dem Impuls einer oft auffällig geringen, aber
energischen Minorität gestanden habe, gilt auch heute noch. Gelingt es
einer solchen, mit Hilfe der Federn der Pariser Zeitungsschreiber dem fran-
zösischen Volk eine Maßnahme der deutschen Politik als Auftakt eines Ein-
falls nach Frankreich nicht nur hinzustellen, sondern glaubhaft zu machen,
so kann der Umschwung über Nacht eintreten. Die Schwäche des gegen-
wärtigen Kabinetts ist dagegen keine Sicherung, denn gerade wegen dieser

112
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

Schwäche kann es von heute auf morgen hinweggefegt werden, um einem


Kabinett der Union Nationale Platz zu machen.
Verhältnis Frankreichs zum Genfer Völkerbund.
III. Die französische Außenpolitik hat ihre eigene Logik, die vor allen
Dingen die konsequente Weiterverfolgung ihrer bisherigen Linie verlangt.
Wenn das Echo der französischen Presse auf die deutschen Erklärungen
über die Bereitwilligkeit zu einer Verständigung so schlecht ausgefallen ist,
so hat hierzu wesentlich beigetragen, daß diese Erklärungen gleichzeitig den
Auszug Deutschlands aus Genf in sich schlössen. Denn für die französische
Außenpolitik bedeutet Genf nicht nur eine internationale Organisation,
deren man sich bedienen kann oder auch nicht, sondern Frankreichs Politik
hat sich im Laufe der Jahre mit Genf nahezu identifiziert. Besonders seit
dem Ausgang des Ruhrkonflikts von 1923 ist es geradezu der Sinn der
französischen Außenpolitik geworden, die Aufrechterhaltung des VersaiUer
Status quo aus der Atmosphäre des erzwungenen Diktatfriedens in ein in
Genf verankertes völkerrechtlich allein noch maßgebendes System hinüber-
zuführen. Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, daß den
Franzosen der Gedanke, in dem Augenblick mit Deutschland verhandeln
oder sich gar mit ihm verständigen zu sollen, in dem dieses Genf den Rücken
kehrt, nahezu unverständlich erscheint. Es ist bezeichnend für die in Paris
durch die deutschen Entschlüsse vom 14. Oktober d. J. zunächst einmal her-
vorgerufene Ratlosigkeit, daß trotzdem neben der Wiederholung der be-
kannten These, als Verhandlungsrahmen käme nur Genf in Frage, in der
französischen Öffentlichkeit eine Diskussion darüber entstanden ist, ob
direkte Verhandlungen mit Deutschland in Frage kommen könnten oder
nicht, überwiegend lehnt man diesen Gedanken jedoch ab, und auf die
Stimmung im französischen Parlament wirken sich jedenfalls die geschil-
derten Gegebenheiten der französischen Innen- und Außenpolitik dahin aus,
daß man weder von militärischen Abenteuern noch von Verhandlungen mit
Deutschland etwas hören will.

Frankreich und die Abrüstungsdebatte.


Stattdessen ist in Paris zunächst der Gedanke verfolgt worden, den Faden
der Abrüstungsdebatte in Genf fortzuspinnen, und zwar trotz des schweren
Rückschlages, den man dort durch die deutschen Entschlüsse vom 14. Okto-
ber erfahren hat. Nur langsam hatte man sich in Frankreich zu der Erkennt-
nis durchgerungen, daß ein zu starres Festhalten an den Entwaffnungsbe-
stimmungen des VersaiUer Vertrages doch nicht mehr möglich sei, und sich
so schließlich zu der Unterschrift unter das Genfer Fünf-Mächte-Protokoll
vom 11. Dezember v.J. 2 ) verstanden. Dieses Zugeständnisses wurde man
aber wieder leid, als der Umschwung in Deutschland im Frühjahr d. J. vor
allem in England und in Amerika einen Stimmungswechsel auslöste, der die
taktische Position Frankreichs ohne eigenes Zutun von Woche zu Woche zu
verbessern schien. Fortan war man daran interessiert, das so zurückgewon-
nene Terrain nicht wieder verloren gehen zu lassen. Die antideutsche Stim-
mung und den Glauben an die akute Bedrohung Frankreichs durch das

(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 8, S. 18.

113

U.l Bg. 8
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

neue Deutschland immer erneut anzufachen, sah man deshalb als wesent-
liche Aufgabe der französischen Presse an und stellte sich folgerichtig allen
beruhigenden deutschen Erklärungen gegenüber taub, da man ja mit der
allgemeinen Beunruhigung Geschäfte machen wollte. Im Oktober d. J. ver-
meinte man dann endlich so weit zu sein, die Früchte dieses Treibens nun
in Genf pflücken zu können. Da blieb der Erfolg plötzlich aus. Die völlig
neue Lage, vor die Frankreich sich dadurch gestellt sieht, wird von ihm
natürlich dazu ausgenutzt werden müssen, um sich für die weitere Entwick-
lung möglichst alle Atouts zu sichern und um Deutschland die Aktionsfrei-
heit, die es sich zurückgenommen hat, möglichst zu erschweren. Beides
müßte der französischen Politik am leichtesten erreichbar sein durch den
einfachen Fortgang der Genfer Abrüstungskonferenz mit dem Ziel der Fer-
tigstellung einer durch Deutschlands Beitritt bedingten Konvention. Gelänge
dies, so wäre Deutschland in die Rolle des Verhinderers des Weltfriedens
gedrängt, und zwar unter Umständen, die Frankreich zugleich der Notwen-
digkeit enthebt, seinerseits zur Abrüstung zu schreiten. Es ist sicher, daß
die französische Politik diesen Weg verfolgen würde, wenn ihr die Haltung
der anderen Großmächte hier nicht einen Strich durch die Rechnung machte.
Enttäuschung Frankreichs durch die Haltung der anderen Großmächte.
IV. Gleich nach der Erklärung des Auszugs Deutschlands aus dem Völker-
bund mußte Paris die höchst unangenehme Erfahrung machen, daß das eben
noch der französischen Öffentlichkeit vorgezauberte Bild einer Einheitsfront
der Großmächte gegen Deutschland sich als trügerisch erwies. Die Ent-
täuschung begann mit der amerikanischen Erklärung, sich an rein euro-
päischen Streitfragen nicht beteiligen zu wollen.3) Schlimmer noch ist für
Frankreich, daß in der englischen öffentlichen Meinung sich eine rückläufige
Bewegung in der Richtung auf ein größeres Verständnis für den deutschen
Standpunkt bemerkbar macht und sich auf die Haltung der englischen Regie-
rung auszuwirken beginnt. Auf Italien schließlich kann man in Paris für eine
Unterstützung des französischen Standpunkts durch dick und dünn unter
keinen Umständen rechnen. Man wird sich in Paris sagen müssen, daß der
Grund für diesen jähen Wechsel der politischen Kulisse in der Befürchtung
der anderen Großmächte zu suchen ist, Frankreich könne vielleicht den Weg
der Gewaltpolitik beschreiten wollen. Es genügt eben, daß die allgemeine
Lage in den Köpfen auch nur den Gedanken an Sanktionen auftauchen läßt,
um die anderen Großmächte zu veranlassen, sich von der französischen
Politik zu distanzieren. Diese Lehre wird dazu beitragen, die französische
Politik vorerst auf friedlichen Bahnen festzuhalten, zumal die Erfahrung des
Ruhrkonflikts von 1923 jedem französischen Politiker die nachhaltige Lek-
tion erteilt hat, daß Frankreich nicht in der Lage ist, die Früchte eines ge-
waltsamen Vorgehens gegen Deutschland in die französischen Scheuern

(3) Während der Sitzung des Büros der Abrüstungskonferenz am 16. Oktober hatte Norman
Davis im Namen der amerikanischen Regierung eine Erklärung verlesen, in der es
hieß, die Vereinigten Staaten seien „not[. . .] interested in the political element or any
purely European aspect of the picture" und „in no way politically aligned with any
European Powers". Für den Text der Erklärung siehe Foreign Relations oi the United
States, 1933, Bd. I, S. 277.

114
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

einzubringen, wenn es sich bei einem solchen Vorgehen zu der Weltmeinung


in Gegensatz stellt.
Hemmung der französischen Politik durch den Vertrag von Locarno.
In der gleichen Richtung wird sich die Tatsache auswirken, daß Frank-
reich heute auch nicht mehr die Aktionsfreiheit von 1923 besitzt. Das Ver-
tragswerk von Locarno ist zweischneidiger Natur; es kann für und gegen
Frankreich wirksam werden. Freie Hand würde es Frankreich nur dann
geben, wenn Deutschland entgegen den Bestimmungen über die Entmili-
tarisierung des linken Rheinufers und der 50-Kilometer-Zone rechtsseits des
Rheins in dieser Zone bewaffnete Kräfte derart zusammenzöge, daß darin
eine unprovozierte Angriffshandlung erblickt werden müßte, die sofortige
Abwehrmaßnahmen erforderlich macht. Geschähe dies, so würde freilich
Frankreichs Position mit einem Schlage überaus günstig sein, da dann sämt-
liche Vertragspartner von Locarno, d. h. England, Italien, Belgien mitsamt
den Polen und Tschechoslowaken, vertraglich verpflichtet wären, Frankreich
Beistand zu leisten. Geschieht dies aber nicht und unterlassen wir jeden
Verstoß gegen die Bestimmungen über die 50-Kilometer-Zone, so wird
Frankreichs Bewegungsfreiheit jedenfalls schon durch die völkerrechtliche
Lage wesentlich behindert.
Behinderung einer deutsch-französischen Verständigung durch dritte
Mächte.
Wirkt sich so die Rücksicht auf die dritten Mächte auf die französische
Politik hemmend aus, so steht sie andererseits in gewisser Hinsicht auch
einer direkten deutsch-französischen Verständigung im Wege. Die Möglich-
keit einer Lösung des Rüstungsproblems in der Weise, daß Frankreich auf
seinem Rüstungsstand verbliebe, aber dafür Deutschland die Aufrüstung bis
zu einer gewissen Grenze gestattet, stößt auf den grundsätzlichen Wider-
stand der angelsächsischen Großmächte gegen jedwede Aufrüstung und
deren Festhalten an dem Gedanken einer moralischen Verpflichtung zum
allgemeinen Abrüsten. Insofern enthält die etwas phrasenhafte Behauptung
der französischen Presse, Deutschland wolle durch ein direktes Verhand-
lungsangebot an Frankreich Frankreich nur von den anderen Mächten tren-
nen, doch einen Kern von Wahrheit.
Somit ergibt sich aus der Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf die
anderen Großmächte für Frankreich die Folge, daß es sich sowohl eine Poli-
tik der Gewaltmaßnahmen gegen Deutschland wie auch eine Politik der
direkten Verständigung mit diesem zweimal überlegen muß.
Wille Frankreichs, eine unbegrenzte deutsche Aufrüstung zu unter-
binden.
V. So werden es schließlich die weiteren Entschlüsse der deutschen Re-
gierung sein, die für die französische Haltung den Ausschlag geben werden.
Der deutsche Auszug aus Genf ist in Frankreich zunächst einhellig dahin
aufgefaßt worden, daß Deutschland sich damit die Möglichkeit zu einer von
Kontrollen ungestörten Aufrüstung habe sichern wollen. Daß Frankreich
einer solchen deutschen Aufrüstung einfach ihren Lauf ließe, ist ausge-
schlossen. Schon die Rücksicht auf das eigene Prestige würde Frankreich

115
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

zwingen, sofort gegen Deutschland aktiv vorzugehen, wenn dieses etwa


in formeller Weise den VersaiUer Vertrag oder auch nur dessen Teil V als
für es nicht mehr bindend erklären würde. Aber auch eine mehr oder weni-
ger unsichtbar fortschreitende deutsche Aufrüstung kann Frankreich nicht
ruhig mit ansehen. Es wird deshalb darauf bedacht sein, sich für diesen
Fall die erforderliche Aktionsmöglichkeit zu sichern, was nach Lage der
Dinge in erster Linie durch ein irgendwie geartetes Genfer Mandat ange-
strebt werden müßte. Den Weg hierzu bieten die Investigationsbestimmun-
gen und gegebenenfalls auch der Art. 15 der Völkerbundssatzung. 4 )
Voraussichtliche Wirkung einseitiger deutscher Erklärungen zur
Rüstungsfrage.
In dieser Lage stellt sich die Frage, inwieweit die französische Politik
etwa durch einseitige deutsche Erklärungen über die positiven deutschen
Rüstungsziele beeinflußt werden kann. Hierfür wird es natürlich einmal
von entscheidender Bedeutung sein, ob die in einer solchen deutschen Er-
klärung umrissenen Ziele die Grenze dessen überschreiten, was die fran-
zösische Politik noch als tragbar glaubt hinnehmen zu können. Als weiteres
Moment muß hierbei aber auch die Möglichkeit in Rechnung gestellt wer-
den, daß sich die französische Regierung angesichts einer solchen deutschen
Erklärung sofort einem so scharfen Druck aus der französischen öffentlichen
Meinung und dem französischen Parlament heraus gegenübersieht, daß sie
dazu genötigt ist, unverzüglich mit einem scharfen eigenen Vorgehen zu
antworten. Ein solches Vorgehen, wie es z. B. ein Zusammenberufen des
Völkerbundsrats oder auch nur dringende Demarchen in Berlin darstellen
würden, würde die Gefahr in sich schließen, daß die französische Regierung
damit auf einen Weg gedrängt wird, der sie weiterführen muß, als ihr selbst
erwünscht sein mag. Denn letzten Endes bliebe schließlich doch nur die
Wahl zwischen einem Zurückweichen und Gewaltmaßnahmen übrig, wobei
dann aber der Zeitpunkt zum Zurückweichen bereits verpaßt sein dürfte. So
könnte sich die französische Regierung infolge einer solchen Fortentwick-
lung der Dinge geradezu gezwungen sehen, das Experiment von 1923 mit
dem Ziele der Wahrung und Wiederherstellung des VersaiUer Vertrages
noch einmal zu versuchen. In den Arm fallen wird Frankreich von den ande-
ren Mächten dabei wohl niemand, insbesondere dann nicht, wenn es der
französischen Politik gelingen sollte, England zu einem Mitgehen bei den
vorangegangenen Schritten zu bestimmen oder Beschlüsse des Völkerbunds-
rats herbeizuführen, auf die sie sich berufen könnte.
Dies schließt natürlich nicht jede Mitteilung über die deutschen Rüstungs-
ziele aus, wie denn ja derartige Mitteilungen auch bereits tatsächlich er-
folgt und zur Kenntnis der französischen Regierung gelangt sind. Es muß
auch die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden, daß wir vielleicht schon
sehr rasch mit einer genauen Formulierung unserer gegenwärtigen Forde-
rungen auf dem Rüstungsgebiet werden hervortreten müssen. Auch wenn
diese für französische Ohren zunächst schlechthin indiskutabel klingen, wird
man ihnen in Paris schließlich doch näher treten, sofern sie nicht in einer

(4) Artikel 15 der Völkerbundssatzung behandelte Streitigkeiten zwischen Mitgliedern des


Völkerbunds, die dem Völkerbundsrat zur Stellungnahme unterbreitet wurden.

116
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933

Form zum Ausdruck gelangen, die die französische Regierung zu sofortiger


formeller Zurückweisung veranlaßt.
Voraussichtliche Bedingungen, von denen Frankreich jede Lösung ab-
hängig machen wird.
Erscheint somit auch eine Lösung der entstandenen Spannung auf weitere
Sicht als immerhin im Bereich des Möglichen liegend, so kann andererseits
doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die französische Politik von ge-
wissen Bedingungen nicht abgehen wird, sobald versucht werden sollte,
einer solchen Lösung in Vertragsform näher zu kommen. Es muß jedenfalls
damit gerechnet werden, daß erstens die französische Regierung unter
allen Umständen von Deutschland die erneute Unterwerfung unter ganz
eindeutige Rüstungsbeschränkungen und deren Garantierung durch eine
internationale Kontrolle verlangen wird. An dieser Forderung wird die
französische Politik um so sicherer festhalten, als auch die anderen Groß-
mächte den Gedanken einer Regelung des Rüstungsproblems durch eine
internationale Abrüstungskonvention keineswegs aufgegeben haben.
Zweitens wird die französische Politik auf das hartnäckigste auf der Vor-
aussetzung bestehen, daß jedes Gespräch mit Deutschland nur zu dem Zweck
geführt werden kann, um es nach Genf, d. h. in den Rahmen des Völker-
bundes, zurückzuführen. Auch in diesem Punkte kann Frankreich auf die
Unterstützung der großen Mehrzahl der Mächte rechnen.
Drittens ist es selbstverständlich, daß die französische Regierung in dem
Maße, in dem sie uns über die Grenze ihres bisherigen Entgegenkommens
hinaus Zugeständnisse auf dem Rüstungsgebiet etwa zu gewähren bereit
sein sollte, von uns Zugeständnisse auf anderen Gebieten verlangen wird,
mit denen sie eine unserem Standpunkt Rechnung tragende Lösung ihrem
Parlament und den französischen Alliierten gegenüber vertreten könnte. Sie
bliebe nur den Traditionen der französischen Politik treu, wenn sie derartige
deutsche Zugeständnisse auf dem Gebiete der „Sicherheit" zu erlangen
suchte. Den Anknüpfungspunkt hierzu bietet ihr die Erklärung der Reichs-
regierung vom 14. Oktober über unsere Bereitwilligkeit zum Abschluß
kontinentaler Nichtangriffspakte auf längste Sicht.5) Die Franzosen werden
dies in ein „Ostiocarno" umzumünzen suchen, und dazu werden voraussicht-
lich noch die Forderung nach Garantien gegen den Anschluß Österreichs an
das Reich sowie möglicherweise auch nochmals Wünsche in Richtung auf
einen europäischen Pakt über die gegenseitige Beistandspflicht treten.

Schlußfolgerungen.
VI. Soweit sich die Dinge heute übersehen lassen, ergibt sich somit fol-
gende Alternative:
1) Eine Verständigung mit Frankreich erscheint immerhin denkbar und
kann von der deutschen Politik angestrebt werden. In diesem Falle müssen
wir jedoch damit rechnen, daß man weitgehende Zumutungen, insbesondere
auf dem Gebiete der Sicherheitsgarantien („Ostiocarno") an uns stellen
wird. Wieweit es möglich sein wird, bei etwa sich anspinnenden Verhand-
lungen diese Zumutungen auf ein für uns erträgliches Maß zurückzuführen,

(5) Dokument Nr. 1

117
Nr. 66 13. NOVEMBER 1933

muß noch dahingestellt bleiben. Einen starken Trumpf haben wir mit der
Möglichkeit der Erklärung in der Hand, Deutschland betrachte seine An-
sprüche auf die Abrüstung seiner VersaiUer Vertragsgegner durch seine
Entbindung von den Bestimmungen des VersaiUer Vertrags über Deutsch-
lands Entwaffnung als erledigt. Ein Ausspielen dieses Trumpfes könnte uns
aber leicht bei dem Fortgang der Verhandlungen das Mitgehen Englands
rauben, dessen mäßigender Einfluß auf Frankreich jedoch schwer zu ent-
behren sein wird.
2) Auf der anderen Seite steht eine Fortdauer der entstandenen Span-
nung, während deren Frankreich bemüht sein wird, den Ring um uns immer
enger zu schließen, um nötigenfalls doch unter Hintansetzung seiner heute
noch bestehenden Hemmungen schließlich mit seinen Trabanten zum ver-
nichtenden Schlage gegen die wiedererstarkende deutsche Wehrmacht aus-
zuholen. Diese Gefahr könnte vielleicht gebannt werden, wenn es uns ge-
länge, die anderen Großmächte von Frankreich weg - und zu unserem
Standpunkt herüberzuziehen. Bei der grundsätzlichen Ablehnung jeder Auf-
rüstung durch England und Amerika und der betonten Zurückhaltung
Italiens sind die Aussichten hierfür jedoch nicht allzu günstig.
Angesichts dieser Alternative dürften für unser weiteres Verhalten zu-
nächst folgende Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen sein:
1) Eine weitere Klärung der Lage ist abzuwarten, wobei jedoch sich an-
bahnenden Besprechungen, die zu dieser Klärung beitragen könnten, nicht
ausgewichen werden sollte.
2) Es muß eine präzise Formulierung unserer gegenwärtigen Forderungen
auf dem Rüstungsgebiet vorbereitet werden, damit wir in der Lage sind,
mit einer solchen Formulierung im gegebenen Zeitpunkt hervorzutreten.
3) Gegenüber den zu erwartenden Forderungen nach ergänzenden Sicher-
heitsgarantien werden wir zweckmäßig eine mehr hinhaltende Taktik ver-
folgen müssen, um die auf diesem Gebiet möglichen Konzessionen nicht vor-
zeitig aus der Hand zu geben.
KÖPKE

66
9452/E 666 883-87
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an den Botschalter in Moskau Nadolny (z. Z. Berlin)])
BERLIN, den 13. November 1933
IV Ru. 4969 I
In der Anlage beehre ich mich, Ihnen die Richtlinien für ihre Tätigkeit
als Botschafter in Moskau zu übersenden. Ich habe dem Herrn Reichskanzler

(1) Randvermerk: ,H[errn] Botschafter Nadolny persönlich übergeben."

118
Nr. 66 13. NOVEMBER 1933

v o n der Instruktion für Sie Mitteilung gemacht. Der Herr Reichskanzler hat
die „Richtlinien" gebilligt.
gez. NEURATH

[Anlage]
RICHTLINIEN FÜR HERRN BOTSCHAFTER NADOLNY
ANLÄSSLICH SEINER ENTSENDUNG ALS BOTSCHAFTER NACH MOSKAU

BERLIN, den 11. N o v e m b e r 1933


e. o. IV Ru. 4969
1.) Als allgemeine Grundlage unserer Beziehungen zur Sowjet-Union
h a b e n die Ausführungen des Herrn Reichskanzlers in seiner Reichstagsrede
v o m 23. März 1933 2) zu gelten:
„Gegenüber der Sowjet-Union ist die Reichsregierung gewillt, freund-
schaftliche, für beide Teile nutzbringende Beziehungen zu pflegen. Gerade
die Regierung der nationalen Revolution sieht sich zu einer solchen posi-
tiven Politik gegenüber Sowjet-Rußland in der Lage. Der Kampf gegen den
Kommunismus in Deutschland ist unsere innere Angelegenheit, in den wir
Einmischungen von außen niemals dulden werden. Die staatspolitischen
Beziehungen zu anderen Mächten, mit d e n e n uns wichtige gemeinsame
Interessen verbinden, w e r d e n davon nicht berührt."
2.) Die vertragliche Grundlage bilden nach wie vor die bestehenden Ver-
träge zwischen Deutschland und der Sowjet-Union, und zwar insbesondere:
a) der Rapallo-Vertrag, 3 )
b) der Berliner Vertrag, 4 )
c) das V e r t r a g s w e r k vom 12. Oktober 19'25.B)
3.) Auf dieser Grundlage sind die Beziehungen so zu gestalten, daß
Deutschland in der Sowjet-Regierung wieder einen wertvollen Faktor für
seine Außenpolitik erhält und daß die Sowjet-Union ein lohnendes Feld
für die deutsche wirtschaftliche Betätigung bietet.
4.) Im Hinblick auf die gegenwärtige Spannung kommt es zunächst darauf
an, wieder eine bessere Atmosphäre herzustellen, auf ihrer Basis eine Eli-
minierung der vorhandenen Streitpunkte herbeizuführen, die zum Teil aus
d e r Verschiedenheit der beiden Staatssysteme erwachsenden Mißhellig-
keiten zu beseitigen und ihrer Wiederholung für die Zukunft vorzubeugen.

(2) Der Text der Rede ist abgedruckt in Domarus, Hitler Reden, Bd. I, S. 229-37.
(3) Der Text des deutsch-russischen Vertrages von Rapallo vom 16. April 1922 ist abge-
druckt in Reichsgesetzbfatt, 1922, Teil II, S. 677-78.
*(4) Freundschaftsvertrag zwischen Deutsehland und der Union der Sozialistischen Sowjet-
republiken vom 24. April 1926. Der Text ist abgedruckt in Serie B, Bd. II, 1, Dokument
Nr. 168. Der Vertrag wurde durch ein am 5. Mai 1933 ratifiziertes Protokoll ver-
längert; siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 212.
*(5) Vertrag zwischen dem Deutsehen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjet-
republiken vom 12. Oktober 1925, der ein Abkommen über Niederlassung und allge-
meinen Rechtsschutz, ein Wirtschaftsabkommen, ein Eisenbahnabkommen, ein See-
schiffahrtsabkommen, ein Steuerabkommen, ein Abkommen über Handelsschiedsgerichte
und ein Abkommen über gewerblichen Rechtsschutz umfaßte. Der Text des Vertrages
ist abgedruckt in Reichsgesetzblatt, 1926, Teil II, S. 2-88, 139-42.

119
Nr. 66 13. NOVEMBER 1933

Die Verträge müssen wieder sinngemäß und voll zur Anwendung gebracht
werden. Bei alledem ist nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit zu ver-
fahren. Nach Lage der Dinge wird der Prozeß einer freundschaftlichen Ge-
staltung der Beziehungen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen; es wäre
schädlich, das zu erhoffende Ergebnis durch allzu großes Empressement
forcieren zu wollen.
5.) Insbesondere ist auf folgendes Bedacht zu nehmen:
a) Politisch: Gute deutsch-sowjetische Beziehungen sind für Deutschland
von wesentlicher Bedeutung. Im Verhältnis Deutschlands zu Polen sind sie
sogar von außerordentlicher Wichtigkeit. Es wird in vorsichtiger Weise zu
klären sein, wohin in dieser Beziehung die wirklichen Ziele der sowjetischen
Außenpolitik gehen und ob diese noch, wie früher, gewillt ist, das VersaiUer
System abzulehnen. Nötigenfalls muß versucht werden, die sowjetische
Politik wieder in die alten Bahnen zurückzulenken. Wir können und brau-
chen es nicht zu bekämpfen, daß die Sowjet-Regierung ihre Beziehungen zu
anderen Mächten, wie Polen und Frankreich, normalisiert. Was aber natür-
lich verhindert werden muß, ist eine Eingliederung der Sowjet-Union in eine
irgendwie gegen Deutschland gerichtete politische Front. In bestimmten
Einzelfragen wird das Interesse Deutschlands darin liegen, sich in die Aus-
einandersetzung zwischen der Sowjet-Union und ihren Nachbarstaaten in
geeigneter Weise einzuschalten.
Das gute Verhältnis zwischen der Reichswehr und der Roten Armee ist
zu pflegen.
b) Wirtschaftlich: Für die deutsch-sowjet-russischen Wirtschaftsbeziehun-
gen gelten die in Artikel 1 des Wirtschaftsabkommens vom 12. Oktober
1925 niedergelegten Richtlinien. Es muß weiterhin unser Bestreben sein, der
deutschen Industrie einen möglichst großen Anteil am Rußlandgeschäft zu
sichern. Es muß aber auch darauf Bedacht genommen werden, den russi-
schen Erzeugnissen einen entsprechenden Absatz auf dem deutschen Markt
zu sichern, um der Sowjet-Regierung die Abdeckung ihrer Verpflichtungen
gegenüber Deutschland zu erleichtern. Diese Interessen müssen miteinander
in Einklang gebracht und die notwendige Stabilität des Warenverkehrs muß
hergestellt werden.
c) Hinsichtlich der beiden Staatssysteme: Die grundsätzliche Verschieden-
heit der beiden Staatssysteme braucht kein Hindernis für die gedeihliche
Weiterentwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen zu sein. Dabei ist
jedoch an dem Grundsatz festzuhalten, daß alle Versuche einer Beeinflus-
sung der inneren Angelegenheiten des anderen Landes zu unterbleiben
haben (Rundfunk, Presse).
6.) Bei den Schwierigkeiten unserer Beziehungen zur Sowjet-Regierung
erfordert die Lösung der gestellten Aufgaben, daß ein besonders enger und
ständiger Kontakt der Botschaft in Moskau mit dem Auswärtigen Amt be-
steht. Auf die Aufrechterhaltung dieses Kontakts, im Bedarfsfalle durch
mündliche Aussprache in Berlin, ist daher von dem Botschafter besonders
zu achten.

120
Nr. 67 13. NOVEMBER 1933

67
8038/E 578 119-22
Ministerialdirektor Ritter an den Botschafter in Rom von Hassell
BERLIN, den 13. November 1933
Lieber Herr von Hassell,
wir haben die kürzliche Anwesenheit von Herrn Smend ') dazu benützt,
mit ihm Ihre Anregung deutsch-italienischer Punktationen über eine ge-
meinsame Wirtschaftspolitik im Donauraum zu besprechen. Herr Smend hat
zuerst mit den Herren von Bülow und Köpke gesprochen und dabei fest-
gestellt, daß die beiden nach wie vor solche Punktationen für eine nützliche
Idee halten. Daß ich der gleichen Auffassung bin, wissen Sie aus unserem
Briefwechsel.2) Wenn Sie seinerzeit keine ausdrückliche Instruktion erhal-
ten haben, diese Anregung weiter zu verfolgen, so lag dies nur daran, daß
Herr Köpke seinerzeit erkrankte und ich für einige Wochen nach Genf
reiste.
Die Frage ist, ob der Gedanke solcher Punktationen nach den zwischen-
liegenden Ereignissen, insbesondere nach dem italienischen Memorandum,3)
heute noch von neuem aufgegriffen und verfolgt werden kann. Ich glaube,
da müssen wir hier uns in erster Linie auf Ihr Urteil verlassen. Es ist von
hier aus etwas schwer, sich laufend ein klares Bild davon zu machen, welche
Absichten, insbesondere in den zeitlichen und taktischen Nuancen, die
italienische Regierung für die Weiterverfolgung ihres Donaumemorandums
hat. Ich sehe die Dinge für den Augenblick und für die nächste Zeit wie
folgt.
Zur Zeit bestehen hinsichtlich der Wirtschaftsfragen im Donauraum zwei
Aktivitätszentren, das eine in Rom, das andere in Prag. Rom hat seine Pläne
offen dargelegt und zur diplomatischen Diskussion gestellt. Nur weiß an-
scheinend zur Zeit niemand recht, wie diese diplomatische Diskussion wei-
tergehen soll. Prag läßt seine Pläne in einem gewissen Halbdunkel. Die
Beschlüsse von Sinaia 4 ) sind offiziell nicht veröffentlicht worden. Halboffi-
ziell oder bei besonderen Gelegenheiten, wie bei der kürzlichen außen-
politischen Debatte im tschechoslowakischen Parlament, läßt Benes darüber
aber so viel verlauten, als ihm notwendig erscheint, um später gegebenen-
falls sagen zu können: „Aber ich habe aus diesen Absichten ja keinen Hehl
gemacht; ich habe sie ja ganz offen angekündigt". In einer Aufzeichnung
über meine Genfer Eindrücke in dieser Frage, die der Botschaft mit Erlaß
vom 17. Oktober 1933 - Nr. W. 7317 II - 5 ) zugegangen ist, habe ich zu
diesem Punkte gesagt: „Das Hauptziel von Benes ist, die Großmächte aus
der weiteren Behandlung und Entwicklung der Donaufragen herauszuhal-
ten . . . Er hat geäußert, daß ihm das gleiche (Zusammenschweißung der

(i) Siehe Dokument Nr. 28.


• (2)Siehe Dokument Nr. 28 und Anm. 7 dazu.
(3) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 485, Anm. 6.
(4) Vom 25. bis 27. September hatte in Sinaia in Rumänien der Ständige Rat der Kleinen
Entente getagt.
(5) Fundort: 8036/E 578 006-10.

121
Nr. 67 13. NOVEMBER 1933

Kleinen Entente) auch auf wirtschaftlichem Gebiet gelingen werde, wenn


er nur die Großmächte fernhalten könne." Diese damaligen Genfer Ein-
drücke haben eine Bestätigung erfahren durch die Darlegungen, die Benes
kürzlich zu diesem Punkt im tschechoslowakischen Parlament gemacht hat.8)
Herr Benes hat es für angebracht gehalten, der deutschen Regierung seine
Darlegungen im Parlament - für die Versendung anscheinend im Detail noch
etwas weiter ausgearbeitet - durch die hiesige tschechoslowakische Gesandt-
schaft überreichen zu lassen. Ich habe daraus einen Auszug über die wirt-
schaftlichen Ausführungen machen lassen. Ein Erlaß darüber geht der
Botschaft noch zu.7) Das Wesentlichste bei den Plänen von Benes scheint
mir dabei zu sein, daß er alles im Rahmen der Kleinen Entente machen will
und ängstlich darauf bedacht ist, die Großmächte fernzuhalten. Berlin und
Paris stehen den Bestrebungen dieser zwei Aktivitätszentren zur Zeit in
einer etwas abwartenden taktischen Haltung gegenüber. Berlin und Paris
haben beide Wert darauf gelegt, nach außen hin ihre Sympathien für das
italienische Donaumemorandum laut werden zu lassen. Ich glaube, daß
dabei die sachliche Zustimmung Berlins ernsthafter zu werten ist als die von
Paris. Für mich wenigstens besteht kein Zweifel, daß Paris sachlich und
politisch hinter den Prager Plänen steht und dem italienischen Memorandum
nur aus taktischen Gründen zustimmt, um die Hände in der Weiterverfol-
gung dieses Planes zu behalten.
Wenn diese meine Auffassung begründet ist, dann könnte es vielleicht
der italienischen Regierung nicht unerwünscht sein, mit Deutschland Punk-
tationen in Ihrem Sinne auch heute noch abzumachen. Solche Punktationen
könnten für die italienische Regierung den Vorteil haben, daß sie bei der
weiteren Auseinandersetzung zwischen den beiden Aktivitätszentren auf
jeden Fall Deutschland durch ein Vertragsinstrument intern auf ihrer Seite
hat. Darin könnte eine wertvolle Sicherheit liegen. Denn wenn es auch
richtig ist, daß Deutschland infolge seiner eigenen neueren Agrarpolitik
heute für Rumänien und Jugoslawien nicht mehr die gleiche Bedeutung hat
wie vor drei Jahren, so ist es doch auch heute noch so, daß ohne oder gegen
Deutschland im Donauraum wirtschaftlich etwas Grundlegendes nicht ge-
schehen kann. Außerdem läge in der Tatsache solcher Punktationen aber
auch nach außen hin eine Stärkung Roms gegenüber Prag, denn die Tatsache
solcher Punktationen bliebe nach außen hin doch nicht unbekannt, besonders
wenn man in Rom und Berlin keinen besonderen Wert auf ihre Geheim-
haltung legte. Ein Bedenken hinsichtlich unserer sachlichen Vorbehalte zu
einigen Punkten des italienischen Donaumemorandums würde ich in solchen
Punktationen nicht sehen, denn die Punktationen in Ihrer Fassung oder auch
in einer etwas abgeänderten Fassung legen uns ja bezüglich dieser Vorbe-
halte gegenüber dem italienischen Memorandum (Bevorzugung der Länder
mit passiver Handelsbilanz und Bevorzugung Triests) nicht fest. Auch die
noch im Fluß befindliche Österreich-Frage kann an der Stellungnahme nichts
ändern.
So sehe ich die Dinge und komme daher für mich zu dem Ergebnis, daß es

(8) Siehe Dokument Nr. 56, Anm. 3


(7) Fundort: 9608/E 678 125-34.

122
Nr. 68 15. NOVEMBER 1933

auch heute unter veränderten Verhältnissen vielleicht möglich sein könnte,


Ihren Gedanken der Punktationen noch weiter zu verfolgen. Herr von Bülow
und Herr Köpke haben diesen Brief gelesen und ihm zugestimmt. Es würde
uns sehr interessieren, Ihre Auffassung dazu zu erfahren.8)
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
RITTER

(8) In einem Aktenvermerk für Bülow vom 29. November (3086/D 617 030), der Neurath
vorlag, vermerkte Ritter, er habe in Berlin mit Hassell die Frage besprochen, ob das
italienische Donaumemorandum noch schriftlich beantwortet werden solle. Sie seien
beide der Meinung gewesen, daß es zur Zeit nicht angebracht wäre, eine schriftliehe
Antwort zu geben. Sie hätten verabredet, daß Hassell die weiteren Absichten der
italienischen Regierung bezüglich des Donaumemorandums erkunden und in der ent-
sprechenden Unterredung die Überleitung zu den früher behandelten Punktationen
suchen solle. Wenn sich die italienische Regierung zu einer Vertiefung des Gesprächs
in dieser Richtung bereit zeige, solle Hassell versuchen, zu solchen Punktationen zu
kommen. Siehe auch den Bericht Hasseils über seine Unterredung mit Mussolini am
6. Dezember, gedruckt als Dokument Nr. 104.

68
3086/D 618 270-74

Aufzeichnung des Ministerialdirektors Köpke1}


BERLIN, den 15. November 1933
[II Ts. 1459] 2)
Der tschechoslowakische Gesandte Mastny, der mich heute nach seiner
Rückkehr aus Prag aufsuchte, überreichte zunächst die anliegende Verbal-
note,3) worin sich die Gesandtschaft erneut über den Sudetendeutschen Hei-
matbund beschwert. Herr Mastny fügte hinzu, daß er in Prag von allen
maßgebenden Stellen immer wieder auf die verhetzende und für die
beiderseitigen Beziehungen so gefährliche Tätigkeit des Sudetendeutschen
Heimatbundes angesprochen worden sei und darauf von Benes den aus-
drücklichen Auftrag erhalten habe, die Angelegenheit abermals beschwerde-
führend im AA zur Sprache zu bringen. Auf Weisung seiner Regierung
müsse er um schriftliche Beantwortung bitten.
Ich erwiderte dem Gesandten, daß wir inzwischen bereits Schritte in der
von ihm seinerzeit gewünschten Richtung unternommen hätten. Der Sude-
tendeutsche Heimatbund sei zur Zeit in personellem und organisatorischem
Umbau begriffen, und ich hoffte, daß schon durch diese Maßnahme den
tschechischen Beschwerden künftig Rechnung getragen würde. Selbstver-

*(l) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 16. [11.]"


(2) Die Journalnummer wurde einer anderen Ausfertigung des vorliegenden Dokuments
entnommen.
(3) Fundort: 9681/E681 689-95.

123
Nr. 68 15. NOVEMBER 1933

ständlich würden wir trotzdem die vorliegende Beschwerde den zuständigen


Stellen zuleiten und ihm demnächst die gewünschte schriftliche Antwort er-
teilen.
Der Gesandte berichtete im übrigen von seinem Aufenthalt in Prag, daß
er mit großer Befriedigung habe feststellen können, daß zweifellos in der
allgemeinen Stimmung der Beginn einer gewissen Beruhigung zu spüren sei.
Er wies in diesem Zusammenhang besonders auf das zweitinstanzliche Urteil
hin, das im Brünner Jungsturm-Prozeß 4) inzwischen ergangen sei und das
die auch seiner Ansicht nach überaus bedenklichen Schlußfolgerungen der
ersten Instanz nicht mitgemacht habe. Auch das in einer Hultschiner Sache
ergangene Urteil in Gitschin trage dieser besseren Einsicht der inzwischen
höheren Ortes mit entsprechender Belehrung und Weisung versehenen
Gerichte Rechnung.
Ich habe diese Tatsache mit einigen freundlichen Worten der Anerken-
nung für die offensichtlich erfolgreiche Vermittlertätigkeit des Gesandten
in Prag quittiert.
Herr Mastny gab zu, daß er allerdings persönlich alle Hebel in Bewegung
gesetzt habe, um eine weitere Verschärfung des Konflikts zu verhindern.
Er könne mir mit der Bitte um zunächst vertrauliche Behandlung sogar
sagen, daß er Benes bestimmt habe, die Begnadigung der verurteilten 10
Ascher Reichsdeutschen5) in die Wege zu leiten. Es werde zwar noch einige
Zeit vergehen, bis die Begnadigung ausgesprochen werde, sie sei ihm aber
so gut wie bestimmt zugesichert worden. Er hoffe nur, daß inzwischen nicht
neue Unruhe und Gereiztheit in die beiderseitige Presse und sonstige
Öffentlichkeit getragen werde. In dieser Hinsicht habe er gewisse Besorg-
nisse wegen des Verlaufs des Prozesses, der kürzlich in Prag in einem der
sog. Kass-Fälle gegen einen ehemaligen SA-Mann gespielt habe. In diesem
Verfahren habe der übrigens jüdische Anwalt des Angeklagten in unerhör-
tester Weise Greuelpropaganda getrieben und u. a. den Antrag gestellt,
einen umfangreichen Zeugenbeweis wegen der in den deutschen Konzentra-
tionslagern angeblich vorgekommenen Greuel zuzulassen. Das Gericht habe
diesen Antrag sofort als nicht zur Sache gehörig abgelehnt. Immerhin fürchte
er, daß die unerhörte Rede des Anwalts in der deutschen Presse vielleicht
aufgegriffen werden und in Verkennung der Sachlage zu neuen heftigen
Ausfällen gegen die tschechischen Gerichte Anlaß bieten könnte. Er mache
mich auf diesen Fall, über den er bis jetzt in unserer Presse noch nichts ge-
lesen habe, für alle Fälle lieber von sich aus aufmerksam.
Auf den in der Unterhaltung zwischen Benes und dem Gesandten Koch in
Prag erörterten Gedanken des Austausches der beiderseitigen politischen
Gefangenen 6) kam Herr Mastny nicht zu sprechen. Auch über die Presse-
verbote haben wir uns nicht unterhalten. Des weiteren erwähnte der Ge-
sandte diesmal den Fall Tschuppik 7 ) nicht. Herr Mastny war offensichtlich
in zeitlicher Bedrängnis, da er sich von mir aus zu der Eröffnung der Reichs-
kulturkammer begeben mußte.

(4) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 326 und Anm 3 dazu
(5) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 326.
(6) Siehe Dokument Nr. 56.
(7) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 429 und Anm. 6 dazu

124
Nr. 68 15. NOVEMBER 1933

Im Aufbruch brachte der Gesandte das Gespräch noch kurz auf das Pro-
blem der Nichtangriffs-Pakte, von dem vor allem in der polnischen Presse in
den letzten Tagen so viel die Rede sei. Herr Mastny stellte keine präzise
Frage, sondern beschränkte sich auf die Bemerkung, daß doch wohl an dem
Gerede von einem deutsch-polnischen Nichtangriffs-Pakt irgend etwas daran
sein müsse, denn auch ihm sei deutscherseits die Frage der Möglichkeit
eines deutsch-tschechoslowakischen Nichtangriffs-Paktes kürzlich von sehr
beachtlicher Seite gestellt worden. Der Gesandte erläuterte die Andeutung
mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung dahin, daß es sich um eine
Persönlichkeit aus der Umgebung des Kanzlers selbst gehandelt habe. Wer
dies gewesen ist, wollte mir der Minister nicht sagen.8) Er habe auf die
Anfrage lediglich geantwortet, daß er sich keinen Gesandten irgendeines
Landes denken könnte, der sich gegenüber einer solchen Möglichkeit, die
Beziehungen zwischen seinem Heimatland und Deutschland zu vertiefen
und zu festigen, ablehnend verhalten könnte. Andererseits könne er in Prag
keinerlei Schritte in dieser Richtung, ja nicht einmal, ohne den Erfolg von
vornherein zu gefährden, Sondierungsversuche unternehmen, wenn er nicht
in die Lage versetzt würde, damit konkrete Vorschläge zu verbinden. Mir
gegenüber wolle er aber rein persönlich seine Auffassung dahin präzisieren,
daß er es für ausgeschlossen halte, daß im augenblicklichen Stadium der
Dinge Verhandlungen mit der Tschechoslowakei über einen Nichtangriffs-
pakt zu einem beide Länder befriedigenden und für den Frieden Europas
wirklich nützlichen Abkommen führen könnten. Die Tschechoslowakei sei
nicht nur durch ihre freundschaftlichen und vertraglichen Beziehungen zu
Frankreich gebunden, sondern würde bei einem solchen Nichtangriffs-Pakt
auch auf die gleichfalls vertraglich festgelegte Konstruktion der Kleinen
Entente, ja auch auf die tschechischen Beziehungen zu Polen Rücksicht
nehmen müssen. Ohne entsprechende Vorbehalte wäre ein deutsch-tschecho-
slowakischer Nichtangriffs-Pakt seiner Ansicht nach nicht möglich. Die
grundlegende Voraussetzung für solche Verhandlungen sei seines Erachtens
daher die Bereinigung des deutsch-französischen Verhältnisses. Er erinnere
daran, daß auch Benes immer wieder erklärt habe, daß die deutsch-tschecho-
slowakischen Beziehungen letzten Endes von dem deutsch-französischen
Verhältnis abhängig seien. Das hindere selbstverständlich nicht, daß Prag
und Berlin jederzeit in unmittelbaren Verhandlungen die zwischen den
beiden Ländern zur Zeit leider bestehenden Differenzen in freundschaft-
lichem Einvernehmen zu bereinigen suchen. Der Gesandte erinnerte dann
noch an unseren Locarno-Schiedsvertrag und an den Kellogg-Pakt, worin
doch für beide Länder ausreichende Gewähr vor kriegerischen Unterneh-
mungen geboten sei. Ein Nichtangriffs-Pakt zwischen der Tschechoslowakei
und Deutschland dürfe sich nicht rein negativ auf gegenseitiger Furcht vor
Angriffen aufbauen, sondern müsse, so schloß der Gesandte seine Aus-
führungen, die beiderseitige Freundschaft in konstruktiver Weise zum Aus-
druck bringen.

KÖPKE

(8) Siehe Dokument Nr. 15

125
Nr. 69 15. NOVEMBER 1933

69
6177/E 463 472-73
Ministerialdirektor Meyer an die Gesandtschaft in Warschau
Telegramm
Cito [BERLIN, den] 15. November 1933
Vorrang Abgesandt: 16. November 0 Uhr 20
Nr. 146 IV Po. 8269
Die Unterredung des Herrn Reichskanzlers mit Herrn Lipski') hat heute
vormittag in Gegenwart von Herrn von Neurath stattgefunden und unge-
fähr eine Stunde gedauert. Das amtliche Kommunique wird durch WTB ver-
breitet. Dieses Kommunique ist mit Herrn Lipski vereinbart worden, der
auch die Genehmigung der Warschauer Regierung eingeholt hat.2)
Herr Lipski begann die Unterredung, indem er Grüße von Pilsudski be-
stellte und dem Wunsch des Marschalls Ausdruck verlieh, die deutsch-pol-
nischen Beziehungen durch unmittelbare Aussprache freundschaftlicher zu
gestalten. Er hob dabei hervor, daß es immer der Wunsch des Marschalls
gewesen sei, mit Deutschland freundschaftliche Beziehungen zu pflegen.
Auf die längere Rede von Lipski erwiderte der Herr Reichskanzler ein-
gehend, indem er zunächst ausführte, daß sein Standpunkt als National-
sozialist bekannt sei; er rechne mit Realitäten und betrachte den Bestand des
polnischen Staates als etwas Gegebenes. Ähnlich wie in seiner Reichstags-
rede vom Mai d. J.3) hat der Herr Reichskanzler ausgeführt, daß er ein
Gegner jeder gewaltsamen Nationalisierung fremder Gebietsteile sei. Polen
und Deutschland seien nun einmal Nachbarvölker, dieser Tatsache müsse
Rechnung getragen werden, und es sei ein Unsinn, etwa wegen kleiner
Grenzberichtigungen einen Krieg zu führen. Allerdings müsse er betonen,

(1) Außer der Vorlage konnte eine Aufzeichnung über die Unterredung nicht ermittelt
werden. In den Akten des Auswärtigen Amts befindet sich lediglich noch eine Auf-
zeichnung ohne Unterschrift vom 14. November (6174/E 462 948-50), die Neurath als
Unterlage für das bevorstehende Gespräch dienen sollte. Lipskis Bericht über die
Unterredung ist abgedruckt in der Publikation des polnischen Außenministeriums
OUicial Documents Concernlng Polish-German and Polish-Soviet Relations 1933-1939,
S. 16-19.
(2) In den Akten befindet sich folgender Kommunique-Entwurf mit hschr. Änderungen
Neuraths (2945/D 575 856):
„Berlin, den 15. November 1933 Dem polnischen Gesandten heute übergebener Entwurf
um 4 [16] Uhr 15.
Der Reichskanzler empfing heute vormittag in Gegenwart des RAM den polnischen
Gesandten, der ihm seinen Antrittsbesuch machte. Die Aussprache über die deutsch-
polnischen Beziehungen ergab volle Übereinstimmung beider Regierungen in der Ab-
sicht, die beide Länder berührenden Fragen auf dem Wege unmittelbarer Verhand-
lungen in Angriff zu nehmen und ferner zur Festigung des Friedens in Europa in ihrem
Verhältnis zueinander auf jede Anwendung von Gewalt zu verzichten.
Zusatz des Herrn Reichsministers: Vom RK genehmigt."
Ein weiterer Vermerk in Neuraths Handschrift auf demselben Dokument lautet: „Der
polnische] Gesandte überbrachte um 7 [19] Uhr 20 die Zustimmung der polnischen]
Regierung] zu obiger Fassung. Das Kommunique] soll morgen früh veröffentlicht
werden, v. N[eurath] 15. 11."
(3) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 246, S. 446.

126
Nr. 70 16. NOVEMBER 1933

daß durch d e n Friedensvertrag v o n Versailles ein Zustand geschaffen wor-


d e n sei, d e r für Deutschland unerträglich sei u n d j e d e n Deutschen immer
schmerzen müsse. Er glaube, daß es ebensogut möglich gewesen wäre, dem
W u n s c h e Polens auf freien Zugang zum Meere auf einem anderen W e g e zu
entsprechen. Er sei Soldat gewesen, er kenne d e n Krieg und wisse auch, daß
ein siegreicher Krieg k e i n e m Teil dauernd n u r Vorteil bringen würde und,
g e m e s s e n a n d e n Opfern, in keinem Verhältnis stehen w ü r d e zu dem
Gewinn. Er glaube aber, d a ß bei gutem Willen u n d bei Schaffung einer
g e e i g n e t e n A t m o s p h ä r e auch schwierige Fragen einer friedlichen Lösung
entgegengeführt w e r d e n können. In diesem Sinne begrüße er die Anregung
Pilsudskis, und e r sei seinerseits zu einer Erklärung durchaus bereit, daß
die deutsche Regierung die Absicht habe, auf eine gewaltsame Lösung der
zwischen Deutschland u n d Polen schwebenden F r a g e n zu verzichten.
MEYER

70
6177/E 463 474
Ministerialdirektor Meyer an die Gesandtschaft in Warschau ')
Telegramm
Cito BERLIN, den 16. N o v e m b e r 1933 20 Uhr 15
Nr. 148 IV Po. 8269 II
Im Anschluß a n Telegramm Nr. 146.2)
In d e r Besprechung d e s Reichskanzlers mit H e r r n Lipski ist die Frage
eines förmlichen Nichtangriffs-Paktes nicht erörtert worden. W i e bereits in
dem Kommunique 3) zum Ausdruck gebracht, bestand lediglich volle Über-
einstimmung beider Regierungen in der Absicht, die die beiden Länder
b e r ü h r e n d e n Fragen auf dem W e g e unmittelbarer V e r h a n d l u n g e n in Angriff
zu n e h m e n und zur Festigung des Friedens in Europa in ihrem Verhältnis
zueinander auf j e d e A n w e n d u n g v o n Gewalt zu verzichten. Es handelt sich
also n u r um eine W i e d e r h o l u n g des Gedankens d e r No-Force-Declaration, 4 )
und zwar n u r in d e r Form d e s Presse-Kommuniques, nicht aber in der Form
eines b e s o n d e r e n Vertrags. 5 )
MEYER

*(l) Das vorliegende Telegramm wurde zur vertraulichen Unterrichtung auch den Botschaften
in London (Nr. 305), Rom (Nr. 273), Moskau (Nr. 240) und Paris (Nr. 565) übermittelt.
(2) Dokument Nr. 69.
(3) Siehe Dokument Nr. 69, Anm. 2.
(4) Siehe Serie C, Bd. I, I, Dokument Nr. 36, Anm. 2.
(5) In einem Telegramm Meyers vom 17. November (6177/E 463 477) an die Gesandtschaft in
Warschau (Nr. 149) und an die Botschaften in London (Nr. 306), Rom (Nr. 275), Moskau
(Nr. 242) und Paris (Nr. 567) wurde der Inhalt der Vorlage wie folgt abgeändert: „Vor-
stehendes Telegramm ist insofern zu berichtigen, als in Aussicht genommen ist, No-
Force-Declaration in Vertragsform zu fixieren."
Auf dem Arbeitsexemplar dieses Telegramms befindet sich noch folgende hschr. Er-
läuterung: „Pro.not. Gemäß der Ministerbesprechung beim Herrn RK gestern abend.
17. 11." Eine Aufzeichnung über diese Besprechung konnte nicht ermittelt werden.

127
Nr. 71 16. NOVEMBER 1933

71
6114/E 454 109-11
Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats Hüffer
Geheim BERLIN, den 16. November 1933
e. o. II Oe. 1893
AUFZEICHNUNG

Landesinspekteur Habicht hat heute wieder im Auswärtigen Amt vor-


gesprochen und dabei Mitteilungen über den Ausgang der Verhandlungen
mit Dollfuß gemacht. Dollfuß habe entgegen seiner bisherigen Stellung-
nahme den beiden Abgesandten Professor Dr. Foppa und Langoth jetzt
lediglich durch Staatssekretär Gleißner sagen lassen, daß er sie nicht direkt
empfangen könne. An sich wäre er zu Verhandlungen bereit, möchte diese
aber nicht über München führen, da sich ihm inzwischen andere Wege
geboten hätten.1) Dieser Stellungswechsel von Dollfuß geht nach Herrn
Habicht auf die Aktion Hanfstaengl, von Alvensleben und Graf Traut-
mannsdorff zurück, von der Herr Dollfuß hoffe, daß sie ihm den Weg über
München ersparen würde.2)
Im Widerspruch zu der Äußerung von Dollfuß, daß er Verhandlungen mit
Herrn Habicht ablehne, steht allerdings die Tatsache, daß er sachlich auf die
Vorschläge von Herrn Habicht schon hat antworten lassen, und zwar im
wesentlichen in einer Richtung, die sich mit den 9 Punkten von Herrn Hanf-
staengl decke. Er sei zur Hereinnahme unbelasteter Nationalsozialisten, vor
allem aus Wirtschaftskreisen, in die Regierung, und zum stufenweisen Ab-
bau der gegen den Nationalsozialismus getroffenen Kampfmaßnahmen usw.
bereit. Im übrigen hat er den beiden Herren wieder die Pässe für ihre
Münchner Reise besorgt und sie durch Staatssekretär Gleißner bitten lassen,
die Verbindung mit Herrn Habicht nicht abreißen zu lassen und über die
Ansichten von Herrn Habicht ihm bzw. Herrn Gleißner weiter zu berichten.
Herr Habicht hat den beiden Herren, die gestern wieder nach Wien
zurückgereist sind, erklärt, daß er es Herrn Dollfuß durchaus überlassen

(i) Nach der veröffentlichten Darstellung Langoths hatten er und Foppa am 4 und am
13. November in Linz weitere Besprechungen mit Staatssekretär Gleißner geführt. In der
letzten Aussprache hatte Gleißner den beiden Mittelsmännern erklärt, er müsse ihnen
„nach wiederholter Rücksprache mit Bundeskanzler Dr. Dollfuß" mitteilen, daß Ver-
handlungen mit der österreichischen Landesleitung der NSDAP in München indiskutabel
seien. Mithin erübrige sieh eine Besprechung der von Foppa und Langoth dargelegten
Vorschläge. Dollfuß sei aber jederzeit bereit, mit der Nationalen Kampffront Ver-
handlungen zu führen, sofern diese österreichisch konstituiert und in ihren Entschei-
dungen selbständig und unabhängig von Faktoren des Deutschen Reiches sei. Er sei auch
bereit, direkt mit der deutschen Regierung zu verhandeln. Siehe Langoth, Kampt um
Österreich, S. 140-44.
(2) über die Aktion Hanfstaengls konnten im Archiv des Auswärtigen Amts Akten nicht
ermittelt werden. Langoth gibt in seinem Buch Kampt um Osterreich, S. 144-48, eine
Darstellung wieder, die Habicht in einer Unterredung mit Foppa und Langoth am
14. November in München gab. Demzufolge hatte Hanfstaengl der österreichischen
Gesandtschaft in Berlin durch einen Mittelsmann ein aus neun Punkten bestehendes
Befriedungsprogramm zugestellt. Als Neurath davon hörte, informierte er Hitler, der
Hanfstaengl einen scharfen Verweis erteilte.

128
Nr. 72 16. NOVEMBER 1933

müsse, die Möglichkeiten eines neuen Weges auszuprobieren, daß er aber


von der Nutzlosigkeit dieses Weges für Herrn Dollfuß überzeugt sei. Er
werde in Bälde wieder auf ihn zurückgreifen müssen. Herr Habicht könne
dieses neue Zwischenspiel im übrigen in Ruhe abwarten.
Herr Habicht glaubt, daß diese auf die Aktion Hanfstaengl zurückzu-
führende Änderung der Taktik von Dollfuß voraussichtlich nur von kurzer
Dauer sein könne und daß an sich die ganze innerpolitische Situation in
Österreich Dollfuß bald zur Nachgiebigkeit zwingen werde. Er sehe zur Zeit
nur einen großen Gefahrenpunkt, das sei eine etwaige Durchführung der
auf völlig ungesetzmäßigem Wege wiedereingeführten Todesstrafe 3 ) bzw.
ihre Vollstreckung an einem Nationalsozialisten. In diesem Falle könne er
nicht mehr für Ruhe und Ordnung in Österreich garantieren, da dann die
durch die Terrormaßnahmen der Regierung so schon erbitterte allgemeine
Volksstimmung, die er ohnehin nur mit größter Energie und Mühe von
übereilten Schritten zurückhalten könne, in offene Auflehnung ausmünden
würde. Allerdings hoffe er selber nicht, daß Dollfuß derartig töricht sein
werde.
Hiermit über Herrn Dirigenten von Renthe-Fink, Herrn Min.Dir. Köpke
und dem Herrn Staatssekretär gehorsamst vorgelegt.4)
HÜFFER
*(3) Die österreichische Regierung hatte mit einer Verordnung vom 10. November die
Todesstrafe für Mord, Brandstiftung und öffentliche Gewalttätigkeit wieder eingeführt.
Siehe Keesing's Archiv der Gegenwart, 1933, S. 1126.
(4) Hüffer hatte die Vorlage ursprünglich auch für das Büro des Reichsministers bestimmt,
dodi wurde diese Stelle von Köpke von der Verteilerliste gestrichen. Köpke erläuterte
die Streichung in folgendem Randvermerk:
„St.S. z(ur] g[efälligen] K[ennt]nis. Ich möchte RM im augenblicklichen Ubergangsstadium
nicht mit der Sache befassen. Die Sache Alvensleben, die RM vielleicht persönlich
interessieren könnte, ist zudem inzwischen abgestoppt. Köpke 18. 11."

72
6065/E 448 775-80
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow
an den Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers
BERLIN, den 16. November 1933
Abgesandt: 17. November
zuIIBalk. 1995 Js.;1)
IIBalk. 2017 Js.2)
Sehr verehrter Herr Lammers!
Die dem Auswärtigen Amt zuständigkeitshalber von der Reichskanzlei
überwiesene, mit der Bitte um demnächstige Rückgabe wieder beigefügte
(1) II Balk. 1995 J s . : Schreiben des Außenpolitischen Amts der NSDAP an das A u s w ä r t i g e
A m t v o m 3. N o v e m b e r (6065/E 448 741-42).
(2) II Balk. 2017 J s . : Eingabe des emigrierten kroatischen J o u r n a l i s t e n Jelic an Hitler vom
31. O k t o b e r (6065/E 448 745).

129

II.1 Bg. 9
Nr. 72 16. NOVEMBER 1933

Eingabe des jugoslawischen Staatsangehörigen Dr. Branimir Jelic an den


Herrn Reichskanzler3) gibt mir Anlaß zu folgenden Bemerkungen:
Der in Berlin lebende kroatische Emigrant Dr. Jelic, der sich selbst als
staatenlos bezeichnet, ist einer der Führer der kroatischen Opposition und
als solcher Herausgeber der in Berlin erscheinenden beiden Emigranten-
blätter Croatiapress und Nezavisna Hrvatska Drzava. Auch das der Eingabe
an den Herrn Reichskanzler beigefügte Memorandum dient den gleichen
politischen Zwecken. Das Memorandum schildert die Geschichte des kroati-
schen Volkes, insbesondere auch die Ereignisse von 1918 bei der Entstehung
des SHS-Staates, die gegenwärtigen Leiden der Kroaten unter serbischer
Herrschaft und ruft den Völkerbund, die Regierungen der Vereinigten
Staaten und von Kanada sowie aller anderen zivilisierten Nationen, ferner
die Presse und die einzelnen Staatsmänner und politischen Führer der Welt
auf, den König 4 ) und die Regierung von Serbien aufzufordern, die serbi-
schen Truppen und den serbischen Verwaltungsapparat, aus Kroatien zu-
rückzuziehen, damit die kroatische Nation dann ihr Selbstbestimmungsrecht
ausüben und über ihre Zukunft entscheiden könne. Andernfalls werde der
kroatischen Bevölkerung nichts anderes übrig bleiben, als zu der Art von
Selbsthilfe zu greifen, die auch offene Empörung einschließt.
Die politische Tätigkeit des Herrn Dr. Jelic und die ausgesprochen jugo-
slawienfeindliche Haltung der beiden vorerwähnten von ihm heraus-
gegebenen Blätter hat bereits zu zahlreichen Beschwerden der hiesigen
jugoslawischen Gesandtschaft5) und des Belgrader Außenministeriums ge-
führt. Da vor allem das Erscheinen der genannten Emigrantenblätter eine
immer fühlbarer werdende, völlig unnötige Belastung unserer Be-
ziehungen zu Jugoslawien darstellt, die, wie Sie wissen, auf besonderen
Wunsch des Herrn Reichskanzlers nicht nur aus wirtschaftlichen Rücksichten
eine besonders pflegliche Behandlung erfahren sollen,6) so sind wir seiner-
zeit beim preußischen Innenministerium wegen des Verbots der beiden poli-
tischen Kampfschriften vorstellig geworden. Dieses Verbot wurde auch
zunächst antragsgemäß ausgesprochen, ist dann aber, und zwar ohne vor-
herige Fühlungnahme mit dem Auswärtigen Amt, wieder aufgehoben wor-
den. Dem Herausgeber wurde seitens der zuständigen preußischen Stellen
lediglich aufgegeben, sich künftig aller Angriffe gegen den jugoslawischen
Staat zu enthalten. Erst für den Fall der Zuwiderhandlung hiergegen wurde
ihm ein Verbot seiner Blätter angedroht. Wie sich nachträglich herausstellte,
ist diese Änderung in der Haltung des preußischen Innenministeriums auf
einen unmittelbaren Schritt des Außenpolitischen Amtes der NSDAP bei
diesem Ministerium zurückzuführen.
Das Außenpolitische Amt hat sich nunmehr in dem unter Rückerbittung
beigefügten Schreiben vom 3. d. M.7) mit dem Ersuchen hierher gewandt,
(3) Siehe Anm. 2. Siehe auch Dokument Nr. 43.
• («)Aleksandar I.
(5) Siehe Dokument Nr. 43, Anm. 1.
(6) In einem Schreiben Köpkes an das preußische Innenministerium vom 29. November
6065/E 448 791-93) hieß es hierzu: „Wie ich vertraulich bemerke, hat der Herr Reichs-
kanzler unseren neuernannten Gesandten in Belgrad, Herrn von Heeren, persönlich
mit besonderen Weisungen in dieser Richtung versehen."
(7) Siehe Anm. I.

130
Nr. 72 16. NOVEMBER 1933

die ablehnende Haltung gegenüber dem Dr. Jelic und seinen Zeitungen auf-
zugeben. Zur Begründung dieses Ansinnens wird in dem Schreiben des
Außenpolitischen Amts geltend gemacht, daß Dr. Jelic seit längerer Zeit mit
dieser Stelle zusammenarbeite und ihr bereits mehrfach wertvolle Dienste
geleistet habe. Auf seine Arbeit sei es zurückzuführen, daß in der gesamten
kroatischen Presse nicht ein einziger deutschfeindlicher Artikel geschrieben
oder Greuel- und Hetzpropaganda betrieben worden sei.
Ich möchte es ganz dahingestellt sein lassen, ob diese Annahme des
Außenpolitischen Amts nicht auf unvollständigem Einblick in die Verhält-
nisse der jugoslawischen Presse und in die Einwirkungsmöglichkeiten auf
diese beruht. Jedenfalls ist Dr. Jelic und seine politische Einstellung gegen-
über seinem Heimatstaat nachgerade eine ernsthafte Belastung unserer Be-
ziehungen zu Jugoslawien geworden. Das jugoslawische Außenministerium
hat inzwischen wiederum Anlaß genommen, unsere Gesandtschaft in
Belgrad beschwerdeführend auf das Weitererscheinen der beiden Blätter
hinzuweisen,8) und zwar gerade im Zusammenhang damit, daß die jugo-
slawische Regierung auf Betreiben unserer Gesandtschaft eine von deut-
schen Emigranten veröffentlichte Broschüre Israel, souviens-toi für Jugo-
slawien vorbehaltlos verboten habe. Auch der hiesige jugoslawische Ge-
sandte Balugdzic ist in letzter Zeit verschiedentlich im Auswärtigen Amt
erneut dringlich in der leidigen Angelegenheit vorstellig geworden,
übrigens wird die Richtigkeit unserer Auffassung im Gegensatz zu der Ein-
stellung des Außenpolitischen Amts Dr. Jelic gegenüber auch durch einen
uns vorliegenden Bericht eines nach Belgrad entsandten Vertrauensmannes
des preußischen Geheimen Staatspolizei-Amtes in sehr nachdrücklicher
Weise bestätigt.9) Auch in diesem Bericht wird zur baldigen Unterdrückung
der beiden kroatischen Blätter dringend geraten.
Bei dieser Sachlage, die im politischen Interesse des Reichs ein end-
gültiges Verbot der beiden Blätter unabweisbar erscheinen läßt, werde ich
nunmehr in diesem Sinne beim preußischen Innenministerium erneut vor-
stellig werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf einem Ihnen geeignet
erscheinenden Wege veranlassen könnten, daß das Außenpolitische Amt
der NSDAP unseren Schritten bei den inneren Ressorts in dieser Sache
nicht entgegenwirkt. Der in dem Schreiben des genannten Amts enthaltene
Hinweis darauf, daß die Haltung der jugoslawischen Presse Deutschland
gegenüber teilweise immer noch ungünstig sei, berührt ein grundsätzlich
anderes Gebiet, dem wir gleichfalls im Einvernehmen mit der Presse-
Abteilung des Auswärtigen Amts unsere dauernde Aufmerksamkeit zu-
wenden, kann aber keineswegs für eine amtliche Duldung des unseren
gesamtpolitischen Beziehungen zu Jugoslawien so abträglichen Treibens der
Emigranten auf deutschem Boden herangezogen werden.

(8) Heeren hatte dem Auswärtigen Amt am 20. Oktober über diesen jugoslawischen Schritt
berichtet (6065/E 448 733-34) und bei dieser Gelegenheit auf ein Verbot der beiden
kroatischen Blätter gedrängt.
(•) In einem Brief der Gestapo an das Auswärtige Amt vom 8. November (6065/E 448 783-88)
war, unter Bezugnahme auf den Berieht eines Vertrauensmanns in Belgrad, ein Verbot
der beiden kroatischen Blätter dringendst empfohlen worden.

131
Nr. 73 17. NOVEMBER 1933

Für eine gefällige Äußerung 10 ) wäre ich Ihnen bei Rückgabe der Anlagen
sehr verbunden.
Mit den besten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
B[ÜLOW]

(»•) Siehe Dokument Nr. 92.

73
2945/D 575 877-78
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 17. November 1933
Reichswirtschaftsminister Schmitt rief mich heute nachmittag um 5 Uhr
an und fragte unter Bezugnahme auf die Ministerbesprechung von gestern
abend') und im Anschluß an eine Besprechung, die er mit Staatssekretär
Posse gehabt hat, ob wir bereits den Gesandten von Moltke über die ent-
scheidende Wendung von gestern abend im Hinblick auf die schwebenden
Wirtschaftsverhandlungen informiert hätten, insbesondere auch über unsere
veränderte Haltung in der Kohlenfrage.
Ich sagte dem Reichswirtschaftsminister, wir hätten den Gesandten von
Moltke in bezug auf die wirtschaftspolitische Seite der gestrigen Bespre-
chung noch nicht informiert und unseren Reichsminister auch nicht dahin
verstanden, daß den Polen nun ein Kohlenangebot gemacht werden solle.2)
Wir hätten lediglich erfahren, daß die Verhandlungen in Warschau in der
Kohlenfrage nicht scheitern sollten. Das heiße aber nicht, daß Moltke Kohlen
in beliebiger Menge anbieten könne. Soweit ich unterrichtet sei, würden
die Verhandlungen ohnehin in diesen Tagen nicht zu einem Abschluß ge-
langen, ein Bruch sei also nicht zu befürchten. Wir hätten mehrere Tage
Zeit, um in Referentenbesprechungen zu klären, welches praktische Ent-
gegenkommen in der Kohlenfrage wir anbieten können.
Reichsminister Schmitt war hiermit einverstanden, er bat, eine Referen-
tenbesprechung für Anfang nächster Woche einzuberufen. Schließlich
kamen wir noch überein, daß Herr von Moltke davon verständigt werden
sollte, daß wir als Parallele zu den politischen Verhandlungen auch zu
einem weiter als bisher gehenden Entgegenkommen auf wirtschaftlichem
Gebiet bereit seien.3) Ich bitte die Gesandtschaft in Warschau in diesem
Sinne zu verständigen.
BÜLOW

(1) Eine Aufzeichnung ü b e r diese Besprechung konnte nicht ermittelt w e r d e n . Siehe D o k u -


ment Nr. 70 u n d Anm. 5 dazu.
(2) R a n d b e m e r k u n g : „So w a r es nicht. Es w u r d e aber v e r a b r e d e t , daß ein A u s w e g gesucht
w e r d e n solle, v. N [ e u r a t h ] . "
(3) Am 20. N o v e m b e r fand eine Sachverständigen-Besprechung statt, an der auch M o l t k e
selbst teilnahm (9663/E 681 293-94). Am gleichen T a g e ü b e r g a b Ritter an M o l t k e e i n e
Aufzeichnung, in der die Z u g e s t ä n d n i s s e präzisiert w a r e n , zu d e n e n sieh die d e u t s c h e
Regierung in der F r a g e der Kohlenimporte aus Polen bereitfinden w ü r d e .

132
Nr. 74 17. NOVEMBER 1933

74

8772/E 611 281-83

Das Auswärtige Amt an das Reichsministerium des Innern l)

Eilt sehr BERLIN, den 17. November 1933


VI A. 2586
Ref.: VLR Roediger

Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 16. November d. J. - 2413


Ang. II.*)

In diesen Tagen fand zwischen dem Herrn Reichsminister des Auswärti-


gen und dem Stellvertretenden Führer der NSDAP, Herrn Rudolf Heß, eine
Besprechung über den Volksdeutschen Rat statt. Dabei wurde volles Ein-
vernehmen darüber erzielt, daß der Rat lediglich als beratende Stelle wirken
soll, die die Aufgabe hat, die Politik der zuständigen Ministerien in Fragen
des deutschen Volkstums und der Minderheiten zu unterstützen. Die Reichs-
regierung wird sich des Volksdeutschen Rats nach ihrem Ermessen bedienen
können. Hinsichtlich der Deutschtumsfonds erklärte Herr Heß, daß nicht
daran gedacht sei, durch die Schaffung des Volksdeutschen Rats eine Ände-
rung in der Verfügung der zuständigen Ministerien über die amtlichen
Fonds oder die Fonds der Organisationen, die von amtlichen Stellen ab-
hängen, eintreten zu lassen.
Diese Gesichtspunkte werden die Grundlage für die Besprechungen bil-
den, die die Vertreter des Volksdeutschen Rats demnächst bei den zustän-
digen Ministerien erbeten haben.3)
I.A.
gez. STIEVE 4)

*(i) Dieses Schreiben wurde auch dem Reichsfinanzministerium, dem Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda, dem Reichswirtschaftsministerium, dem preußischen
Staatsministerium, dem preußischen Ministerium des Innern, dem preußischen Mini-
sterium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung und dem preußischen Finanzministe-
rium zugestellt. Der Deutschen Stiftung sowie der Ossa-Vereinigte Finanzkontore wurde
eine Abschrift zur Kenntnisnahme übermittelt.
*(2) 2413 Ang. II: Schreiben des Auswärtigen Amts vom 16. November (8773/E611 365-71) an
das Reichsministerium des Innern sowie an die in Anm. 1 aufgeführten Stellen, mit dem
eine Aufzeichnung über eine interministerielle Beratung vom 10. November über die
Zusammenarbeit der zuständigen Ressorts des Reichs und Preußens in Volkstums- und
Minderheitenfragen übermittelt worden war.
(3) Siehe Dokument Nr. 140.
(4) Randvermerk: „Notiz. Das Rundschreiben beruht auf einer mündlichen Mitteilung des
Herrn Reichsministers über das Ergebnis der Besprechung."

133
Nr. 76 18. NOVEMBER 1933

75
6177/E 463 482
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm

Cito MOSKAU, den 18. November 1933 20 Uhr 56


Nr. 263 vom 18. 11. Ankunft: 18. November 21 Uhr 30
IV Po.8386
Auf [Telegramme] Nr. 239,1) 240 *) und 242.")
Deutsch-polnische Besprechungen über No-force-Erklärung findet hiei
größtes Interesse. Stelle daher zur Erwägung, ob es nicht im Sinne Schaf-
fung vertraulicher Atmosphäre zweckmäßig, wenn ich anläßlich Überrei-
chung Beglaubigungsschreibens 20. November Sowjetregierung gemäß
Artikel 1, Absatz 2 Berliner Vertrag 4 ) ins Bild setze. Erbitte Drahtweisung.5)
NADOLNY

(l) Fundort: 6177/E 463 475-76.


(*) Dokument Nr. 70 und Anm. 1 dazu.
(8) Siehe Dokument Nr. 70, Anm. 5.
*(4) Deutsch-sowjetischer Vertrag vom 24. April 1926, abgedruckt in Serie B, Bd. II, 1,
Dokument Nr. 168, und S. d. N., Recueif des Traitis, Nr. 1268, Bd. LIII, S. 387-96.
(5) Siehe Dokument Nr. 79.

76
7467/H 179 104-05
Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt
Telegramm

Nr. 267 vom 18.11. LONDON, den 19. November 1933 13 Uhr 48
Ankunft: 19. November 16 Uhr 50
II F. Abr. 3791
über den gegenwärtigen Genfer Abrüstungsverhandlungen brütet Un-
heil.1) Es ist unzweifelhaft, daß der englische und französische Standpunkt

(l) Am 9. November war, gemäß einem Beschluß des Hauptausschusses vom 26. Oktober,
das Büro der Abrüstungskonferenz zusammengetreten und hatte Unterausschüsse
konstituiert, die die zur Erledigung anstehenden Fragen prüfen sollten. Die Sitzungen
des Büros und der Unterausschüsse enthüllten erhebliche Meinungsunterschiede hin-
sichtlich des weiteren Verfahrens. Daraufhin forderte Henderson die verantwortliehen
Führer der Delegationen auf, persönlich nach Genf zu kommen. Am 18. November trafen
Simon, Eden, Paul-Boncour und Soragna zu Gesprächen in Genf ein. Am 21. November
wurde im Verlaufe einer Zusammenkunft der Delegierten Großbritanniens, Frankreichs,
Italiens und der Vereinigten Staaten von Amerika mit Henderson und Beamten des
Büros eine Einigung darüber erzielt, daß die Arbeit der Konferenz durch parallele und
ergänzende Bemühungen der Regierungen untereinander unterstützt werden solle. Es
wurde außerdem vereinbart, daß Henderson und das Büro die vom Büro und seinen

134
/

Nr. 76 18. NOVEMBER 1933

nicht mehr zusammen stimmt [sie]. In meinen zahlreichen Unterhaltungen


mit maßgebenden Persönlichkeiten habe ich immer wieder feststellen kön-
nen, daß der Vorwurf, die englische Regierung habe durch ihr Abgehen
vom MacDonald-Plan 2 ) ihr eigenes Kind preisgegeben, auf schuldbewußten
Widerspruch stoße. England will wieder zum MacDonald-Plan zurück und
betrachtet die Sommergespräche der Rüstungsmächte mehr und mehr als
unverbindliche Versuche zur Herbeiführung neuer Lösungen. Simon selbst
hat sich unter dem Druck von Kabinett, Parlament und öffentlicher Meinung
immer mehr von den Vereinbarungen mit Paris weggeredet und hat seinem
ganzen Verhalten in der Abrüstungsfrage hier eine Färbung gegeben, die
den Eindrücken der französischen Regierung von Simons früheren Zusagen
offenbar nicht entspricht.
Auf der anderen Seite ist in der jüngsten französischen Kammerdebatte
über die Außenpolitik 3 ) insbesondere durch Intervention Daladiers klar zum
Ausdruck gekommen, daß Franzosen daran festhalten, daß Simon sich ihnen
gegenüber auf „periode d'epreuve" und alles, was damit zusammenhängt,
festgelegt habe. Wie unter diesen Umständen jetzt in Genf Ergebnisse er-
zielt werden sollen, ist nicht ersichtlich. Als eine mögliche Konsequenz er-
scheint an sich Rücktritt Simons. Dieser würde aber eine schwere Bedrohung
des englischen nationalen Kabinetts bedeuten, da Simons Ausscheiden den
Abmarsch der kleinen liberalen Teilfraktionen nach sich ziehen könnte, die
jetzt noch einen der mehr ideellen als tatsächlichen Pfeiler der gegenwärti-
gen Koalition darstellen. Es ist also durchaus berechtigt, wenn die maß-
gebenden Kreise hier die Genfer Vorgänge mit Sorge verfolgen.
Wir haben gewiß keine dieser Sorgen zu teilen. So wenig uns die Evo-
lution der englischen Arbeiterpartei in der Abrüstungsfrage bisher zufrie-
denstellen kann, haben wir doch Anlaß, den Prozeß an sich zu begrüßen
und uns zu freuen, daß in Desavouierung der Preisgabe des MacDonald-
Plans wenigstens der Anfang einer Rückkehr zu besseren Methoden sich
anbahnt. Es ist außerdem eine alte Erfahrung, daß Frankreich immer erst
dann zu ernsterem Meinungsaustausch mit Deutschland sich bereit zeigt,
wenn es die Hoffnung verliert, Deutschland in der fest gefügten Phalanx
seiner ehemaligen Bundesgenossen gegenübertreten zu können.
Damit der Entwicklungsgang der Dinge nicht gestört wird, möchte ich
empfehlen, daß sich die deutsche Regierung fürs erste der Angriffe auf
England möglichst enthält und insbesondere davon absieht, England Vor-
würfe wegen mangelnder Abrüstung zu Lande zu machen. Unser Haupt-
programm liegt sicherlich nicht hier, sondern bei den Kontinentalarmeen,

[Fortsetzung von Anm. 1]


Unterausschüssen in Angriff zu nehmenden Fragen festlegen sollten und daß die Sitzung
des Hauptausschusses nicht für den 4. Dezember, sondern für den Januar 1934 einbe-
rufen werden sollte, während oder nach der Tagung des Völkerbundsrats. Von diesem
Beschluß wurde das Büro der Abrüstungskonferenz am 22. November in Kenntnis ge-
setzt. Siehe S. d. N., Conference pour la Reduction et la Limitation des Armements,
Actes, Serie C, Bd. II, S. 196-200; siehe auch Foreign Relations oi the United States,
1933, Bd. I, S. 306-19.
• (2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 90.
'(3) Über diese Debatte, die vom 9. bis 14. November stattfand, berichtete Köster in Tele-
grammen Nr. 902, 903 und 904 vom 15. November (3154/D 670 284-96).

135
Nr. 77 NOVEMBER 1933

und wenn mit Bezug auf diese unsere Gleichberechtigung erkämpft werden
kann, so werden wir hier mit der englischen Armee keine Schwierigkeiten
mehr haben. Im gegenwärtigen Augenblick erscheint mir jedenfalls als die
Hauptsache, darüber zu wachen, daß nichts geschieht, was die Neubelebung
der schon erschütterten Einheitsfront der Gegenseite fördern könnte.
HOESCH

77
6177/E 463 488-93
Aufzeichnung ohne Unterschrift*)
Geheim
BEMERKUNGEN ZUM GEDANKEN DES ABSCHLUSSES EINES NICHTANGRIFFSPAKTS
ZWISCHEN DEUTSCHLAND UND POLEN

Der Nichtangriffspakt - ein erst in der Nachkriegszeit aufkommender


Vertragstypus - bedeutet an sich und nach seinem rein juristischen Gehalt
nichts anderes, als was das Wort selbst besagt: die Verpflichtung jedes
Kontrahenten, gegen den anderen Kontrahenten keinen Angriffskrieg zu
führen. Politisch geht aber die Bedeutung eines solchen Paktes wohl in
allen Fällen über die formalen Rechtsverpflichtungen weit hinaus. Zwei
Staaten, die für ihr gegenseitiges Verhältnis feierlich auf jedes aggressive
militärische Vorgehen verzichten, bekunden damit, daß zwischen ihnen
wirklich vitale Interessengegensätze nicht bestehen oder daß ihre Politik
jedenfalls nicht mehr ernstlich auf die Austragung solcher Gegensätze ein-
gestellt ist. In diesem Sinne sind alle nach dem Kriege in Europa abge-
schlossenen Nichtangriffspakte verstanden worden.
Im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen kommt dieser allgemeinen
Erwägung aus besonderen Gründen erhöhte Bedeutung zu. Der Kernpunkt
der Locarno-Verhandlungen war die Forderung der damaligen Verhand-
lungspartner Deutschlands, daß dieses unter der Garantie Frankreichs auch
gegenüber Polen auf jede kriegerische Austragung eines Konflikts vertrag-
lich verzichten solle. Die damalige deutsche Regierung ist auf diese Forde-
rung nicht eingegangen, weil sie entscheidenden Wert darauf legte, daß das
Verhältnis zu Polen nicht auf gleichem Fuße mit dem Verhältnis zu Frank-
reich und Belgien geregelt wurde. Der Rheinpakt von Locarno 2) war seinem
eigentlichen juristischen Gehalt nach auch nichts anderes als ein unter der
Garantie anderer Mächte stehender Kriegsverzicht zwischen Deutschland
einerseits und Frankreich und Belgien andererseits, der allerdings eine be-
sondere Note dadurch erhielt, daß er im Vertragstext ausdrücklich als Mittel
zur Aufrechterhaltung des Status quo bezeichnet wurde. Hätte Deutschland

*(•) Die Aufzeichnung trägt kein Datum.


(2) Siehe Dokument Nr. 61, Anm. 7.

136
Nr. 77 NOVEMBER 1933

im Rahmen des Vertragswerks von Locarno einen ähnlichen Kriegsverzicht


gegenüber Polen, wenn auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die terri-
torialen Ostfragen, ausgesprochen, so wäre damit die deutscherseits damals
angestrebte radikale Unterscheidung zwischen seinen West- und Ostgrenzen
beseitigt oder doch stark verwischt worden. Der deutsche Widerstand hat
dazu geführt, daß Polen - ebenso wie die Tschechoslowakei - sich in Locarno
mit einem gewöhnlichen Schiedsverträge begnügen mußte, der zwar in
seiner Präambel in allgemeiner Form den Willen zur Aufrechterhaltung des
Friedens zum Ausdruck brachte, der sich aber doch ganz wesentlich von
dem auf die Westmächte bezüglichen Rheinpakt unterschied.
Polen und auch Frankreich haben die so in Locarno international festge-
legte Differenzierung der Westgrenzen und der Ostgrenzen Deutschlands
als politischen Mißerfolg empfunden. Sie haben in den folgenden Jahren
die verschiedenartigsten Versuche gemacht, diese Lücke des internationalen
Vertragssystems zu beseitigen. Das ist der Sinn der bekannten Forderung
eines „Ost-Locarno", einer Forderung, die von Polen und Frankreich ebenso
nachdrücklich vertreten, wie sie von Deutschland abgelehnt wurde. Die
deutsche Politik hat dabei stets betont, daß es ihr nicht darauf ankomme,
sich in dem Netz der internationalen Vertragssysteme noch ein Loch für die
Möglichkeit eines Angriffskriegs gegen Polen offen zu halten. Sie lehnte
eine direkte vertragliche Bindung gegenüber Polen hinsichtlich des Angriffs-
kriegs nur deshalb ab, weil eine solche Bindung wegen ihrer Ähnlichkeit
mit dem Rheinpakt politisch als Verzicht auf die Revision der Ostgrenzen
hätte aufgefaßt werden müssen.
Diese politische Linie wurde von Deutschland auch nicht dadurch aufge-
geben, daß es sich im Jahre 1928 zur Unterzeichnung des Kellogg-Pakts3)
entschloß. Dieser Pakt enthielt zwar, wenn auch in anderer Form, gleichfalls
den Verzicht auf den Angriffskrieg. Es war aber ein Vertrag zwischen fast
allen Staaten der Welt, der schon aus diesem Grunde keinen Anlaß zu
Schlußfolgerungen hinsichtlich des besonderen Verhältnisses Deutschlands
zu Polen geben konnte. Der Pakt ist denn auch niemals von irgendeiner
Seite politisch so interpretiert worden, als ob Deutschland damit die von
ihm in Locarno eingenommene Position gegenüber Polen aufgegeben habe.
Im Lichte dieser historischen Entwicklung gesehen, würde ein zweiseitiger
Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Polen, auch wenn er ohne
direkte Anspielung auf territoriale Fragen als reiner Nichtangriffspakt ab-
geschlossen würde, international zweifellos als die Aufgabe oder minde-
stens als eine wesentliche Abschwächung des bisherigen deutschen Stand-
punktes hinsichtlich der Ostgrenzen aufgefaßt werden. Diese Folge würde
auch dann kaum vermieden werden, wenn der Vertrag nicht mit Polen
allein, sondern etwa mit einer Gruppe von Oststaaten abgeschlossen würde.
Denn auch in diesem Falle bliebe die Beziehung des Paktes auf die terri-
torialen Ostfragen in den Augen der Weltöffentlichkeit bestehen.
Dazu kommt noch ein anderes. Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzuneh-

*(') „General Treaty for renunciation of war as an Instrument of national policy" (Briand-
Kellogg-Pakt) vom 27. August 1928. Der Text ist abgedruckt in Bruns, Politische Ver-
träge, Bd. I, S. 248-53.

137
Nr. 77 NOVEMBER 1933

men, daß Polen bei den Verhandlungen über den Abschluß eines Nicht-
angriffspakts bemüht sein würde, in den Vertragstext Wendungen hinein-
zubringen, die sich mehr oder weniger deutlich auf die Erhaltung des terri-
torialen Status quo beziehen. Polen würde einen bequemen Ausgangspunkt
für derartige Vorschläge in den vielen Nichtangriffspakten der letzten Zeit
finden, die fast durchweg in der Präambel oder dem Vertragstext selbst
eine Klausel über die Integrität des territorialen Besitzstandes der beiden
Kontrahenten enthalten. Wenn Deutschland solche polnischen Vorschläge
ablehnt, könnte leicht eine recht mißliche Diskussion entstehen, mit der
Folge, daß der Pakt daran scheitert. Die Spannung in den gegenseitigen
Beziehungen würde dann nicht nur nicht gemildert, sondern bedenklich ver-
schärft werden.
Selbst wenn sich dies aber vermeiden ließe und selbst wenn es ferner
gelänge, dem Vertrage durch seine Redaktion und durch seine offizielle
Interpretation die Nebenbedeutung eines Verzichts auf die territoriale
Revision zu nehmen, bliebe noch zu überlegen, was Deutschland durch den
Pakt gewönne. Der Pakt müßte, falls er überhaupt einen politischen Effekt
haben soll, wohl mindestens für eine Zeit von zehn Jahren abgeschlossen
werden. Auch nach zehn Jahren würde es praktisch schwer sein, ihn zu
kündigen oder seine Verlängerung abzulehnen, da das nahezu identisch mit
dem Bekenntnis deutschen Angriffswillens wäre. Der Pakt würde also auch
als reiner Nichtangriffspakt auf lange Jahre hinaus eine starke Einschrän-
kung der politischen Handlungsfreiheit Deutschlands zur Folge haben. Man
wird sich hierüber nicht einfach mit der Erwägung hinwegsetzen dürfen,
daß es zu gegebener Zeit schon möglich sein werde, eine von Deutschland
für nötig und aussichtsreich gehaltene kriegerische Auseinandersetzung mit
Polen in einer Weise einzuleiten, die uns vom Odium des Paktbruchs ent-
laste. Solche Möglichkeiten lassen sich jedenfalls im voraus kaum mit eini-
ger Sicherheit übersehen. Auf der anderen Seite steht aber fest, daß wir uns
durch den Pakt keineswegs vor einer militärischen Intervention Polens
gegen eine von uns ohne Verständigung mit den Mächten betriebene Auf-
rüstung sichern würden. Denn Polen könnte durch den Paktabschluß mit
Deutschland natürlich in keinem Falle seine Bündnisverpflichtung gegen-
über Frankreich modifizieren. Es müßte also, wie das z. B. umgekehrt auch
Frankreich in seinem Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion 4 ) getan hat,
auf die Einfügung einer Klausel des Inhalts in den Pakt bestehen, daß durch
diesen die bereits anderweitig begründeten Vertragspflichten der beiden
Kontrahenten nicht berührt werden. Das würde bedeuten, daß, wenn es
etwa wegen der Aufrüstung Deutschlands zu einer militärischen Interven-
tion Frankreichs käme, Polen diese Intervention trotz des Nichtangriffspakts
mit Deutschland unterstützen könnte und müßte.

(4) Nichtangriffspakt zwischen Frankreich und der Sowjetunion vom 29. November 1932.
Siehe Recueil des Traites, Nr. 3615, Bd. CLVII, S. 411-19.

138
Nr. 78 20. NOVEMBER 1933

78
3154/D 670 316-17

Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath

BERLIN, den 20. November 1933


RM. 1600

Ministerpräsident Göring hat mir am letzten Freitag 1 ) eingehend über


den Verlauf seiner Reise nach Rom und seine Aufnahme 2 ) Bericht erstattet.
Er sagte, Mussolini sei über die ihm durch den Brief des Herrn Reichs-
kanzlers 3) und die persönliche Uberbringung durch Göring erwiesene Auf-
merksamkeit ganz besonders erfreut gewesen. Er habe dies in jeder Weise
zum Ausdruck gebracht. Nach seiner Ankunft in Rom habe Göring noch am
gleichen Nachmittag den Brief des Kanzlers Herrn Mussolini im Palazzo
Venezia übergeben. Bei dieser Gelegenheit hätten nur allgemeine Erörte-
rungen über die Gründe, weshalb Deutschland aus der Abrüstungskonferenz
und dem Völkerbund ausgetreten sei, stattgefunden, und Mussolini habe
sich vorbehalten, nach der Lektüre des Briefes eingehender mit Göring zu
sprechen. Diese Aussprache sei am anderen Tage erfolgt. Dabei habe Musso-
lini erklärt, daß er nunmehr volles Verständnis für unseren Schritt habe.
Er sei zuerst etwas überrascht gewesen, gebe aber nunmehr unumwunden
zu, daß wir richtig gehandelt hätten, und könne uns versichern, daß er in
Zukunft unsere Politik weitgehend unterstützen werde. Göring scheint bei
dieser Gelegenheit auch die etwas ungenügende Unterstützung von Seiten
Aloisis und Suvichs in Genf zur Sprache gebracht zu haben. Bezüglich des
ferneren Verhaltens teilte Mussolini die Auffassung, daß wir uns jetzt
abwartend verhalten sollten. Sowohl die französische als die englische
Regierung, insbesondere die letztere, seien in große Verlegenheit gekom-
men. Man müsse es ihnen überlassen, aus dieser Situation einen Ausweg
zu finden. Jede Initiative von deutscher Seite wäre ein Fehler. Ebensowenig
beabsichtige er, von sich aus den Viererpakt in Aktion zu bringen. Musso-
lini scheint es besonders angenehm empfunden zu haben, daß Göring ihm
sagte, wir sähen an sich den Viererpakt als noch geltend an.
Am Schluß der langen Unterredung wurde verabredet, daß evtl. Anfang
Dezember Herr Suvich nach Berlin kommen solle, um hier gewissermaßen
den Besuch Görings zu erwidern und dabei das in Rom begonnene Gespräch
fortzusetzen.4)
Herr Göring erzählte ferner, daß auch die deutsch-österreichische Frage
von ihm eingehend mit Mussolini besprochen worden sei, wobei dieser sein
lebhaftes Interesse für eine baldige Lösung bekundet habe. Göring habe
ihm bei dieser Gelegenheit nochmals im Auftrage des Kanzlers versichert,
daß die Reichsregierung nicht daran denke, die österreichische Unabhängig-

• (i) 17. November.


(2) Siehe Dokument Nr. 50.
*(3) Dokument Nr. 40.
(4) Siehe die Dokumente Nr. 120 und 126.

139
Nr. 79 21. NOVEMBER 1933

keit jetzt anzutasten. Er habe aber hinzugefügt, daß Mussolini sich darüber
klar sein müsse, daß letzten Endes der Zusammenschluß Deutschlands und
Österreichs nicht zu verhindern sein würde. Ehe dies geschehe, werde aber
über die näheren Umstände eine eingehende Verabredung mit Italien ge-
troffen werden.5)
v. N[EURATH]

'(5) Am 25. November setzte Köpke die Botschaften in Rom, London, Paris, Moskau und
Washington sowie die Gesandtschaft in Bern anhand der vorliegenden Aufzeichnung
von dem Bericht Görings in Kenntnis (7467/H 179 160-62).

79
6177/E 463 485-86

Das Auswärtige Amt an die Botschaft in Moskau


Sofort [BERLIN,] den 21. November 1933
Mit Kurier e. o. IV Po. 8410
Im Anschluß an anderweitige Weisung vom 19. d. M. - Nr. 247.')
über die Unterredung des Herrn Reichskanzlers mit dem hiesigen polni-
schen Gesandten 2 ) geben die Telegramme Nr. 239,3) 2404) und 2425) er-
schöpfende Auskunft. Zur Regelung Ihrer Sprache in etwaigen Besprechun-
gen führe ich folgendes aus:
Die Initiative lag auf polnischer Seite. Die beiden Hauptpunkte des Ge-
sprächs sind in dem amtlichen Kommunique scharf herausgearbeitet, näm-
lich die Absicht, alle zwischen beiden Ländern auftauchenden Fragen, wel-
cher Art sie auch sein mögen, auf den Weg unmittelbarer Verhandlungen
zu leiten, und die Absicht beider Regierungen, zur Festigung des Friedens
in Europa in ihrem Verhalten zueinander auf jede Anwendung von Gewalt
grundsätzlich zu verzichten. Hieraus ergibt sich, daß in Zukunft deutsch-
polnische Angelegenheiten, welcher Art sie auch sein mögen, in unmittel-
barer Aussprache der diplomatischen Vertretungen beider Länder mit den
jeweiligen Regierungen erfolgen werden. Wir erhoffen von einer fortlaufen-
den Aussprache, über die sich im einzelnen jetzt noch gar nichts sagen läßt,
eine weitgehende Entspannung und eine Bereinigung wesentlicher Punkte.
Augenblicklich stehen im Vordergrund der Besprechungen die von Herrn
von Moltke in Warschau geführten Handelsvertragsverhandlungen, die
darauf abzielen, den Zollkrieg auf beiden Seiten zu beenden und den wirt-

(i) In diesem Telegramm (6177/E 463 483) war angekündigt worden, daß ausführliche
Weisungen mit dem nächsten Kurier übermittelt werden würden.
• (2) Lipski.
(3) Fundort: 6177/E 463 475-76.
(4) Siehe Dokument Nr. 70, Anm. 1.
(5) Siehe Dokument Nr. 70, Anm. 5.

140
Nr. 80 23. NOVEMBER 1933

schaftlichen Austausch im Rahmen des Möglichen wiederherzustellen, über


etwas später einsetzende Verhandlungen über andere Themata läßt sich
heute noch nichts sagen. Was den zweiten Punkt des Gesprächs anbelangt,
so ist es heute noch verfrüht, etwas darüber zu sagen, ob und in welcher
Form eine schriftliche Fixierung erfolgen wird. Diesseits würde eine schrift-
liche Fixierung für erwünscht gehalten werden, aber Besprechungen irgend-
welcher Art sind mit den Polen noch nicht aufgenommen worden. Ich bitte
daher, diese Frage in Ihren Gesprächen nicht zu vertiefen und als offen
zu behandeln. 8 )

*(•) Die Vorlage trägt den Vermerk: „I[n] Reinschrift] N[ame] d[es] H[errn] St.S." Sie
wurde sowohl von Bülow als auch von Neurath paraphiert.

80
8580/E 601 939

Aufzeichnung des Legationsrats Altenburg

BERLIN, den 23. November 1933


e. o. IV China 2572

Der chinesische Geschäftsträger teilte mir bei seinem heutigen Besuch


nachstehendes vertraulich mit:
Generaloberst von Seeckt habe grundsätzlich zugesagt, dem Wunsche des
Marschall Chiang Kai-shek entsprechend im März 1934 in China zu sein, er
bäte aber vor der Annahme der Stellung um die persönliche Zusicherung
des Marschalls, daß ihm die Mitnahme der notwendigen militärischen Ge-
hilfen, einschließlich der Generale Faupel und von Falkenhausen, zugestan-
den werde.1)
Es erscheint befremdlich, daß Generaloberst von Seeckt sich über die ihm
augenscheinlich bekannten deutschen Wünsche, den General Faupel wegen
seiner Ungeeignetheit für China nicht mitzunehmen, hinwegsetzt.
Hiermit über Herrn Ministerialdirektor Meyer dem Herrn Staatssekretär
gehorsamst vorgelegt.2)
I. V. ALTENBURG

(i) Siehe die Dokumente Nr. 48 und 63.


*(2) In einer weiteren Aufzeichnung Altenburgs vom 6. Dezember (8580/E 601 944) heißt es:
„Wie der chinesische Geschäftsträger telefonisch mitteilt, hat Marschall Chiang Kai-shek
die Bedingungen des Generalobersten von Seeckt (einschließlich der Mitnahme der
Generäle Faupel und von Falkenhausen) angenommen."

141
Nr. 81 NOVEMBER 1933

81
6177/E 463 498-501
Aufzeichnung ohne Unterschrift')
BEMERKUNGEN ZU DEM ANLIEGENDEN ENTWURF
EINER DEUTSCH-POLNISCHEN ERKLÄRUNG

Für die in Aussicht g e n o m m e n e Abmachung mit Polen ist in dem an-


liegenden Entwurf, anstelle der üblichen Vertragsform, die etwas unge-
wöhnliche Form einer ausführlichen Erklärung gewählt. Diese Form bietet
mancherlei Vorteile.
Einmal ermöglicht sie eine e t w a s freiere Diktion, die sich, ohne die
juristische Bindung hinsichtlich des Gewaltverzichts abzuschwächen, von den
abgegriffenen Klauseln d e r Nichtangriffspakte abhebt und das politische
Endziel eindrucksvoller e r k e n n e n läßt. Außerdem w ü r d e n sich die Polen bei
einer solchen freieren Redaktion der Abmachung nicht unbedingt gezwun-
gen sehen, in d e n Text eine Klausel über die Aufrechterhaltung der von
ihnen bereits abgeschlossenen V e r t r ä g e (Bündnisvertrag mit Frankreich 2 ))
aufzunehmen. Endlich dürfte die Fassung der Erklärung die A n e r k e n n u n g
der h e u t i g e n deutschen Ostgrenzen nicht nur nicht in sich schließen, son-
dern im Gegenteil zum Ausdruck bringen, daß mit der Erklärung eine
Grundlage für die Lösung aller Probleme, also auch der territorialen Pro-
bleme, geschaffen w e r d e n soll. 3 )

[Anlage]
ERKLÄRUNG
[Entwurf]
Die deutsche Regierung und die polnische Regierung halten den Zeitpunkt
für gekommen, um durch eine unmittelbare Verständigung v o n Staat zu
Staat eine n e u e Phase in den politischen Beziehungen zwischen Deutschland
und Polen einzuleiten. Sie h a b e n sich deshalb entschlossen, durch die gegen-
wärtige E r k l ä r u n g die Grundlage für die künftige Gestaltung dieser Be-
ziehungen festzulegen.
Beide Regierungen g e h e n dabei v o n der Tatsache aus, daß die Aufrecht-
erhaltung u n d Sicherung eines d a u e r n d e n und gerechten Friedens zwischen
ihren Ländern e i n e wesentliche Voraussetzung für den allgemeinen Frieden
in Europa ist.
Sie wollen d e s h a l b die Verpflichtungen, die sich für sie aus dem Schieds-
vertra g v o n Locarno vom 16. O k t o b e r 1925 4 ) und dem Pakt von Paris v o m
27. August 1928 6 ) ergeben, g e n a u e r bestimmen, um, soweit das Verhältnis

*(i) Die Vorlage trägt kein Datum.


*(2) „Accord Politique" zwischen Frankreich und Polen vom 19. Februar 1921, abgedruckt
in S. d. N., Jtecueif des Trailes, Nr. 449, Bd. XVIII, S. 11-13.
(3) Randbemerkung: „RK ist mit dem Entwurf einverstanden u. auch damit, daß Moltke
den Entwurf an Pi![su]ds[ki] persönlich übergibt u. ihm Grüße des RK übermittelt,
v. N[eurath] 23. 11."
(4) Siehe S. d. N., itecue;7 des Traites, Nr. 1295, Bd. LIV, S. 327-39.
*(5) Siehe Dokument Nr. 77, Anm. 3.

142
Nr. 82 23. NOVEMBER 1933

zwischen Deutschland und Polen in Betracht kommt, jede Möglichkeit einer


Unklarheit in diesen für das Schicksal ihrer Völker entscheidenden Fragen
auszuschließen.
Zu diesem Zweck stellen sie fest, daß sie entschlossen sind, alle zwischen
den beiden Ländern auftauchenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen,
auf den Weg unmittelbarer Verhandlungen zu leiten. Sollten etwa Streit-
fragen zwischen ihnen entstehen und sollte sich deren Bereinigung durch
unmittelbare Verhandlungen nicht erreichen lassen, so werden sie eine
Lösung durch andere friedliche Mittel, wie insbesondere das Schiedsgerichts-
und Vergleichsverfahren, suchen. Unter keinen Umständen werden sie
jedoch zum Zweck der Austragung solcher Streitfragen zur Anwendung von
Gewalt schreiten.
Die durch diese Grundsätze geschaffene Friedensgarantie wird den beiden
Regierungen die große Aufgabe erleichtern, für die zwischen ihren Ländern
schwebenden oder künftig entstehenden Probleme politischer, wirtschaft-
licher oder kultureller Art eine Lösung zu finden, die einen gerechten und
billigen Ausgleich der beiderseitigen Interessen darstellt.
Die beiden Regierungen sind der Überzeugung, daß sich auf diese Weise
die Beziehungen zwischen ihren Ländern fruchtbar entwickeln und zur Be-
gründung eines gutnachbarlichen Verhältnisses führen werden, das nicht
nur ihren beiden Ländern, sondern auch den übrigen Völkern Europas zum
Segen gereicht.
Die gegenwärtige Erklärung, an die sich die beiden Regierungen für einen
Zeitraum von mindestens zehn Jahren für gebunden erachten, soll ratifiziert
werden; die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in
ausgetauscht werden.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und polnischer Sprache.
BERLIN, den November 1933.
Für die deutsche Regierung: Für die polnische Regierung:
gez X. gez. Y.

82
6177/E 463 487
Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer
BERLIN, den 23. November 1933
IV Po. 8441
Herr Legationsrat Schliep, der gestern aus Warschau hier eintraf, über-
mittelte die Anregung des Herrn Moltke, ihn zu beauftragen, den Text einer
No-force-declaration in einer privaten Audienz dem Marschall Pilsudski
mit den Grüßen des Herrn Reichskanzlers zu übergeben. Herr von Moltke
hält die Angelegenheit für dringlich, da zu befürchten sei, daß die Polen
durch Vorlegung eines eigenen Vorschlages das praevenire zu spielen ver-
suchen würden.
Ich habe Herrn Schliep erwidert, daß die Fixierung einer No-force-decla-
ration sich noch im Stadium der Prüfung befinde; ich würde die Anregung

143
Nr. 83 23. NOVEMBER 1933

von Herrn von Moltke sofort weiterleiten; es werde ihm telegraphischer


Bescheid zugehen.1)
MEYER
(i) Randvermerk: „Sofort H[errn] MD Meyer. RK ist mit der polnischen] .Erklärung' ein-
verstanden. Er ist auch mit dem v[on] Schliep überbrachten Vorschlag einverstanden]
Bitte also Moltke anweisen, daß er P[ilsudski] die Erklärung mit Grüßen usw. des RK
übergibt. B(itte) daran zu denken, daß der Anfang von Abs. 4 der .Erklärung' geändert
wurde. Hat Moltke diese Änderung bereits? B(ülow] 23. 11."
Die Weisung an Moltke ist Dokument Nr. 84.

83
9151/E 643 902-04
Das Auswärtige Amt an die Gesandtschaft in Prag
Sofort den 23. November 1933
BERLIN,
Kurier am 23. 11. [zu] II Ts. 1432 l)
1435 *)
1507 s)
Auf die Berichte A III 2 f. vom 8. d. M., A III 1 b. 8 vom 9. d. M. und A III
1 b. 8 vom 17. d.M.
Das Auswärtige Amt ist nach Lage der Dinge gleichfalls der Ansicht, daß
es zwar auf absehbare Zeit noch nicht möglich sein wird, die großen grund-
sätzlichen politischen Fragen und Gegensätze zwischen Deutschland und der
Tschechoslowakei einer Lösung näherzubringen, daß aber trotzdem beider-
seits angestrebt werden sollte, die äußeren Beziehungen zur Tschechoslo-
wakei möglichst bald wieder mindestens zu normalisieren.
Neben der Frage des Emigrantentums und einer Bereinigung der gegen-
seitigen Presseverbote wird in diesem Zusammenhang besonders auch der
von Benes selbst angeregte Austausch der aus politischen Gründen be-
straften bzw. festgesetzten Personen erwogen werden können. Hiernach
käme eine vorsichtige Vorbereitung einer solchen Maßnahme in der Rich-
tung in Betracht, daß eine Liste der seit dem Umsturz verurteilten Reichs-
deutschen in der Tschechoslowakei, die auch im einzelnen das ihnen vor-
geworfene Vergehen und ihre Strafen enthalten müßte, für die kommenden
Verhandlungen zusammengestellt und hierher eingereicht würde. Es ist
*(l) II Ts. 1432: Bericht Kochs Nr. A III 2 f. vom 8. November, abgedruckt als Dokument
Nr. 51.
*(2) II Ts. 1435: Bericht Kochs Nr. A III 1 b. 8 vom 9. November, abgedruckt als Dokument
Nr. 56.
• (3) II Ts. 1507: Bericht Kochs Nr. A III 1 b. 8 vom 17. November (9151/E 643 900-01), in dem
das Auswärtige Amt darauf aufmerksam gemacht worden war, daß der stellvertretende
tschechoslowakische Außenminister Krofta bei einem vertraulichen Empfang der Asso-
ciation der Auslandspresse in Prag erklärt habe, Deutschland habe der Tschechoslowakei
inoffiziell das Angebot eines Nichtangriffspakts gemacht. „Die Tschechoslowakei habe
aber darauf geantwortet, daß sie einen derartigen Pakt nicht ohne Einvernehmen mit
Frankreich sehließen könne und daß ferner gleichzeitig ein Nichtangriffspakt Deutsch-
land-Polen geschlossen werden müßte." Koch bat um Mitteilung darüber, inwieweit
Kroftas Äußerungen den Tatsachen entsprächen.

144
Nr. 84 24. NOVEMBER 1933

vorgesehen, eine ähnliche Liste der in Deutschland aus politischen Gründen


verhafteten oder verurteilten tschechoslowakischen Staatsangehörigen durch
das Reichsministerium des Innern herstellen zu lassen, sobald die ernste
Absicht der tschechoslowakischen Regierung auf Vornahme von entspre-
chenden Verhandlungen über den Austausch feststeht.
Ferner bitte ich, unter der Hand - jedenfalls ohne einen besonderen diplo-
matischen Schritt deswegen zu unternehmen - Feststellungen zu treffen, wie
man sich dort in amtlichen Kreisen die Konkretisierung der Benesschen An-
regung denkt.
Herr Mastny ist inzwischen nach seiner Rückkehr von Prag am 15. d.M.
bei mir erschienen 4 ) und hat mir über seinen letzten Aufenthalt in Prag und
von seinen Versuchen, auch seinerseits eine weitere Verschärfung des Kon-
flikts zu verhindern, Mitteilung gemacht. Dabei ist er seinerseits, wie sich
aus der beiliegenden Aufzeichnung über die Unterhaltung mit mir 5 ) ergibt,
auf die Frage des Gefangenenaustauschs nicht zu sprechen gekommen. Er
hat aber von sich aus die Gelegenheit dazu benutzt, um seinerseits das
Problem der Nichtangriffspakte anzuschneiden, das er offenbar im vor-
herigen Einverständnis mit Krofta in ähnlichem Sinne behandelt hat. Alles
Nähere darüber ergibt sich aus meiner Aufzeichnung. Irgendeine deutsche
Erklärung zu der Frage eines Nichtangriffspakts mit der Tschechoslowakei
liegt bisher nicht vor; daraus erklärt sich auch die Tatsache, daß ich mich
meinerseits zu den Ausführungen Mastnys durchaus rezeptiv verhalten
habe.
über den Sudetendeutschen Heimatbund und dessen zur Zeit im Gange
befindliche Umorganisation erfolgt gesonderter Bericht.6)
Im Auftrag
KÖPKE
(4) Siehe Dokument Nr. 68.
(5) Dokument Nr. 68.
(«) Randvermerk: „Erl[edigt] durch Reise nach Prag."

84
6177/E 463 495-97
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Gesandtschait in Warschau
Telegramm
Citissime [BERLIN], den 24. November 1933 20 Uhr 50
Vorrang IV Po. 8503
Nr. 157
Für Gesandten persönlich.
Der Herr Reichskanzler ist mit dem Ihnen hier bereits persönlich über-
gebenen Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung einverstanden. 1 ) Es

(l) Für den von Hitler gebilligten Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung siehe Doku-
ment Nr. 81. Der Entwurf, der Moltke in Berlin übergeben worden war, vermutlich bei
seinem dortigen Aufenthalt am 20. November, ist gefilmt unter 9984/E 697 412-14.

145

II,1 Bg. 10
Nr. 84 24. NOVEMBER 1933

ist lediglich folgende Änderung vorzunehmen:


Auf Seite 1 der Erklärung ist der erste Satz des Absatzes 4 wie folgt zu
fassen: 2 )
„Zu diesem Zweck stellen sie fest, daß sie entschlossen sind, alle zwischen
den beiden Ländern auftauchenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen,
auf den Weg unmittelbarer Verhandlungen zu leiten. Sollten etwa Streit-
fragen usw." Im übrigen bleibt der Text unverändert.
Der Herr Reichskanzler ist ferner damit einverstanden, daß Sie diesen
Entwurf in einer Audienz dem Marschall Pilsudski im Namen des Herrn
Reichskanzlers übergeben. Ich bitte Sie, sofort diese Audienz in geeigneter
Form nachzusuchen und auf schnelle Anberaumung des Termins zu drängen,
damit die Polen uns nicht mit irgendwelchen Vorschlägen zuvorkommen.
Den Tag der Audienz bitte ich drahtlich zu melden, da ich an dem gleichen
Tage den polnischen Gesandten 3 ) empfangen will, um ihm Abschrift der
von Ihnen zu überreichenden Erklärung zu übergeben. Von dieser Absicht
bitte ich aber den dortigen Stellen gegenüber noch nichts verlauten zu
lassen. Auch bitte ich die Nachsuchung der Audienz nur in der Weise zu
begründen, daß Sie in Verfolg der Demarche, die der polnische Gesandte
in Berlin im Auftrage des Marschalls Pilsudski beim Herrn Reichskanzler
gemacht habe,4) einen Auftrag des Herrn Reichskanzlers beim Marschall
auszuführen hätten.
Ich bitte bei der Audienz etwa folgendes auszuführen: Der Herr Reichs-
kanzler erwidere mit bestem Dank die Grüße des Marschalls. Er habe mit
Genugtuung die Initiative des Marschalls begrüßt, dessen Ideen von ihm
durchaus geteilt würden, wie sich aus dem vereinbarten Pressekommuni-
que 5 ) ergebe. Der Reichskanzler sei der Ansicht, daß es zweckmäßig sei,
es nicht bei diesem Kommunique zu belassen, sondern eine Form zu finden,
welche die Gedanken und die Willensrichtung der beiden Regierungen
klarer präzisiere und einen nachhaltigeren politischen Effekt habe. Sie
seien deshalb beauftragt, den Entwurf einer Erklärung zu überreichen, wie
sie von beiden Regierungen abgegeben werden könnte, um zu dem ge-
wünschten Ziele zu gelangen. Zur Begründung dieses Entwurfs wäre weiter
auszuführen, daß es dem Herrn Reichskanzler gut erscheine, nicht mit den
hergebrachten alten Begriffen und schon etwas abgegriffenen Formulierun-
gen zu operieren, sondern anstatt dessen eine Form zu wählen, die den
politischen Entschluß der beiden Regierungen unzweideutig in Erscheinung
treten lasse und auf die Öffentlichkeit einen stärkeren Eindruck machen
würde als die nicht mehr in besonderem Ansehen stehende übliche Pakt-
form. Dabei wäre aber zu betonen, daß die in dem Entwurf gewählte Form
nichts an dem bindenden Charakter der Abmachungen ändere, wie sich
schon aus der am Schluß vorgesehenen Ratifizierung ergäbe.

(2) Der entsprechende Satz lautete in dem Moltke in Berlin übergebenen Entwurf: „Zu
diesem Zwecke stellen sie fest, daß sie entschlossen sind, alle die beide Länder
berührenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen, auf dem Wege unmittelbarer
Verhandlungen in Angriff zu nehmen."
• (3) Lipski.
• (4) Siehe Dokument Nr. 69.
(0) Siehe Dokument Nr. 69, Anm. 2.

146
Nr. 85 24. NOVEMBER 1933

Sollte der Marschall Pilsudski Sie allein ohne den Außenminister emp-
fangen, so bitte ich nach der Audienz Herrn Beck aufzusuchen und ihm Ab-
schrift der dem Marschall übergebenen Erklärung zu übergeben, wobei Sie
die gleichen Ausführungen zu machen hätten wie dem Marschall Pilsudski
gegenüber. Auch der weitere modus procedendi wäre dann mit Herrn Beck
zu besprechen.
v. N[EURATH]

85
6159/E 461 245-48
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Menshausen
Geheim BERLIN, den 24. November 1933
zu II Vat. 526 >)
AUFZEICHNUNG

Ministerialdirektor Jäger vom Preußischen Kultusministerium hat dem


Auswärtigen Amt in nichtamtlicher Form vertraulich zur Kenntnis gebracht,
daß das hiesige Domkapitel den Bischof Bares von Hildesheim zum Bischof
von Berlin gewählt und gemäß Artikel 6 des Preußischen Konkordats bei
der Preußischen Staatsregierung angefragt habe, ob Bedenken politischer
Art gegen den Genannten bestünden. Auf Grund der beim Kultusministe-
rium vorliegenden Informationen sei beabsichtigt, die Wahl abzulehnen,
sofern von seiten des Auswärtigen Amts gegen die Ablehnung keine Be-
denken bestünden. Zwecks Wahrung der im Schlußprotokoll des Reichs-
konkordats 2) vorgesehenen Ablehnungsfrist sei dem Domkapitel auf seine
Anfrage ein Vorbescheid des Inhalts erteilt worden, daß die Erwägungen
über die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen seien.
Die gegen Bischof Bares vorliegenden Bedenken begründete Herr Jäger
damit, daß Bares noch im verflossenen Jahre die von Zentrumsseite in seiner
Diözese betriebene Pressekampagne gegen den Nationalsozialismus und
die politische Terrorisierung der katholischen Bevölkerung durch verschie-
dene Geistliche seines Bezirks zum mindesten geduldet habe. Als besonders
gehässig gelte der Generalvikar, für dessen Verhalten der Bischof doch
letzten Endes verantwortlich sei. Ein im Juli 1932 an den Bischof gerichtetes
Protesttelegramm der von Oberregierungsrat Lossau geleiteten „Abwehr-
stelle gegen Kirchenmißbrauch" wegen Mißbrauchs des Beichtstuhls von
seiten einiger Redemptoristenpater zu parteipolitischen Zwecken sei un-
beantwortet geblieben. Jedenfalls bestehe kein Zweifel, daß Bischof Bares -
wie wohl die meisten Mitglieder des deutschen Episkopats - dem National-
sozialismus innerlich ablehnend gegenüberstehe. Es sei daher wünschens-
wert, daß für den besonders wichtigen Berliner Bischofsstuhl eine Persön-
lichkeit ernannt werde, deren nationalsozialistische Gesinnung einwandfrei
feststehe. Er (Jäger) habe dies auch dem Bischof Berning von Osnabrück

(i) II Vat. 526: Telegramm Bergens Nr. 91 vom 22. November (6159/E 461 242)
(2) Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 371.

147
Nr. 85 24. NOVEMBER 1933

(Mitglied des Preußischen Staatsrats) noch dieser Tage bei seinem Besuch
in Berlin unverhohlen zum Ausdruck gebracht.
Unsere auf Grund dieser Mitteilungen an den Botschafter beim Heiligen
Stuhl gerichtete Bitte um Stellungnahme 3 ) wurde dahingehend beantwortet,
daß eine nicht hinreichend begründete Ablehnung des 1928 als einwandfrei
anerkannten Bischofs von Hildesheim leicht zu Weiterungen mit der Kurie
führen würde.4) Bares gelte bei der Kurie als streng kirchlicher Bischof, der,
abgesehen von seiner früheren Zugehörigkeit zum Zentrum und seinen
persönlichen Beziehungen zu den damaligen Parteiführern, politisch nicht
weiter in die Erscheinung getreten sei.
In der Tat lassen die gegen Bischof Bares vorgebrachten Bedenken den
so schwerwiegenden Schritt einer Ablehnung „aus politischen Gründen"
nicht genügend gerechtfertigt erscheinen. Wie ich natürlich streng ver-
traulich feststellen konnte, hatte im Gegenteil auch der Regierungspräsident
von Hildesheim auf Anfrage ausdrücklich berichtet, daß ihm keine Tat-
sachen bekannt seien, aus denen Bedenken politischer Natur gegen Bares
begründet werden könnten. Die Anregung der Ablehnung geht offenbar
von anderer, nichtamtlicher Stelle aus.
Auf Weisung des Herrn Reichsministers habe ich Ministerialdirektor
Jäger von der Äußerung des Botschafters von Bergen in Kenntnis gesetzt
und ihm unter Darlegung unseres Standpunktes auftragsgemäß mitgeteilt,
daß Auseinandersetzungen mit der Kurie vermieden werden müßten und
daß dies auch der ausdrückliche Wunsch des Herrn Reichskanzlers sei. Dabei
wies ich darauf hin, daß Bischof Bares im Falle der Ablehnung seiner
Transferierung nach Berlin ja doch den Bischofsstuhl von Hildesheim be-
hielte und somit ohnehin Mitglied des Preußischen Episkopats bliebe.
Ministerialdirektor Jäger erwiderte, daß er sich den von uns vorge-
brachten Bedenken nicht verschließen könne und einsehe, daß daraus
schwerwiegende Komplikationen entstehen könnten. Er glaube zwar kaum,
daß Ministerpräsident Göring ohne weiteres mit der Wahl des Bischofs
Bares einverstanden sein werde, aber ausschlaggebend sei ja letzten Endes
der Wunsch des Führers.
Da inzwischen auch an den Herrn Reichskanzler in seiner Eigenschaft als
Reichsstatthalter von Preußen von seiten des Berliner Domkapitels eine
ähnliche Anfrage wie an das Preußische Staatsministerium auf Grund des
Artikels 14 des Reichskonkordats ergangen sein dürfte, erscheint es zweck-
mäßig, dem Führer baldigst eine persönliche Entscheidung in dem Sinne
vorzuschlagen, daß Bedenken gegen die Ernennung des Bischofs Bares zum
Ordinarius der Diözese Berlin nicht geltend gemacht werden sollen.
Hiermit dem Herrn Reichsminister über den Herrn Staatssekretär und
Herrn Ministerialdirektor Köpke zur geneigten Kenntnis gehorsamst vor-
gelegt.5)
MENSHAUSEN
(3) Telegramm Nr. 44 vom 21. November (6159/E 461 241).
*(4) Telegramm Bergens Nr. 91 vom 22. November. Siehe Anm. 1.
(5) Bei der Vorlage befindet sich in den Akten folgende Notiz (6159/E 461 244): „Göring
will von der Wahl Bares' zum Bischof von Berlin nichts wissen, trotzdem ich unsere
Bedenken gegen die Ablehnung geltend gemacht habe. v. N[eurath] 2. 12."
Siehe Dokument Nr. 134.

148
Nr. 86 25. NOVEMBER 1933

86
2406/D 510 757-59

Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath


BERLIN, den 25. November 1933
RM. 1620
Der Herr Reichskanzler empfing gestern in meinem Beisein den franzö-
sischen Botschafter.1) Dieser begann die Unterhaltung mit längeren Aus-
führungen, in welchen er darzulegen suchte, daß sich in Frankreich in der
öffentlichen Meinung ein Umschwung vorbereite, der auf die verschiedenen
Erklärungen des Reichskanzlers über den Friedenswillen Deutschlands und
die Absicht direkter Verständigung mit Frankreich zurückzuführen sei. Herr
Poncet erklärte dazu, daß die Meinung Frankreichs natürlich noch sehr ge-
teilt sei und daß noch einige Zeit vergehen werde, bis die Mehrheit des
französischen Volkes sich an den Gedanken einer direkten Verständigung
mit Deutschland gewöhnt habe. Immerhin sei ein wesentlicher Fortschritt
in dieser Richtung zu verzeichnen. Der Kanzler unterbrach den Botschafter
und machte ihn auf die Veröffentlichung im Petit Parisien aufmerksam, die
er als offensichtliche Fälschung bezeichnete mit dem Zwecke, eine deutsch-
französische Annäherung zu sabotieren.2) Aus der Antwort des französi-
schen Botschafters ging hervor, daß er selbst nicht durchaus von der Fäl-
schung überzeugt ist, und ich hatte sogar den Eindruck, daß er vor der Ver-
öffentlichung von den Dokumenten Kenntnis erhalten hat.
übergehend zu dem von dem Herrn Reichskanzler dem Herrn de Brinon
gegebenen Interview, 3 ) das übrigens, wie der Herr Reichskanzler bemerkte,
ohne seine Zustimmung veröffentlicht worden ist, allerdings mit der Ab-
sicht, der Veröffentlichung des Petit Parisien und seinen ungünstigen Wir-
kungen entgegenzuarbeiten, frug Herr Poncet, ob der darin vorkommende
Satz, daß wir auf keinen Fall wieder nach Genf zurückkehren würden, richtig
wiedergegeben sei. Anstelle des Reichskanzlers erwiderte ich Herrn Poncet,
daß wir jedenfalls einem Völkerbund in der jetzigen Form nicht wieder
beitreten würden, dagegen seien wir selbstverständlich bereit, auf solchen
Gebieten mitzuarbeiten, die nicht politischer Natur seien und deshalb eine
internationale Zusammenarbeit fruchtbar erscheinen ließen. Der Reichs-
kanzler unterstrich noch diese meine Ausführungen.
Sodann frug Herr Poncet nach unseren Rüstungswünschen. Der Kanzler
gab ihm die gleichen Erklärungen wie seinerzeit dem englischen Botschaf-
ter,4) die Herr Poncet als ihm bekannt bezeichnete. Herr Poncet erwähnte

l1) Siehe auch Dokument Nr. 54.


(2) Der Hinweis bezieht sich auf einen Artikel im Petit Parisien vom 17. November 1933,
in dem unter der Überschrift „Le vrai visage des maitres du 3e Reich" angebliche Pro-
pagandaleitsätze für die deutschen diplomatischen Vertretungen, besonders in Nord-
und Südamerika, vorgestellt worden waren. Die Botschaft in Paris hatte in Telegramm
Nr. 905 vom 16. November (2406/D 510 752-53) über den Artikel berichtet.
(3) Dieses Interview Hitlers mit dem französischen Journalisten Brinon war am 22. Novem-
ber in der Zeitung Le Matin veröffentlicht worden. Siehe auch Brinon, Memoires, S. 28.
*(4) Phipps. - Siehe Dokument Nr. 23.

149
Nr. 87 25. NOVEMBER 1933

hierbei auch die Kontrollfrage und frug, ob wir also einer Kontrolle „si
omnes" zustimmten. Der Reichskanzler bejahte dies,
Auf die Saarfrage übergehend, brachte Herr Poncet seine alten Thesen
vor, daß nämlich wirtschaftlich die Saar aufs engste mit Lothringen verbun-
den sei und daß man bezüglich der Saargruben einen Weg finden müsse,
der eine deutsch-französische Zusammenarbeit dort ermögliche. Diesen
letzteren Gedanken bezeichnete der Kanzler auch als seinen Intentionen
entsprechend, während er auf die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit
des Saargebiets von Lothringen nicht näher einging.5) Endlich brachte Herr
Poncet die Sprache auch noch auf die österreichische Frage, die jedoch der
Kanzler mit der kurzen Bemerkung abfertigte, daß man in Österreich eben
Neuwahlen ausschreiben müsse. Im übrigen betonte der Kanzler Herrn
Poncet gegenüber, daß er nicht die Absicht habe, die österreichische An-
schlußfrage aufzurollen. Wir hätten genügend Probleme im eigenen Lande
zu lösen, so daß wir nicht Lust hätten, uns durch den österreichischen An-
schluß noch weitere aufzubürden.
Die Unterredung dauerte beinahe 1 l /i Stunden. Es herrschte Überein-
stimmung darüber, daß die deutsch-französischen Besprechungen auf diplo-
matischem Wege fortzusetzen seien, daß aber eine längere Zeit vergehen
müsse, bis sie zu einem Ergebnis führen könnten. Herr Poncet äußerte be-
züglich der Zukunft der französischen Regierungen die Ansicht, daß voraus-
sichtlich in einiger Zeit Herr Daladier, evtl. auch Herr Tardieu, die Regie-
rungsgewalt wieder übernehmen würden, daß aber noch ein bis zwei kurz-
lebige Ministerien vorausgehen müßten, um die für eine starke Regierung
in Frankreich erforderlichen Vorbedingungen zu schaffen.6)
v. N[EURATH]
(5) Siehe hierzu Dokument Nr. 101 und Anm. 2 dazu.
*(8) Ein Bericht Francois-Poncets über die Unterredung mit Hitler ist abgedruckt in Docu-
ments Diplomatlques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 52.

87
5752/H 037 417
Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt
Telegramm

Nr. 75 vom 24. 11. WARSCHAU, den 25. November 1933 2 Uhr 45
Ankunft: 25. November 5 Uhr
IV Po. 8521
Außenminister Beck, den ich heute im Zusammenhang mit Wirtschafts-
verhandlungen sprach, benutzte die Gelegenheit, um seiner Befriedigung
über letzte Entwicklung deutsch-polnischer Beziehungen Ausdruck zu
geben. Die verschiedenen Äußerungen Reichskanzlers, insbesondere die
von früherem Ton abweichenden Bemerkungen über Polen, hätten hier
starken Eindruck gemacht. Er habe daher in engstem Einvernehmen mit

150
Nr. 89 27. NOVEMBER 1933

Marschall Pilsudski geglaubt, daß Zeitpunkt für Initiative in deutsch-polni-


scher Frage gekommen sei. Gegenwärtige Depression Europas dürfe Mut
zu aktiver Politik nicht beeinträchtigen. Er werde den als richtig erkannten
Weg fortsetzen und sich durch keinerlei Kritik beeinflussen lassen, woher
sie auch komme. Er wisse sehr wohl, daß es Nutznießer der deutsch-polni-
schen Spannung gegeben habe. Besonders dankbar sei er für rückhaltloses
Aufgreifen polnischer Anregungen durch Reichskanzler sowie freundliche
Aufnahme, die Gesandter Lipski auch persönlich gefunden habe.
Bezüglich Wirtschaftsabkommen sei er bemüht, Ausweg aus noch immer
vorhandenen Schwierigkeiten zu finden, die besonders in Schiffahrtsfrage
zwischen beteiligten Ressorts entstanden seien. Die Prüfung dieser kompli-
zierten Frage habe er leider noch nicht abschließen können.
MOLTKE

88
6177/E 463 507-08
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
[BERLIN, den] 27. November [1933]
IV Po. 8632
Ich habe dem polnischen] Gesandten ,) heute um 6 Uhr 30 eine Abschrift
der Erklärung 2 ) gegeben u[nd] die im Erlaß nach Warschau 3 ) niedergeleg-
ten Ausführungen gemacht. Außerdem habe ich ihn gebeten, keine Mittei-
lung darüber an die Presse zu geben. Moltke sei beauftragt, mit dem pol-
nischen] Außenministerium ein Komm[uniqu6] zu verfassen u[nd] zur Ge-
nehmigung hierher mitzuteilen.
v. N[EURATH]
• (1) Lipski.
(2) Dokument Nr. 81, Anlage.
(3) Dokument Nr. 84.

89
9078/E 637 466-68
Autzeichnung des Legationsrats Altenburg
BERLIN, den 27. November 1933
zu IV Chi. 2567 l) II
Herr Klein 2 ) ist der Leiter der STAMAG und steht dem Reichswehrmini-
sterium nahe. In den Kreisen der Industrie, wie z. B. Siemens, war er bisher
anscheinend unbekannt. Er ist durch den Ministerialrat de Grahl vom

(1) IV Chi. 2567: Nicht ermittelt.


(2) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 436.

151
Nr. 89 27. NOVEMBER 1933

Waffenamt im Auswärtigen Amt eingeführt worden und hat hier über eine
Geschäftsreise nach Südchina und über die dort von ihm mit der Regierung
der Provinz Kuangtung angeblich geschlossenen Verträge betreffend Auf-
bau einer Rüstungsindustrie in Canton berichtet. Er ist von hier aus unter
Vorbehalt der Prüfung der politischen Seite seiner Pläne zunächst an die
Deutsche Revisions- und Treuhand AG sowie an das Reichswirtschafts-
ministerium verwiesen worden, um mit diesen Stellen seine Pläne nach der
wirtschaftlichen Seite hin und im Hinblick auf die von ihm nachgesuchte
Reichsausfallbürgschaft für ein Objekt von ca. 7 Millionen RM zu bespre-
chen.
Soweit bekannt, ist der Antrag auf Reichsausfallbürgschaft zunächst auf
die technische Schwierigkeit gestoßen, daß Herr Klein lediglich eine Han-
delsfirma, nicht eine Industriefirma vertritt. Er ist insbesondere vom Reichs-
wirtschaftsministerium (Oberregierungsrat Köhler) dahin beraten worden,
wie er seinen Antrag etwa durch Bildung eines Konsortiums den bestehen-
den Bestimmungen anzupassen habe. Im Auswärtigen Amt hat sich Herr
Klein nicht wieder gemeldet. Nach der politischen Seite unterliegt der Auf-
bau einer Rüstungsindustrie in Südchina durch deutsche Firmen gewissen
Bedenken. Der deutsche Gesandte Herr Trautmann hat wiederholt seine
Ansicht dahin zum Ausdruck gebracht, daß Deutschland sich auf dem Gebiet
der Rüstungsindustrie und der Arsenallieferungen aus dem südchinesischen
Geschäft nach Möglichkeit heraushalten solle,3) und zwar vor allem wegen
des innerpolitischen Gegensatzes zwischen der chinesischen Zentralregie-
rung in Nanking und den nahezu unabhängig gewordenen Provinzialregie-
rungen in Südchina, vor allem in Canton. Wir sollten uns daher wie bisher
hinsichtlich wehrpolitischer Maßnahmen auf die Unterstützung der Nankin-
ger Zentralregierung (deutsche Militärberater, Arsenalprojekte u. ä.) be-
schränken und uns Nanking nicht durch auch wirtschaftlich zu optimistische
Extratouren in Südchina verprellen. Es ist hier allerdings bekannt, daß die
Pläne des Herrn Klein im Reichswehrministerium, namentlich im Waffen-
amt, bisher immer eine starke Förderung erfahren haben.
Im Zusammenhang mit dem Besuch des Herrn Klein in Canton befinden
sich jetzt zwei chinesische Generale aus Canton in Berlin, von ihnen ist der
eine der Direktor des Cantoner Arsenals. Beide wollen angeblich die Waf-
fenfabrikation in Europa im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung
eines großen Arsenals bei Canton studieren.4)
Es dürfte sich für eine etwaige Besprechung mit Herrn Keppler empfeh-
len, auf die bestehenden politischen Bedenken im Zusammenhang mit der
soeben auch amtlich bestätigten Meldung von der Unabhängigkeitserklä-
rung der südchinesischen Provinz Fukien hinzuweisen.
Hiermit über Herrn Ministerialdirektor Meyer Herrn Ministerialdirektor
Ritter ergebenst vorgelegt.
I.A.
A[LTENBURG]

(») Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 436.


*(4) Weitere Einzelheiten über die Aktivitäten der chinesischen Generale Wu Yet-chih und
Tang Yen-diun in Berlin sind in einer Aufzeichnung Altenburgs vom 29. Januar 1934
(8580/E 601 963-65) enthalten.

152
Nr. 90 27. NOVEMBER 1933

90
6177/E 463 502-03
Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt

Telegramm

Cito WARSCHAU, den 28. N o v e m b e r 1933 8 Uhr 22


Nr. 76 vom 27. 11. Ankunft: 28. N o v e m b e r 11 Uhr
IV Po. 8594

Empfang bei Marschall Pilsudski hat heute nachmittag stattgefunden. Die


Unterredung, bei der Außenminister Beck zugegen w a r und die etwa 1 1U
Stunde d a u e r t e , trug einen betont freundlichen Charakter, wie ü b e r h a u p t
die für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich schnelle A n b e r a u m u n g des Emp-
fangs als besondere Aufmerksamkeit zu w e r t e n ist.
Der Marschall, der in Unterhaltung gern v o m sachlichen Thema ab-
schweift, um persönliche Erinnerung, meistens militärischer Art, einzu-
flechten, macht einen geistig frischen, körperlich aber über seine J a h r e
hinaus gealterten und fast gebrechlichen Eindruck. Seine Grundeinstellung
zu dem e r ö r t e r t e n Fragenkomplex war gekennzeichnet durch eine immer
wieder zum Ausdruck kommende sympathische A n e r k e n n u n g der Persön-
lichkeit Reichskanzlers, dessen aufrichtigen Friedenswillen er im Laufe
Unterhaltung in einer fast polemisch klingenden, a n H e r r n Beck gerichteten
Bemerkung unterstrich.
Ich b e g a n n die Unterredung mit Übermittlung des Dankes und der Grüße
des Reichskanzlers, die Pilsudski mit sichtlicher Befriedigung entgegennahm.
Nach der weisungsgemäß erfolgten Darlegung über die gewählte Form der
„Erklärung" h a b e ich diese dem Wunsch des Marschalls entsprechend auf
deutsch vorgelesen und durch Erläuterungen in der ihm geläufigeren fran-
zösischen Sprache ergänzt. 1 )
Pilsudski äußerte sich zustimmend zu G r u n d g e d a n k e n des deutschen Vor-
schlags. Er billigte insbesondere, und zwar in der ihm eigenen drastischen
Ausdrucksweise, die W a h l einer neuartigen Formulierung und den ihm be-
sonders sympathischen Verzicht auf die v e r h a ß t e n Paragraphen, ließ a b e r
vorsichtshalber durchblicken, daß manchmal auch althergebrachte Formen
und P a r a g r a p h e n ihren W e r t hätten. Er erklärte, daß er naturgemäß nicht
in der Lage sei, zu Einzelheiten des Entwurfs Stellung zu nehmen, daß er
aber ein Bedenken schon jetzt hervorheben wolle, und zwar die Bezug-
nahme auf d e n Schiedsvertrag von Locarno, der in Polen einen schlechten
Klang habe. Hinsichtlich des weiteren Prozedere setzte der Marschall in
umständlicher Form auseinander, wem alles der Entwurf zur Prüfung und
Begutachtung vorgelegt w e r d e n müsse, und wies wiederholt darauf hin,
daß dieses Verfahren geraume Zeit in Anspruch n e h m e n würde. Im weite-
ren Verlauf der Unterredung unterstrich Pilsudski seinen Wunsch, die
deutsch-polnischen Beziehungen auf eine freund-nachbarliche Basis zu
bringen, betonte aber mit einer Deutlichkeit, wie ich sie bisher von polni-

*(i) Siehe die Dokumente Nr. 81 und 84.

153
Nr. 91 30. NOVEMBER 1933

sehen Politikern kaum gehört habe, daß sich aus der 1000 Jahre alten
Deutschfeindlichkeit des polnischen Volkes große Schwierigkeiten bei der
Durchführung dieser Politik ergeben würden. Diese Politik dürfe infolge-
dessen nicht auf Gefühlsmomente, sondern nur auf Erwägungen der Ver-
nunft aufgebaut werden. Seiner Behauptung, daß die Verhältnisse in
Deutschland ähnlich lägen, widersprach ich und betonte unter Hinweis auf
Vorfälle der letzten Zeit die Notwendigkeit, eine planmäßige Wirkung 2 )
einzuleiten, wie das bereits von seiten Deutschlands z. B. auf dem Gebiet
der Presse in wirksamer Weise geschehen sei. Meine Darlegungen beant-
wortete Pilsudski, indem er seiner grenzenlosen Verachtung für die Presse
Ausdruck verlieh, mit der er nichts zu tun haben wolle, gab aber zu, daß es
nützlich sei, auf politische Organisationen einzuwirken.
Abschließend erwähnte ich den Wunsch Reichskanzlers, auch auf wirt-
schaftlichem Gebiet zu normalen Beziehungen zu gelangen. Pilsudski erwi-
derte, daß seinerzeit nur ein Minister im polnischen Ministerium dem Zoll-
krieg widersprochen habe, während heute sich wohl kaum ein Minister fin-
den würde, der die Fortführung dieses unseligen Krieges gutheiße. Aller-
dings sei Polen, das sich ohne jegliche Reserve durch die Wirtschaftskrise
durchgekämpft habe, darauf angewiesen, einen wirtschaftlich tragbaren
Ausgleich zu suchen.
MOLTKE
*(2) Möglicherweise wurde der Text an dieser Stelle bei der Übermittlung verstümmelt.

91
6064/E 448 656-60
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an das Auswärtige Amt
Vertraulich BERLIN, den 30. November 1933
Rk. 13 694 II II Balk. 2200 Js.
Auf Grund der mir durch Schreiben des Herrn Staatssekretärs von
Bülow1) übermittelten Aufzeichnung des Herrn Ministerialdirektors
Köpke 2 ) über den Besuch des Herrn von Hohen-Aesten 3 ) beim jugoslawi-
schen Gesandten in Berlin und der der Reichskanzlei zugegangenen Auf-
zeichnung des Legationssekretärs Dr. Budde vom 27. d. Mts.4) über die gleiche
Angelegenheit hat der Herr Reichskanzler die Verhaftung des Herrn von
Hohen-Aesten angeordnet. Herr von Hohen-Aesten ist dem Preußischen
Geheimen Staatspolizeiamt übergeben worden.

(1) Fundort: 9348/E 662 329.


(2) Köpke hatte in dieser Aufzeichnung vom 17. November (6065'H 448 781-82) vermerkt,
der jugoslawische Gesandte Balugdzic habe ihn erneut auf die Angelegenheit der
kroatischen Emigrantenblätter angesprochen und ihn außerdem auf Aktivitäten eines
gewissen Herrn von Hohen-Aesten aufmerksam gemacht.
(3) Siehe Dokument Nr. 15.
(4) Fundort: 6064/E 448 651-52.

154
Nr. 91 30. NOVEMBER 1933

Abschriften der Vernehmungsprotokolle übersende ich mit der Bitte um


vertrauliche Kenntnisnahme.5)
DR. LAMMERS

[Anlage 1]
Abschrift
BERLIN, am 24. November 1933
Es erschien Herr Sergius Wiegand von Hohen-Aesten beim Herrn Reichs-
kanzler.
Der Herr Reichskanzler hielt Herrn von Hohen-Aesten vor, er solle nach
einer Mitteilung des jugoslawischen Gesandten Balugdzic diesen aufge-
sucht und ihm folgendes erklärt haben:
Er sei ein Freund des nationalsozialistischen Abgeordneten Rosenberg
und wolle ihm nahelegen, doch den Versuch, das Verbot der beiden Emi-
grantenblätter Croatiapress und Nezavisna Hrvatska Drzava über das
Auswärtige Amt zu erreichen, aufzugeben. Er - von Hohen-Aesten - sei in
der Lage, die Sache über das Außenpolitische Amt in wenigen Tagen zu er-
ledigen, nur bäte er den Gesandten, ihm für vier namentlich bezeichnete
Herren im Außenpolitischen Amt jugoslawische Dekorationen in Aussicht
zu stellen. Er - Hohen-Aesten - habe zugleich bei ihm - dem jugoslawischen
Gesandten -, ebenso wie vor einiger Zeit bei dem tschechoslowakischen
Gesandten, den Abschluß eines Nichtangriffspaktes angeregt.
Herr von Hohen-Aesten erklärte:
Seit November 1925 war ich Vertrauensmann des ungarischen Gesandten
von Känya. Ich bekleidete diese Stellung bis zum Weggange des Herrn von
Känya aus Berlin 6 ) und bin auch heute noch der Vertrauensmann der unga-
rischen Gesandtschaft in Berlin.7) Infolge dieser Tätigkeit für Ungarn habe
ich seit Jahren persönliche Beziehungen zu verschiedenen Botschaften und
Gesandtschaften in Berlin, u. a. auch zu dem jugoslawischen Gesandten
Balugdzic und dem tschechoslowakischen Gesandten Mastny. Ich besuche
diese beiden Gesandten gelegentlich. Bei dem jugoslawischen und auch bei
dem tschechischen Gesandten war ich in letzter Zeit häufiger. Den jugosla-
wischen Gesandten habe ich in der vorigen Woche einmal aufgesucht, des-
gleichen heute. Mit dem jugoslawischen Gesandten habe ich, als ich
ihn in der vorigen Woche aufsuchte, über die beiden Emigrantenblätter
überhaupt nicht gesprochen, wohl aber mit dem Legationsrat der jugosla-
wischen Gesandtschaft Rasic. Es ist nicht wahr, daß ich dem jugosla-
wischen Gesandten nahegelegt habe, seine Versuche auf ein Verbot
der beiden Emigrantenblätter über das Auswärtige Amt aufzugeben.
Auch habe ich nicht gesagt, daß ich in der Lage sei, die Sache über das

(5) Randvermerk: ,H[err] v[on] Mackensen - Budapest - ist durch anliegenden Brief unter-
richtet. - LS Adolf von Bülow hat gleichfalls Kenntnis. Budde 14. 12."
Der in dem Randvermerk erwähnte Brief trug das Datum vom 7. Dezember (6064/E 448
661-63). Köpke forderte darin Mackensen zu einer Stellungnahme zu Aussagen auf, die
Hohen-Aesten im Laufe der Verhöre gemacht hatte.
(») Känya hatte Berlin im Februar 1933 verlassen.
• (') Randbemerkung: „?"

155
Nr. 91 30. NOVEMBER 1933

Außenpolitische A m t in w e n i g e n Tagen zu erledigen, w e n n der Gesandte


d e m Außenpolitischen A m t für vier H e r r e n dieses Amtes jugoslawische
D e k o r a t i o n e n in Aussicht stelle. Ich k a n n mir nicht erklären, wie der jugo-
slawische G e s a n d t e zu d e r a r t i g e n Behauptungen kommt. Ich bin über diese
B e h a u p t u n g e n ganz bestürzt und möchte bitten, sie durch Gegenüberstellung
meiner Person mit dem jugoslawischen Gesandten aufzuklären.
Im ü b r i g e n b e m e r k e ich, daß ich zu dem Außenpolitischen Amt ü b e r h a u p t
k e i n e Beziehungen habe . Allerdings k e n n e ich den Leiter dieses Amtes,
H e r r n Rosenberg, persönlich und komme mit ihm gelegentlich zusammen.
G e s t e r n h a b e ich ihn bei einem Empfange der lettischen Gesandtschaft ge-
sprochen. V o r h e r h a b e ich ihn fast ein ganzes J a h r lang nicht mehr gesehen.
Es ist nicht richtig, daß ich den Abschluß von Nichtangriffspakten beim
jugoslawischen u n d beim tschechischen Gesandten „angeregt" habe. Aller-
dings h a b e ich mit beiden Gesandten über die Möglichkeit eines Nichtan-
griffspaktes gesprochen, und zwar im Anschluß an die Friedensrede des
H e r r n Reichskanzlers v o m 13. Oktober dieses J a h r e s bzw. die Regierungs-
e r k l ä r u n g v o m 14. O k t o b e r ds. Js. 8 ) Sowohl in der Rede des Reichskanzlers
als auch in der R e g i e r u n g s e r k l ä r u n g w a r die Rede davon, daß Deutschland
bereit sei, mit allen in F r a g e kommenden Mächten Nichtangriffspakte abzu-
schließen. Es lag d a h e r durchaus nahe, daß ich die beiden Gesandten darauf-
hin ansprach, wie sie ü b e r den Abschluß solcher Nichtangriffspakte dächten.
Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben,
gez. SERGIUS WIEGAND VON HOHEN-AESTEN
Verhandelt wie oben,
gez. DR. LAMMERS
Staatssekretär in der Reichskanzlei

(Anlage 2]
Abschrift
BERLIN, den 30. N o v e m b e r 1933

NIEDERSCHRIFT

Auf e r n e u t e V o r l a d u n g erschien Herr Sergius W i e g a n d von Hohen-


A e s t e n h e u t e vormittag (30. 11.) in der Reichskanzlei.
Der H e r r Reichskanzler hielt ihm vor, daß die in der Aufzeichnung des
Ministerialdirektors K ö p k e vom Auswärligen Amt enthaltenen A n g a b e n 9 )
durch d e n jugoslawischen Gesandten persönlich als völlig zutreffend be-
stätigt w o r d e n seien, und machte H e r r n von Hohen-Aesten mit dem Inhalt
d e r ü b e r diesen Besuch des jugoslawischen Gesandten im A u s w ä r t i g e n Amt
gefertigten Aufzeichnung des Legationssekretärs Dr. Budde (persönlichen
Referenten des Ministerialdirektors Köpke) vom 27. N o v e m b e r b e k a n n t .
H e r r v o n H o h e n - A e s t e n b e h a u p t e t e darauf, daß diese Aufzeichnung d e s
A u s w ä r t i g e n Amts nichts anderes als ein gefälschtes Dokument sein k ö n n e .
Er l e u g n e t e nach w i e vor, die ihm zur Last gelegten Äußerungen g e g e n ü b e r
d e m jugoslawischen G e s a n d t e n gemacht zu haben.

(8) Siehe Dokument Nr. 1


• (») Siehe Anm. 2.

156
Nr. 92 30. NOVEMBER 1933

Der Herr Reichskanzler ordnete daraufhin die sofortige Verhaftung des


H e r r n v o n H o h e n - A e s t e n an.
H e r r von H o h e n - A e s t e n wurde im Laufe des V o r m i t t a g s dem G e h e i m e n
Staatspolizeiamt übergeben. 1 0 )
gez. DR. THOMSEN

(10) Am 20. Februar 1934 übersandte Lammers dem Auswärtigen Amt die Abschrift einer
Weisung Hitlers (6064/E 448 685-87), Hohen-Aesten aus der Haft zu entlassen, unter der
Voraussetzung, daß er schriftlich versichere, sieh in Zukunft jeglicher Einmischung in
die Außenpolitik der Reichsregierung zu enthalten.

92
6065/E 448 808-10
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers
an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülows)
Rk. 13 282 BERLIN, d e n 30. N o v e m b e r 1933
II Balk. 2212 J s .
Sehr v e r e h r t e r Herr von Bülow!
Im Auftrag des H e r r n Reichskanzlers übersende ich I h n e n anbei Abschrift
eines von mir an d e n Leiter des Außenpolitischen A m t e s der NSDAP ge-
richteten Briefes, zu dem Ihre Schreiben vom 16. d. Mts. - Nr. II Balk. 1995
Js. - 2 ) und 18. d. Mts. 3 ) die Veranlassung gegeben h a b e n .
Die Anlagen Ihres erstbezeichneten Schreibens s e n d e ich wunschgemäß
anbei zurück.
Mit d e n b e s t e n Empfehlungen
Ihr sehr e r g e b e n e r
DR. LAMMERS

[Anlage]
Abschrift
Der Staatssekretär in d e r Reichskanzlei BERLIN, d e n 30. N o v e m b e r 1933
A n den Leiter des Außenpolitischen Amts der NSDAP
Herrn Alfred R o s e n b e r g
Sehr g e e h r t e r Herr Rosenberg!
Durch Herrn S t a a t s s e k r e t ä r von Bülow bin ich unterrichtet ü b e r den
Konflikt w e g e n der Behandlung des ehemaligen jugoslawischen Staatsange-
hörigen Dr. Jelic, der zwischen dem von Ihnen g e l e i t e t e n Außenpolitischen
Amt und dem A u s w ä r t i g e n Amt entstanden ist.

*(i) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 1. 12."


(2) Dokument Nr. 72.
(3) Mit diesem Schreiben hatte Bülow der Reichskanzlei die in Dokument Nr. 91, Anm. 2
zusammengefaßte Aufzeichnung Köpkes vom 17. November übermittelt.

157
Nr. 93 30. NOVEMBER 1933

Im Auftrag des Herrn Reichskanzlers beehre ich mich, Ihnen hierzu folgen-
des mitzuteilen:
Die Politik der Reichsregierung, besonders soweit sie sich auf den Balkan
erstreckt, zielt darauf hin, mit den bestehenden Staaten normale und freund-
schaftliche Beziehungen zu unterhalten, soweit und solange dies unser
eigenes Interesse erfordert, und nichts zu unternehmen oder zu begünstigen,
was als ein aktiver Eingriff in die innere Politik dieser Staaten ausgelegt
werden könnte. Die Tätigkeit des kroatischen Emigranten Dr. Jelic richtet
sich gegen den Bestand des jugoslawischen Staates. Wir haben keinerlei
außenpolitisches Interesse, diese Tätigkeit in irgendeiner Weise zu dulden
oder gar zu fördern.
Der Herr Reichskanzler ist, wie Sie wissen, auch aus weltanschaulichen
Gründen gegen eine Überschätzung des politischen Einflusses von Emi-
granten eingestellt.
Ich darf Sie daher bitten, Ihren Einfluß auf die Ihnen unterstellten Mit-
arbeiter dahin geltend zu machen, daß den vom Auswärtigen Amt beantrag-
ten Maßnahmen gegen die publizistische Tätigkeit des Dr. Jelic kein Wider-
stand entgegengesetzt wird.4)
Mit deutschem Gruß und Hitler-Heil
Ihr sehr ergebener
gez. DR. LAMMERS
(4) Im Auftrage Köpkes unterrichtete Busse am 14. Dezember Heeren über die jüngste Ent-
wicklung des Falles Jelic und übermittelte auch eine Abschrift des Briefes Lammers' an
Rosenberg vom 30. November. Das Auswärtige Amt habe das preußische Innen-
ministerium Ende November erneut zu einem Verbot der kroatischen Blätter aufgefor-
dert, jedoch noch keine Antwort erhalten (6065/E 448 813-14). Am 25. Januar 1934
informierte jedoch die Gestapo das Auswärtige Amt, daß von diesem Tage an die
beiden Kroatenblätter bis auf weiteres verboten seien (6065/E 448 822). Das Auswärtige
Amt setzte die jugoslawische Gesandtschaft in einer Verbalnote vom 7. Februar 1934
von dieser Tatsache in Kenntnis (6065/E 448 826).

93
9119/E641 115-17
Reichswirtschattsminister Schmitt an Reichsbankpräsident Schacht')
Abschrift
Dev. I Nr. 55 471/33 BERLIN, den 30. November 1933
W. 8625
Sehr geehrter Herr Schacht!
In unserer heutigen fernmündlichen Unterhaltung in der Transferfrage, in
der ich eine Besprechung zwischen Ihnen und mir zur Vorbereitung der in
Aussicht genommenen Chefbesprechung 2 ) anregte, habe ich meiner Auf-

(i) Die Vorlage ist eine Durchschrift an Ritter zur Kenntnisnahme (9119/E641 118).
(2) Siehe Dokument Nr. 103.

158
Nr. 93 30. NOVEMBER 1933

fassung dahin Ausdruck gegeben, daß Deutschland den bisherigen Grund-


satz der gleichmäßigen Behandlung aller seiner Gläubiger aufgeben sollte.
Hierzu bemerke ich noch: wir haben stets die These vertreten, daß wir
unsere Verpflichtungen letzten Endes nur in Waren und Dienstleistungen
abdecken können, ein Satz, der in den internationalen Verhandlungen der
letzten Jahre vom Ausland immer mehr anerkannt und insbesondere fast
allgemein für die Behandlung der eigenen Verpflichtungen übernommen
worden ist. Das führt notwendig dazu, bei der Bedienung dieser Verpflich-
tungen diejenigen Gläubigerländer günstiger zu stellen, die die Voraus-
setzungen für eine erhöhte Abnahme deutscher Waren erfüllen. Bei Eintritt
der Transferbeschränkungen haben wir zunächst versucht, die Mittel, die
wir für den Zinsendienst aufbringen können, allen gleichmäßig zukommen
zu lassen. Das vergangene Halbjahr hat gezeigt, daß wir damit praktisch
nicht durchkommen. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als mit
unserem Grundsatz ernst zu machen und auf dem bisher nur zögernd be-
schrittenen Weg einer unterschiedlichen Behandlung der Gläubigerländer je
nach ihrer Bereitschaft zur Aufnahme deutscher Waren folgerichtig fortzu-
schreiten. Die Vereinigten Staaten von Amerika, mit denen wir eine stark
passive Handelsbilanz haben und die durchaus keine Neigung zeigen, der
deutschen Ware bessere Absatzmöglichkeiten zu geben, können nicht länger
die gleichen Zinsen und Tilgungsleistungen von uns fordern wie unsere
europäischen Gläubigerländer, denen gegenüber wir nicht nur im Handels-
verkehr aktiv sind, sondern bei denen unser Ausfuhrüberschuß durchweg in
mehr oder weniger großem Ausmaß unsere Zins- und Tilgungsverpflich-
tungen übersteigt, die unter das Moratorium und die Stillhaltung fallen.
Sie haben mir erwidert, daß Sie für diese Auffassung durchaus Verständ-
nis haben und daß es Ihnen bei Ihrer Anregung einer Chefbesprechung über
den Fragenkomplex des Moratoriums in erster Linie darauf ankomme, eine
einheitliche Stellungnahme zwischen der Reichsbank und den beteiligten
Reichsstellen herbeizuführen; wenn das Auswärtige Amt meiner Auffassung
beitrete, so wären Sie bereit, ebenfalls auf diesen Boden für die weitere
Behandlung der Transferfrage zu treten. Ich habe mich sofort mit dem Aus-
wärtigen Amt in Verbindung gesetzt und festgestellt, daß man auch dort
einer verschiedenen Behandlung der Gläubigerländer je nach ihrer Bereit-
schaft zur Aufnahme deutscher Waren zustimmt. Unter diesen Umständen
wäre ich für eine Mitteilung darüber dankbar, ob Sie eine Besprechung
zwischen uns zur weiteren Klärung der Fragen noch vor der Chefbespre-
chung beim Herrn Reichskanzler für erforderlich halten.
Um von vornherein Mißverständnisse auszuschließen, möchte ich noch
einmal klarstellen, daß der von mir vertretene Grundsatz dahin führt, die
Länder voll zu bedienen, die uns in ausreichendem Maße mehr Waren
abnehmen als erforderlich ist, um aus den daraus stammenden Devisen-
anfällen unsere laufenden Kapitalverpflichtungen zu erfüllen. Die Mehr-
abnahme müßte so viel Devisenüberschuß erbringen, daß wir in der Lage
bleiben, damit unseren Einfuhrbedarf aus den dritten Ländern zu decken,
mit denen unsere Handelsbilanz passiv ist. Diese Voraussetzungen sind
nach meiner Kenntnis der Dinge heute neben Holland und der Schweiz auch
bei Frankreich und Belgien gegeben, und sie lassen sich bei gutem Willen

159
Nr. 94 30. NOVEMBER 1933

auf der anderen Seite auch bei England schaffen. Mit diesen Ländern müßte
man also versuchen, zu Sonderabkommen zu gelangen, die eine Fortsetzung
des Schuldendienstes mit einer entsprechenden W a r e n a b n a h m e koppeln.
Das gänzliche oder teilweise Moratorium w ü r d e sich unter diesen Um-
ständen künftig in erster Linie gegen die Vereinigten Staaten richten. Die
Frage, ob dabei d e r allgemeine Transfersatz v o n 50 v. H. aufrecht erhalten
und d e r Scrips als technisches Instrument d e s Moratoriums beibehalten
w e r d e n soll, wird m a n s p ä t e r e n Besprechungen überlassen können.
Mit verbindlichen Grüßen
Ihr sehr ergebener
gez. DR. SCHMITT

94
7956/E 574 601-03

Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte von Papen


an den Vortragenden Legationsrat VoigtJ)

31-151/33 BERLIN, d e n 30. N o v e m b e r 1933


Ankunft: 2. Dezember
IIS.G.3116

Die beiliegende Abschrift einer Niederschrift über die erste Sitzung der
Saar-Referenten vom 23. 11. 1933 übersende ich ergebenst zur gefl. Kenntnis.
Im Auftrag
SABATH

[Anlage]
NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE ERSTE SITZUNG DER SAAR-REFERENTEN
AM 23. NOVEMBER 1933 VORMITTAGS 11 UHR 30

Vorsitz: Vizekanzler v o n Papen.


Im übrigen anwesend: s[iehe] Anwesenheitsliste. 2 )
Der Vizekanzler erläuterte d e n Kabinettsbeschluß v o m 14. 11. 33.') Es sei

• (l) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze]."


*(2) Die Anwesenheitsliste mit 34 Namen ist gefilmt unter 7956/E 574 604-05.
(3) Der erste Absatz dieses Kabinettsbeschlusses lautete: „Der Stellvertreter des Reichs-
kanzlers, Franz von Papen, wird zum Bevollmächtigten des Reichskanzlers in allen das
Saargebiet betreffenden Angelegenheiten bestellt (Saarbevollmächtigter)." Dem Saar-
bevollmächtigten wurde durch den Beschluß in allen das Saargebiet betreffenden Ange-
legenheiten die ausschließliche Entscheidungsbefugnis zuerkannt. Die Sachbearbeiter in
den Reidisministerien und den nachgeordneten Behörden sowie in der preußischen und
in der bayerischen Regierung wurden ihm unterstellt. Das Protokoll der Kabinetts-
sitzung vom 14. November 1933 ist gefilmt unter 3598/D 794 263-71. Siehe auch Serie C,
Bd. 1,2, Dokument Nr. 482.

160
Nr. 94 30. NOVEMBER 1933

Absicht des Reichskanzlers, in den letzten Jahren vor der Entscheidung alle
Kräfte zusammenzufassen, um den Enderfolg zu sichern. Dieser Zweck solle
nicht durch Einrichtung einer neuen Behörde erreicht werden. Die Beamten,
die bisher mit großem Erfolg und mit Hingabe an die Sache in ihren Mini-
sterien gearbeitet hätten, sollten in der gleichen Weise wie bisher ihre
Arbeiten fortführen; nur nebeneinanderherlaufende Arbeiten wären auszu-
schalten und Reibungen auszuschließen, um den Apparat leistungsfähiger zu
gestalten.
Praktisch würde die Arbeit in Zukunft so verlaufen, daß er zunächst ein-
mal über die laufenden Arbeiten unterrichtet würde. In jeder Woche sollten
sodann in Besprechungen mit den Hauptreferenten einzelne größere Pro-
bleme erörtert werden. In wichtigen und entscheidenden Fragen solle in
Zukunft seine Entscheidung eingeholt werden. Bei einer vertrauensvollen
Zusammenarbeit würden sich aus der doppelten Unterstellung der Beamten
keine Schwierigkeiten ergeben.
Eine der Hauptaufgaben würde die sein, die wirtschaftlichen Fragen zu
klären. Er behalte sich vor, jeweils kleinere Ausschüsse zur Behandlung von
Spezialfragen einzusetzen.
Den Vertretern Preußens und Bayerns sprach der Vizekanzler seinen be-
sonderen Dank für ihre Bereitwilligkeit zur Mitarbeit aus, indem er die
wichtigen Funktionen hervorhob, die den Ländern obliegen.
Auf die Aufforderung des Vizekanzlers äußerten sich die Referenten der
einzelnen Ministerien über ihr Arbeitsgebiet und die im Augenblick wich-
tigsten Fragen.
Vortragender Legationsrat Dr. Voigt, Auswärtiges Amt, Staatsrat Mini-
sterialdirektor Neumann, preußisches Staatsininisterium, und Gesandter
Sperr, Reichsvertretung Bayerns, begrüßten die Vereinheitlichung der Saar-
arbeiten in der Hand des Saarbevollmächtigten. Die Vertreter der Länder
wiesen auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der besonderen Inter-
essen dieser Länder im Saargebiet hin. Staatsrat Spaniol betonte in längeren
Ausführungen, in denen er sich über verschiedene Fragen der Saarpolitik
ausließ, ebenfalls die Notwendigkeit einer zusammenfassenden Aktion.
Weitere allgemeine Zustimmung fand die namentlich vom Vertreter des
Auswärtigen Amts vorgenommene starke Unterstreichung des außenpoli-
tischen Grundcharakters der gesamten Saarfrage sowie die von Staatsrat
Staatssekretär Dr. Landfried (preuß. Finanzministerium) geforderte mög-
lichst einheitliche Bewirtschaftung der für die Saar zur Verfügung stehenden
Gelder des Reichs und der Länder.
Die Vertreter der Ministerien sagten zu, in möglichst kurzer Zeit Angaben
über die in ihrem Haushalt für das Saargebiet ausgeworfenen Mittel schrift-
lich einzureichen.
Abschließend unterstrich der Vizekanzler den außenpolitischen Grund-
charakter der Saarfrage, dem sich die gesamte Arbeit, vor allem die Tätig-
keit in der Presse und in der Propaganda stets anzupassen und unterzu-
ordnen habe.

161

11,1 Bg. 11
Nr. 95 1. DEZEMBER 1933

95
2980/D 580 490-93

Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke l)


BERLIN, den 1. Dember 1933
AUFZEICHNUNG

Der ungarische Gesandte Herr von Masirevich suchte mich heute auf.
Einleitend teilte er mit, daß er seine Reise nach Budapest verschoben habe.
Er sei daher nicht in der Lage, mir irgendwelche Neuigkeiten aus der
Heimat, nach denen ich ihn fragte, zu berichten. Er habe seine Reise wegen
einer Einladung verschieben müssen, die er von der Gemahlin des ehe-
maligen Kaisers 2 ) erhalten habe, und auch wegen eines für etwa den 8. De-
zember angekündigten Besuchs des Grafen Teleki.
Herr von Masirevich fragte sodann, was es eigentlich mit den angeblichen
deutsch-tschechischen Verhandlungen über einen Nichtangriffspakt für eine
Bewandtnis habe.3) Er habe hierüber nicht nur im hiesigen Diplomatischen
Korps andeutungsweise sprechen gehört,4) sondern auch Berichte seiner
ungarischen Kollegen durch sein Ministerium in Budapest übersandt er-
halten, worin den gleichen Gerüchten Ausdruck gegeben worden sei. Der
Gesandte deutete an, daß es sich hierbei um Berichte der ungarischen
Gesandtschaften bei den Staaten der Kleinen Entente handle. Sein Ministe-
rium habe ihm diese Berichte mit dem Hinzufügen übersandt, daß die
ungarische Regierung durch den Abschluß jedes politischen Vertrages mit
der Kleinen Entente oder einem ihrer Staaten peinlich berührt werden
würde. Gegebenenfalls müsse sich die ungarische Regierung eine Änderung
ihrer Außenpolitik überlegen. Herr von Masirevich erklärte, daß er darauf-
hin nach Hause berichtet habe, bei all diesem Gerede handle es sich ledig-
lich um die Versuche nichtamtlicher und nichtbevollmächtigter Personen.
Herr von Masirevich zeigte sich über das bekannte Treiben des Herrn von
Hohen-Aesten 5 ) in allen Einzelheiten orientiert, nannte sogar dessen
Namen und teilte mir die uns bereits bekannte Verhaftung des Genannten
als letzte Neuigkeit mit. Der Gesandte fügte hinzu, daß er nicht den amt-
lichen Auftrag habe, uns eine Eröffnung der obenerwähnten Art über die
ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegen einen deutsch-
tschechischen Nichtangriffspakt zu machen. Er bat aber, ihm zu bestätigen,
daß seine nach Budapest berichtete Auffassung über die Angelegenheit zu-

*(l) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 2. [12.]"


*(2) Zita, Gemahlin Karls I.
(3) Siehe die Dokumente Nr. 68 und 83.
(4) Bülow vermerkte in einer Aufzeichnung vom 24. November (2980/D 580 494): „Der
ungarische Gesandte sagte mir gestern abend, der jugoslawische Gesandte habe ihm ei-
zählt, auch an ihn ebenso wie an den tschechoslowakischen Kollegen [Mastny] sei eine
Persönlichkeit, die Herrn Rosenberg nahestehe und die er nicht genannt hat, heran-
getreten, um ihm einen Nichtangriffspakt mit Deutschland anzubieten. Herr Balugdzic
habe den Antrag nicht ernst genommen."
(5) Siehe Dokument Nr. 91.

162
Nr. 95 1. DEZEMBER 1933

treffend sei. Nachdem ich dies dem Gesandten bestätigt hatte, bat Herr von
Masirevich zu erwägen, ob es sich nicht empfehle, den unterwegs nach
Budapest befindlichen neuen Gesandten von Mackensen zu beauftragen, der
ungarischen Regierung eine entsprechende Erklärung abzugeben. Ich habe
dies als meiner Ansicht nach überflüssig abgelehnt; die ungarische Regie-
rung sei durch die zutreffende Berichterstattung des Gesandten im Bilde. Ein
Anlaß zu irgendeiner feierlichen amtlichen deutschen Erklärung liege daher
nicht vor. Herr von Masirevich insistierte denn auch nicht weiter auf seinem
Wunsche.
Im Anschluß hieran fragte der Gesandte, ob es wahr sei, daß wir bei den
deutsch-polnischen Verhandlungen von den Polen gewisse Zugeständnisse
in der Ukraine einzuhandeln suchten gegen ein entsprechendes Desinter-
essement in Litauen. Ich habe diese Unterstellung kategorisch dementiert
und darauf hingewiesen, daß man zur Zeit von Besprechungen am gemein-
samen Verhandlungstisch, wie sie dem ungarischen Gesandten vorzu-
schweben schienen, überhaupt noch nicht reden könnte. Die deutsch-pol-
nische Verständigung sei aber nichtsdestotrotz anscheinend auf gutem
Wege.
Schließlich brachte Herr von Masirevich das Gespräch auf Österreich und
' fragte mich, ob die Gerüchte über eine Versteifung der deutsch-österreichi-
schen Beziehungen im Zusammenhang mit dem bedauerlichen Grenz-
zwischenfall6) zutreffend seien. Ich habe dem Gesandten erwidert, daß
selbstverständlich durch das schmerzliche Vorkommnis die Stimmung in
Deutschland gegenüber der österreichischen Regierung, die solche Dinge
zu verhindern offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, nicht besser
geworden wäre. Von einer Zuspitzung der Lage brauche man trotzdem nicht
zu sprechen. Wir hätten unsere diplomatischen Schritte vor allem auf die
schleunige und zufriedenstellende Regelung des Falles selbst konzentriert,
die wir nach Lage der Dinge auch zu erreichen hofften. Ich persönlich neigte
der Ansicht zu, daß durch diesen dramatischen Grenzzwischenfall den Macht-
habern in Wien wie auch der gesamten öffentlichen Meinung in Österreich
endlich die Augen darüber aufgegangen seien, wohin eine weitere Ver-
zögerung der Beilegung des Kampfes gegen den Nationalsozialismus führen
müßte. Es sei höchste Zeit, daß sich der Bundeskanzler Dollfuß endlich dar-
über klar werde, welche Ausdehnung und Macht die nationalsozialistische
Bewegung innerhalb Österreichs bereits errungen habe. Die österreichische

• (•) Am 23. November war der deutsche Soldat Schumacher während eines Ausbildungs-
kurses nahe der österreichischen Grenze von österreichischen Grenzwachen erschossen
worden. Am 26. November hatte Rieth, auf persönliche Weisung Hitlers, Dollfuß ge-
fragt, was die österreichische Regierung in der Sache zu tun gedenke (8669/E 606 770).
Am 29. November hatte Rieth deutsehe Forderungen nach einer offiziellen Entschuldi-
gung, Bestrafung der Schuldigen und Wiedergutmachungsleistungen an die Familie
Schumachers erhoben (8669/E 606 794-96). Am 2. Dezember entschuldigte sich die
österreichische Regierung und versicherte, sie habe alle Vorkehrungen getroffen,
„damit die an dem Vorfall beteiligten österreichischen Sicherheitsorgane vom kompe-
tenten österreichischen Gericht zur Verantwortung gezogen werden". Man erwäge auch
die Gewährung einer Unterstützung an die Familie Schumachers (8669/E 606 803-05).
Weitere Dokumente über die Angelegenheit sind gefilmt unter der Seriennummer 8669.
Siehe auch die Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 232, S. 432.

163
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933

nationalsozialistische Partei sei eben aus der Regierung nicht mehr fern zu
halten, geschweige denn durch Gewaltmaßnahmen auszuschalten. Ich wies
den Gesandten hierbei nachdrücklich darauf hin, daß diese Entwicklung der
Dinge eine rein innerpolitische österreichische Angelegenheit sei und es
ohne Rücksicht auf das Grenzdrama bei Reit auch bleiben müsse. Der Ge-
sandte pflichtete meinen Ausführungen und Schlußfolgerungen in allem
lebhaft bei und erzählte mir auffallenderweise ganz spontan, daß gerade der
italienische Botschafter Cerruti ihm heute morgen das gleiche gesagt und
sich dahin geäußert habe, er erhoffe von der Ermordung des deutschen
Reichswehrsoldaten eine beruhigende Wirkung hüben wie drüben. Ich habe
mich selbstverständlich darauf beschränkt, von dieser Stellungnahme des
italienischen Botschafters lediglich Kenntnis zu nehmen.7)
KÖPKE

(7) Am 23. Dezember sprach Masirevich erneut im Auswärtigen Amt vor und bat um
Auskünfte zu Pressemeldungen, nach denen die deutsche Regierung mit den Nachbar-
staaten über Nichtangriffspakte Verhandlungen führe. Renthe-Fink gab Masirevich zur
Antwort, daß, obwohl der Reichskanzler in seiner Erklärung vom 14. Oktober und auch
später seine Bereitschaft zum Abschluß kontinentaler Nichtangriffspakte zu erkennen
gegeben habe, bisher kein deutsches Angebot an die Tschechoslowakei und Italien er-
gangen sei (8911/D 621 820-22). über ein deutsches Angebot eines Nichtangriffspakts
an die Tschechoslowakei konnte in den Akten nichts Weiteres ermittelt werden. Siehe
hierzu Namier, Europe in Decay, S. 281, wo folgende Erklärung Benes' in einem Brief
vom 20. April 1944 wiedergegeben ist: „In the autumn of 1933 Hitler sounded me in
Prague as to whether Czechoslovakia would conclude with him a pact of the type
which he subsequently offered to Poland."

96

7960/E 574 746-52

Das Auswärtige Amt an den Stellvertreter des Reichskanzlers


und Saarbevollmächtigten von Papen

Eilt . BERLIN, den 30. November 1933


Abgesandt: 2. Dezember
e. o. II S.G. 3059

In der Anlage übersende ich erg[ebenst] z[ur] gefälligen] vertraulichen


K[enn]t[ni]s Abschrift eines Berichts des Herrn Bischofs von Trier über
seine Verhandlungen in Rom über das Saargebiet.1)
I.A.
KÖPKE

(l) Randvermerk Voigts: „Der Bericht ist dem H[err]n RM mit Privatbrief des H[err]n
v. Bergen zugesandt worden. Der Herr RM hat Übersendung an den H[err]n Vize-
kanzler angeordnet."

164
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933

[Anlage]
Abschrift
BERICHT DES BISCHOFS VON TRIER ÜBER SEINE VERHANDLUNGEN
BETR. SAARGEBIET

ROM, d e n 20. November 1933


Prälat Kaas hat mit Brief vom 2. November 1933 mich orientiert über
gewisse B e s t r e b u n g e n Frankreichs, im Saargebiet bereits vor dem J a h r e
1935 Ä n d e r u n g e n mit Bezug auf die Diözesen Trier und Speyer durchzu-
setzen. V o n der deutschen Regierung war mir keinerlei Mitteilung über
diese Dinge zugegangen.
Die Mitteilung des Prälaten Kaas veranlaßte mich, möglichst bald selbst
nach Rom zu reisen, weil die ganze Angelegenheit nicht nur für die Diözesen,
sondern auch für Deutschland selbst von besonderer Bedeutung ist.
Am 18. November, am Tage nach meiner Ankunft, fand vormittags 10 Uhr
eine Besprechung bei Kardinal Pacelli statt, der trotz des Diplomatentages
diese Stunde für eine eingehende Aussprache angesetzt hatte. A n w e s e n d
bei dieser Besprechung w a r außer mir Prälat Dr. Kaas. Einleitend legte ich
den Zweck meines Kommens freimütig dar. Insbesondere setzte ich die
u n g ü n s t i g e n W i r k u n g e n im einzelnen auseinander, die eine auch nur den
äußeren Schein v o n Parteinahme an sich tragende M a ß n a h m e des Heiligen
Stuhles bei den treukatholischen Saarländern h a b e n müßte, die im Papst
und im Bischof v o n Trier, die im J a h r e 1921 und 1923 allen Trennungs-
bestrebungen unerschütterlich widerstanden hätten, auch heute die ent-
scheidenden Rückhalte für ihr Vertrauen und ihre Hoffnung sähen.
Den w e i t e r e n Verlauf der Unterredung skizziere ich in Protokollform:
Der Kardinalstaatssekretär erklärte, daß die k o n s e q u e n t e Einhaltung der
früher v e r t r e t e n e n Auffassung für den Heiligen Stuhl auch im gegenwärti-
gen Zeitpunkt maßgebend sein werde. Die Ernennung eines Apostolischen
Administrators, mit der eine lokale Suspendierung der Jurisdiktion der
Bischöfe v e r b u n d e n sein würde, komme nicht in Frage und sei schon abge-
lehnt worden. Die Entsendung eines Visitators in dieser oder jener Form
sei aber nicht zu u m g e h e n und vom Papst 2 ) schon angeordnet. 3 )
Bischof Bornewasser und Prälat Kaas machten d e m g e g e n ü b e r geltend, daß
auch die Bezeichnung des Vertrauensmannes als Visitator mißverständlich
sein k ö n n e . Jedenfalls k ö n n e es doch kein Visitator im kirchenrechtlichen
Sinne des W o r t e s sein, mit dem Auftrag, die Amtsführung der beiden in
Frage k o m m e n d e n Bischöfe bezüglich ihres saarländischen Anteils nachzu-
prüfen.

*(2) Pius XI.


(3) Bergen hatte in Telegramm Nr. 75 vom 24. Oktober (7960/E 574 714) berichtet, er habe
vertraulich erfahren, daß der französische Botschafter Charles-Roux beim Heiligen
Stuhl die Entsendung eines Apostolischen Administrators für das Saargebiet beantragt
habe. In Telegramm Nr. 86 vom 2. November (7960/E 574 729) hatte Bergen weiter
berichtet, daß der Kardinalstaatssekretär ihn über die französische Demarche informiert
habe. Die Entsendung eines Administrators scheine zwar nicht in Frage zu kommen, er
habe jedoch Pacelli die mögliche Entsendung eines Visitators nicht auszureden ver-
mocht.

165
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933

Letzterer Auffassung stimmte der Kardinalstaatssekretär durchaus zu und


erklärte, die Funktion des päpstlichen Vertrauensmannes sei zunächst die,
sich an Ort und Stelle ein Urteil über die verschiedenen Beschwerden zu
bilden und dem Heiligen Stuhl zu berichten. Es sei die Wiederholung der
Mission Testas vom Jahre 19234) unter neuen und veränderten Bedingun-
gen. Der Heilige Stuhl, der in anderen Abstimmungsgebieten kirchliche
Abstimmungskommissare gehabt habe (der jetzige Papst habe selbst eine
solche Mission ausgeübt 5 )), könne im gegenwärtigen Fall sich nicht einfach
negativ verhalten. Im übrigen sei die Mission Testas doch auch für Deutsch-
land eine erwünschte Gelegenheit, etwaige Beschwerden geltend zu machen
und in einwandfreier Weise zur Kenntnis Seiner Heiligkeit zu bringen.
Bischof Bornewasser verfehlte demgegenüber nicht, auf die ganz beson-
dere und wohl mit keinem anderen Abstimmungsgebiet vergleichbare Lage
im Saargebiet hinzuweisen. Dieses Argument beantwortete der Kardinal mit
dem Hinweis auf Ostpreußen, an dessen deutschem Charakter auch gar
kein Zweifel hätte obwalten können und wo der Heilige Stuhl trotzdem
einen Abstimmungskommissar gehabt habe.8) Die letztere Maßnahme sei
eben in keiner Weise als Beeinträchtigung deutscher Interessen zu betrach-
ten.
Angesichts der offenbaren Tatsache, daß die Entsendung Testas bereits
beschlossene und vom Papst angeordnete Sache war, versuchte Bischof
Bornewasser, unterstützt durch Prälat Kaas, dann nochmals, den prononciert
offiziellen Charakter der Inspektionsreise und vor allem ihre Bezeichnung
als Visitation als nicht unbedenklich zu bezeichnen. Die Antwort des Kar-
dinalstaatssekretärs ließ erkennen, daß man für diese deutsche Stellung-
nahme Verständnis hat und daß man bereit ist, den amtlichen Charakter der
Reise möglichst zu mildern, über eine gewisse Grenze hinaus wird man
hierbei jedoch kaum gehen, da man die Frankreich gemachte Zusage nach
außen nicht gänzlich entwerten darf und will.
Auf die Frage des Bischofs, was denn eigentlich französischerseits an
Beschwerden vorgebracht worden sei, ging der Kardinalstaatssekretär be-
greiflicherweise nur mit Zurückhaltung ein. Er erwähnte den vom franzö-
sischen Botschafter geltend gemachten Fall Pfarrer Klee in Bildstock.7) Hier
konnte Bischof Bornewasser an Hand der mitgebrachten Akten den Nach-
weis führen, daß sachlich die beanstandete Predigt keine Überschreitung
der seelsorgerlichen Zuständigkeiten bedeute, daß vielmehr die sich häu-
fenden Maßregelungen saarländischer Arbeiter durch die französische
Grubenverwaltung und der auf sie wegen ihrer deutschen Gesinnung aus-
geübte Gewissensdruck den Pfarrer zu seinen Ausführungen moralisch
geradezu genötigt hätte. Im übrigen könne der Heilige Stuhl die weit-
gehende Objektivität der Trier[er] Bistumsbehörde daraus erkennen, daß

(4) Testa war im Jahre 1923, während der französischen Besetzung des Ruhrgebiets, als
päpstlicher Legat in das Ruhrgebiet entsandt worden.
(5) Während des Abstimmungskampfes in Oberschlesien im Jahre 1920/21.
(') Im Juli 1920 hatten in den ostpreußischen Kreisen Allenstein und Marienwerder Volks-
abstimmungen über die nationale Zugehörigkeit dieser Gebiete stattgefunden.
(?) Dokumente über diese Angelegenheit sind gefilmt unter M 155/M 005 231-38 und
M 157/M 005 309-32.

166
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933

trotzdem dem Pfarrer wegen gewisser inopportuner Begleitumstände seiner


Stellungnahme die Mißbilligung ausgesprochen worden sei. Alles das ist
der französischen Grubenverwaltung von der bischöflichen Behörde mitge-
teilt worden.
Bischof Bornewasser unterließ es nicht zu bemerken, daß zwischen der
Bagatellsache Klee-Bildstock und dem weitgehenden französischen Wunsche
ein geradezu groteskes Mißverhältnis besteht.
Dann nannte der Kardinalstaatssekretär ein anderes Motiv der franzö-
sischen Sorgen. Die Propaganda der Nationalsozialisten im Saargebiet, so
behaupteten die Franzosen, habe solche Formen angenommen, daß die Frei-
heit der Abstimmung ernstlich bedroht erscheine.
Im Jahre 1921 und 1923 habe der Heilige Stuhl die Ernennung eines
Apostolischen Administrators abgelehnt.8) Im Gefolge sei dann die von
Stresemann eingeleitete und von anderen fortgesetzte Verständigungs-
politik gekommen, die es Frankreich ermöglicht habe, nicht mehr auf die
Frage zurückzukommen. Jetzt aber - so erkläre die Gegenseite - sei die
Situation von Grund aus geändert. Frankreich habe ein Recht auf unbe-
einflußte Abstimmung und müsse in Durchführung dieses Gedankens auch
darauf halten, daß die Kirche nicht unter dem Druck von Pressionen einer
anderen Regierung eine Haltung einnehme, die mit der korrekten Haltung
gegenüber der gegenwärtigen zu Recht bestehenden Saarregierung nicht
vereinbar sei. Diesen Gedankengängen der Franzosen gegenüber vertrat
Bischof Bornewasser mit Nachdruck, daß die deutsche Einstellung der saar-
ländischen Katholiken so eindeutig sei, daß sie auch ohne jede Einwirkung
deutsch abstimmen würden, obwohl die Kenntnis so vieler schmerzlicher
Dinge, die katholischen Geistlichen, katholischen Beamten, katholischen
Vereinen etc. in den vergangenen Monaten in Deutschland begegnet seien,
viel Erbitterung im Saarland hervorgerufen habe.
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung kam die Rede auf einen Vortrag,
den Herr von Papen vor kurzem vor dem Klerus des Saargebietes über das
Konkordat gehalten hat,9) wobei die vielfach mangelnde Konkordatsaus-
führung dem saarländischen Klerus Anlaß zur Kritik geboten habe. In die-
sem Zusammenhang sprach der Kardinalstaatssekretär sich mit Nachdruck
über die in entscheidenden Fragen verzögerte Konkordatsausführung aus
und über den wachsend ungünstigen Eindruck, den diese Tatsache auf den
Papst mache.
Dabei erzählte er, daß in der heutigen Morgenaudienz der Papst unter
Hinweis auf englische Veröffentlichungen gefragt habe, ob Ministerpräsi-
dent Göring tatsächlich die Äußerungen getan habe, die von ihm in auslän-
dischen Zeitungen berichtet würden (Rede in Essen, Rede in Trier 10 ) in
Gegenwart von fast 10 000 Saarländern). Wenn es feststehe, daß solche
Reden mit unbestreitbaren Allgemein-Beleidigungen, auch des katholischen

(8) Dokumente hierzu sind gefilmt unter M 164/M 005 354-64.


(') Ende Oktober hatte Papen vor katholischen Geistliehen des Saargebiets eine Rede
gehalten, die in der Volksstimme vom 15. November 1933 wiedergegeben worden war
(M 163/M005 352).
(10) Ein Bericht der Saarbrücker Zeitung über die Rede Görings am 5. November in Trier
ist gefilmt unter M 162/M 005 348-50.

167
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933

Bekenntnisses als solchem, gehalten worden seien, dann werde auch die
Tatsache, daß die deutschen Zeitungen aus Furcht vor Maßregelungen den
wahren Text nicht gebracht hätten, den Papst nicht davon abhalten können,
in entsprechender Weise der katholischen Weltöffentlichkeit gegenüber
die Würde der Kirche und seines hohen Amtes zu wahren. Leider war der
Bischof von Trier, wenn er sich nicht in Widerspruch mit der Wahrheit
setzen wollte, bezüglich der Trierer Rede Görings nicht in der Lage, die
Informationen des Vatikans durch ausländische Quellen als unzutreffend zu
erweisen. Ihm selbst war leider bekannt, welch ungünstigen Eindruck die
genannte Rede in Trier bereits auf die katholischen Saarländer gemacht
hatte.
Um in der Frage der saarländischen Reise des vatikanischen Vertrauens-
mannes sich die Möglichkeit zu sichern, alle Argumente deutscherseits in
einwandfreier Form den vatikanischen Stellen vor der Abreise Testas noch
einmal vor Augen zu führen, schlug Bischof Bornewasser gegen Schluß der
einstündigen Besprechung vor, dem Kardinalstaatssekretär zur Vorlage an
den Papst noch eine schriftliche Fixierung zukommen lassen zu dürfen. Der
Kardinal war gerne damit einverstanden. Diese Niederschrift soll unverzüg-
lich hergestellt und so rechtzeitig übergeben werden, daß sie für die Ertei-
lung der letzten Instruktionen an Testa noch wirksam werden kann. Außer-
dem übergab Bischof Bornewasser dem Kardinal schon sofort eine Reihe von
Akten, die sich auf die Saarfragen bezogen. So vor allem die Unterlagen
Klee-Bildstock,11) Briefwechsel über Religionsunterricht in französischen
Schulen im Saargebiet, Briefwechsel mit Minister Zoricic in Saarbrücken
betr. Gottesdienst am 1. Mai, Treuekundgebung sämtlicher Dechanten des
Saargebiets im Namen des gesamten Klerus etc.
Es darf noch erwähnt werden, daß der Bischof eine gelegentliche noch-
malige Erwähnung des Gedankens einer Apostolischen Administratur be-
nützte, um in freimütiger Weise zu erkennen zu geben, daß die Durchfüh-
rung einer solchen Maßnahme für ihn die Unmöglichkeit bedeutet haben
würde, sein Amt als Bischof von Trier weiterzuführen. Eine Auffassung, in
der der Bischof Sebastian von Speyer mit ihm einig geht.
Beim Herausgehen traf Bischof Bornewasser zufällig mit Prälat Testa
zusammen, der augenscheinlich zum Kardinalstaatssekretär gehen wollte.
Er nahm die Gelegenheit wahr, um ihn an seine früheren Inspektionsreisen
zu erinnern und an die sachliche und unparteiische Art, mit der er seine
damalige ungleich schwierigere Mission durchgeführt habe. Prälat Testa
bat den Bischof, ihm noch vor seiner Abreise nach Deutschland seine Auf-
wartung machen zu dürfen. Diese erfolgte am 19. November. Der münd-
lichen Besprechung mit Herrn Prälat Testa folgte die Vorlage der schrift-
lich fixierten Gedankengänge vom 19. November. Prälat Testa wird den
Bischof von Trier, sobald er ins Saarland kommt, besuchen.
Bischof Bornewasser mußte dann zur festgesetzten Stunde zur Privat-
audienz beim Heiligen Vater. Unterdessen hatte Prälat Kaas Gelegenheit,
mit Monsignore Testa, den er bereits 1923 bei seiner Mission kennengelernt
hatte, eingehender über das Projekt der nunmehrigen Reise zu sprechen.12)
(11) Siehe Anm. 7.
(12) Eine Aufzeichnung Kaas' über diese Unterredung ist gefilmt unter M 165/M 005 374-75.

168
N r . 97 2. DEZEMBER 1933

Er benutzte diese Gelegenheit, um die Bedenken Testas gegen eine zu weit-


gehende und lang dauernde Ausdehnung des Auftrags möglichst zu ver-
stärken. Augenscheinlich wünscht Testa, wie auch früher schon berichtet
wurde, in möglichst geringem Maße engagiert zu werden, und bat Prälat
Kaas, die von ihm dargelegten Gesichtspunkte doch auch beim Kardinal-
staatssekretär vorzutragen.13)
(13) Ein in den Akten der Botschaft beim Heiligen Stuhl befindliches Exemplar des vor-
liegenden Dokuments (M 165/M 005 366-73) enthält am Schluß den Zusatz: „Abschließend
muß betont werden, daß die Dienste des Herrn Prälaten Kaas in dieser für die vater-
ländischen Interessen wichtigen Angelegenheit für den Bischof von Trier und Speyer
sehr wertvoll waren."

97
6693/H 098 944-45
Das Auswärtige Amt an die Botschatt in Tokiol)
BERLIN, den 2. Dezember 1933
e. o. IV Chi. 2616
Im vergangenen Sommer hat sich der Kaufmann Ferdinand Heye 2 )
mehrere Monate in der Mandschurei und in Japan aufgehalten, um teils im
eigenen Interesse, teils im Auftrage des Großindustriellen Staatsrats Thyssen
den mandschurischen Markt zu studieren und mit mandschurischen und japa-
nischen Stellen über die Möglichkeiten eines verstärkten deutsch-mand-
schurischen Warenaustausches zu verhandeln. Nach seiner Rückkehr nach
Deutschland hat Herr Heye hier im November d. J. eine deutsch-mand-
schurische Export- und Import GmbH gegründet, die es sich zur Aufgabe
machen will, den Wert der Einfuhr mandschurischer Sojabohnen durch die
Ausfuhr deutscher Industrieerzeugnisse nach der Mandschurei zu kompen-
sieren. Herr Heye beabsichtigt, jetzt in Begleitung seiner Gattin auf dem
Seewege wieder nach Mandschukuo auszureisen und dort eine Zweigstelle
der hiesigen GmbH zu errichten, die den von ihm beabsichtigten Waren-
austausch in die Wege leiten soll.
Herr Heye begibt sich in ausschließlich privater Eigenschaft nach Mand-
schukuo. Seine Tätigkeit ist rein privatwirtschaftlicher Natur. Ich bitte ihn,
falls er auf der dortigen Dienststelle vorsprechen und die amtliche Beratung
in Anspruch nehmen sollte, in jeder Weise mit Rat und Tat zu unterstützen,
wie dies jedem deutschen Interessenten gegenüber zu erfolgen hat. Falls
besondere Nachrichten oder Mitteilungen erwünscht sind, bitte ich, sich un-
mittelbar mit den Konsulaten in Harbin und Mukden in Verbindung zu
setzen.
I.A.
M[EYER] 30. 11.

(1) Dieser Bericht w u r d e auch der Gesandtschaft in Peping, d e n G e n e r a l k o n s u l a t e n in


Shanghai , Tientsin und Kobe sowie den Konsulaten in H a r b i n , M u k d e n , Dairen, Yoko-
hama und H o n g k o n g übermittelt.
(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 50.

169
Nr. 99 5. DEZEMBER 1933

98
8115/E 580 124
Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 95 vom 3. 12. ROM (VAT.), den 3. Dezember 1933 11 Uhr 45
Ankunft: 3. Dezember 13 Uhr 35
[II Vat. 552] s)
Andeutungen Kardinalstaatssekretärs bei unserer letzten Unterhaltung
lassen erkennen, daß er Ausbleiben jeglicher seit dem 1. v.M. erwarteten
Nachrichten seitens Ministerialdirektors Buttmann als Mangel an Courtoisie
empfindet und dahin deutet, daß entgegen meinen wiederholten Versicherun-
gen Regierung nicht mehr geneigt ist, die Ende Oktober unterbrochenen Ver-
handlungen 2 ) wiederaufzunehmen und auf vielfache Beschwerden Wünsche
Kurie Rücksicht zu nehmen. Die in meinen verschiedenen Meldungen ge-
kennzeichnete schwere Spannung wird hierdurch bedenklich erhöht.
Gestatte mir daher erneut zu bitten, Herrn Buttmann zu irgendeiner Mit-
teilung an Kardinalstaatssekretär zu veranlassen,3) und zwar wenigstens zu
einer freundlich gehaltenen Erklärung bisherigen Schweigens sowie Bereit-
willigkeit, Verhandlungen bald tunlichst selbst fortzuführen.
Darf bemerken, daß Ministerialdirektor Buttmann dem Kardinalstaats-
sekretär als Verhandlungspartner sehr genehm ist.4)
BERGEN 6)
(i) Die Journalnummer befindet sich auf einer anderen Ausfertigung des vorliegenden
Dokuments (8115/E 580 123).
(2) Siehe Dokument Nr. 17, Anm. 3.
(3) Bergen hatte bereits in Telegramm Nr. 299 vom 23. November (8115/E 580 116) berichtet,
Pacelli habe angefragt, wann Buttmann die Verhandlungen wieder aufzunehmen beab-
sichtige.
(4) Randvermerk: „RK vorgelesen, v. N[eurath] 5. [12.]" Randvermerk auf einer anderen
Ausfertigung der Vorlage (3241/D 702 304): „Warum zögert Herr Buttmann? H[inden-
burg] 5. 12."
(•)' Neurath teilte Bergen in Telegramm Nr. 46 vom 6. Dezember (8115/E 580 126) mit:
„Buttmann eintrifft in Rom zweite Hälfte nächster Woche zwecks Rücksprache mit
Kardinalstaatssekretär."
Bergen antwortete in Telegramm Nr. 99 vom 6. Dezember (8115/E 580 127): „Kardinal-
staatssekretär läßt midi wissen, daß bis Ende nächster Woche völlig in Anspruch
genommen, aber vom 18. d M. ab gern zur Verfügung stehe."
Siehe Dokument Nr. 133.

99
3154/D 670 358-59
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 5. Dezember 1933
RM. 1664
Der Herr Reichskanzler empfing heute morgen in meinem Beisein den
englischen Botschafter, der ihm im Auftrag seiner Regierung mitteilte, daß

170
Nr. 100 5. DEZEMBER 1933

die englische Regierung die ihm seinerzeit vom Herrn Reichskanzler mitge-
teilten deutschen Wünsche bezüglich der Verstärkung unserer Verteidi-
gungskraft •) mit Interesse studiert habe. Es wäre aber noch erwünscht, über
einige Fragen Auskunft zu erhalten, erstens, ob die Reichswehr beibehalten
werden solle und wie lange das 300 000-Mann-Heer dienen solle. Der Reichs-
kanzler antwortete darauf, man denke bei uns an eine einjährige Dienstzeit,
natürlich mit entsprechend langdienenden Chargen. Der Botschafter frug
sodann über unsere Wünsche bezüglich Luftrüstung. Hierauf erklärte der
Kanzler, wir dächten etwa an 25 %> der Luftstreitkräfte von Frankreich,
Polen und Tschechoslowakei. Auf die weitere Frage des Botschafters, ob wir
England als hochgerüsteten Staat ansähen, der nach unserem Vorschlag
nicht weiterrüsten sollte, erklärte der Kanzler, daß dies nicht der Fall sei.
Zum Schluß erkundigte sich Sir Phipps noch über unsere Marinepläne,
worauf der Kanzler ihm sagte, bis zum Jahre 1935 beabsichtigten wir ledig-
lich, das uns im VersaiUer Vertrag zugestandene Bauprogramm auszufüh-
ren; was später geschehe, hänge von den bevorstehenden Abmachungen
der anderen Mächte ab.2) Falls diese z. B. die Unterseeboote ganz abschaff-
ten, würden wir auch keine Unterseeboote bauen wollen.
Sir Phipps erkundigte sich sodann noch darüber, ob wir mit den Franzosen
bereits in ein direktes Gespräch gekommen seien, was der Kanzler ver-
neinte, unter Darlegung der durch die schwachen französischen Kabinette
bestehenden Schwierigkeit. Er fügte indessen hinzu, daß es jedenfalls
wesentlich dazu beitragen würde, die in Frankreich zu einer direkten Aus-
sprache mit Deutschland neigenden Kräfte zu stärken, wenn man eng-
lischer- und auch italienischerseits erkennen lassen wollte, daß man dem
von ihm skizzierten Plan der Gestaltung unserer Verteidigungsrüstung
nicht ablehnend gegenüberstehe. Der Kanzler nahm dabei Bezug auf die
Rede von Baldwin.3)
Die Unterhaltung dauerte etwa Dreiviertelstunden. 4 )
v. N[EURATH]
(1) Siehe Dokument Nr. 23.
(2) Siehe auch Dokument Nr. 45.
(3) Rede Baldwins im britischen Unterhaus am 27. November. Siehe ParJiamentary Debafes,
House of Commons, 5. Serie, Bd. 283, Spalten 650-51.
(4) Berichte Phipps' über diese Unterredung sind abgedruckt in Documents on British
Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 97 und 99.

100
7467/H 179 459-61
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
Ganz geheim BERLIN, den 5. Dezember 1933
Im Laufe seines heutigen Besuches kam der französische Botschafter *) auf
seine letzte Unterredung mit dem Herrn Reichskanzler 2 ) und die Frage der

*(i) Francois-Poncet.
(2) Siehe Dokument Nr. 86.

171
Nr. 100 5. DEZEMBER 1933

deutsch-französischen Verhandlungen zu sprechen. Er erwartet in einigen


Tagen eine Antwort aus Paris, die aber seiner Meinung nach im wesent-
lichen aus Rückfragen bestehen werde. Er betonte, daß die Grundfrage, ob
Deutschland eine gewisse Aufrüstung zugestanden werden würde, noch
offen sei und daß er deshalb nur persönliche Anregungen machen wolle.
Um aber künftige Gespräche vorzubereiten, schnitt er, mit der Bitte, seine
Beteiligung an dieser Aussprache streng geheim zu halten, folgende Fragen
an:
Wie groß sei die Zahl der Tanks, Flugzeuge usw., die Deutschland ver-
lange. Der Herr Reichskanzler habe keine Zahl genannt, es liefen aber im
In- und Auslande Zahlen um (er sprach von 400 Flugzeugen und 400 Tanks).
Ich sagte dem Botschafter, wir hätten selbst noch keine Zahl ausgerechnet,
und der Herr Reichskanzler habe diese Frage eigentlich schon beantwortet,
denn er habe ihm gesagt, eine normale Ausstattung des 300 000-Mann-
Heeres nach dem Stande anderer Armeen vorbehaltlich der sogenannten
Angriffswaffen. Sein Militärattache 3) könne ihm ohne weiteres ausrechnen,
wieviel Gewehre, Maschinengewehre, Kanonen usw. das ergebe. Wir
hätten unsererseits die Rechnung noch nicht aufgestellt.
Die zweite Frage war die der Anrechnung bzw. künftigen Gestaltung der
SA, SS und St[ahlhelm]. Der Einbau der SA in den Staat 4 ) habe die Situa-
tion in gewissem Sinne zweifellos erschwert, man sei in Paris sichtlich be-
unruhigt. Man werde fragen, ob Deutschland zu seinen 300 000 Mann künf-
tiger Reichswehr noch 250 000 Mann SA fordere. Schließlich sei die SA
militarisiert, diszipliniert, uniformiert und auch mit allen Ausrüstungsstük-
ken außer eigentlichen Waffen versehen. Ich sagte dem Botschafter, die SA
sei etwa 2 000 000 [Mann] stark, niemand werde aber ernstlich behaupten
können, daß die SA eine Truppe darstelle. Der Botschafter regte dann sei-
nerseits an, ob man die Frage nicht internationalisieren könne, in dem
Sinne, daß man durch zwischenstaatliche Vereinbarungen ein Statut d'asso-
ciations paramilitaires festsetze, wobei genau bestimmt werde, in welchem
Umfange und in welcher Weise Sport, auch Wehrsport getrieben werden
könne. Ich sagte ihm, der Gedanke sei erwägenswert und habe meines
Wissens auch die Konferenz in Genf beschäftigt, ohne daß aber dabei etwas
herausgekommen sei. Im übrigen sei das Bild für uns ein anderes in dieser
Periode der Arbeitslosigkeit und [sie] in normalen Zeiten, deren Rückkehr
wir in absehbarer Zeit erhofften. Als ich ihm vom Reichsminister Röhm
sprach, erwähnte der Botschafter, daß er von diesem eine Einladung zu
nächster Woche erhalten habe, sich jedoch nicht getraut habe, diese anzu-
nehmen, weil zweifellos in Frankreich dadurch unnötige und im Augenblick
unerwünschte Kritik hervorgerufen worden wäre. Er habe aber an sich den
Wunsch, sich mit RM Röhm auszusprechen.5)
*(3) Renondeau.
*(4) Am 1. Dezember war das „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat" ver-
kündet worden, durch das die SA zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und der
Chef des Stabes der SA (Röhm) zu einem Mitglied der Reichsregierung wurde. Der
Text des Gesetzes ist abgedruckt in Reichsgesetzblatl, 1933, Teil I, S. 1016.
(5) In einem Schreiben vom 13. Dezember (7467/H 179 458) unterrichtete Lammers Bülow:
„Anbei sende ich Ihnen die Aufzeichnung über Ihr Gespräch mit dem französischen
Botschafter vom 5. Dezember d. Js. mit bestem Dank wieder zurück. Der Herr Reiehs-

172
Nr. 101 5. DEZEMBER 1933

Schließlich fragte mich der Botschafter, ob man nicht mit den Ideen etwas
anfangen könne, die früher Rechberg vertreten habe.6) Der Herr Reichskanz-
ler habe ihm bei der letzten Unterredung gesagt, Frankreich habe ja eine
Armee von 600 000 Mann und Deutschland verlange nur eine von 300 000
Mann. Der Gedanke einer Festlegung der Relation zwischen deutscher und
französischer Armee in dem Sinne, daß Frankreich immer einen gewissen
Vorsprung behalte, würde ein wesentliches Element der Sicherheit und der
Beruhigung der französischen öffentlichen Meinung bedeuten. Er betonte
in diesem Zusammenhange, daß er bereits dem Herrn Reichskanzler gesagt
habe, 300 000 Mann seien mehr als die jährlichen Rekrutenjahrgänge in
Frankreich, insbesondere während der jetzt beginnenden schwachen Kriegs-
jahrgänge. Ich habe zu dieser Anregung des Botschafters keine Stellung
genommen.7)
BÜLOW

[Fortsetzung von Anm. 5]


kanzler, der von der Aufzeichnung Kenntnis genommen hat, hat midi beauftragt, Ihnen
mitzuteilen, daß die Behauptung des französischen Botschafters, ,er habe von Herrn
Reiehsminister Röhm eine Einladung erhalten', nicht zutreffe. Der französische Bot-
schafter habe sich vielmehr, wie dem Herrn Reichskanzler bekannt geworden sei, seiner-
seits darum bemüht, eine Einladung von Herrn Reichsminister Röhm zu erhalten. Diese
Einladung sei aber nicht ergangen." Siehe auch Dokument Nr. 220.
(8) Rechberg war als Befürworter einer engen wirtschaftlichen und politischen Zusammen-
arbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien hervorgetreten. Im Februar
1929 hatte er in Unterredungen mit Poincare, Painleve und anderen französischen
Politikern (5721/H 025 333-46) die Bildung einer französisch-deutschen Militärallianz
angeregt. Darüberhinaus hatte er vorgeschlagen, eine aus 500 000 französischen und
300 000 deutsehen Soldaten bestehende Armee aufzustellen, die unter gemeinsamem
deutsch-französischem Oberkommando stehen sollte. Auch die Möglichkeit einer Ein-
beziehung Großbritanniens, Belgiens und Polens in das Bündnis war erwogen worden.
*(') Randvermerke: „Hat dem Herrn RM vorgelegen." - „Der Herr Reichskanzler hat
Kenntnis."

101
7894/E 572 245/1
Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 5. Dezember 1933
II S. G. 3180
Der französische Botschafter berührte im Laufe unserer Unterredung J )
auch die Saarfrage. Er setzte mir sehr eingehend auseinander, daß die fran-
zösische Regierung wahrscheinlich zu schwach sei, um es sich leisten zu
können, über die Anregung des Herrn Reichskanzlers über Verzicht auf
Abstimmung und vorzeitige Rückgabe des Saargebietes verhandeln zu
können.2) Ich wandte ein, daß von vorzeitiger Rückgabe bei uns nicht die

(i) Siehe Dokument Nr. 100.


*(2) In der Aufzeichnung Neuraths über die letzte vorangegangene Unterredung zwischen
dem Reichskanzler und Francois-Poncet am 24. November (siehe Dokument Nr. 86) ist

173
Nr. 102 5. DEZEMBER 1933

Rede sei, sondern lediglich von Vermeidung der Abstimmung und der da-
durch notwendig werdenden Wahlpropaganda. Die Regierungskommission
im Saargebiet sei der Ansicht, die Wahlkampagne habe deutscherseits be-
reits begonnen. Das sei ein Irrtum, sie werde noch ganz anders einsetzen.
Unvermeidlich müsse der Wahlkampf die deutsch-französischen Beziehun-
gen beeinträchtigen, und dies habe der Herr Reichskanzler vermeiden
wollen. Der Botschafter blieb dabei, daß nur eine sehr starke Regierung in
Frankreich sich auf derartige Verhandlungen einlassen könne. Es sei un-
gleich bequemer und jedenfalls sicherer, es beim VersaiUer Vertrag be-
wenden zu lassen, wie auch der Ausgang sei. In einem solchen Falle könne
in Frankreich niemand der Regierung Vorwürfe über ihre Haltung machen.
Ich zog die letztere Behauptung in Zweifel und gab dem Botschafter zu ver-
stehen, daß das Ergebnis der Abstimmung naturgemäß für Frankreich eine
Blamage sein müsse.
gez. BÜLOW
[Fortsetzung von Anm. 1]
diese Anregung Hitlers nicht erwähnt, wohl aber in dem Bericht Francois-Poncets über
die Unterredung, abgedruckt in Documents Diplomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V,
Nr. 52. Es heißt dort:
„A propos de la Sarre, Hitler pense que le plebiscite de 1935 donnera 95 °/o des voix
en faveur du retour ä l'AIlemagne. 11 prefererait pourtant que ce plebiscite n'eüt pas
lieu, car, dit-il, on n'empeehera pas que son resultat ne soit interprete en Allemagne
comme une victoire, en France comme une defaite et que les relations des deux pays
n'en soient de nouveau empoisonnees. II souhaiterait au contraire qu'un arrangement
ä l'amiable, intervenant avant le plebiscite, füt en quelque sorte le signe cordial de
l'apaisement des relations franco-allemandes. J'ai Signale au Chancelier les difficultes
d'ordre politique et juridique que souleverait l'eventualite dune renonciation au
plebiscite. Hitler ne s'y arrete pas. Si la France et lAUemagne se mettaient d'accord
sur ce point, dit-il, le monde entier en serait enthante.
Hitler accepterait pour la Sarre la Prolongation d u n regime economique analogue ä
celui qui existe aujourdhui. II accepterait egalement que le bassin minier füt exploite
par des societes franc-aises et allemandes ou par des societes mixtes. II va donc ä ce
sujet plus loin que ses predecesseurs, car c'est lä-dessus quavaient naguere echoue
les conversations engagees."
Siehe auch Francois-Poncet, Souvenirs dune ambassade ä Berlin, S. 168-69. Siehe auch
Dokument Nr. 116 sowie die Ausführungen Hitlers zum Saarproblem am 30. Januar
1934, abgedruckt in Domarus, Hitler Reden, Bd. I, S. 352-62; Auszüge in englischer
Übersetzung in Baynes, The Speeches oi Adoll Hitler, Bd. II, S. 1169-70.

102
8825/E 614 266-69
Konsul Koester (Danzig) an Ministerialdirektor Meyer
DANZIG, den 5. Dezember 1933
Sehr verehrter Herr Ministerialdirektor!
Durch Herrn Senatspräsidenten Rauschning wie auch durch Herrn Gau-
leiter Staatsrat Forster habe ich vertraulich Kenntnis erhalten von einem
Konflikt zwischen diesen beiden Persönlichkeiten, der für die hiesige
Staatsführung verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen könnte. Schon seit

174
Nr. 102 5. DEZEMBER 1933

längerer Zeit war es zwischen dem Senat und der hiesigen Gauleitung zu
Meinungsverschiedenheiten in manchen Fragen gekommen, die jedoch
durch Einlenken von der einen oder anderen Seite haben bereinigt werden
können; es ist jedoch bisher nicht gelungen, eine grundsätzliche Klärung der
Schwierigkeiten herbeizuführen, die sich naturgemäß dadurch ergeben, daß
der Senatspräsident in seiner Eigenschaft als Regierungshaupt die volle
Verantwortung zu tragen hat und andererseits als Parteimitglied durch die
Parteidisziplin an die Anordnungen des Gauleiters als des Vertreters des
Führers gebunden ist. Diese Schwierigkeit ist nunmehr akut geworden bei
dem jetzt unmittelbar vor der gesetzlichen Regelung stehenden Aufbau der
Hauptwirtschaftskammer, zu der der Gauleiter eine schriftliche Anordnung
gegeben hat, mit der sich der Senatspräsident nicht einverstanden erklären
zu können glaubt. Es kommt hinzu, daß auch in anderen, personellen Fragen
der Senatspräsident die zur Durchsetzung der Autorität erforderliche Be-
wegungsfreiheit nicht mehr findet. Er sieht sich deshalb vor den schweren
Entschluß gestellt, sein Amt als Senatspuäsident niederzulegen, ehe sich
etwa dazu von außen her eine Zwangslage ergibt. Der Gauleiter Forster
ist seinerseits, wie er mir ausführte, nicht gewillt, seinen gradlinigen Weg,
der ihn bei dem Aufbau der Partei zum Erfolg geführt hätte, aufzugeben.
Mir scheint tatsächlich eine Lage gegeben zu sein, die sich nicht mehr
durch Kompromisse, zu denen übrigens keiner der beiden Herren bereit ist,
ändern läßt. Ohne Zweifel besteht außenpolitisch grundsätzlich ein aus-
schlaggebendes Interesse daran, daß die Stellung des Senatspräsidenten
autoritär gefestigt dasteht. Dies auch in der Hauptsache deswegen, weil von
polnischer Seite die Stellung des jetzigen Senatspräsidenten insbesondere
in bezug auf mögliche Einmischungen seitens des Gauleiters stark beobach-
tet und bereits häufig in dieser Hinsicht verdächtigt worden ist. Auch im
Hinblick auf die Ratstagung in Genf im Januar n. Js., bei der der Danziger
Pressekonflikt zur Sprache kommen wird, erscheint es dringend geboten,
daß Herr Senatspräsident Rauschning die von ihm ergriffenen Schritte per-
sönlich vor diesem Forum rechtfertigt. Weiterhin schweben bekanntlich die
Danzig-polnischen Wirtschaftsverhandlungen, die durch die letzte polnische
Verordnung über eine Sperre der Danziger Lebensmitteleinfuhr nach Polen
eine starke Verschärfung erfahren haben.1)
Unter Hinweis auf diese Gesichtspunkte habe ich Herrn Senatspräsiden-
ten Rauschning dringend vor Augen gehalten, seine Stellung, so schwer es
ihm auch fallen möge, jetzt nicht aufzugeben. Er hat jedoch erklärt, er könne
eben aus staatspolitischen Notwendigkeiten heraus seine Aufgabe als
Senatspräsident nur dann durchführen, wenn er von ihn bindenden gau-
parteilichen Anordnungen befreit würde; es würde dies also darauf hinaus-
laufen, daß ihm, solange er Senatspräsident ist, die Gauleitung zeitweilig

(i) Während eines Besuchs in Warschau am 11. und 12. Dezember konferierte Rauschning
mit Pilsudski, Beck und anderen polnischen Regierungsvertretern über Wirtschafts-
fragen und allgemeine politische Fragen sowie die Möglichkeit einer Zusammenkunft
zwischen Hitler und Pilsudski. In einer Aufzeichnung ohne Unterschrift vom 14. Dezem-
ber (6601/E 495 072-77) findet sich eine Zusammenfassung der von Rauschning dem
Auswärtigen Amt berichteten Ergebnisse des Besuchs. Siehe auch Rauschning, Die
Revolution des Nihilismus, S. 407-08.

175
Nr. 103 6. DEZEMBER 1933

übertragen würde. Gegen diesen Gedanken hat sich Herr Gauleiter Forster
bisher strikt ablehnend verhalten.
Der einzige, unter diesen Umständen sich bietende Ausweg wäre der, daß
Herr Gauleiter Forster selber die Geschäfte als Senatspräsident übernimmt;
jedoch kann ich aus den angeführten Gründen nicht umhin, den augenblick-
lichen Zeitpunkt für einen derartigen Wechsel für höchst ungeeignet und
nachteilig zu halten. Treiben allerdings die Dinge so weiter, wie sie jetzt
sind, so ist mit schweren Reibungen in dem Funktionieren der Staats-
maschine zu rechnen, da es nicht hat verhindert werden können, daß die
Divergenzen zwischen Senatspräsident und Gauleiter bereits in hiesigen
Kreisen bekannt geworden sind und zu Spaltungen innerhalb der Behörden
des Senats und der Partei zu führen drohen.
Ich muß mich darauf beschränken, ernstlich die Aufmerksamkeit des Aus-
wärtigen Amts auf diese augenblickliche Lage zu lenken.
Mit gehorsamsten Empfehlungen bin ich
Ihr sehr ergebener
KOESTER

103
7188/E 528 294-97
Autzeichnung des Ministerialrats Willuhn (Reichskanzlei)
Rk. 14025
NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE CHEFBESPRECHUNG AM 6. DEZEMBER 1933
NACHM. 5 UHR IN DER REICHSKANZLEI

Anwesend die Herren: Reichskanzler Adolf Hitler, Reichsminister des


Auswärtigen Freiherr von Neurath, Reichsminister der Finanzen Graf
Schwerin von Krosigk, Reichswirtschaftsminister Dr. Schmitt, Reichsbank-
präsident Dr. Schacht, Staatssekretär Dr. Lammers. Vom Auswärtigen Amt:
Ministerialdirektor Dr. Ritter, Legationsrat Baer. Vom Reichsfinanzministe-
rium: Ministerialdirigent Dr. Berger. Vom Reichswirtschaftsministerium:
Staatssekretär Feder, Staatssekretär Posse, Ministerialdirektor Sarnow,
Ministerialrat Waldeck, Regierungsrat Dr. Hartenstein. Der Beauftragte für
Wirtschaftsfragen Keppler. Ministerialrat Dr. Killy. Ministerialrat
Dr. Willuhn als Protokollführer.
Gegenstand: Transferfragen.
Der Reichsbankpräsident berichtete über die Devisenlage und das Aus-
maß der Transferierung. Die deutsche Ausfuhr werde zur Hälfte mit In-
landsmark bezahlt. Für die andere Hälfte gingen die Exportdevisen ein.
Daneben liefen die sogenannten Judenexporte, die eine Kapitalflucht der
Juden darstellten. Viele deutsche Juden kauften mit den ihnen zur Ver-
fügung stehenden Geldmitteln Waren auf und führten sie nach dem Aus-
lande aus, ohne die Devisen abzuliefern. Hinsichtlich der Zins- und Schul-
denzahlung müsse man sich darüber klar werden, ob man an dem gegen-

176
Nr. 103 6. DEZEMBER 1933

wärtigen System festhalte und dabei den gegenwärtigen Transfersatz auf-


recht erhalte oder einen niedrigeren nehmen oder ob man zu einem ande-
ren System überzugehen beabsichtige. Die Entscheidung hierüber läge
allein bei Deutschland. Die Reichsbank habe den Kontakt mit den auslän-
dischen Gläubigern aufrecht erhalten. Die Vertreter der Gläubiger der ein-
zelnen Länder seien von der Reichsbank von Zeit zu Zeit nach Berlin einge-
laden worden. Diese hätten zwar keine juristische Legitimation zur Ver-
tretung der Auslandsgläubiger. Es werde jedoch die Fiktion aufrecht erhal-
ten, daß ihnen eine Vertretungsbefugnis zustände. Zur Zeit befänden sie
sich wieder in Berlin. Er suche zu erreichen, daß für die nächsten 6 Monate
wieder ein Beruhigungszustand vorhanden ist. Er werde bei den Verhand-
lungen so vorgehen, daß keine Schwierigkeiten erwachsen. In allen Ländern
hätten die Gläubiger bis vor kurzem stillschweigend den gegenwärtigen
Zustand hingenommen.
Die Sonderabmachungen mit den holländischen und schweizerischen
Gläubigern, auf die Deutschland eingegangen wäre, um dem beabsichtigten
Clearing-Verfahren zu entgehen,1) hätten jedoch in den anderen Ländern
einen stürmischen Unwillen hervorgerufen. Auch in einer Note der eng-
lischen Regierung, die dem Auswärtigen Amt zugeleitet worden sei,2)
würde dieser Unwille zum Ausdruck gebracht. Die Proteste kämen haupt-
sächlich von den Gläubigern Englands und der Vereinigten Staaten von
Amerika. Die Regierungen der beiden Länder billigten diese Protestaktio-
nen stillschweigend. Die Gläubiger dieser Länder fühlten sich benachteiligt.
Er, der Reichsbankpräsident, habe bei den gestrigen Verhandlungen mit
den Gläubigervertretern dieser Länder darauf hingewiesen, daß er nicht die
Verantwortung für die Regelung mit Holland und der Schweiz trüge. Er
habe die beiden Vertreter an den Reichswirtschaftsminister verwiesen, der
mit ihnen auch eine Unterhaltung geführt habe.
Er sei der Meinung, daß die Fühlungnahme mit den Vertretern der Aus-
landsgläubiger in der bisherigen Form aufrecht erhalten werden solle. Die
Abkommen mit Holland und mit der Schweiz trügen der in London aufge-
stellten These Rechnung, daß die Schulden von Land zu Land nur durch
Warenlieferungen abgetragen werden könnten.
Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß für die Reichsregie-
rung nur zwei Betrachtungsmöglichkeiten vorhanden seien: Entweder wür-
den alle Gläubiger mit einer gleichen Quote bedacht werden oder es müßte
eine Bevorzugung der großen Kunden Deutschlands eintreten. In der prak-
tischen Gestaltung ergäben sich jedoch große Schwierigkeiten. Die Abkom-
men mit Holland und der Schweiz machten die Lage der Gläubigervertreter
der einzelnen Länder schwierig. Er halte es für zweckmäßig, mit allen
Gläubigervertretern zu verhandeln und erst dann Sonderzugeständnisse
an einzelne Gläubigerländer zu machen. Auf diese Weise könnte eine Hilfe-
stellung gegen die Gläubiger Hollands und der Schweiz erreicht werden.

*(l) „Vereinbarungen über die Durchführung des deutschen Transfermoratoriums" waren


am 7. Oktober 1933 mit dem Schweizerischen Bundesrat (9638/E 679 846-54) und am
28. Oktober 1933 mit der Niederländischen Regierung (9639/E 679 857-64) getroffen
worden.
(2) Fundort: 7186/E 527 784-85.

177

11,1 Bg. 12
Nr. 104 6. DEZEMBER 1933

Der Reichsminister des Auswärtigen schloß sich dem Vorschlage des


Reichswirtschaftsministers an.
Der Reichskanzler brachte zum Ausdruck, daß Zahlungsmöglichkeiten für
Deutschland überhaupt nicht gegeben sein würden, wenn die Zahlungs-
bilanz zwischen Deutschland und der Schweiz und Deutschland und Holland
nicht so stark passiv zu Lasten der beiden fremden Staaten wäre. Auch er
halte den Vorschlag des Reichswirtschaftsministers für gangbar und emp-
fehle seine Durchführung.
W[ILLUHN]

104
5737/H 028 804-07
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Citissime ROM, (QUIR.), den 7. Dezember 1933 0 Uhr 10
Nr. 272 vom 6. 12. Ankunft: 7. Dezember 2 Uhr 25
II It. 1476
Unterredung mit Mussolini.
1) Nach Bestellung von Grüßen habe ich zunächst kurz Eindrücke in
Deutschland geschildert, worauf er erklärte, daß er von Rocco und Alfieri
im gleichen positiven Sinne unterrichtet worden sei.
2) Ich ausrichtete hierauf persönlichen Auftrag Kanzlers, daß er ihn über
alle Phasen deutsch-französischer Besprechungen auf laufendem halten
werde, gemäß Grundgedanken, daß weder deutsch-französische noch
italienisch-französische Verständigung ohne Unterrichtung des andern oder
gar zu seinem Nachteil erfolgen solle. Gleichzeitig gab ich Mussolini Über-
sicht über Unterhaltung Kanzlers und Außenministers mit dem französischen
Botschafter.1) Mussolini aussprach für Erklärung und Unterrichtung Dank
und volles Einverständnis. Er bemerkte zunächst, er habe zuverlässige
Nachricht, daß Petit Journal Falschmeldungen von Wickham Steed über
Prag nach Paris gelangt seien. Im übrigen meinte er, daß nach eigenen Er-
fahrungen er Aussichten Verständigung mit Frankreich skeptisch beurteilen
müsse. Beweis sei, daß neuerlich Unterhaltungen in Flottenfrage mit fran-
zösischer gänzlich unannehmbarer Zumutung geendet hätten, Italien solle
sich verpflichten, nicht mehr als eine Dunkerque zu bauen.
3) Abrüstungsfrage: Fortschritte seien in diplomatischen Besprechungen
inzwischen nicht erzielt worden, auch nicht mit Sir Eric Drummond, der
noch stark in Völkerbundsideologie befangen. Engländer fingen im übrigen
realpolitischer zu denken an. Er denke sich weiteren Fortgang so, daß nach
Rückkehr Suvichs und Abrüstungssachverständigen aus Berlin 2 ) er deut-

*(i) Francois-Poncet. Siehe Dokument Nr. 86.


(2) Hassell hatte in Telegramm Nr. 267 vom 2. Dezember (8046/E 578 372) berichtet, er habe
im Auftrage Hitlers Suvich eine Einladung nach Berlin überbracht. Suvich habe sich

178
Nr. 104 6. DEZEMBER 1933

sehen Standpunkt Engländern vorlege; wenn mit ihnen grundsätzlich Einig-


keit erzielt, könne man zu vieren weiter sprechen. Rußland und Amerika,
die beide durch japanisches cauchemar bedrückt, würden besser erst in
späterem Stadium zugezogen.
4) Völkerbund: Die deutscherseits an Mussolini abgegebenen Erklärun-
gen 3) interessierten Mussolini besonders, weil mit Großratsbeschluß 4) im
Prinzip übereinstimmend. Italien habe über Reform Völkerbunds ganz be-
stimmte Gedanken, die ausgearbeitet würden, weil man auf Einbringung
von anderer Seite gefaßt sein müßte, was Italien denn Besseres vorgeschla-
gen habe, wenn ihm jetziger Völkerbund nicht gefalle. In diesem Sinne
habe er auch mit Avenol gesprochen, der natürlich brennendes Interesse
habe, Völkerbund zu retten. Mussolini zeigte dann seinen Entwurf zur
Großratserklärung, der zu diesem Punkte ausführlicher war als, veröffent-
lichte Fassung; darin wird dargelegt, daß in Verfassung Völkerbunds
unhistorisches und unnatürliches Prinzip völliger Gleichstellung großer und
kleiner Nationen fallen müsse, daß die Methode des Völkerbunds vom un-
fruchtbaren System des Parlamentarismus zu befreien sei und daß endlich
Ziele genauer und klarer bestimmt und beschränkt werden müßten. Diese
Sätze seien fortgelassen worden, um nicht unnütz von vornherein Sturm
Widerstands zu erregen.
5) Besuch Litwinows: 5 ) Zwischen Rußland und Italien sei politisch nichts
Neues zu vereinbaren gewesen; Besuch habe aber publizierten großen Wert
und werde sich wirtschaftlich nützlich auswirken. Litwinow sei wegen Ent-
wickelung internationaler Lage aufs äußerste besorgt gewesen, da er schwere
Konflikte voraussehe, besonders natürlich im Fernen Osten. Angriff Japans
sei bisher nur vermieden worden, weil zur Zeit Rußland im Fernen Osten
militärisch und besonders in der Luft überlegen sei. Indessen sei sich
Litwinow über auf die Dauer schlechten Chancen kriegerischen Zusammen-
stoßes mit Japan durchaus im klaren. Litwinow fürchte deutsch-polnische
Versöhnung mit territorialer Entschädigung Polens an der Ostgrenze und
deutsch-polnisch-japanische Verschwörung gegen Rußland. In dieser Stim-
mung sei er sehr geneigt, besseres Verhältnis zu Deutschland zu suchen,
worin er ihn bestärkt habe. Ich hinwies auf durchsichtiges Spiel, deutsch-
polnische Verständigung durch leere russische Versprechungen zu stören,
und andeutete, daß französisch-japanische Verschwörung wahrscheinlicher
als deutsch-japanische. Mussolini erwiderte, daß Litwinow demgegenüber
ganz von Furcht vor dem von ihm genannten Dreibund erfüllt. In Abrüstungs-
frage habe Litwinow erklärt, daß er im Interesse Friedens und Abrüstung
an sich gegen deutsche Aufrüstung sei, aber nach Lage der Sache nichts da-

[Fortsetzung von Anm. 2]


bereit erklärt, am 11. Dezember nach Berlin zu kommen; er habe vorgeschlagen, daß
ein Abrüstungs-Sachverständiger ihn „inoffiziell" begleiten solle. Zu Suvichs Besuch
in Deutschland siehe die Dokumente Nr. 120 und 126.
(3) Siehe die Dokumente Nr. 40, 50 und 78.
(4) Der Große Faschistische Rat hatte am 5. Dezember den Beschluß gefaßt, das weitere
Verbleiben Italiens im Völkerbund davon abhängig zu machen, daß eine radikale
Reform seiner Verfassung, seines Arbeitssystems und seiner Zielsetzung durchgeführt
werde.
(5) Der Besuch Litwinows in Rom hatte vom 2. bis 5. Dezember stattgefunden.

179
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933

gegen unternehmen werde, da Rußland der Vertrag von Versailles nichts


angehe. Bezüglich europäischen Südostens habe Litwinow gesagt, daß
dortige Völker für das heutige Rußland nicht Slawen, sondern Balkanesen;
der frühere panslawische Traum käme nicht mehr in Frage. Mussolini hin-
zufügte, daß türkische Politik unter Tewfik Rusdidi bedauerliche Wege
gehe; letzter Anlaß dazu sei Angst vor bulgarischen Revisionsansprüchen
auf Thrazien. Er, Mussolini, habe König Boris noch vor einigen Monaten in
langer Unterhaltung dringend geraten, Revisionsgedanken auf zwei Fron-
ten zu beschränken und sich mit Griechenland und der Türkei zu verständi-
gen. Leider vergeblich. Auf der anderen Seite müsse er anerkennen, daß
sich Bulgarien trotz Schwäche seiner Position brav unabhängig halte und
Lockungen der Kleinen Entente widerstehe. Bulgariens Beziehungen zu
Ungarn seien ausgezeichnet, und Italien unterstütze beide Länder nach
Kräften, vor allem Bulgarien in letzter Zeit mit Waffen unter sorgfältiger
Vermeidung von Hirtenberg-Affären.6)
6) Gesamtproblem: Ich fragte Mussolini, ob Donau-Memorandum, dessen
seinerzeitige taktische Bedeutung mir klar, noch aktuell, was er bejahte.
Ich hinzufügte, daß wir bisher nicht geantwortet hätten, aber jederzeit
bereit seien, verbreiterte Anknüpfung an ihm seinerzeit skizzierte fünf
Punkte auf der Basis Memorandums 7) mit Italien zu unterhalten, um ge-
meinsame Linie zu entwickeln. Mussolini erklärte, daß er hiermit durchaus
einverstanden sei. Ich werde über letzten Punkt noch mit Ciancarelli spre-
chen, ebenso wie er in Berlin mit Suvich besprochen werden könnte.
HASSELL
(«) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 81.
(7) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 485.

105
3154/D 671 462-67
Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow •)
BERLIN, den 7. Dezember 1933
Der französische Botschafter sagte sich heute sehr dringlich bei mir an
unter dem Vorwand, er habe heute Kurierschluß. Tatsächlich kam er, um
mitzuteilen, daß er Weisungen aus Paris erhalten habe, die ihn instand
setzten, die Aussprache mit dem Herrn Reichskanzler fortzusetzen,2) und daß
er hiermit bitte, ihm eine neue Zusammenkunft mit dem Herrn Reichskanz-
ler zu vermitteln.
Der Sinn seiner Weisungen sei, den hergestellten Kontakt nicht abreißen
zu lassen, obwohl die französische Regierung im Augenblick wenig zu
sagen habe. Er werde darlegen müssen, daß seine Regierung durch den
Kampf um das Budget voll in Anspruch genommen sei und erst nach Erledi-

*(i) Randvermerk Neuraths: „RK".


*(2) Siehe Dokument Nr. 86. Die Weisung an Francois-Poncet ist abgedruckt in Documents
Diplomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 81.

180
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933

gung dieser brennenden Frage sich in der Lage sehen werde, der deutsch-
französischen Aussprache ihre volle Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die Weisungen, die er erhalten habe, sprächen das Bedauern der fran-
zösischen Regierung aus, daß von Abrüstung nicht mehr die Rede sein
solle, sondern nur von Rüstungsbegrenzungen. Die französische Regierung
fürchte, daß auch eine verhältnismäßig geringe Aufrüstung Deutschlands zu
einem internationalen Rüstungswettlauf mit allen seinen Gefahren führen
werde. Die französische Regierung sei im übrigen noch nicht bereit, einer
deutschen Aufrüstung zuzustimmen, diese Frage müsse offen bleiben, bis
ein klareres Bild von den deutschen Absichten gewonnen worden sei.
Was die Saar anlange, so werde er darauf hinzuweisen haben, daß die
französische Öffentlichkeit und die französische Kammer jedem Verzicht
auf die Abstimmung 3 ) als Aufgabe eines Rechts, das der Saarbevölkerung
vertraglich seit 15 Jahren zugesichert sei, gänzlich ablehnend gegenüber-
stehe. Die französische Regierung, das wolle er mir ganz offen sagen, sei
nicht stark genug, um dieser Auffassung entgegentreten zu können. Das
schließt aber nicht aus, daß zu einem späteren Zeitpunkt eine Aussprache
über Wirtschaftsfragen, über ein Zoll-Ubergangs-Regime und über die Ent-
schädigung für den Grubenbesitz eingeleitet würde.
Er sei ermächtigt oder angewiesen (das ging aus seinen Ausführungen
nicht klar hervor), um eine genauere Präzisierung der deutschen Absichten
auf dem Rüstungsgebiet zu bitten. Seine Fragen würden sich in erster
Linie beziehen auf Zahl und Art der Waffen, die Deutschland verlange.
Ferner auf die SA, ihre künftige Gestaltung und ihr Verhältnis zur Armee
bzw. Veranschlagung ihres militärischen Wertes. Sodann werde er fragen,
ob es in den Absichten des Herrn Reichskanzlers liege, ein festes Verhältnis
der Stärke der deutschen Rüstungen zu denen der benachbarten Länder zu
konstituieren. Er habe errechnet, daß 300 000 Mann ein Viertel der Wehr-
macht von Frankreich, Polen und der Tschechoslowakei (und Belgien?) aus-
mache. Er bezog sich im übrigen auf die Unterredung, die ich vorgestern
mit ihm hatte.4) Schließlich werde er fragen, ob der Herr Reichskanzler die
Möglichkeit sehe, einen allgemeinen Nichtangriffspakt abzuschließen oder
die mit Polen getroffene Vereinbarung über die Nichtanwendung von
Gewalt 5 ) zu verallgemeinern. Er frage sich allerdings, ob diese Möglich-
keiten irgendwie die deutsch-französische Situation verändern würden, da
ja der Locarno-Vertrag, zu dem sich der Herr Reichskanzler ausdrücklich
bekannt habe, ungefähr alles enthielte, was auf diesem Gebiet vereinbart
werden könne.
Ich sagte dem Botschafter, ich wunderte mich sehr, daß seine Regierung
ihr Bedauern aussprechen wolle, daß der Abrüstungsgedanke fallen ge-
lassen werde. Eine allgemeine Abrüstung sei schließlich nicht möglich, wenn
das stärkst gerüstete Land der Welt nicht mit dem guten Beispiel voran-
gehe. Niemals und zu keiner Zeit hätte die französische Regierung uns oder
anderen bekanntgegeben, daß sie zu einem irgendwie beachtlichen Ab-
rüstungsschritt bereit sei, und für uns hätte der Verlauf der Genfer Verhand-

(3) Siehe Dokument Nr. 101 und Anm. 2 dazu


(4) Siehe Dokument Nr. 100.
(5) Siehe Dokument Nr. 69, Anm. 2.

181
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933

lungen klar erwiesen, daß ein Abrüstungswille nicht bestehe. Auf dieser
Tatsache fuße der Vorschlag des Herrn Reichskanzlers, es in diesem ersten
Stadium bei einer Begrenzung der Rüstungen bewenden zu lassen.
Der Botschafter widersprach lebhaft, daß Frankreich nicht zur Abrüstung
bereit sei. Er sei allerdings immer schon überzeugt gewesen, daß wir den
englisch-amerikanisch-französischen Vorschlag dieses Herbstes nicht richtig
verstanden hätten. Der Vorschlag laufe doch letzten Endes darauf hinaus,
daß der Herstellung der sogenannten Angriffswaffen sofort ein Ende ge-
macht werde, daß nach vier Jahren ein Drittel, nach 6 Jahren ein weiteres
Drittel und nach acht Jahren das letzte Drittel aller Angriffswaffen abge-
schafft werde.6) Nach diesem Vorschlag würde Deutschland im Laufe der
Jahre die Verteidigungswaffen erhalten und zum Schluß der acht Jahre
dieser Konvention völlig gleich bewaffnet und gleichberechtigt dastehen.
Ich sagte dem Botschafter, trotz meiner genauen Kenntnis der Genfer
Vorgänge sei mir dieser Vorschlag wenigstens in dieser Form völlig neu.
Ich könnte ihm versichern, daß Herr Paul-Boncour weder Herrn von Neu-
rath noch Herrn Nadolny jemals ein Wort von einer etappenweisen Ab-
schaffung aller Angriffswaffen gesagt hätte. Auch die Engländer hätten uns
hiervon nie etwas gesagt. Der Vorschlag, den man uns gemacht habe, sei
ein wesentlich anderer. Zunächst sollten wir zum zweitenmal abrüsten,
indem wir die Reichswehr in eine Miliz umwandelten. Dieser Miliz sollte
aber die Charakteristika einer Miliz, nämlich die Reserven, genommen sein,
denn man habe uns nur die VersaiUer Bewaffnung für den unter den Fah-
nen befindlichen Jahrgang angeboten. In der zweiten vierjährigen Periode
wollten sich nach dem uns bekannten Vorschlag die anderen Mächte die
Abrüstung überlegen. Diese sei aber abhängig gewesen von dem Funktio-
nieren einer internationalen Kontrolle. Jedem Staate hätte es freigestanden,
nach vier Jahren eine Abrüstung erneut abzulehnen mit der Begründung,
daß die Kontrolle seinen Ansprüchen in irgendeinem Punkte nicht genüge.
Das Ausschlaggebende bei der ganzen Konstruktion sei aber das Miß-
trauen gegen Deutschland gewesen. Man habe unverblümt erklärt, daß das-
selbe Deutschland, dem man noch im Mai den MacDonald-Plan angeboten
habe, im Oktober so wenig vertrauenswürdig sei, daß es einer vierjährigen
Probezeit unterworfen werden müsse. Niemand habe uns sagen können,
welche Umstände einen solchen Umschwung der Auffassung rechtfertigen.
Der Botschafter erwiderte sehr lebhaft, die Antwort hierauf könne er mir
ohne weiteres geben. Sämtliche Regierungen der Welt seien in der Zeit
zwischen Mai und Oktober überschüttet worden mit Nachrichten über ein
rasches Fortschreiten der deutschen Aufrüstung. Von überall her kämen
Meldungen, daß bei uns in großen Mengen Munition, Geschütze, Giftgase,
Tanks und Flugzeuge hergestellt würden. Er führte dies des Näheren aus,
und es gab eine scharfe Auseinandersetzung zwischen uns, zumal ich ihm
vorhielt, daß keine Regierung gewagt hätte, uns diese angeblichen Mel-
dungen zur Bestätigung vorzulegen, mit Ausnahme der englischen Regie-
rung,7) der gegenüber wir einmal eine absurde Behauptung der Luftauf-
rüstung richtiggestellt hätten. Wenn fremde Regierungen kommunistischen

*(6) Randbemerkung Neuraths: „??"


(7) Siehe Serie C, Bd. 1, 2, Dokument Nr. 380.

182
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933

Agitatoren und deutschen Emigranten ihr Ohr leihen, statt sich an die Tat-
sachen zu halten bzw. mit der deutschen Regierung über die Gründe ihrer
Beunruhigung offen zu sprechen, so liege darin bereits ein unüberwindbares
Hindernis für jede Verständigung. Der Botschafter meinte, eine Einladung
an die Militärattaches, unsere durch Agentenberichte kompromittierten
Fabriken zu besichtigen, würde wesentlich zur Beruhigung beitragen. Ich
lehnte diesen Gedanken sehr entschieden ab.
Im übrigen sagte ich dem Botschafter, ich glaubte nicht, daß er den Herrn
Reichskanzler dahin richtig verstanden habe, daß diesem eine feste Relation
der deutschen Rüstungen mit denen der Nachbarstaaten im Verhältnis eins
zu vier vorschwebe. Allerdings könne ich ihm hierüber nichts Authentisches
sagen. Von militärischer Seite sei mir bekannt, daß man im allgemeinen
auf jeden Kilometer Grenze so und so viel Mann zur Verteidigung veran-
schlage. Die Ziffer, die sich hieraus für Deutschland ergebe, liege etwas
über 300 000. Was seine Idee, zusätzliche Sicherheiten zu schaffen, anlange,
so sei ich etwas skeptisch. Es werde sehr schwer sein, eine Vereinbarung zu
entwerfen, die noch über die sehr weitgehenden Bestimmungen des
Locarnovertrages hinausgingen. Er müsse sich auch vollkommen von dem
früher erörterten Gedanken freimachen, daß Frankreich zusätzliche Sicher-
heiten als Gegenleistung für seine Abrüstung erhalten solle. Im gegen-
wärtigen Stadium der Verhandlungen werde von Frankreich keine Ab-
rüstung verlangt, und damit bereits entfiele jede Berechtigung einer Forde-
rung zusätzlicher Sicherheiten. Damit sei aber nicht gesagt, daß deutscher-
seits friedenssichernde Vereinbarungen irgendwelcher Art grundsätzlich
abgelehnt würden. Im Gegenteil. Die Verquickung des Problems der Sicher-
heit mit dem der Abrüstung könne aber nach unserem Ausscheiden aus der
Genfer Konferenz nicht mehr in dem dort behandelten Sinne fortgeführt
werden.
Zum Schluß kam der Botschafter nochmals (wie vorgestern) auf seine Be-
sorgnisse wegen der Presseindiskretionen über die laufenden diplomati-
schen Besprechungen. Er schlug seinerseits ein Kommunique über seinen
nächsten Empfang beim Herrn Reichskanzler vor, das folgendermaßen
lautet:
„Le Chancelier Hitler a recu, le decembre, lÄmbassadeur de France. La
conversation, faisant suite ä l'entretien du 24 novembre, a eu, comme
celui-ci, un but dinformation mutuelle sur les principales questions ä
l'ordre du jour."
Deutsch: „Der Herr Reichskanzler Hitler empfing am Dezember den fran-
zösischen Botschafter. Die Unterredung setzte die Besprechung vom
24. November fort und hatte ebenso wie die letztere zum Ziel die gegen-
seitige Unterrichtung über die wichtigsten zur Erörterung stehenden Fra-
gen."
Ich sagte dem Botschafter, ich würde seine Anregung weitergeben und
könne ihm im übrigen versichern, daß seitens unserer Presse, die ich ge-
warnt und über den Charakter diplomatischer Aussprachen eingehend auf-
geklärt habe, Indiskretionen nicht vorkommen würden. Es sei an ihm, dafür
zu sorgen, daß nicht wieder in Paris falsche Gerüchte oder verfrühte Ver-
öffentlichungen vorkämen. Der Botschafter klagte darauf über die schlechte

183
Nr. 106 6. DEZEMBER 1933

Gewohnheit des auswärtigen Ausschusses der französischen Kammer, vom


Außenminister fortlaufend über diplomatische Unterredungen unterrichtet
zu werden, und zwar ganz besonders, wenn nicht ausschließlich, über alle
deutsch-französischen Besprechungen.
Beim Abschied sagte der Botschafter noch als seine persönliche Meinung,
die französische öffentliche Meinung befinde sich zur Zeit in einem Zu-
stand der Gärung und der Erregung; man müsse ihr Zeit zur Beruhigung
lassen und dürfe nicht, um im Bilde zu bleiben, das Faß zu früh anstechen.8)
BÜLOW

*(8) Siehe auch Documents Diplomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 94.

106
6114/E 454 114-15
Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht
an Gesandtschattsrat Hülter
Auszug i)
MÜNCHEN, den 6. Dezember 1933
e. o. II Oe. 2093
Sehr geehrter Herr Doktor! . . .
Betr.: Österreich.
Räuschl berichtet über fortschreitende Zersetzung im Lager des Starhem-
bergschen Heimatschutzes. Die Vertreter der vier Gruppen Starhemberg,
Steidle, Fey und Alberti sprechen umschichtig bei ihm vor, jeder versucht,
den anderen auszustechen und als unmöglich hinzustellen, keiner jedoch ist
in der Lage, zu einem entscheidenden Schritt zu kommen. Insgesamt ge-
sehen ein Bild vollkommener Kopflosigkeit und Verwirrung! Einig sind alle
nur in der Wut auf Dollfuß, der sie immer mehr kaltstellt. Dollfuß selbst
hofft noch immer auf Möglichkeit direkten Abkommens mit Berlin und hat
zu diesem Zweck bereits zweimal Mittelsleute zum Führer geschickt. Dieser
hat mir davon wieder berichtet. Volle Übereinstimmung in allen Fragen
festgestellt!
In der Haltung Italiens scheint sich jetzt tatsächlich eine Wandlung zu
vollziehen! Räuschl berichtet über eine Unterredung Morreales, der äußerst
deprimiert gewesen sei und andeutungsweise habe verlauten lassen, daß er
seinem eigenen Wunsch entsprechend in absehbarer Zeit von Wien abge-
zogen würde. Er ist wütend auf Starhemberg und den Heimatschutz, weil
diese sich immer zurückdrängen ließen.

*(l) Hüffer fertigte den vorliegenden Auszug am 7. Dezember an und fügte ihm folgenden
Vermerk (6114/E454 116) bei:
„Anbei wird Auszug eines Briefes von Herrn Habicht vom 6. d. M., betreffend] Öster-
reich, über den Herrn Staatssekretär dem Herrn Reichsminister mit der Bitte um Kennt-
nisnahme gehorsamst vorgelegt. Räuschl ist der Deckname für den österr[eichisdien]
nat[ional]soz[ialistischen] Bundesrat Schattenfroh in Wien. Hüffer."

184
Nr. 107 9. DEZEMBER 1933

Ein zweiter Bericht spricht von einer Unterredung zwischen Biro (s. o.)2)
und Morreale, wobei Morreale sich im obigen Sinne noch viel weitgehender
geäußert habe. Interessant in diesem Zusammenhang, daß ein als schärfster
sachlicher und persönlicher Gegner Morreales bekannter italienischer Jour-
nalist in Wien, der von mir schon seit einem Jahr gegen ihn ausgespielt
wurde und der uns gesinnungsmäßig sehr nahesteht, jetzt plötzlich stark in
den Vordergrund tritt und nun auch ganz offiziell überall da eingeladen
wird (auch von der Regierung!), wo bisher Morreale allein herrschte und
vertrat. - Angeblich geschieht das sogar auf Wunsch des Duce.
Der Besuch Gömbös' bei Dollfuß 3) (dreitägiger Jagdausflug in die Steier-
mark) ist sachlich ergebnislos verlaufen, persönlich zu einer Blamage von
Dollfuß geworden. Gömbös fand überall, wo er ging und stand, ausgestreute
oder angemalte Hakenkreuze, sogar in seinem Bett auf der Jagdhütte fand
er eine schöne Holzschnitzerei dieser Art! Er soll großes Vergnügen daran
gehabt und die Schnitzerei sogar mitgenommen haben.
Ein anderer Bericht erzählt, daß in dem von ihm und Dollfuß begangenen
Jagdrevier von Jägern 8 Tage vorher sogar einige Gemsen und Hirsche
lebend eingefangen worden seien, in deren schönen Winterpelz man Haken-
kreuze eingeschoren und sie danach wieder habe laufen lassen. Ob auch
ein[es] dieser Stücke unter der Jagdbeute war, darüber wurde noch nichts
gemeldet.
Ohne mehr für heute! Mit herzlichsten Grüßen
Ihr
gez. HABICHT

(2) Der H i n w e i s bezieht sieh offenkundig auf eine in v o r l i e g e n d e m Auszug nicht ent-
haltene Passage.
(3) G ö m b ö s u n d d e r ungarische Landwirtschaftsminister Källay w a r e n v o m 28. b i s zum
30. N o v e m b e r Gäste der österreichischen Regierung g e w e s e n . Einzelheiten über diesen
Besuch finden sich im Bericht A 2156 der Gesandtschaft in W i e n v o m 8. Dezember 1933
(8659/E 606 273-76).

107
3154/D 671 581
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Dezember 1933
RM. 1687
Der Reichskanzler empfing gestern den englischen Botschafter,1) der ihm
auf Grund einer aus London empfangenen Instruktion eine Reihe von
Fragen unterbreitete. Von diesen Fragen hat der Reichskanzler zunächst nur
die eine beantwortet, nämlich die, worin die Forderung von 300 000 Mann
als übermäßig hoch und die Forderung an Flugzeugen etc. als ungeheuer-
lich (formidable) bezeichnet wurde. Der Kanzler wies darauf hin, daß der

(1) Berichte Phipps' über diese Unterredung sind abgedruckt in Documenfs on British
Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 114 und 120.

185
Nr. 108 8. DEZEMBER 1933

MacDonald-Plan,2) auf den in der englischen Instruktion verwiesen ist, von


uns nur als Basis einer Diskussion und unter der Voraussetzung der Abrü-
stung der anderen angenommen worden sei. Das 300 000-Mann-Heer dagegen
gehe davon aus, daß keiner der hochgerüsteten Staaten abrüsten wolle und
daß Deutschland als Mindestmaß für seine Sicherheit etwa ein Viertel der
Heeresstärke seiner Nachbarn beanspruchen müsse. Die übrigen Fragen
versprach der Kanzler zu beantworten, nachdem er eine schriftliche Notiz
darüber in Händen habe. Diese Notiz hat der englische Botschafter gestern
nachmittag geschickt.3) Ihr Inhalt ist von mir zusammen mit General von
Blomberg nochmals mit dem Kanzler durchgesprochen worden, der die
Erwiderung darauf zunächst selbst abfassen will.4)
v. N[EURATH]
• (2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 90.
(») Dokument Nr. 111.
(*) Dokument Nr. 117.

108
3154/D 671 468
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
Sofort BERLIN, den 8. Dezember 1933
Herrn Reichsminister.
Der französische Botschafter rief soeben - 5 Vi Uhr - an. Er hat erfahren,
daß der englische Botschafter J) heute früh auf ganz kurzfristige Anmeldung
hin vom Herrn Reichskanzler empfangen wurde und ein sehr eingehendes
und (wie Francois-Poncet sagte) sehr nützliches Gespräch mit ihm gehabt
habe.2) Er sei, obgleich er sich bereits gestern angemeldet habe, auf näch-
sten Donnerstag 3) vertröstet worden.4) Er habe seiner Regierung gemeldet,
der Herr Reichskanzler könne ihn jetzt nicht empfangen, da (wie ich ihm
gesagt habe) er über das Wochenende Berlin verlasse und dann den Besuch
von Suvich6) erwarte. Seine Regierung werde aber erfahren, daß der Eng-
länder anders und besser behandelt werde, und zum mindesten werde das
das Ansehen des Botschafters in seiner Heimat schädigen. Der Botschafter
war nicht ägriert, aber offensichtlich besorgt und sprach im Scherz davon,
daß er deklassiert und wie eine Nation zweiter Klasse behandelt werde.
Ich habe ihm versprochen, da ich über den Besuch des englischen Botschaf-
ters nicht unterrichtet sei, Sie sofort zu verständigen und ihm noch bis 7 Uhr
irgendeinen Bescheid zu geben.6)
BÜLOW
• (l) Phipps.
(*) Siehe Dokument Nr. 107.
*(') 14. Dezember.
(4) Siehe Dokument Nr. 116.
(5) Siehe Dokument Nr. 126.
(8) Randvermerk: „Dem RK mitgeteilt, v. N[eurath] 8. 12." Für das weitere siehe Doku-
ment Nr. 112.

186
Nr. 110 8. DEZEMBER 1933

109
8825/E614 271
Aufzeichnung des Präsidenten des Senats
der Freien Stadt Danzig Rauschningx)
BERLIN, den 8. Dezember 1933
In der Besprechung mit dem Stellvertreter des Führers, Herrn Reichs-
minister Heß, ist verabredet worden:
1.) Entgegen der kollegialen Verfassung des Senats untersteht die Ge-
samtpolitik des Senats entsprechend dem Führerprinzip dem Senatspräsi-
denten;
2.) der Gauleiter und Faktoren der Partei haben unmittelbares Eingreifen
in Akte der Verwaltung und in einzelne Zweige der Verwaltung zu unter-
lassen;
3.) für die gesamte Innen- und Außenpolitik ist der Senatspräsident dem
Vertreter der Bewegung, Gauleiter Forster, verantwortlich. Bei Meinungs-
verschiedenheiten entscheidet der stellvertretende Führer;
4.) über Maßnahmen, die von Parteiorganisationen veranlaßt werden und
die Befugnisse der Regierung innen- wie außenpolitisch berühren, ist je-
weils das Einvernehmen mit dem Präsidenten des Senats vorher herbeizu-
führen.
RAUSCHNING
(l) In den Akten befindet sich bei der Vorlage folgende Notiz Meyers (8825/E 614 270): „In
der heutigen Besprechung mit dem Stellvertreter des Führers ist die anliegende Ver-
einbarung getroffen worden. Es erscheint demnach nicht mehr nötig, die Angelegenheit
im Kabinett zur Sprache zu bringen; immerhin wäre es empfehlenswert, wenn Herrn
Heß gegenüber die Genugtuung über die Vereinbarung erwähnt werden könnte und
dabei die Hoffnung zum Ausdruck gebracht werden würde, daß keinerlei Reibungen
mehr in Danzig auftreten werden."

110
7725/E 551 037-38
Runderlaß des Auswärtigen AmtsJ)
BERLIN, den 8. Dezember 1933
II Ni. 1071 Ang. II
Die niederländische Regierung ist im Laufe des Sommers d. J. dazu über-
gegangen, gegen die in Holland entstandenen Ortsgruppen der National-
sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Maßnahmen zu ergreifen, die mehr
und mehr darauf hinauslaufen, jede nationale Betätigung von Reichsdeut-
schen im Rahmen der NSDAP in den Niederlanden zu unterbinden. Auf die

I1) Der Runderlaß wurde sämtlichen Botschaften und Gesandtschaften, mit Ausnahme der
Botschaft beim Heiligen Stuhl und der Gesandtschaft in Den Haag, sowie den Konsu-
laten in Batavia, Kalkutta, Jerusalem, Memel, Montreal, Pretoria und Sydney über-
mittelt.

187
Nr. 111 8. DEZEMBER 1933

wiederholten Vorstellungen des deutschen Gesandten im Haag,2) die sich


gegen diese Maßnahmen wandten, hat der niederländische Außenminister 3 )
am 15. November d. J. an den deutschen Gesandten eine Note gerichtet, in
der die negative Haltung der niederländischen Regierung gegenüber der
Betätigung der NSDAP in Holland grundsätzlich zum Ausdruck gelangt ist.4)
Der deutsche Gesandte ist daraufhin beauftragt worden, den Auffassungen
der niederländischen Regierung in einer Antwortnote entgegenzutreten, in
der der Standpunkt der deutschen Regierung gleichfalls grundsätzlich fest-
gelegt worden ist.5)
Im Hinblick darauf, daß dieser Notenwechsel mit der niederländischen
Regierung für die Frage der Betätigung der NSDAP im Auslande von allge-
meiner Bedeutung ist, wird Abdruck der beiden Noten anbei zur gefälligen
Kenntnis ergebenst übersandt.
Die Tatsache des Notenwechsels selbst sowie die ihm zugrunde liegende
deutsch-holländische Meinungsverschiedenheit bitte ich vertraulich zu be-
handeln.6)
Im Auftrag
KÖPKE
(2) Zech-Burkersroda.
*(3) Graeff.
(4) Fundort: 1584/382 420-28.
(5) Note der deutschen Regierung vom 1. Dezember 1933 (3015/D 560 032-39).
(«) Zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit siehe den Runderlaß des Auswärtigen
Amts vom 30. Juni 1934, Serie C, Bd. III, 1, Dokument Nr. 48.

111
3154/D 671 578-80
Der britische Botschafter in Berlin Phipps an den Reichsminister des
Auswärtigen Freiherrn von Neurath
Private BERLIN, December 8th, 1933
My dear Baron von Neurath,
In accordance with the Chancellor's request, I send you, herewith, a
short resume of my verbal communication to him this morning.1)
I shall be grateful if you will regard this as merely a repetition of my
remarks and not as a written communication. I will of course treat the
Chancellor's reply in a similar manner.
Yours very sincerely
ERIC PHIPPS

[Anlage]
2
The Chancellor's proposals ) have two aspects, the first concerned with
the limitation of armaments and the second with the wider field of political
(1) Siehe Dokument Nr. 107.
(2) Siehe Dokument Nr. 23.

188
Nr. 111 8. DEZEMBER 1933

appeasement. I propose to deal first with the second of these aspects, to


which His Majesty's Government attach the greatest importance.
His Majesty's Government fully concur with what would appear to be
the Chancellor's opinion, namely that the achievement of a disarmament
agreement would be immensely facilitated if it were accompanied by
political assurances calculated to improve and consolidate good relations
between Germany and her neighbours.
How this can best be achieved is the question which then arises. We
should be interested to have if possible further details of the precise terms
and form of the non-aggression pact which the Chancellor has in mind.
Members of the League of Nations could not, it is unnecessary to say, enter
into any arrangement which would conflict with their obligations under
the Covenant of the League of Nations. A further point is that we note
that the list of countries with which, according to your report, Germany
would negotiate such non-aggression pacts r does not include all limitrophe
states, but we presume that these would in fact be included.
As regards that part of the Chancellor's proposals which deals with the
technical aspect of armed strength, we desire in the first instance to make
two observations. It would, of course, only be possible to reach a final
conclusion as to the various items and figures after completing consul-
tations between the different Powers in which Germany herseif is taking
part. Secondly, world opinion will compare these proposals with those
contained in the draft Convention, to which Germany in common with other
Powers adhered in principle on its first reading.
In the light of the above reflections you should point out that the pro-
posed increase from 200 000 to so large a figure as 300 000 would be consi-
dered excessive whilst the proposals regarding aircraft and guns also look
very formidable. We should like to receive a clear assurance that the SS
and SA would be absorbed in the new army and would not continue to
exist as supplementary organisations. Finally it would be helpful if the
Chancellor would confirm that the Reichswehr as such will disappear. We
are glad to note that the Chancellor's proposals include the establishment
of general supervision, but it would clearly be helpful to receive an
assurance that such supervision will be of the kind described as periodic
and automatic. Our own observations are not intended to be exhaustive.
Moreover other Governments may have their observations to make or may
require further elucidation.
His Majesty's Government are most anxious to use the present oppor-
tunity in Cooperation with Germany and other states to hammer out
without delay a practical basis for an agreement for the limitation of world
armaments freely entered into by all parties. The enquiries which we are
now addressing through you to the Chancellor will, we hope, be a helpful
contribution towards the attainment of this common aim.3)

*(3) Eine paraphrasierte Fassung dieser Aufzeichnung in der Form eines Aide-memoire
wurde am 9. Dezember vom britischen Botschafter in Washington, Lindsay, im State
Department überreicht. Siehe Foreign Relations oi the United States, 1933, Bd. I,
S. 328-30.

189
Nr. 113 9. DEZEMBER 1933

112
3154/D 671 471-72
Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Dezember 1933
RM. 1688
Ich habe heute den französischen Botschafter zu mir bitten lassen, um ihn
darüber aufzuklären, wie es gekommen ist, daß der englische Botschafter
gestern vom Kanzler empfangen wurde, während der von ihm erbetene
Empfang erst am Donnerstag nächster Woche •) stattfinden soll.2) Der
Grund hierfür war, daß Sir Eric Phipps im Auftrage seiner Regierung eine
sofortige Audienz beim Kanzler erbeten hatte, um, wie er angab, eine
höchst wichtige Erklärung noch gestern mitzuteilen.
Herr Poncet las mir sodann eine Aufzeichnung über diejenigen Punkte
vor, die er nach der letzten Unterredung mit dem Reichskanzler 3 ) als dessen
Ansicht niedergeschrieben hatte. Sie enthält u. a. auch eine Bemerkung
über den eventuellen Wiederbeitritt Deutschlands zum Völkerbund, die
dahin lautet, Deutschland werde dem Völkerbund erst wieder beitreten,
wenn dieser gründlich reformiert sei. Ich habe Herrn Poncet erklärt, diese
Redaktion sei falsch, denn es bestehe bei uns zunächst noch keinerlei Ab-
sicht, dem Völkerbund wieder beizutreten.
Einen weiteren Versuch Herrn Poncets, unsere Zustimmung dazu zu be-
kommen, daß die von uns verlangte Bewaffnung in Etappen zugestanden
würde, habe ich entschieden abgelehnt und erklärt, in welchem Tempo wir
unsere Bewaffnung ausführen könnten und wollten, sei unsere Sache. Wir
verlangten zunächst völlige Gleichberechtigung im Rahmen der von uns
zugestandenen Limitierungen auf Verteidigungswaffen.
Ich nehme an, daß der französische Botschafter seine Zusammenstellung
bei der nächsten Unterredung dem Kanzler vorlegen wird.
v. N[EURATH]
• (l) 14. Dezember.
(2) Siehe hierzu die Dokumente Nr. 107 und 108.
*(») Siehe Dokument Nr. 86.

113
3154/D 671 469
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Dezember 1933
RM. 1690
Zu dem Telegramm des Botschafters Köster aus Paris vom 8. Dezember x)
bemerke ich folgendes:
(1) Köster hatte in seinem Telegramm Nr. 979 vom 8. Dezember (8685/E 607 467) mitgeteilt,
daß das französische Außenministerium deutschen Journalisten Auskunft über die
jüngste Unterredung zwischen Hitler und Francois-Poncet gegeben habe, und zwar in
einer Form, die geeignet sei, den Inhalt der Unterredung in mehreren wichtigen
Punkten zu entstellen.

190
Nr. 114 9. DEZEMBER 1933

1) Die Angabe, daß der Kanzler und ich bei der letzten Unterredung 2 )
die Rückkehr Deutschlands zum Völkerbund im Falle einer Umformung in
Aussicht gestellt hätten, ist nicht zutreffend. Der Reichskanzler hat aller-
dings im Laufe der Unterredung gesagt, daß der jetzige Zustand im Völker-
bund, in welchem die kleinen und kleinsten Staaten ausschlaggebend seien,
während Großmächte, wie Rußland, Amerika, China, fehlten, unmöglich sei
und daß der eventuelle Wiederbeitritt Deutschland zu einer solchen Insti-
tution überhaupt erst in Erwägung gezogen werden könnte, wenn eine
völlige Umänderung der Methoden und der Zusammensetzung erfolgt sei.
2) Von einer unruhigen Stimmung in der Schweiz 3) ist meines Erinnerns
überhaupt nicht gesprochen worden.
3) Richtig ist, daß der Kanzler gesagt hat, gegen ein französisch-eng-
lisches Defensiv-Abkommen würde er keinerlei Einwendungen zu erheben
haben.
4) Die ukrainische Frage ist in der Unterredung überhaupt nicht erwähnt
worden, ebenso ist es unrichtig, daß der Wunsch des Kanzlers für freie
Hand im Osten zum Ausdruck gebracht worden sei.
v. N[EURATH]

(2) Randbemerkung: „Anmerkung: es handelt sich um eine Unterredung mit dem franzö-
sischen Botsch[after] am 7. XII. 1933." Dies ist offenkundig ein Irrtum. Es gibt in den
Akten keinen Anhaltspunkt für eine Unterredung zwischen Hitler, Neurath und
Francois-Poncet, die sich an die in Dokument Nr. 86 wiedergegebene Unterredung
anschließt und der in Dokument Nr. 116 wiedergegebenen vorangeht.
(8) Nach Kösters Bericht (siehe Anm. 1) hatte Hitler angeblich „Bereitschaft ausgesprochen,
mit der Schweiz Nichtangriffspakt wie mit Polen abzuschließen".

114
7960/E 574 754-56
Der Adjutant des Stellvertreters des Reichskanzlers von Tschirschky
und Bögendorft an das Auswärtige AmtJ)
BERLIN, den 9. Dezember 1933
Ankunft: 9. Dezember
II S.G. 3257
In der Anlage übersende ich im Auftrage des Herrn Vizekanzlers zur
Kenntnisnahme des Herrn Reichsministers des Auswärtigen eine kurze
Aktennotiz über die Unterredung des Herrn Vizekanzlers mit dem Herrn
Prälaten Testa.2)
Mit vorzüglicher Hochachtung
Heil Hitler!
VON TSCHIRSCHKY

*(i) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen."


*(2) Bergen hatte in Telegramm Nr. 87 vom 7. November (7960/E 574 730) berichtet, daß
Papst Pius XI. Testa als päpstlichen Visitator für das Saargebiet designiert habe. Siehe
auch Dokument Nr. 96.

191
Nr. 114 9. DEZEMBER 1933

[Anlage]
8. Dezember 1933

BERICHT ÜBER MEINE UNTERREDUNG MIT DEM PRÄLATEN TESTA

Am Donnerstag, dem 7. Dezember, empfing ich in G e g e n w a r t des Bischofs


von Trier 3 ) den in Trier a n w e s e n d e n Sondergesandten des Päpstlichen Stuh-
les, Prälaten Testa.
Der Prälat betonte einleitend, daß seine Reise nicht etwa den Zweck einer
offiziellen Visitation der kirchlichen Zustände des Saargebietes habe, son-
dern daß die Kurie ihn entsandt habe, um auf einer Reise völlig privaten
Charakters persönliche Eindrücke im Saargebiet zu sammeln. Die Eindrücke,
die er in mehrtägigem Aufenthalt in Saarbrücken g e w o n n e n habe, seien
durchaus befriedigend. Es b e s t e h e für ihn nicht der geringste Zweifel, daß
das Saargebiet ein deutsches Land sei, welches, je eher, je lieber, zu dem
Mutterlande h e i m z u k e h r e n wünsche. Der katholische Klerus des Saarge-
bietes teile, wie er festgestellt habe, diese Ansicht vollkommen. (Siehe
auch die schriftliche Erklärung aller D e k a n a t e des Saargebiets.) ü b e r diese
Frage habe im übrigen in Rom niemals Zweifel geherrscht. Meine Frage,
ob die Reise mehr eine Courtoisie gegen die französische Regierung dar-
stelle, bejahte der Prälat. Die französische Regierung h a b e behauptet, daß
der Nationalsozialismus einen unerträglichen Z w a n g selbst auf die Kirche
ausübe. Er habe aber feststellen müssen, daß dies keineswegs der Fall sei.
Ich benutzte d a n n die Gelegenheit, dem Prälate n die Auffassung des
Herrn Reichskanzlers über die unmögliche A r t und W e i s e darzulegen, in der
die Treuhänder-Regierung des V ö l k e r b u n d e s dieses deutsche Gebiet ver-
walte. Zur Illustration dieser grotesken Zustände sagte ich ihm, daß, w e n n
ich beispielsweise h e u t e irgendeine Charge in der SA oder SS bekleiden
würde, man mich bei dem Besuche meiner H e i m a t 4 ) verhaften und nach
den bestehenden Bestimmungen 6 Monate ins Gefängnis werfen müsse.
Bei der Erörterung des g e s a m t e n F r a g e n k o m p l e x e s betonte ich die Mei-
nung, daß alle Regierungen, die den Ausgleich der deutsch-französischen
Gegensätze im Interesse des europäischen Friedens aufrichtig wünschten,
bestrebt sein sollten, auf eine Ä n d e r u n g der unerträglichen Verhältnisse
des Saargebiets zu drängen.
Der Prälat sprach d a n n über Deutschland und meinte, die Verhältnisse
im Saargebiet lägen vollkommen klar, aber er bedaure, daß einzelne Vor-
kommnisse auf dem kulturellen Gebiete in Deutschland geeignet seien, die
Atmosphäre im Saargebiet zu verschlechtern. (Die separatistische Presse
des Saargebiets selbst bestreitet seit einiger Zeit ihre gesamte Propaganda
aus diesem Kapitel.) Ich erwiderte, daß die Reichsregierung aufrichtig be-
strebt sei, die noch nicht mit der Kurie g e r e g e l t e n Fragen im Geiste der
Versöhnung baldigst zu regeln, und stellte in Aussicht, daß der deutsche
Unterhändler 6 ) demnächst zu diesem Zweck nach Rom zurückkehren

*(S) Bornewasser.
(4) Papen hatte durch Heirat eine Besitzung bei Saarlautern erworben
*(5) Buttmann.

192
Nr. 116 11. DEZEMBER 1933

werde.6) Auch in der Frage des Sterilisationsgesetzes werde die Reichs-


regierung auf die weltanschaulichen Bedenken Rücksicht nehmen.
Prälat Testa zeigte sich über diese Erklärungen erfreut und bat nur, daß
wir die Angelegenheiten möglichst noch vor Weihnachten regeln
möchten. Er hat zweifellos Sympathien für Deutschland und das national-
sozialistische Regime. Nachmittags fuhr er zum Besuche des Kardinals von
Köln,7) und im Anschluß wünschte er Essen, wo er während der Ruhr-
besetzung gewohnt hat, einen kurzen Besuch abzustatten. Alsdann begibt
er sich noch für einige Tage ins Saargebiet zurück.
PAPEN

(«) Siehe Dokument Nr. 98 und Anm. 5 dazu


(7) Kardinal Schulte.

115
3086/D 617 041
Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 11. Dezember 1933
e. o. RM. 1700
Der Herr Reichskanzler hat heute erneut darauf hingewiesen, daß im
Verhältnis zu Österreich zunächst die Parteiangelegenheit in Ordnung ge-
bracht werden müsse, ehe irgendwelche Verhandlungen von Regierung zu
Regierung über die Wiederherstellung normaler Beziehungen geführt wer-
den könnten. Ich bitte, diesen Standpunkt bei allen Gesprächen zum Aus-
druck zu bringen.
v. N[EURATH]

116
3154/D 671 473
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 11. Dezember 1933
RM. 1701
Bei dem heutigen Empfang des französischen Botschafters beim Herrn
Reichskanzler hat der Botschafter in der Saarfrage bestätigt, daß die fran-
zösische Regierung nicht geneigt sei, auf die Abstimmung zu verzichten
und in eine vorzeitige Rückkehr des Saargebiets zu Deutschland einzu-
willigen.1) Der Reichskanzler hat dem Botschafter nochmals die Gründe für
seine Anregung einer gütlichen Bereinigung der Saarfrage dargelegt. Als

(1) Siehe Dokument Nr. 101 und Anm. 2 dazu.

193

II,1 Bg. 13
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933

der französische Botschafter sodann meinte, man könne aber doch sofort
über die wirtschaftlichen Fragen verhandeln, lehnte der Kanzler dies ab mit
dem Bemerken, daß es dann ruhig bei der Stellungnahme der französischen
Regierung verbleiben könne.
Als der französische Botschafter dann mit Detailfragen in der Abrüstungs-
frage fortfuhr, ist ihm erwidert worden, daß zunächst eine klare Stellung-
nahme seiner Regierung darüber erwartet würde, ob die französische Regie-
rung zur Verständigung mit der deutschen bereit sei. Er wurde außerdem
gebeten, seine Fragen bezüglich der Einzelheiten der Abrüstung und der
Neugestaltung der Armeen und Materialien schriftlich zu präzisieren.2)
v. N[EURATH]

• (2) In Beantwortung dieser Bitte übermittelte Francois-Poncet am 13. Dezember Neurath


ein Aide-memoire (3154/D 671 475-78). Der Text ist abgedruckt in Documents Diploma-
tiques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 124; ebenfalls in Documents on British Foreign
Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 143, Anlage 1. Die deutsche Antwort auf das französische
Aide-memoire vom 18. Dezember (7467/H 179 422-29) ist abgedruckt in Documents
Diplomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 154.

117
3154/D 671 569-76
Reichskanzler Hitler an den britischen Botschafter in Berlin Phipps
Abschrift
BERLIN, den 11. Dezember 1933
Euere Exzellenz I
Namens der deutschen Reichsregierung beehre ich mich, die mir durch
Euere Exzellenz übermittelten Anfragen der britischen Regierung •) im
folgenden zu beantworten:
I. Die deutsche Reichsregierung ist bereit, Vereinbarungen zu treffen,
die die Ablehnung der Gewalt für die Lösung aller europäischen Fragen
aussprechen und damit der Erhaltung des Weltfriedens dienlich sein kön-
nen. Sie möchte aber angesichts der in der Vergangenheit gemachten Er-
fahrungen vorschlagen, eine Form zu wählen, die es den Regierungen er-
möglicht und erleichtert, sowohl vor ihrem eigenen Gewissen als auch vor
ihren Völkern am ehesten solchen Vorschlägen zuzustimmen. Aus dieser
Erwägung heraus glaubt die deutsche Reichsregierung, daß die allgemeinen
Vereinbarungen über Rüstungsbeschränkung durch ein System gegensei-
tiger und allgemeiner Nichtangriffspakte gekrönt werden sollten, die grund-
sätzlich jeden Appell an die Gewalt zwischen den europäischen Nationen
vertraglich verhindern würden, um damit den Regierungen zwangsläufig
die Pflicht aufzuerlegen, schwierige oder kritische Probleme entweder auf
dem Wege des friedlichen diplomatischen Verkehrs zu lösen oder im Falle

(1) Dokument Nr. 111

194
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933

der ersichtlichen Unmöglichkeit oder Unfruchtbarkeit eines solchen Ver-


fahrens ihre Behandlung solange auszusetzen, bis die allgemeine euro-
päische Beruhigung eine leidenschaftslosere Prüfung und Beurteilung zu-
läßt. Dadurch würde ebensosehr der Befürchtung der britischen Regierung
vorgebeugt, daß sich aus solchen Verträgen vielleicht für die einzelnen
Staaten innere Konflikte mit der Völkerbundssatzung ergeben könnten,
wie umgekehrt jede Gewähr für die Aufrechterhaltung des Friedens ge-
geben wäre!
Die deutsche Regierung ist bereit, solche Pakte mit allen Deutschland um-
gebenden Staaten abzuschließen.
II. Die deutsche Regierung ist bereit, zur Durchführung einer wirksamen
Abrüstung bzw. Rüstungsbegrenzung und Rüstungsangleichung mit allen
einzelnen Nationen bzw. deren Regierungen in Verhandlungen über die
verschiedenen Verhandlungsgegenstände und Zahlen einzutreten. Sie be-
absichtigt aber nicht, sich an irgendeiner Konferenz zu beteiligen, ehe nicht
die grundsätzliche Frage der tatsächlichen Gleichberechtigung des Deutschen
Reiches entschieden ist bzw. von den an der Konferenz teilnehmenden Natio-
nen diese Gleichberechtigung anerkannt wird. Denn nur unter dieser Vor-
aussetzung allein kann die deutsche Reichsregierung ihre Teilnahme an
einer Konferenz vor dem deutschen Volke verantworten. Als von vorn-
herein nicht gleichberechtigte Macht würde für Deutschland der praktische
Ablauf einer solchen Konferenz zwangsläufig zu dem uns seit 15 Jahren
bekannten Verfahren und damit zu gleichen Ergebnissen führen. Es wäre
dies aber weder für die Ehre eines großen Volkes erträglich noch der Sache
des Friedens nützlich.
Ohne Zweifel ist die deutsche Reichsregierung dem ersten Konventions-
entwurf des englischen Ministerpräsidenten MacDonald, der die Abrüstung
zur Voraussetzung als Diskussionsbasis hatte, beigetreten. Sie hat aber
diesen Entwurf nicht selbst verlassen, sondern die anderen Mächte haben
sich unter Führung Englands auf einen zweiten Entwurf geeinigt. Dieser
jedoch ist von Deutschland niemals anerkannt worden.
Wenn die deutsche Reichsregierung sich nun erlaubte, einen eigenen Vor-
schlag zu unterbreiten, dann geschah dies nach ebenso verantwortungs-
vollen wie zwingenden Erwägungen. Auf Grund der bisher gemachten Er-
fahrungen glaubt die deutsche Reichsregierung nicht mehr daran, daß die
hochgerüsteten Staaten tatsächlich ernstlich entschlossen sind, abzurüsten.
Verschiedene Äußerungen leitender Staatsmänner haben diese Auffassung
bestätigt. Ohne die vielen Gründe im einzelnen zu untersuchen, wird man
an zwei wesentlichen Tatsachen nicht vorbeisehen können.
1.) Eine Herabsetzung der Rüstungen der anderen europäischen Staaten
ist praktisch nur denkbar, wenn sie von allen Nationen der ganzen Welt
übernommen wird. An die Möglichkeit einer solchen allgemeinen inter-
nationalen Abrüstung glaubt aber heute niemand mehr.
2.) Die Ereignisse der letzten Monate lassen die Wahrscheinlichkeit, in
einigen Ländern eine selbst von den Regierungen ernstlich beabsichtigte
Abrüstung den Parlamenten dieser Staaten mit Erfolg zur Ratifikation vor-
legen zu können, mehr als zweifelhaft erscheinen.
Aus diesem Grunde glaubt die deutsche Reichsregierung nicht mehr län-

195
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933

ger einer Illusion nachhängen zu können, die geeignet ist, die Beziehungen
der Völker untereinander eher noch mehr zu verwirren als zu verbessern.
Sie glaubt daher unter Berücksichtigung der konkreten Wirklichkeit fol-
gendes feststellen zu müssen:
a) Deutschland hat als einziger Staat die im Friedensvertrag von Ver-
sailles festgelegte Abrüstungsverpflichtung tatsächlich durchgeführt.
b) Die hochgerüsteten Staaten gedenken nicht abzurüsten oder fühlen
sich hierzu nicht in der Lage.
c) Deutschland hat ein Recht, auf irgendeine Weise seine Gleichberechti-
gung auch in bezug auf seine Sicherheit zu erlangen.
Um einen vollkommenen Zusammenbruch der Abrüstungsidee zu ver-
hindern und einem darnach zwangsläufig einsetzenden uferlosen Wett-
rüsten aller gegen alle vorzubeugen, glaubte daher die deutsche Reichs-
regierung, einen Vorschlag unterbreiten zu sollen:
1.) Deutschland erhält die volle Gleichberechtigung.
2.) Die hochgerüsteten Staaten verpflichten sich untereinander, eine
weitere Erhöhung ihres derzeitigen Rüstungsstandes nicht mehr vorzu-
nehmen.
3.) Deutschland tritt dieser Konvention bei mit der Verpflichtung, aus
freiem Willen von der ihm gegebenen Gleichberechtigung nur einen so
maßvollen tatsächlichen Gebrauch zu machen, daß darin keine offensive
Gefährdung irgendeiner anderen europäischen Macht zu sehen ist.
4.) Alle Staaten anerkennen gewisse Verpflichtungen einer humanen
Kriegführung bzw. einer Vermeidung gewisser Kriegswaffen in ihrer An-
wendung gegen die zivile Bevölkerung.
5.) Alle Staaten übernehmen eine gleichmäßige allgemeine Kontrolle,
die die Einhaltung dieser Verpflichtungen prüfen und gewährleisten soll.
6.) Die europäischen Nationen garantieren sich die unbedingte Aufrecht-
erhaltung des Friedens durch den Abschluß von Nichtangriffspakten, die
nach Ablauf von 10 Jahren erneuert werden sollen.
III. Unter diesen Voraussetzungen ist aber die geforderte Erhöhung der
im MacDonald-Plan angenommenen 200 000 Mann auf 300 000 nicht nur nicht
bedeutend, sondern bringt im Gegenteil für Deutschland eher eine Ver-
schlechterung. Nach dem ersten Konventionsentwurf der britischen Regie-
rung sollte Frankreich auf dem Kontinent genau so wie Deutschland 200 000
Mann zugebilligt erhalten. Da Frankreich ersichtlich nicht gewillt ist, diese
Abrüstung durchzuführen, würde sich das Verhältnis der heutigen deut-
schen Forderungen gegenüber den Effektivbeständen Frankreichs und der
anderen europäischen Armeen sogar verschlechtern. Einer gesamt-französi-
schen Stärke von 651 000 Mann, die durch die mit Frankreich befreundeten
Staaten auf rund 1,2 Millionen erhöht würde, stehen 300 000 Mann in
Deutschland gegenüber.
Dabei sind die 9,6 Millionen Mann ausgebildeter Reserven in diesen
Staaten, denen Deutschland so gut wie überhaupt nidits entgegenzusetzen
hat, eine weitere Sicherheit von schwer zu übertreffendem Ausmaß.
Demgemäß sind auch die Forderungen der waffenmäßigen Gleichstellung
Deutschlands mehr als maßvoll besonders deshalb, weil die deutsche Regie-
rung von sich aus gewillt ist, auf Angriffswaffen, die gegenüber dem gigan-

196
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933

tischen französischen Verteidigungssystem vielleicht allein noch als be-


drohlich erscheinen könnten, von vornherein zu verzichten. Deutschland,
das seinerseits vollständig verteidigungslos ist, hat mehr Grund, über die
Angriffswaffen der es umschließenden Staaten zu klagen, als diese Veran-
lassung besitzen, die geforderten Verteidigungswaffen Deutschlands ihrer-
seits als Gefahr hinzustellen. Schärfstens muß die deutsche Regierung jeden
Gedanken an sogenannte „Musterwaffen" ablehnen. Es gibt Waffen, auf die
wir von vornherein verzichten und die wir damit auch nicht bauen werden,
und es gibt Waffen, die zur Verteidigung eines Landes unumgänglich not-
wendig sind, auf die wir deshalb nicht verzichten können und die wir daher
als Normalbewaffnung fordern müssen. Die Grenze der untersten Kaliber-
stärke der Artillerie kann daher zum Beispiel unter keinen Umständen
unter 15 cm liegen.
IV. Die deutsche Reichswehr wird selbstverständlich im neuen Heere auf-
gehen. Ihre Überführung bzw. ihr Umbau kann aber natürlich nicht in einem
Jahre vollzogen sein, sondern wird eine Reihe von Jahren erfordern.
V. Die SA und SS sind keine militärischen Organisationen. Sie sind ein
unzertrennlicher Bestandteil des politischen Systems der nationalsozialisti-
schen Revolution und damit des nationalsozialistischen Staates. Sie um-
fassen rund 2 Vi Millionen Männer vom 18. Lebensjahr bis in das höchste
Alter hinein. Ihre einzige Aufgabe ist, durch diese Organisation der poli-
tischen Massen unseres Volkes eine Wiederkehr der kommunistischen
Gefahr für immer zu verhindern. Ob von diesem System einmal weggegan-
gen werden kann oder wird, hängt ab von dem Bleiben oder der Beseitigung
dieser bolschewistisch-kommunistischen Gefahr. Mit militärischen Dingen
haben diese dem früheren marxistischen Reichsbanner und dem kommuni-
stischen Rotfrontbund gegenüberstehenden nationalsozialistischen Organi-
sationen überhaupt nichts zu tun. Der Versuch, die SA und SS mit dem
Reichsheer in eine militärische Verbindung zu bringen, sie als militärische
Ersatzformation anzusprechen, geht von jenen politischen Kreisen aus, die
in der Beseitigung dieser Schutzeinrichtung des nationalsozialistischen
Staates die Möglichkeit einer neuen Zersetzung des deutschen Volkes und
damit eine neue Förderung kommunistischer Bestrebungen erblicken. So
wenig sich die deutsche Regierung erlauben würde, der englischen Regie-
rung die Auflösung einer bestimmten englischen Partei oder einer beson-
deren Organisationsform einer solchen Partei vorzuschlagen, so sehr muß
die deutsche Regierung jede Zumutung ablehnen, einem solchen Wunsche
in Deutschland nachzukommen. Die deutsche Regierung zieht bei ihrer
Beurteilung der militärischen Kräfte der anderen Staaten keine anderen
Formationen für ihre Forderungen heran als die Heeresorganisation selbst.
Die deutsche Regierung wird auch in der Zukunft den in anderen Staaten
für nötig erachteten politischen, Sport-, vor- oder nachmilitärischen Verbän-
den keine ihr eigenes Verhalten irgendwie bestimmende Bedeutung bei-
legen.
VI. Die deutsche Reichsregierung ist, wie betont, grundsätzlich bereit,
einer internationalen periodisch und automatisch funktionierenden allge-
meinen und gleichen Kontrolle zuzustimmen. Um die betonte Eigenart der
SA und SS als politische Organisationen einer allgemeinen geistigen und kör-

197
Nr. 118 11. DEZEMBER 1933

perlichen Immunisierung gegenüber den Gefahren einer kommunistischen


Zersetzung zu belegen, lehnt sie es nicht ab, bei diesen Kontrollen den
Nachweis für die genaue Einhaltung dieser Erklärung zu erbringen. Ab-
schließend darf ich namens der deutschen Reichsregierung aber noch die
Versicherung anfügen, daß, falls entgegen der Überzeugung der deutschen
Regierung die anderen Nationen trotzdem zu einer vollständigen Abrüstung
sich entschließen sollten, die deutsche Regierung von vorneherein ihre Be-
reitwilligkeit kundgibt, einer solchen Konvention beizutreten und ebenfalls
abzurüsten, wenn nötig, bis zur letzten Kanone und bis zum letzten Maschi-
nengewehr.
Genehmigen Sie, Herr Botschafter, den Ausdruck meiner aufrichtigen
Ergebenheit.2)
gez. ADOLF HITLER
*(2) Ein beigefügter hsdir. Vermerk (3154/D 671 577) lautet: „Ich habe den Bericht des Herrn
RK heute dem englischen] Botschafter ausgehändigt u[nd] noch einige Erläuterungen
dazu gegeben, v. N[eurath] 12. 12." Die von Phipps an das britische Foreign Office
übermittelte englische Übersetzung der Vorlage ist abgedruckt in Documents on British
Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 132, Anhang.

118
9325/E 661 224-26
Der Botschaiter in Moskau Nadolny an Ministerialdirektor Meyer
Streng persönlich MOSKAU, den 11. Dezember 1933
Lieber Herr Meyer!
Der Erlaß IV Po. 8594/33 vom 5. Dezember •) weist mich an, das Thema
der deutsch-polnischen Beziehungen hier nicht zu vertiefen, insbesondere
den überreichten Erklärungsentwurf 2 ) nicht zu erwähnen. Sollte ich auf
das Thema angesprochen werden, so sei etwa zu sagen, daß es sich bei den
Besprechungen um eine Auswirkung der von dem Herrn Reichskanzler all-
gemein proklamierten Friedenspolitik handele, die wir gegenüber allen
Staaten zu verfolgen wünschten. Konkrete Formen hätten die Besprechun-
gen noch nicht angenommen etc.
Ich halte diese Zurückhaltung für nicht ganz unbedenklich. Das deutsch-
polnische Verhältnis, das von größter Bedeutung für die hiesige Politik ist,
interessiert hier aufs höchste. Es ist daher ein guter Trumpf in unserem
hiesigen Spiel. Halten wir uns entgegen den Verpflichtungen aus dem
Berliner Vertrag zurück, so wird dieses Schweigen bei dem hier herrschen-
den Mißtrauen gegen Deutschland wahrscheinlich falsch ausgelegt werden
und die franco- und polonophilen Tendenzen steigern. Bekomme ich da-
gegen die Ermächtigung, in dem mir geeignet erscheinenden Zeitpunkt die
Sowjetregierung freundschaftlich über den tatsächlichen Stand zu infor-

(1) Fundort: 6177/E 463 504-06.


(2) Siehe die Dokumente Nr. 81, 84, 88 und 90

198
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933

mieren, so machen wir damit eine Geste, die uns nichts kostet, hier aber
ihren Eindruck nicht verfehlen wird.
Wir müssen m. E. immer im Auge behalten, daß sowohl die französische
wie die polnische Politik darauf gerichtet sind, Deutschland und die Sowjet-
union möglichst weit zu trennen. Daß zu diesem Behuf Gerüchte und Intri-
gen verwendet werden, die das russische Mißtrauen steigern, wissen wir
aus der Erfahrung des letzten Jahres zur Genüge.
Unsere Zurückhaltung gegenüber der Sowjetregierung wird uns aber
auch aus dem Grunde politisch wenig nutzen, weil ich überzeugt bin, daß
Polen, um seine Freundschaft mit der Sowjetunion zu betonen, seinerseits
die Sowjetregierung in der ihm passenden Darstellung über unsere Schritte
etc. informiert. Besonders dem hiesigen polnischen Gesandten Lukasiewicz
traue ich in der Beziehung allerlei zu.
Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie mir carte blanche ver-
schaffen wollten, bei den Russen den Eindruck zu erwecken, daß wir zu-
nächst einmal in allen Polen betreffenden Fragen ihnen gegenüber mit
offenen Karten spielen.3)
Mit besten Grüßen bin ich
wie stets Ihr
NADOLNY

(3) Randvermerke: „über H[errn] MD Gaus Herrn St.S. zur Entscheidung geh[orsamst]
vorgelegt. Meyer 14. 12."
„Die Angelegenheit] wird mündlich mit H[errn] Nadolny erledigt werden. Es ist nicht
möglich, seinen Wünschen zu entsprechen. Meyer 15. 12."

119
9387/E 664 735-42
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Geheim MOSKAU, den 11. Dezember 1933
D 1449 Ankunft: 14. Dezember
IV Ru. 5467
Inhalt: Gedankengänge zur gegenwärtigen Lage des deutsch-russischen
Wirtschaftsverkehrs.
Die in einigen Kreisen der deutschen Wirtschaft verbreitete Auffassung,
daß der Rückgang der Bestellungen der Sowjetregierung an die deutsche
Industrie vorwiegend auf die seit dem Umsturz in Deutschland entstandene
Erkaltung der gegenseitigen politischen Beziehungen zurückgeführt werden
muß, ist nicht zutreffend. Es kann zwar nicht geleugnet werden, daß gewisse
Erschwerungen, denen sowjetische Wirtschaftsorganisationen und Einzel-
personen in den ersten Monaten nach der Errichtung des nationalsozialisti-
schen Regimes in Deutschland begegnet sind, einen ungünstigen Einfluß auf
die Bestellungspolitik der Sowjetregierung gegenüber Deutschland ausge-
übt haben. Ebenso darf der retardierende Einfluß einzelner maßgebender
jüdischer Sowjetwirtschaftler, die aus persönlichem Ressentiment dem deut-

199
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933

sehen Geschäftspartner gegenüber neuerdings Zurückhaltung an den Tag


legen, nicht unterschätzt werden. Nichtsdestoweniger müssen die entschei-
denden Gründe dafür, daß der Umfang der Bestellungen an die deutsche
Industrie in diesem Jahre bis auf ein Minimum von einigen Millionen Mark
monatlich zurückgegangen ist, viel tiefer gesucht werden, nämlich in der
allgemeinen Wirtschaftslage der UdSSR sowie in ihren Beziehungen zu
anderen Ländern.
Was die Beziehungen zu anderen Ländern anbetrifft, so geht die Sowjet-
regierung in ihrer gegenwärtigen Zurückhaltung bei der Erteilung von
Auslandsbestellungen zweifellos auch von der Überlegung aus, daß ihr bei
den kommenden Verhandlungen mit den USA wirtschaftliche Manövrier-
möglichkeiten und Lockmittel zur Verfügung stehen müssen, die nur durch
Aufspeicherung eines gewissen Vorrates von fälligen, aber noch nicht er-
teilten Aufträgen geschaffen werden können.
Der Hauptgrund für die Zurückhaltung ist aber in der inneren wirtschaft-
lichen Lage der UdSSR zu suchen. Sie hat es mit sich gebracht, daß in diesem
Jahre sämtliche Lieferanten der UdSSR von dem Rückgang der Sowjetkäufe
im Auslande empfindlich getroffen worden sind. Die interessierten deut-
schen Wirtschaftskreise müssen sich dabei vor allem darüber klar sein, daß
das Jahr 1931 mit seinem Höhepunkt an russischen Bestellungen eine ein-
malige Erscheinung darstellt, die mit der forcierten Durchführung des ersten
Fünf jahresplanes unmittelbar zusammenhing. Inzwischen hat sich die
Sowjetregierung zu einer erheblichen Einschränkung sowohl der Ziel-
setzung als auch der Tempi der Industrialisierung gezwungen gesehen, da
sie erkannt hat, daß die übersteigerten Anforderungen an die Kräfte des
Volkes zu einer allgemeinen wirtschaftlichen „Überanstrengungskrise" ge-
führt haben, die eine „Atempause" dringend erforderlich machte. Und es
war ferner das Bestreben, den ausländischen Zahlungsverpflichtungen nach-
zukommen, das die Sowjetregierung zu einer generellen Importdrosselung
gezwungen hat. Diese Verpflichtungen waren überaus stark angewachsen
und wurden um so drückender, als infolge der Weltwirtschaftskrise die
Sowjetausfuhr eine starke Schrumpfung erfahren hatte.
Der primäre Grund für den Rückgang der deutschen Ausfuhr in die
UdSSR ist somit die innere wirtschaftliche Lage der UdSSR sowie die Sorge
der Sowjetregierung um die Erhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit. Was die
letztere anbetrifft, so erscheint sie auch heute trotz der Aktivität der sowje-
tischen Handelsbilanz noch nicht als ganz behoben. Tritt doch die Sowjet-
regierung allein Deutschland gegenüber mit einem Zahlungsobligo von
rund 700 Millionen RM in das neue Jahr, einem Obligo, für das vorderhand
kein entsprechendes Äquivalent in Gestalt von Exportaussichten gefunden
worden ist. Im Verkehr aller übrigen Länder mit der Sowjetunion aber
macht sich immer stärker und deutlicher die Tendenz bemerkbar, Handels-
abkommen nur auf der Basis von Nettobilanzen abzuschließen. So erscheint
das Bestreben der Sowjetregierung begreiflich, auch hinsichtlich Deutsch-
lands ihre Einkäufe mit dem Umfang ihrer Ausfuhr in Einklang zu bringen.
Es ist also damit zu rechnen, daß die künftigen Absatzmöglichkeiten der
deutschen Industrie nach der UdSSR mit der Schaffung einer gesicherten
und konstanten Ausfuhr von Sowjetprodukten nach Deutschland unzer-

200
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933

trennlich verknüpft sind. Die klare Erkenntnis dieser Tatsache und die be-
schleunigte Herbeiführung entsprechender Schlußfolgerungen ist um so
notwendiger, als überdies die in Deutschland auf eine Ausfuhr agrarischer
Produkte gerichteten Bestrebungen immer mehr nach Berücksichtigung drän-
gen und auf diese Weise unser wirtschaftspolitisches Verhältnis zur Sowjet-
union derart aus seinem natürlichen Gleichgewicht gebracht werden kann,
daß der russische Markt für unsere Fertigprodukte in Gestalt hochwertiger
Maschinen endgültig verschlossen bleibt. Daß eine solche Entwicklung von
entscheidender Bedeutung für die gesamte deutsche Schwerindustrie werden
kann, bedarf angesichts der sich fortdauernd steigernden Konkurrenz der
Industrieländer untereinander kaum einer näheren Begründung.
Die gegenwärtige unbefriedigende Lage des deutsch-sowjetischen Han-
delsverkehrs stellt jedoch meiner Ansicht nach darum noch keineswegs eine
chronische und noch weniger eine unheilbare „Erkrankung" dar. Eine Vor-
eingenommenheit gegen uns, die von dauernder Einwirkung auf die Wirt-
schaftsbeziehungen sein könnte, besteht jedenfalls hier einstweilen nicht.
Dies hat mir auch eine Unterhaltung mit dem Außenhandelskommissar der
Sowjetunion, Herrn Rosenholz, gezeigt. Ich habe keinen Grund anzuneh-
men, daß der Volkskommissar mich wissentlich zu täuschen versuchte, als
er erklärte, daß der Sowjetregierung die Absicht einer irgendwie gearteten
Diskriminierung Deutschlands völlig fern liege, daß vielmehr bei Schaffung
der entsprechenden wirtschaftlichen Voraussetzungen, als die er neben der
Steigerung des sowjetischen Exportes nach Deutschland eine Verständigung
über Preise, Kreditfristen und Lieferungsbedingungen bezeichnete, eine
Vertiefung und Entwicklung des deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverkehrs
durchaus möglich sei. Wenn der Volkskommissar dabei auf den bevor-
stehenden Ablauf des Abkommens vom 15. Juni 1932J) und die noch aus-
stehende Verständigung über die Lieferungsbedingungen anspielte, so
handelt es sich bei diesen Fragen um weitere Ursachen, die zu der gegen-
wärtigen Stagnation in der Bestellungspolitik geführt haben; denn es liegt
auf der Hand, daß die Sowjetregierung, nachdem sie sich bei Inanspruch-
nahme des Überbrückungskredites 2 ) zu einer Verlängerung des Abkom-
mens vom 15. Juni 1932 bereitfand, nunmehr nicht vor Toresschluß Bestel-
lungen in Deutschland zu Bedingungen erteilen will, die sie - vielleicht mit
Unrecht - künftig zu ihren Gunsten umzugestalten hofft.
Auf dem Gebiete der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen sind
somit in den nächsten Monaten Entschlüsse zu fassen, die angesichts ihrer
Bedeutung für das weitere Schicksal dieser Beziehungen unverzüglich zur
Diskussion gestellt werden müssen.
Alle vorhandenen Anzeichen lassen darauf schließen, daß die Sowjet-
regierung zwar entschlossen ist, die Industrialisierung des Landes grund-
sätzlich weiter zu verfolgen, daß aber die entsprechenden Maßnahmen im
Rahmen des zweiten Fünfjahresplanes nicht auf die Errichtung neuer schwer-
industrieller Bauten, sondern mehr auf die Vollendung der bereits in Angriff
genommenen Werke und ihre sachgemäße technische Betriebsführung ge-
richtet sein werden. Gleichzeitig soll der Schwerpunkt der industriellen

(1) Fundort: 9387/E 664 576-87.


(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 43 und Anm. 7 dazu

201
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933

Bautätigkeit auf Gebiete verlegt werden, die bei der Durchführung des ersten
Fünfjahresplanes, der vorwiegend auf den Ausbau der Schwerindustrie ab-
gestellt war, offensichtlich vernachlässigt worden sind, wie die Konsum-
warenindustrie und das Eisenbahnwesen. Die allgemeine Einschränkung
des Industrialisierungsprogramms einerseits und die Tatsache andererseits,
daß die Sowjetregierung inzwischen eine Reihe von Industriezweigen ge-
schaffen hat, deren Erzeugnisse sie bisher aus dem Auslande einführen
mußte, werden zur Folge haben, daß die Ausfuhr von bestimmten Waren-
gattungen, wie Werkzeugmaschinen, Generatoren, Berg- und Hüttenwerks-
maschinen u. a. m., in den nächsten Jahren einen wesentlichen Rückgang
erfahren wird. Dazu kommt, daß gerade auf diesem Gebiet sowohl die
amerikanische Konkurrenz nach der erfolgten Aufnahme der Beziehungen
als auch die englische im Hinblick auf die fortschreitenden Verhandlungen
in London sich zweifellos stärker fühlbar machen werden, als dies bisher
der Fall war. Die deutsche Industrie wird nicht umhin können, sich dieser
Änderung der geschäftlichen Situation anzupassen, indem sie gleichzeitig
ihr Augenmerk auf die neuen Möglichkeiten richtet, die ihr aus der Ver-
lagerung des Schwerpunktes der russischen Wirtschaftspläne auf die Kon-
sumwarenindustrie und das Eisenbahnwesen erwachsen.
Ein weiteres, wichtiges Gebot der Stunde ist ferner die Herbeiführung
der klaren und nüchternen Erkenntnis darüber, daß Deutschland angesichts
der gestiegenen Weltgeltung der Sowjetunion und des erhöhten Konkur-
renzkampfes mit anderen Ländern sich nur dann auf dem Sowjetmarkte
wird behaupten können, wenn es sich schnell auf eine neue Methode des
Wirtschaftsverkehrs mit der Sowjetunion umstellt, und zwar auch auf die
Gefahr hin, daß es dabei - wie schon so oft - zum Schrittmacher für die
anderen Staaten wird. Je eher wir der Tatsache bewußt werden, daß der
Sowjetmarkt heute nicht mehr mit Warenkrediten und Reichsausfallgaran-
tien allein erhalten und neu erobert werden kann, um so besser für uns. Es
ist bereits eine geraume Zeit her, seit der Außenhandelskommissar der
UdSSR den Grundsatz proklamiert hat, daß die Sowjetunion in ihrem wirt-
schaftlichen Entwicklungsstadium aus dem Rahmen des Warenkreditge-
schäftes hinausgewachsen und daher entschlossen sei, höhere Ansprüche
an das Vertrauen derjenigen Länder zu stellen, die in Zukunft Geschäfte mit
ihr machen wollen. Es dürfte daher kein Zweifel darüber bestehen, daß die
Union, nachdem sie im Verlaufe eines für sie in finanzieller Hinsicht be-
sonders schweren Jahres allen ihren Zahlungsverpflichtungen prompt nach-
gekommen ist, jetzt erneut auf die Forderung von Finanzkrediten zurück-
kommen wird. Deutschland wird gut tun, sich mit diesem Gedanken recht-
zeitig vertraut zu machen, und es wird gleichzeitig seiner alten Erfahrung
im Verkehr mit der Sowjetunion gedenken müssen, daß es stets vorteil-
hafter ist, neue Wege als erster und nicht im Schlepptau der anderen zu be-
schreiten. Dabei ist zu bedenken, daß eine deutsche Initiative in dieser
Richtung sich nicht nur wirtschaftlich auf weite Sicht bezahlt machen würde,
sondern daß sie bei entsprechender Handhabung auch unmittelbar zu einer
Entlastung der Beziehungen und ihrer Bereinigung von schwebenden Streit-
fällen, einschließlich der mangelnden Verständigung über die Lieferungs-
bedingungen, führen könnte.

202
Nr. 120 12. DEZEMBER 1933

Ein deutscher Entschluß in der von mir angedeuteten Richtung hätte fer-
ner den Vorteil, daß er die Frage des Sowjetexportes nach Deutschland,
deren Lösung aus deutschen innerwirtschaftlichen Gründen mit erheblichen
Schwierigkeiten verknüpft ist, für eine Weile in den Hintergrund drängen
könnte.
Hiernach möchte ich dem Auswärtigen Amt nahelegen, die vorstehenden
Gedankengänge, zu deren Erläuterung ich während meines bevorstehenden
Aufenthaltes in Berlin zur Verfügung stehen werde,3) unverzüglich zum
Gegenstand von Besprechungen mit den beteiligten Wirtschaftsressorts zu
machen.
NADOLNY
(8) Die Besprechungen Nadolnys in Berlin wurden in einer Aufzeichnung Meyers vom
21. Dezember (6025/H 046 537-38) festgehalten.

120
2784/D 540 467-70

Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow


BERLIN, den 12. Dezember 1933
Unterstaatssekretär Suvich besuchte heute vormittag den Herrn Reichs-
minister in Begleitung des italienischen Botschafters. Nach den üblichen
Höflichkeiten wurde ich dazu gerufen, und wir besprachen zu viert zunächst
die Abrüstungsfrage. Der Herr Reichsminister entwickelte unseren Stand-
punkt und stellte auch den Stand der Besprechungen mit England und Frank-
reich fest. Herr Suvich erwies sich als gut unterrichtet, er kannte z. B. die
vom Engländer J) kürzlich gestellten Fragen.2) Herr Suvich hatte verschie-
denes einzuwenden. Er erörterte die Frage, ob wir, wenn wir uns mit den
vier Mächten geeinigt hätten, zur Abrüstungskonferenz zurückkehren wür-
den. Als wir dies verneinten, machte er geltend, daß dann die Vereinbarung
der vier Mächte den übrigen Staaten als Ultimatum vorgelegt werden
würde, was unmöglich sei. Wenn wir aber nicht nach Genf zurückkehrten,
so ergebe sich die schwierige Situation, daß an dem eventuellen gemein-
samen Entwurf der vier Mächte kleinere Änderungen vorgenommen wür-
den und daß jede einzelne von diesen mit Deutschland verhandelt werden
müßte. Wir blieben dabei, daß wir nicht nach Genf zurückkehren würden,
und stellten anheim, die Einigung zwischen den vier Mächten auf diplo-
matischem Wege den übrigen Konferenzteilnehmern zur Stellungnahme
vorzulegen und so eine allgemeine Einigung herbeizuführen. Gegen die
Beteiligung an einem gemeinsamen Unterzeichnungsakt selbst in Genf
hätten wir keine grundsätzlichen Bedenken, obwohl auch dies sich ver-
meiden lassen würde. Herr Suvich setzte sich ferner sehr lebhaft dafür ein,
daß wir uns auf bestimmte Etappen der Aufrüstung festlegen sollten, wie

• (l) Phipps.
(2) Siehe Dokument Nr. 111.

203
Nr. 120 12. DEZEMBER 1933

dies im Simon-Plan und im Mussolini-Plan seinerzeit vorgesehen war; er


befürwortete diesen Weg, weil für die Franzosen leichter tragbar, ganz be-
sonders. Wir lehnten diesen Gedanken mit der üblichen Begründung ab und
setzten ihm auseinander, daß wir mit den Genfer Ideengängen abge-
schlossen hätten, daß der Vorschlag des Kanzlers einen ganz neuen Aus-
gangspunkt schaffe und daß wir den Versuch nicht zulassen könnten, für
Frankreich oder andere Staaten günstige Momente aus den früheren Ver-
handlungsstadien in die gegenwärtigen Lösungsversuche hinüberzuretten.
Herr Suvich bestätigte im übrigen, daß die Franzosen bereit gewesen
wären, auf Geschütze über 15,5, auf schwere Tanks und Bombenflugzeuge
zu verzichten. Er suchte auch die Bedeutung der Probezeit herabzumindern.
Der Herr Reichsminister und Herr Suvich kamen zum Schluß überein, daß
weitere Besprechungen über die Abrüstungsfrage nicht notwendig seien
bzw. die Einzelheiten von dem Obersten Bianci mit dem Reichswehrmini-
sterium geklärt werden könnten. Im Rahmen dieses Abrüstungsgespräches
machte der Botschafter Cerruti geltend und Herr Suvich stimmte ihm bei,
daß die Eingliederung der SA in den Staat die Franzosen und auch die Eng-
länder sehr beunruhige. Der Botschafter führte die französischen Argumen-
tationen vor, wonach der SA nur die Gewehre fehlten, so daß wir, wenn
diese beschafft wären, eine Armee von 2 Vi Millionen neben der Reichswehr
hätten, über die Auflösung der Reichswehr in ein 300 000-Mann-Heer wurde
ebenfalls gesprochen. Suvich machte geltend, daß bei 40 Prozent Lang-
dienenden wir einen Bestand von Langdienenden hätten, der sogar größer
sei wie die heutige Reichswehr, und deutete an, daß dies die Engländer be-
unruhige.
Anschließend besprachen wir den Austritt aus dem Völkerbund und
sagten Herrn Suvich, wir sähen voraus, daß die Franzosen und Engländer
im Falle des Zustandekommens einer Abrüstungskonvention einen Druck
zwecks Rückkehr in den Völkerbund auf uns ausüben würden. Wir würden
aber derartige Zumutungen ablehnen. Herr Suvich nahm eine Haltung ein,
die erkennen ließ, daß er nicht abgeneigt wäre, sich einem englisch-fran-
zösischen Druck in dieser Richtung anzuschließen. Er sprach von den italie-
nischen Reformplänen, stellte aber fest, daß solche bisher positiv noch nicht
vorlägen, sondern zunächst nur die negativen Momente der Kritik zusam-
mengestellt worden seien. Ihm persönlich schwebe eine Lösung vor, wonach
die Großmächte zunächst Beschlüsse unter sich einstimmig fassen müßten
und diese dann an den Völkerbundsrat gelangen sollten, der dann mit
Mehrheit zu beschließen haben würde. Wir wiesen auf die technischen und
sonstigen Schwierigkeiten hin, eine Reform des Völkerbundes und eine
Änderung der Völkerbundssatzungen herbeizuführen. Es komme auch nicht
nur darauf an, die Satzungen, die an sich nicht schlecht seien, nur in die
heutige Weltlage nicht hineinpassen, zu reformieren, sondern vor allen
Dingen den Geist und die Technik der Zusammenarbeit im Völkerbund.
Herr Suvich äußerte sich über die Möglichkeiten einer Reform optimistisch
und machte geltend, daß die Einstimmigkeit für eine Völkerbundsreform
unter starkem Druck der Großmächte sehr wohl denkbar sei. Wir sagten
ihm, daß wir uns keine konkreten Vorschläge überlegt hätten, aber jeden-
falls davon ausgingen, daß eine Rückkehr in den heutigen oder nur un-

204
Nr. 121 12. DEZEMBER 1933

wesentlich veränderten Völkerbund für uns gar nicht in Frage komme.


Wenn man aber etwas Neues schaffen wolle, dann müsse man die außerhalb
des Völkerbundes stehenden Großmächte mit einbeziehen. Das Entschei-
dende sei, daß die Beschlußfassung bei den Mächten liege, die tatsächlich
die Verantwortung für die Weltgeschehnisse trügen, und daß diese nicht
durch die vielen kleinen Mächte behindert würden. Uns schwebe deshalb vor,
eine Zusammenarbeit der Großmächte außerhalb des Völkerbundes zu
organisieren, ohne daß wir dabei an einen Vertrag oder an eine konkrete
Einrichtung dächten. Zwischen diesem diplomatisch zusammengehaltenen
Gremium und dem Völkerbund könnten dann wieder Brücken gebaut wer-
den. Als persönlichen Gedanken warf ich auf, daß eventuell eine die Ab-
rüstungskonferenz verlängernde Kommission die Plattform für eine Zu-
sammenarbeit der Großmächte abgeben könne.3) Wir waren beiderseits uns
darüber klar, daß eine solche Entwicklung sich gegen Frankreich und
namentlich gegen Frankreichs Verbündete richte. Ich sagte übrigens Suvich
auch vertraulich, daß ich die Deutsche Liga für Völkerbund ermächtigen
werde, in Amerika, Japan und eventuell sogar in Rußland zu sondieren,
wie man dort über derartige Fragen denke.4) Er war sichtlich angenehm
berührt zu hören, daß es bei uns noch eine Völkerbundsliga gäbe.
Zum Schluß wurde verabredet, die Besprechung morgen nachmittag fort-
zusetzen.5)
BÜLOW
(3) Neurath ordnete in einer Randbemerkung an, der von hier ab folgende Rest des
Absatzes solle in der für Hitler bestimmten Ausfertigung der Vorlage weggelassen
werden.
(4) Siehe auch Dokument Nr. 208.
(8) Siehe Dokument Nr. 126.

121
8115/E 580 168-69
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Botschaft beim Heiligen Stuhl
Telegramm
Eilt BERLIN, den 12. Dezember 1933 20 Uhr 05
Nr. 49 zu II Vat. 584 l)
Ref.: VLR Menshausen
Auf Telegramme Nr. 100 vom 7. 12.2) und Nr. 102 vom 11. 12.3)
Reichsregierung hat nach wie vor festen Willen, zu Einigung über schwe-
bende Fragen zu gelangen. Indes kann nach augenblicklicher Lage der Dinge

(i) II Vat. 584: Telegramm Bergens Nr. 102 vom 11. Dezember (8115/E 580 167), in dem die
Erwartung Pacellis zum Ausdruck kam, daß die Reichsregierung nunmehr ohne weite-
ren Aufschub einen mit den erforderlichen Vollmachten für den Abschluß einer ab-
schließenden Vereinbarung ausgestatteten Unterhändler entsende.
(2) Fundort: 8115/E 580 129.
*(3) Siehe Anm. 1.

205
Nr. 122 12. DEZEMBER 1933

nicht damit gerechnet werden, daß die von Ministerialdirektor Buttmann


erneut zu führenden Besprechungen dieses Mal gleich zu abschließenden
Vereinbarungen führen. Zunächst noch klärende Aussprache über einige
wichtige Punkte unter Berücksichtigung Gesamtlage erforderlich.
Streng vertraulich bemerke ich, daß im Hinblick auf bevorstehende
Reichsverfassungsreform ernste E