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AKTEN ZUR
DEUTSCHEN AUSWÄRTIGEN POLITIK
1918-1945
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HERAUSGEBER
GROSSBRITANNIEN
T h e Hon. M a r g a r e t Lambert (Hauptherausgeberin)
E. C. M. Breuning K. H. M. Duke
F. G. Stambrook K. M. L. Simpson
D. C. W a t t
FRANKREICH
M a u r i c e Baumont (Hauptherausgeber)
Georges Bonnin A n d r e Scherer
J a c q u e s Bariety
H a n s Rothfels ( H a u p t h e r a u s g e b e r )
Vincent Kroll (Geschäftsführender Herausgeber)
Roland Thimme H a r a l d Schinkel
Peter Krüger H a n s Lehmann
Ingrid Krüger-Bulcke Franz Knipping
(!) Die Liste zeigt die Zusammensetzung der Herausgeberkommission zur Zeit der ab-
schließenden Bearbeitung des Bandes (April 1958). Frühere Herausgeber waren:
Vereinigte Staaten von Amerika
Raymond James Sontag (Hauptherausgeber Sept. 1946-Juli 1949), Bernadotte E. Schmitt
(Hauptherausgeber Juli 1949-Juli 1952), Fredrick Aandahl (Jan. 1951-Sept. 1953), E. Mal-
colm Carroll (Okt. 1946-Aug. 1949), Jean Brownell Dulaney (Dez. 1946-April 1951), Fritz
Epstein (Okt. 1946-Juli 1948), Anna Maria Herbert (April 1951-Aug. 1952), John Huizenga
(Jan. 1947-Sept. 1952), Otto Pflanze (Jan. 1948-Aug. 1949), Joachim Remak (Dez. 1947-
Juli 1951), Norman Rieh (Aug. 1949-Aug. 1954).
Großbritannien
John W. Wheeler-Bennett (Hauptherausgeber Sept. 1946-Mai 1948, danach Historical
Adviser bis 1956), James Joll (Hauptherausgeber Juni-Dez. 1948), General Sir James
Marshall-Cornwall (Hauptherausgeber Juni 1948-Jan. 1951), E. K. Bramsted (Jan. 1948-
Febr. 1952), L. Branney (Sept. 1946-Juli 1948), P. Ericsson (Jan. 1948-Mai 1952), M. H.
Fisher (Mai 1949-Mai 1956), W. H. C. Frend (März 1947-Okt. 1951), K. Ronau (April 1952-
Juni 1956), T. F. D. Williams (Sept. 1947-Sept. 1949), Z. A. B. Zeman (Jan. 1956-Okt. 1957).
Frankreich
Jean Estienne (Juli 1947-April 1950), Leon de Groer (Juli 1947-Okt. 1950), Jacques
Grunewald (Okt. 1950-Okt. 1955).
(2) Frühere Mitarbeiter in der deutschen Herausgebergruppe waren:
Fritz T. Epstein (Geschäftsführender Herausgeber Dez. 1960-Febr. 1964), Hanno Graf
Wolff Metternich (Nov. 1961-Mai 1964), Hans Schwuppe (Okt. 1962-Mai 1969), Auguste
Pasthek (Juni 1964-April 1967).
BEARBEITER DER DEUTSCHEN AUSGABE
Franz Knipping
( Bayerische |
Staatsbibliothek
l München j
AKTEN ZUR DEUTSCHEN AUSWÄRTIGEN POLITIK
1918 - 1 9 4 5
SERIE C: 1933-1937
DAS DRITTE REICH: DIE ERSTEN JAHRE
B A N D II, 1
DOKUMENTE 1
ANHANG
I Geschäftsverteilungsplan des Auswärtigen Amts
(Stand vom April 1934) 891
II Verzeichnis der Filmnummern 895
III Das Deutsche Weißbuch Nr. 2 - Ein Quellennachweis 905
IV Verzeichnis der in den Anmerkungen zitierten Publi-
kationen 907
V Verzeichnis der Abkürzungen 909
VI Personenverzeichnis 913
VORWORT ZUR ENGLISCHEN AUSGABE
Im Juni 1946 kamen das britische Foreign Office und das amerikanische
Department of State überein, aus den erbeuteten Archiven des deutschen
Auswärtigen Amts und der Reichskanzlei gemeinsam Dokumente zu ver-
öffentlichen. Diese Archive gehen bis auf das Jahr 1867 zurück.1) Da das
Ziel der Publikation jedoch sein sollte, „die Entwicklung der deutschen
Außenpolitik vor dem Zweiten Weltkrieg und während seiner Dauer auf-
zuzeigen", wurde beschlossen, lediglich Dokumente aus der Zeit nach 1918
zu veröffentlichen. Die Herausgeber sollten ihre Arbeit „auf der Grundlage
strengster wissenschaftlicher Objektivität" durchführen und sowohl bei der
Auswahl der Dokumente wie in der Methode ihrer Veröffentlichung
völlig unabhängig sein. Die Veröffentlichung sollte so rasch wie möglich in
Angriff genommen und zum Abschluß geführt werden. Jeder der beiden
Regierungen sollte es „freistehen, jeden beliebigen Teil der Akten in Son-
derveröffentlichungen herauszubringen". Die französische Regierung, die
an der Aktenveröffentlichung teilzunehmen wünschte, schloß sich den Be-
stimmungen dieses Abkommens im April 1947 an.
Ursprünglich war beabsichtigt, den gesamten Zeitraum von 1918 bis 1945
in etwa 20 Bänden zu erfassen. Als im Jahre 1954 die Vorarbeiten für die
Auswahl der Dokumente aus den Jahren 1933 bis 1945 abgeschlossen wur-
den, stellte sich jedoch heraus, daß eine angemessene Auswahl von Doku-
menten für diese Zeitspanne den Voranschlag um das Doppelte überschrei-
ten würde. Nach Berechnung der zur Durchführung dieses erweiterten Pro-
gramms erforderlichen Zeitdauer entschlossen sich die beteiligten Regie-
rungen, die Veröffentlichung in englischer Sprache auf die Jahre 1933-1941
zu beschränken - vom 30. Januar 1933, dem Beginn der Kanzlerschaft
Hitlers, bis zur Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten im
Dezember 1941. Es wurde mit der Veröffentlichung der Serie D begonnen,
von der bereits 10 Bände (1937-1940) erschienen sind; drei weitere Bände,
XI bis XIII, sind für die Serie D vorgesehen. Die Serie C (1933-1937) wird
6 Bände umfassen.2)
(1) [Anmerkung der Herausgeber der deutschen Ausgabe: Eine Gesamtübersicht über die
von den Alliierten beschlagnahmten und gefilmten deutschen diplomatischen Akten Hegt
inzwischen vor in A catalog oi liles and microiiims of the German Foreign Ministry
Archives 1920-1945, zusammengestellt und hrsg. von George O. Kent, Bde. I-IV,
Stanford, California, 1962-1972. Für die Akten der Zeit von 1867-1920 siehe A catalogue
ol iiies and microiiims oi the German Foreign Ministry Archives, 1867-1920, hrsg. von
The American Historical Association, Committee for the Study of War Documents,
Oxford 1959. Der größte Teil der Akten der Handelspolitischen, der Rechts- und der
Presse-Abteilung und andere Bestände befinden sich im Zentralarchiv Potsdam und
konnten für die Publikation nicht ausgewertet werden. Siehe hierzu Ubersichf über die
Bestände des Deutschen Zentralarchivs Potsdam, Schriftenreihe des Deutschen Zentral-
archivs, Nr. 1, hrsg. von Helmut Lötzke, Berlin 1957.]
(2) [Anmerkung der Herausgeber der deutschen Ausgabe: Zwischen dem Veröffentlichungs-
datum der englischen Ausgabe des Bandes II der Serie C - London und Washington
1959 - und des vorliegenden Bandes ist die Serie D in 13 Bänden sowohl in englischer
als auch in deutscher Ausgabe vollständig erschienen. Von Serie C erschienen inzwi-
schen in englischer Ausgabe auch Band III (Juni 1934 bis März 1935), London und
IX
Der vorliegende zweite Band der Serie C beginnt mit dem 14. Oktober
1933, als Deutschland den Völkerbund und die Abrüstungskonferenz ver-
ließ, und endet am 13. Juni 1934, dem Vorabend des ersten Zusammen-
treffens der beiden Diktatoren Hitler und Mussolini in Venedig. Die
Dokumente wurden von den amerikanischen, britischen und französischen
Herausgebern gemeinsam ausgewählt, doch tragen die amerikanischen
Herausgeber für die editorische Bearbeitung dieses Bandes die Verantwor-
tung. Die Herausgeber hatten völlig freie Hand sowohl bei der Auswahl als
auch in der editorischen Bearbeitung der Dokumente des Bandes. Der
Benutzer sollte davon ausgehen, daß diese Dokumente als eine Quellen-
sammlung zum Studium der Geschichte, nicht als eine abschließende Ge-
schichtsinterpretation vorgelegt werden. Es war durchgehend das Ziel, alle
deutenden Kommentare aus den Anmerkungen herauszuhalten.
Die Dokumente werden in chronologischer Reihenfolge abgedruckt. Die
thematische Anordnung des „Verzeichnisses der Dokumente" am Anfang
des Bandes soll die Benutzung für den an bestimmten Sachgebieten inter-
essierten Leser erleichtern. Jedes in dieser Publikation abgedruckte Doku-
ment trägt in der linken oberen Ecke die Serien- und Seitennummer des
Mikrofilms. Der Fundort des gefilmten Originals kann mit Hilfe des An-
hangs II, „Verzeichnis der Filmnummern", ermittelt werden. Die Mikro-
filme werden, so rasch es die technischen Gegebenheiten zulassen, der
Öffentlichkeit durch die National Archives in Washington und das Public
Record Office in London zugänglich gemacht. Die Akten des deutschen Aus-
wärtigen Amts für die Weimarer Zeit, die ursprünglich in den Serien
A und B dieser Publikation erfaßt werden sollten 3 ), werden ebenfalls
systematisch gefilmt. Eine beträchtliche Anzahl dieser Mikrofilme sind be-
reits in den National Archives und im Public Record Office deponiert
worden.
Die amerikanischen Herausgeber möchten für Mitarbeit und Unter-
stützung mehreren Beamten des Department of State, insbesondere G. Ber-
nard Noble, dem Leiter der Historical Division, und den Mitgliedern des
American Advisory Committee, Sidney B. Fay, Guy Stanton Ford, Carlton
J. H. Hayes, Hajo Holborn, William L. Langer, Conyers Read und Raymond
J. Sontag, ihren Dank aussprechen. Wertvolle Hilfe wurde von Beverly
A. Smith geleistet. Die technische Vorbereitung des Manuskripts für den
Druck erfolgte in der Division of Publishing Services des Department of
State unter der Leitung von Norris E. Drew. Die Herausgeber erkennen
dankbar die von ihm, von Elizabeth A. Vary, Collie E. Haibert, B. Etoile
X
Tine und anderen Mitgliedern dieser Abteilung gewährte Unterstützung
an.
Die Übersetzungen wurden von der Division of Language Services des
Department of State vorbereitet, doch tragen die Herausgeber sowohl die
endgültige Verantwortung für die Übersetzungen als auch die volle Ver-
antwortung für die Anmerkungen und die übrige editorische Arbeit. Die
Prinzipien, von denen sich die Herausgeber bei den Übersetzungen und in
den übrigen Stadien der Bearbeitung leiten ließen, sind in der ausführ-
lichen „Allgemeinen Einleitung" dargelegt, die in den Bänden I-IV der
Serie D abgedruckt ist.
XI
VORBEMERKUNG ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Auf Grund eines im Jahre 1960 zwischen den Regierungen der Bundes-
republik Deutschland, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten
Staaten von Amerika getroffenen Übereinkommens konstituierte sich
am 8. Dezember 1960 in Bonn die Internationale Herausgeberkommission
für die Veröffentlichung der Akten zur deutschen auswärtigen Politik
1918-1945. Ihr gehören amerikanische, britische, deutsche und französische
Historiker an, als Hauptherausgeber zur Zeit Hans Rothfels (Bundesrepu-
blik Deutschland), Maurice Baumont (Frankreich), Hans W. Gatzke (Ver-
einigte Staaten von Amerika), Ronald R. A. Wheatley (Großbritannien)
sowie Alan L. C. Bullock als United Kingdom Historical Adviser. Die
Kommission erhielt den Auftrag, die Veröffentlichung von Akten aus dem
Archiv des Auswärtigen Amts, die in dem amerikanisch-britisch-französi-
schen Editionsprojekt begonnen worden war, fortzuführen. Die deutschen
Herausgeber übernahmen die zusätzliche Aufgabe, die - mit Ausnahme
der Bände I-VII der Serie D - nur in englischer Übersetzung vorliegenden
Aktenbände der Serien C und D (Documents on German Foreign Policy
1918-1945) in der deutschen Originalfassung herauszubringen. Mit dem
Erscheinen der Bände XIII. 1 und XIII.2 liegt die deutsche Ausgabe der
Serie D vollständig vor. Von Serie C ist der erste Band in deutscher Aus-
gabe 1971 erschienen.
Die von den deutschen Herausgebern vorgeschlagenen Editionsgrund-
sätze für die deutsche Ausgabe der Serien C und D wurden von der Inter-
nationalen Historikerkommission auf der Konferenz in Bonn im Dezember
1960 geprüft und gebilligt. Danach lehnt sich die deutsche Ausgabe des
Bandes II der Serie C eng an die englische Ausgabe an; alle Dokumente
erscheinen ungekürzt und in derselben zahlenmäßigen Reihenfolge. Jedoch
sind die deutschen Herausgeber mit Zustimmung der gesamten Kommission
in eigener Verantwortung in folgenden Punkten von der englischen Aus-
gabe abgewichen:
1. Auf bei der Entzifferung der Textvorlagen unbemerkt gebliebene Irr-
tümer wird in Anmerkungen hingewiesen.
2. In einzelnen Fällen werden Dokumente, die in den Anmerkungen der
englischen Ausgabe inhaltlich referiert werden, im Wortlaut zitiert.
3. Persönlichkeiten, die in den Texten nur ihrer Stellung nach bezeichnet
sind, werden nach Möglichkeit in einer Anmerkung identifiziert.
4. Zur Erleichterung der Feststellung des chronologischen Ablaufs der Er-
eignisse werden nur mit Tagesnamen erwähnte Vorgänge regelmäßig
in einer Anmerkung durch Angabe des Datums sichergestellt.
5. Die Regesten im „Verzeichnis der Dokumente" werden etwas ausführ-
licher gehalten als in der englischen Ausgabe.
6. Anmerkungen und sog. „Anmerkungen der Herausgeber" (Editor's
Notes) werden durch Hinweise auf deutsche Dokumenten-Veröffent-
XIII
lichungen ergänzt; auf Dokumente, die erst nach der Veröffentlichung
der englischen Ausgabe von Band II (1959) bekannt geworden sind,
wird hingewiesen.
Die unter den Punkten 1-4 und 6 aufgeführten Abweichungen werden
durch ein ' vor der Anmerkungsziffer kenntlich gemacht.
In dem vorliegenden Band werden die Aktenstücke grundsätzlich in der
deutschen Originalfassung bzw. der amtlichen deutschen Übersetzung ab-
gedruckt. Falls eine amtliche deutsche Übersetzung nicht zu ermitteln ist,
werden Texte in den Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch oder
Spanisch im originalen Wortlaut wiedergegeben; Dokumente in anderen
Sprachen werden in einer deutschen Übersetzung unter Hinweis auf das
Original abgedruckt.
Wurde in der englischen Ausgabe ein Dokument nur in Auszügen wieder-
gegeben, so werden in der deutschen Fassung die nicht gedruckten Ab-
schnitte in eckigen Klammern inhaltlich zusammengefaßt.
Der Abdruck gibt nicht das Äußere der Vorlage in allen Einzelheiten
wieder. Jedoch werden im Kopf Eil- und Geheimvermerke, Datum der Ab-
fassung und - soweit sie sich ermitteln lassen - Absende- und Ankunfts-
zeit sowie Journalnummer bzw. Aktenzeichen angegeben. Abschriften
werden ausdrücklich als solche gekennzeichnet.
Im Text wurden offensichtliche Schreib- und Zeichensetzungsfehler still-
schweigend berichtigt; von einer Änderung der Orthographie nach den
heute gültigen Regeln wurde jedoch abgesehen. Die Schreibweise von
Personen- und Ortsnamen wurde vereinheitlicht.
Um die Benutzung handlicher zu machen, wird dieser Band in zwei Halb-
bänden vorgelegt. Band 11,1 enthält die Dokumente Nr. 1-232, Band 11,2
enthält die Dokumente Nr. 233-506. Die Regesten für den Gesamtband
befinden sich im ersten, die Anhänge, die um ein Verzeichnis der in den
Anmerkungen zitierten Literatur erweitert wurden, sowie das ausführlicher
gehaltene Personenverzeichnis erscheinen am Ende des zweiten Halb-
bandes.
Die Verantwortung für die Bearbeitung des Bandes II der Serie C in der
deutschen Originalausgabe tragen Franz Knipping und die Unterzeichneten.
Sie danken Frau Margaret Messing und Frau Christa Saam für ihre Hilfe.
Besonderer Dank gebührt der Stiftung Volkswagenwerk e.V., die durch
ihre Unterstützung die Veröffentlichung dieses Bandes ermöglicht hat.
HANS ROTHFELS
VINCENT KROLL
XIV
VERZEICHNIS DER DOKUMENTE :
2 16. 10. Der Staalssefcreidr des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschait in Rom 2
Bülow erklärt, unter Hinweis auf die in Serie C, Bd. 1,2 abge-
druckten Dokumente Nr. 500 und 502, daß der jüngste italieni-
sche Vermittlungsvorschlag keine Verhandlungsbasis abgebe.
4 16. 10. Der Botschafter in Rom von Hasseil an das Auswärtige Amt 5
Hasseil meldet, er habe Mussolini mitgeteilt, daß durch den
Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund eine neue Sachlage
entstanden sei, die einen Hinweis auf den Viererpakt in der
Kanzlerrede unmöglich mache.
10 17. 10. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 12
Bericht über eine Unterredung mit Suvich, der angeregt hat, der
gegenwärtigen Krise durch eine Aktivierung des Viermächte-
pakts zu begegnen.
(U Die Dokumente dieses Bandes sind in chronologischer Reihenfolge angeordnet. Zur Hilfe
für den Leser, der bestimmte Themen durch den Band hindurch verfolgen möchte, ist
dieses Verzeichnis der Dokumente alphabetisch nach Ländern geordnet, unter Hinzu-
fügung folgender fünf Sachgebiete: „Abrüstung und Völkerbund", „Allgemeine Fragen",
.Evangelische Kirche", „Finanzfragen" und „Ostpakt".
XV
ABRÜSTUNG UND VOLKERBUND
1933
19 21. 10 Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 30
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon, der ihn im
Interesse einer Ausräumung der zwischen ihm und Neurath ent-
standenen Differenzen um Unterstützung und Rat ersucht hat.
29 26. 10. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschaft in London 45
Mitteilung, daß die in Dokument Nr. 23 enthaltenen Ausführun-
gen Hitlers zur Abrüstungsfrage nicht als ein in allen Einzel-
heiten ausgearbeiteter deutscher Vorschlag bewertet werden
dürfen. Nach Möglichkeit solle in der Presse über die Ange-
legenheit nichts weiteres veröffentlicht werden
XVI
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1933
45 [4. 11.] Aufzeichnung ohne Unterschritt 76
Notizen, die vom Reichswehrministerium und vom Stabe des
Chefs der Marineleitung für die bevorstehenden Besprechungen
zwischen Göring und Mussolini zusammengestellt wurden.
XVII
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1933
spezielle Fragen zu den deutschen Rüstungswünschen und zu
der Rolle der paramilitärischen Verbände gestellt.
108 8. 12. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 186
Francois-Poncet hat sich beschwert, daß der britische Botschafter
ganz kurzfristig von Hitler empfangen worden sei, während er
selbst tagelang auf einen Gesprächstermin warten müsse.
XVIII
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1934
159 1. 1. Aulzeichnung ohne Unterschritt 287
Francois-Poncet hat im Verlaufe einer Unterredung mit Hitler
und Neurath ein Aide-memoire der französischen Regierung zur
Abrüstungsfrage überreicht und es erläutert.
164 5. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 296
Hassell berichtet über Gespräche, die der britische Außenmini-
ster Simon in Rom über die Abrüstungsfrage und die Frage einer
Reform des Völkerbundes geführt hat.
178 12. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 335
Hassell berichtet, er habe die in Dokument Nr. 172 enthaltene
Weisung ausgeführt. Mussolini habe sich zustimmend geäußert.
Gegenüber Simon habe Mussolini nach eigenem Bekunden die
Ansicht vertreten, daß die Welt zwischen illegaler Aufrüstung
Deutschlands und Annahme der deutschen Vorschläge zu wählen
habe.
194 19. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 373
Unterredung Neuraths mit Francois-Poncet bei Gelegenheit der
Übergabe der deutschen Antwort auf das französische Aide-
memoire vom 1. Januar.
XIX
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1934
über eine angeblich veränderte britische Haltung in der Rede
Simons vom 14. Oktober 1933 zurückzukommen.
250 12. 2. Memorandum der Reichsregierung lür die Italienische Regierung 459
Antwort auf das italienische Aide-memoire vom 23. Januar 1934
zur Reform des Völkerbunds.
266 17. 2. Runderlaß des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 492
Weisung zur Information und Sprachregelung betreffend die
jüngste französische Haltung in der Abrüstungsfrage.
268 19. 2. Der Botschalter in Paris Köster an das Auswärtige Amt 496
Köster berichtet über eine Unterredung mit Eden, in der dieser
seine Eindrücke über die französische Politik in der Abrüstungs-
frage dargelegt hat.
270 20. 2. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 499
Unterredung zwischen Neurath und Eden im Beisein Blombergs.
Eden hat Neurath über die französische Kritik an dem jüngsten
britischen Abrüstungsmemorandum unterrichtet, Neurath Eden
über die Punkte, die die Reichsregierung an dem Memorandum
zu bemängeln findet.
271 20. 2. Aulzeichnung des Ministerialrats Thomsen {Reichskanzlei) 500 J
Erste Unterredung zwischen Hitler und Eden über die Abrü-
stungsfrage und die Reform des Völkerbunds.
273 21. 2. Aulzeichnung des Ministerialrats Thomsen (Reichskanzlei) 507
Zweite Unterredung zwischen Hitler und Eden. Hitler hat sich
gegen den Vorschlag Edens ausgesprochen, die Abrüstungs-
frage auf einer Konferenz der wichtigsten Regierungen weiter-
zubehandeln, und stattdessen eine britische Initiative zur Aus-
räumung des deutsch-französischen Gegensatzes angeregt.
277 24. 2. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 516 *j
Hassell hat Mussolini weisungsgemäß über die Gespräche
Edens in Berlin unterrichtet. Stellungnahme Mussolinis.
280 26. 2. Vortragender Legationsrat Frohwein an Generalleutnant Schön-
heinz (Reichswehrministerium) 519
Frohwein übersendet Abschriften der Dokumente Nr. 270, 271,
273 und 276 und erläutert eine Bemerkung Hitlers über die Ab-
schaffung der Bombenflugzeuge.
XX
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1934
283 27. 2. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 522
Bericht Hasseils über Gespräche mit Eden, der bei seinem Rom-
besuch offenbar keine neuen Gesichtspunkte für seine nachfol-
genden Gespräche in Paris gefunden habe.
306 8. 3. Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 557
Hoesch berichtet über eine ausführliche Unterredung mit Simon
und Eden über die Abrüstungsfrage.
310 9.3. Aufzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 563
Unterredung Hitlers mit dem belgischen Gesandten Kerchove
über eine Erklärung des belgischen Ministerpräsidenten zur Ab-
rüstungsfrage. Hitler hat die Bescheidenheit der deutschen For-
derungen hervorgehoben und den Willen der Reichsregierung
bekräftigt, am Locarno-Vertrag festzuhalten.
321 13. 3. Memorandum der Reichsregierung für die Französische Regierung 584
Antwort auf das französische Aide-memoire zur Abrüstungsfrage
vom 14. Februar.
335 19.3. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Frohwein 621
Der deutsche Militärattache in Warschau hat angeregt, die pol-
nische Regierung vertraulich über den Gang der Abrüstungs-
gespräche und über die deutschen Rüstungspläne zu informieren.
343 15. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschalter in Paris Köster 632
Die Reaktion Hindenburgs auf die in Dokument Nr. 301 ange-
sprochene Mission Ribbentrops in Paris.
351 23. 3. Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 647
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon, in der die
beiderseitigen Standpunkte in der Frage der Luftrüstung erörtert
worden sind. Im weiteren Verlauf des Gesprächs hat Simon eine
XXI
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1934
Konvention der wichtigsten europäischen Staaten zur Kontrolle
und Garantierung allgemeiner Abrüstungsvereinbarungen vor-
geschlagen.
360 27. 3. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 661
Hoesch berichtet über eine Unterredung, die er gemäß den in
Dokument Nr. 357 enthaltenen Weisungen mit Simon und Eden
geführt hat. U. a. haben die beiden britischen Minister die
deutschen Bedenken gegen ein regionales Bombenabwurfverbot
bedauert und um weitere Prüfung der Angelegenheit gebeten.
Simon hat darum nachgesucht, in einem britischen Weißbuch
zur Abrüstungsfrage eine Aufzeichnung Edens über seine Ge-
spräche in Berlin veröffentlichen zu dürfen.
385 9.4. Aide-memoire der Britischen Regierung tür die Reichsregierung 705
Die britische Regierung findet mehrere der Änderungswünsche,
die die Reichsregierung zu der Aufzeichnung Edens über seine
Besprechung im Auswärtigen Amt am 22. Februar vorgebracht
hat, unannehmbar.
XXII
ABRÜSTUNG UND VÖLKERBUND
1934
402 16.4. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 730
Neurath hat Phipps den als Anlage zu Dokument Nr. 399 ge-
druckten britischen Entwurf einer Erklärung mit Abänderungen
zurückgegeben.
467 27. 5. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 829
Hoesch berichtet, er habe weisungsgemäß mit Simon die Mög-
lichkeit einer Vertagung der Abrüstungskonferenz und die
Frage eines deutsch-belgischen Nichtangriffspakts erörtert.
506 13. 6. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschaft in Paris 887
Weisungen für eine Unterredung mit Barthou über Abrüstung,
Völkerbund und Saarprobleme.
(Siehe auch „Großbritannien" und „Italien".)
XXIII
ALLGEMEINE FRAGEN
ALLGEMEINE FRAGEN
1933
31 27. 10. Aulzeichnung des Stellvertreters des Führers Heß 48
Heß verfügt die Einrichtung des Volksdeutschen Rates als
Beratungs- und Vollzugsorgan für alle Fragen des Grenz- und
Auslandsdeutschtums und für die Fragen der Stärkung und Ein-
heit des Gesamtdeutschtums.
74 17. 11. Das Auswärtige Amt an das Reichsministerium des Innern 133
Neurath und Heß stimmen darin überein, daß der Volksdeut-
sche Rat lediglich als beratende Stelle wirken soll, die die Auf-
gabe hat, die Politik der zuständigen Ministerien in Fragen des
deutschen Volkstums und der Minderheiten zu unterstützen.
140 20. 12. Das Auswärtige Amt an das Reichsministerium des Innern 249
Übermittlung einer Niederschrift über eine Besprechung des
interministeriellen Ausschusses für Volkstums- und Minder-
heitenfragen mit Vertretern des Volksdeutschen Rats am
14. Dezember.
1934
Anmerkung der Herausgeber 426
Hinweis auf Hitlers Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1934.
XXIV
BALTISCHE STAATEN / BELGIEN / BULGARIEN
BALTISCHE STAATEN
1933
155 14. 12. Das Auswärtige Amt an die Gesandtschatt in Riga 281
Mitteilung, daß der Reichskanzler nicht beabsichtige, den letti-
schen Gesandten zu empfangen und anschließend die demon-
strative Veröffentlichung eines gemeinsamen Kommuniques zu-
zulassen.
1934
169 9. 1. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 306
Aufzeichnung über Erklärungen des polnischen Gesandten Lipski
über angebliche polnisch-russische Verhandlungen mit dem Ziel
einer Garantierung der Unabhängigkeit der Randstaaten.
187 16. 1. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 359
Nadolny berichtet über eine Unterredung mit Litwinow über
die russisch-polnische Politik gegenüber den baltischen Staaten,
besonders über eine angebliche russisch-polnische Deklaration
zur Garantierung der Unabhängigkeit des Baltikums.
(Siehe auch „Sowjetunion")
BELGIEN
1934
497 12. 6. Ministerialdirektor Köpke an den Gesandten in Brüssel Graten
Adelmann von Adelmannstelden 874
Köpke unterrichtet Adelmann über kürzliche Gespräche be-
treffend die Möglichkeit eines deutsch-belgischen Nichtangriffs-
pakts. Hoesch habe der britischen Regierung die deutsche Be-
reitschaft zu einem solchen Vertrag bekundet. Adelmann könne
sich auf Anfrage in Brüssel entsprechend äußern.
503 13. 6. Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 883
Hoesch berichtet, Simon habe ihn auf die deutsche Bereitwillig-
keit zum Abschluß eines Nichtangriffspakts mit Belgien ange-
sprochen und bemerkt, es würde sich daraus vielleicht etwas
Nützliches machen lassen.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund")
BULGARIEN
1933
22 22. 10. Der Gesandte in Soiia Rümelin an den Reichsminister des Aus-
wärtigen Freiherrn von Neurath 35
König Boris hat Rümelin über seine kürzliche Reise in mehrere
westeuropäische Hauptstädte berichtet und die Nachricht be-
grüßt, daß Neurath im kommenden Frühjahr Sofia zu besuchen
beabsichtige.
1934
246 10. 2. Runderlaß des Ministerialdirektors Köpke 452
Sprachregelung hinsichtlich des tags zuvor abgeschlossenen Bal-
kanpakts, der offenbar direkt gegen Bulgarien gerichtet ist.
XXV
BULGARIEN / EVANGELISCHE KIRCHE / FERNER OSTEN
1934
291 1. 3. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 534
Unterredung mit König Boris über den Balkanpakt und die Be-
ziehungen zwischen Bulgarien und Jugoslawien.
411 21. 4. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 742
Unterredung mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten Muscha-
noff über die bulgarische Außenpolitik im allgemeinen und die
bulgarischen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland im beson-
deren.
EVANGELISCHE KIRCHE
1933
37 31. 10. Aufzeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei) 57
Unterredung Hitlers mit Pastor Macfarland, dem früheren Ge-
neralsekretär des Bundesrats der christlichen Kirchen in den
Vereinigten Staaten von Amerika.
55 9. 11. Reichsbischol Müller an das Auswärtige Amt 96
Erörterung der Spannungen, die zwischen der Deutschen Evan-
gelischen Kirche und den ausländischen, vor allem skandina-
vischen Kirchen entstanden sind. Die Deutsche Evangelische
Kirche bemüht sich um besseres wechselseitiges Verständnis,
ist aber dabei auf die Hilfe des Auswärtigen Amts angewiesen.
FERNER OSTEN
1933
7 17. 10. Aulzeichnung des Botschafters in Moskau von Dirksen
(z. Z. Berlin) 9
Der japanische Botschafter Nagai hat inoffiziell die deutsche An-
erkennung Mandschukuos angeregt.
16 19. 10. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats Völckers 23
Neurath hat Seeckt geraten, die Aufforderung Chiang Kai-sheks,
als militärischer Berater nach China zu kommen, abzulehnen.
Seeckt hat dies zugesagt.
48 8. 11. Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 82
Unterredung Bülows mit dem chinesischen Geschäftsträger, der
die Rassenfrage zur Sprache gebracht hat. Chiang Kai-shek
bittet dringend um einen erneuten Besuch Seeckts in China.
63 11. 11. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 110
Unterredung mit Seeckt über die Einladung nach China. Das
Reichswehrmiiiisterium ist mit einer nochmaligen Chinareise
Seeckts einverstanden.
80 23. 11. Auizeichnung des Legationsrats Allenburg 141
Nach Mitteilung des chinesischen Geschäftsträgers hat Seeckt
die Einladung Chiang Kai-sheks angenommen.
XXVI
FERNER OSTEN
1933
89 27. 11. Aufzeichnung des Legationsrats Altenburg 151
Erörterung des Planes Kleins, in Kanton eine Rüstungsindu-
strie aufbauen zu helfen. Die politischen Implikationen des Pro-
jekts.
138 20. 12. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 245
Bericht Dirksens über seinen Antrittsbesuch bei Hirota, der bei
der Gelegenheit die japanische Politik in Mandschukuo gegen-
über der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten und China er-
läutert hat.
154 29. 12. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 280
Nach einer Unterredung mit Hirota hält Dirksen einen persön-
lichen Besuch in der Mandschurei für vorteilhaft und bittet das
Auswärtige Amt um Zustimmung.
157 30. 12. Der Gesandte in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt 284
Trautmann erörtert die Position General Wetzells gegenüber der
chinesischen Regierung und die außenpolitischen Aspekte der
Reise Seeckts.
1934
158 1. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Tokio 286
Aus gesamtpolitischen Rücksichten erscheint dem Auswärtigen
Amt eine Reise Dirksens in die Mandschurei nicht ratsam.
174 10. 1. Der Staatssekretär des Auswärligen Amts von Bülow an den
Botschalter in Tokio von Dirksen 326
Unter Hinweis auf Dokument Nr. 154 legt Bülow Dirksen dar,
daß ein Besuch des Botschafters in der Mandschurei die Bezie-
hungen zur Sowjetunion und zu China beeinträchtigen müßte.
Eine Annäherung Deutschlands an Japan dürfe vorerst keinen
demonstrativen Charakter haben.
183 15. 1. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 345
Dirksen berichtet über die bevorstehende Ausrufung des Kaiser-
reichs Mandschukuo. Er empfiehlt erneut die Anerkennung
Mandschukuos als den einzigen Weg zu einer deutsch-japani-
schen Annäherung.
XXVII
FERNER OSTEN
1934
198 18. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Tokio 376
Neurath erläutert die Politik der Reichsregierung hinsichtlich
der Anerkennung Mandschukuos und die Motive dieser Politik.
199 19. 1. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 378
Dirksen bittet Neurath, die neuerliche Reise Seeckts nach China
zu verhindern.
235 2.2. Aulzeichnung des Legalionsrats Allenburg 434
Der chinesische Botschaftsrat Tann hat darum ersucht, daß das
Auswärtige Amt die Errichtung von Rüstungsanlagen in den
chinesischen Südwestprovinzen verhindern möge.
236 2. 2. Der Gesandle in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt 436
Trautmann vertritt die Ansicht, daß Deutschland durch die Aner-
kennung der Mandschurei weder politische noch wirtschaftliche
Vorteile erringen werde.
237 4. 2. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 439
Dirksen unterrichtet Bülow über die Instruktionen, die er hin-
sichtlich einer möglichen Anerkennung Mandschukuos von Hitler
persönlich erhalten habe.
238 5. 2. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschait in Tokio 440
Neurath informiert die Botschaft über die bisher in bezug auf
Heye ergangenen Weisungen und bittet um eine Beurteilung
seiner bisherigen Tätigkeit.
241 7. 2. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 444
Antwort auf Dokument Nr. 238. Dirksen beschreibt Heyes Tätig-
keiten und schätzt deren mögliche künftige Nützlichkeit ab.
243 8.2. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 447
Unterredung mit Seeckt über dessen bevorstehende Reise nach
China.
256 9. 2. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschalter in Tokio von Dirksen 474
Bitte Bülows an Dirksen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten in
der Mandschurei genau zu untersuchen. Versicherung, daß es
im Auswärtigen Amt keine Vorliebe für China gibt.
262 16. 2. Aulzeichnung des Gesandlschaltsrals Kühlborn 483
Protokoll einer Referentenbesprechung über das Kleinsche Pro-
jekt der Errichtung von Rüstungsanlagen in der Provinz Kwan-
tung. Vor einer Entscheidung sollen die Besprechungen Seeckts
mit Chiang Kai-shek abgewartet werden.
267 17. 2. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 494
Dirksen wiederholt seine ihm von Hitler erteilten Anweisungen,
kommentiert die Weisungen des Auswärtigen Amts, vermutet,
XXVIII
FERNER OSTEN
1934
daß der günstige Augenblick zur Anerkennung Mandschukuos
bereits verstrichen ist und wägt die wirtschaftlichen Möglich-
keiten Deutschlands in der Mandschurei ab.
269 19. 2. Aufzeichnung des Vorfragenden Legationsrats Ulrich 498
Hitler hat entschieden, Heye mit der Führung von Verhand-
lungen zwecks Herstellung eines Handelsverhältnisses mit
Mandschukuo zu beauftragen. Aufgrund von Einwänden des
Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird
Heye angewiesen, alle etwaigen Abreden vor ihrem formellen
Abschluß der Reichsregierung zur Genehmigung vorzulegen.
XXIX
FERNER OSTEN
1934
336 19. 3. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 623
Dirksen hat aus vertraulicher Quelle erfahren, daß Japan den
Versuch einer Annäherung an Großbritannien unternommen hat.
353 23. 3. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Ritter 650
Unterredung Ritters mit Keppler über Heye. Es besteht Einig-
keit, daß die Frage der Rückberufung Heyes über Thyssen in
die Wege geleitet werden soll. Keppler hat sich kritisch über
die Nachgiebigkeit des Auswärtigen Amts gegenüber Daitz ge-
äußert, Ritter hat auf die Verantwortlichkeit Kepplers für diese
Angelegenheit verwiesen.
358 26. 3. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an das
Auswärtige Amt 659
Der japanische Generalkonsul Suma hat Trautmann in warnen-
dem Ton den japanischen Standpunkt hinsichtlich der Präsenz
fremder Mächte in China erläutert.
373 30. 3. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an das
Auswärtige Amt 678
Chiang Kai-shek hat sich mit dem Abschluß eines Vertrages
zum Bau einer Flugzeugfabrik durch eine deutsche Firma ein-
verstanden erklärt. Trautmann bittet im Hinblick auf mögliche
japanische Einwände um Instruktionen. Die Botschaft in Tokio
wird ebenfalls informiert.
374 31. 3. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an den
Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow 679
Trautmann übermittelt Bülow die Abschrift eines Briefes an
Dirksen betreffend die deutsche Ostasienpolitik.
379 5. 4. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 691
Dirksen zählt Gründe auf, die gegen den Aufbau einer chine-
sischen Luftfahrtindustrie durch deutsche Firmen sprechen.
403 14. 4. Ministerialdirektor Meyer an den Botschalter in Tokio
von Dirksen 731
Meyer formuliert erneut die deutsche Politik gegenüber Japan
und setzt sich mit einigen Ansichten Dirksens auseinander.
404 18. 4. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 733
Unterredung Neuraths mit dem japanischen Botschafter über die
Beziehungen Deutschlands zu Japan und zur Sowjetunion sowie
über die Mandschurei und China.
408 19. 4. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Ami 739
Dirksen berichtet über ein Gespräch mit Hirota über eine Ver-
lautbarung der japanischen Regierung, die sich gegen jede
finanzielle oder militärische Unterstützung Chinas durch dritte
Mächte richtet.
412 21. 4. Der Gesandte in Peping Trautmann (z. Z. Nanking) an das Aus-
wärtige Amt 743
Der Vertreter von Solothurn hat Trautmann um Mitwirkung
beim Abschluß eines Waffengeschäfts gebeten. Bitte um Instruk-
tion.
XXX
FERNER OSTEN
1934
429 27.4. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Ritter 767
Unterredung Ritters mit Fritz Thyssen am 26. April. Thyssen
hat sich gegen eine Rückberufung Heyes ausgesprochen und
seine Ansichten über die deutsche Ostasienpolitik dargelegt.
Dagegen Ritters Darstellung der Politik des Auswärtigen Amts.
438 7. 5. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 778
Dirksen übermittelt einen Bericht des Militärattaches Ott über
Persönlichkeit und Tätigkeit Heyes. Dirksen sieht sich in seiner
Ansicht bestätigt, daß Heye abberufen werden sollte.
454 17. 5. Der Gesandte in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt 806
Chiang Kai-shek hat entschieden, daß künftig nur noch deutsche
Waffen angeschafft werden sollen.
460 24. 5. Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 819
Dirksen berichtet über eine Beschwerde des Leiters der Wirt-
schaftsabteilung im japanischen Außenministerium über deutsche
Restriktionsmaßnahmen gegenüber dem japanischen Handel.
Ankündigung japanischer Gegenmaßnahmen.
473 29. 5. Die Gesandtschait in Peping an das Auswärtige Amt 837
Übermittlung eines Berichts des Gesandtschaftsrats Lauten-
schlager über den Besuch Seeckts in China.
482 6.6. Der Botschaiter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt 852
Übermittlung einer Meldung Heyes über ein mit der Regierung
von Mandschukuo abgeschlossenes vorläufiges Abkommen.
489 8.6. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Tokio 864
Bülow bittet, unter Bezugnahme auf Dokument Nr. 482, um
Wortlaut und Beurteilung des von Heye ausgehandelten Ab-
kommens.
493 8.6. Auizeichnung des Ministerialdirektors Ritter 870
Unterredung zwischen Neurath, Ritter, Rosenberg und Daitz
über das von Heye ausgehandelte Abkommen mit der Regie-
rung von Mandschukuo.
494 8.6. Der Leiter der Außenhandelsabteilung im Außenpolitischen Amt
der NSDAP Daitz an den Reichsminister des Auswärtigen Frei-
herrn von Neurath 871
Daitz legt Neurath den Text einer zur Absendung an Heye
vorgesehenen telegrafischen Instruktion vor, er solle die Ver-
handlungen über einen Kompensationsvertrag vorantreiben.
In der Anlage eine Zusammenfassung der möglichen Vertrags-
bestimmungen aus Hsinking.
XXXI
FINANZFRAGEN
FINANZFRAGEN
1933
93 30. 11. Reichswirlschaltsminister Schmitt an Reichsbankpräsident
Schacht 158
Schmitt wirbt für den Gedanken, daß Deutschland den Grund-
satz der gleichmäßigen Behandlung aller seiner Gläubiger auf-
geben und bei der Bedienung seiner Verpflichtungen diejenigen
Gläubigerländer günstiger stellten sollte, die die Voraussetzun-
gen für eine erhöhte Abnahme deutscher Waren erfüllen.
103 6. 12 Aulzeichnung des Ministerialrats Willuhn (Reichskanzlei) 176
Protokoll über eine Chefbesprechung, in der u. a. Schacht in
Gegenwart Hitlers über die Devisenlage und die Transferfrage
berichtete. Der Reichswirtschaftsminister hielt es für zweck-
mäßig, mit allen Gläubigervertretern zu verhandeln und erst
dann Sonderzugeständnisse an einzelne Gläubigerländer zu
machen. Hitler und Neurath schlössen sich diesem Vorschlag an.
146 23. 12. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 265
Die britische Regierung protestiert gegen die von der Reichs-
bank am 18. Dezember einseitig beschlossene sechsmonatige
Herabsetzung der Transfeiquote für Zinszahlungen an auslän-
dische Gläubiger. Eine solche Maßnahme hätte vorher mit den
Gläubigern abgestimmt werden müssen. Sie stelle eine neuer-
liche Diskriminierung der britischen Gläubiger dar.
151 27. 12 Das Reichsbank-Direktorium an Reichswirlschaltsminister
Schmitt 273
Das Reichsbank-Direktorium äußert Bedenken gegen das System
der Transfer-Sonderverträge, wie sie mit der Schweiz und
Holland bestehen. Dieses System mache Verhandlungen über
die Schuldenfrage äußerst schwierig und wirke sich für Deutsch-
land keineswegs nur vorteilhaft aus.
1934
193 19. I. Aulzeichnung des Reichsmimslers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 372
Der britische Botschafter hat Hitler dargelegt, daß seine Regie-
rung über das deutsche Verhalten in der Transferfrage aufs
schwerste besorgt sei Hitler hat darauf hingewiesen, daß
Deutschland sich durch äußerste Not gezwungen verhalte. Nur
über größere Exportmöglichkeiten könnten die Zahlungen der
Schulden und Zinsverpflichtungen eingehalten werden.
196 19. 1. Au/zeichung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 374
Ergänzend zu Dokument Nr 193 hat Neurath Phipps erklärt,
daß er die britische Ablehnung der von Schacht und Norman
vereinbarten Regelung als einen Versuch betrachte, auf Deutsch-
land für andere schwebende Fragen einen Druck auszuüben.
197 19. 1. Autzeichnung des Ministerialdirektors Ritter 374
Ritter vermerkt Mitteilungen Neuraths über die in den Doku-
menten Nr. 193 und 196 wiedergegebenen Unterredungen. In
der Anlage eine von Phipps hinterlassene Notiz.
XXXII
FINANZFRAGEN
1934
200 19. 1. Der Reiclisminisler des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den britischen Botschaiter in Berlin Phipps 379
Antwort auf die britischen Noten vom 23 und 30. Dezember
über die Transferfrage. Neurath erklärt, daß die erhöhten Trans-
ferschwierigkeiten eine Folge der ungenügenden Entwicklung
des deutschen Exports seien und daß es nicht in der Macht der
deutschen Regierung liege, diese Grundbedingung zu ändern.
Die deutsche Auslandsverschuldung habe ihren Ursprung zum
guten Teil in den vorausgegangenen politischen Verhältnissen.
201 19. 1. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 382
Unterstaatssekretär Phillips hat Luther ein Aide-memoire zur
Schuldenfrage übergeben und mitgeteilt, daß Präsident Roose-
velt auf die besondere Bedeutung der amerikanischen Demarche
aufmerksam zu machen wünsche.
206 22. 1. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 392
Luther berichtet über eine Unterredung mit Präsident Roosevelt
über die Behandlung der amerikanischen Gläubiger in der Trans-
ferfrage. Roosevelt hat sich zu Verhandlungen über eine Aus-
weitung der deutschen Exporte in die USA bereit erklärt, jedoch
auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger be-
harrt.
XXXIII
FINANZFRAGEN / FRANKREICH
1934
231 31. 1. Ministerialdirektor Ritter an die Botschalt in London 421
Information über eine mit Vertretern britischer und amerikani-
scher Gläubiger erzielte Vereinbarung über das Transfer-Ver-
fahren für das laufende Halbjahr. Es ist anzunehmen, daß die
britische Regierung keine Einwände gegen die Vereinbarung
erheben wird, da sie an den Verhandlungen beteiligt war.
233 1.2. Reichsbankpräsident Schacht an Reichskanzler Hitler 433
Schacht erklärt, warum die mit britischen und amerikanischen
Gläubigern getroffene Vereinbarung trotz der günstigen Auf-
nahme in der angelsächsischen Presse vor allem einen deut-
schen Erfolg darstellt.
466 26.5. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 82E
Francois-Poncet hat Neurath darauf hingewiesen, daß ein abso-
lutes Moratorium für die Dawes- und die Young-Anleihe fran-
zösische Repressalien provozieren würde. Neurath hat erwidert,
eine Pause von mindestens 6 Monaten sei erforderlich, um den
deutschen Gold- und Devisenbestand wieder anzureichern.
471 29. 5. Der britische Botschaiter in Berlin Phipps an den Reichsminisler
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 834
Eine Unterbrechung der Zinszahlungen für die Dawes- und die
Young-Anleihe würde für die britische Regierung sehr ernste
Fragen aufwerfen. Die britische Regierung hat auch nach wie
vor kein Verständnis für die Bevorzugung von Gläubigern
anderer Nationalität.
FRANKREICH
1933
27 25. 10. Botschaltsral Forster (Paris) an das Auswärtige Amt 42
Forster empfiehlt, daß Daladier, wenn er dem neuen Kabinett
Sarraut angehören sollte, von der deutschen Presse freundlich
begrüßt werden solle. Zuviel Freundlichkeit könne ihn aller-
dings in innenpolitische Schwierigkeiten bringen.
XXXIV
FRANKREICH
1933
65 13. 11. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 111
Eine ausführliche Analyse der französischen Politik seit dem
Fortgang Deutschlands aus Genf mit Schlußfolgerungen hinsicht-
lich des weiteren deutschen Verhaltens. Diese für interne
Zwecke des Auswärtigen Amts verfaßte Aufzeichnung wurde
zur Kenntnisnahme an Botschafter Köster übermittelt.
86 25. 11. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 149
In einer Aufzeichnung zwischen Francois-Poncet, Hitler und Neu-
rath am 24. November hat der französische Botschafter erklärt,
daß sich in der französischen öffentlichen Meinung über Deutsch-
land ein Umschwung vorbereite, doch werde noch einige Zeit
vergehen, ehe man sich an den Gedanken einer direkten Ver-
ständigung mit Deutschland gewöhnt habe. Erörtert wurden
auch die Frage einer Rückkehr Deutschlands in den Völker-
bund, deutsche Rüstungswünsche, die österreichische Frage und
die Saarfrage. Es herrschte Übereinstimmung, daß die deutsch-
französischen Besprechungen auf diplomatischem Wege fortzu-
setzen seien.
1934
220 26. 1. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 412
Bülow hat Röhm geraten, eine Einladung in die argentinische
Gesandtschaft anzunehmen, wo er zwanglos Francois-Poncet
kennenlernen könne.
314 [10.3.] Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärfigen Freiherrn
von Neurath 568
Eine von Bülow entworfene und Neurath zur Unterschrift vorge-
legte Aufzeichnung, mit der Reichspräsident Hindenburg über
die Tätigkeil Ribbentrops als persönlicher Vertreter Hitlers in
den Beziehungen zu Frankreich und Großbritannien informiert
wird.
317 10. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschaiter in Rom von Hassell 573
Bülow übermittelt zur persönlichen Information Hassells aus zu-
verlässiger Quelle einen Bericht über eine Unterredung zwi-
schen Chambrun und Mussolini am 2. März. Erörtert worden sei
die politische Bedeutung eines italienisch-österreichisch-unga-
rischen Abkommens insbesondere für Frankreich und die Kleine
Entente.
392 10. 4. Der Staatssekretär des Auswärligen Amts von Bülow an die
Botschait in Paris 717
Hitler hat Ribbentrop beauftragt, Barthou zu einem Besuch in
Berlin einzuladen.
413 21. 4. Der Botschaiter in Paris Köster an das Auswärtige Amt 744
Der Generalsekretär des französischen Außenministeriums hat
Köster im Auftrage Barthous über Barthous bevorstehende Rei-
sen nach Warschau und Prag unterrichtet. Diese Reisen dürften
auf keinen Fall etwa als Teil einer Konspiration gegen Deutsch-
land angesehen werden.
XXXV
FRANKREICH / GRIECHENLAND / GROSSBRITANNIEN
1934
446 [11]. 5. Botschaftsrat Forster (Paris) an das Auswärtige Amt 795
Forster berichtet über eine Rede Barthous über die innerdeut-
sche Lage vor dem Auswärtigen Ausschuß der französischen
Kammer.
461 24.5. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 820
Francois-Poncet hat Eülow versichert, daß er in seinen Berich-
ten an die französische Regierung keinerlei Prophezeiungen
über einen baldigen Zusammenbruch des gegenwärtigen deut-
schen Systems verwende. Derartige Vorstellungen seien aller-
dings in der internationalen Sozialdemokratie, dem internatio-
nalen Judentum und der Freimaurerei, deren Einfluß in Frank-
reich beträchtlich sei, durchaus lebendig.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund", „Oslpakt" und „Saar-
gebiet".)
GRIECHENLAND
1934
289 28. 2. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrals Frohwein 530
Ein Vertreter des Rüstungskonzerns Rheinmetall-Borsig hat an-
gefragt, ob außenpolitische Bedenken gegen Waffenlieferungen
nach Griechenland bestünden. Frohwein bittet um Ermächtigung
für die Antwort, das Auswärtige Amt habe bei Beachtung der
nötigen Vorsicht keine Bedenken.
GROSSBRITANNIEN
1933
57 10. 11. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 101
Hoesch berichtet über ein Gespräch mit MacDonald, der es als
wichtig bezeichnet habe, daß für Deutschland wieder ein inter-
nationaler Kontakt geschaffen werde. MacDonald hat sich inoffi-
ziell nach der Möglichkeit eines Besuches Hitlers in London
erkundigt.
59 11. 11. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an die
Botschatt in London 103
Neurath informiert die Botschaft, daß der Gedanke einer Reise
Hitlers nach London abwegig sei. MacDonald solle dargelegt
werden, daß der deutsche Standpunkt zu allen schwebenden
Fragen in den Reden Hitlers und Neuraths sowie in den Er-
klärungen Hitlers gegenüber dem britischen Botschafter unmiß-
verständlich zum Ausdruck gekommen sei.
1934
426 25. 4. Der Botschaiter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 759
Hoesch berichtet über ein längeres politisches Gesprach mit dem
englischen König, das sich vor allem um die Abrüstungsfrage
drehte.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund" und „Finanzfragen".)
XXXVI
ITALIEN
ITALIEN
1933
28 25. 10. Der Botschalter in Rom von Hassell an den Reichsminister des
Auswärtigen Freiherrn von Neurath 43
Hassell äußert sich besorgt über den Zustand der deutsch-italie-
nischen Beziehungen. Er hebt die Notwendigkeit hervor, mit
Mussolini in Kontakt zu bleiben und Pressepolemiken zwischen
beiden Ländern zu v e r m e i d e n .
G7 13. 11. Ministerialdirektor Ritter an den Botschalter in Rom
von Hassell 121
Ritter hält die A n r e g u n g Hasseils, mit Italien ein A b k o m m e n
ü b e r wirtschaftliche Z u s a m m e n a r b e i t im Donaubecken anzu-
s t r e b e n , für nützlich.
104 7. 12. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 178
Hassell hat nach Rückkehr aus Berlin Mussolini über die j ü n g -
sten deutsch-französischen Gespräche unterrichtet. Mussolini
h a t sich zur Abrüstungsfrage, zum V ö l k e r b u n d , zu d e m j ü n g s t e n
Besuch Litwinows in Rom und zu den Möglichkeiten einer ge-
m e i n s a m e n Wirtschaftspolitik im Donauraum geäußert.
120 12. 12. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 203
In einer U n t e r r e d u n g mit N e u r a t h und Bülow hat Suvich die
F r a g e gestellt, ob Deutschland in den V ö l k e r b u n d oder zur Ab-
r ü s t u n g s k o n f e r e n z zurückzukehren g e d e n k e . N e g a t i v e Antwort.
126 13. 12. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 219
U n t e r r e d u n g zwischen Hitler und Suvich in N e u r a t h s Gegen-
w a r t ü b e r die Abrüstungsfrage und über Österreich.
145 22. 12. Der Botschafter in Rom von Hassell an Ministerialdirektor
Köpke 263
Hassell berichtet über die Eindrücke, die Suvich von seiner
Berlinreise nach Rom mitgenommen hat.
1934
257 15. 2. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 476
Hassell berichtet über Gerüchte um den Plan einer Zollunion
zwischen Italien, Österreich und Ungarn. Er glaubt, daß ein der-
artiger Plan existiert, aber keine unmittelbar aktuelle Bedeutung
besitzt.
279 26. 2. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Auswärtige
Amt 518
Mackensen berichtet über Äußerungen Känyas hinsichtlich der
Haltung Ungarns gegenüber Österreich, Deutschland und Italien.
282 27.2. Aulzeichnung des Reichsminislers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 521
Auf die Erklärung des italienischen Botschafters Cerruti, daß
die italienische Deutschlandpolitik sich ändern könne wofern
sich nicht die deutsche Österreichpolitik ändere, hat Neurath ge-
antwortet, daß diese Drohung ihn nicht beeindrucke und daß
Deutschland auch seine Italienpolitik ändern könne.
286 28. 2. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 527
Suvich hat Hassell unterrichtet, daß bei seinen Besprechungen
in Budapest und Wien weder eine Zollunion noch ein Konsul-
XXXVII
ITALIEN
1934
tativpakt ins Auge gefaßt worden sei. Die Besprechungen seien
überwiegend wirtschaftlicher Natur gewesen.
292 1.3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 536
Nach Mitteilungen des Generalsekretärs des österreichischen
Außenministeriums hat Dollfuß gegenüber Suvich erklärt, eine
Zollunion zwischen Österreich und Ungarn oder zwischen Öster-
reich und Italien sei indiskutabel.
299 6. 3. Der Gesandte in Wien Ri'efh an das Auswärtige Amt 544
Dollfuß und Generalsekretär Peter haben Rieth erklärt, daß sie
nicht die Absicht hätten, während des bevorstehenden Besuchs
in Rom Verpflichtungen einzugehen, die den außenpolitischen
Spielraum Österreichs einengen würden.
311 9. 3. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 565
Der ungarische Gesandte Masirevich hat Köpke eine Aufzeich-
nung überreicht, in der die ungarische Marschroute für die be-
vorstehenden Dreierbesprechungen in Rom dargelegt ist. Münd-
liche Erläuterungen.
313 10.3. Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 568
Bülow erbittet die Zustimmung Neuraths zur Ablehnung eines
ungarischen Konsultativpakt-Vorschlags.
320 13. 3. Der Reichsminister des Auswärligen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom -<682—.
Cerruti hat Neurath mitgeteilt, daß Italien weder beim öster-
reichischen Problem noch in der Abrüstungsfrage eine Lösung
anstrebe, die eine antideutsche Spitze haben könnte. In den be-
vorstehenden Dreiergesprächen in Rom werde weder über eine
Zollunion noch über einen politischen Pakt verhandelt werden.
Neurath weist Hassell an, trotzdem in Rom deutlich zu machen,
daß eine politische Vereinbarung der drei Mächte von der
Reichsregierung als unfreundlicher Akt empfunden würde, selbst
wenn Deutschland eine Beitrittsmöglichkeit offengehalten werde.
327 15. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschalt in Budapest 597
Bülow unterrichtet Mackensen über die Erklärungen des unga-
rischen Gesandten vom 9. März hinsichtlich der Dreiergespräche
in Rom. Die ablehnende Haltung der Reichsregierung gegen-
über dem ungarischen Angebot eines Konsultativpaktes sei un-
verändert.
332 17. 3. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 603 J
Hassell berichtet ausführlich über die Dreierbesprechungen in
Rom und die im Anschluß daran unterzeichneten Protokolle.
In der Anlage Aufzeichnungen über Gespräche Hasseils mit
Gömbös, Dollfuß und Suvich.
333 19. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschalt in Wien 619
Bülow unterrichtet die Gesandtschaft zur Information und Sprach-
regelung über die den römischen Vereinbarungen im Auswär-
tigen Amt beigelegte Interpretation.
XXXVIII
ITALIEN
1934
334 19. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschalt in Budapest 620
Bülow informiert die Gesandtschaft über die Weisung nach Wien
(Dokument Nr. 333) und kommentiert die Vereinbarungen von
Rom im Lichte der deutsch-ungarischen Beziehungen.
338 20. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Gesandtschall in Wien 625
Bülow unterrichtet die Gesandtschaft über die Auffassungen des
Auswärtigen Amts hinsichtlich der wirtschaftlichen Ergebnisse
der römischen Besprechungen. Die österreichische Regierung soll
informiert werden, daß Deutschland sieh seine handelspoliti-
schen Entscheidungen bis nach Kenntnis der Einzelheiten der
römischen Verhandlungen vorbehalte.
339 20. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Rom 627
Bülow übermittelt der Botschaft zur Kenntnisnahme den Text
des Dokuments Nr. 338. Sprachregelung gegenüber der italieni-
schen Regierung.
349 22. 3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 641
Rieth berichtet, unter Bezugnahme auf die Dokumente Nr. 333
und 338, über Unterredungen mit Dollfuß und Peter über die
römischen Protokolle.
XXXIX
ITALIEN
1934
y
354 23. 3. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 652
Hassell berichtet über ein Gespräch mit Mussolini über die
römischen Protokolle.
363 28. 3. Der Botschaiter in Rom von Hassell an Ministerialdirektor
Köpke 668 y
Hassell übersendet an Köpke und Neurath eine Aufzeichnung
über die „realen" Grundlagen der deutsch-italienischen Bezie-
hungen.
368 29. 3. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 673 y
Hassell berichtet über private Unterredungen zwischen Papen
und Mussolini, der den von Papen vorgebrachten Gedanken
eines Zusammentreffens mit Hitler, möglicherweise Ende April
in Venedig, lebhaft aufgegriffen hat
377 3. 4. Aulzeichnung des Bolschailers in Rom von Hassell 686 J
Mussolini und Papen haben sich über die mögliche Tagesord-
nung eines Treffens zwischen Hitler und Mussolini unterhalten.
Hassells Empfehlungen hierzu.
380 5. 4. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 692 ^
Nach Ansicht Neuraths sollte die Frage eines Treffens Hitler-
Mussolini zunächst eingehend geprüft und Italien nicht sofort
eine Antwort erteilt werden.
393 10.4. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 717
Unterredung zwischen Hitler, Neurath, Blomberg, Hassell und
Bülow über die Frage einer Zusammenkunft Hitlers und Musso-
linis. Entscheidungen wurden nicht getroffen.
420 23. 4. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 750
Hassell berichtet über eine Unterredung, die er weisungsgemäß
mit Mussolini über die geplante Zusammenkunft von Venedig
geführt hat.
432 1.5. Der Botschaiter m Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 772
Suvich hat Hassell im Auftrag Mussolinis mitgeteilt, daß ange-
sichts der Situation in der Abrüstungsfrage ein Treffen zwischen
Hitler und Mussolini besser bis zur ersten Juni-Dekade aufge-
schoben werden sollte.
449 15. 5. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom 798
Hitler ist einverstanden, daß die Zusammenkunft mit Mussolini
in der ersten Junihälfte stattfindet, nach Möglichkeit in Nord-
italien. Mussolini soll das genaue Datum bestimmen.
472 29. 5. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 835 y
Mussolini hat erklärt, der Zweck seiner bevorstehenden Zu-
sammenkunft mit Hitler sei eine umfassende und offene Aus-
sprache über schwebende internationale Fragen einschließlich
des Österreich-Problems
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund")
XL
JUGOSLAWIEN
JUGOSLAWIEN
1933
15 20. 10. Der Leiter des Verbindungsstabes der NSDAP an Gesandl-
schallsrat Hüfter 22
Übermittlung eines Schreibens Wiegands von Hohen-Aesten,
der die Ansicht äußert, daß die Gesandten Jugoslawiens und der
Tschechoslowakei geneigt sind, ihren Regierungen den Abschluß
von Nichtangriffspakten mit Deutschland zu empfehlen.
43 3. 11. Autzeichnung des Legationsrats Busse 73
Ein Vertreter des Reichswehrministeriums hat um entgegenkom-
mende Behandlung zweier kroatischer Emigrantenblätter gebe-
ten, jedoch von Busse die Auskunft erhalten, das Auswärtige
Amt halte ein Verbot dieser Zeitungen im Interesse störungs-
freier Beziehungen zu Jugoslawien für erforderlich.
XLI
JUGOSLAWIEN / LITAUEN UND MEMEL
1934
381 5.4. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 692 »'
Unterredung mit dem jugoslawischen Gesandten, der soeben
aus Belgrad zurückgekehrt ist. Balugdzic hat über die zuneh-
mende anti-italienische Stimmung in Jugoslawien und das offen-
bar von Italien aus inspirierte Komplott gegen König Aleksan-
dar berichtet. Man suche in Jugoslawien eine Wiederannähe-
rung an das Deutsche Reich, wisse aber nicht, wie man dabei
vorgehen solle.
(Siehe auch „Österreich")
XLII
NIEDERLANDE / ÖSTERREICH
NIEDERLANDE
1933
110 8. 12. Runderfaß des Auswärtigen Amts 187
Vertrauliche Informationen über Maßnahmen der niederländi-
schen Regierung gegen Ortsgruppen der NSDAP in den Nieder-
landen sowie über Vorstellungen der deutschen Gesandtschaft
im Haag gegen diese Maßnahmen.
(Siehe auch .Finanzfragen".)
ÖSTERREICH
1933
20 21. 10. Auizeichnung des Gesandfschaffsrafs Hüller 33
Aufzeichnung über ein Telefongespräch mit Habicht, der dem
Auswärtigen Amt gemeldet hat, daß zwei österreichische Abge-
sandte im Auftrage Dollfuß' bei ihm in München gewesen seien.
Sie hätten erklärt, daß Dollfuß eine Bereinigung der Beziehun-
gen zum Deutschen Reich wünsche.
35 30. 10. Aufzeichnung des Gesandtschaltsrats Hüiler 54
Bezugnahme auf Dokument Nr. 20. Hüffer hat von Habicht
weitere Informationen über seine Gespräche mit den beiden
österreichischen Abgesandten erhalten. Sie hätten erneut die
Verhandlungsbereitschaft Dollfuß' zum Ausdruck gebracht und
um eine Präzisierung der nationalsozialistischen Forderungen
gebeten.
Anmerkung der Herausgeber 59
Unterredung Schuschniggs mit Heß in München am 31. Oktober.
46 4. 11. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 77
Aufzeichnung über ein Telefongespräch mit dem österreichischen
Gesandten Tauschitz, der durch Nachrichten über die Bildung
eines sog. Kampfringes der in Deutschland lebenden Österrei-
cher alarmiert ist. Hüffer hat die Angelegenheit bagatellisiert,
gleichzeitig aber dem Vertreter Habichts mitgeteilt, daß er die
Bildung des Kampfringes zur Zeit nicht für opportun halte.
49 8. 11. Aulzeichnung des Gesandtschaltsrats Hülter 85
Habicht hat Hüffer mitgeteilt, daß Hitler sich in schärfster Form
gegen die Einmischung von Privatpersonen wie Alvensleben in
die deutsch-österreichische Politik ausgesprochen habe.
71 16. 11. Aufzeichnung des Gesandfschaffsrafs Hütler 128
Habicht hat Hüffer mitgeteilt, daß Dollfuß als Folge einer Initia-
tive Hanfstaengls neuerdings Verhandlungen mit ihm selbst
auszuweichen suche. Er, Habicht, glaube aber, daß Dollfuß
wegen innerpolitischer Schwierigkeiten bald wieder auf ihn zu-
rückgreifen müsse.
106 6. 12. Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht an
Gesandtschaltsrat Hüller 184
Habicht berichtet über fortschreitende Zersetzungserscheinungen
innerhalb der Heimwehr und Versuche Dollfuß', direkt mit Hit-
ler ins Gespräch zu kommen. Informationen über italienische
und ungarische Beziehungen zu Österreich.
XLIII
ÖSTERREICH
1933
115 11. 12. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 193
Hitler hat erneut erklärt, daß vor Verhandlungen von Regierung
zu Regierung im Verhältnis zu Österreich zunächst die Partei-
angelegenheit in Ordnung gebracht werden müsse.
124 [12.] 12. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 209
Rieth erörterte die innenpolitische Situation in Österreich und
weist auf ihre Labilität und die Machtkämpfe der verschiedenen
Richtungen im Regierungslager hin. Er folgert, daß die Haltung
der österreichischen Regierung gegenüber den Nationalsoziali-
sten wahrscheinlich so lange nicht freundlicher werden wird,
wie die italienische Politik ihren derzeitigen Kurs beibehält.
143 21. 12. Der Gesandle in Wien Rieth an den Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amts von Bülow 256
Rieth berichtet, unter dem Eindruck seiner jüngsten Gespräche
mit Dollfuß und neuer Bemühungen des österreichischen Regie-
rungschefs um Kontakte mit Habicht, über die Möglichkeiten
einer Verständigung zwischen Dollfuß und den Nationalso-
zialisten.
144 22. 12. Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht an
den Botschalter in Rom von Hassell 261
Habicht glaubt aus den Gesprächen, die Suvich während seines
Besuches in Berlin geführt hat, schließen zu können, daß Musso-
lini und Suvich über die tatsächliche Lage in Österreich voll-
kommen falsch informiert sind. Um Suvichs Ansichten vor
dessen Besuch in Wien zu korrigieren, soll eine einschlägige
Dokumentation für ihn zusammengestellt werden.
153 28. 12. Der Botschaiter in Rom von Hassell an den Landesinspekteur
der NSDAP in Österreich Habicht 278
Antwort auf Dokument Nr. 144. Hassell glaubt nicht, daß die
italienischen Ansichten zur österreichischen Frage so negativ
sind wie Habicht vermutet. Die italienische Regierung gehe
vielmehr davon aus, daß der Anschluß auf lange Sicht unver-
meidlich sei, doch wünsche sie ihn nicht zum gegenwärtigen
Zeitpunkt
XLIV
ÖSTERREICH
1934
166 8. 1. Aulzeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink 301
Dollfuß hat seine Einladung an Habicht zurückgezogen. Als
Habicht trotzdem nach Wien fliegen wollte, wurde er von
Hitler persönlich zurückbefohlen.
225 26. 1. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 421
Suvich hat Hassell über die Eindrücke berichtet, die er von
seinem Besuch in Wien mitgebracht hat.
229 31. 1. Botschattsrat Prinz zu Erbach-Schönberg (Wien) an das Aus-
wärtige Amt 426
Der Militärattache in Wien hat Kenntnis von einem Plan der
österreichischen SA und der Österreichischen Legion erhalten,
ohne Wissen der Landesleitung der NSDAP in Wien einen
Putsch zu wagen. Zu seiner Verhinderung erscheint ein Ein-
greifen der obersten Führung in Deutschland unumgänglich.
Anmerkung der Herausgeber 432
Die deutsche Antwort vom 31. Januar auf die österreichische
Note vom 17. Januar (siehe Dokument Nr. 188).
XLV
ÖSTERREICH
1934
242 7. 2. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 446
Hassell berichtet über eine Unterredung mit Suvich, der die
italienische Haltung in der Abrüstungsfrage und die italienischen
Sorgen über das Anwachsen des Nationalsozialismus in Öster-
reich dargelegt hat.
247 10.2. Aulzeichnung des Gesandten in Wien Rieth 453
Unterredung zwischen Hitler und Rieth über die Lage in Öster-
reich. Hitler hat keine neuen Weisungen gegeben, scheint aber
Entscheidungen vorzubereiten.
253 15.2. Der Gesandle in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 470
Rieth hat erfahren, daß der österreichische Verbindungsmann
zur SA in München, Rittmeister In der Maur, den Auftrag erhal-
ten hat, mit Dollfuß über die Bildung einer neuen Regierung
mit Habicht als Vizekanzler Verhandlungen aufzunehmen.
254 15. 2. Der Gesandte in Wien Rielh an das Auswärtige Amt 471
Rieth berichtet über Einzelheiten und politische Hintergründe
der in Österreich ausgebrochenen schweren Kämpfe zwischen
Regierungstruppen und den paramilitärischen Verbänden der
Sozialdemokraten.
255 15. 2. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 473
Suvich hat Hassell über den aktuellen Meinungsaustausch der
italienischen mit der britischen und französischen Regierung
bezüglich einer Erklärung über die Unabhängigkeit Österreichs
informiert.
258 16.2. Autzeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 480
Cerruti hat Neurath unter Hinweis auf eine kürzliche Erklärung
Mussolinis über Österreich seine große Sorge über die Entwick-
lung der deutsch-italienischen Beziehungen zum Ausdruck ge-
bracht.
260 16. 2. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom 481
Neurath unterrichtet Hassell über die Haltung der Reichsregie-
rung in der Frage einer Verständigung der österreichischen Re-
gierung mit den Nationalsozialisten.
261 16. 2. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschatl in London 482
Bülow übermittelt der Botschaft den Text des Dokuments
Nr. 255 und legt die deutsche Haltung gegenüber der von den
drei Mächten geplanten Erklärung über die Unabhängigkeit
Österreichs dar.
263 16.2. Aulzeichnung Gilberts In der Maur 486
Zusammenstellung über die von Habicht angeordneten Versuche,
über Schönberg und Schuschnigg neue Kontakte mit Dollfuß an-
zuknüpfen mit dem Ziel einer Zusammenarbeit zwischen NSDAP
und Dollfuß. Analyse der Lage in Österreich nach den Ereig-
nissen des 12. bis 15. Februar.
XLVI
ÖSTERREICH
1934
264 16. 2. Der Gesandte in Wien Rieth an den Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amts von Bülow 490
Rieth kommentiert Dokument Nr. 263 und äußert sich über ver-
schiedene Punkte kritisch.
278 26. 2. Aulzeichnung des Botschalters in Rom von Hassell 517
Hassell berichtet über eine Unterredung mit Mussolini am
24. Februar betreffend die Tätigkeit Habichts in Österreich und
die Wirtschaftsbesprechungen zwischen Italien, Österreich und
Ungarn.
308 7./8. 3. Autzeichnung des Stabsleiters der Landesleitung Österreich der
NSDAP Weydenhammer 560
Unterredungen Weydenhammers mit dem österreichischen Ge-
sandten in Rom Rintelen, der sich bedingungslos bereit erklärt
hat, den Weisungen Habichts zu folgen. Rintelen empfiehlt, die
deutsche Propaganda solle alles tun, um einen weiteren Keil
zwischen die Heimwehr und die Vaterländische Front zu treiben.
316 10. 3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 570
Rieth berichtet über eine Unterredung mit dem jugoslawischen
Gesandten Nastasijevic über Fragen der Habsburger-Restaura-
tion und der wirtschaftlichen Neuordnung im Donauraum sowie
über die bevorstehenden italienisch-österreichisch-ungarischen
Besprechungen in Rom.
328 15.3. Ministerialdirektor Köpke an den Gesandten in Wien Rieth 598 ^->
Köpke informiert Rieth über die von Hitler angeordnete Ände-
rung der Österreichpolitik. Künftig sollen Gewaltanwendung
und direkte Angriffe auf die österreichische Regierung vermie-
den werden, das Hauptgewicht soll auf die Propaganda inner-
halb Österreichs und den Ausbau der dortigen Parteiorgani-
sation gelegt werden.
329 16. 3. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 600
Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Neurath und
Habicht und eine weitere zwischen Neurath und Hitler. Habicht
hat sich über die neuen Weisungen bezüglich Österreich besorgt
gezeigt, doch hat Hitler sie erneut bekräftigt.
369 29. 3. Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt 675
Rieth übermittelt eine Denkschrift eines österreichischen Natio-
nalsozialisten, in der Hitler um Zustimmung zu einer Gefangen-
setzung der österreichischen Regierung ersucht wird. Rieth emp-
fiehlt Maßnahmen zur Unterbindung solcher Aktionen.
389 9.4. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 710
Aufzeichnung mit Empfehlungen für Neurath zur Weiterbehand-
lung der österreichischen Frage, die in einer Unterredung mit
Hitler am 10. April erörtert werden soll.
394 10.4. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 719
Tauschitz hat bei Köpke unter Überreichung einer Note gegen
Grenzverletzungen sowie die Tätigkeit der österreichischen
Legion im deutsch-österreichischen Grenzgebiet protestiert.
XLVII
ÖSTERREICH
1934
409 19.4. Auizeichnung des Gesandtsclialtsrats Hülter 739
Habicht hat Hüffer über eine Unterredung mit Hitler über alle
Aspekte der österreichischen Frage berichtet. Hitler habe er-
klärt, er werde weder italienischem Druck nachgeben noch Kon-
zessionen machen, die von den österreichischen Nationalsozia-
listen als Unterwerfung gedeutet werden könnten.
431 30.4. Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Ulrich 770
Aufzeichnung über eine Besprechung zwischen Habicht und
Beamten des Auswärtigen Amts und des Reichsministeriums
für Ernährung und Landwirtschaft. Es wurde über die Hand-
habung der von Hitler angeordneten Einfuhrbeschränkungen
für österreichische Produkte beraten
448 14. 5. Runderlaß des Auswärtigen Amts 797
Informationen über den Stand der Habsburger-Frage mit Sprach-
regelung.
451 16. 5. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hülter 800
Hüffer leitet eine Aktennotiz, die Habicht ihm übergeben hat,
an Ritter weiter. In der Notiz wird die Politik der Dresdner
Bank und der Deutschen Bank gegenüber österreichischen Ban-
ken, an denen sie erheblich beteiligt sind, kritisiert. Verbesse-
rungsvorschlage.
459 24.5. Autzeichnung des Leutnants von Pappenheim (Reichswehr-
ministerium) 817
Aufzeichnung über ein Gespräch zwischen dem Militärattache
in Wien General Muff und dem Chef der Heeresleitung am
23. Mai über die Lage in Österreich. Muff vermißt eine klare
Politik der Reichsregierung gegenüber Österreich und hält eine
Übereinkunft mit Italien für wünschenswert.
462 24. 5 Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
das Reichsministerium des Innern 821
Neurath informiert das Reichsministerium des Innern, daß die
Aktivitäten der Heimwehr und der österreichischen Legion an
der bayerischen Grenze eine kritische Situation herbeigeführt
haben. Er schlägt eine Ressortbesprechung zur Beschlußfassung
über die erforderlichen Schritte vor.
469 29. 5. Auizeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink 833
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Baron Wächter, dem
Stellvertreter Habichts, der sich über die Gefahr eines Aufstan-
des in Österreich besorgt gezeigt hat.
478 1. 6. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 849
Hassell berichtet, daß man im italienischen Außenministerium
die Bestrebungen österreichischer und ungarischer Legitimisten
nicht ernst nehme. Die italienische Regierung stehe Plänen einer
Habsburger-Restauration aus Furcht vor politischen Verwicklun-
gen ablehnend gegenüber.
479 4.6. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 850
Aufzeichnung über das Ergebnis von Besprechungen über die
Beteiligungen deutscher Banken an österreichischen Banken
(siehe Dokument Nr. 451).
XLVIII
ÖSTERREICH / OSTPAKT
1934
492 8.6. Autzeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 868
Aufzeichnung über die zur Entspannung der in Dokument
Nr. 462 dargelegten Situation unternommenen Maßnahmen.
501 12. 6. Der Gesandle in Wien Rieth an den Staatssekretär des Auswär-
tigen Amts von Bülow 881
Rieth teilt mit, daß die Behauptungen Dollfuß', die jüngsten
Vorfälle in Österreich seien von Deutschland aus gesteuert
worden, wenigstens teilweise der Wahrheit entsprechen. Dies
könne gefährliche Folgen haben. Rieth hält einen persönlichen
Vortrag in Berlin für notwendig.
(Siehe auch „Ungarn" und „Italien".)
OSTPAKT
1933
147 25. 12. Ministerialdirektor Köpke an die Botschait in Moskau 266
Weisung, Litwinow auf die Verhandlungen anzusprechen, die
nach dessen eigenen Angaben zur Zeit zwischen der Sowjet-
union und Frankreich geführt werden.
148 26. 12. Autzeiclmung des Botschattsrats von Twardowski (Moskau) 267
Twardowski übermittelt Nachrichten aus zuverlässiger Quelle
über ein französisches Angebot an die Sowjetunion zum Ab-
schluß eines Paktes über gegenseitige Unterstützung für den
Fall, daß das europäische Gebiet eines der beiden Partner von
einer dritten Macht angegriffen wird. Abschätzung der mögli-
chen sowjetischen Reaktion und der Implikationen für die deut-
sche Politik.
150 27. 12. Botschaltsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 271
Twardowski ist der Ansicht, daß das französische Angebot die
Verhandlungsposition der Sowjetunion stärkt. Eine Initiative
zur Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen werde
fortan von Deutschland auszugehen haben. Twardowski spricht
sich gegen die in Dokument Nr. 147 angeordnete Demarche bei
Litwinow aus.
1934
458 23.5. Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 815
Aufzeichnung über eine Unterredung Bülows mit Cerruti, der
von angeblichen Verhandlungen zwischen Barthou und Litwinow
über ein sog. „Ostiocarno" berichtet hat. Bülow hat erklärt,
hierüber nicht unterrichtet zu sein.
465 25. 5. Der Gesandie in Warschau von Mollke an das Auswärtige Amt 826
Moltke berichtet über die polnische Haltung gegenüber Meldun-
gen von Verhandlungen zwischen Frankreich und der Sowjet-
union über eine Militärallianz. Ausführungen Becks, auch über
die polnische Einstellung zu einem Eintritt der Sowjetunion in
den Völkerbund.
XL1X
OSTPAKT
1934
486 7.6. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Paris 861
Vertrauliche Information, daß Francois-Poncet mitgeteilt habe,
Litwinow habe Barthou den Abschluß eines Ostpakts unter
Beteiligung Polens, der Tschechoslowakei, der baltischen Staa-
ten, der Sowjetunion und Deutschlands vorgeschlagen. Dieser
Ostpakt solle aus einem Konsultativpakt, einem Nichtangriffs-
pakt und einem Beistandspakt bestehen. Frankreich sei bereit,
diesen Pakt gegen eine sowjetische Garantie des Locarno-Ver-
trages zu garantieren. Der Pakt würde nicht gegen Deutschland
gerichtet sein. Barthou wünsche zu erfahren, ob die Reichsregie-
rung an einem solchen Vertragssystem interessiert sei. Die In-
formation wurde ebenfalls an die Botschaften in London und
Rom, an die Gesandtschaft in Brüssel und an das Konsulat
in Genf übermittelt.
502 13. 6. Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 882
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon über den
Ostpakt-Plan. Simon hat sich eine genauere Prüfung des Projekts
vorbehalten. Ganz allgemein begrüße England alle Versiche-
rungen, die die internationalen Beziehungen verbessern könn-
ten, ein Beitritt zu einem Ostpakt-System mit Beistandsverpflich-
tung sei für die britische Regierung aber indiskutabel.
L
POLEN UND DANZIG
LI
POLEN UND DANZIG
1933
75 18. 11. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 134
Nadolny berichtet, daß die deutsch-polnischen Besprechungen
über eine gemeinsame Gewaltverzichts-Erklärung in Moskau
größtes Interesse finden und regt an, bei Gelegenheit der Über-
reichung seines Beglaubigungsschreibens die sowjetische Regie-
rung offiziell ins Bild zu setzen.
77 Aulzeichnung ohne Unterschritt 136
Undatierte Bemerkungen zum Gedanken des Abschlusses eines
Nichtangriffspakts zwischen Deutschland und Polen.
79 21. 11. Das Auswärtige Amt an die Botschatt in Moskau 140
Spraehiegelung für die Behandlung des Themas der deutsch-pol-
nischen Beziehungen in Gesprächen mit sowjetischen Regie-
rungsvertretern.
81 Aulzeichnung ohne Unterschritt 142
Undatierte Bemerkungen zu einem im Auswärtigen Amt ver-
faßten Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung. Nach einem
Randvermerk Neuraths hat sich Hitler mit dem Entwurf ein-
verstanden erklärt.
82 23. 11. Auizeichnung des Ministerialdirektors Meyer 143
Moltke hat angeregt, daß er beauftragt werde, den Text einer
gemeinsamen Gewaltverzichts-Erklärung an Pilsudski zu über-
geben. Er fürchtet, daß anderenfalls die Polen als erste einen
Vorschlag vorlegen würden.
84 24. 11. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
der Gesandtschaft in Warschau 145
Neurath informiert Moltke, daß Hitler mit dem in Dokument
Nr. 81 abgedruckten Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung
einverstanden ist. Moltke soll zur Übergabe des Entwurfs un-
verzüglich um eine Audienz bei Pilsudski nachsuchen.
87 25. 11 Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 150
Beck hat Moltke mitgeteilt, daß er im Einvernehmen mit Pil-
sudski glaube, daß der Zeitpunkt für eine Initiative in der
deutsch-polnischen Frage gekommen sei.
88 27. 11. Aufzeichnung des Reichsminislers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 151
Neurath hat Lipski eine Abschrift des Entwurfs einer deutsch-
polnischen Erklärung (Dokument Nr. 81) übergeben.
90 28. 11. Der Gesandle in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 153
Moltke berichtet, daß er den Entwurf einer deutsch-polnischen
Erklärung Pilsudski übergeben habe und daß die sich daran an-
schließende Unterredung in betont freundlichem Rahmen ver-
laufen sei. Pilsudski habe den Grundgedanken des deutschen
Vorschlages zugestimmt, jedoch angemerkt, daß sich noch
Schwierigkeiten ergeben könnten und daß der Entwurf geprüft
werden müsse
102 5. 12. Konsul Koester (Danzig) an Ministerialdirektor Meyer 174
Koester äußert sich zu Differenzen zwischen Senatspräsident
Rauschning und Gauleiter Forster in Danzig.
LII
POLEN UND DANZIG
1933
109 8. 12. Autzeichnung des Präsidenten des Senats der Freien Stadt
Danzig Rauschning 187
In einer Besprechung mit Heß sind Grundsätze zur Regelung der
Beziehungen zwischen dem Senatspräsidenten und dem Gau-
leiter in Danzig verabredet worden. Bei Meinungsverschieden-
heiten entscheidet künftig der Stellvertreter des Führers.
LIU
POLEN UND DANZIG
1934
218 25. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschatt in London 410
Neurath unterrichtet die Botschaft in London und gleichzeitig
die Botschaft in Paris, daß die Verhandlungen mit Polen über
eine gemeinsame Gewaltverzichts-Erklärung erfolgreich abge-
schlossen seien. Die britische und die französische Regierung
sollen unter Hinweis auf die Bedeutung der Vereinbarung für
den europäischen Frieden in Kenntnis gesetzt werden.
219 26. 1. Gemeinsame Erklärung der Deutschen Regierung und der Polni-
schen Regierung 411
Wortlaut der deutsch-polnischen Erklärung.
221 26. 1. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Fretherrn
von Neurath 413
Rauschning hat Neurath über die katastrophale Finanzlage
Danzigs informiert und um Unterstützung des Auswärtigen Amts
für eine Reichsbeihilfe nachgesucht. Neurath hat seine Unter-
stützung für den unbedingt notwendigen Betrag zugesagt.
226 27. 1. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 423
Moltke beriohtet, daß Beck sich über das Zustandekommen der
deutsch-polnischen Erklärung und ihre Aufnahme in der polni-
schen Öffentlichkeit sehr befriedigt geäußert habe.
230 31. 1. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 427
Beck hat Moltke mitgeteilt, daß Hitlers Rede vom 30. Januar
in allen Kreisen der polnischen Bevölkerung einen günstigen
Eindruck hinterlassen habe. Er beabsichtige, dem Reichskanzler
vor dem Sejm im gleichen Geiste der Verständigung zu ant-
worten.
234 2.2. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 434
Neurath hat Lipski den Vorschlag unterbreitet, daß die auf
beiden Seiten bestehenden Zeitungsverbote aufgehoben werden
sollten.
244 9. 2. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 447
Moltke hat in einer Unterredung mit Beck weisungsgemäß Hit-
lers Zufriedenheit über Becks Erklärungen vom 5. Februar über
das deutsch-polnische Verhältnis zum Ausdruck gebracht. Er-
örterung der bevorstehenden Reise Becks nach Moskau.
275 21. 2. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 512
Nadolny berichtet über den Besuch Becks in Moskau, dessen
Ergebnisse offenbar sehr dürftig sind.
287 28. 2. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 528
Moltke berichtet über die Paraphierung des Protokolls betref-
fend die Beendigung des Zollkrieges zwischen Deutschland und
Polen, das am 15. März 1934 in Kraft treten soll.
331 17. 3. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Gesandtschalt in Warschau 602
Neurath weist Moltke an, bei Beck energisch in der IG-Ange-
legenheit vorstellig zu werden und ihm mitzuteilen, daß die
Reichsregierung die sofortige Aufnahme von Verhandlungen
über den gesamten Fragenkomplex für notwendig halte.
LIV
POLEN UND DANZIG
1934
340 20. 3. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 628
Moltke berichtet, er habe in Abwesenheit Becks mit Szembek
die IG-Angelegenheit erörtert. Szembek habe das bisherige pol-
nische Vorgehen zu rechtfertigen gesucht und, vorbehaltlich der
Zustimmung Becks, den Vorschlag der Aufnahme von Regie-
rungsverhandlungen beifällig aufgenommen.
352 23.3. Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 649
In einer Unterredung mit Lipski über die IG-Angelegenheit hat
Neurath die Frage gestellt, ob die polnische Regierung an
deutschen Investitionen in Polen und an wirtschaftlicher Zusam-
menarbeit überhaupt interessiert sei. Lipski hat dies bejaht.
Neurath hat daraufhin den Gesandten gebeten, seiner Regie-
rung den deutschen Standpunkt in der IG-Angelegenheit in drin-
gender Form darzulegen, andernfalls könne er keinerlei Garan-
tien für die Rückwirkungen auf die deutsch-polnischen Beziehun-
gen übernehmen.
372 30. 3. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 677
Moltke berichtet, er sei bei Beck in der IG-Angelegenheit vor-
stellig geworden. Beck habe sich an deutsch-polnischer Wirt-
schaftszusammenarbeit unbedingt interessiert gezeigt und sehe
einer befriedigenden Lösung des gesamten Fragenkomplexes
zuversichtlich entgegen.
407 18.4. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 737
Aufzeichnung über eine Chefbesprechung, in der unter dem
Vorsitz von Heß über die Lage in Danzig beraten wurde.
439 7.5. Der Generalkonsul in Danzig von Radowifz an Minisferiaf-
direktor Meyer 780
Durch die persönlichen Differenzen zwischen Rauschning und
Forster ist eine schwierige Situation in Danzig entstanden. In
einer Aussprache zwischen Rauschning, Forster, Linsmayer und
mehreren Senatoren konnte ein Rücktritt Rauschnings noch ein-
mal vermieden werden. Radowitz hält den Frieden jedoch nicht
für dauerhaft und schlägt vor, von höherer Stelle aus auf
Forster einzuwirken und ihm den Ernst der Lage vor Augen
zu führen.
441 9.5. Der Generalkonsul in Danzig von Radowitz an Ministerial-
direktor Meyer 785
Fortsetzung der Berichterstattung über die Differenzen zwischen
Rauschning und Forster. Der Hohe Kommissar des Völkerbunds
Lester hat Forster auf die Gefährlichkeit seines Verhaltens hin-
gewiesen, den Generalkommissar Papee hat er gebeten, sich
für eine maßvolle Haltung Polens zu verwenden. Die einge-
tretene Entspannung sei vor allem Lester zu verdanken und
habe Rauschnings Position gefestigt.
485 [7. 6] Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 860
Unterredung zwischen Neurath und Beck, der sich auf der
Durchreise von Genf nach Warschau befindet. Gesprächsthemen
waren die jüngsten Vorgänge in Genf, das polnisch-sowjetische
Verhältnis und die deutsch-polnischen Beziehungen.
(Siehe auch „Ostpakt".)
LV
RUMÄNIEN / SAARGEBIET
RUMÄNIEN
1933
36 30. 10. Der Reichstührer des Volksbunds lür das Deutschtum im Aus-
land Steinadler an den Vortragenden Legationsrat Roediger 55
Steinadler übermittelt dem Auswärtigen Amt ein Schreiben Heß'
an Fabritius. Es enthält die Anweisung, daß die NSDR künftig
jeden Anschein einer Abhängigkeit von reichsdeutsdien Stellen
vermeiden müsse, da sonst die Existenz deutscher Einrichtungen
im Ausland gefährdet werde.
1934
468 28.5. Auizeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 832
Der rumänische Gesandte Petrescu-Comnen hat Neurath um
Stellungnahme zu einem früher überreichten rumänischen Wirt-
schaftsplan gebeten. Neurath hat angeführt, daß die Reichsregie-
rung wirtschaftliche Opfer nur für Staaten bringen könne, die
Deutschlands Gegner nicht politisch unterstützten.
SAARGEBIET
1933
94 30. 11. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte
von Papen an den Vortragenden Legat'.onsrat Voigt 160
Übermittlung einer Aufzeichnung über die erste Sitzung der
Saar-Referenten am 23. November unter Vorsitz des Saarbevoll-
mächtigten von Papen, der seine Pläne zur künftigen Behand-
lung der Saarfrage dargelegt hat.
96 30. 11. Das Auswärtige Amt an den Stellvertreter des Reichskanzlers
und Saarbevollmächtigten von Papen 164
Übermittlung eines Berichtes des Bischofs von Trier über seine
Besprechungen mit Pacelli und anderen in Rom am 18. und
19. November über die beabsichtigte Entsendung eines päpst-
lichen Vertreters in das Saargebiet.
101 5. 12. Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
von Bülow 173
Francois-Poncet hat Bülow erklärt, daß die gegenwärtige fran-
zösische Regierung wahrscheinlich zu schwach sei, um sich lei-
sten zu können, über die Anregung Hitlers zum Verzicht auf
die Saarabstimmung zu verhandeln.
114 9. 12. Der Adjutant des Stellvertreters des Reichskanzlers
von Tschirschky und Bögendorii an das Auswärtige Amt 191
Übermittlung einer Aufzeichnung Papens über eine Unterredung
mit dem Sondergesandten des Heiligen Stuhls Testa, der zur
persönlichen Unterrichtung in das Saargebiet entsandt worden
ist. Testa habe erklärt, für ihn sei das Saargebiet ein deutsches
Land, das so rasch wie möglich zum Reich zurückzukehren
wünsche.
LVI
SAARGEBIET
1933
die Saarabstimmung zu verzichten. Daraufhin hat Hitler den
Vorschlag des Botschafters abgewiesen, daß sofort mit Verhand-
lungen über Wirtschaftsfragen begonnen werden solle.
1934
170 9. 1. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte
von Papen an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 307
Übermittlung einer Aufzeichnung Papens über eine Unterredung
mit dem Präsidenten der Regierungskommission des Völker-
bunds für das Saargebiet Knox. Es wurden mehrere Deutschland
und das Saargebiet betreffende Fragen durchgesprochen.
185 16. 1. Konsul Krauel (Geni) an das Auswärtige Amt 355
Krauel berichtet über eine Unterredung mit Aloisi, der mitge-
teilt hat, daß der Völkerbundsrat die Einsetzung eines Dreier-
komitees zur Vorbereitung der Abstimmung im Saargebiet er-
wäge.
207 23. 1. Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt 393
Hoesch berichtet über eine Unterredung mit Simon über die
Saarfrage. Der britische Außenminister hat angeregt, daß erneut
der Versuch gemacht werden sollte, die Saarabstimmung durch
eine deutsch-französische Vereinbarung überflüssig zu machen.
222 26. 1. Ministerialdirektor Köpke an das Konsulat in Geni 413
Die Einrichtung des Dreierkomitees könnte dazu führen, daß
die Beurteilung der Lage im Saargebiet hauptsächlich Knox zu-
fällt. Da dieser seine Informationen vorzugsweise aus franzö-
sichen Quellen bezieht, muß darauf geachtet werden, daß das
Komitee sich durch Beobachtung an Ort und Stelle ein eigenes
Urteil verschafft.
LVII
SAARGEBIET
1934
304 7. 3. Der Preußische Ministerpräsident und Chel der Geheimen
Staatspolizei Göring an das Auswärtige Amt 554
Übermittlung einer Verordnung betreffend die Fernhaltung Un-
befugter von der Saarpolitik und vom Saarnachrichtendienst.
350 22. 3. Der Botschaiter in Paris Köster an den Staatssekretär des Aus-
wärligen Amts von Bülow 646
Köster berichtet, daß im Auftrage Papens der Legationsrat a. D.
Lersner mit führenden französischen Politikern Gespräche über
die Saarfrage geführt hat. Köster befürchtet, daß Lersner seinem
Auftraggeber unangenehme Wahrheiten verschweigen wird.
365 29. 3. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 670
Hassell berichtet über eine Unterredung zwischen Papen und
Aloisi über die Saarfrage. Papen bittet um Mitteilung, wie er
auf einen Vorschlag Aloisis zu antworten habe, daß zur Siche-
rung der Abstimmungsfreiheit zwei Erklärungen abgegeben
werden sollten: ein Aufruf des Reichskanzlers, mit dem alle
deutschen Organisationen im Saargebiet zum Verzicht auf Ge-
waltanwendung aufgefordert werden, und eine gleichzeitige
deutsch-französische Erklärung, in der beide Regierungen sich
verpflichten, die Person und das Eigentum aller Abstimmenden
ohne Unterschied der politischen Gesinnung zu respektieren.
397 12. 4. Der Staatssekretär des Auswärligen Amts von Bülow an die
Botschatt In Rom 723
Instruktion, daß der in Dokument Nr. 365 enthaltene Vorschlag
Aloisis, die Abstimmungsfreiheit im Saargebiet durch eine
gleichzeitige deutsche und französische Erklärung zu sichern,
nicht praktikabel sei.
400 14. 4. Autzeichnung des Stellvertreters des Reichskanzlers und Saar-
bevollmächtigten von Papen 727
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Aloisi über die
Deutsche Front im Saargebiet, über die ablehnende Haltung der
Reichsregierung hinsichtlich einer deutsch-französischen Er-
klärung zur Sicherung der Abstimmungsfreiheit und über die
Schlußfolgerungen des Juristenkomitees in der Frage von
Repressalien.
428 26. 4. Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 763
Hassell berichtet über eine Unterredung mit Aloisi, der be-
dauert, daß die Reichsregierung seine in Dokument Nr. 400 ent-
haltenen Vorschläge abgelehnt hat. In der Anlage ein Prome-
moria in dem Aloisi die verschiedenen Aspekte seiner Vor-
schläge und der deutschen Antwort beleuchtet.
436 3.5. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Rom 776
In Beantwortung des Dokuments Nr. 428 zeigt Neurath auf,
wie weit die Reichsregierung Aloisi aus politischen Gründen
entgegenkommen kann.
442 10. 5. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 786
Hassell übermittelt einen neuen Vorschlag Aloisis, nach dem
der Termin der Saarabstimmung festgesetzt werden soll, sobald
LVIII
SAARGEBIET
1934
Deutschland und Frankreich die Verpflichtung des VersaiUer
Vertrags, eine freie Abstimmung zu sichern, bekräftigt haben.
445 11.5. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an das
Konsulat in Genf 794
Bülow übermittelt den Text des Dokuments Nr. 442 mit der
Instruktion, daß die Reichsregierung mit dem letzten Vorschlag
Aloisis einverstanden ist.
450 16. 5. Konsul Krauel (Geni) an das Auswärtige Amt 798
Krauel berichtet, Biancheri habe ihm einen Resolutionsentwurf
zur Frage der Garantien und des Abstimmungsdatums über-
reicht und ihn mündlich erläutert.
470 29.5. Konsul Krauel (Gent) an das Auswärtige Amt 834
Krauel übermittelt einen Bericht Lersners für Papen über den
Stand der Gespräche, die Lersner in Genf mit den Italienern
führt.
474 31.5. Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Voigt 838
In einer Besprechung mit Neurath und Papen über die Saarfrage
hat Hitler Beschlüsse gefaßt, die dem Konsul in Genf als Wei-
sung zugesandt worden sind.
475 31. 5. Legationsrat a. D. Freiherr von Lersner an das Auswärtige Amt 840
In einer Unterredung mit Lersner hat Barthou der sofortigen
Festsetzung eines Abstimmungstermins zugestimmt und erklärt,
er sei ein überzeugter Anhänger der Verständigung mit Deutsch-
land.
477 1. 6. Der Reichsminisler des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
das Konsulat in Genf 848
Weisung, den am Vortage im Hinblick auf die Saarabstimmung
formulierten Texten zuzustimmen.
481 5.6. Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigle
von Papen an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 851
Unterrichtung über die bei der Durchführung der deutsch-fran-
zösischen Garantie-Erklärung vom 4. Juni einzuhaltende Linie.
498 12. 6. Der Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten Meissner an
den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 876
Übermittlung der Antwort Papens auf eine Anfrage Hinden-
burgs wegen der Mission Lersners in Genf.
499 12. 6. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten Meissner 877
Anmerkungen Neuraths zu den in Dokument Nr. 498 enthalte-
nen Erläuterungen Papens hinsichtlich der Mission Lersners in
Genf.
500 12.6. Runderfaß des Auswärtigen Amts 878
Informationen über die Bedeutung der am 4. Juni vom Völker-
bundsrat gefaßten Beschlüsse hinsichtlich der Vorbereitungen
für die Saarabstimmung.
LIX
SCHWEIZ / S O W J E T U N I O N
SCHWEIZ
1933
33 27. 10. Der Gesandle in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Aus-
wärtige Amt 50
Bericht über eine Unterredung mit dem schweizerischen Kriegs-
minister Bundesrat Minger, der auf Gefahren hingewiesen hat,
die der Nationalsozialismus für die Schweiz mit sich bringe.
Weizsäcker glaubt, daß die schweizerische Neutralitätspolitik
im Falle eines Krieges sich gegen Deutschland richten würde.
1934
422 24. 4. Der Gesandle in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Aus-
wärtige Amt 753
Weizsäcker analysiert das Verhältnis der Schweiz zum national-
sozialistischen Deutschland. Trotz Vorhandenseins deutsch-
freundlicher Momente ist die Gesamtbilanz negativ.
483 6. 6. Der Gesandle in Bern Freiherr von Weizsäcker an das Aus-
wärtige Amt 853
Weizsäcker berichtet, daß das Verbot schweizerischer Zeitungen
in Deutschland wahrscheinlich analoge Maßnahmen gegen die
deutsche Presse in der Schweiz zur Folge haben werde.
(Siehe auch „Finanzfragen".)
SOWJETUNION
1933
12 17. 10. Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 14
Twardowski berichtet über eine Unterredung mit Litwinow über
das deutsch-sowjetische Verhältnis. Litwinow hat sich außerge-
wöhnlich freundlich und entgegenkommend gezeigt. Twardowski
sucht die Klimaveränderung zu erklären.
14 18. 10. Auizeichnung des Botschatters in Moskau von Dirksen
(z. Z. Berlin) 20
Der sowjetische Botschafter in Berlin Chintschuk hat Dirksen
erklärt, daß Krestinskis Versäumnis, seine Durchreise durch
Berlin zu politischen Gesprächen mit der Reichsregierung zu
nutzen, keine politische Bedeutung habe. Die sowjetische Regie-
rung wünsche ein gutes Verhältnis zu Deutschland.
21 22. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärligen Freiherrn
von Neurath 34
Ministerialdirigent Fischer vom preußischen Innenministerium
hat Neurath mitgeteilt, er habe im Auftrage Görings mit der
sowjetischen Botschaft Verhandlungen über die Zulassung so-
wjetischer Vertreter zum Leipziger Reichstagsbrandprozeß ge-
führt. Neurath hat die Ansicht vertreten, daß die Angelegenheit
auf diplomatischem Wege erledigt werden müsse.
LX
SOWJETUNION
1933
25 24. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 40
Neurath ist in einer Unterredung mit Chintschuk zu einer vor-
läufigen Vereinbarung betreffend die Beilegung des Journa-
listenkonflikts sowie die Beendigung antideutscher Berichte
in der sowjetischen Presse und im Moskauer Rundfunk ge-
langt.
30 27. 10. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 47
Aufzeichnung über eine Unterredung mit Chintschuk über Ein-
zelheiten der Erledigung des Journalistenkonflikts. Die Frage
der Zulassung deutscher Journalisten in der Sowjetunion ist
weiter ungeklärt.
34 28. 10. Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn
von Neurath 52
Unterredung zwischen Neurath und Litwinow über die schwe-
benden Verhandlungen betreffend die Klärung der deutsch-so-
wjetischen Differenzen, Litwinow hat erklärt, gegen eine Zu-
lassung von Korrespondenten des Angriii und des Völkischen
Beobachters in Moskau bestünden keine prinzipiellen Bedenken,
über die Veröffentlichung eines Kommuniques besteht Einig-
keit.
44 3. 11. Der Botschaiter in Moskau von Dirksen an den Staatssekretär
des Auswärtigen Amts von Bülow 74
Dirksen berichtet am Vorabend seiner Abreise aus Moskau,
daß die Welle der Pressehetze und sonstigen deutschfeind-
lichen Einstellung im Abnehmen begriffen sei. Seine Verab-
schiedung habe sich in einer betont freundschaftlichen und herz-
lichen Form vollzogen.
47 6. 11. Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 79
Bericht über eine Unterredung zwischen Twardowski und
Tuchatschewski bei Gelegenheit des Abschiedsessens für Dirk-
sen. Tuchatsehewski hat versichert, die Rote Armee werde nie-
mals Material über die Zusammenarbeit mit der Reichswehr
an andere Mächte weitergeben. In der Roten Armee bestehe
nach wie vor größte Sympathie für die Reichswehr.
53 9. 11. Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt 93
Twardowski berichtet, daß die sowjetische Presse voraussicht-
lich zu dem Ergebnis des Reichstagsbrandprozesses in scharfer
Form Stellung nehmen werde. Er regt an, Nadolnys Eintreffen
in Moskau solle soweit verschoben werden, daß es zeitlich nicht
mit dem Aufflackern der antideutschen Propaganda zusammen-
falle.
66 13. 11. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den Botschaiter in Moskau Nadolny (z. Z. Berlin) 118
Text der von Hitler gebilligten Richtlinien für Nadolny anläß-
lich seiner Entsendung als Botschafter nach Moskau.
118 11. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an Ministerialdirektor
Meyer 198
Nadolny empfiehlt, die sowjetische Regierung über den Stand
der deutsch-polnischen Verhandlungen zu unterrichten. Eine Zu-
LXI
SOWJETUNION
1933
rückhaltung in diesem Punkte würde in Moskau falsch interpre-
tiert werden und biete keinerlei Vorteil, da die polnische Re-
gierung ihrerseits die sowjetische Regierung mit Sicherheit über
die deutschen Schritte ins Bild setze
119 11. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 199
Nadolny gibt einen Überblick über den Stand des deutsch-
sowjetischen Wirtschaftsverkehrs und kommt zu dem Schluß,
daß die Auffassung, der Rückgang der sowjetischen Aufträge
an die deutsche Industrie sei auf die Abkühlung der politischen
Beziehungen zurückzuführen, unzutreffend sei. Die Gründe seien
vielmehr in der allgemeinen Wirtschaftslage der Sowjetunion
und ihren Beziehungen zu anderen Ländern zu suchen. Die deut-
sche Industrie müsse unter Berücksichtigung der veränderten
Situation besondere Anstrengungen unternehmen.
122 12. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 206
Bericht Nadolnys über eine Unterredung mit Litwinow nach
dessen Rückkehr aus den USA. Litwinow erwarte die Entwick-
lung sehr freundschaftlicher Beziehungen zu den Vereinigten
Staaten. Er habe auch über seine Unterredung mit Mussolini
auf dem Rückweg kurz berichtet. Nadolny hat Litwinow darauf
hingewiesen, daß in der Sowjetunion eine gefährliche Hetze
gegen Deutschland registriert werden müsse.
127 14. 12. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 220
Nadolny berichtet über eine lange und heftige Diskussion mit
Litwinow, in der die zwischen Deutsehland und der Sowjetunion
bestehenden Meinungsverschiedenheiten durchgesprochen wur-
den. Die Verantwortung für die Verschlechterung der Beziehun-
gen wurde dabei jeweils der anderen Seite zugeschoben.
130 15. 12. Der Botschalter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 227
Hassell berichtet über den Besuch Litwinows in Rom. Der Be-
such habe dort keinen sonderlichen Eindruck hinterlassen und
scheine auch keine unmittelbaren praktischen Ergebnisse ge-
bracht zu haben. Es scheine, daß die Sowjetunion Deutschland
fürchte und sieh wegen eines möglichen deutschen Eingreifens
im Falle einer sowjetischen Verwicklung im Fernen Osten
Sorgen mache.
1934
161 1. 1. Auizeichnung ohne Unterschritt 288
Eine vermutlich von Twardowski angefertigte Aufzeichnung
über eine Unterredung mit Litwinow zu dessen Rede vom
29. Dezember sowie über ein Gespräch mit Radek, der auf anti-
sowjetische Schriften und Reden deutscher Politiker, vor allem
auf die Neuauflage in unveränderter Form von Mein Kampt,
hingewiesen hat.
163 5. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 294
Bericht Nadolnys über eine Unterredung mit Litwinow, die sehr
unbefriedigend verlaufen ist. Litwinow hat dargelegt, daß er es
in seiner jüngsten Rede für notwendig gehalten habe, dem
deutschen Volk vor Augen zu führen, wohin die deutsch-
sowjetischen Beziehungen trieben. Nadolny hat Litwinow zu
LXII
SOWJETUNION
1934
verstehen gegeben, daß die intransigente sowjetische Haltung
zu Konsequenzen führen müsse, an denen keines der beiden
Länder interessiert sein könne.
165 7. 1. Aulzeichnung ohne Unterschrill 299
Eine vermutlieh von Meyer verfaßte Analyse der jüngsten Un-
terredung Nadolnys mit Litwinow. Offenbar hat die sowje-
tische Außenpolitik eine Kehrtwendung gemacht und die „Ra-
pallo-Politik" beendet. Für die deutsche Regierung erscheint
eine abwartende Haltung angezeigt, eine Aufkündigung des
Berliner Vertrags ist nicht zu empfehlen.
173 10. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 324
Bericht über das Interview eines deutsehen Journalisten mit
Radek, der die distanzierte Haltung Litwinows gegenüber
Deutschland zu erklären suchte.
176 11. 1. Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 329
Nadolny berichtet über eine Unterredung mit Woroschilow, der
die Hoffnung geäußert hat, daß in irgendeiner Form die Zusam-
menarbeit zwischen Roter Armee und Reichswehr wiederherge-
stellt werden könne. Nadolny hat deutlich gemacht, daß die
Rote Armee die Initiative ergreifen müsse.
181 13. 1. Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 343
Nadolny berichtet über eine Unterredung zwischen Twardowski
und Jegorow, der die freundschaftlichen Gefühle der Roten
Armee für die Reichswehr hervorgehoben und den Wunsch nach
Wiederherstellung der früheren guten Beziehungen geäußert
hat. Jegorow hat versichert, daß eine Weitergabe von Informa-
tionen über die Reichswehr an Frankreich nicht erfolgt sei.
190 17. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschalt in Moskau 365
Neurath informiert die Botschaft, daß die Haltung der Reiehs-
regierung gegenüber der Sowjetunion sich in keiner Weise ge-
ändert habe und daß eine Wiederherstellung des früheren
freundschaftlichen Verhältnisses ausschließlich von Moskau ab-
hänge. Deutsche Vorschläge kommen zur Zeit nicht in Betracht.
. Der Botschaft wird für Gespräche mit maßgebenden sowjetischen
Persönlichkeiten kühle Reserve auferlegt.
191 17. 1. Militärattache' Hartmann (Moskau) an das Auswärtige Amt 367
Jegorow hat sich für die Wiederherstellung des früheren guten
Verhältnisses zwischen der Roten Armee und der Reichswehr
ausgesprochen und anerkennende Worte für einzelne deutsche
Offiziere gefunden. Der Bericht Hartmanns enthält auch Infor-
mationen über die sowjetischen Seestreitkräfte im Fernen Osten.
LXIII
SOWJETUNION
1934
210 23. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 398
Nadolny bittet um ein überdenken der in Dokument Nr. 190
enthaltenen Weisungen. Die dort geforderte Reserve gegenüber
der sowjetischen Regierung würde seiner Meinung nach das
Ende des Versuchs bedeuten, die Sowjetunion von einem Zu-
sammengehen mit Frankreich fernzuhalten. Nadolny regt an,
daß die Reichsregierung durch eine freundschaftliche Erklärung
ihren guten Willen gegenüber der Sowjetunion bekunde.
227 29. 1. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an des Auiwärt'ge Amt 424
Nadolny berichtet über die Rede Stalins am 26. Januar vor
dem 17. Kongreß der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.
Der Botschafter sieht Stalins Ausführungen als eine Bestätigung
seiner Ansicht an, daß die sowjetische Regierung eine maß-
gebende deutsche Erklärung zum deutsch-sowjetischen Verhält-
nis erwarte.
240 6. 2. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 442
Nadolny äußert sich beunruhigt über die Aktivitäten Litwinows
gegenüber den baltischen Staaten, insbesondere Litauen, sowie
über die Verhaftung zahlreicher Personen in der Sowjetunion,
die Verbindungen zu Deutschland besitzen. Nadolny empfiehlt,
daß als Geste guten Willens Thälmann und andere Kommuni-
sten der sowjetischen Regierung übergeben werden sollen.
251 12. 2. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschaiter in Moskau Nadolny 463
Antwort auf die Dokumente Nr. 210 und 240. Bülow hält wei-
tere Zusicherungen an die Sowjetunion nicht für wünschenswert,
beurteilt die französisch-sowjetische Annäherung als unbedeu-
tend und spricht sich gegen deutsch-polnische Gespräche über
Litauen und gegen einen Gefangenenaustausch mit der Sowjet-
union aus
342 20. 3. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Meyer 630
über das Protokoll für die Regelung des deutsch-russischen
Wirtschaftsverkehrs im Jahre 1934 und die Zahlungsmodalitäten
ist Einigung erzielt worden. Zusammenfassung der wichtigsten
Bestimmungen.
362 28. 3. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 666
Nadolny übermittelt den Entwurf einer deutsch-sowjetischen Er-
klärung über die Unabhängigkeit der baltischen Staaten, den
Litwinow ihm übergeben und erläutert hat. Nadolny regt an,
die Reichsregierung solle, anstatt auf Litwinows Vorschlag ein-
zugehen, lieber ein Erweiterungsabkommen zum Berliner Ver-
trag anstreben.
364 29. 3. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 669
Nadolny berichtet über Gespräche mit Krestinski und Woro-
sehilow, die die Bedeutsamkeit der von Litwinow vorgeschlage-
nen deutsch-sowjetischen Erklärung über die Unabhängigkeit
der baltischen Staaten hervorgehoben haben.
LXIV
SOWJETUNION
1934
375 3. 4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 684
Nadolny erläutert seine in Dokument Nr. 362 dargelegte Hal-
tung gegenüber Litwinows Vorschlag einer deutsch-sowjetischen
Erklärung über die Unabhängigkeit der baltischen Staaten. Der
Botsehafter empfiehlt, daß die Reichsregierung als Antwort den
Vorschlag einer gemeinsamen Erklärung zwar begrüßen, je-
doch gleichzeitig darauf dringen solle, die Erklärung nicht auf
die baltischen Staaten zu beschränken. Sie solle vielmehr auf
eine allgemeinere Basis gestellt werden und eine Ergänzung
zum Berliner Vertrag bilden.
LXV
SOWJETUNION
1934
401 15. 4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 729
Nadolny berichtet über die Übergabe der Antwort auf den Vor-
schlag Litwinows zur Garantierung der baltischen Staaten.
Litwinow hat sieh eine weitere Prüfung der deutschen Antwort
und die Möglichkeit einer öffentlichen Stellungnahme vorbe-
halten.
414 21.4. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 745
Nadolny berichtet über die Stellungnahme Litwinows zur deut-
schen Antwort auf seinen Vorschlag. Die sowjetische Regierung
erklärt sich bereit, über die Wiederherstellung vertrauensvoller
Beziehungen Besprechungen zu führen. Nadolny dringt darauf,
die baltischen Staaten nun über die gesamte Garantiepakt-Frage
umfassend zu informieren, da die sowjetische Regierung das in
ihrem Sinne ebenfalls beabsichtige.
415 23. 4. Der Gesandte in Riga Martius an das Auswärtige Amt 746
Martius berichtet über eine Unterredung mit Munters bei Ge-
legenheit der Unterrichtung der lettischen Regierung über die
deutsche Haltung zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemein-
samen Garantie der baltischen Staaten.
416 23. 4. Legationssekretär Mohrmann (Kowno) an das Auswärtige Amt 747
Mohrmann berichtet, er habe Zaunius über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
417 23. 4. Der Gesandte in Riga Martius an das Auswärtige Amt 748
Ulmanis hat Martius um weitere Informationen über die ableh-
nende deutsche Antwort auf den sowjetischen Vorschlag ge-
beten, damit die lettische Regierung in der Lage sei, alle dies-
bezüglichen Anfragen zu beantworten.
418 23. 4. Der Gesandte in Reval Reinebeck an das Auswärtige Amt 749
Reinebeck berichtet, er habe Seljamaa über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
419 23. 4. Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt 750
Hassell berichtet, er habe Mussolini über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
421 24. 4. Der Gesandte in Helsinki Büsing an das Auswärtige Amt 752
Büsing berichtet, er habe Hackzeil über die deutsche Haltung
zu dem sowjetischen Vorsehlag einer gemeinsamen Garantie
der baltischen Staaten informiert.
423 25. 4. Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt 756
Moltke berichtet, er habe Beck über die deutsche Haltung zu
dem sowjetischen Vorschlag einer gemeinsamen Garantie der
baltischen Staaten informiert. Stellungnahme Becks.
424 25.4. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 757
Nadolny erörtert die Möglichkeit einer Normalisierung der
deutsch-sowjetischen Beziehungen. Es erscheint ihm notwendig,
zu persönlichem Vortrag nach Berlin zu kommen.
LXVI
SOWJETUNION
1934
425 25. 4. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Gesandtschait in Riga 758
Unter Bezugnahme auf Dokument Nr. 417 übermittelt Neurath
die Ulmanis zu erteilende Antwort.
427 26. 4. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 762
Nadolny hat die sowjetische Regierung weisungsgemäß unter-
richtet, daß die Reichsregierung angesichts der lettischen Ver-
öffentlichung des sowjetischen Vorschlags einer Garantie der
baltischen Staaten und der deutschen Stellungnahme auch ihrer-
seits die Dokumente veröffentlichen wird.
430 28. 4. Der Gesandte in Reval Reinebeck an das Auswärtige Amt 769
Außenminister Seljamaa hat erklärt, er glaube nicht, daß die
Frage einer Garantierung der baltischen Staaten einfach fallen-
gelassen werden könne, da die Öffentlichkeit beunruhigt sei.
Reinebeck erwartet eine Initiative Estlands und Lettlands oder
möglicherweise aller drei baltischen Staaten.
433 2. 5. Auizeichnung des Legationsrats von Tippeiskirch 773
Aufzeichnung über die jüngste Entwicklung der deutsch-so-
wjetischen Wirtschaftsbeziehungen.
434 3.5. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 774
Nadolny empfiehlt Maßnahmen, die verhindern sollen, daß die
sowjetische Regierung die Ablehnung des Litwinow-Plans gegen
Deutschland auswertet.
437 4. 5. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Moskau 777
Die Reichsregierung beabsichtigt nicht, im Zusammenhang mit
der Ablehnung des Litwinow-Vorschlags weitere Erklärungen
abzugeben oder sich in eine Pressepolemik einzulassen.
440 9. 5. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 782
Nadolny analysiert anläßlich der Unterzeichnung des Proto-
kolls zur Verlängerung des sowjetisch-polnischen Nichtangriffs-
pakts die sowjetische Politik in Osteuropa.
447 12. 5. Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt 796
Litwinow hat Nadolny versichert, daß die sowjetische Regierung
eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland wünsche. Er
hat außerdem um das Agrement der Reichsregierung für die
Ernennung von Suritz zum Botsehafter in Berlin ersucht.
476 31.5. Auizeichnung ohne Unterschritt 841
Bemerkungen zu einer im Anhang beigefügten, auf Anordnung
Hitlers von Nadolny angefertigten Aufzeichnung über den Stand
der deutsch-sowjetischen Beziehungen.
488 7. 6. Der Botschaiter in Moskau Nadolny an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amts von Bülow 863
Nadolny rekapituliert die Erwägungen, die ihn zum Rücktritt
von seinem Moskauer Botschafterposten geführt haben.
(Siehe auch „Abrüstung und Völkerbund", „Baltische Staaten"
und „Ostpakt".)
LXVII
TSCHECHOSLOWAKEI
TSCHECHOSLOWAKEI
1933
51 8. 11. Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige Amt 89
Koch gibt einen Überblick über die Entwicklung der DNSAP
und die nach ihrer Auflösung begonnenen Versuche, neue sude-
tendeutsche Organisationen ins Leben zu rufen.
56 9. 11. Der Gesandte in Prag Kocli an das Auswärtige Amt 98
Koch berichtet über eine Unterredung mit Benes über die
deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen. Es bestand Einver-
nehmen, daß Konflikte zwischen beiden Staaten und jede Art
von Kriegshysterie vermieden werden müßten. Benes hat eine
stillschweigende Übereinkunft über die Freilassung von politi-
schen Gefangenen vorgeschlagen.
68 15. 11. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 123
Unterredung mit dem tschechoslowakischen Gesandten Mastny,
der in Prag eine Beruhigung der deutsch-tschechoslowakischen
Spannungen festgestellt haben will. Er hat Köpke vertraulieh
informiert, daß er kürzlidi von einer Persönlichkeit aus Hitlers
engerer Umgebung auf die Möglichkeit eines Nichtangriffspakts
zwischen Deutschland und der Tsechoslowakei angesprochen
worden sei.
LXVIII
TSCHECHOSLOWAKEI / UNGARN
1934
293 27. 2. Das Auswärtige Amt an den Gesandten in Prag Koch 537
Der Abschluß eines deutsch-tschechoslowakischen Abkommens
ähnlich der deutsch-polnischen Erklärung vom 26. Januar kommt
nach wie vor nicht in Frage.
330 19.3. Aulzeichnung des Wissenschattlichcn Hillsarbeiters Goeken 601
Aufzeichnung über eine Besprechung im Auswärtigen Amt über
sudetendeutsche Angelegenheiten. Der Gesdiäftsführer des
Volksdeutschen Rats Steinadler hat erklärt, daß in absehbarer
Zeit an eine nationalsozialistische politische Organisation in der
Tschechoslowakei nicht zu denken sei und daß Heß durch eine
Verfügung vorn 13. März dem Volksdeutschen Rat die alleinige
Zuständigkeit für sudetendeutsche Angelegenheiten übertragen
habe.
355 23.3. Der Gesandte in Prag Koch an Ministerialdirektor Köpke 653
In Vorbereitung einer Reise nach Berlin zur Besprechung von
sudetendeutschen Fragen übermittelt Koch eine Übersicht über
die aktuelle Lage.
361 28.3. Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüller 664
Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Beamten des
Auswärtigen Amts und Steinadler über die durch die in Doku-
ment Nr. 330 wiedergegebene Entscheidung Heß' geschaffene
Lage. Es bestand Einverständnis darüber, daß die neue natio-
nale Bewegung der Sudetendeutschen sich selbständig und ohne
sichtbare Hilfe reichsdeutsdier Organisationen entwickeln müsse.
453 16.5. Der Gesandle in Prag Koch an das Auswärtige Amt 803
Koch beriditet über Gespräche betreffend das deutsch-tschecho-
slowakische Verhältnis mit Senator Kfepek und mit Benes, der
den Botschafter aufgefordert hat, die deutschen Beschwerden
schriftlich einzureichen.
UNGARN
1933
95 1. 12. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke 162
Der ungarische Gesandte Masirevich hat Köpke auf Gerüchte
über einen deutsch-tschechoslowakischen Nichtangriffspakt sowie
auf die deutsch-österreichischen Beziehungen angesprochen.
129 14. 12. Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Aus-
wärtige Amt 223
Mackensen berichtet über ein längeres Gespräch mit Gömbös
über die Minderheitenfrage. Gömbös beabsichtigt, zu diesem
Problem in naher Zukunft ein ausführliches Schreiben an Hitler
zu richten.
1934
175 11.1. Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärligen Amts
von Bülow 327
Masirevich hat eine mündliche Absprache bzw. einen geheimen
Notenwechsel über die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehun-
gen vorgeschlagen, außerdem einen Konsultativpakt in bezug
auf die Kleine Entente und die deutsche bzw. ungarische Politik
gegenüber dieser und ihre einzelnen Mitglieder.
LXIX
UNGARN
1934
182 13. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den ungarischen Außenminister Känya 344
Die Reichsregierung erklärt sich bereit, in Wirtschaftsverhand-
lungen mit Ungarn einzutreten. Geheimrat Waldeck vom Reichs-
wirtschaftsministerium ist als Leiter der deutsehen Verhand-
lungsdelegation vorgesehen.
LXX
UNGARN / VATIKAN
1934
371 29.3. Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an den
Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 676
Lammers teilt mit, daß Hitler vorerst von einer Beantwortung
des Briefes Gömbös' vom 14. Februar (Dokument Nr. 252) ab-
sehen möchte.
VATIKAN
1933
3 16. 10. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 3
Kardinalstaatssekretär Pacelli hat Bergen mitgeteilt, daß Papst
Pius XI. weiter auf der Absendung einer Protestnote wegen
der Verletzungen des Konkordats durch die Reichsregierung be-
stehe. Abschätzung der in der Politik des Vatikans erkennbar
werdenden Einflüsse.
6 17. 10. Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 8
Bergen berichtet über eine Unterredung mit Pacelli, der dem
Papst empfehlen wird, der Aufnahme von Verhandlungen mit
Ministerialdirektor Buttmann über die bestehenden Differenzen
hinsichtlich der Durchführung des Konkordats zuzustimmen.
LXXI
VATIKAN
1933
64 11. 11. Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen an den Bot-
schaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen 110
Papen berichtet über seine Bemühungen, mit dem katholischen
Episkopat zu einer Verständigung über die Beilegung der zwi-
schen Reichsregierung und Vatikan bestehenden Differenzen zu
gelangen.
98 3. 12. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 170
Bergen berichtet, Pacelli empfinde das Ausbleiben jeglicher
Nachrichten seitens Buttmanns als Mangel an Courtoisie. Der
Botschafter empfiehlt, Buttmann solle dem Kardinalstaatssekre-
tär möglichst bald seine Bereitschaft zur Fortsetzung der Ver-
handlungen mitteilen.
121 12. 12. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
die Botschatt beim Heiligen Stuhl 205
Die Reidisregierung hat den Willen, die Verhandlungen mit
dem Heiligen Stuhl über die schwebenden Streitfragen fortzu-
führen, sie erwartet aber keine sofortigen abschließenden Ver-
einbarungen.
LXXII
VATIKAN
1933
149 27. 12. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 270
Papst Pius XI. hat in einer Unterredung mit Bergen Kritik an
der Entwicklung in Deutschland geübt. Bergen hat anschließend
mit Pacelli die Ausführungen des Papstes sowie den Weih-
nachtshirtenbrief der österreichischen Bisehöfe erörtert.
152 28. 12. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an den Reichs-
minister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 276
Bergen rät zu einer schriftlichen Antwort auf das päpstliche
Promemoria vom 19. Oktober (Dokument Nr. 17). Die Antwort
müsse so abgefaßt sein, daß sie mögliche Absichten des Vati-
kans durchkreuze, über die Differenzen zwischen der Reichsre-
gierung und dem Heiligen Stuhl hinsichtlich des Konkordats
ein Weißbuch zu veröffentlichen.
1934
177 11. 1. Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath an
den Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen 331
Neurath übermittelt den Text eines Memorandums, das eine
Antwort auf verschiedene Memoranden und Noten des Heiligen
Stuhls betreffend die Durchführung der Konkordatsbestimmun-
gen darstellt und das Bergen Pacelli überreichen soll.
239 5. 2. Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 441
Bemerkungen Bergens zu einer Note des Heiligen Stuhls vom
31. Januar, die das Memorandum der Reiehsregierung vom
15. Januar (Dokument Nr. 177) beantwortet hat, und zu der
Rolle des Prälaten Kaas in Rom.
265 16. 2. Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Aus-
wärtige Amt 491
Der Heilige Stuhl erwägt angeblich erneut die Publikation eines
Weißbuches, um seine Haltung in der Auseinandersetzung mit
der Reichsregierung öffentlich zu rechtfertigen. Bergen regt an,
Beschwerdematerial gegen deutsche Geistliche zusammenzustel-
len.
272 20. 2. Der Jugendiührer des Deutschen Reiches von Schirach an den
Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen 506
Schirach gibt sein Einverständnis zu Richtlinien für die Einglie-
derung der katholischen Jugendorganisation in die Hitler-
jugend.
LXXIII
VATIKAN / VEREINIGTE STAATEN V O N AMERIKA
1934
370 29. 3. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen (z. Z. Berlin)
an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 675
In einer Besprechung über das deutsche Verhältnis zum Vatikan
hat Hitler für die Verhandlungen Buttmanns Weisungen hin-
sichtlich der katholischen Jugendorganisation erteilt.
383 7. 4. Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen an den Bot-
schalter beim Heiligen Stuhl von Bergen 696
Überblick über das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und
Staat in Deutschland. Erörterung von Möglichkeiten zur Bei-
legung der gegenwärtigen Differenzen.
406 18. 4. Runderlaß des Auswärtigen Amts 735
Unterrichtung der Auslandsvertretungen über die Haltung der
Reichsregierung in der Auseinandersetzung mit der katholi-
schen Kirche über die Durchführung des Konkordats. Die Reichs-
regierung beabsichtige nicht, eine antichristliche Politik einzu-
leiten, könne aber den Mißbrauch von Kanzel, Beichtstuhl,
Schule und kirchlichen Vereinen zur Agitation nicht dulden.
463 24. 5. Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an den Reichs-
minister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 823
Bergen schlägt vor, daß die neue Beschwerdenote des Heiligen
Stuhls Hitler vorgelegt wird. Sofern sich die Reichsregierung
nicht zu einer Bereinigung der schwebenden Fragen und zur Er-
füllung der übernommenen Verpflichtungen entschließt, erseheint
ein Zusammenstoß unvermeidlich. Ein päpstlicher Vorwurf der
mangelnden Vertragstreue würde von anderen Mächten, wie
z. B. Frankreich, sicher gern aufgegriffen werden, um die Glaub-
würdigkeit aller von Deutsehland vorgeschlagenen Abmachungen
und Verpflichtungen von vornherein in Zweifel ziehen zu kön-
nen.
LXXIV
VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA
1934
248 11.2. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 456
Luther warnt davor, die im Oktober 1933 erlassenen Richtlinien
betreffend den Bund der Freunde des Neuen Deutsehland (Doku-
ment Nr. 5) wieder zu ändern und nationalsozialistische Orts-
gruppen in den USA neu zu gründen.
294 3.3. Der Botschalter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 538
Luther berichtet, er habe Außenminister Hüll den in Dokument
Nr. 284 enthaltenen Vorschlag unterbreitet, daß zur Erörterung
der deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen eine deut-
sche Delegation nach Washington entsandt werden könne. Hüll
habe den Gedanken begrüßt, halte jedoch den gegenwärtigen
Zeitpunkt für derartige Verhandlungen für ungeeignet.
LXXV
VEREINIGTE STAATEN V O N AMERIKA
1934
307 8. 3. Der Bolsdiatter m Washington Luther an das Auswärtige Amt 559
Bericht über den Verlauf der Anti-Hitler-Kundgebung vom
7. März in New York. Luther sehlägt vor, die Angelegenheit
nach außen hin zu ignorieren, aber auf diplomatischer Ebene
unter Hinweis auf Einzelheiten der Veranstaltung scharfen
Protest zu erheben.
315 10. 3. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die
Botschalt in Washington 569
Bülow erklärt sich mit dem in Dokument Nr. 307 enthaltenen
Vorschlag einverstanden, daß die Anti-Hitler-Kundgebung nach
außen hin ignoriert werden soll. Luther wird angewiesen, er-
neut im State Department Protest einzulegen und zu erklären,
daß die deutsch-amerikanischen Beziehungen durch ständige
Verhetzung einer schweren Belastung unterworfen würden.
347 22. 3. Der Botsdialter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 637
Bericht über eine Sitzung des Repräsentantenhauses, in der die
Gesetzesvorlage für die Einsetzung eines Ausschusses zur
Untersudiung nationalsozialistischer Umtriebe in den USA ange-
nommen wurde.
356 24. 3. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 655
Luther berichtet über eine Unterredung mit Hüll, in der er wei-
sungsgemäß gegen die antideutsche Propaganda in den Ver-
einigten Staaten protestiert hat
359 27. 3. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 660
Luther berichtet, bei einem von Hüll in der in Dokument
Nr. 356 wiedergegebenen Unterredung angesprochenen Schrift-
stück handele es sich um die Aufzeichnung zur Unterredung
Neuraths mit Dodd vom 5. März (Dokument Nr. 297).
LXXVI
VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA
1934
367 29. 3. Die amerikanische Botschatt in Berlin an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath 673 -^
Der amerikanische Geschäftsträger übermittelt Neurath, in Er-
widerung der von Hitler an Roosevelt gesandten Botschaft
(Dokument Nr. 325), eine Botschaft Roosevelts an Hitler.
395 10. 4. Aulzeichnung des Ministerialdirektors Diedihoii 720
Aufzeidinung über eine Unterredung mit dem amerikanischen
Geschäftsträger, der ein Aide-memoire mit der Stellungnahme
der amerikanischen Regierung zu der am 5. März Dodd über-
gebenen Aufzeichnung überreicht hat.
410 20. 4. Der Botschaiter in Washington Luther an das Auswärtige Amt 741
Unter Hinweis auf Dokument Nr. 259 berichtet Luther, Kapitän
Mensing habe ihn gebeten, beim Department of State festzu-
stellen, ob gegen die Bestellung eines NS-Vertrauensmannes
in den Vereinigten Staaten wie auch gegen die Ernennung eines
Kassierers für die Beitragseinziehung Bedenken bestünden.
Das State Department habe auf seine Anfrage ablehnend reagiert,
mit der Begründung, jede Form des Obergreifens der NSDAP
auf die Vereinigten Staaten würde von vielen amerikanischen
Bürgern übel vermerkt werden.
LXXVII
DOKUMENTE
Nr. 1 14. OKTOBER 1933
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind sich einig in
dem Willen, eine Politik des Friedens, der Versöhnung und der Verständi-
gung zu betreiben, als Grundlage aller Entschlüsse und jedes Handelns.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk lehnen daher die
Gewalt als ein untaugliches Mittel zur Behebung bestehender Differenzen
innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft ab.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk erneuern das Be-
kenntnis, jeder tatsächlichen Abrüstung der Welt freudig zuzustimmen, mit
der Versicherung der Bereitwilligkeit, auch das letzte deutsche Maschinen-
gewehr zu zerstören und den letzten Mann aus dem Heere zu entlassen,
insofern sich die andern Völker zu gleichem entschließen.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk verbinden sich in
dem aufrichtigen Wunsche, mit den anderen Nationen einschließlich aller
unserer früheren Gegner im Sinne der Überwindung der Kriegspsychose
und zur endlichen Wiederherstellung eines aufrichtigen Verhältnisses unter-
einander alle vorliegenden Fragen leidenschaftslos auf dem Wege von Ver-
handlungen prüfen und lösen zu wollen.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk erklären sich daher
auch jederzeit bereit, durch den Abschluß kontinentaler Nichtangriffspakte
auf längste Sicht den Frieden Europas sicherzustellen, seiner wirtschaft-
lichen Wohlfahrt zu dienen und am allgemeinen kulturellen Neuaufbau
teilzunehmen.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind erfüllt von der
gleichen Ehrauffassung, daß die Zubilligung der Gleichberechtigung
Deutschlands die unumgängliche moralische und sachliche Voraussetzung
für jede Teilnahme unseres Volkes und seiner Regierung an internationalen
Einrichtungen und Verträgen ist.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind daher eins in
dem Beschlüsse, die Abrüstungskonferenz zu verlassen und aus dem
Völkerbund auszuscheiden,2) bis diese wirkliche Gleichberechtigung unse-
rem Volke nicht mehr vorenthalten wird.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind entschlossen,
lieber jede Not, jede Verfolgung und jegliche Drangsal auf sich zu nehmen,
*(l) Der Text des Aufrufs wurde nachgedruckt aus Dokumente der Deutschen Politik, Bd. I,
7. Auflage, Berlin 1942, S. 115-16. Hitler persönlich erließ am 14. Oktober ebenfalls
einen Aufruf an das deutsche Volk und hielt außerdem am Abend des gleichen Tages
eine Rundfunkansprache. Der Aufruf Hitlers ist abgedruckt ebenda, S. 113-15: eine
englische Übersetzung findet sich in Documents on International Allairs, 1933, S. 287-89.
Die Rundfunkrede Hitlers ist abgedruckt in Dokumente der Deutschen Politik, Bd. I,
S. 116-25; Auszüge in englischer Übersetzung finden sieh in Documents on International
Allairs, 1933, S. 289-94.
Siehe auch Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 499.
(2) Neurath übermittelte Avenol am 19. Oktober die offizielle Mitteilung des deutsehen
Austritts aus dem Völkerbund (8692/E 607 636).
11,1 Bg. 1
Nr. 2 16. OKTOBER 1933
als künftighin Verträge zu unterzeichnen, die für jeden Ehrenmann und für
jedes ehrliebende Volk unannehmbar sein müssen, in ihren Folgen aber nur
zu einer Verewigung der Not und des Elends des VersaiUer Vertrags-
zustandes und damit zum Zusammenbruch der zivilisierten Staatengemein-
schaft führen würden.
Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk haben nicht den
Willen, an irgendeinem Rüstungswettlauf anderer Nationen teilzunehmen,
sie fordern nur jenes Maß an Sicherheit, das der Nation die Ruhe und
Freiheit der friedlichen Arbeit garantiert. Die deutsche Reichsregierung und
das deutsche Volk sind gewillt, diese berechtigten Forderungen der deut-
schen Nation auf dem Wege von Verhandlungen und durch Verträge sicher-
zustellen.
Die Reichsregierung richtet an das deutsche Volk die Frage: Billigt das
deutsche Volk die ihm hier vorgelegte Politik seiner Reichsregierung und
ist es bereit, diese als den Ausdruck seiner eigenen Auffassung und seines
eigenen Willens zu erklären und sich feierlich zu ihr zu bekennen? s)
DIE REICHSREGIERUNG
(3) Hitler gab in seinem Aufruf (siehe Anm. 1) bekannt, er habe dem Reichspräsidenten
empfohlen, die Politik der Reichsregierung dem deutschen Volke zur Stellungnahme
vorzulegen und Neuwahlen zum Reichstag abzuhalten. Als Datum wurde der 12. Novem-
ber festgelegt.
2
7467/H 178 874-75
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow
an die Botschaft in Rom
Telegramm
Nr. 247 BERLIN, den 16. Oktober 1933 11 Uhr 30
zu II F. Abr. 3298 »)
Auf Tel[egramme Nr.] 229 und 2302).
Hinweis auf Rom-Pakt3) für uns unmöglich, da dieser besonders in
Präambel mit Völkerbundsgrundsätzen durchsetzt, was Franzosen bequemen
Vorwand zur Ablehnung seiner Anwendung gibt. Ablehnung eines deut-
schen Verhandlungsangebots wäre schwere Niederlage für uns. Rom-Pakt
kommt für uns erst in Frage, wenn sichergestellt, daß übrigen Mächte
bereit ihn anzuwenden.
Letzter italienischer Vermittelungsvorschlag 4) keine Verhandlungsbasis,
da er in gemilderter Form die Grundsätze Simons wiedergibt und nicht von
*(l) II F.Abr. 3298: Telegramm Hasseils Nr. 229 vom 14. Oktober, abgedruckt in Serie C,
Bd. 1,2, Dokument Nr. 500.
(2) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 502.
(3) Der Text des Viermächtepakts ist abgedruckt in Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 292.
*(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 494.
2
Nr. 3 16. OKTOBER 1933
3
8115/E 580 081-83
Der Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Vertraulich ROM (VAT.), den 16. Oktober 1933 13 Uhr 45
Nr. 71 vom 15.10. Ankunft: 16. Oktober 15 Uhr 55
II Vat. 451
Im Anschluß an Tel[egramm Nr.] 70 vom 14. [10.] *)
Für Reichsminister.
Bei Abwicklung wichtiger Aktionen und Ausgleich von Differenzen bildet
die Starrheit und Unberechenbarkeit Papstes 2 ) oft schwere Hemmungen, die
selbst der einflußreiche und realpolitisch eingestellte Kardinalstaatssekretär
nicht mehr zu beheben vermag. Dies Hindernis war bei Konflikt zwischen
Kurie und italienischer Regierung im Jahre 1931 deutlich erkennbar, des-
gleichen bei der Ratifizierung,3) die Botschaftsrat Klee während meines
Urlaubs nur mit größter Mühe vor Antritt Erholungsurlaubs Kardinalstaats-
sekretärs in der Schweiz durchsetzen konnte, und macht sich jetzt wieder
störend geltend. Kardinal Pacelli hat sein Versprechen erfüllt und nach
unserer telegrafisch gemeldeten Unterhaltung 4 ) Papst Vortrag gehalten.
Papst äußerte darauf nach freundlichen Bemerkungen über meine Person,
daß er trotz aller neu vorgebrachten Argumente es für nötig erachte, an
seiner Weisung festzuhalten, er wünscht sogar eine sehr scharfe Form der
abzusendenden Protestnote. Kardinal war im Begriff, diesem Befehl zu ent-
sprechen, hat aber unter Druck unserer neuen ernsten Darlegungen be-
schlossen, nochmals beim Papst vorstellig zu werden.
Kardinal erklärte sich wiederholt gern bereit, Ministerialdirektor Butt-
mann jeden Augenblick zu empfangen und in Besprechungen mit ihm einzu-
treten; 5) ich erwiderte, daß ich dessen Entsendung nach Rom nicht be-
antragen würde, solange die Protestdrohung schwebt, daß die Protestein-
3
Nr. 3 16. OKTOBER 1933
(6) Epp.
P) In der Vorlage heißt es: .die Minister". Der Text wurde nach einer anderen Ausferti-
gung des Dokuments aus den Akten der Botschaft Vatikan (8125/E 581 730-32) richtig-
gestellt. Bayerischer Ministerpräsident war Siebert.
(8) Sdiemm.
(») Wagner.
(10) Vecchi di Val Cismon.
(ii) Der Hinweis bezieht sich auf einen Artikel, der sich mit Fällen ungerechtfertigter
Befehlsanmaßung durch nachgeordnete deutsche Stellen beschäftigte. Er war am 5. Okto-
ber u. a. im Messagero nachgedruckt worden und ist gefilmt unter 8125/E 581 733.
4
Nr. 5 16. OKTOBER 1933
4
7467/H 178 877
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 232 v o m 16. 10. ROM (QUIR.), d e n 16. O k t o b e r 1933 20 Uhr
Ankunft: 16. Oktober 23 Uhr 15
II F. Abr. 3326
Auf Telegramm Nr. 247 v o m 16. [10.] »)
Meine Telegramme Nr. 229 2) u n d 230 3 ) gingen, da mir anderes nicht mit-
geteilt war, d a v o n a u s , d a ß w i r n u r a u s Abrüstungskonferenz ausgetreten
seien. In diesem Sinne h a b e ich mit Mussolini gesprochen und h a t er seine
A n r e g u n g gegeben. Nachdem ich eine halbe Stunde nach Besprechung mit
Mussolini durch Zeitungsleute Austritt aus Völkerbund erfahren hatte,
h a b e ich Mussolini dies privatbrieflich mitgeteilt und ihn auf Grund tele-
fonischer Rücksprache mit Baron v o n Neurath durch Mitglied italienischen
Außenministeriums v e r s t ä n d i g e n lassen, daß durch Austritt aus Völkerbund
neue Sachlage geschaffen, die natürlich Hinweis auf Viererpakt in Kanzler-
rede unmöglich mache.
HASSELL
5
K 1052/K 269 239-42
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Fuehr
BERLIN, d e n 16. O k t o b e r 1933
III A. 3376
AUFZEICHNUNG
Von Herrn Generalkonsul Dr. Kiep eingeführt, erschienen heute bei dem
Unterzeichneten im A u s w ä r t i g e n Amt Herr Kapitän F. C. Mensing v o n d e r
New Yorker A g e n t u r d e s Norddeutschen Lloyd und Herr W a l t e r H. Schel-
lenberg ') v o n der Firma Robert C. M e y e r & Co. in N e w York, mit denen
in Gegenwart d e s d e m G e n e r a l k o n s u l a t in N e w York zugeteilten Attaches
(1) In den Unterlagen über eine spätere Vernehmung vor einem amerikanischen Kongreß-
ausschuß wurde der Name „Schallenberg" geschrieben. Siehe fnves/igafion of Nazi
Propaganda Activities and Investigation oi Cerlain Olher Propaganda Activities:
Hearings before the House Special Committee on Un-American Activities, 73rd. Cong.,
2nd sess., Hearings Nr. 73-NY 7 (July 9-12, 1934), S. 145-55.
5
Nr. 5 16. OKTOBER 1933
(2) Luther hatte in Telegrammen Nr. 558 und 559 vom 10. Oktober (K 1052/K 269 226-29) be-
richtet, der Abgeordnete Dickstein aus New York, Vorsitzender des Einwanderungs-
ausschusses des Repräsentantenhauses, habe angekündigt, er werde in Kürze eine
Sitzung des Unterausschusses zur Untersuchung pro-nationalsozialistiseher Tätigkeiten
in den USA einberufen.
*(3) Hier wurden folgende Worte gestrichen: „wahrscheinlich Herrn Kapitän Mensing".
4
*( ) Hier wurden folgende Worte gestrichen: „mit der Befugnis, zuwiderhandelnden Pg. Pg.
die Parteizugehörigkeit zu entziehen".
*(5) Randbemerkung Fuehrs: „Nicht mit abschreiben: Bei einem Besuch am 19. X. teilte
Herr K[a]p[i]t(än] Mensing mit, daß Herr Bohle es nachträglich (aus finanziellen
Bedenken) abgelehnt habe, Spanknöbel direkt abzuberufen. Vielmehr werde er ihm nur
die weitere parteipolitische Tätigkeit streng untersagen und ihm anheimstellen, wegen
seiner evtl. Rückkehr selber Vorschläge zu machen."
6
Nr. 5 16. OKTOBER 1933
7
Nr. 6 16. OKTOBER 1933
6
8115/E 580 087-88
Der Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 72 vom 16. 10. ROM (VAT.), den 17. Oktober 1933 7 Uhr 55
Ankunft: 17. Oktober 11 Uhr 45
II Vat. 452
Im Anschluß an Telegramm Nr. 71 vom 15. d. M.1)
Für Herrn Reichsminister.
In einer ausdrücklich als rein privat charakterisierten freundschaftlichen
Unterhaltung haben Kardinalstaatssekretär 2 ) und ich heute nach einem
Weg gesucht, um den drohenden Konflikt abzuwenden und eine Lösung zu
finden, die auch Wünschen des Papstes 3) entgegenkäme. Schließlich habe
ich Kardinal folgenden Vorschlag gemacht: Ich bäte ihn, in meinem Namen
S. Heiligkeit zunächst nochmals meine ernsten Bedenken gegen eine Protest-
note wegen der daraus zu erwartenden Verzögerung der geplanten Ver-
handlungen und den noch ernsteren Bedenken gegen eine öffentliche Kritik
wegen der dann unausbleiblichen schweren Konflikte darzulegen und dann
zu sagen: Der wichtigste Artikel des Konkordats wäre für mich die Nr. 33
Absatz 2,4) der eine freundschaftliche Erledigung auftauchender Schwierig-
keiten vorsehe. Die Reichsregierung habe sich mehrfach zur Aufnahme von
Verhandlungen mit der Kurie bereit erklärt, und ihr Delegierter Ministerial-
direktor Buttmann wäre bereits auf dem Wege nach Rorschach gewesen,
aber auf Wunsch des Papstes zurückgerufen worden.5) Ich vorschlüge nun-
mehr baldigst Aufnahme der Verhandlungen und würde zu dem Zweck bei
meiner Regierung noch heute die möglichst umgehende Entsendung des
Herrn B. nach Rom beantragen. Kardinalstaatssekretär würde letzterem von
dem Beschwerdematerial soweit tunlich Kenntnis geben und ihm bei An-
kunft statt der Protestnote ein Memorandum über die Beschwerde Heiligen
Stuhls mit einem Begleitbrief zugehen lassen. Kardinal will S. Heiligkeit
morgen in dem Sinne Vortrag halten und erhofft dessen Zustimmung. Ich
darf meinerseits bitten, Ministerialdirektor B. einzuziehen, baldigste Her-
reise veranlassen zu wollen; auch möchte ich empfehlen, daß die von ihm
aufzunehmenden Verhandlungen ohne Hast geführt werden.
Auf diese Weise ist dieses Mal noch, hoffe ich, ein ernster Konflikt mit der
Kurie abgebogen worden, doch wird sich ein solcher auf die Dauer nur dann
vermeiden lassen, wenn wir den Wünschen Kurie, soweit sie berechtigt
sind, Rechnung tragen und regierungsseitig bindende Zusicherungen für die
8
Nr. 7 17. OKTOBER 1933
(6) Neurath teilte Bergen in Telegramm Nr. 37 vom 18. Oktober (8115/E 580 091) mit:
.Angelegenheit mit Reichskanzler besprochen. Buttmann erhält Anweisung, noch im
Laufe dieser Woche nach Rom zu reisen. Er wird mit nötigen Instruktionen und Voll-
machten versehen. Bitte Kardinalstaatssekretär entsprechend verständigen."
Siehe Dokument Nr. 17.
7
8933/E626 711
Gestern abend bei einem Essen auf der japanischen Botschaft sagte mir
der Botschafter Nagai, es w ä r e jetzt doch vielleicht für Deutschland der
Augenblick gekommen, um Mandschukuo anzuerkennen. Deutschland sei
an den Völkerbund nicht mehr gebunden; 2 ) die japanische Regierung w ü r d e
die A n e r k e n n u n g Mandschukuos auf das lebhafteste begrüßen; andererseits
seien die Franzosen in der Mandschurei sehr tätig und suchten dort wirt-
schaftlich einzudtingen.
Ich e r w i d e r t e dem Botschafter, daß auch ohne die Bindungen des Völker-
bundes u n s e r e Beziehungen zu China u n s große Zurückhaltung in der Frage
der A n e r k e n n u n g Mandschukuos auferlegten.
Hiermit H e r r n Staatssekretär über Abteilung IV vorgelegt.
v. DIRKSEN
*(i) Dirksen war am 31. August 1933 zum Botschafter in Tokio ernannt worden. Er ver-
ließ Moskau endgültig am 3. November (siehe Dokument Nr. 44) und trat seinen
Dienst in Tokio am 16. Dezember an. Vom 21. August bis zum 26. Oktober befand er
sieh in Urlaub und wurde am 18. Oktober von Hitler zu einer Unterredung empfangen
und mit Weisungen versehen. Siehe hierzu Dokument Nr. 237.
(2) Randbemerkung Bülows: „USA auch nichtl"
9
Nr. 8 17. OKTOBER 1933
8
3154/D 670 125-26
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 17. Oktober 1933
RM. 1438
AUFZEICHNUNG
Heute morgen suchte mich der französische Botschafter auf, um sich vom
Urlaub zurückzumelden. Herr Poncet erzählte, er sei von Paris abgereist,
als unsere Entschließung über den Austritt aus der Abrüstungskonferenz
und dem Völkerbund dort bekannt geworden sei. Er habe keine Gelegen-
heit mehr gehabt, sich mit Herrn Daladier darüber zu unterhalten. Herr
Poncet begann dann an meiner gestrigen Rede l) zu kritisieren, daß ich be-
hauptet hätte, man wolle von französischer Seite 8 Jahre lang nicht ab-
rüsten. Das sei nicht richtig, man hätte sich doch bereit erklärt, nach den
ersten 4 Jahren in Abständen von 2 zu 2 Jahren die schweren Waffen
allmählich zu zerstören und uns auch eine gewisse Aufrüstung zuzuge-
stehen. Ich sagte Herrn Poncet, ich hätte zwar in Genf am letzten Tage 2)
von einer gewissen Absicht der französischen Regierung, in der zweiten
Hälfte der Abrüstungskonvention einen Teil der schweren Waffen aufzu-
geben, gehört, dagegen sei mir nichts davon bekannt geworden, daß man
uns die verlangte qualitative Gleichberechtigung zugestehen wolle. Im
übrigen hätte er etwas vergessen, nämlich, daß auch diese eventuelle
Abrüstung der zweiten Periode von einer Prüfung des Funktionierens der
Kontrolle über unsere in der ersten Periode zu vollziehende Umbildung
unserer Reichswehr etc. abhängig gemacht worden sei. Herr Poncet wußte
darauf nichts zu erwidern. Er begann dann zu fragen, wie ich mir die
zukünftige Entwicklung denke. Ich verwies ihn auf den Schluß meiner
gestrigen Rede.8)
(1) Neurath hatte am 16. Oktober vor Vertretern der ausländischen Presse eine Rede ge-
halten, in der er die von der deutschen Regierung in Genf unternommenen Schritte
erläuterte. Der Text der Rede ist abgedruckt in Dokumente der Deutschen Politik, Bd. I,
S. 125-33; Auszüge in englischer Übersetzung finden sich in Documents on International
Allairs, 1933, S. 294-98.
(2) Gemeint ist der letzte Tag von Neuraths Aufenthalt in Genf. Siehe Serie C, Bd. 1,2,
Dokument Nr. 472.
*(3) Am Ende seiner Rede hatte Neurath im Hinblick auf die Zukunft folgende Erklärung
abgegeben: „Meine Damen und Herren! Sie werden midi vielleicht fragen: Was nun?
Die Antwort auf diese Frage ist aber nicht Sache Deutschlands, sondern Sache der
anderen Mächte. Diese haben jetzt das Wort. Die Konferenz in Genf mag doch zeigen,
ob sie etwas leisten kann. Unser Ausseheiden braucht für ihre Arbeiten kein Hindernis
zu bilden, da wir abgerüstet sind und da niemand den gewaltigen Rüstungsabstand
zwischen uns und den anderen leugnen kann. Die anderen haben jetzt zwar nicht mehr
die Möglichkeit, ihre Bemühungen auf eine zweite Entwaffnung Deutschlands zu kon-
zentrieren, dafür zeigt sich ihnen aber hoffentlich um so klarer die Aufgabe, sieh über
ihre gegenseitige Abrüstung zu einigen. Sie haben damit auch das künftige Schicksal
des Völkerbundes in der Hand, dessen Versagen in der Durchführung der allgemeinen
Abrüstung und der Herstellung der deutschen Gleichberechtigung ihn jeden Wertes für
Deutschland beraubt hat. Er hat sein praktisches Hauptziel, die Ausführung des Artikels
8 seiner Satzung, nicht erfüllt. Damit haben die hochgerüsteten Staaten eine der
elementarsten ihrer Bundespflichten verletzt. Deutschland wird selbstverständlich ernste
10
Nr. 9 17. OKTOBER 1933
Sodann kam Herr Poncet auf die Rede des Reichskanzlers vom 14.4) zu
sprechen und erklärte, durch diese Rede sei die Stellung Daladiers in Frank-
reich erschwert worden, da das Angebot direkter Verhandlungen zu „bru-
tal" gemacht worden sei. Ich erwiderte Herrn Poncet: Zunächst bezweifelte
ich, ob wirklich eine Verschlechterung der Stellung Daladiers eingetreten
sei. Im übrigen könnte man es den Franzosen nie recht machen. Jede Geste
von unserer Seite werde dort mit Mißtrauen aufgenommen. Herr Poncet
ging sodann auf die in der Kanzlerrede erwähnte Saarfrage 5 ) ein und
erging sich in Spekulationen, wie man diese lösen könne, wobei er eine
Lösung ohne Abstimmung als unmöglich zurückwies. Im übrigen könnte
man ja daran denken, eine gemischte Verwaltung für etwa 10 Jahre oder
die Einteilung in Zonen einzuführen. Ich lehnte diese Ideen als absurd ab.
Auf das Drängen Herrn Poncets, ihm mitzuteilen, wie wir die direkten Ver-
handlungen mit Frankreich zu führen gedächten, erwiderte ich, daß ich
zunächst einmal die Wirkungen unserer Entschlüsse abwarten wolle, ehe
ich mir darüber den Kopf zerbräche, wie wir die direkten Verhandlungen
führen könnten, und stellte ihm anheim, sich auch seinerseits darüber zu
besinnen, welcher Weg am ehesten zu einem Ergebnis führen könnte.6)
v. N[EURATH]
[Fortsetzung von Anm. 3]
Abrüstungsvorsdiläge jederzeit prüfen und auch weiterhin bereit bleiben, sich auf der
Grundlage der Gleichberechtigung über sein künftiges Rüstungsregime zu verstän-
digen."
4
( ) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1.
(5) Hitler hatte in seiner Rede hierzu ausgeführt: „Nach der Rückkehr des Saargebietes
zum Reich könnte nur ein Wahnsinniger an die Möglichkeit eines Krieges zwischen den
beiden Staaten denken, für den von uns aus gesehen dann kein moralisch oder ver-
nünftig zu rechtfertigender Grund mehr vorhanden ist."
*(') Der Bericht Francois-Poncets über diese Unterredung ist abgedruckt in Documents
Diplomatiques Frant;ais, 1. Serie, Bd. IV, Nr. 319.
9
3598/D 794 011-13
Aufzeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei)
Rk. 12176-77
NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE MINISTERBESPRECHUNG
AM 17. OKTOBER 1933, 4 UHR 30 NACHMITTAGS
Anwesend die Herren: Reichskanzler Adolf Hitler, Stellvertreter des
Reichskanzlers von Papen, Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von
Neurath, Reichsminister des Innern Dr. Frick, Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk, Reichswirtschaftsminister Dr. Schmitt, Reichs-
arbeitsminister Seldte, Reichsminister der Justiz Dr. Gürtner, Reichswehr-
minister von Blomberg, Reichspostminister und Reichsverkehrsminister
Freiherr von Eltz-Rübenach, Reichsminister für Ernährung und Landwirt-
schaft] Darre, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goeb-
bels, Reichsminister der Luftfahrt [und] Preußischer Ministerpräsident
Göring, Preußischer Finanzminister Dr. Popitz, Reichsbankpräsident Dr.
11
Nr. 10 17. OKTOBER 1933
(1) Das von Henderson am 16. Oktober an Neurath gerichtete Telegramm ist abgedruckt in
Documenfs on international Atlairs, 1933, S. 286.
10
7467/H178 896
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 235 vom 17. 10. ROM (QUIR.), den 17. O k t o b e r 1933 21 Uhr 05
Ankunft: 18. Oktober 0 Uhr 30
II F. Abr. 3345
Auf Telegramm Nr. 246 v o m 14. [10.] ')
Hatte heute Gelegenheit, Suvich im Sinne Weisung über unseren Stand-
p u n k t zu verständigen. Er meinte, d a ß italienische Regierung jeden W e g
12
Nr. 11 17. OKTOBER 1933
11
3015/D598 302
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 17. Oktober 1933
RM. 1439
Bei dem Empfang des Präsidenten des Danziger Senats Herrn Rauschning
durch den Herrn Reichskanzler brachte Rauschning zunächst die Sprache
auf die Schwierigkeiten, die ihm durch die lokalen SA, SS und auch den
Gauleiter Forster immer wieder gemacht würden und die eine Gefährdung
der Autorität der Danziger Regierung sowie ihrer Bestrebungen, zu einem
Ausgleich mit Polen zu kommen, darstellten. Der Kanzler verwies Herrn
Rauschning deswegen an den Stabschef Röhm, der von ihm Weisungen
erhalten werde. Sodann kam Herr Rauschning auf die beabsichtigte Trans-
aktion mit der Bank Polski*) zu sprechen. Der Kanzler verwies Herrn
Rauschning an den Reichsbankpräsidenten Schacht und an mich, da er über
diese technischen Fragen nicht genügend Bescheid wisse. Im übrigen billigte
der Kanzler die Bestrebungen der Danziger Regierung, soweit dies ohne
Gefährdung des deutschen Charakters von Danzig und der deutschen Inter-
essen überhaupt möglich sei, zu einer Verständigung mit Polen auf allen
Gebieten zu kommen.
Herr Rauschning schlug dem Kanzler endlich noch ein Zusammentreffen
zwischen ihm und Pilsudski vor. Der Reichskanzler lehnte den Gedanken
nicht vollständig ab, meinte jedoch, die Angelegenheit müßte gut vorbe-
(1) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 491 und 492
13
Nr. 12 17. OKTOBER 1933
12
6609/E 497 254-63
Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt')
A 2251 MOSKAU, den 17. Oktober 1933
Ankunft: 19. Oktober
IV Ru. 4632
POLITISCHER BERICHT
14
Nr. 12 17. OKTOBER 1933
Es ist aber auch ebenso gut möglich, daß Herr Litwinow es vermeiden
wollte, daß durch Herrn Krestinski die Wiederanbahnung der deutsch-
sowjetischen guten Beziehungen erfolge. Als dann von deutscher Seite das
Ausbleiben Krestinskis politisch gewertet wurde, hat sich Herr Litwinow
beeilt, durch eine Erklärung diesen ungünstigen Eindruck zu verwischen,
und dabei als Bonbon die altbekannten Erklärungen wiederholt, ohne je-
doch dabei den materiellen Inhalt etwaiger Verhandlungen irgendwie zu
berühren.
Auf jeden Fall aber bleibt als erfreuliche Tatsache bestehen, daß Herr
Litwinow es für nötig hielt, diese Erklärungen im jetzigen Augenblick ab-
zugeben, und daß durch das Ausbleiben weiterer Zwischenfälle in Deutsch-
land die allgemeine Atmosphäre hier eine gewisse Beruhigung zeigt.
TWARDOWSKI
[Anlage]
MOSKAU, den 16. Oktober 1933
AKTENNOTIZ
(5) Die Aufzeichnung Dirksens über seine Unterredungen mit Chintschuk in Berlin ist als
Dokument Nr. 14 gedruckt.
(«) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 438 und 487.
(7) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 461.
15
Nr. 12 17. OKTOBER 1933
16
Nr. 12 17. OKTOBER 1933
aufs äußerste überrascht, daß Herr Litwinow sich nicht darüber orientiert
fühle, daß die Anwesenheit des Herrn Krestinski in Berlin die Gelegenheit
geboten hätte, ohne die Prestigefrage anzuschneiden, in Erörterungen über
die Beilegung des deutsch-sowjetischen Konfliktes einzutreten. Hier unter-
brach mich Herr Litwinow mit den Worten, daß es nicht weiterführe, gegen-
seitig Höflichkeitsphrasen auszutauschen und unter vier Augen die Ver-
sicherung abzugeben, daß man in guten Beziehungen zu leben wünsche,
wenn nicht etwas Ernsthaftes daraufhin geschehe. Er habe nicht den Ein-
druck gehabt, daß anläßlich der Anwesenheit des Herrn Krestinski in Berlin
mehr als dieses von deutscher Seite beabsichtigt gewesen sei. Es müsse
auch bedacht werden, daß nach Ausbruch des akuten Konfliktes zwischen
Deutschland und der Sowjetunion es in der Welt einen falschen Eindruck
gemacht hätte, wenn Krestinski nach Berlin gekommen wäre. Dies wäre nur
möglich gewesen, wenn tatsächlich durch den Aufenthalt des Herrn
Krestinski in Berlin eine Beilegung des Konfliktes zu erreichen gewesen
wäre. Darüber habe man der Sowjetregierung von deutscher Seite keine
Mitteilungen gemacht. Er möchte noch einmal wiederholen, die Sowjet-
regierung habe sich in die Urlaubspläne des Herrn Krestinski nicht einge-
mischt und habe keine Veranlassung gesehen, ihn nach Berlin zu beordern.
Wenn auf deutscher Seite tatsächlich die Absicht vorhanden gewesen wäre,
in ernsthafte Besprechungen einzutreten, so wäre er natürlich bereit ge-
wesen, Herrn Krestinski nach Berlin zu entsenden und ihm entsprechende
Instruktionen zu geben. Ich erwiderte, daß die Situation natürlich nicht so
gewesen sei, daß etwa deutscherseits beabsichtigt gewesen wäre, an die
Sowjetregierung die Aufforderung zu richten, Herrn Krestinski mit Ver-
handlungen in Berlin zu beauftragen, sondern daß man bei uns der Auf-
fassung gewesen wäre, daß der zufällige Besuch von Herrn Krestinski in
Berlin die Möglichkeit ergeben könne, um einen verantwortlichen Staats-
mann der Sowjetunion mit den verantwortlichen Leitern der deutschen Poli-
tik in Berührung zu bringen, damit die vorhandenen Mißverständnisse auf-
geklärt würden. Diese Gelegenheit sei leider von der Sowjetregierung nicht
ergriffen worden, obgleich der Herr Staatssekretär von Bülow dem Sowjet-
botschafter ausdrücklich die Bereitwilligkeit des Herrn Reichskanzlers,
Herrn Krestinski zu empfangen, mitgeteilt habe. Was meine Unterhaltungen
mit Herrn Stern anbelangt, so hätte ich allerdings nicht nur den Eindruck
gehabt, sondern jeder Zweifel sei unmöglich gewesen, daß bei der gegen-
wärtigen Stimmung der Sowjetregierung Verhandlungen mit Aussicht auf
Erfolg nicht möglich wären und daß insbesondere während der Dauer des
Leipziger Prozesses wegen der Frage der Zulassung der Sowjetjournalisten
zum Leipziger Prozeß9) eine Verständigung nicht zu erreichen sei. Ich sei
daher sehr erfreut, aus seinen Worten zu entnehmen, daß die Sowjetregie-
rung jederzeit bereit sei, in Verhandlungen über eine Beilegung des Kon-
fliktes einzutreten. Dies unterstrich Herr Litwinow noch einmal und bat
mich, seine Ausführungen nach Berlin zu telegraphieren.
Ich setzte dann Herrn Litwinow die Gründe auseinander, die Deutschland
zum Austritt aus dem Völkerbund und zum Verlassen der Abrüstungskonfe-
(») Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 428, 455, 457, 461, 467, 476 und 487.
17
II.l Bg. 2
Nr. 12 17. OKTOBER 1933
(10) Gemeint ist die Rundfunkrede Hitlers vom 14. Oktober. Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 1.
18
Nr. 13 18. OKTOBER 1933
*(rt) Nadolny war als Nachfolger Dirksens als Botsehafter in Moskau vorgesehen. Siehe
Dokument Nr. 7, Anm. 1.
13
3154/D 670 136-37
Aufzeichnung des Legationssekretärs von Kotze
BERLIN, den 18. Oktober 1933
NOTIZ
19
Nr. 14 18. OKTOBER 1933
14
9460/E 667 431-33
Autzeichnung des Botschafters in Moskau von Dirksen (z. Z. Berlin) •)
Geheim BERLIN,den 18. Oktober 1933
zu IV Ru. 46002) III
AUFZEICHNUNG
Die Gespräche, die ich mit dem Botschafter Chintschuk über den gegen-
wärtigen Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen gehabt habe, ver-
liefen folgendermaßen:
Nach meiner Ankunft in Berlin suchte ich Herrn Chintschuk am Donners-
tag, den 12. d.M. auf. Ich hatte kurz vorher einen Brief von Herrn von
Twardowski bekommen, dem seine Aufzeichnung über die Unterhaltung mit
Herrn Stern 3 ) beilag.
*(t) Siehe Dokument Nr. 7, Anm. 1. - Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen
V(öloker]s 21. 10."
(2) IV Ru. 4600: Telegramm Twardowskis Nr. 234 vom 16. Oktober (6609/E 497 247-51)
Siehe Dokument Nr. 12 und Anm. 2 dazu.
(3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 487.
20
Nr. 14 18. OKTOBER 1933
Ich sagte Herrn Chintschuk, ich bedauerte sehr, daß anläßlich der An-
wesenheit Herrn Krestinskis in Deutschland dieser von der ihm gebotenen
Gelegenheit zu politischen Unterhaltungen in Berlin, insbesondere zu einer
Besprechung mit dem Herrn Reichskanzler, keinen Gebrauch gemacht habe.
Schon aus der Tatsache, daß Herr Krestinski über Wien nach Hause ge-
fahren sei, sei eine Ablehnung der ihm gegebenen politischen Möglich-
keiten zu erkennen gewesen. Wenn irgendein Zweifel noch über die Ab-
sichten der Sowjetregierung bestanden habe, so sei dieser durch die Unter-
haltung von Herrn Stern mit Herrn von Twardowski beseitigt worden. Auf
den Vorhalt von Herrn von Twardowski über die Schlüsse, die wir aus
einem Ausweichen Herrn Krestinskis durch direkte Rückreise über Wien
ziehen müßten, habe Herr Stern ausdrücklich gesagt, man sei eben in
Kreisen der Sowjetregierung der Ansicht, daß zur Zeit die Atmosphäre für
politische Unterhaltungen mit Deutschland nicht günstig genug sei; infolge-
dessen solle lieber beiderseits eine günstigere Stimmung abgewartet
werden.
Herr Chintschuk bemühte sich, den Reiseweg von Herrn Krestinski als
lediglich durch den Wunsch der Konsultation eines Arztes in Wien be-
gründet hinzustellen; als ich ihm den Inhalt des Gespräches Twardowski-
Stern wiedergegeben hatte, wußte er sich nicht anders zu helfen als durch
die Ausrede, daß Herr Stern sicherlich nicht befugt gewesen wäre, in dieser
Weise zu sprechen. Die Sowjetregierung wünsche gute Beziehungen zu
Deutschland; im übrigen legte Herr Chintschuk immer erneut Wert darauf,
daß die Wiederzulassung der Sowjetjournalisten zum Leipziger Prozeß 4)
gewissermaßen die Vorbedingung für alles Weitere sei. Ich erwiderte ihm,
daß alle weiteren Ersuchen der Sowjetregierung in dieser Beziehung nutz-
los seien; durch die vollzogene Ausweisung der deutschen Journalisten aus
Moskau sei die Tür für Verhandlungen in jeder Beziehung zugeschlagen
worden.
Am Freitag, dem 13. d.M., traf ich Herrn Chintschuk wieder auf einer
Abendgesellschaft bei Geheimrat Krückmann. Herr Chintschuk fragte mich
nach meinen Reiseplänen, worauf ich ihm darlegte, daß ich meine Abreise
nach Japan vorverlegt hätte, insbesondere um schon vor dem 1. Januar
mein Beglaubigungsschreiben abgeben zu können. Dazu käme, daß ich
meinen Aufenthalt in Moskau auf das durch Abschiedsbesuche bedingte
Maß hätte einschränken können, da eine Gelegenheit zu weitergehenden
politischen Gesprächen ja nunmehr nicht bestände.
Herr Chintschuk war über diese Mitteilungen sichtlich betroffen und
fragte wiederholt, was denn nun zu tun sei. Ich erwiderte ihm, daß unserer-
seits zweifellos keine Schritte unternommen werden würden, seitdem die
Verhandlungsbereitschaft, die wir durch den in Aussicht genommenen
Empfang Herrn Krestinskis beim Herrn Reichskanzler gezeigt hätten,
russischerseits zurückgewiesen worden wäre.
Hiermit dem Herrn Reichsminister über den Herrn Staatssekretär und
Herrn Ministerialdirektor Meyer vorgelegt.
gez. v. DIRKSEN
21
Nr. 15 20. OKTOBER 1933
15
8911/E 621 809-11
Der Leiter des Verbindungsstabes der NSDAP an Gesandtschaftsrat Hüffer
Verbindungsstab der NSDAP BERLIN, den 20. Oktober 1933
Außenpol. Referat Ts. 1294
N./V.
Sehr geehrter Herr Doktor!
Im Anschluß an unsere gestrige Unterredung') übersende ich Ihnen in
Abschrift den mir von Pg. Wiegand von Hohen-Aesten eingereichten Brief
an Pg. Dr. Graeschke.2)
Heil Hitler!
Der Leiter des Verbindungsstabes
i. V. DEFHOLZ
[Anlage]
Abschrift
22
Nr. 17 19. OKTOBER 1933
Daß die beiden Diplomaten Wert darauf legen, vorerst die Meinung der
in Frage kommenden Parteifunktionäre hierüber zu hören, ergibt sich aus
der Stellung, die unsere Partei im Staate einnimmt, einer Stellung, mit der
jeder Diplomat unbedingt zu rechnen hat.
Indem ich Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, diese Information zur Kennt-
nis bringe, bitte ich Sie, sie an Ihre vorgesetzte Stelle weiterzuleiten und
dort zu erfragen, ob man höheren Orts bereit wäre, die von den Gesandten
Jugoslawiens und der Tschechoslowakei gewünschte Fühlung zu nehmen.6)
Heil Hitler!
(5) Siehe die Dokumente Nr. 68 und 91.
16
8580/E 601 927
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Völckers
Unter Umschlag BERLIN, den 19. Oktober 1933
e. o. IV Chi. 2366
Generaloberst von Seeckt wurde heute auf seinen Wunsch vom Herrn
Reichsminister empfangen. Herr von Seeckt berichtete dem Minister über
seine Chinareise l) und erwähnte bei der Gelegenheit, daß der Marschall
Chiang Kai-shek ihn aufgefordert habe, als militärischer Berater nach China
zu kommen. Der Herr Reichsminister hat Herrn von Seeckt erklärt, daß
diese Tätigkeit politisch für uns im Augenblick nicht tragbar sei, und hat
ihn ersucht, das Ansuchen abzulehnen. Herr von Seeckt hat dieses zugesagt.
Hiermit über den Herrn Staatssekretär Herrn Direktor IV 2 ) vorzulegen.
VÖLCKERS
17
8125/E 581 734-43
Kardinalstaatssekretär Pacelli
an den Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen •)
Abschrift
Segreteria di Stato di Sua Santitä DAL VATICANO, den 19. Oktober 1933
Nr. 2976/33
Euer Exzellenz
spreche ich den verbindlichsten Dank aus für Ihre gestrige sehr geschätzte
Meldung, daß Herr Ministerialdirektor Dr. Buttmann noch im Laufe dieser
(i) Bergen übermittelte mit Bericht Nr. 264 vom 23. Oktober (8115/E580 114) eine Abschrift
des vorliegenden Dokuments an das Auswärtige Amt.
23
Nr. 17 19. OKTOBER 1933
Woche nach Rom reisen wird. 2 ) Der H[ei]l[ige] Stuhl ist bereit, nach seiner
Ankunft unverzüglich in die vereinbarten Verhandlungen einzutreten.
In diesem Zusammenhange darf ich Euer Exzellenz bitten, H e r r n Dr. Butt-
m a n n in seiner Eigenschaft als außerordentlichem Bevollmächtigten d e r
Reichsregierung für die Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl nach seiner A n -
kunft in Rom umgehend das anliegende Promemoria auszuhändigen. Indem
der Hl. Stuhl es überreicht, legt Er W e r t darauf zu betonen, daß es in k e i n e r
W e i s e die Sphäre des rein Politischen berühren will, daß vielmehr die nach-
gerade zur Unerträglichkeit gesteigerten Schwierigkeiten und Bedrückungen,
die die katholische Kirche in Deutschland in offenbarem Gegensatz zum
Konkordat erfährt, dem Hl. Stuhl diesen Schritt zur strengen und unabweis-
lichen Pflicht gemacht haben. Ich k a n n nur der Hoffnung Ausdruck geben,
daß die bevorstehenden Verhandlungen zur beschleunigten Abstellung d e r
im Promemoria aufgeführten konkordatswidrigen Zustände führen werden. 3 )
Ich benütze die Gelegenheit, um Eure Exzellenz meiner ausgezeichneten
V e r e h r u n g zu versichern, in der ich verbleibe
Eurer Exzellenz ergebenster
gez. E. CARD. PACELLI
[Anlage]
Abschrift
Segreteria di Stato di Sua Santitä DAL VATICANO, den 19. O k t o b e r 1933
Nr. 2976/33
Bereits vor der Ratifizierung des Reichskonkordats 4 ) hat der Hl. Stuhl die
Reichsregierung mehrfach mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht, d a ß
seitens staatlicher oder sich auf die Staatsgewalt berufender Stellen eine
wachsende Zahl v o n Verfügungen und Eingriffen in den durch die Kon-
kordatsbestimmungen geschützten Wirkungs- und Freiheitsbereich der
katholischen Kirche erfolgt seien, die in offenbarem Widerspruch zu d e n
W o r t e n und dem Geist des Vertragswerkes stehen und zu den Zusiche-
rungen, die von verantwortlicher Stelle wiederholt in feierlicher W e i s e
gegeben worde n sind. Zugleich wurde um angemessenes Einschreiten gegen
diese Übergriffe ersucht.
Den Wunsch der Reichsregierung, durch eine baldige Ratifikation die
Zwischenphase der Unsicherheit und des Zweifels zu beenden, hat der Hl.
Stuhl erfüllt trotz schwerer Bedenken und ungeachtet seines begreiflichen
Strebens, vorerst die Anwendungsgrundsätze für Art. 31 und den Katalog
*(2) Siehe Dokument Nr. 6, Anm. 6. Menshausen vermerkte in einer Aufzeichnung vom
20. Oktober (8115/E 580 095), er habe Klee telephonisch mitgeteilt, daß Buttmann am
Abend des 22. Oktober in Rom eintreffen und „persönliche Instruktionen" des Reichs-
kanzlers mitbringen werde.
(3) Die Verhandlungen zwischen Buttmann und Pacelli endeten ohne Ergebnis am 28. Ok-
tober, als Buttmann zur Unterrichtung Hitlers nach Berlin zurückkehrte; siehe Tele-
gramm Bergens Nr. 79 vom 27. Oktober (8115/E 580 102). Am 28. Oktober übermittelte
Pacelli Buttmann eine Zusammenfassung der geklärten und ungeklärten Verhandlungs-
punkte nebst einer Zusatzaufzeichnung. Buttmann übersandte diese Dokumente am
1. Dezember an Neurath (8115/E 580 131-42). Siehe auch die Dokumente Nr. 98 und 121.
*(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 422, S. 780.
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Nr. 17 19. OKTOBER 1933
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Nr. 17 19. OKTOBER 1933
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Nr. 17 19. OKTOBER 1933
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Nr. 18 20. OKTOBER 1933
Verstöße gegen die Gerechtigkeit und gegen die Freiheit der Kirche und
ihrer Bekenner in Deutschland nicht hoffen können, durch ein beschönigen-
des Schweigen der obersten kirchlichen Stelle der verdienten Beurteilung
entzogen zu werden.
SEGRETERIA DI STATO DI SUA SANTITÄ
18
7467/H 178 903-06
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 240 vom 20. 10. ROM (QUIR.), den 20. Oktober 1933 23 Uhr 50
Ankunft: 21. Oktober 2 Uhr 45
II F. Abr. 3412
Suvich bat mich heute in dringender Form zu sich, um mir folgendes mit-
zuteilen: Mussolini habe ihn beauftragt, mir ganz klaren Wein über seine
Auffassung bezüglich unseres Austritts aus dem Völkerbund einzuschenken.
An Hand von Notizen, die entweder von Mussolini stammten oder auf
Grund der Unterhaltung mit ihm aufgesetzt waren, ausführte Suvich, die
von der Regierung dirigierte günstige Haltung der italienischen Presse, so
auch gestriger Popolo d' Italia-Artikel, dürften nicht darüber täuschen, daß
Regierungschef über unseren Schritt sehr erregt sei und ihn aufs äußerste
beklage. Ausscheidung erfolge in einem Augenblick, in dem seines Erach-
tens taktisch Fortsetzung der Verhandlungen, gerade vom deutschen Stand-
punkte aus, nötig gewesen wäre. Es liege ihm aber fern, uns darüber Vor-
schriften oder Vorhaltungen zu machen, weil er unsere Motive sich schon
erklären könne, aber Ergebnis sei sehr bedenklich und lähme [vor allen
Dingen] ') jede italienische Betätigung im Sinne Rüstungsausgleichs. Wären
wir nur aus Abrüstungskonferenz ausgeschieden, so ergäbe sich zwanglos,
wie in Unterhaltung mit mir 2 ) dargelegt, Rückgriff auf Viererpakt. Aus-
scheiden aus dem Völkerbund aber mache dies unmöglich, wie schon fran-
zösische Kammerverhandlungen 3 ) bewiesen. Matin habe geschrieben, daß
seit Matteotti-Affaire4) deutscher Schritt schwerster Schlag für Mussolinis
28
Nr. 18 20. OKTOBER 1933
Prestige. Als ehrlicher Kämpfer müsse er zugeben, daß dieser Hieb franzö-
sischer Zeitung gut getroffen habe. Es sei ganz abwegig, wenn deutsche
Presse jetzt vielfach ihm Initiative zuschiebe, als könne er, nachdem wir
alle Verhandlungsgrundlagen, nämlich Abrüstungskonferenz, Völkerbund
und Viererpakt zerschlagen, dieses Porzellan wieder kitten und als sei er
dazu geradezu verpflichtet. Weder sei er verpflichtet noch könne er erken-
nen, wie dies möglich sein sollte. Er sähe keinen Ausweg aus der Lage, und
er wisse nicht, wie Deutschland weiter vorwärts kommen wolle.
Ich erwiderte zunächst bezüglich Pressestimmen, diese seien nur aus
Gefühl entsprungen, daß Italien als einziges Verständnis gezeigt und ehr-
lich versucht habe, unter Berücksichtigung deutscher Interessen zu Ergebnis
zu gelangen; daraus entspringe Gedanke, Mussolini könne jetzt im Wege
Viererpakts Lage entwirren. Deutsche Regierung sei indessen weit davon
entfernt, eine Vermittlung Mussolinis gewissermaßen zu beanspruchen und
Initiative bezüglich Viererpakts zu verlangen. Kanzler und Außenminister
seien durchaus Gegner einer in Presse vielleicht gelegentlich durchblicken-
den sentimentalen Auffassung deutsch-italienischen Verhältnisses, die von
dieser Zusammenarbeit bald Unmögliches verlange, bald über Versagen
klage. Italienische Politik in Abrüstungsfrage und Mussolinis letztes Be-
mühen würden von deutscher Regierung durchaus anerkannt; ich könnte
daher auch nicht ganz verstehen, wie sich Mussolini von so eklatanter
Stinkbombe wie Mafin-Artikel beeindrucken lassen könne. Zur Sache selbst
erläuterte ich deutschen Standpunkt an Hand Telegramm Nr. 2506) sowie
Artikel von R[udolf] K[ircher] in Frankfurter Zeitung. Kernpunkt liege
nicht in Einzelfragen, sondern, darin, daß man uns gegebenes Versprechen
nicht mehr halten wolle, weil neue angeblich kriegerische deutsche Regie-
rung Garantien nicht mehr böte. Auf dieser Grundlage könnten wir nicht
mehr verhandeln, zumal wir schlechterdings nicht wüßten, was wir noch tun
sollten, unseren Friedenswillen besonders gegenüber Frankreich zu be-
weisen. Beweispflichtig für ihre Sorge sei im Gegenteil andere Seite.
Suvich einwendete, daß auch gerade unser Verfahren Nervosität der
anderen Seite, von der in Artikel Frankfurter Zeitung die Rede, neu ge-
steigert habe. Jedenfalls sei in der Sache mindestens bis zum 12. Novem-
ber 6 ) nichts zu machen. Die italienische Regierung sei für weitere Ver-
tagung der Abrüstungskonferenz. Der von anderer Seite vorgeschlagene
Weg, Konvention ohne Deutschland aufzustellen und Deutschland zur An-
nahme oder Ablehnung vorzulegen, scheine Italien nicht gangbar. Ich
erwiderte, daß wir der anderen Seite, wenn sie diesen Weg gehen wollte,
Verantwortung ganz überlassen müßten. Das einzige, was jetzt geschehen
könnte, sei, so meinte Suvich, diplomatische Besprechungen zwischen den
einzelnen Regierungen, um Atmosphäre allmählich zu bereinigen.
Erregung Mussolinis über deutschen Schritt wird mir auch von anderer
Seite bestätigt; deutsche Pressestimmen über angebliche bevorstehende
italienische Initiative auf Basis Viererpakts haben weiter verstimmt. Zur
Wiederherstellung deutsch-italienischen Vertrauensverhältnisses empfehle
29
Nr. 19 20. OKTOBER 1933
(?) Neurath hatte Hassell in Telegramm Nr. 251 vom 19. Oktober (3154/D 670 142) mitge-
teilt, Hitler habe ihm erneut zugesagt, Mussolini einen persönlichen Brief zu schreiben.
Siehe auch Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 500, Anm. 6.
*(8) Hierzu finden sidi in den Akten des Reichsministers folgende Notizen (3154/D 670
186-88):
„Der Kanzler hat erklärt, daß er einen Brief an M[ussolini] schreiben werde und diesen
durch einen Spezialbevollmächtigten mit münd[lichen] Instruktionen nach Rom bringen
lassen werde, v. N[eurath] 25. 10."
„Der Herr Reichsminister wird heute nachmittag Herrn von Hassell telefonisch ver-
ständigen. [Völckers 25. 10.]"
„Ich habe den Botschafter von Hassell verständigt, v. N[eurath] 25. 10."
Für die weitere Entwicklung siehe Dokument Nr. 40.
19
7360/E 537 963-66
Der Botschalter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 240 vom 20. 10. LONDON, den 21. Oktober 1933 12 Uhr 28
Ankunft: 21. Oktober 3 Uhr 55
II F. Abr. 3454
Für Reichsminister persönlich und ausschließlich.
Simon bat mich heute zu sich *) und ersuchte mich um Unterstützung und
Rat zwecks Beseitigung der zwischen dem Reichsminister und ihm ent-
standenen persönlichen Differenz.2)
Er ausführte, Differenz zwischen den beiden Außenministern sei zunächst
sachlich unerwünscht und müsse aus allgemeinem politischem Interesse
beseitigt werden. Darüber hinaus sei es ihm aber auch angesichts mehr-
jähriger guter Beziehungen zwischen Reichsminister und ihm und häufigem
freundschaftlichem Verkehr von Haus zu Haus schmerzlich, daß die frag-
lichen Differenzen entstanden seien, die durchaus nicht zusammenstimmten
mit dem Ansehen und Vertrauen, das dem Reichsminister von englischer
Regierung und nicht zum mindesten von ihm selbst entgegengebracht werde.
Er wünsche das seinige zu ihrer Beseitigung beizutragen.
Sachlich habe er in der Tat Eindruck gehabt, als ob Reichsminister in
Genf, ohne allerdings irgendwelche Zusicherungen zu machen, in Frage
*(l) Ein Bericht Simons über die Unterredung, der am 20. Oktober Botschafter Phipps über-
mittelt wurde, ist abgedruckt in Documents on British Foreign Pollcy, 2. Serie, Bd. V,
Nr. 475.
(2) Siehe Dokument Nr. 13.
30
Nr. 19 20. OKTOBER 1933
31
Nr. 19 20. OKTOBER 1933
(14) Siehe Serie C, Bd. 1,1, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 8, S. 18.
(15) Siehe Serie C, Bd. 1,1, Dokument Nr. 90.
32
Nr. 20 21. OKTOBER 1933
20
6114/E 454 094-95
Aulzeichnung des Gesandtschaltsrats Hülter')
Eilt sehr BERLIN, den 21. Oktober 1933
Geheim e. o. II Oe. 1706
AUFZEICHNUNG
33
II,1 Bg. 3
Nr. 21 22. OKTOBER 1933
21
9447/E 666 736-37
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 22. Oktober 1933
Heute rief mich der Ministerialdirigent Fischer im preußischen] Innen-
ministerium (Staatspolizei) an und teilte mir folgendes mit:
In den letzten Tagen habe er mit der russischen Botschaft Verhand-
lungen wegen Beilegung des durch die Verhaftung der russischen] Jour-
nalisten entstandenen Zwischenfalles1) geführt. Mit Zustimmung des
Reichskanzlers und des Ministerpräsidenten Göring sei abgemacht worden,
daß die Vertreter der Tass 2) und der Iswestija3) zu dem Reichstagsbrand-
prozeß zugelassen werden sollten, wenn der russische] Botschafter4) die
Zusicherung gebe, daß die Berichterstattung rein objektiv bleibe, und wenn
ferner die bereits gegebene Zusicherung, daß der russische] Sender seine
antideutsche Hetze unterlasse, weiterhin einhalte [sie]. Endlich, daß die aus-
gewiesenen deutschen Journalisten sofort wieder in Rußland zugelassen
würden. Diese Zusicherung habe der russische] Botschafter gegeben. Dar-
aufhin habe der Senat des Reichsgerichts die Zulassung der beiden
russischen] Journalisten beschlossen. Die Karten liegen bereit und sollten
morgen ausgehändigt werden.
34
Nr. 22 22. OKTOBER 1933
Ich äußerte mein Erstaunen über dieses Vorgehen der Staatspolizei und
fragte, wie er dazu komme, mit dem russischen] Botschafter direkt zu ver-
handeln. Fischer erklärte, er habe dies auf Weisung Görings getan, weil die
Staatspolizei ja durch die ungerechtfertigte Verhaftung der beiden Russen
an dem ganzen Zwischenfall schuldig sei. Göring habe gesagt, die Sache
müsse in Ordnung gebracht werden. Die deutsch-russischen Beziehungen
ertrügen keine solche Belastung.
Ich sagte darauf Herrn Fischer folgendes: Die Aushändigung der Karten
an die russischen] Journalisten dürfe nicht erfolgen, ehe ich oder mein
Vertreter eine Aussprache mit dem russischen] Botschafter gehabt hätte. Es
handle sich hier um die Erledigung eines politischen Zwischenfalls mit
seinen Konsequenzen, der auf dipIomat[ischem] Wege beigelegt werden
müsse.
Eine Ermächtigung, die Karten an die Journalisten auszuhändigen, erhalte
er von mir erst, nachdem ich die Angelegenheit noch einmal nachgeprüft
hätte, frühestens am Dienstag 5 ) morgen.
v. N[EURATH] 6)
• (5) 24. Oktober.
(«) Bei der Vorlage befindet sich folgende Notiz Neuraths (9447/E 666 734-35): „22. Okt.
St.S.: Ich bitte entweder den russischen] Botschafter kommen zu lassen u. mit ihm die
Angelegenheit zu besprechen oder Meyer zu beauftragen, damit die Sache in unserem
Sinn erledigt wird. Neurath."
Siehe auch Dokument Nr. 34 und Anm. 3 dazu.
22
5865/E 429 478-81
Der Gesandte in Sofia Rümelin an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath
Vertraulich SOFIA, den 22. Oktober 1933
II Balk. 2236 B.
Sehr verehrter, lieber Baron Neurath,
am Freitag, dem 20. Oktober, ließ mich der König ins Palais rufen, wo
ich zwei Stunden bei ihm war. Da er das immer tut, wenn ich von Berlin
komme, so nahm ich an, daß er sich auch dieses Mal von meinen Berliner
Eindrücken erzählen lassen wolle. Die erste Stunde unserer Unterhaltung
galt aber ausschließlich der auswärtigen Politik. Ich will versuchen, in mög-
lichst komprimierter Form das, was er sagte, wiederzugeben. Der Schwer-
punkt seiner Ausführungen galt der Reise, die er nach der Schweiz, Italien,
Frankreich und England gemacht hat.1) Während des Kuraufenthalts der
Königin 2 ) in Ragaz hat er mit dem Bundespräsidenten Schulthess und Motta
*(l) Die Reise König Boris' III. von Bulgarien hatte in der ersten Hälfte des September 1933
stattgefunden.
• (2) Ioanna.
35
Nr. 22 22. OKTOBER 1933
36
Nr. 22 22. OKTOBER 1933
37
Nr. 23 24. OKTOBER 1933
•
über die Frage, ob der Besuch ein offizieller oder nicht offizieller sein
würde, haben wir in dem jetzigen Stadium der Erwägungen noch nicht
gesprochen. Persönlich neige ich mehr zu einem zwanglosen, inoffiziellen.
Die Aufnahme seitens aller Beteiligten wird in beiden Fällen gleich herzlich
sein.
Interessant war auch noch, daß der König, als er mich um V28 Uhr zur Tür
begleitete, mir noch sagte, er hätte heute abend noch einen gemeinschaft-
lichen bulgarischen Bekannten von uns bei sich, den er als „Mittler" be-
nützen wolle, um die in Universitätskreisen über sein Zusammentreffen mit
dem serbischen König n ) entstandene Erregung zu beschwichtigen! Der
beste Beweis, wie diese Dinge in Wirklichkeit stehen.
Zum Schluß bat der König um Grüße an Sie und auch an den Herrn
Reichspräsidenten, die ich hiermit übermittle.
Da dieser Brief an die Stelle eines Berichts tritt, sende ich in der Voraus-
setzung Ihres Einverständnisses eine Abschrift an Herrn von Bülow.
Mit schönsten Grüßen und Empfehlungen stets Ihr
E. RÜMELIN
[P.S.] Für unseren Standpunkt in Sachen Völkerbund zeigt der König durch-
aus Verständnis.
(11) Am 3. Oktober war König Boris in der Nähe von Varna mit dem jugoslawischen
Königspaar zusammengetroffen, das auf dem Wege zu einem Besuch des türkischen
Präsidenten Kemal in Konstantinopel bulgarisches Staatsgebiet durchquerte.
23
3154/D 670 182-83
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 24. Oktober 1933
RM. 1472
Der Herr Reichskanzler empfing heute morgen in meiner Gegenwart den
neuen englischen Botschafter. Im Laufe der einstündigen Unterhaltung, in
welcher der Reichskanzler dem Botschafter eingehend die Gründe für unseren
Austritt aus der Abrüstungskonferenz und dem Völkerbund darlegte, verlas
Sir Phipps ein Telegramm des englischen Außenministers 1 ), in dem unge-
fähr gesagt war: 2 ) die englische Regierung bedauere unseren Rücktritt von
den beiden Institutionen und könne die dafür angegebenen Gründe nicht als
stichhaltig anerkennen. Sie hoffe aber, daß damit die Türe nicht zuge-
schlagen sei und daß wir baldigst wieder zur Mitarbeit bereit wären. Der
Reichskanzler versuchte, dem englischen Botschafter auseinanderzusetzen,
daß man in England offenbar noch immer nicht begriffen habe, wie die
• (i) Simon.
(2) Siehe Documents on British Foreign Policy, 2. Serie, Bd. V, Nr. 482.
38
Nr. 24 24. OKTOBER 1933
24
6609/E 497 277
Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Cito MOSKAU, den 24. Oktober 1933 14 Uhr 35
Nr. 239 vom 24. 10. Ankunft: 24. Oktober 14 Uhr 55
IV Ru. 4701
Für Botschafter v. Dirksen.
Unser Freund J) herbeiführte gestern Unterredung. Er hält Atmosphäre
gegenüber Deutschland durch das Ausbleiben neuer Zwischenfälle, letzte
Maßnahme Reichsregierung sowie vor allem durch den Notenwechsel mit
Roosevelt 2 ) neuerdings für so beruhigt, daß es jetzt nur kleinen Anstoßes
(1) Die hier angesprochene Person konnte nicht identifiziert werden. Siehe auch Serie C,
Bd. 1,2, Dokument Nr. 477.
(2) Dieser Hinweis bezieht sich auf einen Briefwechsel zwischen Roosevelt und Kalinin vom
10. bzw. 17. Oktober. Siehe Foreign Relations ot the United States, The Soviet Union,
1933-1939, S. 17-18.
39
Nr. 25 24. OKTOBER 1933
25
2860/D 562 580-81
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 24. Oktober 1933
RM. 1473
Ich habe heute den russischen Botschafter empfangen, um mit ihm die
Frage der Beilegung des deutsch-russischen Konflikts zu erörtern. 1 ) Ich habe
mich bei meinen Darlegungen an die anliegende Aufzeichnung 2 ) gehalten.
Der Botschafter äußerte sich sehr befriedigt darüber, daß die Angelegenheit,
die ihm außerordentlich unangenehm sei, nunmehr eine Regelung erfahren
soll. Er sagte zu,
1) daß der Moskauer Rundfunk und die Moskauer offiziöse Presse sich
jeder Einmischung in innerdeutsche Verhältnisse und jeder aggressiven
Tendenz gegenüber der deutschen Regierung und ihren maßgebenden Ver-
tretern enthalten werden. Er betonte, daß dies auf seine Veranlassung
bereits seit etwa 10 Tagen der Fall sei;
2) die deutschen Journalisten würden selbstverständlich wieder zuge-
lassen;
3) die russischen Journalisten würden ihre Tätigkeit in Deutschland
wieder aufnehmen. Bezüglich des Wiedererscheinens der Frau Keith 3 )
müsse er allerdings den Vorbehalt machen, daß sie gleichfalls zugelassen
40
Nr. 26 25. OKTOBER 1933
werde. Er verspreche jedoch, dafür zu sorgen, daß Frau Keith etwa in einem
Monat aus Deutschland verschwinde.
Es wurde verabredet, daß ein gemeinschaftliches Kommunique über die
Beilegung des Konflikts verfaßt und daß vorher nichts darüber in die Presse
gegeben werde.
v. N[EURATH]
26
7467/H 178 926-27
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Frohwein
BERLIN, den 25. Oktober 1933
e. o. II F. Abr. 3476
VERMERK
Ich habe Herrn General Schönheinz über den Inhalt der Unterredung
zwischen dem Herrn Reichskanzler und dem britischen Botschafter') vom
24. d. M. (RM. 1472 2)) verständigt. Er erklärte, die Tatsache, daß der Kanzler
dem englischen Botschafter ein neues Abrüstungsprogramm entwickelt habe,
sei ihm völlig neu. Zu dem Inhalt des Programms bemerkte er, solche Er-
wägungen hätten zwar im Reichswehrministerium geschwebt und seien viel-
leicht auch zwischen dem Herrn Reichskanzler und dem Reichswehrmini-
ster 3 ) einmal erörtert worden. Es habe sich aber seines Wissens dabei
nicht um etwas Endgültiges gehandelt, Auch habe er seither immer ange-
nommen, daß vor dem 12. November 4 ) dieses Programm nicht nach außen
mitgeteilt werden solle. Zu den Einzelheiten, insbesondere darüber, ob der
Kanzler einen einseitigen Verzicht Deutschlands auf schwere Waffen
(Artillerie über 15 cm, Tanks über 6 t und Bombenflugzeuge) im Auge habe
oder ob dieser Verzicht unter der Voraussetzung der Abschaffung der
schweren Angriffswaffen auch durch die anderen Staaten gedacht ist, konnte
mir General Schönheinz nichts sagen.
Ich darf bemerken, daß die Äußerungen des Kanzlers über das Verbot
der Verwendung von Giftgasen gegen die Zivilbevölkerung und das Verbot
des Abwurfs von Fliegerbomben in einem Abstand von 30 km hinter der
Gefechtsfront hinter dem zurückbleiben, was bereits auf Grund der Ver-
handlungen der Abrüstungskonferenz als angenommen angesehen werden
kann. Danach ist die Anwendung von Giftgasen schlechthin verboten, und
es war nur zweifelhaft, ob auch die Anwendung als Repressalie bei Über-
tretung des Verbots ausgeschlossen werden soll; außerdem sollte nach dem
MacDonald-Plan der Abwurf von Bomben nicht nur hinsichtlich einer be-
bestimmten Zone hinter der Gefechtsfront, sondern allgemein verboten wer-
• (i) Phipps.
(2) Dokument Nr. 23.
• (3) Blomberg.
• (4) Siehe Dokument Nr. 1, Anm. 3
41
Nr. 27 25. OKTOBER 1933
27
7811/E 566 630
Botschaitsrat Forster (Paris) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 848 vom 25. 10. PARIS, d e n 25. O k t o b e r 1933
Ankunft: 25. Oktober 17 U h r 20
II Fr. 3141
Für Min.Dir. Köpke persönlich.
Für d e n Fall, daß Daladier als Kriegsminister oder Außenminister in
n e u e s Kabinett eintreten sollte, 1 ) möchte ich empfehlen, daß er v o n deut-
scher Presse zwar freundlich begrüßt, seine Bereitschaft zur V e r s t ä n d i g u n g
mit Deutschland aber nicht zu stark betont wird. A b s t e m p e l u n g als Verstän-
digungsmann durch deutsche Presse w ä r e geeignet, ihm hier innerpolitische
Schwierigkeiten zu bereiten und ihn gegebenenfalls bei v o n u n s a n g e s t r e b -
ter außenpolitischer Aktion zu hemmen.
• (i) Daladier trat als Kriegsminister in das am 26. Oktober gebildete Kabinett Sarraut ein.
42
Nr. 28 25. OKTOBER 1933
(2) Randbemerkung: „Die Angelegenheit ist mit H[err]n Aschmann besprochen worden."
28
5737/H 028 762-67
Der Botschalter in Rom von Hassell an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath
ROM, den 25. Oktober 1933
Ankunft: 30. Oktober
zu II It. 1264 •)
Lieber Neurath,
eine wachsende Sorge über die Entwicklung der deutsch-italienischen Be-
ziehungen veranlaßt mich heute, noch einmal auf diesen Punkt zurückzu-
kommen.2) Ich glaube, alles Grundsätzliche und alles Wichtige, was ich
dazu zu sagen habe, in den Stichworten vom September 3 ) und dem daran
anschließenden Bericht Nr. I 1520 vom 6. Oktober d. J.4) dargelegt zu haben.
Aus beiden geht hervor, daß ich weit davon entfernt bin, von einer deutsch-
italienischen Front oder dergleichen zu träumen oder geträumt zu haben.
Im Gegenteil: Ich sehe die Grundursache der in letzter Zeit ungünstigen
Entwicklung, soweit unsere Seite in Frage kommt, in der maßlosen Über-
schätzung Italiens als Freund, der sich manche Kreise, besonders unmittel-
bar nach dem März 1933, hingegeben haben, und in gewissen Vorgängen,
die sich auf Grund dieser falschen Einsteilung bald danach, besonders aus
Anlaß der österreichischen Angelegenheit, ereignet haben. Wovor ich aber
nochmals auf das allerdringendste warnen möchte, das ist eine in das Gegen-
teil überschlagende Reaktion. Bei unserer außenpolitischen Lage können
wir m. E. kaum einen schwereren Fehler machen als den, die politische
Wichtigkeit Italiens für uns zu verkennen. Bei unserer in gewissem Grade
unvermeidlichen, wenn auch unnötig verschärften Isolierung bleibt Italien
nach wie vor das einzige große Land, das uns gegenüber eine einigermaßen
freundliche Haltung zeigt und das mit uns in einer entscheidenden Frage
durch ein gemeinsames politisches Interesse verbunden ist, das Interesse
nämlich, die Vormachtstellung Frankreichs zu beseitigen und eine Art
Gleichgewicht in Europa herzustellen. Es wäre m. E. nicht zu verantworten,
wenn wir dieses gemeinsame Interesse infolge der oben angedeuteten
gefühlsmäßigen Reaktion vernachlässigen würden. Ich kann mich des Ein-
43
Nr. 28 25. OKTOBER 1933
drucks nicht erwehren, daß Mussolini nicht ganz unrecht hat, wenn er meint,
in Deutschland scheine man manchmal eine Art Pflicht Italiens zu statuieren,
uns in der Abrüstungsfrage usw. durch dick und dünn zu unterstützen. In
Wahrheit besteht natürlich keine Pflicht, wohl aber ein reales italienisches
Interesse an einem gewissen Rüstungsausgleich in Europa; und wenn es
richtig ist, daß die italienischen Delegationen in Genf wiederholt und viel-
leicht auch zuletzt nicht so gearbeitet haben, wie wir es wünschten, so bleibt
doch unbedingt bestehen, daß Mussolini der einzige ist, der in der Ab-
rüstungsfrage in der großen Linie mit uns übereingestimmt und unsere In-
teressen gefördert hat. Ich kann nicht ganz einsehen, warum es nicht mög-
lich gewesen ist, auf seine Anregung wegen der Ziffern5) in irgendeiner
Weise zu reagieren, vor allem aus psychologischen Gründen. Aber ich muß
mich in dieser Hinsicht natürlich dem Urteil der maßgebenden Stellen in
Berlin unterordnen. Dagegen glaube ich, daß wir in der Frage der Donau-
politik Mussolinis Anregung 6) unbedingt hätten ausnutzen sollen und kön-
nen. Herr Ritter schreibt mir, daß er nach Rückkehr von seiner römischen
Reise meine entsprechenden Berichte erörtert und alsdann Berlin in der
Überzeugung verlassen habe, es sei beschlossen, auf der Basis der von mir
ausgearbeiteten 5 Punkte Mussolini eine Art Punktation vorzuschlagen.7)
Warum ich dann keine Instruktionen bekommen habe, weiß ich nicht. Auch
den Gedanken des deutsch-italienischen Gentlemen's Agreement über die
Verständigung mit Frankreich haben wir praktisch nicht weiter verfolgt.
Das schlimmste wäre nun aber m. E., wenn wir uns in eine Art gegen-
seitiger Verärgerung hineintreiben ließen.8) Daß Mussolini durch den Aus-
tritt aus dem Völkerbund schwer gereizt ist, steht fest 9 ) und ist sicherlich
noch dadurch gefördert worden, daß er am Sonnabend 10) mittag zunächst
nur die halbe Wahrheit erfuhr. Wir sollten aber unter keinen Umständen
den gleichen Weg gehen und uns nun wieder über Mussolinis Ärger ärgern.
Ich halte den italienischen Regierungschef für einen sehr großen Mann mit
einigen wenigen kleinen Eigenschaften, zu denen eine gewisse Eitelkeit und
Empfindlichkeit gehört, über diese sollten wir uns nicht ärgern und gegen
sie angehen, sondern sie auszunutzen suchen, indem wir ihn psychologisch
richtig behandeln. Ebenso unrichtig scheint mir der jetzt in Deutschland
häufiger auftretende Gedanke zu sein, der Nationalsozialismus müsse sich
sozusagen geistig vom Faschismus absetzen und seine Selbständigkeit, wo-
möglich gar Priorität, betonen. Auch das ist eine sehr gefährliche Reaktion,
nachdem man Mussolini vorher als Papst und unfehlbar verehrt hat. Das
geistige Absetzen des Nationalsozialismus vom Faschismus kommt ganz
von selbst, und wir müssen umgekehrt darauf achten, daß es nicht zu
unserm Nachteil umschlägt, ein Punkt, auf den ich in meinem Bericht ja
schon eingegangen bin.
(S) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 494.
(«) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 485, Anm. 6.
(7) Schreiben Ritters an Hassell vom 16. Oktober (8036'E 577 993-8 005). Ritter hatte am
2. und 3. August m Rom Gespräche geführt. Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 388
mit Anm. 5 sowie Dokument Nr. 485.
(8) Randbemerkung Neuraths: „Wir nicht".
(») Siehe Dokument Nr. 18.
• (10) 14. Oktober.
44
Nr. 29 26. OKTOBER 1933
29
7467/H 178 934-36
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow
an die Botschalt in London •)
Telegramm
Sofort BERLIN, den 26. Oktober 1933 21 Uhr 20
Nr. 289 e. o. II F. Abr. 3486
Im Anschluß an Nr. 286.2)
Die Äußerungen des Reichskanzlers über Abrüstung in seinem Gespräch
mit hiesigem englischen Botschafter darstellen sich lediglich als spontane
*(i) Die Vorlage wurde gleichzeitig an die Botschaften in Paris (Nr. 531), Washington
(Nr. 375) und Moskau (Nr. 226) übermittelt.
*(2) Telegramm Bülows Nr. 286 vom 25. Oktober an die Botschaft in London, das gleich-
zeitig an die Botschaften in Paris (Nr. 527), Rom (Nr. 255), Washington (Nr. 369) und
45
Nr. 29 26. OKTOBER 1933
46
Nr. 30 27. OKTOBER 1933
30
9447/E 666 741-42
AUFZEICHNUNG
Ich habe heute die Frage der Erledigung des Journalistenkonfliktes ein-
gehend nochmals mit dem russischen Botschafter besprochen. Die sehr lange
Unterredung zeitigte folgendes Ergebnis:
1. In der Frage der Frau Keith 1 ) hat Herr Chintschuk die bindende Zu-
sicherung gegeben:
a) daß Frau Keith innerhalb der nächsten beiden Monate aus Deutsch-
land verschwindet,
b) daß die Tätigkeit der Frau Keith während der Zeit ihres Aufenthaltes
in Deutschland in keiner Weise zu Beanstandungen Anlaß geben wird.
Ich habe Herrn Chintschuk mitgeteilt, daß diese Zusicherung im Interesse
der Lösung des Konfliktes und als Zeichen des persönlichen Vertrauens
zu ihm als ausreichend angenommen würde.
2. In der Frage des Rundfunks gab Herr Botschafter Chintschuk die Er-
klärung ab, er werde dafür sorgen, daß der Moskauer Rundfunk, wie dies
bereits in den letzten 14 Tagen der Fall gewesen sei, zu Beschwerden
keinerlei Anlaß gebe. Er führte aus, daß es ihm unmöglich sei, einen Satz
über den Rundfunk in das Kommunique aufzunehmen, und bat dringend,
ihm die Aufgabe der Lösung des Konfliktes durch diese Forderung nicht zu
erschweren. In längerer Diskussion sagte ich zu, daß die Lösung des Kon-
fliktes im Hinblick auf seine Zusage an der Forderung einer Aufnahme
eines Satzes über den Rundfunk nicht scheitern sollte, falls im übrigen ein
Einvernehmen erzielt werde.
3. Die Zulassung des Vertreters des Völkischen Beobachters und des
Angritl. Ich führte aus, daß es sich um eine prinzipielle Frage handele und
daß eine Diskriminierung der der deutschen Regierung besonders nahe-
stehenden Presse ausgeschlossen sei. Der Herr Botschafter hatte weitgehen-
des Verständnis für unseren Standpunkt und erklärte sich bereit, ihn sich
voll und ganz zu eigen zu machen und die Angelegenheit morgen vormittag
sofort mit Herrn Litwinow zu besprechen. Er hoffe, mir noch morgen vor-
mittag einen günstigen Bescheid geben zu können.
Der Zusatz in dem Kommunique-Entwurf über die Einmischung in die
inneren Verhältnisse ist im gegenseitigen Einvernehmen gestrichen
worden.2)
Es besteht hiernach Einvernehmen a) über Frau Keith, b) über die Zu-
47
Nr. 31 27. OKTOBER 1933
(3) Der Text des am 31. Oktober veröffentlichten Kommuniques ist abgedruckt in Dokument
Nr. 34, Anm. 3.
(4) Randbemerkungen: „Dir. IV: Der russische Botschafter hat mir die obigen Abmachungen
bestätigt. In der Frage der Zulassung der nat[ional]soz[ialistischen] Zeitungen will er
morgen Litwinow fragen. Sollte dieser eine Entscheidung ablehnen, will der Botschafter
an Stalin direkt berichten. Er erklärte, daß er überzeugt sei, daß die Frage in unserem
Sinn geregelt werde. Schließlich frug Ch(intsdiuk) noch, wann midi morgen Litw[inow]
aufsuchen könne, v. N(eurath) 27. 10."
„Der Herr RM wird H[err]n Litwinow morgen, 12 Uhr 45, empfangen. V(öldcer]s
27. 10."
Siehe Dokument Nr. 34.
31
8772/E611267
Auizeichnung des Stellvertreters des Führers Heß
Streng vertraulich MÜNCHEN, den 27. Oktober 1933
zu VI A. 2428 l)
VERFÜGUNG
1.) Sämtliche Fragen des Deutschtums jenseits der Grenzen (Grenz- und
Auslandsdeutschtum) und die Fragen der Stärkung und Einheit des Gesamt-
deutschtums sowie alle damit zusammenhängenden Angelegenheiten im
Innern des Reiches unterliegen meiner Obhut und Aufsicht.
2.) Als Beratungs- und Vollzugsorgan habe ich den Volksdeutschen Rat
berufen, an dessen Spitze Herr Universitätsprofessor Dr. Haushofer, Mün-
chen, steht.
3.) Nach außen federführend vertritt den Volksdeutschen Rat Herr Dr.
Steinadler, Berlin.
4.) Der Volksdeutsche Rat tritt in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung.
gez. RUDOLF HESS
• (l) VI A. 2428: Schreiben Heß' an das Auswärtige Amt vom 28. Oktober (8772/E611 266),
in dem der Stellvertreter des Führers mitteilte, „daß dem Volksdeutschen Rat in allen
Volksdeutschen Fragen (Fragen des Grenz- und Auslandsdeutschtums) die Begutachtung
und Kontrolle zusteht".
48
Nr. 32 27. OKTOBER 1933
32
7467/H 178 954-55
Telegramm
Nr. 244 v o m 27. 10. ROM (QUIR.), den 27. O k t o b e r 1933 23 Uhr 10
Ankunft: 28. O k t o b e r 1 Uhr 45
II F. Abr. 3538
49
11,1 Bg. 4
Nr. 33 27. OKTOBER 1933
33
8549/E 598 212-16
50
Nr. 33 27. OKTOBER 1933
(1) Siehe hierzu den Berieht Muffs Geh. 82 vom 2. November (M 136/M 005 000-06).
(2) Dieser Hinweis bezieht sich auf mit „Augur" (Poliakow) gezeichnete Artikel des Pefff
Parisien vom 24. September und 8. Oktober. Weizsäcker hatte das Auswärtige Amt in
seinem Bericht Nr. A 774 vom 4. Oktober (M 137/M 005 011) über die Reaktion der
schweizerischen Presse auf den ersten dieser Artikel informiert. Seiner Meinung nach
kamen die in ihm enthaltenen Gerüchte dem schweizerischen Generalstab im Hinblick
auf seine Forderung nach militärischen Sonderkrediten für das kommende Jahr nicht
ungelegen.
51
Nr. 34 28. OKTOBER 1933
34
2860/D 562 584-85
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 28. Oktober 1933
RM. 1489
Heute morgen besuchte mich Herr Litwinow.1) Nach einigen einleitenden
Worten über seine Reise nach den Vereinigten Staaten ging ich sofort auf
die zwischen uns schwebenden Verhandlungen über die Erledigung der
deutsch-russischen Differenzen ein. Ich erwähnte zunächst den noch offenen
Punkt der prinzipiellen Zustimmung zur Zulassung von Vertretern des
Angrili und des Völkischen Beobachters in Rußland. Herr Litwinow erklärte,
die Zulassung dieser Vertreter habe niemals in Frage gestanden. Sie sei
seines Wissens auch nie beantragt, jedenfalls aber von russischer Seite nicht
abgelehnt worden. Ich frug sodann Herrn Litwinow, ob danach also in der
eventuellen Zulassung in Rußland keine Schwierigkeiten gemacht würden,
worauf Herr Litwinow antwortete, mit dem Vorbehalt eines eventuellen
Einspruchs gegen ganz bestimmte Persönlichkeiten würden russischerseits
keine Schwierigkeiten gemacht werden.
Ich frug sodann ferner, ob gegen die Veröffentlichung des verabredeten
Kommuniques noch weitere Einwendungen von russischer Seite zu erheben
seien, worauf Herr Litwinow bat, noch bis Montag 2 ) zu warten, da eine
definitive Antwort der russischen Regierung noch ausstehe. Ich erklärte
mich damit einverstanden und sagte Herrn Chintschuk, der Litwinow be-
gleitet hatte, ich erwartete also eine Mitteilung von seiner Seite über die
(1) Litwinow legte auf seiner Reise in die USA in Berlin einen Zwischenaufenthalt ein.
(2) 30. Oktober.
52
Nr. 34 28. OKTOBER 1933
*(3) Nach einer Aufzeichnung Meyers vom 30. Oktober (9447/E 666 747-48) wurde zwischen
ihm und Winogradow an diesem Tage eine endgültige Einigung über den Text des
Kommuniques zur Beilegung des Journalistenkonflikts erzielt. Das Kommunique wurde
am Abend des gleichen Tages unter dem Datum vom 31. Oktober veröffentlicht und
hatte folgenden Wortlaut (9447/E 666 750):
„WTB, amtlich. Berlin, den 31. Oktober 1933. Nachdem der bekannte Journalisten-
konflikt in letzter Zeit wiederholt Gegenstand diplomatischer Unterhaltungen zwischen
Deutsehland und der UdSSR gewesen ist, hat über diese Angelegenheit kürzlich eine
Besprechung zwischen dem Herrn Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath und dem
Botschafter der UdSSR, Herrn Chintschuk, stattgefunden. Dabei ist eine Verständigung
über die Beilegung des Konfliktes erzielt worden. Ausgangspunkt und Grundlage der
Verständigung ist die Übereinstimmung der beiden Regierungen darüber, daß die
Pflege der beiderseitigen Beziehungen von der Verschiedenheit der Regierungssysteme
in den beiden Ländern unberührt bleiben muß.
Die Journalisten der Sowjetunion werden ihre Tätigkeit in Deutsehland und die
deutschen Journalisten ihre Tätigkeit in der Sowjetunion wieder ausüben. Auf Anord-
nung des Senatspräsidenten werden der Vertreter der Tass und die Vertreterin der
Iswestija Zulassungskarten zum Reichstagsbrandprozeß erhalten."
Am gleichen Tage (30. Oktober) vermerkte Tippeiskirch in einer Aufzeichnung (9447/
E 666 761), er habe den Ministerialdirigenten Fischer vom preußischen Innenministerium
über die Beilegung des Journalistenkonflikts unterrichtet. Fischer habe sich befriedigt
gezeigt und darauf hingewiesen, daß die Zulassungskarten zum Leipziger Prozeß für
Bespalow und Keith zur Abholung bereitlägen. Siehe auch Dokument Nr. 21.
(4) Nach einer Aufzeichnung Schultz-Sponholz' vom 28. Oktober (9447/E 666 739) hatte ihm
Ministerialdirektor Fisch vom Reichsluftfahrtministerium telefonisch die Bitte über-
mittelt, Litwinow möge bei seinen Besprechungen im Auswärtigen Amt veranlaßt wer-
den, eine Erklärung etwa folgender Art abzugeben: „Die Sowjetregierung würde eine
Zusammenarbeit mit der deutschen Luftfahrt auf dem Wege nach dem Osten begrüßen."
53
Nr. 35 30. OKTOBER 1933
35
3086/D 617 001-04
Aufzeichnung des Gesandtschaltsrats HülterJ)
Geheim BERLIN, den 30. Oktober 1933
e. o. II Oe. 1757
AUFZEICHNUNG
Im Anschluß an die Aufzeichnung II Oe. 1706 vom 21. Oktober.2)
Herr Habicht teilte mir heute mit, daß seine Verhandlungen mit Dollfuß
bisher programmäßig verlaufen seien. Die von Dollfuß nach München ent-
sandten beiden Großdeutschen Abgeordneten (darunter Professor Foppa) 3 )
hätten Herrn Habichts Bereitwilligkeit zu Verhandlungen auf der hier be-
kannten Basis dem Bundeskanzler inzwischen vorgetragen. Insbesondere sei
Dollfuß darüber informiert worden, daß nach Weisung des Reichskanzlers
nur Herr Habicht im Namen der Nationalsozialistischen Partei berechtigt
sei, mit Dollfuß zu verhandeln, daß fernerhin sich aus der innerpolitischen
österreichischen Bereinigung des Verhältnisses zur NSDAP automatisch
eine Bereinigung des Verhältnisses zum Reich ergebe und daß die Forde-
rung von Dollfuß auf Beibehaltung von Herrn Fey in einem neuen Kabinett
von Herrn Habicht gleichfalls akzeptiert würde, wie denn überhaupt Dollfuß
innerhalb des Rahmens seiner prozentualen Beteiligung völlig frei sein
würde bei der Auswahl seiner Mitarbeiter.
Dollfuß habe sich daraufhin seinerseits prinzipiell zur Aufnahme der Ver-
handlungen bereiterklärt und um Präzisierung der nationalsozialistischen
Forderungen gebeten.4) Seine beiden Abgeordneten seien gestern wieder in
München eingetroffen und hätten diesen Wunsch von Dollfuß bekannt-
gegeben. Herr Habicht habe den Herren daraufhin eine Reihe von genau
formulierten Punkten überreicht und nunmehr verlangt, daß Dollfuß in
bindender Form sich über die Annahme oder Ablehnung äußere.
Als Basis der Verhandlungen ist von Herrn Habicht gefordert worden:
Völlige Gleichberechtigung der beiden Partner, d. h. Zusammensetzung des
neuen österreichischen Kabinetts zu je 50 Prozent durch die Gruppe Dollfuß
bzw. Habicht, wobei Dollfuß den Posten des Bundeskanzlers und Habicht
den eines mit erweiterten Rechten ausgestatteten Vizekanzlers bekommen
würde. Weiterhin hat Herr Habicht gefordert die Aufhebung des Verbots
der Partei, der SA und SS, der nationalsozialistischen Presse und Rück-
gängigmachung der erfolgten Ausweisungen und verhängten Strafen,
fernerhin seine Einbürgerung in Österreich. Eine weitere innenpolitische
Forderung Herrn Habichts ist die Eröffnung des schärfsten Kampfes gegen
den Marxismus sowie außenpolitisch die Herstellung eines freundschaft-
lichen Verhältnisses zum Reich.
54
Nr. 36 30. OKTOBER 1933
• (5) 3. November.
(6) Siehe Dokument Nr. 71, Anm. 2.
36
9783/E 686 917-19
Der Reichsiührer des Volksbunds lür das Deutschtum im Ausland Steinacher
an den Vortragenden Legationsrat Roediger
BERLIN, den 30. Oktober 1933
Ankunft: 31. Oktober
VI A.2400
Sehr verehrter Herr Geheimrat!
Unter Bezugnahme auf das eben stattgefundene Ferngespräch darf ich
Ihnen beiliegend im verschlossenen Umschlag das bewußte Schreiben für
55
Nr. 36 30. OKTOBER 1933
Herrn Fabritius überbringen lassen. Ich bin vom Braunen Haus beauftragt,
den Brief auf kürzestem und geeignetstem Wege zu besorgen. Ich hatte
zuerst daran gedacht, den Brief Bischof Glondys mitzugeben. Dieser bleibt
aber doch noch viel länger, als er angenommen hatte, hier. Da andererseits
gerade in diesen Tagen in Siebenbürgen für den 5. November der Wahl-
kampf im Gange ist, halte ich dafür, daß es richtig ist, den Inhalt des Briefes
chiffriert nach Bukarest zu drahten') und das Original des Schreibens mit
dem nächsten Kurier des Auswärtigen Amtes nachzusenden.
Mit verbindlichsten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
DR. STEINACHER
[Anlage]
Abschrift
Nationalsozialistische MÜNCHEN, den 27. Oktober 1933
Deutsche Arbeiterpartei
Der Stellvertreter des Führers
K/S
An den Führer der NSDR
Herrn Fritz Fabritius,
Hermannstadt, Siebenbürgen
Sehr geehrter Herr Fabritius!
Die besondere Lage des Auslanddeutschtums erfordert die Vermeidung
jedes Anscheins einer Abhängigkeit von reichsdeutschen Stellen, welche
das Auslanddeutschtum als eine Art Expositur des Deutschen Reiches er-
scheinen lassen könnte und unnötigerweise Möglichkeiten zum Einschreiten
bietet. So sehr wir die Pflege des Gedankengutes und der sittlichen Kräfte
der NSDAP durch das Auslanddeutschtum begrüßen, müssen wir doch dar-
auf bestehen, daß unter allen Umständen alles vermieden werde, was zu
einer Vernichtung deutsch-völkischer Einrichtungen im Auslande Anlaß
geben könnte. Dazu kommt die Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Lage
des Auslanddeutschtums, die vor Belastungen nach Möglichkeit bewahrt
bleiben muß. Aus solchen Erwägungen heraus muß gefordert werden, daß
Bezeichnungen und Formen vermieden werden, die den Anschein auch nur
der geringsten Verbindung zu Reichs- wie parteiamtlichen Dienststellen
erregen könnten. Dazu gehört z. B. die Bezeichnung NSDR, SAM, Führer
und dgl. Die Umbenennung ist dringend geboten. Auch ist Wert darauf zu
legen, daß eine friedliche Durchdringung des Auslanddeutschtums, unter
Vermeidung rein personeller, machtpolitischer Auseinandersetzungen, durch
sachliche Erörterung der Grundidee des Nationalsozialismus angestrebt
werde. Die Beseitigung von Personen, welche diese Entwicklung hemmen,
aus ihren führenden Stellungen ist auf dem in den Bestimmungen der aus-
landdeutschen Organisation vorgesehenem Wege zu suchen, öffentlich
(1) Der Brief wurde am 31. Oktober chiffriert an die Gesandtschaft in Bukarest gesandt
(9783/E686 920).
56
Nr. 37 31. OKTOBER 1933
geführter Kampf schadet dem deutschen Ansehen in den Augen der nicht-
deutschen Welt. Mit Rücksicht auf die ohnehin vorhandene antisemitische
Haltung des Siebenbürger Sachsenvolkes ist unter stiller Beibehaltung,
eventuell Vertiefung dieser Einstellung von einem in öffentlichen Kund-
gebungen, Zeitungen, Versammlungen usw. hervortretenden aggressiven
Antisemitismus abzusehen.
Bei der großen Verantwortung, welche die NSDR einerseits als bewußte
Trägerin unseres Gedankengutes, andererseits mit Rücksicht auf ihre schon
errungene Machtstellung innerhalb des Sachsenvolkes Siebenbürgens unter
volkspolitischen Gesichtspunkten besitzt, muß eine genaue Beachtung dieser
Wünsche und ernsthaftes Eingehen auf alle sich bietenden Möglichkeiten zu
einer friedlichen Durchdringung des Sachsenvolkes mit den Kräften der
Erneuerung erwartet werden.
Heil!
gez. RUDOLF HESS
37
L433/L 124 299-302
Aufzeichnung des Oberregierungsrats Thomsen (Reichskanzlei)
BERLIN, den 31. Oktober 1933
zuRk. 12 2881)
Der Herr Reichskanzler empfing heute den früheren Generalsekretär des
Bundesrats der christlichen Kirchen in den Vereinigten Staaten, Pastor
Charles S. Macfarland. Herr Macfarland leitete das Gespräch damit ein, daß
er seine Mission als eine völlig private bezeichnete. Er habe keinerlei amt-
lichen Auftrag, sondern lediglich den Wunsch, sich der Reichsregierung zur
Verfügung zu stellen als ein Mann, dessen Stimme in weiten Kreisen in
Amerika gehört werde. Er habe Deutschland seit drei Wochen bereist und
mit nicht weniger als 60 verschiedenen Persönlichkeiten, besonders über
kirchliche Fragen, gesprochen. Als er im Jahre 1915 sich auf einer kirch-
lichen Mission in Deutschland befand, habe er den Eindruck gewonnen, daß
der damalige Reichskanzler von Bethmann Hollweg keine Fühlung mit dem
Vertreter der Vereinigten Staaten in Berlin gehabt habe. Dadurch seien
viele Mißverständnisse entstanden, die man hätte vermeiden können. Er
habe jetzt eine völlig veränderte Atmosphäre festgestellt. Der amerika-
nische Botschafter Dodd habe sich in sehr warmen Worten über seinen Emp-
fang durch den Herrn Reichskanzler ausgesprochen.2) Herr Dodd sei zweifel-
los von den allerbesten Absichten beseelt und wünsche, das vertrauensvolle
Verhältnis zur Reichsregierung, das sich bereits in so kurzer Zeit angebahnt
habe, zu vertiefen. Da Herr Dodd aber eine zurückhaltende Natur sei, wäre
57
Nr. 37 31. OKTOBER 1933
(3) Durch das „Gesetz über die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche" vom
14. Juli 1933 (siehe Reichsgesefzbktft, 1933, Teil I, S. 471) war das Amt eines Reichs-
bischofs geschaffen worden. Nach den am 23. Juli durchgeführten Kirchenwahlen, bei
denen die „Deutschen Christen", Befürworter des Führerprinzips in kirchlichen Ange-
legenheiten, eine Mehrheit erreicht hatten, war am 27. September von der National-
synode in Wittenberg Dr. Müller zum Reidisbischof gewählt worden.
58
Nr. 37 31. OKTOBER 1933
(4) Zu Macfarlands Besuch in Deutsehland siehe Macfarland, The New Churdx and the
New Germany. Siehe auch Foreign Relations of fhe United Sfafes, 1933, Bd. II, S. 303-04.
59
Nr. 39 1. NOVEMBER 1933
38
5643/H 000 945
Aulzeichnung des Ministerialdirektors Meyer
Abschrift
BERLIN, den 1. November 1933
AUFZEICHNUNG
Der Herr Reichsminister hat heute dem Herrn Reichskanzler die Lage der
deutsch-polnischen Wirtschaftsverhandlungen : ) vorgetragen. Er hat dabei
präzisiert, daß die Verhandlungen sich bis zum 14. Oktober d. J. verhältnis-
mäßig günstig angelassen hätten, von diesem Datum an aber die Polen mit
Forderungen vorgetreten seien, deren Erfüllung ihm nicht möglich erscheine.
Es handele sich dabei in erster Linie um die Forderung der Einfuhr pol-
nischer Kohle nach Deutschland und um die Verweigerung der Aufhebung
der Diskriminierung der deutschen Schiffahrt. Der Herr Reichsminister hat
dem Herrn Reichskanzler vorgeschlagen, daß die Einfuhr von oberschlesi-
scher Kohle nicht zugestanden werden könne, daß aber deutscherseits auf
der Beseitigung der Diskriminierung der deutschen Schiffahrt bestanden
werden müsse. Er hat dabei darauf aufmerksam gemacht, daß bei einer
intransigenten Haltung der Polen damit gerechnet werden müsse, daß die
Verhandlungen abgebrochen würden. Der Herr Reichskanzler hat sich mit
dem Vorschlage des Herrn Reichsministers einverstanden erklärt. Der Herr
Reichskanzler hat aber Wert darauf gelegt, daß eine Prüfung vorgenommen
werde, ob nicht auf anderem Gebiete im Interesse einer Vermeidung des
Abbruchs der Verhandlungen den Polen Konzessionen gemacht werden
könnten.
gez. MEYER
(l) Während der vorangegangenen Monate hatten zwischen Deutschland und Polen Wirt-
sdiaftsverhandlungen stattgefunden, bei denen es vor allem um eine Modifizierung be-
stehender Zollbestimmungen und Einfuhrbeschränkungen ging.
39
3154/D 671 328-29
Reichswehrminister von Blomberg an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath s)
Streng vertraulich BERLIN, den 1. November 1933
Nr. 580/33 VGH I
Betrifft: Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit.
Das Verlassen der Abrüstungskonferenz und der Austritt des Reiches aus
• (1) Auf der Vorlage befindet sieh die Paraphe Neuraths vom 4. November. - Das Schreiben
wurde gleichzeitig dem Reichsminister des Innern (Friek), dem Reichsminister der Luft-
60
Nr. 39 1. NOVEMBER 1933
dem Völkerbund zwingen dazu, bei allen Maßnahmen zur Stärkung der
nationalen Verteidigungskraft der schwierigen außenpolitischen Lage in
besonderem Maße Rechnung zu tragen. Noch mehr als bisher ist in jedem
einzelnen Falle scharfe Prüfung nötig, ob und wie die wehrpolitischen Be-
lange mit den Rücksichten der Außenpolitik in Einklang zu bringen sind.
Die Verantwortung für die Durchführung dieser Forderungen hat mir die
Reichsregierung durch die in der Ministerbesprechung vom 17. 10. 33 ange-
nommene Entschließung 2 ) übertragen.
In Ausführung dieses Auftrages darf ich zunächst darauf hinweisen, daß
die mit meinem Schreiben vom 14. 9. 33 Nr. 489/33 W. IIb 3 ) mitgeteilten
Richtlinien über Maßnahmen auf den Gebieten der Tarnung, der Abwehr
und der wehrpolitischen Propaganda weiterhin voll in Kraft bleiben und die
Grundlage für die Behandlung dieser Fragen bilden müssen. Um eine ein-
heitliche Handhabung zu sichern, muß ich alle Maßnahmen, die gegen die
Bestimmungen des VersaiUer Diktats verstoßen, grundsätzlich von meiner
vorherigen Zustimmung abhängig machen, wobei ich bitten darf, zur Ver-
meidung unnötiger Arbeit in derartigen Fragen von vornherein mit mir in
Fühlung zu treten. In jedem Falle wird zu erwägen sein, ob auch an sich
wünschenswerte und richtige Maßnahmen nach ihrem augenblicklichen
praktischen Nutzen so hoch zu bewerten sind, daß sie die Übernahme der
damit verbundenen außenpolitischen Gefahr rechtfertigen. Ist diese Frage
zu bejahen, so wird eingehend zu prüfen sein, in welcher Form der Tarnung
und Geheimhaltung im Sinne meiner Richtlinien vom 14. 9. 33 am wirk-
samsten Rechnung zu tragen ist. Auch hierüber müßte vor Einleitung irgend-
welcher Schritte im Einvernehmen mit mir volle Klarheit geschaffen werden.
Besondere Bedeutung kommt unter der jetzigen außenpolitischen Lage
allen in der entmilitarisierten Zone zu treffenden Maßnahmen zu. Mit Rück-
sicht auf die freiwilligen Verpflichtungen, die das Reich im Locarno-Vertrag
hinsichtlich dieser Zone übernommen hat (Beobachtung der Bestimmungen
der Artikel 42 und 43 des VersaiUer Vertrages 4 )), muß hier zunächst alles
unterbleiben, was der Gegenseite Anlaß geben könnte, uns Verstöße gegen
unsere Vertragsverpflichtungen vorzuwerfen. Bei der Wichtigkeit dieser
Frage bitte ich daher, für jede Maßnahme, die den jetzt bestehenden Zu-
stand auf dem Gebiete der Landesverteidigung in der entmilitarisierten
Zone verändert, auch wenn dabei nicht ausdrücklich gegen die militärischen
Bestimmungen des VersaiUer Diktats verstoßen wird, mein vorheriges Ein-
verständnis herbeizuführen.
Weitere, ins einzelne gehende Richtlinien auf Grund des Kabinetts-
beschlusses vom 17. 10. 33 werde ich mir erlauben bei einer mündlichen
Besprechung zu geben, zu der ich die für Tarnungs- und Abwehrfragen zu-
61
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933
40
3154/D 671 310-17
Reichskanzler Hitler an den italienischen Ministerpräsidenten Mussolini •)
BERLIN, den 2. November 1933
Euere Exzellenz!
Es ist die Wiedergabe der Empfindungen des ganzen deutschen Volkes,
wenn ich an die Spitze dieses Briefes die Versicherung des aufrichtigen
Dankes setze für die vielseitigen Bemühungen Euerer Exzellenz, in denen
wir eine ebenso wertvolle Unterstützung des deutschen Volkes wie tat-
kräftige Förderung aufrichtiger Friedensbestrebungen erblicken. Das deut-
sche Volk wird dies nicht vergessen. In mir selbst verbindet sich die Be-
wunderung für das geschichtliche Wirken Euerer Exzellenz mit dem
Wunsche einer vom Geiste wahrer Freundschaft erfüllten Zusammenarbeit
unserer beiden Nationen, die, weltanschaulich verwandt, durch zweckmäßige
Wahrnehmung gleicher Interessen unendlich viel zur Befriedung Europas
beitragen können.
Denn ich brauche Euerer Exzellenz nicht zu versichern, daß die deutsche
Regierung und das deutsche Volk nur von dem einen Wunsche beseelt sind,
unter Wahrung der allgemeinen Gleichberechtigung und damit des Lebens-
rechtes des deutschen Volkes, mitzuhelfen an der Beendigung einer Periode
der Geschichte der europäischen Staaten, die einzelnen Völkern vielleicht
scheinbare Vorteile gebracht haben mag, insgesamt aber weder der Wohl-
fahrt dieser Völker, ihrer zukünftigen Stellung innerhalb der übrigen Welt,
noch der allgemeinen menschlichen Kultur nützlich war. Ich darf weiter
Euerer Exzellenz versichern, daß ich während eines vierjährigen Einsatzes
an der Westfront den Krieg in seiner unromantischen Wirklichkeit zu sehr
kennengelernt habe, um nicht die ungeheure Verantwortung derer zu er-
messen, die die Vorsehung Völker regieren läßt, daß ich aber als Mann
(i) Für die näheren Umstände der Übermittlung dieses Briefes siehe Dokument Nr. 50.
62
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933
erfüllt bin von der Überzeugung, nicht nur das Recht, sondern auch die Ehre
der Nation, die mich als ihren Sprecher und Führer anerkennt, vertreten zu
müssen. Ich wollte daher lieber jede Drangsal ertragen, als für mich oder die
Nation jene Prinzipien preisgeben, die durch Blut und Opfer zahlreicher
Generationen verteidigt und erhalten, für die Existenz einer Nation unent-
behrlich und damit wahrhaft geheiligt sind.
Euere Exzellenz haben das Glück, der souveräne Führer eines aus dem
Weltkrieg erfolgreich zurückgekehrten Volkes zu sein. Als glühender
Patriot werden Sie aber dennoch Verständnis empfinden für Männer, die in
nicht minder großer Liebe an einem Volke hängen, das das Schicksal nach
heroischem Widerstände und unermeßlichen Opfern geschlagen hat und
die nun die geschichtliche Aufgabe zu erfüllen haben, diesem Volke Ehre
und Lebensrecht wiederzugeben. Als großer Italiener können Sie nicht
anders denken und würden selbst nicht anders handeln, wie wir deutsche
Nationalsozialisten es heute tun!
Die Abrüstungsfrage ist ein Problem, das für die anderen Nationen nur
sachliche, für Deutschland leider aber auch moralische Bedeutung besitzt. Es
ist für die Regierungen der anderen Staaten nur eine Angelegenheit sach-
licher militärischer Zweckerwägungen, Verminderungen oder Begrenzung
der Streitkräfte und Rüstungen vorzunehmen. Für Deutschland ist diese
Frage verbunden mit jenem Kapitel des VersaiUer Vertrages, das nicht nur
unsere sachliche Wehrlosigkeit, sondern auch moralische Diskriminierung
beinhaltet. Für uns kann daher diese Frage nicht nur eine solche ausschließ-
lich sachlicher Erwägungen sein, sondern es ist dies eine Frage des Ehr-
empfindens der Nation und ihrer Regierung. Es ist daher eher noch möglich,
auf sachlichen Gebieten entgegenzukommen, als es möglich ist, auf mora-
lischen Konzessionen zu machen!
Als die deutschen Regierungen einst den Waffenstillstand und später den
Friedensvertrag unterzeichneten, konnten sie nur eine einzige schwache
Entschuldigung für ihr Handeln anführen: Nicht die sonst drohende Not,
sondern nur die in den 14 Punkten Wilsons und später im Friedensvertrage
gegebene Aussicht, daß die Waffenniederlegung und Waffenzerstörung des
deutschen Volkes die Voraussetzungen sein würden zu einem analogen
Verfahren der übrigen Völker und damit zu einer Entgiftung und Befriedung
der Welt. Ich nehme nicht zur Ideologie dieser Auffassung Stellung, sondern
nur zu den in den Verträgen niedergelegten Zusicherungen und der in der
Tat vollzogenen deutschen Ausführung.
Deutschland hat abgerüstet.
Daß Deutschland ein Recht besitzt, die Abrüstung der anderen Staaten
unter Berufung auf den Friedensvertrag zu fordern, kann nicht bestritten
werden, schon aus dem Grunde, weil die Unbegrenztheit der Dauer der
deutschen Abrüstung bzw. die Fixierung der deutschen Rüstung für die
Zukunft überhaupt nur denkbar war unter der Annahme, damit eine Vor-
aussetzung für die Abrüstung der anderen Staaten und zugleich für deren
Ausmaß zu bestimmen. Denn wenn jemand die Verpflichtung der Abrüstung
der anderen Nationen bestreitet, so würde er bei der zeitlich unbegrenzten
Dauer der im VersaiUer Vertrag niedergelegten deutschen Abrüstung und
des in ihm fixierten deutschen Rüstungsstandes behaupten, daß durch diesen
63
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933
Vertrag für ewige Zeiten und unbegrenzt für alle Zukunft ein Kriegsaus-
gang entscheidend sein soll für die Minderberechtigung eines Volkes. Es
erübrigt sich jede Stellungnahme zu einer solchen wahnsinnigen Auf-
fassung; wollte man einen Friedensvertrag so auslegen, dann hieße dies
zugleich, dem Besiegten jedes moralische Recht zum Bruch eines solchen
Vertrages zubilligen. Damit aber läge in einem solchen Vertrage bereits
der Keim eines kommenden Krieges.
Dies konnte nicht der Sinn des Abschlusses des Weltkrieges sein und war
es auch nicht. Indem das deutsche Volk seine Verpflichtungen erfüllt hat,
besitzt es ein moralisches Recht, von der übrigen Welt die Erfüllung der
analogen Verpflichtung zu fordern und zu erwarten.
Die praktische Entwicklung dieser Angelegenheit läßt aber eines ein-
deutig und klar erkennen: Keine Macht denkt im Ernst daran, ihre Rüstung
irgendwie zu beschränken und damit die einst übernommene Verpflichtung
zu erfüllen. Es ist nicht notwendig, im einzelnen die Gründe für dieses Ver-
halten zu untersuchen. Ich will aber annehmen, daß es den Regierungen
unmöglich erscheint, vor den Parlamenten und den Generalstäben die Be-
lastung einer wirklichen Abrüstung auf sich zu nehmen. Ja, im Gespräch
unter vier Augen wurde uns von verschiedenen Staatsmännern ganz offen
und frei erklärt, daß ihre Regierungen nicht daran dächten, auch nur eine
einzige Kanone zu vernichten. Damit aber konnte der Zweck der Genfer
Verhandlungen nur mehr der sein:
Erstens eine wirkliche Abrüstung unter allen Umständen zu verhindern
und
zweitens die Schuld von sich ab- und auf einen anderen hinzuwälzen!
Ich habe schon in meiner Rede vor dem Reichstag 2) keinen Zweifel dar-
über gelassen, daß im Falle einer solchen Entwicklung Deutschland sowohl
die Abrüstungskonferenz als auch den Völkerbund verlassen würde. Ich
habe in einer Unterredung mit dem Botschafter Euerer Exzellenz 8 Tage
vorher 3 ) desgleichen darauf hingewiesen, daß ich dieser Entwicklung nicht
willenlos zusehen würde, sondern daß ich unter allen Umständen und auf
jede Gefahr hin die gebotenen Konsequenzen ziehen würde.
Baron von Neurath, der am 14. Oktober 10 Uhr vormittags Eurer Exzellenz
Botschafter die bevorstehende Durchführung des deutschen Schrittes mit-
teilen sollte, konnte diesen leider nicht erreichen. Ich hielt es aber nach den
gegebenen Umständen für notwendig, nach der Bekanntgabe der neuen
englischen Entwürfe 4 ) unverzüglich eine Bindung zu lösen, aus der sich
unter solchen Umständen nur noch mehr Verwirrungen und damit eine Ver-
schärfung der Lage hätten ergeben müssen.
Da der Vorsatz der hochgerüsteten Staaten, in Sonderheit Frankreichs,
nicht abzurüsten, feststeht, glaube ich auch nicht mehr an eine Möglichkeit
(2) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 246. S. 446.
(*) Dieser Hinweis bezieht sich vermutlieh auf die Unterredung, die am 12. Oktober,
wenige Tage vor dem Austritt Deutsehlands aus der Abrüstungskonferenz und dem
Völkerbund, zwischen Hitler und Cerruti stattgefunden hatte. Siehe Serie C, Bd. 1,2,
Dokument Nr. 494. Siehe auch Aloisi, Journal (25 juillet 1932 - 14 juin 1936), Eintragung
für den 13. Oktober 1933.
(4) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 486 und 493.
64
Nr. 40 2. NOVEMBER 1933
65
11,1 Bg. 5
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933
• (5) Für Hitlers Unterredung mit Dodd siehe die Anmerkung der Herausgeber nach Doku-
ment Nr. 9, S. 12. Hitlers Unterredung mit Phipps ist wiedergegeben in Dokument
Nr. 23.
41
5552/E 393 494-99
Autzeichnung ohne Unterschriftl)
3. November 1933
AUFZEICHNUNG ÜBER EINE BESPRECHUNG IM AUSWÄRTIGEN AMT
AM 3. NOVEMBER 1933, 12 UHR 15 2)
Anwesend die Herren: Meyer, von Moltke, Graf Adelmann vom Aus-
wärtigen Amt; Nasse vom Reichsfinanzministerium; von Flotow von Hardy
& Co.; Ritscher von der Dresdner Bank; Flick, Steinbrinck, Bruhn für die
IG-Gesellschaften.
Dr. Bruhn führte etwa folgendes aus:
Am gestrigen Nachmittag ist das Verwaltungsgebäude der IG-Gesell-
schaften in Kattowitz 3 ) von polnischer Polizei besetzt worden. Die Ge-
• (i) Eine beiliegende Notiz (5552/E 393 493) lautet: „Herrn Ministerialdirektor Meyer im
Auftrage von Herrn Dr. Bruhn ergebenst überreicht. Berlin, den 21. November 1933.
Sekretariat Dr. Bruhn: Eberhardt."
(2) Neurath wurde über diese Besprechung durch eine kurze Aufzeichnung Meyers vom
3. November (5552/E 393 531) unterrichtet. In den Akten befindet sich noch eine weitere
Aufzeichnung des Auswärtigen Amts über die Besprechung (5552/E 393 509-11).
(>) Frühere Dokumente zur Frage des IG Kattowitz-Laura-Konzerns sind abgedruckt in
Serie C, Bd. 1,2, Dokumente Nr. 359 und 473. Eine umfassende Aufstellung über die
Finanzstruktur und die Besitzverhältnisse des Konzerns (5552/E 393 368-84) wurde am
8. März 1934 von Flotow an Meyer übermittelt.
66
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933
• (4) Grazynski.
67
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933
Das Feld wurde frei für energische polnische Vorstöße. Diese setzten nun
auch schlagartig ein. Es genügt der Hinweis auf einige wenige Vorfälle:
Anfang Juli Verhaftung Bernhardt.5)
Schärfstes Drängen auf Vorlage der Bilanzen, Androhung hoher Steuern
und Verzugsstrafen.
Verlangen nach Beseitigung der Parität zu Gunsten einer polnischen
Majorität im Vorstand.
Formulierte Forderungen der polnischen Regierung für die neue Be-
setzung des Aufsichtsrates.
Verweigerung der Diskontierung von Russenwechseln und Staatsbahn-
wechseln mit dem ausgesprochenen Hinweis, daß so lange nicht diskontiert
werde, als gewisse politische Forderungen nicht erfüllt sind.
Der bisher den Polen entgegengesetzte Widerstand wurde dadurch völlig
untergraben, daß seitens der Unterhändler die mit großer Sorgfalt aufge-
zogene Tarnung der amerikanischen Beteiligung, der geringe Einfluß der
Amerikaner, die tatsächlichen Besitzverhältnisse beim Stahlverein und
Gelsenkirchen, die Ausschaltung des Herrn Flick und dergleichen mehr in
allen Einzelheiten den Polen berichtet wurden. Durch diese Art der Ver-
handlungsführung seitens der Vermittler sind die schwachen Punkte unserer
Position den Polen zur Kenntnis gekommen, die nun mit großer Geschick-
lichkeit ihren Angriffsplan ansetzen konnten. Die Vorwürfe gehen dahin,
daß auf Veranlassung der deutschen Kapitalisten die Gesellschaften von
den deutschen Vorständen mit fiktiven Schulden belastet worden sind, so
daß die deutschen Kapitalisten aus den Zinsen auf diese Schulden laufend
Einnahmen aus den Gesellschaften herausgezogen haben, die an und für
sich einkommensteuerpflichtig wären. Aus diesem Vorwurf konstruieren
die Steuerbehörden eine Anklage gegen den Vorstand wegen Steuerhinter-
ziehung; sie wollen die Werke mit einer Steuer von 25 bis 30 Millionen
Zloty belasten und aus Anlaß dieses Prozesses zunächst die deutschen Vor-
standsmitglieder Rohde und Tomalla entfernen.6)
Als Kuriosum wurde noch erwähnt: Der polnische Unterhändler Levin,
der neben Herrn Honigmann mit der Vermittlung des Verkaufs betraut
worden ist, hat heute morgen von Paris aus erklärt, die Aktion der Staats-
anwaltschaft habe nichts zu bedeuten, man solle sich darüber nicht be-
unruhigen, sondern die Verkaufsverhandlungen in bisheriger Weise fort-
führen. Es bestehe die größte Wahrscheinlichkeit, daß der Verkauf in näch-
ster Zeit in der gedachten Weise perfekt werde.
(5) Ein Mitarbeiter des Kattowitz-Konzerns, dem von den polnischen Behörden kriminelle
Handlungen zur Last gelegt wurden.
(6) Adelmann meldete dem Auswärtigen Amt am 24. November aus Kattowitz (5552/E 393
473), daß polnischen Presseberichten zufolge ein Haftbefehl gegen Rohde und Tomalla
ergangen sei, weil sie sieh trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zur Vernehmung vor
Gericht gestellt hätten; beide seien jedoch inzwischen ins Ausland gegangen. Siehe
auch Sehreiben des Reichsfinanzministeriums an das Auswärtige Amt und das Reichs-
wirtschaftsministerium vom 29. November (5552/E 393 459-63). Am 14. Januar 1934
informierte Meyer jedoch Moltke (5552/E 393 436-39), daß ein Verfahren gegen die IG
nicht schwebe, nur gegen einige Vorstandsmitglieder! seines Wissens sei gegen Rohde
und Tomalla „ein formelles Verfahren noch gar nicht eingeleitet". Siehe auch Dokument
Nr. 217.
68
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933
Der Vertreter der Harriman-Gruppe, Mr. Rossi, ist heute früh von Herrn
Dr. Radowski gebeten worden, nach Kattowitz zu kommen, um morgen eine
Unterredung mit dem Woiwoden zu haben, der ihn sprechen möchte.
Herr Meyer führte aus, daß er auf die Vorgänge der letzten Monate heute
nicht eingehen wolle, und erklärte, daß entsprechend der Entscheidung von
höchster Stelle ein Verkauf der Werke nicht mehr in Frage komme.7) Es sei
aber entschieden worden, daß die Verhandlungen nicht brüsk abgebrochen
werden, sondern allmählich versanden sollten. Hierüber bestand allge-
meines Einverständnis.
Herr Flick erklärt, er sei immer der größte Gegner des Verkaufsgedan-
kens gewesen und habe die Tatsache, besonders aber die Art der Verhand-
lungen, für ein großes Unheil angesehen. Sobald er davon in Kenntnis
gesetzt worden sei, daß über den Verkauf im Auftrage der deutschen
Aktionäre verhandelt werde, habe er kaum mehr daran gezweifelt, daß die
polnische Regierung Mittel und Wege finden werde, sich in den Besitz der
begehrten Werke zu setzen, daß sie aber gleichzeitig auch Mittel und Wege
finden werde, um dies ohne nennenswerten Gegenwert zu erreichen.
Nach kurzer Erörterung der Lage schlägt Herr Meyer vor, die noch be-
stehende Verbindung mit den Unterhändlern auszunutzen, um den Eingriff
der Kattowitzer Behörden zur Sprache zu bringen und auch auf diesem
Wege eine Einwirkung zu versuchen. Herr Meyer schlägt ferner vor, daß
Herr Flick gleichzeitig mit Herrn Rossi den Woiwoden besuchen möge.
Dr. Bruhn empfiehlt ein Vorgehen in dieser Richtung in zwei Etappen der-
gestalt, daß Herr Rossi den Woiwoden veranlaßt, Herrn Flick um eine
Unterredung zu bitten.
Herr Meyer schlägt vor, nicht allzusehr auf einer formellen Einladung
von Herrn Flick zu bestehen. Wie die Form gewählt werde, sei gleichgültig,
wichtig sei nur, daß bald eine Besprechung zwischen Herrn Flick und dem
Woiwoden zustande komme.
Dr. Bruhn empfiehlt, die Sanierung der Bilanzen mit tunlichster Be-
schleunigung vorzubereiten, um zu einem Arrangement mit der polnischen
Behörde zu gelangen, wobei man gegenseitige Konzessionen anbieten kann,
z. B. Verzicht der polnischen Behörde auf ihre unberechtigten Steuerforde-
rungen gegen Stundung der deutschen Bankforderungen nebst Zinserlaß
und gegen Opfer der Aktionäre in Gestalt einer Zusammenlegung des
Kapitals und dergleichen.
Herr Ritscher hält diesen Gedanken für richtig, weist aber darauf hin,
daß die mit einer Sanierung verknüpften Opfer nutzlos gebracht würden,
wenn man nicht entschlossen sei, durch die Beschaffung flüssiger Betriebs-
mittel die Gesellschaften unter allen Umständen durchzuhalten, auch wenn
die Bank Polski in Zukunft bei der Finanzierung der Russenwechsel Schwie-
rigkeiten machen sollte.
Die Herren Meyer und Flick schließen sich dieser Auffassung an. Herr
Meyer betont, daß der Beschluß, die Werke zu halten, selbstverständlich
zur Folge habe, daß die Werke finanziell sichergestellt werden müßten. Das
(7) Neurath hatte diese Entscheidung Hitlers in einem hsdir. Vermerk vom 1. November
(5552/E 393 535) aufgezeichnet.
69
Nr. 41 3. NOVEMBER 1933
70
Nr. 42 3. NOVEMBER 1933
42
3154/D 670 215-19
Aufzeichnung ohne Unterschrittl)
[3. November 1933]
RM. 1519
Die Feinde des Regimes liefern aus Rache zahlreiche Denunziationen über
die Wiederaufrüstung Deutschlands. Bei den hiesigen fremden Militär-
attaches laufen derartige Denunziationen täglich in großer Anzahl ein. Aus
denselben geht hervor, daß Deutschland sich nicht an das Rüstungsniveau
von Versailles gehalten hat, und infolgedessen halten sich die Sieger auch
nicht mehr an ihr Abrüstungsversprechen gebunden.
Auf meinen Einwand, daß, wenn dieses wahr wäre, Hitler kaum in der
Lage gewesen wäre, die angeblichen geheimen Rüstungen Deutschlands mit
solcher Entschiedenheit zu dementieren, antwortete mein Mitredner, daß
Hitler bloß die angeblichen deutschen Waffenfabriken in Holland, Schweden,
Rußland etc. erwähnt hätte, hingegen kein Wort darüber sagte, was in
dieser Beziehung innerhalb der deutschen Grenzen geschieht.
Auf meine Frage, ob die von deutschen amtlichen Stellen und insbeson-
dere von seiten des Reichskanzlers immer häufiger erklingenden Friedens-
botschaften vollkommen wirkungslos seien, antwortete mein Mitredner, daß
diese Erklärungen nicht ganz ohne Eindruck blieben. Der gesäte Samen ver-
dorre nicht im Sande und, bei entsprechend behutsamer Behandlung, könne
daraus Nützliches hervorsprießen. Der Wert dieser Erklärungen werde je-
doch dadurch abgeschwächt, daß die Deutschen gleich zuviel sagen. Er ver-
wies auf jenen Teil der Rede Daladiers,2) wo letzterer in Beantwortung der
Erklärungen Hitlers sagte, er habe offene Ohren, um zu hören, aber auch
offene Augen, um zu sehen.
Hierauf fing mein Mitredner an darüber zu sprechen, was meinem Ein-
drucke nach der Hauptzweck seines Besuches war, nämlich über die Frage
der unmittelbaren Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich. Er
frug mich, ob ich etwas darüber gehört hätte, daß Deutschland bereits ein
fertiges Programm für diese Besprechungen habe. Seine Informationen
lauten dahin, daß Deutschland bei diesen direkten Verhandlungen mit
solchen Forderungen aufzutreten gedenkt, deren Erfüllung mit der deut-
schen Hegemonie in Europa gleichbedeutend wäre. Diese Forderungen
wären:
1.) Rückkehr des Saargebietes. Dies hätte, sagte mein Mitredner, von
politischem Standpunkt keine größeren Schwierigkeiten; es handle sich nur
darum, ob bei der Abstimmung 90, 80 oder nur 70 oder 60 Prozent der
*(1) Am Kopf des nicht unterzeichneten und undatierten Dokuments befindet sich folgender
nschr. Vermerk: „Der ungarische] Gesandte teilte mir nachstehendes über eine Unter-
redung mit dem französischen] Botschafter [Francois-Poncet] mit (unter Betonung der
Notwendigkeit strengster Diskretion). B[ülow] 3. 11."
Das Dokument wurde in den Akten in einem versiegelten Umschlag abgelegt, der die
Aufschrift trägt: „Memorandum Masirevich".
Das Datum wurde vom Eingangsstempel des Auswärtigen Amts übernommen.
(2) Siehe Dokument Nr. 18, Anm. 3.
71
Nr. 42 3. NOVEMBER 1933
Stimmen für die Rückkehr zum Reich abgegeben würden. Die Schwierig-
keiten werden sich nur ergeben bei der Regelung der finanziellen und der
Bergwerksfragen.
2.) Unterstellung von Elsaß-Lothringen unter die Bestimmungen des
Minoritätenschutzes.
3.) Durchführung des österreichischen Anschlusses.
4.) Rückgabe des polnischen Korridors.
Ich antwortete, daß ich nicht den Eindruck habe, Deutschland hätte solch
ein bestimmtes Programm, und selbst wenn ein Programm vorhanden wäre,
so glaube ich sicherlich nicht an deutsche hegemonistische Velleitäten.
Meiner Überzeugung nach seien die friedlichen Absichten Deutschlands voll-
kommen aufrichtig, und selbst wenn sie nicht aufrichtig wären, so sei die
Lage eine derartige, daß die Durchführung nichtfriedlicher Absichten die
Frage einer nur äußerst entfernten Zukunft sein könnte; es schiene mir
aber nicht zweckmäßig, eine europäische Politik auf so weite Sicht zu be-
treiben. Mein Mitredner gab zu, daß er selbst die Quelle, aus welcher die
Informationen über die angeblichen deutschen Wunschzettel stammte, für
nicht sehr zuverlässig halte. Im übrigen wäre es eine Naivität, anzunehmen,
daß Frankreich gerade nach den letzten Ereignissen in der Lage wäre, sich
in ä-deux-Verhandlungen einzulassen, wodurch es seinen Alliierten und
dem Völkerbund einen Affront antun würde.
Der Austritt Deutschlands, sagte mein Mitredner, habe überraschend
gewirkt. Man habe den Eindruck gehabt, daß Hitler gemäßigt sein und die
Dinge nicht auf die Spitze treiben wolle. Er betonte mit sorgenvoller Miene,
daß dieser drastische Schritt noch schwere Folgen nach sich ziehen könne.
Ich antwortete, ich könne meiner innersten Überzeugung nach in diesem
Schritte des Reichskanzlers ebenso wenig einen Akt erblicken, der die
Wiederaufrüstung oder die Störung des Friedens zum Ziele hätte, als auch
einen Akt politischer Taktik. Meiner Auffassung nach sei der Austritt
Deutschlands aus dem Völkerbunde ganz einfach aus der Hitler eigentüm-
lichen Ideologie entsprungen: er wollte aus der mit Intrigen erfüllten Atmo-
sphäre in freie Luft gelangen.
Mein Mitredner kam dann auf die Kontroverse Neurath-Simon *) zu
sprechen. Er sagte, die Deutschen hätten nicht recht, wenn sie behaupteten,
sie wären über das Wesen des Simon-Planes nicht unterrichtet gewesen;
die vier Großmächte hätten sich darüber geeinigt gehabt und der Plan wäre
äußerst raisonabel gewesen, nämlich:
1.) In der ersten vierjährigen Periode hätte sich die Kontrolle bei den
gerüsteten Staaten darauf erstreckt, daß sie ihre Rüstungen nicht erhöhen,
bei den abgerüsteten Staaten hingegen darauf, daß sie das Niveau des
Friedensvertrages nicht überschreiten. In dieser Periode hätte auch die
Standardisierung der Heere begonnen.
2.) In der zweiten Vierjahres-Periode wären die schweren Angriffswaffen
der gerüsteten Staaten stufenweise vernichtet worden, die abgerüsteten
Staaten hingegen hätten, gleichfalls stufenweise, die bisher verbotenen Ver-
72
Nr. 43 3. NOVEMBER 1933
43
6065/E 448 738-40
Autzeichnung des Legationsrats Busse
Geheim [BERLIN, den] 3. November 1933
II Balk. 1989 Js.
In der Angelegenheit der beiden in Berlin erscheinenden kroatischen
Emigrantenblätter') suchte mich heute Herr Major a. D. Voss vom Reichs-
wehrministerium auf, um mir den Standpunkt seiner Dienststelle zu der
Frage des Verbots der beiden Blätter darzulegen. Er sagte, eine entgegen-
kommende Behandlung der hier lebenden kroatischen Emigranten, insbe-
sondere des Herausgebers der beiden Blätter, Dr. Branimir Jelic, durch die
deutschen Behörden sei deshalb erwünscht, weil die Kroaten bei der Nach-
richtenbeschaffung, insbesondere aber wegen ihrer Verbindung mit den im
Auslande, namentlich in Italien und in Ungarn befindlichen und dort mili-
tärisch geschulten kroatischen Organisationen nützlich seien. Denn das
Reichswehrministerium gehe davon aus, daß bei einer etwaigen künftigen
kriegerischen Verwicklung in Europa Jugoslawien auf der Seite unserer
Gegner stehen werde und daß daher die organisierten kroatischen Emi-
granten, die gegen das jetzige Jugoslawien feindlich eingestellt seien, uns
als Verbündete willkommen sein müßten. Die Zahl dieser im Auslande
lebenden, für den Kriegsfall zu einer Verwendung gegen Jugoslawien in
Betracht kommenden kroatischen Emigranten schätzte Herr Voss auf 3000
bis 10 000 Mann. Diese sollten nach der Vorstellung des Reichswehrministe-
(1) Die Frage des Status dieser kroatischen Emigrantenblätter und ihres Herausgebers
Jelic war Gegenstand mehrerer Schriftwechsel zwischen dem Auswärtigen Amt und
dem Reichsministerium des Innern gewesen und hatte Demarchen der jugoslawischen
Gesandtschaft in Berlin ausgelöst. Die Akten zu dieser Angelegenheit sind gefilmt
unter der Seriennummer 6065.
73
Nr. 44 3. NOVEMBER 1933
44
4620/E 200 288-92
Der Botschalter in Moskau von Dirksen
an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow l)
MOSKAU, den 3. November 1933
Lieber Bülow!
In der Eile eines vollbesetzten Abreisetages möchte ich Ihnen kurz privat-
brieflich über meine Eindrücke in Moskau in dieser letzten Woche berichten.
Mein Gesamteindruck war der, daß die Welle der Pressehetze und sonstigen
deutschfeindlichen Einstellung im Abnehmen begriffen ist. Dazu hat die be-
ginnende Ernüchterung über die neue Freundschaft zu Frankreich bei-
getragen, ebenso wie eine allmählich einsetzende ruhigere Beurteilung der
Einstellung Deutschlands gegenüber der Sowjetunion; insbesondere hat.
natürlich die Beilegung des Journalisten-Konflikts beruhigend gewirkt.
In meinen Unterhaltungen mit Krestinski habe ich unsere Bereitwilligkeit
74
Nr. 44 3. NOVEMBER 1933
75
Nr. 45 4. NOVEMBER 1933
45
3154/D 671 323-24
Aulzeichnung ohne Unterschrift1)
[4. N o v e m b e r 1933]
76
Nr. 46 4. NOVEMBER 1933
46
3086/D 617 009-11
Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats Hüfter *)
BERLIN, den 4. November 1933
e. o. II Oe. 1800
AUFZEICHNUNG
77
Nr. 46 4. NOVEMBER 1933
78
Nr. 47 6. NOVEMBER 1933
47
6609/E 497 288-94
Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Geheim MOSKAU, den 6. November 1933
A 2410 Ankunft: 8. November
IV Ru. 4915
POLITISCHER BERICHT
[Anlage]
MOSKAU, den 1. November 1933
NOTIZ
79
Nr. 47 6. NOVEMBER 1933
richten gekommen wären, daß die Sowjetregierung oder die Rote Armee,
um ihre neue Freundschaft mit Frankreich zu festigen, den Franzosen oder
Polen Material über die deutsch-sowjetische militärische Zusammenarbeit in
die Hände gespielt habe. Das habe bei uns, besonders in der Reichswehr,
natürlich eine gewisse Beunruhigung hervorgerufen.
Herr Tuchatschewski wurde über diese meine Ausführungen sehr erregt
und führte etwa aus, daß solche Nachrichten doch deutlich den Stempel der
politischen Intrige trügen und in Deutschland doch nicht ernst genommen
werden könnten. Denn erstens wäre es von der Roten Armee eine große
Dummheit, etwas Derartiges zu tun, da die Reichswehr über den inneren
Aufbau und die Stärke und die strategischen Absichten der Roten Armee
weit besser orientiert sei als die Rote Armee über die Reichswehr, so daß
also in der Beziehung die Rote Armee sich sehr viel mehr preisgegeben
habe als die Reichswehr; zweitens aber gäbe es auch in der Roten Armee
eine soldatische Ehre. Ebensowenig, wie man bei der Roten Armee jemals
auf den Gedanken kommen würde, daß der deutsche Offizier die ihm ver-
trauensvoll gewährten Einblicke in die Rote Armee anderen Ländern gegen-
über verwenden könne, ebenso wenig dürfe die Reichswehr etwas Der-
artiges von der Roten Armee annehmen. Der Begriff der Ehre sei mit dem
Soldaten untrennbar verbunden, und die Rote Armee habe, auch wenn ihre
Weltanschauung anders sei als die der Reichswehr, genau die gleiche
soldatische Ehre und erhebe unbedingten Anspruch auf sie. Es sei völlig
ausgeschlossen, daß von der Roten Armee jemals etwas Derartiges gemacht
würde.
Ich warf darauf ein: „Auch von der Sowjetregierung?", worauf Herr
Tuchatschewski erwiderte: „Audi von der Sowjetregierung." Ich entgegnete,
leider gäbe es gewisse Fakten, die diese Verdachtsgründe bei uns verstärkt
hätten: die Reise des Generals von Bockelberg in der Sowjetunion 2) sei sehr
harmonisch verlaufen, aber in der Zeit zwischen seiner Abreise von Moskau
und seiner Ankunft in Berlin habe die Rote Armee plötzlich ganz unerwartet
die Forderung nach einer sofortigen Liquidation der Unternehmungen ge-
stellt.3) Kurz darauf sei in einer äußerst unhöflichen Form die Absage für die
Teilnahme an Kursen in Deutschland durch Offiziere der Roten Armee
erfolgt, die auf Wunsch der Roten Armee für sowjetische Kommandeure
eingerichtet worden wären.4) Um diese Zeit seien auch die ersten Nachrich-
ten zu uns gedrungen, die davon sprachen, daß die Rote Armee sich auf
eine engere Zusammenarbeit mit Frankreich einstelle. Er werde also ver-
stehen, daß diese Fakten einen guten Nährboden abgegeben hätten für
solche Nachrichten, die er als politische Intrige bezeichnet hätte.
Herr Tuchatschewski entgegnete, die Liquidation der Stationen sei eine
politische Konsequenz gewesen, nachdem man sich in der Sowjetunion
davon überzeugt hätte, daß der Kurs der deutschen Regierung eine sowjet-
(2) Zu der Reise General Bockelbergs in die Sowjetunion siehe Serie C, Bde. 1,1 und 1,2,
Dokumente Nr. 147, 232 und 252.
*(') Dieser Hinweis bezieht sich auf die von der Reichswehr in der Sowjetunion in Zusam-
menarbeit mit der Roten Armee unterhaltenen drei Militärstationen Tomka, Lipezk und
Kasan. Siehe Serie C, Bde. 1,1 und 1,2, Dokumente Nr. 197, 252, 460 und 470.
(<) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 460.
30
Nr. 47 6. NOVEMBER 1933
81
11,1 Bg. 6
Nr. 48 8. NOVEMBER 1933
tschewski die Hand mit den Worten: Vergessen Sie nicht, es ist die Politik,
Ihre Politik, die uns trennt, nicht unsere Gefühle, die Gefühle der Freund-
schaft der Roten Armee zur Reichswehr! (N'oubliez pas, mon ami, c'est la
politique, seulement votre politique, qui nous separe, pas nos sentiments,
nos sentiments les plus amicaux pour la Reichswehr.)
gez. VON TWARDOWSKI
48
8580/E 601 928-32
Aulzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 8. November 1933
IV Chi. 2473
Der chinesische Geschäftsträger besuchte mich heute und brachte die
Sprache auf das Memorandum betreffend die Diskriminierung der farbigen
Rassen, das er am 2. ds. Mts. überreicht hat.1) Ich sagte ihm eine Antwort
auf dieses Memorandum zu und setzte ihm auseinander, daß wir keineswegs
auf die chinesische Rasse irgendwie herabblickten oder sie deklassieren
wollten. Bei uns sei allerdings ein Vorurteil gegen Rassenvermischung weit
verbreitet, jedoch nur gegen die Vermischung als solche, nicht gegen die
Rassen, die für eine solche Vermischung in Frage kämen. Was die Gesetz-
gebung anlange, so werde nur verlangt die Rassenreinheit von deutschen
Beamten, Anwälten usw. sowie neuerdings von Erbhofbauern. Alles dies
seien Angelegenheiten, die für China und seine Staatsangehörigen praktisch
nicht in Frage kämen und wo seine Regierung doch nicht gut Gleichstellung
fordern könne. Ein Entwurf des preußischen Justizministers vom neuen
Strafgesetzbuch 2) habe ein gewisses Aufsehen hervorgerufen. Dieser Ent-
wurf sei gänzlich mißverstanden worden. Es handele sich praktisch nur um
einen Vortrag auf einer juristischen Gesellschaft. Preußen sei für eine der-
artige Gesetzgebung gar nicht zuständig, und das Reichsjustizministerium
habe auch nicht die Absicht, diesen preußischen Vorschlägen zu folgen. Wir
hätten den preußischen Justizminister auch befragt, woran er bei seinen
Vorschlägen gedacht habe, und es sei uns geantwortet worden, er habe den
Fall der Rheinlandbesetzung mit farbigen Truppen vor 10 Jahren im Auge
gehabt und die Mischehen, die damals gelegentlich vorgekommen seien.
Der Geschäftsträger meinte, es werde uns offenbar nicht schwer fallen, eine
die chinesische Regierung befriedigende Antwort auf dieses Memorandum
zu geben.3)
Er brachte dann seinerseits den Fall des Professors Tun Hui-shen zur
Sprache, der eine Deutsche, Gertrud Schulz, heiraten möchte, mit der er seit
82
Nr. 48 8. NOVEMBER 1933
zwei Jahren verlobt ist. Der preußische Justizminister hat bekanntlich die
Genehmigung zur Eheschließung verweigert. Ich sagte dem Geschäftsträger,
nach unseren Erkundigungen habe diese Verweigerung an sich nichts mit
dem Rassenproblem und der diesbezüglichen Gesetzgebung zu tun, sondern
hänge damit zusammen, daß der Dispens nur in Ausnahmefällen erteilt
werden solle und sich das preußische Justizministerium über die Sachlage
nicht recht klar geworden sei. Der Fall werde aber sowohl im preußischen
Justizministerium wie von uns noch geprüft.4)
Schließlich brachte der Geschäftsträger zur Sprache, daß der Marschall
Chiang Kai-shek außerordentlichen Wert darauf lege, daß General von
Seeckt wieder nach China komme, um die Reorganisation der chinesischen
Armee in die Hand zu nehmen. Der Geschäftsträger führte aus, daß der
General Wetzell für die chinesischen Verhältnisse doch etwas zu preußisch
und nicht mehr recht in der Lage sei, seine Aufgabe zu erfüllen, da er sich
viele Feindschaften zugezogen habe. Der Geschäftsträger deutete auch an,
daß die Franzosen sich um diese Stelle bewürben und daß die deutsche mili-
tärische Beratung für Waffen- und Materiallieferungen auch von Einfluß sei,
um zu beweisen, welchen Schaden wir eventuell erleiden könnten, sowohl
moralisch wie materiell, wenn Herr von Seeckt die ehrenvolle Berufung
ablehne. Herr von Seeckt habe dem Marschall ganz außerordentlich gefallen
und auf ihn einen nachdrücklichen Eindruck gemacht. Der Marschall sei ein
Typ, den man nach europäischen Begriffen als ritterlich bezeichnen würde,
bei dem das persönliche Vertrauen die allergrößte Rolle spiele. Ebenso wie
General Bauer entsandt worden sei wegen des großen Vertrauens, das der
Marschall in die Person von Ludendorff gesetzt habe, so sei es jetzt auch mit
Seeckt, nur daß hier eine persönliche Bekanntschaft vorliege und der Mar-
schall sich in den Kopf gesetzt habe, Seeckt müsse unbedingt nach China
kommen. General von Seeckt habe jedoch abgelehnt, wahrscheinlich wegen
seiner Gesundheit, vielleicht auch wegen seines Alters. Der Geschäftsträger
bat, wir möchten doch auf Seeckt einwirken, daß er wenigstens noch eine
Reise nach China mache.
Ich bat den Geschäftsträger, mir ganz offen zu sagen, ob man Seeckt nur
haben wolle, um auf elegante Weise den General Wetzell auszuschiffen. Er
verneinte dies und sagte, der Grund sei lediglich die starke Zuneigung und
das große Vertrauen des Marschalls für Seeckt. Ich suchte ihm dann ausein-
anderzusetzen, daß Seeckt ein alternder Mann von schwacher Gesundheit
sei, der sich eine so große und schwere Aufgabe wohl kaum zumuten könne
und auf den wir auch nicht in diesem Sinne drücken könnten, denn uns liege
natürlich daran, daß der Leiter der Militärberatung tatsächlichen Erfolg habe
und seiner Aufgabe nicht nur geistig, sondern auch physisch gewachsen sei.
Diese Argumentation machte auf den Geschäftsträger wenig Eindruck, und
er gab mir schließlich zu verstehen, daß es ihm und den anderen Chinesen
(mit Ausnahme vielleicht des Marschalls, der Herrn von Seeckt in China
behalten wolle) vor allen Dingen darauf ankomme, daß der Wunsch des
Marschalls befriedigt werde und Seeckt wieder, wenn auch nur für einige
(4) Weitere Dokumente über diese Angelegenheit sind gefilmt unter 6022/H 044 362-67 und
6022/H 044 377-79.
83
Nr. 48 8. NOVEMBER 1933
[Anlage]
Abschrift
(5) Gemeint ist offenkundig Generalleutnant a. D. von Falkenhausen, der von 1934 bis
1938 als militärischer Berater der chinesischen Nationalregierung tätig war. Siehe auch
Dokument Nr. 323.
(«) Siehe Dokument Nr. 63.
84
Nr. 49 8. NOVEMBER 1933
49
6114/E 454 100-01
Autzeichnung des Gesandtschaltsrats Hütler
(1) Bülow-Sehwante hatte in einer Aufzeichnung vom 30. Oktober (6114/E 454 096-98) ver-
merkt, daß zwei Tage zuvor Werner von Alvensleben bei ihm gewesen sei, der soeben
in Wien seinen Sohn aufgesucht habe, der wegen Mittäterschaft an der versuchten
Ermordung des österreichischen Heimwehrführers Steidle seiner Aburteilung entgegen-
sehe (siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 305, Anm. 1). Alvensleben habe mitgeteilt,
er habe in Wien Gelegenheit gehabt, Vizekanzler Fey und Generalsekretär Peter zu
sprechen; „beide Herren seien ohne sein Zutun auch auf die derzeitige politische
Situation zu sprechen gekommen". Fey habe erklärt, daß gegen eine österreichische
NSDAP mit österreichischen Führern nichts einzuwenden sei und daß man mit einer
solchen Partei sehr wohl gemeinsam ein Kabinett bilden und einen scharfen Kampf
gegen den Marxismus führen könne. Allerdings wehre sich Fey gegen Habicht, „über
den er sehr bittere Worte äußerte". Siehe weiter Dokument Nr. 71.
(2) Ein solches Gesuch war in einem Schreiben Alvenslebens an Neurath vom 8. Novem-
ber (6114/E 454 103-04) enthalten. Alvensleben bezog sich in diesem Sehreiben auch
auf seine Unterredung mit Fey in Wien (siehe Anm. 1) und bemerkte, er habe darüber
„sowohl dem Auswärtigen Amt wie auch dem mir befreundeten Stabschef Röhm"
berichtet. Siehe auch Langoth, Kampt um Österreich, S. 146-47.
(3) Randbemerkung: „H[err]n GR Hüffer erg[e]b[en]st. Der H[er]r RM bittet H[err]n
v. A[lvensleben] kommen zu lassen und in diesem Sinne zu belehren. Ko[tze] 8. 11."
(<) Heß.
85
Nr. 50 8. NOVEMBER 1933
50
8054/E 578 952-56
Aulzeichnung des Botschafters in Rom von Hassell *)
ROM, den 8. November 1933
Herr Ministerpräsident Göring traf am Montag, den 6. d. M. etwa um
V23 Uhr nachmittags auf dem Flugplatz Centocelle Nord ein, wo er von
Herrn Suvich und Graf Valle empfangen wurde. Ich begleitete ihn nach der
Villa Pollissena, wo er abstieg, und hatte dort eine längere Unterredung
mit ihm über die augenblickliche Lage der deutsch-italienischen Beziehungen
(Viererpakt, Donaupolitik, österreichische Frage, Abrüstungsfrage, Austritt
aus dem Völkerbund). Dabei habe ich besonders auf die Notwendigkeit hin-
gewiesen, Mussolini klar zu machen, daß die endgültige Entscheidung über
den Austritt aus dem Völkerbund wirklich erst am Sonnabend 2 ) mittag
gefallen sei, da die halbe Unterrichtung ihn stark verschnupft habe; sodann
habe ich betont, daß die anfangs scharf ablehnende Stellungnahme Musso-
linis zu unserm Austritt aus dem Völkerbund in erster Linie durch die Sorge
um den Viererpakt hervorgerufen wurde und daß es daher zweckmäßig sei,
auf diesen Punkt einzugehen. In bezug auf die Unterrichtung Mussolinis
vertrat Herr Göring die Auffassung, daß dem Kanzler von diesen Vor-
gängen beim Schreiben des Briefes3) nichts bekannt gewesen sei; vielmehr
sei der Kanzler davon ausgegangen, daß ich beauftragt worden sei, Musso-
lini nicht nur das Ausscheiden aus der Abrüstungskonferenz, sondern auch
den bevorstehenden Austritt aus dem Völkerbund mitzuteilen. Daher sei in
dem Briefe auch davon die Rede, daß der deutsche Botschafter in Rom beauf-
tragt worden sei, Mussolini über den deutschen Schritt zu unterrichten. Herr
Ministerpräsident Göring versprach, Herrn Mussolini zu diesem Punkte alle
erforderliche Aufklärung zu geben. Im übrigen habe ich in einem Telefon-
gespräch mit Baron Neurath 4) auf diese Angelegenheit besonders hinge-
wiesen. Was den Viererpakt angeht, so legte Herr Göring dar, in welcher
Weise er versuchen würde, die Besorgnisse Mussolinis in dieser Hinsicht
zu zerstreuen. Schließlich wurde in unserer Unterhaltung noch in ganz ver-
traulicher Form eine geheime Personalfrage besprochen,6) die Herr Göring
Mussolini vortragen wollte.
Die Unterredung mit Mussolini war auf 5 Uhr festgesetzt, wurde aber
dadurch etwas verzögert, daß infolge der Nachlässigkeit des Cerimoniale
das zur Abholung entsandte Auto zu spät kam. Bei der Unterhaltung war
Herr Suvich anwesend. Herr Göring übergab zunächst den Brief des Kanz-
(i) Die Vorlage befindet sich in den Akten der Botschaft in Rom. In den Akten des Aus-
wärtigen Amts konnte ein Exemplar nicht ermittelt werden. In seinem Bericht Nr. I
1078 vom 17. November (3154/D 670 322-27), in dem er sich mit dem Göring-Besuch in
Rom und seinen Auswirkungen befaßte, vermerkte Hassell, daß Göring über den Ver-
lauf seiner politischen Gespräche mit Mussolini und Suvich wohl noch persönlich be-
richten werde. Siehe Dokument Nr. 78.
(2) 14. Oktober.
(3) Dokument Nr. 40.
(4) Eine Aufzeichnung über das Telefongespräch konnte nicht ermittelt werden.
(5) Siehe Dokument Nr. 78.
86
Nr. 50 8. NOVEMBER 1933
(8) In dem am 7. November in Rom veröffentlichten Kommunique hieß es, Göring habe
Mussolini einen Brief überbracht, in dem Hitler dem italienischen Regierungschef „für
seine zugunsten einer gerechten Regelung der internationalen Beziehungen entfalteten
Tätigkeit" den Dank ausspreche.
*P) In den Akten des Reichsministers befindet sich eine kurze Notiz über das Telefonge-
spräch (3154/D 670 224).
87
Nr. 50 8. NOVEMBER 1933
88
Nr. 51 8. NOVEMBER 1933
51
9151/E 643 880-86
Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige AmtJ)
A I I I 2 f. PRAG, den 8. November 1933
Ankunft: 11. November
II Ts. 1432
Unter Bezugnahme auf den Bericht A III 2 f. vom 10. 10. 19332)
Inhaltsverzeichnis: Entwicklung der DNSAP. Auflösung der DNSAP. Der
Kameradschaftsbund. „Volksfront" und „Sudetendeut-
sche Heimatfront". Schwenkung der Heimatfront in
Richtung „Aktivismus".
Entwicklung der DNSAP.
Mit der Auflösung der „Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei",
die sich der NSDAP in Deutschland gegenüber gern als die ältere rühmte,
hat eine Bewegung ihren Abschluß gefunden, die bis in die 90er Jahre des
vorigen Jahrhunderts zurückverfolgt werden kann. Damals gründeten in
Böhmen, Mähren und Schlesien die Buchbinder Ludwig Vogel und Ferdinand
Buschowsky den „Deutschnationalen Arbeiterverein" mit dem Programm
„Kampf gegen tschechische Unternehmer und deutsche Sozialdemokratie".
Politisch gliederten sich die Arbeitervereine der Alldeutschen Partei Georg
von Schönerers an. 1904 gründete der Deutschnationale Arbeiterverein eine
eigene Partei (Deutsche Arbeiter-Partei). Unter ihren Abgeordneten befand
sich der spätere Nationalsozialist Hans Knirsch. Auf dem Parteitag in Wien
vom 5. Mai 1918 nahm die Partei den Namen „Deutsche Nationalsoziali-
stische Partei Österreichs" an, die nach dem Umsturz in eine österreichische
und eine sudetendeutsche Gruppe, letztere unter Führung des Ingenieurs
Rudolf Jung, auseinanderfiel. Die sudetendeutschen Nationalsozialisten
gaben sich auf dem Parteitag zu Dux, 1919, ein den neuen Verhältnissen
angepaßtes Programm. 1920 zog die DNSAP mit 5 Mandaten in das tschecho-
slowakische Abgeordnetenhaus ein, 1925 erzielte sie 7 Mandate, 1928
8 Abgeordneten- und 4 Senats-Mandate. Charakteristisch war die Ein-
stellung der DNSAP auf eine starke parlamentarische Tätigkeit unter dem
Taktiker Jung.
War die Partei bis dahin in ruhiger, stetiger Entwicklung ihren Weg
gegangen, ohne sich zu einer hervorragenden Bedeutung im tschecho-
slowakischen Parteileben aufzuschwingen, so änderte sich die Lage grund-
sätzlich mit der stürmisch voranschreitenden Entwicklung im Reich. Die
Welle der nationalen Erhebung in Deutschland schlug auch ins sudeten-
deutsche Lager und führte der hiesigen DNSAP viele Mitglieder, ja im
Herzen die gesamte sudetendeutsche Jugend zu. In den Gemeinderats-
wahlen kam der große Stimmenzuwachs offensichtlich zum Ausdruck. Zu
Parlamentswahlen, die in dieser Zeit ein ähnliches Bild ergeben hätten,
89
Nr. 51 8. NOVEMBER 1933
• (3) Siehe Serie C, Bd. 1,2, Dokument Nr. 326, Anm. 3 und Dokument Nr. 429, Anm. 3
90
Nr. 51 8. NOVEMBER 1933
(4) Die Bezeichnungen „aktivistisch" und „Aktivismus" wurden für die deutsehen Parteien
und ihre politischen Führer verwendet, die in tschechoslowakischen Kabinetten vertreten
waren und sie im Parlament unterstützten.
91
Nr. 52 9. NOVEMBER 1933
52
2945/D 575 854-55
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. November 1933
e. o. RM. 1541
Bei der Unterredung, die ich heute morgen mit dem polnischen Gesandten
hatte, habe ich Herrn Lipski eingehend auf die Unmöglichkeit hingewiesen,
das Verlangen der polnischen Regierung auf Gewährung eines Kohlenkon-
tingents zu erfüllen.1) Herr Lipski erwiderte darauf, daß es für die polnische
Regierung besonders schwer sei, auf dieses Verlangen zu verzichten, weil
der ganze deutsch-polnische Handelskrieg seinerzeit in der Kohlenfrage
seinen Ausgang gehabt habe. Es sei also für die polnische Regierung schwer,
irgendwelche vertraglichen Abmachungen mit Deutschland zu treffen, in
denen die Kohlenfrage nicht geregelt werde. Immerhin wolle er seiner
Regierung von meinen Mitteilungen sofort Kenntnis geben. Der Gesandte
92
Nr. 53 9. NOVEMBER 1933
sprach dann von der Eventualität des Abschlusses eines kleineren Abkom-
mens, wozu ich erwähnte, daß mir auch ein solches Abkommen möglich
erscheine, vorausgesetzt, daß die Diskriminierung der deutschen Schiffahrt
aufgehoben würde. Als Herr Lipski auch dagegen gewisse Bedenken geltend
machte, erklärte ich ihm, daß ich dann allerdings nicht wüßte, wie man auf
dem doch auch von seiner Regierung gewünschten Wege der Entspannung
der deutsch-polnischen Verhältnisse und der Einleitung normaler Handels-
beziehungen weiterkommen könne. Für uns sei jedenfalls die Beibehaltung
dieser Diskriminierungsbestimmung durch Polen nicht tragbar.
Sodann sprach ich Herrn Lipski auf die Vorkommnisse in Ostober-
schlesien an und betonte die hier von deutschen Aktionären und Geldgebern
zum Ausdruck gebrachte Besorgnis der Gefährdung ihrer Interessen.2) Ich
sagte dem Gesandten, die Maßnahmen, die in letzter Zeit von den polni-
schen Verwaltungsstellen unternommen würden, um eine weitere Poloni-
sierung der Verwaltung der Unternehmungen der IG-Kattowitz durchzu-
führen, seien nicht geeignet, eine Entspannung der deutsch-polnischen Be-
ziehungen herbeizuführen, sondern eher das Gegenteil. Ich ersuchte Herrn
Lipski, in diesem Sinne nach Warschau zu berichten und dabei auch noch zu
erwähnen, daß ich hoffte, die von unserer Seite erfolgte Zurückziehung der
Klagen im Haag 3 ) werde von der polnischen Regierung als ein Akt des Ent-
gegenkommens aufgefaßt und nicht etwa dazu benutzt werden, schärfere
Maßnahmen zu ergreifen.
Herr Lipski war in seinen Ausführungen äußerst zurückhaltend.
v. N[EURATH]
(2) Siehe Dokument Nr. 41.
(3) Der Hinweis bezieht sieh auf den Rückzug von einem Prozeß um das Vermögen des
Fürsten von Pleß, der von der deutsdien Regierung vor dem Ständigen Internationalen
Gerichtshof in Den Haag angestrengt worden war
53
9452/E 666 895
Botschaftsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 254 vom 9. 11. MOSKAU, den 9. November 1933 18 Uhr 59
Ankunft: 9. November 20 Uhr
IV Ru. 4937
Auf [Telegramm Nr.] 231.1)
Für Herrn Botschafter Nadolny persönlich.
Beim Empfang anläßlich Revolutionsfeier bin ich von nichtamtlicher
russischer Seite wiederholt gefragt worden, wann voraussichtlich Leipziger
*(i) Telegramm Meyers Nr. 231 vom 6. November (9452/E 666 894) mit der Nachricht, daß
Nadolny beabsichtige, am 14. November nach Moskau abzureisen.
93
Nr. 54 10. NOVEMBER 1933
Prozeß zu Ende gehen würde.2) Dabei gab man zu verstehen, daß die Sowjet-
presse voraussichtlich zu Ergebnis scharf Stellung nehmen müsse. Gleich-
zeitig wurde der Besorgnis Ausdruck gegeben, daß Ende Leipziger Prozeß
und damit erneutes Aufflackern antideutscher Pressepropaganda zeitlich mit
Ihrem Eintreffen in Moskau zusammenfallen könnte, wodurch der Beginn
Ihrer Tätigkeit in eine unangenehme Atmosphäre fallen würde; ob dieses
Zusammentreffen sich nicht irgendwie vermeiden lasse.3)
TWARDOWSKI
*(2) Randbemerkung: „Nach Auskunft von H[errn] v. Bargen wird der Prozeß noch minde-
stens 3 Wochen dauernl v. T[ippelskireh] 10. 11."
(3) Bülow antwortete mit Telegramm Nr. 235 vom 10. November (9452/E 666 896): „Reichs-
tagsbrandprozeß wird voraussichtlich noch einige Wochen dauern. An Reisetermin von
Herrn Botschafter Nadolny ändert sich nichts."
54
3154/D 670 245-48
• (1) Forster hatte in Telegramm Nr. 877 vom 5. November (8216/E 583 824-25) aus Paris
über die Regierungserklärung des neugebildeten französischen Kabinetts Sarraut be-
richtet. Der Schlußabsatz des Telegramms lautete: „Außenpolitischer Teil der Regie-
rungserklärung, der Deutschland mit keinem Wort erwähnt, deutet auf Unsicherheit
hinsichtlich außenpolitischen Vorgehens. Erklärung kann als unfreundliche Zurück-
haltung gekennzeichnet werden." Am 6. November fertigte Bülow eine Aufzeichnung
über ein Telefongespräch mit dem französischen Botschafter vom gleichen Tage an
(2406/D 510 742). Frangois-Poncet habe sich über das Echo, das die französische Regie-
rungserklärung in Berlin ausgelöst habe, sehr besorgt gezeigt und versichert, daß der
beabsichtigte Passus über Deutschland „nur aus französischen innerpolitischen Gründen"
gestrichen worden sei. Dieser Sachverhalt wurde in Telegramm Forsters Nr. 882 vom
7. November (7467/H 179 030) bestätigt.
(2) Der Text dieser Rede, die Neurath am 6. November im Deutschen Klub hielt, ist abge-
druckt in Schwendemann, Abrüstung und Sicherheit, Bd. II, S. 494-506.
94
Nr. 54 10. NOVEMBER 1933
X • • **.
sollten. Es sei für mich also keineswegs erstaunlich gewesen, daß Herr
Sarraut über Deutschland nichts gesagt habe.
Herr Poncet kam sodann auf die Reise von Herrn Göring 8 ) und den
Kanzlerbrief an Mussolini 4 ) zu sprechen und sagte, wir hätten jetzt wohl
Herrn Mussolini gebeten, seine Vermittlerrolle wieder aufzunehmen. Ich
erwiderte ihm darauf, er befinde sich in einem groben Irrtum, wir dächten
nicht daran, jemanden zum Vermittler anzurufen. Unsere Ansprüche seien
klar fixiert, und wir warteten nun darauf, was man uns etwa zu sagen habe.
Der Brief an Mussolini sei lediglich ein Dankschreiben des Kanzlers für
die früheren Bemühungen Mussolinis auf der Abrüstungskonferenz und für
den Weltfrieden und enthalte ferner noch eine eingehende Darstellung der
Gründe, die uns zum Austritt aus dem Völkerbund und aus der Abrüstungs-
konferenz veranlaßt hätten. Herr Poncet frug sodann nochmals, ob es richtig
sei, daß der Kanzler dem englischen Botschafter5) unsere Rüstungswünsche
mitgeteilt habe, und führte diese Wünsche einzeln auf.6) Ich erwiderte ihm,
das sei durchaus zutreffend, worauf Herr Poncet meinte, dann hätten wir
doch keine Veranlassung gehabt, aus der Abrüstungskonferenz fortzugehen,
denn über diese Wünsche hätte man ja verhandeln können. Ich brach diese
Unterhaltung damit ab, daß ich Herrn Poncet erklärte, ich hätte nicht die
Absicht, mich mit ihm nochmals über die Gründe, die zu unserem Schritt
vom 14. Oktober geführt hätten, auseinanderzusetzen. Er brauche nur die
Reden des Kanzlers 7 ) und die meinige nachzulesen, um sich diese ins
Gedächtnis zurückzurufen.
Herr Poncet ging sodann ganz plötzlich unter Bezugnahme auf eine
private Unterredung, die er mit Herrn Köpke gehabt habe,8) dazu über, mir
einen Plan auseinanderzusetzen, den er als rein persönliche Ansicht bezeich-
nete, um die durch den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund geschaf-
fene Gefahrenzone zu überbrücken. Der Botschafter führte aus, es unter-
liege keinem Zweifel, daß Deutschland mit allen Mitteln aufrüste. Wenn
man auch bisher in Frankreich dazu noch keine offizielle Stellung genom-
men habe, so sei doch mit absoluter Bestimmtheit damit zu rechnen, daß die
französische Regierung in Bälde aus ihrer Zurückhaltung heraustreten und
gegen diese Verfehlungen Deutschlands Schritte unternehmen werde.
Welcher Art diese Schritte sein würden, vermöge er nicht zu sagen. Nun
gehe ja aus den Mitteilungen, die der Herr Reichskanzler dem britischen
Botschafter gemacht habe, hervor, daß wir nicht mehr die Abrüstung der
hochgerüsteten Staaten, sondern nur das Weiterrüsten und das Wettrüsten
verhindern wollten, daß wir aber unsererseits ein gewisses Maß der Auf-
rüstung verlangten. Nun sei uns ja bekannt, daß das Wort Aufrüstung in
den angelsächsischen Ländern die Gemüter in heftige Erregung bringe und
daß man von dort her alle Versuche Deutschlands, auch nur die sogenann-
ten Verteidigungswaffen zugebilligt zu bekommen, bekämpfe. Man müsse
95
Nr. 55 9. NOVEMBER 1933
55
L432/L 123 536-38
Reichsbischof Müller an das Auswärtige Amt •)
K.K. 12765 BERLIN, den 9. November 1933
Ankunft: 11. November
VI A. 2549
Auf das Schreiben vom 22. September 1933 betr. die Stellung der nor-
dischen evangelischen Kirchen zur Deutschen Evangelischen Kirche und die
Arierfrage 2 ) erwidere ich, daß auf der Deutschen Evangelischen National-
synode 3) keinerlei Bestimmungen über nichtarische Geistliche und Beamte
96
Nr. 55 9. NOVEMBER 1933
der Kirche oder über nichtarische Kirchenglieder [sie] beraten und angenom-
men worden sind. Es ist auch nicht beabsichtigt, solche Bestimmungen e'ner
späteren Tagung der Nationalsynode zur Beratung und Beschlußfassung
vorzulegen.
über die Stimmung in den ausländischen protestantischen Kirchen, insbe-
sondere auch des Nordens, bin ich durch zahlreiche mündliche und schrift-
liche Äußerungen ausländischer Kirchenführer unterrichtet. Ich bin mir der
Spannungen, die durch die Behandlung des Arierproblems in den Be-
ziehungen der Deutschen Evangelischen Kirche zu den Kirchen des Aus-
landes eingetreten sind, durchaus bewußt und fühle die Verantwortung, die
die Deutsche Evangelische Kirche hierbei auch gegenüber Volk und Vater-
land trägt. Denn in der Tat würde eine Lockerung oder gar ein Verlust
der bisher freundlichen Beziehungen gerade zu den lutherischen Kirchen
des Nordens nicht nur für die Kirche selbst, sondern auch für unser Volk
einen Nachteil bedeuten. Deshalb ist es mein ernstes Bemühen, die Er-
kaltung dieser Beziehungen zu verhindern. Andererseits kann ich mich des
Urteils nicht enthalten, daß die Einwendungen, auch von kirchlich-aus-
ländischer Seite, gegen den Arierparagraphen schlechthin nicht frei von
politischen und weltanschaulichen Vorurteilen sind und vielfach auf einer
theologischen Grundeinstellung beruhen, die unhaltbar ist.
Es ist zunächst versucht worden, die durch die Annahme des Arierpara-
graphen durch verschiedene Landeskirchen entstandene Mißstimmung in
den ausländischen Kirchen im Wege der Korrespondenz mit ausländischen
Kirchenführern und durch persönliche Besprechungen zu klären. Ferner
bemühen sich die deutschen evangelischen Pfarrer des Auslandes darum,
durch Aussprachen und, wo es möglich ist, durch Vorträge oder Zeitungs-
äußerungen aufklärend zu wirken. Anfang Oktober war eine Gruppe von
Göttinger theologischen Universitätsprofessoren zu Besuch in Schweden
und hat hierbei durch Vorträge und Besprechungen, u. a. auch mit dem Erz-
bischof von Schweden,4) zu wirken gesucht. Aus Anlaß der Lutherfeier am
10. November wird D. Dr. Johannes Müller-Elmau in Oslo Vorträge halten.
Ferner weilt der Generalsekretär der Deutsch-Christlichen Studenten-Ver-
einigung (DCSV), Pfarrer Dr. Lilje - allerdings in seiner Eigenschaft als
Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes - Anfang November
in Schweden und wird hierbei vor allem in studentischen Kreisen über die
deutschen Probleme sprechen können. Auch mit englischen, vor allem angli-
kanischen Kirchenkreisen ist durch Besuche von Bischof Hossenfelder und
der hiesigen Sachbearbeiter im Oktober in London Fühlung aufgenommen
und - vor allem über die Oxford-Bewegung des Pfarrers Buchman - die
Möglichkeit zu aufklärenden Aussprachen gefunden worden.
Es ist beabsichtigt, die Vortragstätigkeit, wenn einmal die erste Auf-
regung im Ausland sich gelegt hat, vor allem im Norden planmäßig auszu-
gestalten, wozu allerdings Mittel bereitgestellt werden müßten. Ferner wird
versucht werden, durch theologische Schriften über die Grundlage der
Deutschen Evangelischen Kirche das Urteil des Auslandes zu bestimmen.
Ich wäre dem Auswärtigen Amt ganz außerordentlich dankbar, wenn es sich
(4) Eidem.
97
iL i Bg. 7 f Bayerische
I Staatsbibliothek
Nr. 56 9. NOVEMBER 1933
56
9151/E 643 887-91
Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige Amt •)
A III 1 b. 8 PRAG, am 9. November 1933
Ankunft: 11. November
II Ts. 1435
POLITISCHER BERICHT
98
Nr. 56 9. NOVEMBER 1933
99
Nr. 56 9. NOVEMBER 1933
Benes erwiderte, da müsse er doch zunächst einmal meinen Blick über die
Grenze nach Reichsdeutschland hinüberlenken, dort säßen in Haft oder in
Konzentrationslagern sieben- oder acht- oder zehnmal soviel Tschecho-
slowaken, die zumeist auch nichts anderes auf dem Kerbholz hätten, als daß
sie einer in Deutschland verfemten Partei, die in der Tschechoslowakei
Regierungspartei sei, angehörten. Er hätte seinem Gesandten 6 ) bei den
unzähligen Schritten, die er für diese Unglücklichen getan habe, die konzi-
lianteste Tonart zur Pflicht gemacht, weil er den Ausnahmeverhältnissen,
die in Deutschland herrschten, voll habe Rechnung tragen wollen. Er bitte
mich, dem Herrn Reichsaußenminister sowie dem Herrn Staatssekretär
von Bülow und Herrn Ministerialdirektor Köpke seinen herzlichen Dank zu
übermitteln für die gute und verständnisvolle Aufnahme, die die Schritte
seines Gesandten im Auswärtigen Amt gefunden haben. Aber der Erfolg
habe dem guten Willen der Beteiligten doch nur sehr ungenügend ent-
sprochen. Die Ausnahmeverhältnisse im Reiche seien doch nun vorüber,
und er sei genötigt, in Kürze wesentlich energischer auf die Freilassung
seiner Landsleute zu dringen. Sei es denn nicht möglich, alle diese Fälle
jenseits und diesseits der Grenze pari passu - in stillem, äußerlich nicht in
die Erscheinung tretenden Einverständnis - zu liquidieren?
Es hätte nahe gelegen zu bemerken, daß die Verhaftungen Reichsdeut-
scher in der Tschechoslowakei wohl zum größeren Teile aus diesem Kom-
pensationsbedürfnis entsprungen seien. Ich unterdrückte aber diese Be-
merkung, um die freundliche Temperatur des Gesprächs nicht zu stören, und
beschränkte mich darauf zu erklären, daß ich diesen Gedanken, zu dem ich
selbst keine Stellung nehmen könne, da ich die Fälle im Reich nicht kenne,
meiner Regierung unterbreiten wolle.
Wir kamen zum Schluß überein, daß von beiden Seiten alles geschehen
müsse, um der sinnlosen Kriegshysterie, die Teile der Bevölkerung ergrif-
fen hätte, entgegenzutreten. Benes bemerkte dabei, sie sei vielfach auf das
„rastlose Marschieren" in Deutschland, das in Zeitungsabbildungen und
Filmen vom Tage dem Publikum gezeigt werde und das man hierzulande
nur begreifen könne als Vorbereitung eines künftigen Krieges, zurückzu-
führen. Er sei geradezu erschüttert gewesen, als er dieselbe Hysterie auch
in breiten Schichten Frankreichs und Englands angetroffen hätte.
Die ganze Unterhaltung blieb zwar, von beiden Seiten gewollt, an der
Oberfläche des Problems. Denn die tiefer liegenden Gegensätze zwischen
beiden Ländern sind mindestens derzeit unlösbar. Aber wenn es wenigstens
gelänge, diese Oberfläche zu glätten und äußerlich ein reibungsloses Neben-
einanderleben herzustellen, so wäre, scheint mir, auch für uns in unserer
jetzigen Lage viel gewonnen.
Die heute früh erschienene Replik Benes' in den Auswärtigen Ausschüs-
sen füge ich bei.7)
DR. KOCH
• (6) Mastny.
(7) Fundort: 9151/E 643 892-95.
100
Nr. 57 10. NOVEMBER 1933
57
MacDonald hat gestern bei Jahresbankett des Lord Mayor eine bedeut-
same politische Rede gehalten, deren ganzer außenpolitischer Teil dem
Abrüstungsproblem und dem Vorgehen Deutschlands gewidmet war. Rede
darstellt einen dringenden Appell an Deutschland zur Rückkehr zur inter-
nationalen Zusammenarbeit. Sie ist kritisch gegenüber Ausscheiden Deutsch-
lands aus Abrüstungskonferenz und Völkerbund, enthält aber verschiedene
Stellen, in denen weitgehendes Verständnis für deutsche Beschwerde und
Bestrebungen und Sympathie für deutsche Wünsche bekundet wird. Wich-
tigste Stellen aus der Rede habe in Telegramm Nr. 257 •) gedrahtet. Voller
Text abgeht heute abend mit Flugpost.
Vor Bankett zog mich MacDonald in ein Gespräch. Er aussprach Bedauern
über Rückzug Deutschlands aus internationaler Zusammenarbeit, worauf
ich kurz unsere Hauptgravamina betreffend Behandlung Abrüstungspro-
blems aufzählte: Preisgabe MacDonald-Plans, Ausschaltung Deutschlands bei
Vorbesprechungen, vierjährige Probezeit, Hinausschiebung Gleichberechti-
gung, einseitige Kontrolle usw. MacDonald verteidigte englisches Vorgehen,
ließ aber vorsichtig durchschimmern, daß er mit Behandlung Angelegenheit
durch Foreign Office nicht ganz einverstanden sei. So sagte er, er habe Er-
gebnis der Vorbesprechungen dieses Sommers keineswegs als bindende Ab-
machungen betrachtet und gewünscht, daß sie auch Deutschland gegenüber
nur als Vorschläge, über die weitere Verhandlungen durchaus möglich
seien, in Erscheinung treten sollten.
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung wiederholte MacDonald immer
wieder, man dürfe die Dinge, wie sie sich nun einmal gestaltet hätten, nicht
weiter hinschleppen lassen, sondern müsse darauf bedacht sein, daß wieder
ein internationaler Kontakt geschaffen werde. Wie man dazu kommen solle,
darüber zerbreche er sich den Kopf, und dabei sei ihm der Gedanke ge-
kommen, ob nicht vielleicht ein Besuch des Herrn Reichskanzlers in Lon-
don 2) ein geeigneter Weg sein würde. Es handelte sich bei diesem Gedan-
ken, wie er ausdrücklich betonen wolle, um eine rein persönliche Idee, von
der das englische Kabinett überhaupt nichts wisse. Er spreche mit mir dar-
über nur als Freund und nicht als Ministerpräsident. Jedenfalls sei er aber
101
Nr. 58 10. NOVEMBER 1933
58
9176/E 645 570
102
Nr. 59 11. NOVEMBER 1933
*(i) Zarzyoki.
(2) 15. November.
59
3154/D 671 318-19
(i) RM. 1555: Telegramm Hoeschs Nr. 258 vom 10. November, gedruckt als Dokument
Nr. 57.
(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 8, S. 18.
• (3) Phipps.
(4) Siehe Dokument Nr. 23.
103
Nr. 60 11. NOVEMBER 1933
60
8772/E611 274-76
Autzeichnung des Vortragenden Legationsrats Stieve
BERLIN, den 11. November 1933
e. o. VI A. 2531
Ref.: VLR Roediger
AUFZEICHNUNG FÜR DIE BESPRECHUNG DES HERRN REICHSMINISTERS
MIT HERRN RUDOLF HESS
In dem Schreiben des Herrn Heß an das Auswärtige Amt vom 28. Okto-
ber J) wird mitgeteilt, daß der Volksdeutsche Rat sich wegen der Einzel-
heiten seiner Betätigung mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung setzen
werde. Herr Steinadler hat inzwischen um eine Besprechung gebeten. Das
Auswärtige Amt ist hierzu bereit. Es ist zugleich beabsichtigt, dem Volks-
deutschen Rat Gelegenheit zu geben, seine Gedanken dem für Volksdeutsche
Fragen zuständigen interministeriellen Gremium gegenüber zu äußern. In
diesem Gremium sind die Abteilungsleiter und Referenten des Auswärtigen
Amts (federführend), des Reichsministeriums des Innern, des Reichsfinanz-
ministeriums, des Reichswirtschaftsministeriums, des Ministeriums für
Volksaufklärung und Propaganda, des preußischen Staatsministeriums, des
preußischen Ministeriums des Innern, des preußischen Kultusministeriums
und des preußischen Finanzministeriums vertreten.
Die Schaffung des Volksdeutschen Rats ist zu begrüßen, da er ein wert-
volles Mittel zur Vereinheitlichung der Deutschtumsarbeit, besonders im
Interesse der deutschen Volksgruppen im Ausland darstellt. Es muß aber
volle Klarheit darüber bestehen, daß die von dem Volksdeutschen Rat
104
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933
61
3154/D 670 250-57
Aulzeichnung des Ministerialdirektors Köpke
BERLIN, den 11. November 1933
zuRM. 1549 •)
Mit der auf S. 2 der Aufzeichnung des Herrn Reichsministers über seine
Unterhaltung mit dem französischen Botschafter Francois-Poncet erwähnten
105
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933
' • '• (!%k
privaten Unterredung des Botschafters mit mir 2 ) hat es folgende Bewandt-
nis:
Der französische Botschafter, der gegen seine Gewohnheit sich mehrere
Wochen nicht hatte bei mir blicken lassen, sprach mich beim Empfang auf
der englischen Botschaft am 3. d. M. darauf an, daß er mich so lange nidit
aufgesucht habe, und stellte seinen Besuch für Anfang nächster Woche mit
dem Hinzufügen in Aussicht, daß er mir keinerlei amtliche Mitteilung zu
machen habe, aber das Bedürfnis fühle, sich einmal mit mir ganz privat und
freundschaftlich über die ihn außerordentlich beunruhigende außenpolitische
Lage auszusprechen. Herr Francois-Poncet hat mich dann nach dem Empfang
auf der russischen Botschaft am 7. d. M. abends aufgesucht. Er leitete seine
Unterhaltung mit der Bemerkung ein, daß er, wie schon angekündigt, ohne
amtlichen Auftrag, ja ohne vorherige Fühlungnahme mit Paris komme und
sich mit mir lediglich als Privatmann unterhalten wolle. Er hat diesen Hin-
weis im Laufe der Unterhaltung verschiedentlich wiederholt und seine
Zurückhaltung u. a. damit begründet, daß er zu Sarraut und dessen Kreis
keine persönlichen Beziehungen habe, im übrigen auch kaum glaube, daß
die Regierung Sarraut stark genug sei, um mit ihr deutscherseits ein Ge-
spräch, geschweige denn nutzbringende Verhandlungen zu beginnen. Am
Schluß der Unterhaltung bat der Botschafter mich noch einmal, seine Mit-
teilungen als ganz persönliche Ideen, als eine Art Privatstudie zu betrach-
ten und auch zu behandeln. Er bäte mich, nichts darüber zu Papier zu brin-
gen, werde aber, sobald er in Paris etwas klarer sehe, im gleichen Sinne mit
dem Herrn Reichsminister und womöglich auch mit dem Herrn Reichskanzler
zu sprechen suchen.
Dieses vorweg bemerkt, ist über seine Ausführungen in Anknüpfung an
die Niederschrift des Herrn Reichsministers zu bemerken, daß Herr
Francois-Poncet mir gegenüber nicht die Behauptung, daß „Deutschland mit
allen Mitteln aufrüste", zum Ausgangspunkt seiner Unterhaltung genom-
men hat. Herr Francois-Poncet ging vielmehr im Gegenteil davon aus, daß
eine Aufrüstung im Rahmen der Erklärungen, die der Herr Reichskanzler
dem englischen Botschafter3) gegenüber gemacht habe,4) ihm durchaus dis-
kutabel erscheine, wenn man gleichzeitig, wie dies dem Herrn Reichskanzler
selbst offensichtlich vorschwebe, den Status guo der Rüstungen der anderen
Großmächte vertraglich sanktioniere. Der Botschafter ergänzte diese Be-
merkung noch dahin, daß in einem solchen Abkommen bezüglich der schwe-
ren Angriffswaffen auch seitens der hochgerüsteten Staaten Zugeständnisse
möglich und erreichbar erschienen. Eine solche Abrüstungs-Konvention
würde aber vor allem in der angelsächsischen Welt den Widerspruch der
gesamten öffentlichen Meinung finden, da sie sich als eine Aufrüstung
Deutschlands und ein Beibehalten der gefährlichen schweren Rüstungen der
anderen Großmächte darstelle, also keinerlei Fortschritt in Richtung auf die
allseits so heiß ersehnte Abrüstung bringen würde. Insoweit decken sich
also die Ausführungen des französischen Botschafters durchaus mit dem,
was er dem Herrn Reichsminister erklärt hat. Herr Francois-Poncet fügte
106
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933
noch hinzu, daß man von dem Wort „Aufrüstung" loskommen müßte. Man
müsse etwa von Modernisierung der deutschen Wehrmacht sprechen oder
sonst irgendein anderes, propagandistisch wirksameres Wort ersinnen. Den
Übergang zu den Ausführungen über die Nichtangriffspakte mit Polen und
der Tschechoslowakei sowie über die österreichische Unabhängigkeit und
die Saar, die Francois-Poncet auch mir gegenüber gemacht hat, suchte der
Botschafter durch die Formulierung herzustellen, daß ein demgemäß die
Waffen nicht niederlegendes Europa seinen Völkern die allseitige Friedens-
liebe durch besondere Akte wie die oben erwähnten darlegen müsse. Die
in die Tat umgesetzte, vertragsmäßig sanktionierte Gleichberechtigung
Deutschlands sei für Europa nur erträglich verbunden mit einer treuga dei
für einen möglichst lang bemessenen Zeitraum. Der Botschafter führte dann
in der Unterhaltung mit mir noch des weiteren aus, daß seiner persönlichen
Ansicht nach Abschluß eines Nichtangriffs-Paktes mit Polen durchaus im
Rahmen der Erklärungen liege, die der Herr Reichskanzler seinerzeit in
seiner Reichstagsrede 5) und auch später abgegeben habe. Das gleiche gelte
für den zweifellos weniger schwierigen Abschluß eines Nichtangriffs-Paktes
mit der Tschechoslowakei. Auch bezüglich der Unabhängigkeit Österreichs
glaubte der Botschafter aus verschiedenen Äußerungen des Herrn Reichs-
kanzlers eine Geneigtheit zu einer beruhigenden vertraglichen Zusicherung
des Nichtanschlusses herleiten zu können. Besonders ausführlich äußerte
sich Herr Francois-Poncet dann noch über seine Ideen wegen der Bereini-
gung des Saar-Problems. Diese lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß
er das Saargebiet als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich betrach-
tet. Die Saar, die er wiederholt als Zwei-Sprachen-Gebiet 6 ) bezeichnete, sei
wirtschaftlich von Frankreich ebenso abhängig wie von Deutschland. Hier
sei der gegebene Boden für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Herr Francois-
Poncet ließ im Laufe dieser reichlich vagen und zum Teil phantastischen
Ausführungen auch das Wort von der Einrichtung einer Freizone fallen.
Schließlich ging der Botschafter noch auf die Frage ein, wie Verhandlungen
zwischen Frankreich und Deutschland zweckmäßig angebahnt werden könn-
ten. Herr Francois-Poncet schien dabei als selbstverständlich vorauszu-
setzen, daß besonders die Verhandlungen über die vorerwähnten Nicht-
angriffs-Pakte mit Polen und der Tschechoslowakei über Paris zu laufen
haben würden. Er wies wiederholt darauf hin, daß für jede französische
Regierung die Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund die selbstver-
ständliche Voraussetzung für den Abschluß eines solchen Vertragswerks
sei. Er meinte aber, daß dieses Axiom der französischen Politik nicht aus-
schließe, daß die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich un-
mittelbar und außerhalb Genfs begonnen und geführt würden, nur müsse die
Vollendung des Werkes durch die Rückkehr Deutschlands in den Völker-
bund gekrönt werden.
Ich habe mich bei den Ausführungen des Botschafters rezeptiv verhalten
und mich auf gelegentliche Fragen beschränkt, wie z. B., warum er die
Schiedsverträge mit Polen und der Tschechoslowakei im Rahmen von
(5) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 246, S. 446.
(6) Randbemerkung Neuraths: „11"
107
Nr. 61 11. NOVEMBER 1933
Locarno 7) nicht für ausreichend halte, was er damit beantwortete, daß [er]
die politische Wirkung dieser absichtlich gegenüber dem Westen differen-
zierten Abkommen nicht für ausreichend halte; wie er sich die Lösung des
Korridor-Problems oder zum mindesten die Aufrechterhaltung dieses An-
spruchs denke, worauf der Botschafter erwiderte, daß man dem berechtigten
Verlangen Deutschlands sicherlich durch entsprechend formulierte Vorbe-
halte Rechnung tragen könne;8) was er sich unter der österreichischen Un-
abhängigkeit vorstelle, worauf es der Botschafter für ausreichend erklärte,
daß man es aufgebe, dauernd vom Anschluß zu reden, geschweige denn
ihn etwa jetzt zu vollziehen. Die Ausführungen des Botschafters über die
Saar waren derartig allgemein und zeugten von so geringem Sachverständ-
nis, daß ich ihm erklärte, eine Unterhaltung über dieses Problem könne auf
der von ihm skizzierten Grundlage überhaupt nicht in Frage kommen.
Zusammenfassend habe ich den Botschafter darauf hingewiesen, daß eine
Initiative Deutschlands in der von ihm angeregten Richtung meiner persön-
lichen Auffassung nach nach Lage der Dinge nicht in Betracht kommen
könne. Es sei jetzt Sache der anderen Großmächte, uns Vorschläge zu unter-
breiten, um so mehr, als auch seine Pläne letzten Endes von einer vorheri-
gen allseits zufriedenstellenden Regelung der deutschen Gleichberechti-
gungsforderung auf dem Gebiete der Abrüstung abhänge [sie].
Ich habe der Unterhaltung, bei der, wie geschildert, Herr Francois-Poncet
so gut wie ausschließlich das Wort führte, zunächst keine besondere Be-
deutung beigelegt. Ich bin dann aber stutzig geworden, als gestern der
belgische Gesandte mich gleichfalls ohne besonderen Anlaß nach seiner
Rückkehr aus Brüssel aufsuchte, um dann im Laufe einer längeren Unter-
haltung über schwebende Angelegenheiten auf das gleiche Thema zu kom-
men, das Francois-Poncet mit mir erörtert hatte. Graf de Kerchove bewegte
sich in den gleichen Gedankengängen und gebrauchte nahezu dieselben
Argumente. Wie wir aus verläßlicher Quelle wissen, hat der französische
Botschafter fast die gleiche Unterhaltung nach dem 7. d. M. auch mit dem
italienischen Botschafter geführt. Herr Francois-Poncet hat dabei Herrn
Cerruti als die ihm vorschwebende Formel etwa folgendes ausgeführt: es
könne Akt genommen werden von den tatsächlichen friedlichen Gefühlen
Deutschlands, die es mit seinem Vorschlag an Frankreich, über das Saar-
problem zu verhandeln, und mit seinem Angebot eines Nichtangriffs-Paktes
an die Tschechoslowakei und Polen klar bekundet habe; man könnte von
ihm Zusicherungen darüber verlangen, daß es die Unabhängigkeit Öster-
reichs respektieren werde,- dagegen würde man Deutschland eine Miliz von
300 000 Mann zubilligen können, desgleichen leichte Tanks und eine ge-
wisse Anzahl Verteidigungsflugzeuge, während die anderen Mächte die
Verpflichtung eingehen müßten, ihre Rüstungen während einer gewissen
Reihe von Jahren nicht zu vermehren. Bezeichnenderweise scheint hiernach
Francois-Poncet dem italienischen Botschafter gegenüber das in der Unter-
haltung mit mir so stark in den Vordergrund geschobene Verlangen der
vorherigen Rückkehr Deutschlands nach Genf nicht wiederholt zu haben.
108
Nr. 62 11. NOVEMBER 1933
(») T r a c o u .
(10) R a n d v e r m e r k : „Hat RK vorgelegen, v. N(eurath] 15. 11."
62
3154/D 670 249
Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 11. November 1933
zuRM. 1549 J)
Die Gedankengänge des französischen Botschafters sind sehr einfach:
Er will uns die geringe von uns geforderte Aufrüstung mit einer Treuga
Dei bezahlen lassen, die auf eine freiwillige Anerkennung der territorialen
Lösungen des VersaiUer Vertrages hinauslaufen würde. Der Herr Reichs-
kanzler hat dagegen diese bescheidene Aufrüstung als Gegenleistung dafür
gefordert, daß wir zunächst auf die - vertraglich fällige - Abrüstung der
anderen verzichten und uns mit einer Begrenzung ihrer Rüstungen be-
gnügen.
Zur Abwehr der Vorschläge Francois-Poncets können wir geltend machen,
daß Leistung und Gegenleistung in keinem Verhältnis stünden. Für ein
Ostiocarno bzw. eine Treuga Dei müßten wir entweder eine Aufwertung
der Möglichkeiten friedlicher Revision oder effektive Abrüstung der ande-
ren (oder beides) fordern.
Der Botschafter fordert natürlich das Ostiocarno zusätzlich zu den alten
Sicherheiten: No-force,2) Kontrolle usw. Würden wir auf seine Anregungen
eingehen, dann hätten wir nach Ablauf der ersten Abrüstungskonvention,
wenn die Frage der Abrüstung der anderen erneut spruchreif wird, nichts
mehr zu vergeben und wären auf die „moralischen" Druckmittel beschränkt,
die jetzt so offenkundig versagt haben.3)
BÜLOW
*(i) RM. 1549: D o k u m e n t Nr. 54. Siehe auch Dokument Nr. 61.
(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, D o k u m e n t e Nr. 36 u n d 38.
(3) Hschr. R a n d v e r m e r k e : „[Für] Neurath. H[itler]." „Hat RK vorgelegen, v. N(eurath)
11. 11."
109
Nr. 64 11. NOVEMBER 1933
63
8580/E 601 937
Auizeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 11. November 1933
RM. 1554 / IV Chi. 2490
Ich habe heute mit Generaloberst von Seeckt wegen des Wunsches des
Marschalls Chiang Kai-shek J ) gesprochen. Herr von Seeckt, an den der
chinesische Geschäftsträger bereits herangetreten war, sagte mir, er müsse
sich die Antwort, ob er eventuell wenigstens für einige Monate nochmals
nach China gehen könne, vorbehalten. Er habe den Gedanken ganz aufge-
geben gehabt. Wenn er eventuell sich jetzt doch noch dazu bereit finden
würde, so geschehe es nur, weil er der Überzeugung sei, daß im Falle der
Ablehnung der Berufung der Marschall Chiang Kai-shek sich an die Fran-
zosen wenden und damit die deutsche Position in China verloren gehen
würde.
Nach einer Mitteilung des Oberst von Reichenau im Reichswehrministe-
rium wäre das Reichswehrministerium mit einem nochmaligen Hinausgehen
des Generaloberst von Seeckt nach China einverstanden. 2 )
gez. FRHR. V. NEURATH
64
8125/E 581 744-45
Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Papen
an den Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen
BERLIN, den 11. November 1933
A591
Lieber Herr von Bergen!
Herzlichen Dank für Ihre Zeilen vom 3. d. M. l ) und Ihre dahingehenden
Bemühungen. Bezüglich unserer eigenen Lage hoffe ich auf baldige Ver-
ständigung. Meine mehrfachen Besprechungen, wie zuletzt gestern in Köln,
hatten den Erfolg, daß der Episkopat wahrscheinlich sich damit abfinden
wird, wenn wir bezüglich des Verbändewesens eine der italienischen ana-
loge Regelung treffen, d. h. wenn die katholischen Vereine, auch die der
ersten Kategorie,2) dem Gesamtverband der Hitlerjugend eingefügt werden
110
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
(3) Baliila war die Bezeichnung für eine faschistische Jugendorganisation in Italien.
(4) Randbemerkung: „Wie ich vertraulich erfahre, hat der K[ardina]lst[aats]s[ekretär] es
in schroffer Form abgelehnt, den Vermittlungsvorschlag der deutsehen Bischöfe ent-
gegenzunehmen, und darauf hingewiesen, daß für die Behandlung dieser konkordats-
mäßig gebundenen Frage der Heilfige] Stuhl allein zuständig wäre. Der Papst wollte
ursprünglich das diesbezügliche Schreiben des Erzbischofs Gröber unbeantwortet zurück-
schicken lassen. BJergen] 22. 11."
65
8681/E 607 321-33
(1) Diese Aufzeichnung wurde als eine von mehreren Anlagen (8681/E 607 334-41) mit
einem Brief Köpkes vom 21. November (8681/E 607 316-20) an den Botschafter in Paris
Köster übermittelt. Köpke führte in seinem Brief aus, die Aufzeichnung sei im Aus-
wärtigen Amt für „interne Zwecke" angefertigt worden. Wenngleich sie inzwischen
durch die Ereignisse in einigen Punkten etwas überholt erscheine, könnte sie vielleicht
für Köster von Interesse sein. Im Auswärtigen Amt sei ein Kommentar des Botschafters
erwünscht.
Abschließend bemerkte Köpke in seinem Brief, „daß es sich bei den in den beiliegen-
den Schriftstücken behandelten Fragen selbstverständlich um Probleme allererster
Ordnung handelt, die privatbrieflich eigentlich nicht behandelt werden sollten. Die
Fragen sind aber noch nicht so spruchreif, daß wir Ihnen in Form eines höheren Ortes
sanktionierten Erlasses die erforderlichen Weisungen zu erteilen in der Lage wären.
Deshalb habe ich diese Form der freundschaftliehen unverbindlichen Verständigung
gewählt. Ich bitte, dies bei der Verwertung des Materials zu berücksichtigen".
111
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
112
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
(2) Siehe Serie C, Bd. I, 1, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 8, S. 18.
113
U.l Bg. 8
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
neue Deutschland immer erneut anzufachen, sah man deshalb als wesent-
liche Aufgabe der französischen Presse an und stellte sich folgerichtig allen
beruhigenden deutschen Erklärungen gegenüber taub, da man ja mit der
allgemeinen Beunruhigung Geschäfte machen wollte. Im Oktober d. J. ver-
meinte man dann endlich so weit zu sein, die Früchte dieses Treibens nun
in Genf pflücken zu können. Da blieb der Erfolg plötzlich aus. Die völlig
neue Lage, vor die Frankreich sich dadurch gestellt sieht, wird von ihm
natürlich dazu ausgenutzt werden müssen, um sich für die weitere Entwick-
lung möglichst alle Atouts zu sichern und um Deutschland die Aktionsfrei-
heit, die es sich zurückgenommen hat, möglichst zu erschweren. Beides
müßte der französischen Politik am leichtesten erreichbar sein durch den
einfachen Fortgang der Genfer Abrüstungskonferenz mit dem Ziel der Fer-
tigstellung einer durch Deutschlands Beitritt bedingten Konvention. Gelänge
dies, so wäre Deutschland in die Rolle des Verhinderers des Weltfriedens
gedrängt, und zwar unter Umständen, die Frankreich zugleich der Notwen-
digkeit enthebt, seinerseits zur Abrüstung zu schreiten. Es ist sicher, daß
die französische Politik diesen Weg verfolgen würde, wenn ihr die Haltung
der anderen Großmächte hier nicht einen Strich durch die Rechnung machte.
Enttäuschung Frankreichs durch die Haltung der anderen Großmächte.
IV. Gleich nach der Erklärung des Auszugs Deutschlands aus dem Völker-
bund mußte Paris die höchst unangenehme Erfahrung machen, daß das eben
noch der französischen Öffentlichkeit vorgezauberte Bild einer Einheitsfront
der Großmächte gegen Deutschland sich als trügerisch erwies. Die Ent-
täuschung begann mit der amerikanischen Erklärung, sich an rein euro-
päischen Streitfragen nicht beteiligen zu wollen.3) Schlimmer noch ist für
Frankreich, daß in der englischen öffentlichen Meinung sich eine rückläufige
Bewegung in der Richtung auf ein größeres Verständnis für den deutschen
Standpunkt bemerkbar macht und sich auf die Haltung der englischen Regie-
rung auszuwirken beginnt. Auf Italien schließlich kann man in Paris für eine
Unterstützung des französischen Standpunkts durch dick und dünn unter
keinen Umständen rechnen. Man wird sich in Paris sagen müssen, daß der
Grund für diesen jähen Wechsel der politischen Kulisse in der Befürchtung
der anderen Großmächte zu suchen ist, Frankreich könne vielleicht den Weg
der Gewaltpolitik beschreiten wollen. Es genügt eben, daß die allgemeine
Lage in den Köpfen auch nur den Gedanken an Sanktionen auftauchen läßt,
um die anderen Großmächte zu veranlassen, sich von der französischen
Politik zu distanzieren. Diese Lehre wird dazu beitragen, die französische
Politik vorerst auf friedlichen Bahnen festzuhalten, zumal die Erfahrung des
Ruhrkonflikts von 1923 jedem französischen Politiker die nachhaltige Lek-
tion erteilt hat, daß Frankreich nicht in der Lage ist, die Früchte eines ge-
waltsamen Vorgehens gegen Deutschland in die französischen Scheuern
(3) Während der Sitzung des Büros der Abrüstungskonferenz am 16. Oktober hatte Norman
Davis im Namen der amerikanischen Regierung eine Erklärung verlesen, in der es
hieß, die Vereinigten Staaten seien „not[. . .] interested in the political element or any
purely European aspect of the picture" und „in no way politically aligned with any
European Powers". Für den Text der Erklärung siehe Foreign Relations oi the United
States, 1933, Bd. I, S. 277.
114
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
115
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
116
Nr. 65 13. NOVEMBER 1933
Schlußfolgerungen.
VI. Soweit sich die Dinge heute übersehen lassen, ergibt sich somit fol-
gende Alternative:
1) Eine Verständigung mit Frankreich erscheint immerhin denkbar und
kann von der deutschen Politik angestrebt werden. In diesem Falle müssen
wir jedoch damit rechnen, daß man weitgehende Zumutungen, insbesondere
auf dem Gebiete der Sicherheitsgarantien („Ostiocarno") an uns stellen
wird. Wieweit es möglich sein wird, bei etwa sich anspinnenden Verhand-
lungen diese Zumutungen auf ein für uns erträgliches Maß zurückzuführen,
117
Nr. 66 13. NOVEMBER 1933
muß noch dahingestellt bleiben. Einen starken Trumpf haben wir mit der
Möglichkeit der Erklärung in der Hand, Deutschland betrachte seine An-
sprüche auf die Abrüstung seiner VersaiUer Vertragsgegner durch seine
Entbindung von den Bestimmungen des VersaiUer Vertrags über Deutsch-
lands Entwaffnung als erledigt. Ein Ausspielen dieses Trumpfes könnte uns
aber leicht bei dem Fortgang der Verhandlungen das Mitgehen Englands
rauben, dessen mäßigender Einfluß auf Frankreich jedoch schwer zu ent-
behren sein wird.
2) Auf der anderen Seite steht eine Fortdauer der entstandenen Span-
nung, während deren Frankreich bemüht sein wird, den Ring um uns immer
enger zu schließen, um nötigenfalls doch unter Hintansetzung seiner heute
noch bestehenden Hemmungen schließlich mit seinen Trabanten zum ver-
nichtenden Schlage gegen die wiedererstarkende deutsche Wehrmacht aus-
zuholen. Diese Gefahr könnte vielleicht gebannt werden, wenn es uns ge-
länge, die anderen Großmächte von Frankreich weg - und zu unserem
Standpunkt herüberzuziehen. Bei der grundsätzlichen Ablehnung jeder Auf-
rüstung durch England und Amerika und der betonten Zurückhaltung
Italiens sind die Aussichten hierfür jedoch nicht allzu günstig.
Angesichts dieser Alternative dürften für unser weiteres Verhalten zu-
nächst folgende Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen sein:
1) Eine weitere Klärung der Lage ist abzuwarten, wobei jedoch sich an-
bahnenden Besprechungen, die zu dieser Klärung beitragen könnten, nicht
ausgewichen werden sollte.
2) Es muß eine präzise Formulierung unserer gegenwärtigen Forderungen
auf dem Rüstungsgebiet vorbereitet werden, damit wir in der Lage sind,
mit einer solchen Formulierung im gegebenen Zeitpunkt hervorzutreten.
3) Gegenüber den zu erwartenden Forderungen nach ergänzenden Sicher-
heitsgarantien werden wir zweckmäßig eine mehr hinhaltende Taktik ver-
folgen müssen, um die auf diesem Gebiet möglichen Konzessionen nicht vor-
zeitig aus der Hand zu geben.
KÖPKE
66
9452/E 666 883-87
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an den Botschalter in Moskau Nadolny (z. Z. Berlin)])
BERLIN, den 13. November 1933
IV Ru. 4969 I
In der Anlage beehre ich mich, Ihnen die Richtlinien für ihre Tätigkeit
als Botschafter in Moskau zu übersenden. Ich habe dem Herrn Reichskanzler
118
Nr. 66 13. NOVEMBER 1933
v o n der Instruktion für Sie Mitteilung gemacht. Der Herr Reichskanzler hat
die „Richtlinien" gebilligt.
gez. NEURATH
[Anlage]
RICHTLINIEN FÜR HERRN BOTSCHAFTER NADOLNY
ANLÄSSLICH SEINER ENTSENDUNG ALS BOTSCHAFTER NACH MOSKAU
(2) Der Text der Rede ist abgedruckt in Domarus, Hitler Reden, Bd. I, S. 229-37.
(3) Der Text des deutsch-russischen Vertrages von Rapallo vom 16. April 1922 ist abge-
druckt in Reichsgesetzbfatt, 1922, Teil II, S. 677-78.
*(4) Freundschaftsvertrag zwischen Deutsehland und der Union der Sozialistischen Sowjet-
republiken vom 24. April 1926. Der Text ist abgedruckt in Serie B, Bd. II, 1, Dokument
Nr. 168. Der Vertrag wurde durch ein am 5. Mai 1933 ratifiziertes Protokoll ver-
längert; siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 212.
*(5) Vertrag zwischen dem Deutsehen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjet-
republiken vom 12. Oktober 1925, der ein Abkommen über Niederlassung und allge-
meinen Rechtsschutz, ein Wirtschaftsabkommen, ein Eisenbahnabkommen, ein See-
schiffahrtsabkommen, ein Steuerabkommen, ein Abkommen über Handelsschiedsgerichte
und ein Abkommen über gewerblichen Rechtsschutz umfaßte. Der Text des Vertrages
ist abgedruckt in Reichsgesetzblatt, 1926, Teil II, S. 2-88, 139-42.
119
Nr. 66 13. NOVEMBER 1933
Die Verträge müssen wieder sinngemäß und voll zur Anwendung gebracht
werden. Bei alledem ist nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit zu ver-
fahren. Nach Lage der Dinge wird der Prozeß einer freundschaftlichen Ge-
staltung der Beziehungen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen; es wäre
schädlich, das zu erhoffende Ergebnis durch allzu großes Empressement
forcieren zu wollen.
5.) Insbesondere ist auf folgendes Bedacht zu nehmen:
a) Politisch: Gute deutsch-sowjetische Beziehungen sind für Deutschland
von wesentlicher Bedeutung. Im Verhältnis Deutschlands zu Polen sind sie
sogar von außerordentlicher Wichtigkeit. Es wird in vorsichtiger Weise zu
klären sein, wohin in dieser Beziehung die wirklichen Ziele der sowjetischen
Außenpolitik gehen und ob diese noch, wie früher, gewillt ist, das VersaiUer
System abzulehnen. Nötigenfalls muß versucht werden, die sowjetische
Politik wieder in die alten Bahnen zurückzulenken. Wir können und brau-
chen es nicht zu bekämpfen, daß die Sowjet-Regierung ihre Beziehungen zu
anderen Mächten, wie Polen und Frankreich, normalisiert. Was aber natür-
lich verhindert werden muß, ist eine Eingliederung der Sowjet-Union in eine
irgendwie gegen Deutschland gerichtete politische Front. In bestimmten
Einzelfragen wird das Interesse Deutschlands darin liegen, sich in die Aus-
einandersetzung zwischen der Sowjet-Union und ihren Nachbarstaaten in
geeigneter Weise einzuschalten.
Das gute Verhältnis zwischen der Reichswehr und der Roten Armee ist
zu pflegen.
b) Wirtschaftlich: Für die deutsch-sowjet-russischen Wirtschaftsbeziehun-
gen gelten die in Artikel 1 des Wirtschaftsabkommens vom 12. Oktober
1925 niedergelegten Richtlinien. Es muß weiterhin unser Bestreben sein, der
deutschen Industrie einen möglichst großen Anteil am Rußlandgeschäft zu
sichern. Es muß aber auch darauf Bedacht genommen werden, den russi-
schen Erzeugnissen einen entsprechenden Absatz auf dem deutschen Markt
zu sichern, um der Sowjet-Regierung die Abdeckung ihrer Verpflichtungen
gegenüber Deutschland zu erleichtern. Diese Interessen müssen miteinander
in Einklang gebracht und die notwendige Stabilität des Warenverkehrs muß
hergestellt werden.
c) Hinsichtlich der beiden Staatssysteme: Die grundsätzliche Verschieden-
heit der beiden Staatssysteme braucht kein Hindernis für die gedeihliche
Weiterentwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen zu sein. Dabei ist
jedoch an dem Grundsatz festzuhalten, daß alle Versuche einer Beeinflus-
sung der inneren Angelegenheiten des anderen Landes zu unterbleiben
haben (Rundfunk, Presse).
6.) Bei den Schwierigkeiten unserer Beziehungen zur Sowjet-Regierung
erfordert die Lösung der gestellten Aufgaben, daß ein besonders enger und
ständiger Kontakt der Botschaft in Moskau mit dem Auswärtigen Amt be-
steht. Auf die Aufrechterhaltung dieses Kontakts, im Bedarfsfalle durch
mündliche Aussprache in Berlin, ist daher von dem Botschafter besonders
zu achten.
120
Nr. 67 13. NOVEMBER 1933
67
8038/E 578 119-22
Ministerialdirektor Ritter an den Botschafter in Rom von Hassell
BERLIN, den 13. November 1933
Lieber Herr von Hassell,
wir haben die kürzliche Anwesenheit von Herrn Smend ') dazu benützt,
mit ihm Ihre Anregung deutsch-italienischer Punktationen über eine ge-
meinsame Wirtschaftspolitik im Donauraum zu besprechen. Herr Smend hat
zuerst mit den Herren von Bülow und Köpke gesprochen und dabei fest-
gestellt, daß die beiden nach wie vor solche Punktationen für eine nützliche
Idee halten. Daß ich der gleichen Auffassung bin, wissen Sie aus unserem
Briefwechsel.2) Wenn Sie seinerzeit keine ausdrückliche Instruktion erhal-
ten haben, diese Anregung weiter zu verfolgen, so lag dies nur daran, daß
Herr Köpke seinerzeit erkrankte und ich für einige Wochen nach Genf
reiste.
Die Frage ist, ob der Gedanke solcher Punktationen nach den zwischen-
liegenden Ereignissen, insbesondere nach dem italienischen Memorandum,3)
heute noch von neuem aufgegriffen und verfolgt werden kann. Ich glaube,
da müssen wir hier uns in erster Linie auf Ihr Urteil verlassen. Es ist von
hier aus etwas schwer, sich laufend ein klares Bild davon zu machen, welche
Absichten, insbesondere in den zeitlichen und taktischen Nuancen, die
italienische Regierung für die Weiterverfolgung ihres Donaumemorandums
hat. Ich sehe die Dinge für den Augenblick und für die nächste Zeit wie
folgt.
Zur Zeit bestehen hinsichtlich der Wirtschaftsfragen im Donauraum zwei
Aktivitätszentren, das eine in Rom, das andere in Prag. Rom hat seine Pläne
offen dargelegt und zur diplomatischen Diskussion gestellt. Nur weiß an-
scheinend zur Zeit niemand recht, wie diese diplomatische Diskussion wei-
tergehen soll. Prag läßt seine Pläne in einem gewissen Halbdunkel. Die
Beschlüsse von Sinaia 4 ) sind offiziell nicht veröffentlicht worden. Halboffi-
ziell oder bei besonderen Gelegenheiten, wie bei der kürzlichen außen-
politischen Debatte im tschechoslowakischen Parlament, läßt Benes darüber
aber so viel verlauten, als ihm notwendig erscheint, um später gegebenen-
falls sagen zu können: „Aber ich habe aus diesen Absichten ja keinen Hehl
gemacht; ich habe sie ja ganz offen angekündigt". In einer Aufzeichnung
über meine Genfer Eindrücke in dieser Frage, die der Botschaft mit Erlaß
vom 17. Oktober 1933 - Nr. W. 7317 II - 5 ) zugegangen ist, habe ich zu
diesem Punkte gesagt: „Das Hauptziel von Benes ist, die Großmächte aus
der weiteren Behandlung und Entwicklung der Donaufragen herauszuhal-
ten . . . Er hat geäußert, daß ihm das gleiche (Zusammenschweißung der
121
Nr. 67 13. NOVEMBER 1933
122
Nr. 68 15. NOVEMBER 1933
(8) In einem Aktenvermerk für Bülow vom 29. November (3086/D 617 030), der Neurath
vorlag, vermerkte Ritter, er habe in Berlin mit Hassell die Frage besprochen, ob das
italienische Donaumemorandum noch schriftlich beantwortet werden solle. Sie seien
beide der Meinung gewesen, daß es zur Zeit nicht angebracht wäre, eine schriftliehe
Antwort zu geben. Sie hätten verabredet, daß Hassell die weiteren Absichten der
italienischen Regierung bezüglich des Donaumemorandums erkunden und in der ent-
sprechenden Unterredung die Überleitung zu den früher behandelten Punktationen
suchen solle. Wenn sich die italienische Regierung zu einer Vertiefung des Gesprächs
in dieser Richtung bereit zeige, solle Hassell versuchen, zu solchen Punktationen zu
kommen. Siehe auch den Bericht Hasseils über seine Unterredung mit Mussolini am
6. Dezember, gedruckt als Dokument Nr. 104.
68
3086/D 618 270-74
123
Nr. 68 15. NOVEMBER 1933
(4) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 326 und Anm 3 dazu
(5) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 326.
(6) Siehe Dokument Nr. 56.
(7) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 429 und Anm. 6 dazu
124
Nr. 68 15. NOVEMBER 1933
Im Aufbruch brachte der Gesandte das Gespräch noch kurz auf das Pro-
blem der Nichtangriffs-Pakte, von dem vor allem in der polnischen Presse in
den letzten Tagen so viel die Rede sei. Herr Mastny stellte keine präzise
Frage, sondern beschränkte sich auf die Bemerkung, daß doch wohl an dem
Gerede von einem deutsch-polnischen Nichtangriffs-Pakt irgend etwas daran
sein müsse, denn auch ihm sei deutscherseits die Frage der Möglichkeit
eines deutsch-tschechoslowakischen Nichtangriffs-Paktes kürzlich von sehr
beachtlicher Seite gestellt worden. Der Gesandte erläuterte die Andeutung
mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung dahin, daß es sich um eine
Persönlichkeit aus der Umgebung des Kanzlers selbst gehandelt habe. Wer
dies gewesen ist, wollte mir der Minister nicht sagen.8) Er habe auf die
Anfrage lediglich geantwortet, daß er sich keinen Gesandten irgendeines
Landes denken könnte, der sich gegenüber einer solchen Möglichkeit, die
Beziehungen zwischen seinem Heimatland und Deutschland zu vertiefen
und zu festigen, ablehnend verhalten könnte. Andererseits könne er in Prag
keinerlei Schritte in dieser Richtung, ja nicht einmal, ohne den Erfolg von
vornherein zu gefährden, Sondierungsversuche unternehmen, wenn er nicht
in die Lage versetzt würde, damit konkrete Vorschläge zu verbinden. Mir
gegenüber wolle er aber rein persönlich seine Auffassung dahin präzisieren,
daß er es für ausgeschlossen halte, daß im augenblicklichen Stadium der
Dinge Verhandlungen mit der Tschechoslowakei über einen Nichtangriffs-
pakt zu einem beide Länder befriedigenden und für den Frieden Europas
wirklich nützlichen Abkommen führen könnten. Die Tschechoslowakei sei
nicht nur durch ihre freundschaftlichen und vertraglichen Beziehungen zu
Frankreich gebunden, sondern würde bei einem solchen Nichtangriffs-Pakt
auch auf die gleichfalls vertraglich festgelegte Konstruktion der Kleinen
Entente, ja auch auf die tschechischen Beziehungen zu Polen Rücksicht
nehmen müssen. Ohne entsprechende Vorbehalte wäre ein deutsch-tschecho-
slowakischer Nichtangriffs-Pakt seiner Ansicht nach nicht möglich. Die
grundlegende Voraussetzung für solche Verhandlungen sei seines Erachtens
daher die Bereinigung des deutsch-französischen Verhältnisses. Er erinnere
daran, daß auch Benes immer wieder erklärt habe, daß die deutsch-tschecho-
slowakischen Beziehungen letzten Endes von dem deutsch-französischen
Verhältnis abhängig seien. Das hindere selbstverständlich nicht, daß Prag
und Berlin jederzeit in unmittelbaren Verhandlungen die zwischen den
beiden Ländern zur Zeit leider bestehenden Differenzen in freundschaft-
lichem Einvernehmen zu bereinigen suchen. Der Gesandte erinnerte dann
noch an unseren Locarno-Schiedsvertrag und an den Kellogg-Pakt, worin
doch für beide Länder ausreichende Gewähr vor kriegerischen Unterneh-
mungen geboten sei. Ein Nichtangriffs-Pakt zwischen der Tschechoslowakei
und Deutschland dürfe sich nicht rein negativ auf gegenseitiger Furcht vor
Angriffen aufbauen, sondern müsse, so schloß der Gesandte seine Aus-
führungen, die beiderseitige Freundschaft in konstruktiver Weise zum Aus-
druck bringen.
KÖPKE
125
Nr. 69 15. NOVEMBER 1933
69
6177/E 463 472-73
Ministerialdirektor Meyer an die Gesandtschaft in Warschau
Telegramm
Cito [BERLIN, den] 15. November 1933
Vorrang Abgesandt: 16. November 0 Uhr 20
Nr. 146 IV Po. 8269
Die Unterredung des Herrn Reichskanzlers mit Herrn Lipski') hat heute
vormittag in Gegenwart von Herrn von Neurath stattgefunden und unge-
fähr eine Stunde gedauert. Das amtliche Kommunique wird durch WTB ver-
breitet. Dieses Kommunique ist mit Herrn Lipski vereinbart worden, der
auch die Genehmigung der Warschauer Regierung eingeholt hat.2)
Herr Lipski begann die Unterredung, indem er Grüße von Pilsudski be-
stellte und dem Wunsch des Marschalls Ausdruck verlieh, die deutsch-pol-
nischen Beziehungen durch unmittelbare Aussprache freundschaftlicher zu
gestalten. Er hob dabei hervor, daß es immer der Wunsch des Marschalls
gewesen sei, mit Deutschland freundschaftliche Beziehungen zu pflegen.
Auf die längere Rede von Lipski erwiderte der Herr Reichskanzler ein-
gehend, indem er zunächst ausführte, daß sein Standpunkt als National-
sozialist bekannt sei; er rechne mit Realitäten und betrachte den Bestand des
polnischen Staates als etwas Gegebenes. Ähnlich wie in seiner Reichstags-
rede vom Mai d. J.3) hat der Herr Reichskanzler ausgeführt, daß er ein
Gegner jeder gewaltsamen Nationalisierung fremder Gebietsteile sei. Polen
und Deutschland seien nun einmal Nachbarvölker, dieser Tatsache müsse
Rechnung getragen werden, und es sei ein Unsinn, etwa wegen kleiner
Grenzberichtigungen einen Krieg zu führen. Allerdings müsse er betonen,
(1) Außer der Vorlage konnte eine Aufzeichnung über die Unterredung nicht ermittelt
werden. In den Akten des Auswärtigen Amts befindet sich lediglich noch eine Auf-
zeichnung ohne Unterschrift vom 14. November (6174/E 462 948-50), die Neurath als
Unterlage für das bevorstehende Gespräch dienen sollte. Lipskis Bericht über die
Unterredung ist abgedruckt in der Publikation des polnischen Außenministeriums
OUicial Documents Concernlng Polish-German and Polish-Soviet Relations 1933-1939,
S. 16-19.
(2) In den Akten befindet sich folgender Kommunique-Entwurf mit hschr. Änderungen
Neuraths (2945/D 575 856):
„Berlin, den 15. November 1933 Dem polnischen Gesandten heute übergebener Entwurf
um 4 [16] Uhr 15.
Der Reichskanzler empfing heute vormittag in Gegenwart des RAM den polnischen
Gesandten, der ihm seinen Antrittsbesuch machte. Die Aussprache über die deutsch-
polnischen Beziehungen ergab volle Übereinstimmung beider Regierungen in der Ab-
sicht, die beide Länder berührenden Fragen auf dem Wege unmittelbarer Verhand-
lungen in Angriff zu nehmen und ferner zur Festigung des Friedens in Europa in ihrem
Verhältnis zueinander auf jede Anwendung von Gewalt zu verzichten.
Zusatz des Herrn Reichsministers: Vom RK genehmigt."
Ein weiterer Vermerk in Neuraths Handschrift auf demselben Dokument lautet: „Der
polnische] Gesandte überbrachte um 7 [19] Uhr 20 die Zustimmung der polnischen]
Regierung] zu obiger Fassung. Das Kommunique] soll morgen früh veröffentlicht
werden, v. N[eurath] 15. 11."
(3) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 246, S. 446.
126
Nr. 70 16. NOVEMBER 1933
70
6177/E 463 474
Ministerialdirektor Meyer an die Gesandtschaft in Warschau ')
Telegramm
Cito BERLIN, den 16. N o v e m b e r 1933 20 Uhr 15
Nr. 148 IV Po. 8269 II
Im Anschluß a n Telegramm Nr. 146.2)
In d e r Besprechung d e s Reichskanzlers mit H e r r n Lipski ist die Frage
eines förmlichen Nichtangriffs-Paktes nicht erörtert worden. W i e bereits in
dem Kommunique 3) zum Ausdruck gebracht, bestand lediglich volle Über-
einstimmung beider Regierungen in der Absicht, die die beiden Länder
b e r ü h r e n d e n Fragen auf dem W e g e unmittelbarer V e r h a n d l u n g e n in Angriff
zu n e h m e n und zur Festigung des Friedens in Europa in ihrem Verhältnis
zueinander auf j e d e A n w e n d u n g v o n Gewalt zu verzichten. Es handelt sich
also n u r um eine W i e d e r h o l u n g des Gedankens d e r No-Force-Declaration, 4 )
und zwar n u r in d e r Form d e s Presse-Kommuniques, nicht aber in der Form
eines b e s o n d e r e n Vertrags. 5 )
MEYER
*(l) Das vorliegende Telegramm wurde zur vertraulichen Unterrichtung auch den Botschaften
in London (Nr. 305), Rom (Nr. 273), Moskau (Nr. 240) und Paris (Nr. 565) übermittelt.
(2) Dokument Nr. 69.
(3) Siehe Dokument Nr. 69, Anm. 2.
(4) Siehe Serie C, Bd. I, I, Dokument Nr. 36, Anm. 2.
(5) In einem Telegramm Meyers vom 17. November (6177/E 463 477) an die Gesandtschaft in
Warschau (Nr. 149) und an die Botschaften in London (Nr. 306), Rom (Nr. 275), Moskau
(Nr. 242) und Paris (Nr. 567) wurde der Inhalt der Vorlage wie folgt abgeändert: „Vor-
stehendes Telegramm ist insofern zu berichtigen, als in Aussicht genommen ist, No-
Force-Declaration in Vertragsform zu fixieren."
Auf dem Arbeitsexemplar dieses Telegramms befindet sich noch folgende hschr. Er-
läuterung: „Pro.not. Gemäß der Ministerbesprechung beim Herrn RK gestern abend.
17. 11." Eine Aufzeichnung über diese Besprechung konnte nicht ermittelt werden.
127
Nr. 71 16. NOVEMBER 1933
71
6114/E 454 109-11
Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats Hüffer
Geheim BERLIN, den 16. November 1933
e. o. II Oe. 1893
AUFZEICHNUNG
(i) Nach der veröffentlichten Darstellung Langoths hatten er und Foppa am 4 und am
13. November in Linz weitere Besprechungen mit Staatssekretär Gleißner geführt. In der
letzten Aussprache hatte Gleißner den beiden Mittelsmännern erklärt, er müsse ihnen
„nach wiederholter Rücksprache mit Bundeskanzler Dr. Dollfuß" mitteilen, daß Ver-
handlungen mit der österreichischen Landesleitung der NSDAP in München indiskutabel
seien. Mithin erübrige sieh eine Besprechung der von Foppa und Langoth dargelegten
Vorschläge. Dollfuß sei aber jederzeit bereit, mit der Nationalen Kampffront Ver-
handlungen zu führen, sofern diese österreichisch konstituiert und in ihren Entschei-
dungen selbständig und unabhängig von Faktoren des Deutschen Reiches sei. Er sei auch
bereit, direkt mit der deutschen Regierung zu verhandeln. Siehe Langoth, Kampt um
Österreich, S. 140-44.
(2) über die Aktion Hanfstaengls konnten im Archiv des Auswärtigen Amts Akten nicht
ermittelt werden. Langoth gibt in seinem Buch Kampt um Osterreich, S. 144-48, eine
Darstellung wieder, die Habicht in einer Unterredung mit Foppa und Langoth am
14. November in München gab. Demzufolge hatte Hanfstaengl der österreichischen
Gesandtschaft in Berlin durch einen Mittelsmann ein aus neun Punkten bestehendes
Befriedungsprogramm zugestellt. Als Neurath davon hörte, informierte er Hitler, der
Hanfstaengl einen scharfen Verweis erteilte.
128
Nr. 72 16. NOVEMBER 1933
72
6065/E 448 775-80
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow
an den Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers
BERLIN, den 16. November 1933
Abgesandt: 17. November
zuIIBalk. 1995 Js.;1)
IIBalk. 2017 Js.2)
Sehr verehrter Herr Lammers!
Die dem Auswärtigen Amt zuständigkeitshalber von der Reichskanzlei
überwiesene, mit der Bitte um demnächstige Rückgabe wieder beigefügte
(1) II Balk. 1995 J s . : Schreiben des Außenpolitischen Amts der NSDAP an das A u s w ä r t i g e
A m t v o m 3. N o v e m b e r (6065/E 448 741-42).
(2) II Balk. 2017 J s . : Eingabe des emigrierten kroatischen J o u r n a l i s t e n Jelic an Hitler vom
31. O k t o b e r (6065/E 448 745).
129
II.1 Bg. 9
Nr. 72 16. NOVEMBER 1933
130
Nr. 72 16. NOVEMBER 1933
die ablehnende Haltung gegenüber dem Dr. Jelic und seinen Zeitungen auf-
zugeben. Zur Begründung dieses Ansinnens wird in dem Schreiben des
Außenpolitischen Amts geltend gemacht, daß Dr. Jelic seit längerer Zeit mit
dieser Stelle zusammenarbeite und ihr bereits mehrfach wertvolle Dienste
geleistet habe. Auf seine Arbeit sei es zurückzuführen, daß in der gesamten
kroatischen Presse nicht ein einziger deutschfeindlicher Artikel geschrieben
oder Greuel- und Hetzpropaganda betrieben worden sei.
Ich möchte es ganz dahingestellt sein lassen, ob diese Annahme des
Außenpolitischen Amts nicht auf unvollständigem Einblick in die Verhält-
nisse der jugoslawischen Presse und in die Einwirkungsmöglichkeiten auf
diese beruht. Jedenfalls ist Dr. Jelic und seine politische Einstellung gegen-
über seinem Heimatstaat nachgerade eine ernsthafte Belastung unserer Be-
ziehungen zu Jugoslawien geworden. Das jugoslawische Außenministerium
hat inzwischen wiederum Anlaß genommen, unsere Gesandtschaft in
Belgrad beschwerdeführend auf das Weitererscheinen der beiden Blätter
hinzuweisen,8) und zwar gerade im Zusammenhang damit, daß die jugo-
slawische Regierung auf Betreiben unserer Gesandtschaft eine von deut-
schen Emigranten veröffentlichte Broschüre Israel, souviens-toi für Jugo-
slawien vorbehaltlos verboten habe. Auch der hiesige jugoslawische Ge-
sandte Balugdzic ist in letzter Zeit verschiedentlich im Auswärtigen Amt
erneut dringlich in der leidigen Angelegenheit vorstellig geworden,
übrigens wird die Richtigkeit unserer Auffassung im Gegensatz zu der Ein-
stellung des Außenpolitischen Amts Dr. Jelic gegenüber auch durch einen
uns vorliegenden Bericht eines nach Belgrad entsandten Vertrauensmannes
des preußischen Geheimen Staatspolizei-Amtes in sehr nachdrücklicher
Weise bestätigt.9) Auch in diesem Bericht wird zur baldigen Unterdrückung
der beiden kroatischen Blätter dringend geraten.
Bei dieser Sachlage, die im politischen Interesse des Reichs ein end-
gültiges Verbot der beiden Blätter unabweisbar erscheinen läßt, werde ich
nunmehr in diesem Sinne beim preußischen Innenministerium erneut vor-
stellig werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf einem Ihnen geeignet
erscheinenden Wege veranlassen könnten, daß das Außenpolitische Amt
der NSDAP unseren Schritten bei den inneren Ressorts in dieser Sache
nicht entgegenwirkt. Der in dem Schreiben des genannten Amts enthaltene
Hinweis darauf, daß die Haltung der jugoslawischen Presse Deutschland
gegenüber teilweise immer noch ungünstig sei, berührt ein grundsätzlich
anderes Gebiet, dem wir gleichfalls im Einvernehmen mit der Presse-
Abteilung des Auswärtigen Amts unsere dauernde Aufmerksamkeit zu-
wenden, kann aber keineswegs für eine amtliche Duldung des unseren
gesamtpolitischen Beziehungen zu Jugoslawien so abträglichen Treibens der
Emigranten auf deutschem Boden herangezogen werden.
(8) Heeren hatte dem Auswärtigen Amt am 20. Oktober über diesen jugoslawischen Schritt
berichtet (6065/E 448 733-34) und bei dieser Gelegenheit auf ein Verbot der beiden
kroatischen Blätter gedrängt.
(•) In einem Brief der Gestapo an das Auswärtige Amt vom 8. November (6065/E 448 783-88)
war, unter Bezugnahme auf den Berieht eines Vertrauensmanns in Belgrad, ein Verbot
der beiden kroatischen Blätter dringendst empfohlen worden.
131
Nr. 73 17. NOVEMBER 1933
Für eine gefällige Äußerung 10 ) wäre ich Ihnen bei Rückgabe der Anlagen
sehr verbunden.
Mit den besten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
B[ÜLOW]
73
2945/D 575 877-78
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 17. November 1933
Reichswirtschaftsminister Schmitt rief mich heute nachmittag um 5 Uhr
an und fragte unter Bezugnahme auf die Ministerbesprechung von gestern
abend') und im Anschluß an eine Besprechung, die er mit Staatssekretär
Posse gehabt hat, ob wir bereits den Gesandten von Moltke über die ent-
scheidende Wendung von gestern abend im Hinblick auf die schwebenden
Wirtschaftsverhandlungen informiert hätten, insbesondere auch über unsere
veränderte Haltung in der Kohlenfrage.
Ich sagte dem Reichswirtschaftsminister, wir hätten den Gesandten von
Moltke in bezug auf die wirtschaftspolitische Seite der gestrigen Bespre-
chung noch nicht informiert und unseren Reichsminister auch nicht dahin
verstanden, daß den Polen nun ein Kohlenangebot gemacht werden solle.2)
Wir hätten lediglich erfahren, daß die Verhandlungen in Warschau in der
Kohlenfrage nicht scheitern sollten. Das heiße aber nicht, daß Moltke Kohlen
in beliebiger Menge anbieten könne. Soweit ich unterrichtet sei, würden
die Verhandlungen ohnehin in diesen Tagen nicht zu einem Abschluß ge-
langen, ein Bruch sei also nicht zu befürchten. Wir hätten mehrere Tage
Zeit, um in Referentenbesprechungen zu klären, welches praktische Ent-
gegenkommen in der Kohlenfrage wir anbieten können.
Reichsminister Schmitt war hiermit einverstanden, er bat, eine Referen-
tenbesprechung für Anfang nächster Woche einzuberufen. Schließlich
kamen wir noch überein, daß Herr von Moltke davon verständigt werden
sollte, daß wir als Parallele zu den politischen Verhandlungen auch zu
einem weiter als bisher gehenden Entgegenkommen auf wirtschaftlichem
Gebiet bereit seien.3) Ich bitte die Gesandtschaft in Warschau in diesem
Sinne zu verständigen.
BÜLOW
132
Nr. 74 17. NOVEMBER 1933
74
*(i) Dieses Schreiben wurde auch dem Reichsfinanzministerium, dem Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda, dem Reichswirtschaftsministerium, dem preußischen
Staatsministerium, dem preußischen Ministerium des Innern, dem preußischen Mini-
sterium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung und dem preußischen Finanzministe-
rium zugestellt. Der Deutschen Stiftung sowie der Ossa-Vereinigte Finanzkontore wurde
eine Abschrift zur Kenntnisnahme übermittelt.
*(2) 2413 Ang. II: Schreiben des Auswärtigen Amts vom 16. November (8773/E611 365-71) an
das Reichsministerium des Innern sowie an die in Anm. 1 aufgeführten Stellen, mit dem
eine Aufzeichnung über eine interministerielle Beratung vom 10. November über die
Zusammenarbeit der zuständigen Ressorts des Reichs und Preußens in Volkstums- und
Minderheitenfragen übermittelt worden war.
(3) Siehe Dokument Nr. 140.
(4) Randvermerk: „Notiz. Das Rundschreiben beruht auf einer mündlichen Mitteilung des
Herrn Reichsministers über das Ergebnis der Besprechung."
133
Nr. 76 18. NOVEMBER 1933
75
6177/E 463 482
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
76
7467/H 179 104-05
Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 267 vom 18.11. LONDON, den 19. November 1933 13 Uhr 48
Ankunft: 19. November 16 Uhr 50
II F. Abr. 3791
über den gegenwärtigen Genfer Abrüstungsverhandlungen brütet Un-
heil.1) Es ist unzweifelhaft, daß der englische und französische Standpunkt
(l) Am 9. November war, gemäß einem Beschluß des Hauptausschusses vom 26. Oktober,
das Büro der Abrüstungskonferenz zusammengetreten und hatte Unterausschüsse
konstituiert, die die zur Erledigung anstehenden Fragen prüfen sollten. Die Sitzungen
des Büros und der Unterausschüsse enthüllten erhebliche Meinungsunterschiede hin-
sichtlich des weiteren Verfahrens. Daraufhin forderte Henderson die verantwortliehen
Führer der Delegationen auf, persönlich nach Genf zu kommen. Am 18. November trafen
Simon, Eden, Paul-Boncour und Soragna zu Gesprächen in Genf ein. Am 21. November
wurde im Verlaufe einer Zusammenkunft der Delegierten Großbritanniens, Frankreichs,
Italiens und der Vereinigten Staaten von Amerika mit Henderson und Beamten des
Büros eine Einigung darüber erzielt, daß die Arbeit der Konferenz durch parallele und
ergänzende Bemühungen der Regierungen untereinander unterstützt werden solle. Es
wurde außerdem vereinbart, daß Henderson und das Büro die vom Büro und seinen
134
/
135
Nr. 77 NOVEMBER 1933
und wenn mit Bezug auf diese unsere Gleichberechtigung erkämpft werden
kann, so werden wir hier mit der englischen Armee keine Schwierigkeiten
mehr haben. Im gegenwärtigen Augenblick erscheint mir jedenfalls als die
Hauptsache, darüber zu wachen, daß nichts geschieht, was die Neubelebung
der schon erschütterten Einheitsfront der Gegenseite fördern könnte.
HOESCH
77
6177/E 463 488-93
Aufzeichnung ohne Unterschrift*)
Geheim
BEMERKUNGEN ZUM GEDANKEN DES ABSCHLUSSES EINES NICHTANGRIFFSPAKTS
ZWISCHEN DEUTSCHLAND UND POLEN
136
Nr. 77 NOVEMBER 1933
*(') „General Treaty for renunciation of war as an Instrument of national policy" (Briand-
Kellogg-Pakt) vom 27. August 1928. Der Text ist abgedruckt in Bruns, Politische Ver-
träge, Bd. I, S. 248-53.
137
Nr. 77 NOVEMBER 1933
men, daß Polen bei den Verhandlungen über den Abschluß eines Nicht-
angriffspakts bemüht sein würde, in den Vertragstext Wendungen hinein-
zubringen, die sich mehr oder weniger deutlich auf die Erhaltung des terri-
torialen Status quo beziehen. Polen würde einen bequemen Ausgangspunkt
für derartige Vorschläge in den vielen Nichtangriffspakten der letzten Zeit
finden, die fast durchweg in der Präambel oder dem Vertragstext selbst
eine Klausel über die Integrität des territorialen Besitzstandes der beiden
Kontrahenten enthalten. Wenn Deutschland solche polnischen Vorschläge
ablehnt, könnte leicht eine recht mißliche Diskussion entstehen, mit der
Folge, daß der Pakt daran scheitert. Die Spannung in den gegenseitigen
Beziehungen würde dann nicht nur nicht gemildert, sondern bedenklich ver-
schärft werden.
Selbst wenn sich dies aber vermeiden ließe und selbst wenn es ferner
gelänge, dem Vertrage durch seine Redaktion und durch seine offizielle
Interpretation die Nebenbedeutung eines Verzichts auf die territoriale
Revision zu nehmen, bliebe noch zu überlegen, was Deutschland durch den
Pakt gewönne. Der Pakt müßte, falls er überhaupt einen politischen Effekt
haben soll, wohl mindestens für eine Zeit von zehn Jahren abgeschlossen
werden. Auch nach zehn Jahren würde es praktisch schwer sein, ihn zu
kündigen oder seine Verlängerung abzulehnen, da das nahezu identisch mit
dem Bekenntnis deutschen Angriffswillens wäre. Der Pakt würde also auch
als reiner Nichtangriffspakt auf lange Jahre hinaus eine starke Einschrän-
kung der politischen Handlungsfreiheit Deutschlands zur Folge haben. Man
wird sich hierüber nicht einfach mit der Erwägung hinwegsetzen dürfen,
daß es zu gegebener Zeit schon möglich sein werde, eine von Deutschland
für nötig und aussichtsreich gehaltene kriegerische Auseinandersetzung mit
Polen in einer Weise einzuleiten, die uns vom Odium des Paktbruchs ent-
laste. Solche Möglichkeiten lassen sich jedenfalls im voraus kaum mit eini-
ger Sicherheit übersehen. Auf der anderen Seite steht aber fest, daß wir uns
durch den Pakt keineswegs vor einer militärischen Intervention Polens
gegen eine von uns ohne Verständigung mit den Mächten betriebene Auf-
rüstung sichern würden. Denn Polen könnte durch den Paktabschluß mit
Deutschland natürlich in keinem Falle seine Bündnisverpflichtung gegen-
über Frankreich modifizieren. Es müßte also, wie das z. B. umgekehrt auch
Frankreich in seinem Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion 4 ) getan hat,
auf die Einfügung einer Klausel des Inhalts in den Pakt bestehen, daß durch
diesen die bereits anderweitig begründeten Vertragspflichten der beiden
Kontrahenten nicht berührt werden. Das würde bedeuten, daß, wenn es
etwa wegen der Aufrüstung Deutschlands zu einer militärischen Interven-
tion Frankreichs käme, Polen diese Intervention trotz des Nichtangriffspakts
mit Deutschland unterstützen könnte und müßte.
(4) Nichtangriffspakt zwischen Frankreich und der Sowjetunion vom 29. November 1932.
Siehe Recueil des Traites, Nr. 3615, Bd. CLVII, S. 411-19.
138
Nr. 78 20. NOVEMBER 1933
78
3154/D 670 316-17
139
Nr. 79 21. NOVEMBER 1933
keit jetzt anzutasten. Er habe aber hinzugefügt, daß Mussolini sich darüber
klar sein müsse, daß letzten Endes der Zusammenschluß Deutschlands und
Österreichs nicht zu verhindern sein würde. Ehe dies geschehe, werde aber
über die näheren Umstände eine eingehende Verabredung mit Italien ge-
troffen werden.5)
v. N[EURATH]
'(5) Am 25. November setzte Köpke die Botschaften in Rom, London, Paris, Moskau und
Washington sowie die Gesandtschaft in Bern anhand der vorliegenden Aufzeichnung
von dem Bericht Görings in Kenntnis (7467/H 179 160-62).
79
6177/E 463 485-86
(i) In diesem Telegramm (6177/E 463 483) war angekündigt worden, daß ausführliche
Weisungen mit dem nächsten Kurier übermittelt werden würden.
• (2) Lipski.
(3) Fundort: 6177/E 463 475-76.
(4) Siehe Dokument Nr. 70, Anm. 1.
(5) Siehe Dokument Nr. 70, Anm. 5.
140
Nr. 80 23. NOVEMBER 1933
*(•) Die Vorlage trägt den Vermerk: „I[n] Reinschrift] N[ame] d[es] H[errn] St.S." Sie
wurde sowohl von Bülow als auch von Neurath paraphiert.
80
8580/E 601 939
141
Nr. 81 NOVEMBER 1933
81
6177/E 463 498-501
Aufzeichnung ohne Unterschrift')
BEMERKUNGEN ZU DEM ANLIEGENDEN ENTWURF
EINER DEUTSCH-POLNISCHEN ERKLÄRUNG
[Anlage]
ERKLÄRUNG
[Entwurf]
Die deutsche Regierung und die polnische Regierung halten den Zeitpunkt
für gekommen, um durch eine unmittelbare Verständigung v o n Staat zu
Staat eine n e u e Phase in den politischen Beziehungen zwischen Deutschland
und Polen einzuleiten. Sie h a b e n sich deshalb entschlossen, durch die gegen-
wärtige E r k l ä r u n g die Grundlage für die künftige Gestaltung dieser Be-
ziehungen festzulegen.
Beide Regierungen g e h e n dabei v o n der Tatsache aus, daß die Aufrecht-
erhaltung u n d Sicherung eines d a u e r n d e n und gerechten Friedens zwischen
ihren Ländern e i n e wesentliche Voraussetzung für den allgemeinen Frieden
in Europa ist.
Sie wollen d e s h a l b die Verpflichtungen, die sich für sie aus dem Schieds-
vertra g v o n Locarno vom 16. O k t o b e r 1925 4 ) und dem Pakt von Paris v o m
27. August 1928 6 ) ergeben, g e n a u e r bestimmen, um, soweit das Verhältnis
142
Nr. 82 23. NOVEMBER 1933
82
6177/E 463 487
Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer
BERLIN, den 23. November 1933
IV Po. 8441
Herr Legationsrat Schliep, der gestern aus Warschau hier eintraf, über-
mittelte die Anregung des Herrn Moltke, ihn zu beauftragen, den Text einer
No-force-declaration in einer privaten Audienz dem Marschall Pilsudski
mit den Grüßen des Herrn Reichskanzlers zu übergeben. Herr von Moltke
hält die Angelegenheit für dringlich, da zu befürchten sei, daß die Polen
durch Vorlegung eines eigenen Vorschlages das praevenire zu spielen ver-
suchen würden.
Ich habe Herrn Schliep erwidert, daß die Fixierung einer No-force-decla-
ration sich noch im Stadium der Prüfung befinde; ich würde die Anregung
143
Nr. 83 23. NOVEMBER 1933
83
9151/E 643 902-04
Das Auswärtige Amt an die Gesandtschaft in Prag
Sofort den 23. November 1933
BERLIN,
Kurier am 23. 11. [zu] II Ts. 1432 l)
1435 *)
1507 s)
Auf die Berichte A III 2 f. vom 8. d. M., A III 1 b. 8 vom 9. d. M. und A III
1 b. 8 vom 17. d.M.
Das Auswärtige Amt ist nach Lage der Dinge gleichfalls der Ansicht, daß
es zwar auf absehbare Zeit noch nicht möglich sein wird, die großen grund-
sätzlichen politischen Fragen und Gegensätze zwischen Deutschland und der
Tschechoslowakei einer Lösung näherzubringen, daß aber trotzdem beider-
seits angestrebt werden sollte, die äußeren Beziehungen zur Tschechoslo-
wakei möglichst bald wieder mindestens zu normalisieren.
Neben der Frage des Emigrantentums und einer Bereinigung der gegen-
seitigen Presseverbote wird in diesem Zusammenhang besonders auch der
von Benes selbst angeregte Austausch der aus politischen Gründen be-
straften bzw. festgesetzten Personen erwogen werden können. Hiernach
käme eine vorsichtige Vorbereitung einer solchen Maßnahme in der Rich-
tung in Betracht, daß eine Liste der seit dem Umsturz verurteilten Reichs-
deutschen in der Tschechoslowakei, die auch im einzelnen das ihnen vor-
geworfene Vergehen und ihre Strafen enthalten müßte, für die kommenden
Verhandlungen zusammengestellt und hierher eingereicht würde. Es ist
*(l) II Ts. 1432: Bericht Kochs Nr. A III 2 f. vom 8. November, abgedruckt als Dokument
Nr. 51.
*(2) II Ts. 1435: Bericht Kochs Nr. A III 1 b. 8 vom 9. November, abgedruckt als Dokument
Nr. 56.
• (3) II Ts. 1507: Bericht Kochs Nr. A III 1 b. 8 vom 17. November (9151/E 643 900-01), in dem
das Auswärtige Amt darauf aufmerksam gemacht worden war, daß der stellvertretende
tschechoslowakische Außenminister Krofta bei einem vertraulichen Empfang der Asso-
ciation der Auslandspresse in Prag erklärt habe, Deutschland habe der Tschechoslowakei
inoffiziell das Angebot eines Nichtangriffspakts gemacht. „Die Tschechoslowakei habe
aber darauf geantwortet, daß sie einen derartigen Pakt nicht ohne Einvernehmen mit
Frankreich sehließen könne und daß ferner gleichzeitig ein Nichtangriffspakt Deutsch-
land-Polen geschlossen werden müßte." Koch bat um Mitteilung darüber, inwieweit
Kroftas Äußerungen den Tatsachen entsprächen.
144
Nr. 84 24. NOVEMBER 1933
84
6177/E 463 495-97
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Gesandtschait in Warschau
Telegramm
Citissime [BERLIN], den 24. November 1933 20 Uhr 50
Vorrang IV Po. 8503
Nr. 157
Für Gesandten persönlich.
Der Herr Reichskanzler ist mit dem Ihnen hier bereits persönlich über-
gebenen Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung einverstanden. 1 ) Es
(l) Für den von Hitler gebilligten Entwurf einer deutsch-polnischen Erklärung siehe Doku-
ment Nr. 81. Der Entwurf, der Moltke in Berlin übergeben worden war, vermutlich bei
seinem dortigen Aufenthalt am 20. November, ist gefilmt unter 9984/E 697 412-14.
145
II,1 Bg. 10
Nr. 84 24. NOVEMBER 1933
(2) Der entsprechende Satz lautete in dem Moltke in Berlin übergebenen Entwurf: „Zu
diesem Zwecke stellen sie fest, daß sie entschlossen sind, alle die beide Länder
berührenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen, auf dem Wege unmittelbarer
Verhandlungen in Angriff zu nehmen."
• (3) Lipski.
• (4) Siehe Dokument Nr. 69.
(0) Siehe Dokument Nr. 69, Anm. 2.
146
Nr. 85 24. NOVEMBER 1933
Sollte der Marschall Pilsudski Sie allein ohne den Außenminister emp-
fangen, so bitte ich nach der Audienz Herrn Beck aufzusuchen und ihm Ab-
schrift der dem Marschall übergebenen Erklärung zu übergeben, wobei Sie
die gleichen Ausführungen zu machen hätten wie dem Marschall Pilsudski
gegenüber. Auch der weitere modus procedendi wäre dann mit Herrn Beck
zu besprechen.
v. N[EURATH]
85
6159/E 461 245-48
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Menshausen
Geheim BERLIN, den 24. November 1933
zu II Vat. 526 >)
AUFZEICHNUNG
(i) II Vat. 526: Telegramm Bergens Nr. 91 vom 22. November (6159/E 461 242)
(2) Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 371.
147
Nr. 85 24. NOVEMBER 1933
(Mitglied des Preußischen Staatsrats) noch dieser Tage bei seinem Besuch
in Berlin unverhohlen zum Ausdruck gebracht.
Unsere auf Grund dieser Mitteilungen an den Botschafter beim Heiligen
Stuhl gerichtete Bitte um Stellungnahme 3 ) wurde dahingehend beantwortet,
daß eine nicht hinreichend begründete Ablehnung des 1928 als einwandfrei
anerkannten Bischofs von Hildesheim leicht zu Weiterungen mit der Kurie
führen würde.4) Bares gelte bei der Kurie als streng kirchlicher Bischof, der,
abgesehen von seiner früheren Zugehörigkeit zum Zentrum und seinen
persönlichen Beziehungen zu den damaligen Parteiführern, politisch nicht
weiter in die Erscheinung getreten sei.
In der Tat lassen die gegen Bischof Bares vorgebrachten Bedenken den
so schwerwiegenden Schritt einer Ablehnung „aus politischen Gründen"
nicht genügend gerechtfertigt erscheinen. Wie ich natürlich streng ver-
traulich feststellen konnte, hatte im Gegenteil auch der Regierungspräsident
von Hildesheim auf Anfrage ausdrücklich berichtet, daß ihm keine Tat-
sachen bekannt seien, aus denen Bedenken politischer Natur gegen Bares
begründet werden könnten. Die Anregung der Ablehnung geht offenbar
von anderer, nichtamtlicher Stelle aus.
Auf Weisung des Herrn Reichsministers habe ich Ministerialdirektor
Jäger von der Äußerung des Botschafters von Bergen in Kenntnis gesetzt
und ihm unter Darlegung unseres Standpunktes auftragsgemäß mitgeteilt,
daß Auseinandersetzungen mit der Kurie vermieden werden müßten und
daß dies auch der ausdrückliche Wunsch des Herrn Reichskanzlers sei. Dabei
wies ich darauf hin, daß Bischof Bares im Falle der Ablehnung seiner
Transferierung nach Berlin ja doch den Bischofsstuhl von Hildesheim be-
hielte und somit ohnehin Mitglied des Preußischen Episkopats bliebe.
Ministerialdirektor Jäger erwiderte, daß er sich den von uns vorge-
brachten Bedenken nicht verschließen könne und einsehe, daß daraus
schwerwiegende Komplikationen entstehen könnten. Er glaube zwar kaum,
daß Ministerpräsident Göring ohne weiteres mit der Wahl des Bischofs
Bares einverstanden sein werde, aber ausschlaggebend sei ja letzten Endes
der Wunsch des Führers.
Da inzwischen auch an den Herrn Reichskanzler in seiner Eigenschaft als
Reichsstatthalter von Preußen von seiten des Berliner Domkapitels eine
ähnliche Anfrage wie an das Preußische Staatsministerium auf Grund des
Artikels 14 des Reichskonkordats ergangen sein dürfte, erscheint es zweck-
mäßig, dem Führer baldigst eine persönliche Entscheidung in dem Sinne
vorzuschlagen, daß Bedenken gegen die Ernennung des Bischofs Bares zum
Ordinarius der Diözese Berlin nicht geltend gemacht werden sollen.
Hiermit dem Herrn Reichsminister über den Herrn Staatssekretär und
Herrn Ministerialdirektor Köpke zur geneigten Kenntnis gehorsamst vor-
gelegt.5)
MENSHAUSEN
(3) Telegramm Nr. 44 vom 21. November (6159/E 461 241).
*(4) Telegramm Bergens Nr. 91 vom 22. November. Siehe Anm. 1.
(5) Bei der Vorlage befindet sich in den Akten folgende Notiz (6159/E 461 244): „Göring
will von der Wahl Bares' zum Bischof von Berlin nichts wissen, trotzdem ich unsere
Bedenken gegen die Ablehnung geltend gemacht habe. v. N[eurath] 2. 12."
Siehe Dokument Nr. 134.
148
Nr. 86 25. NOVEMBER 1933
86
2406/D 510 757-59
149
Nr. 87 25. NOVEMBER 1933
hierbei auch die Kontrollfrage und frug, ob wir also einer Kontrolle „si
omnes" zustimmten. Der Reichskanzler bejahte dies,
Auf die Saarfrage übergehend, brachte Herr Poncet seine alten Thesen
vor, daß nämlich wirtschaftlich die Saar aufs engste mit Lothringen verbun-
den sei und daß man bezüglich der Saargruben einen Weg finden müsse,
der eine deutsch-französische Zusammenarbeit dort ermögliche. Diesen
letzteren Gedanken bezeichnete der Kanzler auch als seinen Intentionen
entsprechend, während er auf die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit
des Saargebiets von Lothringen nicht näher einging.5) Endlich brachte Herr
Poncet die Sprache auch noch auf die österreichische Frage, die jedoch der
Kanzler mit der kurzen Bemerkung abfertigte, daß man in Österreich eben
Neuwahlen ausschreiben müsse. Im übrigen betonte der Kanzler Herrn
Poncet gegenüber, daß er nicht die Absicht habe, die österreichische An-
schlußfrage aufzurollen. Wir hätten genügend Probleme im eigenen Lande
zu lösen, so daß wir nicht Lust hätten, uns durch den österreichischen An-
schluß noch weitere aufzubürden.
Die Unterredung dauerte beinahe 1 l /i Stunden. Es herrschte Überein-
stimmung darüber, daß die deutsch-französischen Besprechungen auf diplo-
matischem Wege fortzusetzen seien, daß aber eine längere Zeit vergehen
müsse, bis sie zu einem Ergebnis führen könnten. Herr Poncet äußerte be-
züglich der Zukunft der französischen Regierungen die Ansicht, daß voraus-
sichtlich in einiger Zeit Herr Daladier, evtl. auch Herr Tardieu, die Regie-
rungsgewalt wieder übernehmen würden, daß aber noch ein bis zwei kurz-
lebige Ministerien vorausgehen müßten, um die für eine starke Regierung
in Frankreich erforderlichen Vorbedingungen zu schaffen.6)
v. N[EURATH]
(5) Siehe hierzu Dokument Nr. 101 und Anm. 2 dazu.
*(8) Ein Bericht Francois-Poncets über die Unterredung mit Hitler ist abgedruckt in Docu-
ments Diplomatlques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 52.
87
5752/H 037 417
Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 75 vom 24. 11. WARSCHAU, den 25. November 1933 2 Uhr 45
Ankunft: 25. November 5 Uhr
IV Po. 8521
Außenminister Beck, den ich heute im Zusammenhang mit Wirtschafts-
verhandlungen sprach, benutzte die Gelegenheit, um seiner Befriedigung
über letzte Entwicklung deutsch-polnischer Beziehungen Ausdruck zu
geben. Die verschiedenen Äußerungen Reichskanzlers, insbesondere die
von früherem Ton abweichenden Bemerkungen über Polen, hätten hier
starken Eindruck gemacht. Er habe daher in engstem Einvernehmen mit
150
Nr. 89 27. NOVEMBER 1933
88
6177/E 463 507-08
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
[BERLIN, den] 27. November [1933]
IV Po. 8632
Ich habe dem polnischen] Gesandten ,) heute um 6 Uhr 30 eine Abschrift
der Erklärung 2 ) gegeben u[nd] die im Erlaß nach Warschau 3 ) niedergeleg-
ten Ausführungen gemacht. Außerdem habe ich ihn gebeten, keine Mittei-
lung darüber an die Presse zu geben. Moltke sei beauftragt, mit dem pol-
nischen] Außenministerium ein Komm[uniqu6] zu verfassen u[nd] zur Ge-
nehmigung hierher mitzuteilen.
v. N[EURATH]
• (1) Lipski.
(2) Dokument Nr. 81, Anlage.
(3) Dokument Nr. 84.
89
9078/E 637 466-68
Autzeichnung des Legationsrats Altenburg
BERLIN, den 27. November 1933
zu IV Chi. 2567 l) II
Herr Klein 2 ) ist der Leiter der STAMAG und steht dem Reichswehrmini-
sterium nahe. In den Kreisen der Industrie, wie z. B. Siemens, war er bisher
anscheinend unbekannt. Er ist durch den Ministerialrat de Grahl vom
151
Nr. 89 27. NOVEMBER 1933
Waffenamt im Auswärtigen Amt eingeführt worden und hat hier über eine
Geschäftsreise nach Südchina und über die dort von ihm mit der Regierung
der Provinz Kuangtung angeblich geschlossenen Verträge betreffend Auf-
bau einer Rüstungsindustrie in Canton berichtet. Er ist von hier aus unter
Vorbehalt der Prüfung der politischen Seite seiner Pläne zunächst an die
Deutsche Revisions- und Treuhand AG sowie an das Reichswirtschafts-
ministerium verwiesen worden, um mit diesen Stellen seine Pläne nach der
wirtschaftlichen Seite hin und im Hinblick auf die von ihm nachgesuchte
Reichsausfallbürgschaft für ein Objekt von ca. 7 Millionen RM zu bespre-
chen.
Soweit bekannt, ist der Antrag auf Reichsausfallbürgschaft zunächst auf
die technische Schwierigkeit gestoßen, daß Herr Klein lediglich eine Han-
delsfirma, nicht eine Industriefirma vertritt. Er ist insbesondere vom Reichs-
wirtschaftsministerium (Oberregierungsrat Köhler) dahin beraten worden,
wie er seinen Antrag etwa durch Bildung eines Konsortiums den bestehen-
den Bestimmungen anzupassen habe. Im Auswärtigen Amt hat sich Herr
Klein nicht wieder gemeldet. Nach der politischen Seite unterliegt der Auf-
bau einer Rüstungsindustrie in Südchina durch deutsche Firmen gewissen
Bedenken. Der deutsche Gesandte Herr Trautmann hat wiederholt seine
Ansicht dahin zum Ausdruck gebracht, daß Deutschland sich auf dem Gebiet
der Rüstungsindustrie und der Arsenallieferungen aus dem südchinesischen
Geschäft nach Möglichkeit heraushalten solle,3) und zwar vor allem wegen
des innerpolitischen Gegensatzes zwischen der chinesischen Zentralregie-
rung in Nanking und den nahezu unabhängig gewordenen Provinzialregie-
rungen in Südchina, vor allem in Canton. Wir sollten uns daher wie bisher
hinsichtlich wehrpolitischer Maßnahmen auf die Unterstützung der Nankin-
ger Zentralregierung (deutsche Militärberater, Arsenalprojekte u. ä.) be-
schränken und uns Nanking nicht durch auch wirtschaftlich zu optimistische
Extratouren in Südchina verprellen. Es ist hier allerdings bekannt, daß die
Pläne des Herrn Klein im Reichswehrministerium, namentlich im Waffen-
amt, bisher immer eine starke Förderung erfahren haben.
Im Zusammenhang mit dem Besuch des Herrn Klein in Canton befinden
sich jetzt zwei chinesische Generale aus Canton in Berlin, von ihnen ist der
eine der Direktor des Cantoner Arsenals. Beide wollen angeblich die Waf-
fenfabrikation in Europa im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung
eines großen Arsenals bei Canton studieren.4)
Es dürfte sich für eine etwaige Besprechung mit Herrn Keppler empfeh-
len, auf die bestehenden politischen Bedenken im Zusammenhang mit der
soeben auch amtlich bestätigten Meldung von der Unabhängigkeitserklä-
rung der südchinesischen Provinz Fukien hinzuweisen.
Hiermit über Herrn Ministerialdirektor Meyer Herrn Ministerialdirektor
Ritter ergebenst vorgelegt.
I.A.
A[LTENBURG]
152
Nr. 90 27. NOVEMBER 1933
90
6177/E 463 502-03
Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt
Telegramm
153
Nr. 91 30. NOVEMBER 1933
sehen Politikern kaum gehört habe, daß sich aus der 1000 Jahre alten
Deutschfeindlichkeit des polnischen Volkes große Schwierigkeiten bei der
Durchführung dieser Politik ergeben würden. Diese Politik dürfe infolge-
dessen nicht auf Gefühlsmomente, sondern nur auf Erwägungen der Ver-
nunft aufgebaut werden. Seiner Behauptung, daß die Verhältnisse in
Deutschland ähnlich lägen, widersprach ich und betonte unter Hinweis auf
Vorfälle der letzten Zeit die Notwendigkeit, eine planmäßige Wirkung 2 )
einzuleiten, wie das bereits von seiten Deutschlands z. B. auf dem Gebiet
der Presse in wirksamer Weise geschehen sei. Meine Darlegungen beant-
wortete Pilsudski, indem er seiner grenzenlosen Verachtung für die Presse
Ausdruck verlieh, mit der er nichts zu tun haben wolle, gab aber zu, daß es
nützlich sei, auf politische Organisationen einzuwirken.
Abschließend erwähnte ich den Wunsch Reichskanzlers, auch auf wirt-
schaftlichem Gebiet zu normalen Beziehungen zu gelangen. Pilsudski erwi-
derte, daß seinerzeit nur ein Minister im polnischen Ministerium dem Zoll-
krieg widersprochen habe, während heute sich wohl kaum ein Minister fin-
den würde, der die Fortführung dieses unseligen Krieges gutheiße. Aller-
dings sei Polen, das sich ohne jegliche Reserve durch die Wirtschaftskrise
durchgekämpft habe, darauf angewiesen, einen wirtschaftlich tragbaren
Ausgleich zu suchen.
MOLTKE
*(2) Möglicherweise wurde der Text an dieser Stelle bei der Übermittlung verstümmelt.
91
6064/E 448 656-60
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an das Auswärtige Amt
Vertraulich BERLIN, den 30. November 1933
Rk. 13 694 II II Balk. 2200 Js.
Auf Grund der mir durch Schreiben des Herrn Staatssekretärs von
Bülow1) übermittelten Aufzeichnung des Herrn Ministerialdirektors
Köpke 2 ) über den Besuch des Herrn von Hohen-Aesten 3 ) beim jugoslawi-
schen Gesandten in Berlin und der der Reichskanzlei zugegangenen Auf-
zeichnung des Legationssekretärs Dr. Budde vom 27. d. Mts.4) über die gleiche
Angelegenheit hat der Herr Reichskanzler die Verhaftung des Herrn von
Hohen-Aesten angeordnet. Herr von Hohen-Aesten ist dem Preußischen
Geheimen Staatspolizeiamt übergeben worden.
154
Nr. 91 30. NOVEMBER 1933
[Anlage 1]
Abschrift
BERLIN, am 24. November 1933
Es erschien Herr Sergius Wiegand von Hohen-Aesten beim Herrn Reichs-
kanzler.
Der Herr Reichskanzler hielt Herrn von Hohen-Aesten vor, er solle nach
einer Mitteilung des jugoslawischen Gesandten Balugdzic diesen aufge-
sucht und ihm folgendes erklärt haben:
Er sei ein Freund des nationalsozialistischen Abgeordneten Rosenberg
und wolle ihm nahelegen, doch den Versuch, das Verbot der beiden Emi-
grantenblätter Croatiapress und Nezavisna Hrvatska Drzava über das
Auswärtige Amt zu erreichen, aufzugeben. Er - von Hohen-Aesten - sei in
der Lage, die Sache über das Außenpolitische Amt in wenigen Tagen zu er-
ledigen, nur bäte er den Gesandten, ihm für vier namentlich bezeichnete
Herren im Außenpolitischen Amt jugoslawische Dekorationen in Aussicht
zu stellen. Er - Hohen-Aesten - habe zugleich bei ihm - dem jugoslawischen
Gesandten -, ebenso wie vor einiger Zeit bei dem tschechoslowakischen
Gesandten, den Abschluß eines Nichtangriffspaktes angeregt.
Herr von Hohen-Aesten erklärte:
Seit November 1925 war ich Vertrauensmann des ungarischen Gesandten
von Känya. Ich bekleidete diese Stellung bis zum Weggange des Herrn von
Känya aus Berlin 6 ) und bin auch heute noch der Vertrauensmann der unga-
rischen Gesandtschaft in Berlin.7) Infolge dieser Tätigkeit für Ungarn habe
ich seit Jahren persönliche Beziehungen zu verschiedenen Botschaften und
Gesandtschaften in Berlin, u. a. auch zu dem jugoslawischen Gesandten
Balugdzic und dem tschechoslowakischen Gesandten Mastny. Ich besuche
diese beiden Gesandten gelegentlich. Bei dem jugoslawischen und auch bei
dem tschechischen Gesandten war ich in letzter Zeit häufiger. Den jugosla-
wischen Gesandten habe ich in der vorigen Woche einmal aufgesucht, des-
gleichen heute. Mit dem jugoslawischen Gesandten habe ich, als ich
ihn in der vorigen Woche aufsuchte, über die beiden Emigrantenblätter
überhaupt nicht gesprochen, wohl aber mit dem Legationsrat der jugosla-
wischen Gesandtschaft Rasic. Es ist nicht wahr, daß ich dem jugosla-
wischen Gesandten nahegelegt habe, seine Versuche auf ein Verbot
der beiden Emigrantenblätter über das Auswärtige Amt aufzugeben.
Auch habe ich nicht gesagt, daß ich in der Lage sei, die Sache über das
(5) Randvermerk: ,H[err] v[on] Mackensen - Budapest - ist durch anliegenden Brief unter-
richtet. - LS Adolf von Bülow hat gleichfalls Kenntnis. Budde 14. 12."
Der in dem Randvermerk erwähnte Brief trug das Datum vom 7. Dezember (6064/E 448
661-63). Köpke forderte darin Mackensen zu einer Stellungnahme zu Aussagen auf, die
Hohen-Aesten im Laufe der Verhöre gemacht hatte.
(») Känya hatte Berlin im Februar 1933 verlassen.
• (') Randbemerkung: „?"
155
Nr. 91 30. NOVEMBER 1933
(Anlage 2]
Abschrift
BERLIN, den 30. N o v e m b e r 1933
NIEDERSCHRIFT
156
Nr. 92 30. NOVEMBER 1933
(10) Am 20. Februar 1934 übersandte Lammers dem Auswärtigen Amt die Abschrift einer
Weisung Hitlers (6064/E 448 685-87), Hohen-Aesten aus der Haft zu entlassen, unter der
Voraussetzung, daß er schriftlich versichere, sieh in Zukunft jeglicher Einmischung in
die Außenpolitik der Reichsregierung zu enthalten.
92
6065/E 448 808-10
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers
an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülows)
Rk. 13 282 BERLIN, d e n 30. N o v e m b e r 1933
II Balk. 2212 J s .
Sehr v e r e h r t e r Herr von Bülow!
Im Auftrag des H e r r n Reichskanzlers übersende ich I h n e n anbei Abschrift
eines von mir an d e n Leiter des Außenpolitischen A m t e s der NSDAP ge-
richteten Briefes, zu dem Ihre Schreiben vom 16. d. Mts. - Nr. II Balk. 1995
Js. - 2 ) und 18. d. Mts. 3 ) die Veranlassung gegeben h a b e n .
Die Anlagen Ihres erstbezeichneten Schreibens s e n d e ich wunschgemäß
anbei zurück.
Mit d e n b e s t e n Empfehlungen
Ihr sehr e r g e b e n e r
DR. LAMMERS
[Anlage]
Abschrift
Der Staatssekretär in d e r Reichskanzlei BERLIN, d e n 30. N o v e m b e r 1933
A n den Leiter des Außenpolitischen Amts der NSDAP
Herrn Alfred R o s e n b e r g
Sehr g e e h r t e r Herr Rosenberg!
Durch Herrn S t a a t s s e k r e t ä r von Bülow bin ich unterrichtet ü b e r den
Konflikt w e g e n der Behandlung des ehemaligen jugoslawischen Staatsange-
hörigen Dr. Jelic, der zwischen dem von Ihnen g e l e i t e t e n Außenpolitischen
Amt und dem A u s w ä r t i g e n Amt entstanden ist.
157
Nr. 93 30. NOVEMBER 1933
Im Auftrag des Herrn Reichskanzlers beehre ich mich, Ihnen hierzu folgen-
des mitzuteilen:
Die Politik der Reichsregierung, besonders soweit sie sich auf den Balkan
erstreckt, zielt darauf hin, mit den bestehenden Staaten normale und freund-
schaftliche Beziehungen zu unterhalten, soweit und solange dies unser
eigenes Interesse erfordert, und nichts zu unternehmen oder zu begünstigen,
was als ein aktiver Eingriff in die innere Politik dieser Staaten ausgelegt
werden könnte. Die Tätigkeit des kroatischen Emigranten Dr. Jelic richtet
sich gegen den Bestand des jugoslawischen Staates. Wir haben keinerlei
außenpolitisches Interesse, diese Tätigkeit in irgendeiner Weise zu dulden
oder gar zu fördern.
Der Herr Reichskanzler ist, wie Sie wissen, auch aus weltanschaulichen
Gründen gegen eine Überschätzung des politischen Einflusses von Emi-
granten eingestellt.
Ich darf Sie daher bitten, Ihren Einfluß auf die Ihnen unterstellten Mit-
arbeiter dahin geltend zu machen, daß den vom Auswärtigen Amt beantrag-
ten Maßnahmen gegen die publizistische Tätigkeit des Dr. Jelic kein Wider-
stand entgegengesetzt wird.4)
Mit deutschem Gruß und Hitler-Heil
Ihr sehr ergebener
gez. DR. LAMMERS
(4) Im Auftrage Köpkes unterrichtete Busse am 14. Dezember Heeren über die jüngste Ent-
wicklung des Falles Jelic und übermittelte auch eine Abschrift des Briefes Lammers' an
Rosenberg vom 30. November. Das Auswärtige Amt habe das preußische Innen-
ministerium Ende November erneut zu einem Verbot der kroatischen Blätter aufgefor-
dert, jedoch noch keine Antwort erhalten (6065/E 448 813-14). Am 25. Januar 1934
informierte jedoch die Gestapo das Auswärtige Amt, daß von diesem Tage an die
beiden Kroatenblätter bis auf weiteres verboten seien (6065/E 448 822). Das Auswärtige
Amt setzte die jugoslawische Gesandtschaft in einer Verbalnote vom 7. Februar 1934
von dieser Tatsache in Kenntnis (6065/E 448 826).
93
9119/E641 115-17
Reichswirtschattsminister Schmitt an Reichsbankpräsident Schacht')
Abschrift
Dev. I Nr. 55 471/33 BERLIN, den 30. November 1933
W. 8625
Sehr geehrter Herr Schacht!
In unserer heutigen fernmündlichen Unterhaltung in der Transferfrage, in
der ich eine Besprechung zwischen Ihnen und mir zur Vorbereitung der in
Aussicht genommenen Chefbesprechung 2 ) anregte, habe ich meiner Auf-
(i) Die Vorlage ist eine Durchschrift an Ritter zur Kenntnisnahme (9119/E641 118).
(2) Siehe Dokument Nr. 103.
158
Nr. 93 30. NOVEMBER 1933
159
Nr. 94 30. NOVEMBER 1933
auf der anderen Seite auch bei England schaffen. Mit diesen Ländern müßte
man also versuchen, zu Sonderabkommen zu gelangen, die eine Fortsetzung
des Schuldendienstes mit einer entsprechenden W a r e n a b n a h m e koppeln.
Das gänzliche oder teilweise Moratorium w ü r d e sich unter diesen Um-
ständen künftig in erster Linie gegen die Vereinigten Staaten richten. Die
Frage, ob dabei d e r allgemeine Transfersatz v o n 50 v. H. aufrecht erhalten
und d e r Scrips als technisches Instrument d e s Moratoriums beibehalten
w e r d e n soll, wird m a n s p ä t e r e n Besprechungen überlassen können.
Mit verbindlichen Grüßen
Ihr sehr ergebener
gez. DR. SCHMITT
94
7956/E 574 601-03
Die beiliegende Abschrift einer Niederschrift über die erste Sitzung der
Saar-Referenten vom 23. 11. 1933 übersende ich ergebenst zur gefl. Kenntnis.
Im Auftrag
SABATH
[Anlage]
NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE ERSTE SITZUNG DER SAAR-REFERENTEN
AM 23. NOVEMBER 1933 VORMITTAGS 11 UHR 30
160
Nr. 94 30. NOVEMBER 1933
Absicht des Reichskanzlers, in den letzten Jahren vor der Entscheidung alle
Kräfte zusammenzufassen, um den Enderfolg zu sichern. Dieser Zweck solle
nicht durch Einrichtung einer neuen Behörde erreicht werden. Die Beamten,
die bisher mit großem Erfolg und mit Hingabe an die Sache in ihren Mini-
sterien gearbeitet hätten, sollten in der gleichen Weise wie bisher ihre
Arbeiten fortführen; nur nebeneinanderherlaufende Arbeiten wären auszu-
schalten und Reibungen auszuschließen, um den Apparat leistungsfähiger zu
gestalten.
Praktisch würde die Arbeit in Zukunft so verlaufen, daß er zunächst ein-
mal über die laufenden Arbeiten unterrichtet würde. In jeder Woche sollten
sodann in Besprechungen mit den Hauptreferenten einzelne größere Pro-
bleme erörtert werden. In wichtigen und entscheidenden Fragen solle in
Zukunft seine Entscheidung eingeholt werden. Bei einer vertrauensvollen
Zusammenarbeit würden sich aus der doppelten Unterstellung der Beamten
keine Schwierigkeiten ergeben.
Eine der Hauptaufgaben würde die sein, die wirtschaftlichen Fragen zu
klären. Er behalte sich vor, jeweils kleinere Ausschüsse zur Behandlung von
Spezialfragen einzusetzen.
Den Vertretern Preußens und Bayerns sprach der Vizekanzler seinen be-
sonderen Dank für ihre Bereitwilligkeit zur Mitarbeit aus, indem er die
wichtigen Funktionen hervorhob, die den Ländern obliegen.
Auf die Aufforderung des Vizekanzlers äußerten sich die Referenten der
einzelnen Ministerien über ihr Arbeitsgebiet und die im Augenblick wich-
tigsten Fragen.
Vortragender Legationsrat Dr. Voigt, Auswärtiges Amt, Staatsrat Mini-
sterialdirektor Neumann, preußisches Staatsininisterium, und Gesandter
Sperr, Reichsvertretung Bayerns, begrüßten die Vereinheitlichung der Saar-
arbeiten in der Hand des Saarbevollmächtigten. Die Vertreter der Länder
wiesen auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der besonderen Inter-
essen dieser Länder im Saargebiet hin. Staatsrat Spaniol betonte in längeren
Ausführungen, in denen er sich über verschiedene Fragen der Saarpolitik
ausließ, ebenfalls die Notwendigkeit einer zusammenfassenden Aktion.
Weitere allgemeine Zustimmung fand die namentlich vom Vertreter des
Auswärtigen Amts vorgenommene starke Unterstreichung des außenpoli-
tischen Grundcharakters der gesamten Saarfrage sowie die von Staatsrat
Staatssekretär Dr. Landfried (preuß. Finanzministerium) geforderte mög-
lichst einheitliche Bewirtschaftung der für die Saar zur Verfügung stehenden
Gelder des Reichs und der Länder.
Die Vertreter der Ministerien sagten zu, in möglichst kurzer Zeit Angaben
über die in ihrem Haushalt für das Saargebiet ausgeworfenen Mittel schrift-
lich einzureichen.
Abschließend unterstrich der Vizekanzler den außenpolitischen Grund-
charakter der Saarfrage, dem sich die gesamte Arbeit, vor allem die Tätig-
keit in der Presse und in der Propaganda stets anzupassen und unterzu-
ordnen habe.
161
11,1 Bg. 11
Nr. 95 1. DEZEMBER 1933
95
2980/D 580 490-93
Der ungarische Gesandte Herr von Masirevich suchte mich heute auf.
Einleitend teilte er mit, daß er seine Reise nach Budapest verschoben habe.
Er sei daher nicht in der Lage, mir irgendwelche Neuigkeiten aus der
Heimat, nach denen ich ihn fragte, zu berichten. Er habe seine Reise wegen
einer Einladung verschieben müssen, die er von der Gemahlin des ehe-
maligen Kaisers 2 ) erhalten habe, und auch wegen eines für etwa den 8. De-
zember angekündigten Besuchs des Grafen Teleki.
Herr von Masirevich fragte sodann, was es eigentlich mit den angeblichen
deutsch-tschechischen Verhandlungen über einen Nichtangriffspakt für eine
Bewandtnis habe.3) Er habe hierüber nicht nur im hiesigen Diplomatischen
Korps andeutungsweise sprechen gehört,4) sondern auch Berichte seiner
ungarischen Kollegen durch sein Ministerium in Budapest übersandt er-
halten, worin den gleichen Gerüchten Ausdruck gegeben worden sei. Der
Gesandte deutete an, daß es sich hierbei um Berichte der ungarischen
Gesandtschaften bei den Staaten der Kleinen Entente handle. Sein Ministe-
rium habe ihm diese Berichte mit dem Hinzufügen übersandt, daß die
ungarische Regierung durch den Abschluß jedes politischen Vertrages mit
der Kleinen Entente oder einem ihrer Staaten peinlich berührt werden
würde. Gegebenenfalls müsse sich die ungarische Regierung eine Änderung
ihrer Außenpolitik überlegen. Herr von Masirevich erklärte, daß er darauf-
hin nach Hause berichtet habe, bei all diesem Gerede handle es sich ledig-
lich um die Versuche nichtamtlicher und nichtbevollmächtigter Personen.
Herr von Masirevich zeigte sich über das bekannte Treiben des Herrn von
Hohen-Aesten 5 ) in allen Einzelheiten orientiert, nannte sogar dessen
Namen und teilte mir die uns bereits bekannte Verhaftung des Genannten
als letzte Neuigkeit mit. Der Gesandte fügte hinzu, daß er nicht den amt-
lichen Auftrag habe, uns eine Eröffnung der obenerwähnten Art über die
ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegen einen deutsch-
tschechischen Nichtangriffspakt zu machen. Er bat aber, ihm zu bestätigen,
daß seine nach Budapest berichtete Auffassung über die Angelegenheit zu-
162
Nr. 95 1. DEZEMBER 1933
treffend sei. Nachdem ich dies dem Gesandten bestätigt hatte, bat Herr von
Masirevich zu erwägen, ob es sich nicht empfehle, den unterwegs nach
Budapest befindlichen neuen Gesandten von Mackensen zu beauftragen, der
ungarischen Regierung eine entsprechende Erklärung abzugeben. Ich habe
dies als meiner Ansicht nach überflüssig abgelehnt; die ungarische Regie-
rung sei durch die zutreffende Berichterstattung des Gesandten im Bilde. Ein
Anlaß zu irgendeiner feierlichen amtlichen deutschen Erklärung liege daher
nicht vor. Herr von Masirevich insistierte denn auch nicht weiter auf seinem
Wunsche.
Im Anschluß hieran fragte der Gesandte, ob es wahr sei, daß wir bei den
deutsch-polnischen Verhandlungen von den Polen gewisse Zugeständnisse
in der Ukraine einzuhandeln suchten gegen ein entsprechendes Desinter-
essement in Litauen. Ich habe diese Unterstellung kategorisch dementiert
und darauf hingewiesen, daß man zur Zeit von Besprechungen am gemein-
samen Verhandlungstisch, wie sie dem ungarischen Gesandten vorzu-
schweben schienen, überhaupt noch nicht reden könnte. Die deutsch-pol-
nische Verständigung sei aber nichtsdestotrotz anscheinend auf gutem
Wege.
Schließlich brachte Herr von Masirevich das Gespräch auf Österreich und
' fragte mich, ob die Gerüchte über eine Versteifung der deutsch-österreichi-
schen Beziehungen im Zusammenhang mit dem bedauerlichen Grenz-
zwischenfall6) zutreffend seien. Ich habe dem Gesandten erwidert, daß
selbstverständlich durch das schmerzliche Vorkommnis die Stimmung in
Deutschland gegenüber der österreichischen Regierung, die solche Dinge
zu verhindern offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, nicht besser
geworden wäre. Von einer Zuspitzung der Lage brauche man trotzdem nicht
zu sprechen. Wir hätten unsere diplomatischen Schritte vor allem auf die
schleunige und zufriedenstellende Regelung des Falles selbst konzentriert,
die wir nach Lage der Dinge auch zu erreichen hofften. Ich persönlich neigte
der Ansicht zu, daß durch diesen dramatischen Grenzzwischenfall den Macht-
habern in Wien wie auch der gesamten öffentlichen Meinung in Österreich
endlich die Augen darüber aufgegangen seien, wohin eine weitere Ver-
zögerung der Beilegung des Kampfes gegen den Nationalsozialismus führen
müßte. Es sei höchste Zeit, daß sich der Bundeskanzler Dollfuß endlich dar-
über klar werde, welche Ausdehnung und Macht die nationalsozialistische
Bewegung innerhalb Österreichs bereits errungen habe. Die österreichische
• (•) Am 23. November war der deutsche Soldat Schumacher während eines Ausbildungs-
kurses nahe der österreichischen Grenze von österreichischen Grenzwachen erschossen
worden. Am 26. November hatte Rieth, auf persönliche Weisung Hitlers, Dollfuß ge-
fragt, was die österreichische Regierung in der Sache zu tun gedenke (8669/E 606 770).
Am 29. November hatte Rieth deutsehe Forderungen nach einer offiziellen Entschuldi-
gung, Bestrafung der Schuldigen und Wiedergutmachungsleistungen an die Familie
Schumachers erhoben (8669/E 606 794-96). Am 2. Dezember entschuldigte sich die
österreichische Regierung und versicherte, sie habe alle Vorkehrungen getroffen,
„damit die an dem Vorfall beteiligten österreichischen Sicherheitsorgane vom kompe-
tenten österreichischen Gericht zur Verantwortung gezogen werden". Man erwäge auch
die Gewährung einer Unterstützung an die Familie Schumachers (8669/E 606 803-05).
Weitere Dokumente über die Angelegenheit sind gefilmt unter der Seriennummer 8669.
Siehe auch die Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 232, S. 432.
163
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933
nationalsozialistische Partei sei eben aus der Regierung nicht mehr fern zu
halten, geschweige denn durch Gewaltmaßnahmen auszuschalten. Ich wies
den Gesandten hierbei nachdrücklich darauf hin, daß diese Entwicklung der
Dinge eine rein innerpolitische österreichische Angelegenheit sei und es
ohne Rücksicht auf das Grenzdrama bei Reit auch bleiben müsse. Der Ge-
sandte pflichtete meinen Ausführungen und Schlußfolgerungen in allem
lebhaft bei und erzählte mir auffallenderweise ganz spontan, daß gerade der
italienische Botschafter Cerruti ihm heute morgen das gleiche gesagt und
sich dahin geäußert habe, er erhoffe von der Ermordung des deutschen
Reichswehrsoldaten eine beruhigende Wirkung hüben wie drüben. Ich habe
mich selbstverständlich darauf beschränkt, von dieser Stellungnahme des
italienischen Botschafters lediglich Kenntnis zu nehmen.7)
KÖPKE
(7) Am 23. Dezember sprach Masirevich erneut im Auswärtigen Amt vor und bat um
Auskünfte zu Pressemeldungen, nach denen die deutsche Regierung mit den Nachbar-
staaten über Nichtangriffspakte Verhandlungen führe. Renthe-Fink gab Masirevich zur
Antwort, daß, obwohl der Reichskanzler in seiner Erklärung vom 14. Oktober und auch
später seine Bereitschaft zum Abschluß kontinentaler Nichtangriffspakte zu erkennen
gegeben habe, bisher kein deutsches Angebot an die Tschechoslowakei und Italien er-
gangen sei (8911/D 621 820-22). über ein deutsches Angebot eines Nichtangriffspakts
an die Tschechoslowakei konnte in den Akten nichts Weiteres ermittelt werden. Siehe
hierzu Namier, Europe in Decay, S. 281, wo folgende Erklärung Benes' in einem Brief
vom 20. April 1944 wiedergegeben ist: „In the autumn of 1933 Hitler sounded me in
Prague as to whether Czechoslovakia would conclude with him a pact of the type
which he subsequently offered to Poland."
96
(l) Randvermerk Voigts: „Der Bericht ist dem H[err]n RM mit Privatbrief des H[err]n
v. Bergen zugesandt worden. Der Herr RM hat Übersendung an den H[err]n Vize-
kanzler angeordnet."
164
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933
[Anlage]
Abschrift
BERICHT DES BISCHOFS VON TRIER ÜBER SEINE VERHANDLUNGEN
BETR. SAARGEBIET
165
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933
(4) Testa war im Jahre 1923, während der französischen Besetzung des Ruhrgebiets, als
päpstlicher Legat in das Ruhrgebiet entsandt worden.
(5) Während des Abstimmungskampfes in Oberschlesien im Jahre 1920/21.
(') Im Juli 1920 hatten in den ostpreußischen Kreisen Allenstein und Marienwerder Volks-
abstimmungen über die nationale Zugehörigkeit dieser Gebiete stattgefunden.
(?) Dokumente über diese Angelegenheit sind gefilmt unter M 155/M 005 231-38 und
M 157/M 005 309-32.
166
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933
167
Nr. 96 30. NOVEMBER 1933
Bekenntnisses als solchem, gehalten worden seien, dann werde auch die
Tatsache, daß die deutschen Zeitungen aus Furcht vor Maßregelungen den
wahren Text nicht gebracht hätten, den Papst nicht davon abhalten können,
in entsprechender Weise der katholischen Weltöffentlichkeit gegenüber
die Würde der Kirche und seines hohen Amtes zu wahren. Leider war der
Bischof von Trier, wenn er sich nicht in Widerspruch mit der Wahrheit
setzen wollte, bezüglich der Trierer Rede Görings nicht in der Lage, die
Informationen des Vatikans durch ausländische Quellen als unzutreffend zu
erweisen. Ihm selbst war leider bekannt, welch ungünstigen Eindruck die
genannte Rede in Trier bereits auf die katholischen Saarländer gemacht
hatte.
Um in der Frage der saarländischen Reise des vatikanischen Vertrauens-
mannes sich die Möglichkeit zu sichern, alle Argumente deutscherseits in
einwandfreier Form den vatikanischen Stellen vor der Abreise Testas noch
einmal vor Augen zu führen, schlug Bischof Bornewasser gegen Schluß der
einstündigen Besprechung vor, dem Kardinalstaatssekretär zur Vorlage an
den Papst noch eine schriftliche Fixierung zukommen lassen zu dürfen. Der
Kardinal war gerne damit einverstanden. Diese Niederschrift soll unverzüg-
lich hergestellt und so rechtzeitig übergeben werden, daß sie für die Ertei-
lung der letzten Instruktionen an Testa noch wirksam werden kann. Außer-
dem übergab Bischof Bornewasser dem Kardinal schon sofort eine Reihe von
Akten, die sich auf die Saarfragen bezogen. So vor allem die Unterlagen
Klee-Bildstock,11) Briefwechsel über Religionsunterricht in französischen
Schulen im Saargebiet, Briefwechsel mit Minister Zoricic in Saarbrücken
betr. Gottesdienst am 1. Mai, Treuekundgebung sämtlicher Dechanten des
Saargebiets im Namen des gesamten Klerus etc.
Es darf noch erwähnt werden, daß der Bischof eine gelegentliche noch-
malige Erwähnung des Gedankens einer Apostolischen Administratur be-
nützte, um in freimütiger Weise zu erkennen zu geben, daß die Durchfüh-
rung einer solchen Maßnahme für ihn die Unmöglichkeit bedeutet haben
würde, sein Amt als Bischof von Trier weiterzuführen. Eine Auffassung, in
der der Bischof Sebastian von Speyer mit ihm einig geht.
Beim Herausgehen traf Bischof Bornewasser zufällig mit Prälat Testa
zusammen, der augenscheinlich zum Kardinalstaatssekretär gehen wollte.
Er nahm die Gelegenheit wahr, um ihn an seine früheren Inspektionsreisen
zu erinnern und an die sachliche und unparteiische Art, mit der er seine
damalige ungleich schwierigere Mission durchgeführt habe. Prälat Testa
bat den Bischof, ihm noch vor seiner Abreise nach Deutschland seine Auf-
wartung machen zu dürfen. Diese erfolgte am 19. November. Der münd-
lichen Besprechung mit Herrn Prälat Testa folgte die Vorlage der schrift-
lich fixierten Gedankengänge vom 19. November. Prälat Testa wird den
Bischof von Trier, sobald er ins Saarland kommt, besuchen.
Bischof Bornewasser mußte dann zur festgesetzten Stunde zur Privat-
audienz beim Heiligen Vater. Unterdessen hatte Prälat Kaas Gelegenheit,
mit Monsignore Testa, den er bereits 1923 bei seiner Mission kennengelernt
hatte, eingehender über das Projekt der nunmehrigen Reise zu sprechen.12)
(11) Siehe Anm. 7.
(12) Eine Aufzeichnung Kaas' über diese Unterredung ist gefilmt unter M 165/M 005 374-75.
168
N r . 97 2. DEZEMBER 1933
97
6693/H 098 944-45
Das Auswärtige Amt an die Botschatt in Tokiol)
BERLIN, den 2. Dezember 1933
e. o. IV Chi. 2616
Im vergangenen Sommer hat sich der Kaufmann Ferdinand Heye 2 )
mehrere Monate in der Mandschurei und in Japan aufgehalten, um teils im
eigenen Interesse, teils im Auftrage des Großindustriellen Staatsrats Thyssen
den mandschurischen Markt zu studieren und mit mandschurischen und japa-
nischen Stellen über die Möglichkeiten eines verstärkten deutsch-mand-
schurischen Warenaustausches zu verhandeln. Nach seiner Rückkehr nach
Deutschland hat Herr Heye hier im November d. J. eine deutsch-mand-
schurische Export- und Import GmbH gegründet, die es sich zur Aufgabe
machen will, den Wert der Einfuhr mandschurischer Sojabohnen durch die
Ausfuhr deutscher Industrieerzeugnisse nach der Mandschurei zu kompen-
sieren. Herr Heye beabsichtigt, jetzt in Begleitung seiner Gattin auf dem
Seewege wieder nach Mandschukuo auszureisen und dort eine Zweigstelle
der hiesigen GmbH zu errichten, die den von ihm beabsichtigten Waren-
austausch in die Wege leiten soll.
Herr Heye begibt sich in ausschließlich privater Eigenschaft nach Mand-
schukuo. Seine Tätigkeit ist rein privatwirtschaftlicher Natur. Ich bitte ihn,
falls er auf der dortigen Dienststelle vorsprechen und die amtliche Beratung
in Anspruch nehmen sollte, in jeder Weise mit Rat und Tat zu unterstützen,
wie dies jedem deutschen Interessenten gegenüber zu erfolgen hat. Falls
besondere Nachrichten oder Mitteilungen erwünscht sind, bitte ich, sich un-
mittelbar mit den Konsulaten in Harbin und Mukden in Verbindung zu
setzen.
I.A.
M[EYER] 30. 11.
169
Nr. 99 5. DEZEMBER 1933
98
8115/E 580 124
Der Botschaiter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 95 vom 3. 12. ROM (VAT.), den 3. Dezember 1933 11 Uhr 45
Ankunft: 3. Dezember 13 Uhr 35
[II Vat. 552] s)
Andeutungen Kardinalstaatssekretärs bei unserer letzten Unterhaltung
lassen erkennen, daß er Ausbleiben jeglicher seit dem 1. v.M. erwarteten
Nachrichten seitens Ministerialdirektors Buttmann als Mangel an Courtoisie
empfindet und dahin deutet, daß entgegen meinen wiederholten Versicherun-
gen Regierung nicht mehr geneigt ist, die Ende Oktober unterbrochenen Ver-
handlungen 2 ) wiederaufzunehmen und auf vielfache Beschwerden Wünsche
Kurie Rücksicht zu nehmen. Die in meinen verschiedenen Meldungen ge-
kennzeichnete schwere Spannung wird hierdurch bedenklich erhöht.
Gestatte mir daher erneut zu bitten, Herrn Buttmann zu irgendeiner Mit-
teilung an Kardinalstaatssekretär zu veranlassen,3) und zwar wenigstens zu
einer freundlich gehaltenen Erklärung bisherigen Schweigens sowie Bereit-
willigkeit, Verhandlungen bald tunlichst selbst fortzuführen.
Darf bemerken, daß Ministerialdirektor Buttmann dem Kardinalstaats-
sekretär als Verhandlungspartner sehr genehm ist.4)
BERGEN 6)
(i) Die Journalnummer befindet sich auf einer anderen Ausfertigung des vorliegenden
Dokuments (8115/E 580 123).
(2) Siehe Dokument Nr. 17, Anm. 3.
(3) Bergen hatte bereits in Telegramm Nr. 299 vom 23. November (8115/E 580 116) berichtet,
Pacelli habe angefragt, wann Buttmann die Verhandlungen wieder aufzunehmen beab-
sichtige.
(4) Randvermerk: „RK vorgelesen, v. N[eurath] 5. [12.]" Randvermerk auf einer anderen
Ausfertigung der Vorlage (3241/D 702 304): „Warum zögert Herr Buttmann? H[inden-
burg] 5. 12."
(•)' Neurath teilte Bergen in Telegramm Nr. 46 vom 6. Dezember (8115/E 580 126) mit:
„Buttmann eintrifft in Rom zweite Hälfte nächster Woche zwecks Rücksprache mit
Kardinalstaatssekretär."
Bergen antwortete in Telegramm Nr. 99 vom 6. Dezember (8115/E 580 127): „Kardinal-
staatssekretär läßt midi wissen, daß bis Ende nächster Woche völlig in Anspruch
genommen, aber vom 18. d M. ab gern zur Verfügung stehe."
Siehe Dokument Nr. 133.
99
3154/D 670 358-59
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 5. Dezember 1933
RM. 1664
Der Herr Reichskanzler empfing heute morgen in meinem Beisein den
englischen Botschafter, der ihm im Auftrag seiner Regierung mitteilte, daß
170
Nr. 100 5. DEZEMBER 1933
die englische Regierung die ihm seinerzeit vom Herrn Reichskanzler mitge-
teilten deutschen Wünsche bezüglich der Verstärkung unserer Verteidi-
gungskraft •) mit Interesse studiert habe. Es wäre aber noch erwünscht, über
einige Fragen Auskunft zu erhalten, erstens, ob die Reichswehr beibehalten
werden solle und wie lange das 300 000-Mann-Heer dienen solle. Der Reichs-
kanzler antwortete darauf, man denke bei uns an eine einjährige Dienstzeit,
natürlich mit entsprechend langdienenden Chargen. Der Botschafter frug
sodann über unsere Wünsche bezüglich Luftrüstung. Hierauf erklärte der
Kanzler, wir dächten etwa an 25 %> der Luftstreitkräfte von Frankreich,
Polen und Tschechoslowakei. Auf die weitere Frage des Botschafters, ob wir
England als hochgerüsteten Staat ansähen, der nach unserem Vorschlag
nicht weiterrüsten sollte, erklärte der Kanzler, daß dies nicht der Fall sei.
Zum Schluß erkundigte sich Sir Phipps noch über unsere Marinepläne,
worauf der Kanzler ihm sagte, bis zum Jahre 1935 beabsichtigten wir ledig-
lich, das uns im VersaiUer Vertrag zugestandene Bauprogramm auszufüh-
ren; was später geschehe, hänge von den bevorstehenden Abmachungen
der anderen Mächte ab.2) Falls diese z. B. die Unterseeboote ganz abschaff-
ten, würden wir auch keine Unterseeboote bauen wollen.
Sir Phipps erkundigte sich sodann noch darüber, ob wir mit den Franzosen
bereits in ein direktes Gespräch gekommen seien, was der Kanzler ver-
neinte, unter Darlegung der durch die schwachen französischen Kabinette
bestehenden Schwierigkeit. Er fügte indessen hinzu, daß es jedenfalls
wesentlich dazu beitragen würde, die in Frankreich zu einer direkten Aus-
sprache mit Deutschland neigenden Kräfte zu stärken, wenn man eng-
lischer- und auch italienischerseits erkennen lassen wollte, daß man dem
von ihm skizzierten Plan der Gestaltung unserer Verteidigungsrüstung
nicht ablehnend gegenüberstehe. Der Kanzler nahm dabei Bezug auf die
Rede von Baldwin.3)
Die Unterhaltung dauerte etwa Dreiviertelstunden. 4 )
v. N[EURATH]
(1) Siehe Dokument Nr. 23.
(2) Siehe auch Dokument Nr. 45.
(3) Rede Baldwins im britischen Unterhaus am 27. November. Siehe ParJiamentary Debafes,
House of Commons, 5. Serie, Bd. 283, Spalten 650-51.
(4) Berichte Phipps' über diese Unterredung sind abgedruckt in Documents on British
Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 97 und 99.
100
7467/H 179 459-61
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
Ganz geheim BERLIN, den 5. Dezember 1933
Im Laufe seines heutigen Besuches kam der französische Botschafter *) auf
seine letzte Unterredung mit dem Herrn Reichskanzler 2 ) und die Frage der
*(i) Francois-Poncet.
(2) Siehe Dokument Nr. 86.
171
Nr. 100 5. DEZEMBER 1933
172
Nr. 101 5. DEZEMBER 1933
Schließlich fragte mich der Botschafter, ob man nicht mit den Ideen etwas
anfangen könne, die früher Rechberg vertreten habe.6) Der Herr Reichskanz-
ler habe ihm bei der letzten Unterredung gesagt, Frankreich habe ja eine
Armee von 600 000 Mann und Deutschland verlange nur eine von 300 000
Mann. Der Gedanke einer Festlegung der Relation zwischen deutscher und
französischer Armee in dem Sinne, daß Frankreich immer einen gewissen
Vorsprung behalte, würde ein wesentliches Element der Sicherheit und der
Beruhigung der französischen öffentlichen Meinung bedeuten. Er betonte
in diesem Zusammenhange, daß er bereits dem Herrn Reichskanzler gesagt
habe, 300 000 Mann seien mehr als die jährlichen Rekrutenjahrgänge in
Frankreich, insbesondere während der jetzt beginnenden schwachen Kriegs-
jahrgänge. Ich habe zu dieser Anregung des Botschafters keine Stellung
genommen.7)
BÜLOW
101
7894/E 572 245/1
Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 5. Dezember 1933
II S. G. 3180
Der französische Botschafter berührte im Laufe unserer Unterredung J )
auch die Saarfrage. Er setzte mir sehr eingehend auseinander, daß die fran-
zösische Regierung wahrscheinlich zu schwach sei, um es sich leisten zu
können, über die Anregung des Herrn Reichskanzlers über Verzicht auf
Abstimmung und vorzeitige Rückgabe des Saargebietes verhandeln zu
können.2) Ich wandte ein, daß von vorzeitiger Rückgabe bei uns nicht die
173
Nr. 102 5. DEZEMBER 1933
Rede sei, sondern lediglich von Vermeidung der Abstimmung und der da-
durch notwendig werdenden Wahlpropaganda. Die Regierungskommission
im Saargebiet sei der Ansicht, die Wahlkampagne habe deutscherseits be-
reits begonnen. Das sei ein Irrtum, sie werde noch ganz anders einsetzen.
Unvermeidlich müsse der Wahlkampf die deutsch-französischen Beziehun-
gen beeinträchtigen, und dies habe der Herr Reichskanzler vermeiden
wollen. Der Botschafter blieb dabei, daß nur eine sehr starke Regierung in
Frankreich sich auf derartige Verhandlungen einlassen könne. Es sei un-
gleich bequemer und jedenfalls sicherer, es beim VersaiUer Vertrag be-
wenden zu lassen, wie auch der Ausgang sei. In einem solchen Falle könne
in Frankreich niemand der Regierung Vorwürfe über ihre Haltung machen.
Ich zog die letztere Behauptung in Zweifel und gab dem Botschafter zu ver-
stehen, daß das Ergebnis der Abstimmung naturgemäß für Frankreich eine
Blamage sein müsse.
gez. BÜLOW
[Fortsetzung von Anm. 1]
diese Anregung Hitlers nicht erwähnt, wohl aber in dem Bericht Francois-Poncets über
die Unterredung, abgedruckt in Documents Diplomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V,
Nr. 52. Es heißt dort:
„A propos de la Sarre, Hitler pense que le plebiscite de 1935 donnera 95 °/o des voix
en faveur du retour ä l'AIlemagne. 11 prefererait pourtant que ce plebiscite n'eüt pas
lieu, car, dit-il, on n'empeehera pas que son resultat ne soit interprete en Allemagne
comme une victoire, en France comme une defaite et que les relations des deux pays
n'en soient de nouveau empoisonnees. II souhaiterait au contraire qu'un arrangement
ä l'amiable, intervenant avant le plebiscite, füt en quelque sorte le signe cordial de
l'apaisement des relations franco-allemandes. J'ai Signale au Chancelier les difficultes
d'ordre politique et juridique que souleverait l'eventualite dune renonciation au
plebiscite. Hitler ne s'y arrete pas. Si la France et lAUemagne se mettaient d'accord
sur ce point, dit-il, le monde entier en serait enthante.
Hitler accepterait pour la Sarre la Prolongation d u n regime economique analogue ä
celui qui existe aujourdhui. II accepterait egalement que le bassin minier füt exploite
par des societes franc-aises et allemandes ou par des societes mixtes. II va donc ä ce
sujet plus loin que ses predecesseurs, car c'est lä-dessus quavaient naguere echoue
les conversations engagees."
Siehe auch Francois-Poncet, Souvenirs dune ambassade ä Berlin, S. 168-69. Siehe auch
Dokument Nr. 116 sowie die Ausführungen Hitlers zum Saarproblem am 30. Januar
1934, abgedruckt in Domarus, Hitler Reden, Bd. I, S. 352-62; Auszüge in englischer
Übersetzung in Baynes, The Speeches oi Adoll Hitler, Bd. II, S. 1169-70.
102
8825/E 614 266-69
Konsul Koester (Danzig) an Ministerialdirektor Meyer
DANZIG, den 5. Dezember 1933
Sehr verehrter Herr Ministerialdirektor!
Durch Herrn Senatspräsidenten Rauschning wie auch durch Herrn Gau-
leiter Staatsrat Forster habe ich vertraulich Kenntnis erhalten von einem
Konflikt zwischen diesen beiden Persönlichkeiten, der für die hiesige
Staatsführung verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen könnte. Schon seit
174
Nr. 102 5. DEZEMBER 1933
längerer Zeit war es zwischen dem Senat und der hiesigen Gauleitung zu
Meinungsverschiedenheiten in manchen Fragen gekommen, die jedoch
durch Einlenken von der einen oder anderen Seite haben bereinigt werden
können; es ist jedoch bisher nicht gelungen, eine grundsätzliche Klärung der
Schwierigkeiten herbeizuführen, die sich naturgemäß dadurch ergeben, daß
der Senatspräsident in seiner Eigenschaft als Regierungshaupt die volle
Verantwortung zu tragen hat und andererseits als Parteimitglied durch die
Parteidisziplin an die Anordnungen des Gauleiters als des Vertreters des
Führers gebunden ist. Diese Schwierigkeit ist nunmehr akut geworden bei
dem jetzt unmittelbar vor der gesetzlichen Regelung stehenden Aufbau der
Hauptwirtschaftskammer, zu der der Gauleiter eine schriftliche Anordnung
gegeben hat, mit der sich der Senatspräsident nicht einverstanden erklären
zu können glaubt. Es kommt hinzu, daß auch in anderen, personellen Fragen
der Senatspräsident die zur Durchsetzung der Autorität erforderliche Be-
wegungsfreiheit nicht mehr findet. Er sieht sich deshalb vor den schweren
Entschluß gestellt, sein Amt als Senatspuäsident niederzulegen, ehe sich
etwa dazu von außen her eine Zwangslage ergibt. Der Gauleiter Forster
ist seinerseits, wie er mir ausführte, nicht gewillt, seinen gradlinigen Weg,
der ihn bei dem Aufbau der Partei zum Erfolg geführt hätte, aufzugeben.
Mir scheint tatsächlich eine Lage gegeben zu sein, die sich nicht mehr
durch Kompromisse, zu denen übrigens keiner der beiden Herren bereit ist,
ändern läßt. Ohne Zweifel besteht außenpolitisch grundsätzlich ein aus-
schlaggebendes Interesse daran, daß die Stellung des Senatspräsidenten
autoritär gefestigt dasteht. Dies auch in der Hauptsache deswegen, weil von
polnischer Seite die Stellung des jetzigen Senatspräsidenten insbesondere
in bezug auf mögliche Einmischungen seitens des Gauleiters stark beobach-
tet und bereits häufig in dieser Hinsicht verdächtigt worden ist. Auch im
Hinblick auf die Ratstagung in Genf im Januar n. Js., bei der der Danziger
Pressekonflikt zur Sprache kommen wird, erscheint es dringend geboten,
daß Herr Senatspräsident Rauschning die von ihm ergriffenen Schritte per-
sönlich vor diesem Forum rechtfertigt. Weiterhin schweben bekanntlich die
Danzig-polnischen Wirtschaftsverhandlungen, die durch die letzte polnische
Verordnung über eine Sperre der Danziger Lebensmitteleinfuhr nach Polen
eine starke Verschärfung erfahren haben.1)
Unter Hinweis auf diese Gesichtspunkte habe ich Herrn Senatspräsiden-
ten Rauschning dringend vor Augen gehalten, seine Stellung, so schwer es
ihm auch fallen möge, jetzt nicht aufzugeben. Er hat jedoch erklärt, er könne
eben aus staatspolitischen Notwendigkeiten heraus seine Aufgabe als
Senatspräsident nur dann durchführen, wenn er von ihn bindenden gau-
parteilichen Anordnungen befreit würde; es würde dies also darauf hinaus-
laufen, daß ihm, solange er Senatspräsident ist, die Gauleitung zeitweilig
(i) Während eines Besuchs in Warschau am 11. und 12. Dezember konferierte Rauschning
mit Pilsudski, Beck und anderen polnischen Regierungsvertretern über Wirtschafts-
fragen und allgemeine politische Fragen sowie die Möglichkeit einer Zusammenkunft
zwischen Hitler und Pilsudski. In einer Aufzeichnung ohne Unterschrift vom 14. Dezem-
ber (6601/E 495 072-77) findet sich eine Zusammenfassung der von Rauschning dem
Auswärtigen Amt berichteten Ergebnisse des Besuchs. Siehe auch Rauschning, Die
Revolution des Nihilismus, S. 407-08.
175
Nr. 103 6. DEZEMBER 1933
übertragen würde. Gegen diesen Gedanken hat sich Herr Gauleiter Forster
bisher strikt ablehnend verhalten.
Der einzige, unter diesen Umständen sich bietende Ausweg wäre der, daß
Herr Gauleiter Forster selber die Geschäfte als Senatspräsident übernimmt;
jedoch kann ich aus den angeführten Gründen nicht umhin, den augenblick-
lichen Zeitpunkt für einen derartigen Wechsel für höchst ungeeignet und
nachteilig zu halten. Treiben allerdings die Dinge so weiter, wie sie jetzt
sind, so ist mit schweren Reibungen in dem Funktionieren der Staats-
maschine zu rechnen, da es nicht hat verhindert werden können, daß die
Divergenzen zwischen Senatspräsident und Gauleiter bereits in hiesigen
Kreisen bekannt geworden sind und zu Spaltungen innerhalb der Behörden
des Senats und der Partei zu führen drohen.
Ich muß mich darauf beschränken, ernstlich die Aufmerksamkeit des Aus-
wärtigen Amts auf diese augenblickliche Lage zu lenken.
Mit gehorsamsten Empfehlungen bin ich
Ihr sehr ergebener
KOESTER
103
7188/E 528 294-97
Autzeichnung des Ministerialrats Willuhn (Reichskanzlei)
Rk. 14025
NIEDERSCHRIFT ÜBER DIE CHEFBESPRECHUNG AM 6. DEZEMBER 1933
NACHM. 5 UHR IN DER REICHSKANZLEI
176
Nr. 103 6. DEZEMBER 1933
177
11,1 Bg. 12
Nr. 104 6. DEZEMBER 1933
104
5737/H 028 804-07
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Citissime ROM, (QUIR.), den 7. Dezember 1933 0 Uhr 10
Nr. 272 vom 6. 12. Ankunft: 7. Dezember 2 Uhr 25
II It. 1476
Unterredung mit Mussolini.
1) Nach Bestellung von Grüßen habe ich zunächst kurz Eindrücke in
Deutschland geschildert, worauf er erklärte, daß er von Rocco und Alfieri
im gleichen positiven Sinne unterrichtet worden sei.
2) Ich ausrichtete hierauf persönlichen Auftrag Kanzlers, daß er ihn über
alle Phasen deutsch-französischer Besprechungen auf laufendem halten
werde, gemäß Grundgedanken, daß weder deutsch-französische noch
italienisch-französische Verständigung ohne Unterrichtung des andern oder
gar zu seinem Nachteil erfolgen solle. Gleichzeitig gab ich Mussolini Über-
sicht über Unterhaltung Kanzlers und Außenministers mit dem französischen
Botschafter.1) Mussolini aussprach für Erklärung und Unterrichtung Dank
und volles Einverständnis. Er bemerkte zunächst, er habe zuverlässige
Nachricht, daß Petit Journal Falschmeldungen von Wickham Steed über
Prag nach Paris gelangt seien. Im übrigen meinte er, daß nach eigenen Er-
fahrungen er Aussichten Verständigung mit Frankreich skeptisch beurteilen
müsse. Beweis sei, daß neuerlich Unterhaltungen in Flottenfrage mit fran-
zösischer gänzlich unannehmbarer Zumutung geendet hätten, Italien solle
sich verpflichten, nicht mehr als eine Dunkerque zu bauen.
3) Abrüstungsfrage: Fortschritte seien in diplomatischen Besprechungen
inzwischen nicht erzielt worden, auch nicht mit Sir Eric Drummond, der
noch stark in Völkerbundsideologie befangen. Engländer fingen im übrigen
realpolitischer zu denken an. Er denke sich weiteren Fortgang so, daß nach
Rückkehr Suvichs und Abrüstungssachverständigen aus Berlin 2 ) er deut-
178
Nr. 104 6. DEZEMBER 1933
179
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933
105
3154/D 671 462-67
Auizeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow •)
BERLIN, den 7. Dezember 1933
Der französische Botschafter sagte sich heute sehr dringlich bei mir an
unter dem Vorwand, er habe heute Kurierschluß. Tatsächlich kam er, um
mitzuteilen, daß er Weisungen aus Paris erhalten habe, die ihn instand
setzten, die Aussprache mit dem Herrn Reichskanzler fortzusetzen,2) und daß
er hiermit bitte, ihm eine neue Zusammenkunft mit dem Herrn Reichskanz-
ler zu vermitteln.
Der Sinn seiner Weisungen sei, den hergestellten Kontakt nicht abreißen
zu lassen, obwohl die französische Regierung im Augenblick wenig zu
sagen habe. Er werde darlegen müssen, daß seine Regierung durch den
Kampf um das Budget voll in Anspruch genommen sei und erst nach Erledi-
180
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933
gung dieser brennenden Frage sich in der Lage sehen werde, der deutsch-
französischen Aussprache ihre volle Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die Weisungen, die er erhalten habe, sprächen das Bedauern der fran-
zösischen Regierung aus, daß von Abrüstung nicht mehr die Rede sein
solle, sondern nur von Rüstungsbegrenzungen. Die französische Regierung
fürchte, daß auch eine verhältnismäßig geringe Aufrüstung Deutschlands zu
einem internationalen Rüstungswettlauf mit allen seinen Gefahren führen
werde. Die französische Regierung sei im übrigen noch nicht bereit, einer
deutschen Aufrüstung zuzustimmen, diese Frage müsse offen bleiben, bis
ein klareres Bild von den deutschen Absichten gewonnen worden sei.
Was die Saar anlange, so werde er darauf hinzuweisen haben, daß die
französische Öffentlichkeit und die französische Kammer jedem Verzicht
auf die Abstimmung 3 ) als Aufgabe eines Rechts, das der Saarbevölkerung
vertraglich seit 15 Jahren zugesichert sei, gänzlich ablehnend gegenüber-
stehe. Die französische Regierung, das wolle er mir ganz offen sagen, sei
nicht stark genug, um dieser Auffassung entgegentreten zu können. Das
schließt aber nicht aus, daß zu einem späteren Zeitpunkt eine Aussprache
über Wirtschaftsfragen, über ein Zoll-Ubergangs-Regime und über die Ent-
schädigung für den Grubenbesitz eingeleitet würde.
Er sei ermächtigt oder angewiesen (das ging aus seinen Ausführungen
nicht klar hervor), um eine genauere Präzisierung der deutschen Absichten
auf dem Rüstungsgebiet zu bitten. Seine Fragen würden sich in erster
Linie beziehen auf Zahl und Art der Waffen, die Deutschland verlange.
Ferner auf die SA, ihre künftige Gestaltung und ihr Verhältnis zur Armee
bzw. Veranschlagung ihres militärischen Wertes. Sodann werde er fragen,
ob es in den Absichten des Herrn Reichskanzlers liege, ein festes Verhältnis
der Stärke der deutschen Rüstungen zu denen der benachbarten Länder zu
konstituieren. Er habe errechnet, daß 300 000 Mann ein Viertel der Wehr-
macht von Frankreich, Polen und der Tschechoslowakei (und Belgien?) aus-
mache. Er bezog sich im übrigen auf die Unterredung, die ich vorgestern
mit ihm hatte.4) Schließlich werde er fragen, ob der Herr Reichskanzler die
Möglichkeit sehe, einen allgemeinen Nichtangriffspakt abzuschließen oder
die mit Polen getroffene Vereinbarung über die Nichtanwendung von
Gewalt 5 ) zu verallgemeinern. Er frage sich allerdings, ob diese Möglich-
keiten irgendwie die deutsch-französische Situation verändern würden, da
ja der Locarno-Vertrag, zu dem sich der Herr Reichskanzler ausdrücklich
bekannt habe, ungefähr alles enthielte, was auf diesem Gebiet vereinbart
werden könne.
Ich sagte dem Botschafter, ich wunderte mich sehr, daß seine Regierung
ihr Bedauern aussprechen wolle, daß der Abrüstungsgedanke fallen ge-
lassen werde. Eine allgemeine Abrüstung sei schließlich nicht möglich, wenn
das stärkst gerüstete Land der Welt nicht mit dem guten Beispiel voran-
gehe. Niemals und zu keiner Zeit hätte die französische Regierung uns oder
anderen bekanntgegeben, daß sie zu einem irgendwie beachtlichen Ab-
rüstungsschritt bereit sei, und für uns hätte der Verlauf der Genfer Verhand-
181
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933
lungen klar erwiesen, daß ein Abrüstungswille nicht bestehe. Auf dieser
Tatsache fuße der Vorschlag des Herrn Reichskanzlers, es in diesem ersten
Stadium bei einer Begrenzung der Rüstungen bewenden zu lassen.
Der Botschafter widersprach lebhaft, daß Frankreich nicht zur Abrüstung
bereit sei. Er sei allerdings immer schon überzeugt gewesen, daß wir den
englisch-amerikanisch-französischen Vorschlag dieses Herbstes nicht richtig
verstanden hätten. Der Vorschlag laufe doch letzten Endes darauf hinaus,
daß der Herstellung der sogenannten Angriffswaffen sofort ein Ende ge-
macht werde, daß nach vier Jahren ein Drittel, nach 6 Jahren ein weiteres
Drittel und nach acht Jahren das letzte Drittel aller Angriffswaffen abge-
schafft werde.6) Nach diesem Vorschlag würde Deutschland im Laufe der
Jahre die Verteidigungswaffen erhalten und zum Schluß der acht Jahre
dieser Konvention völlig gleich bewaffnet und gleichberechtigt dastehen.
Ich sagte dem Botschafter, trotz meiner genauen Kenntnis der Genfer
Vorgänge sei mir dieser Vorschlag wenigstens in dieser Form völlig neu.
Ich könnte ihm versichern, daß Herr Paul-Boncour weder Herrn von Neu-
rath noch Herrn Nadolny jemals ein Wort von einer etappenweisen Ab-
schaffung aller Angriffswaffen gesagt hätte. Auch die Engländer hätten uns
hiervon nie etwas gesagt. Der Vorschlag, den man uns gemacht habe, sei
ein wesentlich anderer. Zunächst sollten wir zum zweitenmal abrüsten,
indem wir die Reichswehr in eine Miliz umwandelten. Dieser Miliz sollte
aber die Charakteristika einer Miliz, nämlich die Reserven, genommen sein,
denn man habe uns nur die VersaiUer Bewaffnung für den unter den Fah-
nen befindlichen Jahrgang angeboten. In der zweiten vierjährigen Periode
wollten sich nach dem uns bekannten Vorschlag die anderen Mächte die
Abrüstung überlegen. Diese sei aber abhängig gewesen von dem Funktio-
nieren einer internationalen Kontrolle. Jedem Staate hätte es freigestanden,
nach vier Jahren eine Abrüstung erneut abzulehnen mit der Begründung,
daß die Kontrolle seinen Ansprüchen in irgendeinem Punkte nicht genüge.
Das Ausschlaggebende bei der ganzen Konstruktion sei aber das Miß-
trauen gegen Deutschland gewesen. Man habe unverblümt erklärt, daß das-
selbe Deutschland, dem man noch im Mai den MacDonald-Plan angeboten
habe, im Oktober so wenig vertrauenswürdig sei, daß es einer vierjährigen
Probezeit unterworfen werden müsse. Niemand habe uns sagen können,
welche Umstände einen solchen Umschwung der Auffassung rechtfertigen.
Der Botschafter erwiderte sehr lebhaft, die Antwort hierauf könne er mir
ohne weiteres geben. Sämtliche Regierungen der Welt seien in der Zeit
zwischen Mai und Oktober überschüttet worden mit Nachrichten über ein
rasches Fortschreiten der deutschen Aufrüstung. Von überall her kämen
Meldungen, daß bei uns in großen Mengen Munition, Geschütze, Giftgase,
Tanks und Flugzeuge hergestellt würden. Er führte dies des Näheren aus,
und es gab eine scharfe Auseinandersetzung zwischen uns, zumal ich ihm
vorhielt, daß keine Regierung gewagt hätte, uns diese angeblichen Mel-
dungen zur Bestätigung vorzulegen, mit Ausnahme der englischen Regie-
rung,7) der gegenüber wir einmal eine absurde Behauptung der Luftauf-
rüstung richtiggestellt hätten. Wenn fremde Regierungen kommunistischen
182
Nr. 105 7. DEZEMBER 1933
Agitatoren und deutschen Emigranten ihr Ohr leihen, statt sich an die Tat-
sachen zu halten bzw. mit der deutschen Regierung über die Gründe ihrer
Beunruhigung offen zu sprechen, so liege darin bereits ein unüberwindbares
Hindernis für jede Verständigung. Der Botschafter meinte, eine Einladung
an die Militärattaches, unsere durch Agentenberichte kompromittierten
Fabriken zu besichtigen, würde wesentlich zur Beruhigung beitragen. Ich
lehnte diesen Gedanken sehr entschieden ab.
Im übrigen sagte ich dem Botschafter, ich glaubte nicht, daß er den Herrn
Reichskanzler dahin richtig verstanden habe, daß diesem eine feste Relation
der deutschen Rüstungen mit denen der Nachbarstaaten im Verhältnis eins
zu vier vorschwebe. Allerdings könne ich ihm hierüber nichts Authentisches
sagen. Von militärischer Seite sei mir bekannt, daß man im allgemeinen
auf jeden Kilometer Grenze so und so viel Mann zur Verteidigung veran-
schlage. Die Ziffer, die sich hieraus für Deutschland ergebe, liege etwas
über 300 000. Was seine Idee, zusätzliche Sicherheiten zu schaffen, anlange,
so sei ich etwas skeptisch. Es werde sehr schwer sein, eine Vereinbarung zu
entwerfen, die noch über die sehr weitgehenden Bestimmungen des
Locarnovertrages hinausgingen. Er müsse sich auch vollkommen von dem
früher erörterten Gedanken freimachen, daß Frankreich zusätzliche Sicher-
heiten als Gegenleistung für seine Abrüstung erhalten solle. Im gegen-
wärtigen Stadium der Verhandlungen werde von Frankreich keine Ab-
rüstung verlangt, und damit bereits entfiele jede Berechtigung einer Forde-
rung zusätzlicher Sicherheiten. Damit sei aber nicht gesagt, daß deutscher-
seits friedenssichernde Vereinbarungen irgendwelcher Art grundsätzlich
abgelehnt würden. Im Gegenteil. Die Verquickung des Problems der Sicher-
heit mit dem der Abrüstung könne aber nach unserem Ausscheiden aus der
Genfer Konferenz nicht mehr in dem dort behandelten Sinne fortgeführt
werden.
Zum Schluß kam der Botschafter nochmals (wie vorgestern) auf seine Be-
sorgnisse wegen der Presseindiskretionen über die laufenden diplomati-
schen Besprechungen. Er schlug seinerseits ein Kommunique über seinen
nächsten Empfang beim Herrn Reichskanzler vor, das folgendermaßen
lautet:
„Le Chancelier Hitler a recu, le decembre, lÄmbassadeur de France. La
conversation, faisant suite ä l'entretien du 24 novembre, a eu, comme
celui-ci, un but dinformation mutuelle sur les principales questions ä
l'ordre du jour."
Deutsch: „Der Herr Reichskanzler Hitler empfing am Dezember den fran-
zösischen Botschafter. Die Unterredung setzte die Besprechung vom
24. November fort und hatte ebenso wie die letztere zum Ziel die gegen-
seitige Unterrichtung über die wichtigsten zur Erörterung stehenden Fra-
gen."
Ich sagte dem Botschafter, ich würde seine Anregung weitergeben und
könne ihm im übrigen versichern, daß seitens unserer Presse, die ich ge-
warnt und über den Charakter diplomatischer Aussprachen eingehend auf-
geklärt habe, Indiskretionen nicht vorkommen würden. Es sei an ihm, dafür
zu sorgen, daß nicht wieder in Paris falsche Gerüchte oder verfrühte Ver-
öffentlichungen vorkämen. Der Botschafter klagte darauf über die schlechte
183
Nr. 106 6. DEZEMBER 1933
*(8) Siehe auch Documents Diplomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 94.
106
6114/E 454 114-15
Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht
an Gesandtschattsrat Hülter
Auszug i)
MÜNCHEN, den 6. Dezember 1933
e. o. II Oe. 2093
Sehr geehrter Herr Doktor! . . .
Betr.: Österreich.
Räuschl berichtet über fortschreitende Zersetzung im Lager des Starhem-
bergschen Heimatschutzes. Die Vertreter der vier Gruppen Starhemberg,
Steidle, Fey und Alberti sprechen umschichtig bei ihm vor, jeder versucht,
den anderen auszustechen und als unmöglich hinzustellen, keiner jedoch ist
in der Lage, zu einem entscheidenden Schritt zu kommen. Insgesamt ge-
sehen ein Bild vollkommener Kopflosigkeit und Verwirrung! Einig sind alle
nur in der Wut auf Dollfuß, der sie immer mehr kaltstellt. Dollfuß selbst
hofft noch immer auf Möglichkeit direkten Abkommens mit Berlin und hat
zu diesem Zweck bereits zweimal Mittelsleute zum Führer geschickt. Dieser
hat mir davon wieder berichtet. Volle Übereinstimmung in allen Fragen
festgestellt!
In der Haltung Italiens scheint sich jetzt tatsächlich eine Wandlung zu
vollziehen! Räuschl berichtet über eine Unterredung Morreales, der äußerst
deprimiert gewesen sei und andeutungsweise habe verlauten lassen, daß er
seinem eigenen Wunsch entsprechend in absehbarer Zeit von Wien abge-
zogen würde. Er ist wütend auf Starhemberg und den Heimatschutz, weil
diese sich immer zurückdrängen ließen.
*(l) Hüffer fertigte den vorliegenden Auszug am 7. Dezember an und fügte ihm folgenden
Vermerk (6114/E454 116) bei:
„Anbei wird Auszug eines Briefes von Herrn Habicht vom 6. d. M., betreffend] Öster-
reich, über den Herrn Staatssekretär dem Herrn Reichsminister mit der Bitte um Kennt-
nisnahme gehorsamst vorgelegt. Räuschl ist der Deckname für den österr[eichisdien]
nat[ional]soz[ialistischen] Bundesrat Schattenfroh in Wien. Hüffer."
184
Nr. 107 9. DEZEMBER 1933
Ein zweiter Bericht spricht von einer Unterredung zwischen Biro (s. o.)2)
und Morreale, wobei Morreale sich im obigen Sinne noch viel weitgehender
geäußert habe. Interessant in diesem Zusammenhang, daß ein als schärfster
sachlicher und persönlicher Gegner Morreales bekannter italienischer Jour-
nalist in Wien, der von mir schon seit einem Jahr gegen ihn ausgespielt
wurde und der uns gesinnungsmäßig sehr nahesteht, jetzt plötzlich stark in
den Vordergrund tritt und nun auch ganz offiziell überall da eingeladen
wird (auch von der Regierung!), wo bisher Morreale allein herrschte und
vertrat. - Angeblich geschieht das sogar auf Wunsch des Duce.
Der Besuch Gömbös' bei Dollfuß 3) (dreitägiger Jagdausflug in die Steier-
mark) ist sachlich ergebnislos verlaufen, persönlich zu einer Blamage von
Dollfuß geworden. Gömbös fand überall, wo er ging und stand, ausgestreute
oder angemalte Hakenkreuze, sogar in seinem Bett auf der Jagdhütte fand
er eine schöne Holzschnitzerei dieser Art! Er soll großes Vergnügen daran
gehabt und die Schnitzerei sogar mitgenommen haben.
Ein anderer Bericht erzählt, daß in dem von ihm und Dollfuß begangenen
Jagdrevier von Jägern 8 Tage vorher sogar einige Gemsen und Hirsche
lebend eingefangen worden seien, in deren schönen Winterpelz man Haken-
kreuze eingeschoren und sie danach wieder habe laufen lassen. Ob auch
ein[es] dieser Stücke unter der Jagdbeute war, darüber wurde noch nichts
gemeldet.
Ohne mehr für heute! Mit herzlichsten Grüßen
Ihr
gez. HABICHT
(2) Der H i n w e i s bezieht sieh offenkundig auf eine in v o r l i e g e n d e m Auszug nicht ent-
haltene Passage.
(3) G ö m b ö s u n d d e r ungarische Landwirtschaftsminister Källay w a r e n v o m 28. b i s zum
30. N o v e m b e r Gäste der österreichischen Regierung g e w e s e n . Einzelheiten über diesen
Besuch finden sich im Bericht A 2156 der Gesandtschaft in W i e n v o m 8. Dezember 1933
(8659/E 606 273-76).
107
3154/D 671 581
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Dezember 1933
RM. 1687
Der Reichskanzler empfing gestern den englischen Botschafter,1) der ihm
auf Grund einer aus London empfangenen Instruktion eine Reihe von
Fragen unterbreitete. Von diesen Fragen hat der Reichskanzler zunächst nur
die eine beantwortet, nämlich die, worin die Forderung von 300 000 Mann
als übermäßig hoch und die Forderung an Flugzeugen etc. als ungeheuer-
lich (formidable) bezeichnet wurde. Der Kanzler wies darauf hin, daß der
(1) Berichte Phipps' über diese Unterredung sind abgedruckt in Documenfs on British
Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 114 und 120.
185
Nr. 108 8. DEZEMBER 1933
108
3154/D 671 468
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
Sofort BERLIN, den 8. Dezember 1933
Herrn Reichsminister.
Der französische Botschafter rief soeben - 5 Vi Uhr - an. Er hat erfahren,
daß der englische Botschafter J) heute früh auf ganz kurzfristige Anmeldung
hin vom Herrn Reichskanzler empfangen wurde und ein sehr eingehendes
und (wie Francois-Poncet sagte) sehr nützliches Gespräch mit ihm gehabt
habe.2) Er sei, obgleich er sich bereits gestern angemeldet habe, auf näch-
sten Donnerstag 3) vertröstet worden.4) Er habe seiner Regierung gemeldet,
der Herr Reichskanzler könne ihn jetzt nicht empfangen, da (wie ich ihm
gesagt habe) er über das Wochenende Berlin verlasse und dann den Besuch
von Suvich6) erwarte. Seine Regierung werde aber erfahren, daß der Eng-
länder anders und besser behandelt werde, und zum mindesten werde das
das Ansehen des Botschafters in seiner Heimat schädigen. Der Botschafter
war nicht ägriert, aber offensichtlich besorgt und sprach im Scherz davon,
daß er deklassiert und wie eine Nation zweiter Klasse behandelt werde.
Ich habe ihm versprochen, da ich über den Besuch des englischen Botschaf-
ters nicht unterrichtet sei, Sie sofort zu verständigen und ihm noch bis 7 Uhr
irgendeinen Bescheid zu geben.6)
BÜLOW
• (l) Phipps.
(*) Siehe Dokument Nr. 107.
*(') 14. Dezember.
(4) Siehe Dokument Nr. 116.
(5) Siehe Dokument Nr. 126.
(8) Randvermerk: „Dem RK mitgeteilt, v. N[eurath] 8. 12." Für das weitere siehe Doku-
ment Nr. 112.
186
Nr. 110 8. DEZEMBER 1933
109
8825/E614 271
Aufzeichnung des Präsidenten des Senats
der Freien Stadt Danzig Rauschningx)
BERLIN, den 8. Dezember 1933
In der Besprechung mit dem Stellvertreter des Führers, Herrn Reichs-
minister Heß, ist verabredet worden:
1.) Entgegen der kollegialen Verfassung des Senats untersteht die Ge-
samtpolitik des Senats entsprechend dem Führerprinzip dem Senatspräsi-
denten;
2.) der Gauleiter und Faktoren der Partei haben unmittelbares Eingreifen
in Akte der Verwaltung und in einzelne Zweige der Verwaltung zu unter-
lassen;
3.) für die gesamte Innen- und Außenpolitik ist der Senatspräsident dem
Vertreter der Bewegung, Gauleiter Forster, verantwortlich. Bei Meinungs-
verschiedenheiten entscheidet der stellvertretende Führer;
4.) über Maßnahmen, die von Parteiorganisationen veranlaßt werden und
die Befugnisse der Regierung innen- wie außenpolitisch berühren, ist je-
weils das Einvernehmen mit dem Präsidenten des Senats vorher herbeizu-
führen.
RAUSCHNING
(l) In den Akten befindet sich bei der Vorlage folgende Notiz Meyers (8825/E 614 270): „In
der heutigen Besprechung mit dem Stellvertreter des Führers ist die anliegende Ver-
einbarung getroffen worden. Es erscheint demnach nicht mehr nötig, die Angelegenheit
im Kabinett zur Sprache zu bringen; immerhin wäre es empfehlenswert, wenn Herrn
Heß gegenüber die Genugtuung über die Vereinbarung erwähnt werden könnte und
dabei die Hoffnung zum Ausdruck gebracht werden würde, daß keinerlei Reibungen
mehr in Danzig auftreten werden."
110
7725/E 551 037-38
Runderlaß des Auswärtigen AmtsJ)
BERLIN, den 8. Dezember 1933
II Ni. 1071 Ang. II
Die niederländische Regierung ist im Laufe des Sommers d. J. dazu über-
gegangen, gegen die in Holland entstandenen Ortsgruppen der National-
sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Maßnahmen zu ergreifen, die mehr
und mehr darauf hinauslaufen, jede nationale Betätigung von Reichsdeut-
schen im Rahmen der NSDAP in den Niederlanden zu unterbinden. Auf die
I1) Der Runderlaß wurde sämtlichen Botschaften und Gesandtschaften, mit Ausnahme der
Botschaft beim Heiligen Stuhl und der Gesandtschaft in Den Haag, sowie den Konsu-
laten in Batavia, Kalkutta, Jerusalem, Memel, Montreal, Pretoria und Sydney über-
mittelt.
187
Nr. 111 8. DEZEMBER 1933
111
3154/D 671 578-80
Der britische Botschafter in Berlin Phipps an den Reichsminister des
Auswärtigen Freiherrn von Neurath
Private BERLIN, December 8th, 1933
My dear Baron von Neurath,
In accordance with the Chancellor's request, I send you, herewith, a
short resume of my verbal communication to him this morning.1)
I shall be grateful if you will regard this as merely a repetition of my
remarks and not as a written communication. I will of course treat the
Chancellor's reply in a similar manner.
Yours very sincerely
ERIC PHIPPS
[Anlage]
2
The Chancellor's proposals ) have two aspects, the first concerned with
the limitation of armaments and the second with the wider field of political
(1) Siehe Dokument Nr. 107.
(2) Siehe Dokument Nr. 23.
188
Nr. 111 8. DEZEMBER 1933
*(3) Eine paraphrasierte Fassung dieser Aufzeichnung in der Form eines Aide-memoire
wurde am 9. Dezember vom britischen Botschafter in Washington, Lindsay, im State
Department überreicht. Siehe Foreign Relations oi the United States, 1933, Bd. I,
S. 328-30.
189
Nr. 113 9. DEZEMBER 1933
112
3154/D 671 471-72
Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Dezember 1933
RM. 1688
Ich habe heute den französischen Botschafter zu mir bitten lassen, um ihn
darüber aufzuklären, wie es gekommen ist, daß der englische Botschafter
gestern vom Kanzler empfangen wurde, während der von ihm erbetene
Empfang erst am Donnerstag nächster Woche •) stattfinden soll.2) Der
Grund hierfür war, daß Sir Eric Phipps im Auftrage seiner Regierung eine
sofortige Audienz beim Kanzler erbeten hatte, um, wie er angab, eine
höchst wichtige Erklärung noch gestern mitzuteilen.
Herr Poncet las mir sodann eine Aufzeichnung über diejenigen Punkte
vor, die er nach der letzten Unterredung mit dem Reichskanzler 3 ) als dessen
Ansicht niedergeschrieben hatte. Sie enthält u. a. auch eine Bemerkung
über den eventuellen Wiederbeitritt Deutschlands zum Völkerbund, die
dahin lautet, Deutschland werde dem Völkerbund erst wieder beitreten,
wenn dieser gründlich reformiert sei. Ich habe Herrn Poncet erklärt, diese
Redaktion sei falsch, denn es bestehe bei uns zunächst noch keinerlei Ab-
sicht, dem Völkerbund wieder beizutreten.
Einen weiteren Versuch Herrn Poncets, unsere Zustimmung dazu zu be-
kommen, daß die von uns verlangte Bewaffnung in Etappen zugestanden
würde, habe ich entschieden abgelehnt und erklärt, in welchem Tempo wir
unsere Bewaffnung ausführen könnten und wollten, sei unsere Sache. Wir
verlangten zunächst völlige Gleichberechtigung im Rahmen der von uns
zugestandenen Limitierungen auf Verteidigungswaffen.
Ich nehme an, daß der französische Botschafter seine Zusammenstellung
bei der nächsten Unterredung dem Kanzler vorlegen wird.
v. N[EURATH]
• (l) 14. Dezember.
(2) Siehe hierzu die Dokumente Nr. 107 und 108.
*(») Siehe Dokument Nr. 86.
113
3154/D 671 469
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Dezember 1933
RM. 1690
Zu dem Telegramm des Botschafters Köster aus Paris vom 8. Dezember x)
bemerke ich folgendes:
(1) Köster hatte in seinem Telegramm Nr. 979 vom 8. Dezember (8685/E 607 467) mitgeteilt,
daß das französische Außenministerium deutschen Journalisten Auskunft über die
jüngste Unterredung zwischen Hitler und Francois-Poncet gegeben habe, und zwar in
einer Form, die geeignet sei, den Inhalt der Unterredung in mehreren wichtigen
Punkten zu entstellen.
190
Nr. 114 9. DEZEMBER 1933
1) Die Angabe, daß der Kanzler und ich bei der letzten Unterredung 2 )
die Rückkehr Deutschlands zum Völkerbund im Falle einer Umformung in
Aussicht gestellt hätten, ist nicht zutreffend. Der Reichskanzler hat aller-
dings im Laufe der Unterredung gesagt, daß der jetzige Zustand im Völker-
bund, in welchem die kleinen und kleinsten Staaten ausschlaggebend seien,
während Großmächte, wie Rußland, Amerika, China, fehlten, unmöglich sei
und daß der eventuelle Wiederbeitritt Deutschland zu einer solchen Insti-
tution überhaupt erst in Erwägung gezogen werden könnte, wenn eine
völlige Umänderung der Methoden und der Zusammensetzung erfolgt sei.
2) Von einer unruhigen Stimmung in der Schweiz 3) ist meines Erinnerns
überhaupt nicht gesprochen worden.
3) Richtig ist, daß der Kanzler gesagt hat, gegen ein französisch-eng-
lisches Defensiv-Abkommen würde er keinerlei Einwendungen zu erheben
haben.
4) Die ukrainische Frage ist in der Unterredung überhaupt nicht erwähnt
worden, ebenso ist es unrichtig, daß der Wunsch des Kanzlers für freie
Hand im Osten zum Ausdruck gebracht worden sei.
v. N[EURATH]
(2) Randbemerkung: „Anmerkung: es handelt sich um eine Unterredung mit dem franzö-
sischen Botsch[after] am 7. XII. 1933." Dies ist offenkundig ein Irrtum. Es gibt in den
Akten keinen Anhaltspunkt für eine Unterredung zwischen Hitler, Neurath und
Francois-Poncet, die sich an die in Dokument Nr. 86 wiedergegebene Unterredung
anschließt und der in Dokument Nr. 116 wiedergegebenen vorangeht.
(8) Nach Kösters Bericht (siehe Anm. 1) hatte Hitler angeblich „Bereitschaft ausgesprochen,
mit der Schweiz Nichtangriffspakt wie mit Polen abzuschließen".
114
7960/E 574 754-56
Der Adjutant des Stellvertreters des Reichskanzlers von Tschirschky
und Bögendorft an das Auswärtige AmtJ)
BERLIN, den 9. Dezember 1933
Ankunft: 9. Dezember
II S.G. 3257
In der Anlage übersende ich im Auftrage des Herrn Vizekanzlers zur
Kenntnisnahme des Herrn Reichsministers des Auswärtigen eine kurze
Aktennotiz über die Unterredung des Herrn Vizekanzlers mit dem Herrn
Prälaten Testa.2)
Mit vorzüglicher Hochachtung
Heil Hitler!
VON TSCHIRSCHKY
191
Nr. 114 9. DEZEMBER 1933
[Anlage]
8. Dezember 1933
*(S) Bornewasser.
(4) Papen hatte durch Heirat eine Besitzung bei Saarlautern erworben
*(5) Buttmann.
192
Nr. 116 11. DEZEMBER 1933
115
3086/D 617 041
Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 11. Dezember 1933
e. o. RM. 1700
Der Herr Reichskanzler hat heute erneut darauf hingewiesen, daß im
Verhältnis zu Österreich zunächst die Parteiangelegenheit in Ordnung ge-
bracht werden müsse, ehe irgendwelche Verhandlungen von Regierung zu
Regierung über die Wiederherstellung normaler Beziehungen geführt wer-
den könnten. Ich bitte, diesen Standpunkt bei allen Gesprächen zum Aus-
druck zu bringen.
v. N[EURATH]
116
3154/D 671 473
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 11. Dezember 1933
RM. 1701
Bei dem heutigen Empfang des französischen Botschafters beim Herrn
Reichskanzler hat der Botschafter in der Saarfrage bestätigt, daß die fran-
zösische Regierung nicht geneigt sei, auf die Abstimmung zu verzichten
und in eine vorzeitige Rückkehr des Saargebiets zu Deutschland einzu-
willigen.1) Der Reichskanzler hat dem Botschafter nochmals die Gründe für
seine Anregung einer gütlichen Bereinigung der Saarfrage dargelegt. Als
193
II,1 Bg. 13
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933
der französische Botschafter sodann meinte, man könne aber doch sofort
über die wirtschaftlichen Fragen verhandeln, lehnte der Kanzler dies ab mit
dem Bemerken, daß es dann ruhig bei der Stellungnahme der französischen
Regierung verbleiben könne.
Als der französische Botschafter dann mit Detailfragen in der Abrüstungs-
frage fortfuhr, ist ihm erwidert worden, daß zunächst eine klare Stellung-
nahme seiner Regierung darüber erwartet würde, ob die französische Regie-
rung zur Verständigung mit der deutschen bereit sei. Er wurde außerdem
gebeten, seine Fragen bezüglich der Einzelheiten der Abrüstung und der
Neugestaltung der Armeen und Materialien schriftlich zu präzisieren.2)
v. N[EURATH]
117
3154/D 671 569-76
Reichskanzler Hitler an den britischen Botschafter in Berlin Phipps
Abschrift
BERLIN, den 11. Dezember 1933
Euere Exzellenz I
Namens der deutschen Reichsregierung beehre ich mich, die mir durch
Euere Exzellenz übermittelten Anfragen der britischen Regierung •) im
folgenden zu beantworten:
I. Die deutsche Reichsregierung ist bereit, Vereinbarungen zu treffen,
die die Ablehnung der Gewalt für die Lösung aller europäischen Fragen
aussprechen und damit der Erhaltung des Weltfriedens dienlich sein kön-
nen. Sie möchte aber angesichts der in der Vergangenheit gemachten Er-
fahrungen vorschlagen, eine Form zu wählen, die es den Regierungen er-
möglicht und erleichtert, sowohl vor ihrem eigenen Gewissen als auch vor
ihren Völkern am ehesten solchen Vorschlägen zuzustimmen. Aus dieser
Erwägung heraus glaubt die deutsche Reichsregierung, daß die allgemeinen
Vereinbarungen über Rüstungsbeschränkung durch ein System gegensei-
tiger und allgemeiner Nichtangriffspakte gekrönt werden sollten, die grund-
sätzlich jeden Appell an die Gewalt zwischen den europäischen Nationen
vertraglich verhindern würden, um damit den Regierungen zwangsläufig
die Pflicht aufzuerlegen, schwierige oder kritische Probleme entweder auf
dem Wege des friedlichen diplomatischen Verkehrs zu lösen oder im Falle
194
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933
195
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933
ger einer Illusion nachhängen zu können, die geeignet ist, die Beziehungen
der Völker untereinander eher noch mehr zu verwirren als zu verbessern.
Sie glaubt daher unter Berücksichtigung der konkreten Wirklichkeit fol-
gendes feststellen zu müssen:
a) Deutschland hat als einziger Staat die im Friedensvertrag von Ver-
sailles festgelegte Abrüstungsverpflichtung tatsächlich durchgeführt.
b) Die hochgerüsteten Staaten gedenken nicht abzurüsten oder fühlen
sich hierzu nicht in der Lage.
c) Deutschland hat ein Recht, auf irgendeine Weise seine Gleichberechti-
gung auch in bezug auf seine Sicherheit zu erlangen.
Um einen vollkommenen Zusammenbruch der Abrüstungsidee zu ver-
hindern und einem darnach zwangsläufig einsetzenden uferlosen Wett-
rüsten aller gegen alle vorzubeugen, glaubte daher die deutsche Reichs-
regierung, einen Vorschlag unterbreiten zu sollen:
1.) Deutschland erhält die volle Gleichberechtigung.
2.) Die hochgerüsteten Staaten verpflichten sich untereinander, eine
weitere Erhöhung ihres derzeitigen Rüstungsstandes nicht mehr vorzu-
nehmen.
3.) Deutschland tritt dieser Konvention bei mit der Verpflichtung, aus
freiem Willen von der ihm gegebenen Gleichberechtigung nur einen so
maßvollen tatsächlichen Gebrauch zu machen, daß darin keine offensive
Gefährdung irgendeiner anderen europäischen Macht zu sehen ist.
4.) Alle Staaten anerkennen gewisse Verpflichtungen einer humanen
Kriegführung bzw. einer Vermeidung gewisser Kriegswaffen in ihrer An-
wendung gegen die zivile Bevölkerung.
5.) Alle Staaten übernehmen eine gleichmäßige allgemeine Kontrolle,
die die Einhaltung dieser Verpflichtungen prüfen und gewährleisten soll.
6.) Die europäischen Nationen garantieren sich die unbedingte Aufrecht-
erhaltung des Friedens durch den Abschluß von Nichtangriffspakten, die
nach Ablauf von 10 Jahren erneuert werden sollen.
III. Unter diesen Voraussetzungen ist aber die geforderte Erhöhung der
im MacDonald-Plan angenommenen 200 000 Mann auf 300 000 nicht nur nicht
bedeutend, sondern bringt im Gegenteil für Deutschland eher eine Ver-
schlechterung. Nach dem ersten Konventionsentwurf der britischen Regie-
rung sollte Frankreich auf dem Kontinent genau so wie Deutschland 200 000
Mann zugebilligt erhalten. Da Frankreich ersichtlich nicht gewillt ist, diese
Abrüstung durchzuführen, würde sich das Verhältnis der heutigen deut-
schen Forderungen gegenüber den Effektivbeständen Frankreichs und der
anderen europäischen Armeen sogar verschlechtern. Einer gesamt-französi-
schen Stärke von 651 000 Mann, die durch die mit Frankreich befreundeten
Staaten auf rund 1,2 Millionen erhöht würde, stehen 300 000 Mann in
Deutschland gegenüber.
Dabei sind die 9,6 Millionen Mann ausgebildeter Reserven in diesen
Staaten, denen Deutschland so gut wie überhaupt nidits entgegenzusetzen
hat, eine weitere Sicherheit von schwer zu übertreffendem Ausmaß.
Demgemäß sind auch die Forderungen der waffenmäßigen Gleichstellung
Deutschlands mehr als maßvoll besonders deshalb, weil die deutsche Regie-
rung von sich aus gewillt ist, auf Angriffswaffen, die gegenüber dem gigan-
196
Nr. 117 11. DEZEMBER 1933
197
Nr. 118 11. DEZEMBER 1933
118
9325/E 661 224-26
Der Botschaiter in Moskau Nadolny an Ministerialdirektor Meyer
Streng persönlich MOSKAU, den 11. Dezember 1933
Lieber Herr Meyer!
Der Erlaß IV Po. 8594/33 vom 5. Dezember •) weist mich an, das Thema
der deutsch-polnischen Beziehungen hier nicht zu vertiefen, insbesondere
den überreichten Erklärungsentwurf 2 ) nicht zu erwähnen. Sollte ich auf
das Thema angesprochen werden, so sei etwa zu sagen, daß es sich bei den
Besprechungen um eine Auswirkung der von dem Herrn Reichskanzler all-
gemein proklamierten Friedenspolitik handele, die wir gegenüber allen
Staaten zu verfolgen wünschten. Konkrete Formen hätten die Besprechun-
gen noch nicht angenommen etc.
Ich halte diese Zurückhaltung für nicht ganz unbedenklich. Das deutsch-
polnische Verhältnis, das von größter Bedeutung für die hiesige Politik ist,
interessiert hier aufs höchste. Es ist daher ein guter Trumpf in unserem
hiesigen Spiel. Halten wir uns entgegen den Verpflichtungen aus dem
Berliner Vertrag zurück, so wird dieses Schweigen bei dem hier herrschen-
den Mißtrauen gegen Deutschland wahrscheinlich falsch ausgelegt werden
und die franco- und polonophilen Tendenzen steigern. Bekomme ich da-
gegen die Ermächtigung, in dem mir geeignet erscheinenden Zeitpunkt die
Sowjetregierung freundschaftlich über den tatsächlichen Stand zu infor-
198
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933
mieren, so machen wir damit eine Geste, die uns nichts kostet, hier aber
ihren Eindruck nicht verfehlen wird.
Wir müssen m. E. immer im Auge behalten, daß sowohl die französische
wie die polnische Politik darauf gerichtet sind, Deutschland und die Sowjet-
union möglichst weit zu trennen. Daß zu diesem Behuf Gerüchte und Intri-
gen verwendet werden, die das russische Mißtrauen steigern, wissen wir
aus der Erfahrung des letzten Jahres zur Genüge.
Unsere Zurückhaltung gegenüber der Sowjetregierung wird uns aber
auch aus dem Grunde politisch wenig nutzen, weil ich überzeugt bin, daß
Polen, um seine Freundschaft mit der Sowjetunion zu betonen, seinerseits
die Sowjetregierung in der ihm passenden Darstellung über unsere Schritte
etc. informiert. Besonders dem hiesigen polnischen Gesandten Lukasiewicz
traue ich in der Beziehung allerlei zu.
Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie mir carte blanche ver-
schaffen wollten, bei den Russen den Eindruck zu erwecken, daß wir zu-
nächst einmal in allen Polen betreffenden Fragen ihnen gegenüber mit
offenen Karten spielen.3)
Mit besten Grüßen bin ich
wie stets Ihr
NADOLNY
(3) Randvermerke: „über H[errn] MD Gaus Herrn St.S. zur Entscheidung geh[orsamst]
vorgelegt. Meyer 14. 12."
„Die Angelegenheit] wird mündlich mit H[errn] Nadolny erledigt werden. Es ist nicht
möglich, seinen Wünschen zu entsprechen. Meyer 15. 12."
119
9387/E 664 735-42
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Geheim MOSKAU, den 11. Dezember 1933
D 1449 Ankunft: 14. Dezember
IV Ru. 5467
Inhalt: Gedankengänge zur gegenwärtigen Lage des deutsch-russischen
Wirtschaftsverkehrs.
Die in einigen Kreisen der deutschen Wirtschaft verbreitete Auffassung,
daß der Rückgang der Bestellungen der Sowjetregierung an die deutsche
Industrie vorwiegend auf die seit dem Umsturz in Deutschland entstandene
Erkaltung der gegenseitigen politischen Beziehungen zurückgeführt werden
muß, ist nicht zutreffend. Es kann zwar nicht geleugnet werden, daß gewisse
Erschwerungen, denen sowjetische Wirtschaftsorganisationen und Einzel-
personen in den ersten Monaten nach der Errichtung des nationalsozialisti-
schen Regimes in Deutschland begegnet sind, einen ungünstigen Einfluß auf
die Bestellungspolitik der Sowjetregierung gegenüber Deutschland ausge-
übt haben. Ebenso darf der retardierende Einfluß einzelner maßgebender
jüdischer Sowjetwirtschaftler, die aus persönlichem Ressentiment dem deut-
199
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933
200
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933
trennlich verknüpft sind. Die klare Erkenntnis dieser Tatsache und die be-
schleunigte Herbeiführung entsprechender Schlußfolgerungen ist um so
notwendiger, als überdies die in Deutschland auf eine Ausfuhr agrarischer
Produkte gerichteten Bestrebungen immer mehr nach Berücksichtigung drän-
gen und auf diese Weise unser wirtschaftspolitisches Verhältnis zur Sowjet-
union derart aus seinem natürlichen Gleichgewicht gebracht werden kann,
daß der russische Markt für unsere Fertigprodukte in Gestalt hochwertiger
Maschinen endgültig verschlossen bleibt. Daß eine solche Entwicklung von
entscheidender Bedeutung für die gesamte deutsche Schwerindustrie werden
kann, bedarf angesichts der sich fortdauernd steigernden Konkurrenz der
Industrieländer untereinander kaum einer näheren Begründung.
Die gegenwärtige unbefriedigende Lage des deutsch-sowjetischen Han-
delsverkehrs stellt jedoch meiner Ansicht nach darum noch keineswegs eine
chronische und noch weniger eine unheilbare „Erkrankung" dar. Eine Vor-
eingenommenheit gegen uns, die von dauernder Einwirkung auf die Wirt-
schaftsbeziehungen sein könnte, besteht jedenfalls hier einstweilen nicht.
Dies hat mir auch eine Unterhaltung mit dem Außenhandelskommissar der
Sowjetunion, Herrn Rosenholz, gezeigt. Ich habe keinen Grund anzuneh-
men, daß der Volkskommissar mich wissentlich zu täuschen versuchte, als
er erklärte, daß der Sowjetregierung die Absicht einer irgendwie gearteten
Diskriminierung Deutschlands völlig fern liege, daß vielmehr bei Schaffung
der entsprechenden wirtschaftlichen Voraussetzungen, als die er neben der
Steigerung des sowjetischen Exportes nach Deutschland eine Verständigung
über Preise, Kreditfristen und Lieferungsbedingungen bezeichnete, eine
Vertiefung und Entwicklung des deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverkehrs
durchaus möglich sei. Wenn der Volkskommissar dabei auf den bevor-
stehenden Ablauf des Abkommens vom 15. Juni 1932J) und die noch aus-
stehende Verständigung über die Lieferungsbedingungen anspielte, so
handelt es sich bei diesen Fragen um weitere Ursachen, die zu der gegen-
wärtigen Stagnation in der Bestellungspolitik geführt haben; denn es liegt
auf der Hand, daß die Sowjetregierung, nachdem sie sich bei Inanspruch-
nahme des Überbrückungskredites 2 ) zu einer Verlängerung des Abkom-
mens vom 15. Juni 1932 bereitfand, nunmehr nicht vor Toresschluß Bestel-
lungen in Deutschland zu Bedingungen erteilen will, die sie - vielleicht mit
Unrecht - künftig zu ihren Gunsten umzugestalten hofft.
Auf dem Gebiete der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen sind
somit in den nächsten Monaten Entschlüsse zu fassen, die angesichts ihrer
Bedeutung für das weitere Schicksal dieser Beziehungen unverzüglich zur
Diskussion gestellt werden müssen.
Alle vorhandenen Anzeichen lassen darauf schließen, daß die Sowjet-
regierung zwar entschlossen ist, die Industrialisierung des Landes grund-
sätzlich weiter zu verfolgen, daß aber die entsprechenden Maßnahmen im
Rahmen des zweiten Fünfjahresplanes nicht auf die Errichtung neuer schwer-
industrieller Bauten, sondern mehr auf die Vollendung der bereits in Angriff
genommenen Werke und ihre sachgemäße technische Betriebsführung ge-
richtet sein werden. Gleichzeitig soll der Schwerpunkt der industriellen
201
Nr. 119 11. DEZEMBER 1933
Bautätigkeit auf Gebiete verlegt werden, die bei der Durchführung des ersten
Fünfjahresplanes, der vorwiegend auf den Ausbau der Schwerindustrie ab-
gestellt war, offensichtlich vernachlässigt worden sind, wie die Konsum-
warenindustrie und das Eisenbahnwesen. Die allgemeine Einschränkung
des Industrialisierungsprogramms einerseits und die Tatsache andererseits,
daß die Sowjetregierung inzwischen eine Reihe von Industriezweigen ge-
schaffen hat, deren Erzeugnisse sie bisher aus dem Auslande einführen
mußte, werden zur Folge haben, daß die Ausfuhr von bestimmten Waren-
gattungen, wie Werkzeugmaschinen, Generatoren, Berg- und Hüttenwerks-
maschinen u. a. m., in den nächsten Jahren einen wesentlichen Rückgang
erfahren wird. Dazu kommt, daß gerade auf diesem Gebiet sowohl die
amerikanische Konkurrenz nach der erfolgten Aufnahme der Beziehungen
als auch die englische im Hinblick auf die fortschreitenden Verhandlungen
in London sich zweifellos stärker fühlbar machen werden, als dies bisher
der Fall war. Die deutsche Industrie wird nicht umhin können, sich dieser
Änderung der geschäftlichen Situation anzupassen, indem sie gleichzeitig
ihr Augenmerk auf die neuen Möglichkeiten richtet, die ihr aus der Ver-
lagerung des Schwerpunktes der russischen Wirtschaftspläne auf die Kon-
sumwarenindustrie und das Eisenbahnwesen erwachsen.
Ein weiteres, wichtiges Gebot der Stunde ist ferner die Herbeiführung
der klaren und nüchternen Erkenntnis darüber, daß Deutschland angesichts
der gestiegenen Weltgeltung der Sowjetunion und des erhöhten Konkur-
renzkampfes mit anderen Ländern sich nur dann auf dem Sowjetmarkte
wird behaupten können, wenn es sich schnell auf eine neue Methode des
Wirtschaftsverkehrs mit der Sowjetunion umstellt, und zwar auch auf die
Gefahr hin, daß es dabei - wie schon so oft - zum Schrittmacher für die
anderen Staaten wird. Je eher wir der Tatsache bewußt werden, daß der
Sowjetmarkt heute nicht mehr mit Warenkrediten und Reichsausfallgaran-
tien allein erhalten und neu erobert werden kann, um so besser für uns. Es
ist bereits eine geraume Zeit her, seit der Außenhandelskommissar der
UdSSR den Grundsatz proklamiert hat, daß die Sowjetunion in ihrem wirt-
schaftlichen Entwicklungsstadium aus dem Rahmen des Warenkreditge-
schäftes hinausgewachsen und daher entschlossen sei, höhere Ansprüche
an das Vertrauen derjenigen Länder zu stellen, die in Zukunft Geschäfte mit
ihr machen wollen. Es dürfte daher kein Zweifel darüber bestehen, daß die
Union, nachdem sie im Verlaufe eines für sie in finanzieller Hinsicht be-
sonders schweren Jahres allen ihren Zahlungsverpflichtungen prompt nach-
gekommen ist, jetzt erneut auf die Forderung von Finanzkrediten zurück-
kommen wird. Deutschland wird gut tun, sich mit diesem Gedanken recht-
zeitig vertraut zu machen, und es wird gleichzeitig seiner alten Erfahrung
im Verkehr mit der Sowjetunion gedenken müssen, daß es stets vorteil-
hafter ist, neue Wege als erster und nicht im Schlepptau der anderen zu be-
schreiten. Dabei ist zu bedenken, daß eine deutsche Initiative in dieser
Richtung sich nicht nur wirtschaftlich auf weite Sicht bezahlt machen würde,
sondern daß sie bei entsprechender Handhabung auch unmittelbar zu einer
Entlastung der Beziehungen und ihrer Bereinigung von schwebenden Streit-
fällen, einschließlich der mangelnden Verständigung über die Lieferungs-
bedingungen, führen könnte.
202
Nr. 120 12. DEZEMBER 1933
Ein deutscher Entschluß in der von mir angedeuteten Richtung hätte fer-
ner den Vorteil, daß er die Frage des Sowjetexportes nach Deutschland,
deren Lösung aus deutschen innerwirtschaftlichen Gründen mit erheblichen
Schwierigkeiten verknüpft ist, für eine Weile in den Hintergrund drängen
könnte.
Hiernach möchte ich dem Auswärtigen Amt nahelegen, die vorstehenden
Gedankengänge, zu deren Erläuterung ich während meines bevorstehenden
Aufenthaltes in Berlin zur Verfügung stehen werde,3) unverzüglich zum
Gegenstand von Besprechungen mit den beteiligten Wirtschaftsressorts zu
machen.
NADOLNY
(8) Die Besprechungen Nadolnys in Berlin wurden in einer Aufzeichnung Meyers vom
21. Dezember (6025/H 046 537-38) festgehalten.
120
2784/D 540 467-70
• (l) Phipps.
(2) Siehe Dokument Nr. 111.
203
Nr. 120 12. DEZEMBER 1933
204
Nr. 121 12. DEZEMBER 1933
121
8115/E 580 168-69
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Botschaft beim Heiligen Stuhl
Telegramm
Eilt BERLIN, den 12. Dezember 1933 20 Uhr 05
Nr. 49 zu II Vat. 584 l)
Ref.: VLR Menshausen
Auf Telegramme Nr. 100 vom 7. 12.2) und Nr. 102 vom 11. 12.3)
Reichsregierung hat nach wie vor festen Willen, zu Einigung über schwe-
bende Fragen zu gelangen. Indes kann nach augenblicklicher Lage der Dinge
(i) II Vat. 584: Telegramm Bergens Nr. 102 vom 11. Dezember (8115/E 580 167), in dem die
Erwartung Pacellis zum Ausdruck kam, daß die Reichsregierung nunmehr ohne weite-
ren Aufschub einen mit den erforderlichen Vollmachten für den Abschluß einer ab-
schließenden Vereinbarung ausgestatteten Unterhändler entsende.
(2) Fundort: 8115/E 580 129.
*(3) Siehe Anm. 1.
205
Nr. 122 12. DEZEMBER 1933
122
6609/E 497 296-97
Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 279 vom 12. 12. MOSKAU, den 12. Dezember 1933 20 Uhr 50
Ankunft: 12. Dezember 21 Uhr 30
IV Ru. 5447
Anschluß [an Telegramm Nr.] 277.1)
Gestriger Besuch bei Litwinow sollte nur offizielle Begrüßung sein, ergab
aber kurze politische Unterhaltung.
Auf meine Glückwünsche wegen Anerkennung durch Amerika und Be-
merkung, daß diese vor allem moralische Wirkung haben werde, erwiderte
Litwinow, er denke, die Sowjetunion werde mit Amerika sehr freundschaft-
liche und enge Beziehungen unterhalten. Meiner darauf folgenden Bemer-
kung, in der Hauptfrage, nämlich dem Fernen Osten, könne Amerika wegen
seiner maritimen Schwäche doch nicht effektiv helfen, mußte er jedoch zu-
stimmen. Im Zusammenhang hiermit bezeichnete er die Lage im Fernen
Osten als ernst und ließ dabei auch eine Bemerkung über anscheinende
deutsche Sympathie für Japan fallen, die ich jedoch überging.
Auf Befragen über Unterhaltung Mussolini 2 ) sagte auch er, neues habe
sich nicht ergeben. In Frage des Völkerbunds habe er nicht erkennen kön-
nen, welche Art von Reformen Mussolini eigentlich wünsche; jedenfalls
werde Italien nicht aus dem Bunde austreten. Er selbst habe Mussolini
lediglich den russischen Standpunkt hinsichtlich des Völkerbunds ent-
wickelt, der sich nicht geändert habe. In Frage Abrüstung habe er ebenfalls
nur russische Forderung auf totale Entwaffnung nochmals dargelegt, hin-
206
Nr. 123 12. DEZEMBER 1933
123
8930/E 625 993-95
Auizeichnung des Legationssekretärs von Bargen
BERLIN, den 12. Dezember 1933
AUFZEICHNUNG ÜBER DIE JAPANISCHE EINSTELLUNG ZUR RASSENFRAGE l)
Allem Anschein nach durch die Denkschrift des Herrn preußischen Justiz-
ministers 2) zur Strafrechtsreform3) veranlaßt, hat neuerdings unter den
farbigen Völkern eine starke Beunruhigung über unsere Pläne und Absich-
ten in der Rassenfrage um sich gegriffen. Die nachteiligen Auswirkungen
(1) Randvermerk: „Entwurf einer Aufzeichnung f[ür] d[en] Herrn Reichspräsidenten zum
Tokio-Telegramm Nr. 120 vom 8. 12." Für das Telegramm Nr. 120 siehe Anm. 9.
• (2) Kerrl.
(3) Siehe hierzu Dokument Nr. 48.
207
Nr. 123 12. DEZEMBER 1933
zeigten sich unter anderem in Ceylon, Kalkutta, Rio de Janeiro und La Paz.
Ähnliche Erregung ist seit einiger Zeit in Japan zu beobachten. Auch dort
war die öffentliche Meinung stark gegen uns aufgebracht. Nach den Berich-
ten unserer Botschaft erklärte die japanische Presse, daß ein gegen Japaner
gerichtetes Heiratsverbot in Deutschland eine Beleidigung Japans sei. Der
hiesige japanische Botschafter4) ist mehrere Male in der Angelegenheit im
Auswärtigen Amt vorstellig geworden 5 ) und hat in sehr nachdrücklicher
Form darauf aufmerksam gemacht, daß eine diskriminierende Behandlung
der japanischen Staatsangehörigen in Deutschland starke Rückwirkungen
auf die deutsch-japanischen Beziehungen haben würde.
Selbstverständlich ist das Auswärtige Amt bemüht gewesen, allen beun-
ruhigenden Erscheinungen sofort entgegenzutreten. Wir haben dabei auch
dem Vertreter Japans gegenüber betont, daß eine Diskriminierung oder
gar eine Verächtlichmachung fremder Rassen in Deutschland in keiner
Weise beabsichtigt sei. Wir wendeten uns lediglich gegen die Rassenver-
mischung, die auch von anderen Rassen, so auch von den Japanern, be-
kämpft werde. Im übrigen seien diese Fragen noch im Fluß und ihre gesetz-
liche Fixierung im einzelnen noch nicht beschlossen.
Es ist bekannt, daß die farbigen Völker in Rassenfragen außerordentlich
empfindlich sind. Durch die von den Angelsachsen gebrauchte verächtliche
Bezeichnung „coloured people" mißtrauisch gemacht, sind sie geneigt, in
jeder Erwähnung ihrer rassischen Verschiedenheit gegenüber der weißen
Bevölkerung eine Herabsetzung zu erblicken. Es muß daher damit gerechnet
werden, daß, wenn es uns nicht gelingt, das Mißtrauen der farbigen Welt
zu zerstreuen, unsere politischen und kulturellen Beziehungen zu den in
Frage kommenden Ländern sich außerordentlich verschlechtern, daß unser
Handel schweren Schaden erleiden und unsere Auslandsdeutschen in diesen
Ländern möglicherweise ihre Existenz verlieren werden.
Im Hinblick auf diese Erwägungen hat am 21. November d. J. eine Chef-
besprechung über die Rassenfrage stattgefunden.6) Gemäß dem dabei er-
zielten Einvernehmen ist von den beteiligten Ressorts in einer weiteren Be-
sprechung der Text einer Regierungserklärung 7) ausgearbeitet worden, (die
gegenüber der die außenpolitischen Gesichtspunkte stärker berücksichti-
genden Fassung des Auswärtigen Amts allerdings eine Abschwächung im
Sinne des von den inneren Ressorts für tragbar Erachteten bedeutete). 8 )
Diese Erklärung ist von dem Herrn Reichsminister des Innern in einem dem
Vertreter des WTB erteilten Interview am 5. d. M. abgegeben worden. Auf
diese Erklärung bezieht sich das vorliegende Telegramm der Botschaft in
Tokio vom 8. d. M.9)
(«) Nagai.
(5) Aufzeichnung Bülows vom 11. Oktober 1933 (3088/D 623 166); Aufzeichnung Völckers'
vom 20. Oktober (3088/D 623 164).
(•) Eine Aufzeichnung über diese Besprechung konnte nicht ermittelt werden.
(?) Diese Erklärung des Reichsministers des Innern war in einer interministeriellen Be-
sprechung am 29. November ausgearbeitet worden. Der Text ist einer Aufzeichnung
Gaus' vom 30. November (9470/E 668 177-81) als Anlage beigefügt.
(8) Randbemerkung zu der eingeklammerten Satzhälfte: „Von H[errn] Gaus abgeändert."
(9) Telegramm Noebels Nr. 120 vom 8. Dezember (9451/E 666 829) über die ungünstige
japanische Reaktion auf die Erklärung Fricks vom 5. Dezember.
208
Nr. 124 12. DEZEMBER 1933
124
8659/E 606 283-86
Der Gesandte in Wien Rieth an das Auswärtige Amt
Telegramm
Cito WIEN, den 13. [12.] Dezember 1933 24 Uhr
Nr. 80 vom 12. 12. Ankunft: 13. Dezember 3 Uhr
II Oe. 2120
Auf [Telegramm Nr.] 114.1)
Letzte innenpolitische Vorgänge sind im Schriftbericht vom 8. Dezember
A2156 2 ) dargelegt, der gestern dort eingegangen ist. Sachlage seitdem un-
verändert.
Innere Lage zur Zeit äußerst verworren. Dollfuß hat, wie bekannt, vor
einiger Zeit versucht, durch Vermittlung Obmanns der Großdeutschen Foppa
und auf andere Weise geheime Verhandlungen mit den Nationalsozialisten
anzuknüpfen.3) Veranlaßt wurde er hierzu von mit ihm und mit Foppa
befreundetem Staatssekretär Gleißner, der von Aussichtslosigkeit Kampfes
auf längere Sicht gegen Nationalsozialismus überzeugt ist. Außerdem
(1) Weisung Köpkes Nr. 114 vom 11. Dezember (8659'E 606 272), in der die Gesandtschaft in
Wien aufgefordert worden war, über die innenpolitische Lage Österreichs zu berichten,
besonders im Hinblick auf Gerüchte über eine Umbildung des österreichischen Kabinetts
und die kürzlich in Wien von dem österreichischen Gesandten in Rom Rintelen ge-
führten Gespräche.
(2) Fundort: 8659/E 606 273-76. Siehe Dokument Nr. 106, Anm. 3.
(3) Siehe die Dokumente Nr. 20, 35 und 71.
209
11,1 Bg. 14
Nr. 124 12. DEZEMBER 1933
empfand Dollfuß, wie auch Peter mir damals vertraulich mitteilte, italieni-
schen zum Teil durch Heimwehren ausgeübten Druck als unerträglich.
Verhandlungen scheiterten angeblich infolge dort bekannter in München
gestellter Bedingungen. Von vielen Seiten bei Bekanntwerden Verhand-
lungen einsetzende Widerstände inner- und außenpolitischer Art haben
Dollfuß jedenfalls zur Zeit wieder von Gedanken Verständigung mit
Nationalsozialismus abgebracht.
Dollfuß sucht nun Gegengewicht gegen Heimwehren in Gegensatz zwi-
schen diesen und Landbund zu finden, mit dem er wegen erneuten Eintritts
in Regierung verhandelt hat. Dollfuß wurde zu Widerstand gegen Heim-
wehrforderungen auf Errichtung faschistischen Staats und wirksamer Be-
kämpfung Marxismus durch großen Teil der Christlichsozialen, die sogar
mit Gegenkandidatur Enders als Bundeskanzler drohten, gedrängt.
In neuester Zeit haben Italiener und Heimwehren wieder Oberhand ge-
wonnen; dies sowie Scheitern Verhandlungen mit Nationalsozialisten hatte
Verschärfung Kampfes gegen letztere zur Folge, die unter anderem zahl-
reiche neue Verhaftungen, darunter des Wiener Gauleiters Frauenfeld,
oder Deportationen ins Konzentrationslager Woellersdorf, nach sich zog;
Verhandlungen mit Landbund über Regierungseintritt sind auf Januar ver-
schoben.
Im Gegensatz zwischen Landbund und Heimwehren spiegelt sich auch
Kampf um Einflußnahme auf . . . (Gr. verst.) zwischen Frankreich und
Italien wieder, da Landbund milden Kurs gegenüber Sozialdemokratie und
damit Entgegenkommen gegenüber französischen und tschechischen Wün-
schen herbeizuführen sucht. Dollfuß, der niemals klare politische Linie ein-
gehalten hat, sondern lediglich durch jeweils auftauchende Schwierigkeiten
durchzulavieren versucht, benutzt diese Rivalitäten, um Art labilen Gleich-
gewichts dadurch zu erreichen, daß er je nach Sachlage mit der einen oder
der anderen der streitenden Parteien im Regierungslager und auf außen-
politischem Gebiet paktiert. Italienische Beunruhigung über Regierungskurs
gegenüber Nationalsozialisten und Franzosen und Tschechen andererseits
hatte letzthin einsetzende energische italienisch-ungarische Reaktion zur
Folge, die sich einstweilen wieder durchzusetzen scheint. Dollfuß seiner-
seits benutzt diese anscheinend, um neue wirtschaftliche Konzessionen ins-
besondere bezüglich Holzexports von Italien zu erlangen. Diese italienische
Beunruhigung dürfte auch wohl Anlaß zu unerwartetem, bereits etwas
zurückliegenden Erscheinen Rintelens in Wien gegeben haben.4)
Spannungen im Regierungslager und sich daraus ergebende labile, sich
schnell verändernde Lage Regierung hat zweifellos nicht nur bei Dollfuß,
sondern auch bei anderen maßgebenden Personen auf Regierungsseite
Neigung zu Verständigung mit dem Nationalsozialismus gefördert. Bisher
hat jedoch noch stets Befürchtung, daß jede Vereinbarung mit den National-
sozialisten in kurzer Frist deren vollständigen Sieg und infolgedessen Be-
seitigung jetzt maßgebender Personen und Parteien zur Folge haben würde,
sich als stärker erwiesen, als Gegensätze innerhalb Regierungslagers, die
durch diese gemeinsame Furcht letzten Endes immer wieder überbrückt
werden.
210
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
125
6605/E 496 276-92
Der Gesandte in Kowno Zechlin an das Auswärtige Amt *)
A 2315 KOWNO, den 12. Dezember 1933
Ankunft: 16. Dezember
IV Rd. 4803
POLITISCHER BERICHT
211
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
212
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
(3) Diese am 29. Januar 1933 in Berlin unterzeichneten deutsch-litauischen Abkommen ent-
hielten einen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrag sowie mehrere Vereinbarungen
über Grenzfragen und das Memelgebiet. Siehe S. d. N., Recueil des Traites, Nr. 2008,
2009, 2026, 2042, Bd. LXXXIX, S. 83-126, 309-67 und Bd. XC, S. 233-53.
(4) Dieser Hinweis bezieht sich offenbar auf eine Unterredung zwischen Zaunius und
Moraht am 17. Juli 1930, über die Moraht in Telegramm Nr. 78 vom gleichen Tage
(2945/D 575 198-200) berichtet hatte.
*(*) Sidzikauskas.
213
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
214
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
(10) Giedraitis.
(11) Fundort: 6605/E 496 193-207.
(12) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 342, Anm. 4
215
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
(13) Preston.
(14) Karski.
(15) Das Abkommen war am 18. September 1933 abgeschlossen worden. Siehe Serie C,
Bd. I, 2, Dokument Nr. 417, Anm. 1.
216
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
217
Nr. 125 12. DEZEMBER 1933
Präsident Smetona, den ich gelegentlich danach fragte, gab dies auch in
gewisser Weise zu, indem er meinte, es könne sich wohl nur um Privat-
personen gehandelt haben. Als ich weiter mit ihm über die Unmöglichkeit
einer litauisch-polnischen Verständigung sprach, räumte er zwar alle
Schwierigkeiten ein, fügte aber doch nachdenklich hinzu: „Ja, wenn von
Polen ein Angebot käme!"
In der Tat liegt hier der Kern des Problems. Denn offensichtlich kann die
Initiative nur von Polen als dem beatus possidens ausgehen; irgend etwas
muß Polen den Litauern bieten. An und für sich läge es nahe, daß Polen die
Gunst des Augenblicks ausnutzt, wo Litauen von Rußland und Deutschland
verlassen und nachgiebiger scheint als jemals früher. Bisher liegen An-
zeichen für eine solche polnische Initiative noch nicht vor; festzustellen ist
nur eine gewisse Belebung der polnisch-litauischen Beziehungen auf dem
Gebiete der persönlichen privaten Fühlungnahme. Hierher gehört, daß der
polnische Journalist Kattelbach, dem gute Beziehungen zu Pilsudski nach-
gesagt werden, sich seit Monaten in Litauen aufhalten darf, was ein abso-
lutes Novum in den polnisch-litauischen Beziehungen ist; ferner ist Profes-
sor Roemer, der aus den letzten Genfer Besprechungen auch in Berlin be-
kannte Rektor der hiesigen Universität, in letzter Zeit mehrfach nach Wilna
gereist; er genießt, obwohl innerlich ebensosehr Pole wie Litauer, das volle
Vertrauen der litauischen Regierung und darf als einer der Hauptpartei-
gänger einer litauisch-polnischen Verständigung gelten.
Daß es jetzt etwa zu einer endgültigen Regelung des polnisch-litauischen
Verhältnisses kommen könnte, ist ausgeschlossen. Dazu ist die ganze Lage
in Osteuropa viel zu sehr in Fluß begriffen, und wenn je, so wird die
litauische Politik in der nädisten Zukunft eine Politik des Lavierens sein.
Auch eine Rückgabe Wilnas erwartet man hier selbstverständlich nicht;
selbst auf kleine territoriale Veränderungen rechnet man zur Zeit kaum.
Aber neben der Aufnahme diplomatischer Beziehungen denkt man an die
Regelung von wirtschaftlichen Fragen wie die des Transits, der Memel-
flößerei und dgl.; auch würde man wohl eine gewisse kulturelle Autonomie
für die Litauer im Wilnagebiet sehr begrüßen. In diesem ganzen Fragen-
komplex gewinnen auch die hier umlaufenden Gerüchte über eine Kabi-
nettsumbildung, über die ich besonders berichtete,17) Bedeutung; denn natür-
lich könnte ein neuer Ministerpräsident oder ein neuer Außenminister
unschwer Wege gehen, die dem jetzigen Kabinett verschlossen sind.
Trotz alledem sind die Schwierigkeiten einer litauisch-polnischen Ver-
ständigung unendlich groß, und Wilna wird noch auf lange den großen
Streitpunkt zwischen beiden Völkern bilden. Aber wenn die Polen jetzt
auch nur die erste Bresche schlagen würden, so würde das von weitreichen-
den Folgen sein; die polnische Aktion im Baltikum würde einen neuen
Auftrieb erhalten, und auch in Litauen würde Polen schnell festen Fuß
fassen, über die schweren Nachteile, die sich daraus für die deutsche Politik
und das deutsche Volk ergeben würden, kann nach allen historischen Er-
fahrungen kein Zweifel bestehen.
Das Generalkonsulat in Memel erhält Abschrift dieses Berichts.
ZECHLIN
(17) Bericht Zechlins Nr. A 2249 vom 30. November 1933 (M 117/M 004 589-92).
218
Nr. 126 13. DEZEMBER 1933"
126
2784/D 540 460-63
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 13. Dezember 1933
RM. 1722
Der Reichskanzler empfing heute morgen den italienischen Unterstaats-
sekretär Suvich. Die erste halbe Stunde waren die beiden allein, um, wie
der Kanzler sagte, eine Fühlungnahme zwischen den einstigen österreichi-
schen Untertanen herbeizuführen. Bei der darauffolgenden Unterhaltung in
meiner Gegenwart wurde zunächst die Abrüstungsfrage behandelt. Der
Kanzler legte Suvich eingehend unsere bekannten Ansichten und Wünsche
dar. Suvich versuchte, ebenso wie gestern bei mir,1) uns die Notwendigkeit
einer etappenweisen Aufrüstung klar zu machen. Der Kanzler lehnte dies
ab, und zwar, wie er ausdrücklich hervorhob, trotzdem es nicht unsere
Absicht sei und auch außerhalb der gegebenen Möglichkeiten liege, sofort
300 000 Mann aufzustellen und die nötigen Waffen dazu herzustellen. Der
Kanzler betonte in der Unterredung besonders, daß jetzt auch Mussolini
die Ansicht vertrete, daß ein Weiterkommen in der Abrüstungsfrage nicht
möglich sei, weil die hochgerüsteten Staaten nicht abrüsten wollten und
könnten. Suvich kam im Gegensatz zu seiner gestrigen Äußerung bei mir
nicht mehr darauf zu sprechen, daß uns in Genf von französischer Seite
weitgehende Abrüstungszugeständnisse in Aussicht gestellt worden seien.
Er erklärte zum Schluß, nunmehr über unsere Ansichten eingehend infor-
miert zu sein und diese Mussolini berichten zu wollen. Die Unterredung
dauerte von 11 Uhr bis 1/t 2 Uhr.
Um 4 Uhr 30 wurde die Besprechung fortgesetzt, und zwar wurde diesmal
die österreichische Frage zur Diskussion gestellt. Hierbei versuchte der
Kanzler in eingehenden Ausführungen Herrn Suvich klar zu machen, daß
der Anschluß Österreichs für uns keineswegs akut oder auch nur begehrens-
wert sei. Er legte dar, daß uns durch einen solchen Anschluß unerträgliche
finanzielle Belastungen auferlegt würden, da Österreich allein überhaupt
nicht lebensfähig sei und stets ein Zuschußland bleiben werde. Er habe
deshalb von jeher den Standpunkt vertreten, daß Deutschland und Italien
gemeinschaftlich sich Österreichs annehmen müßten, wobei Voraussetzung
sei, daß die Österreicher zunächst ihr Haus im Innern in Ordnung brächten.
Schon aus dem Grunde, weil weder Deutschland noch Italien wünschen
könnten, daß Österreich etwa eine Brücke zwischen Polen, Tschechen und
Jugoslawen bilde, müßten Deutschland und Italien sich über ihre Beziehun-
gen zu Österreich verständigen.
Herr Suvich versuchte den Kanzler zu überzeugen, daß Dollfuß ein durch-
aus deutschgesinnter Mann sei und nichts sehnlicher erstrebe, als sich mit
Deutschland auszusöhnen. Dollfuß habe den Kampf gegen den Marxismus
und das Freimaurertum in sein Regierungsprogramm aufgenommen gehabt.
Allerdings sei dieser Kampf nach österreichischer Art nicht sehr energisch
betrieben worden. Wenn er sich nicht schon längst mit den Nationalsoziali-
219
Nr. 127 13. DEZEMBER 1933
sten in Österreich ausgesöhnt habe, so sei das auf die Furcht zurückzufüh-
ren, daß der Nationalsozialismus in Österreich unter Führung von Herrn
Habicht den Anschluß an Deutschland auf seine Fahne geschrieben habe.
Unter Hinweis auf seine früheren Ausführungen und indem er das Ver-
halten der Nationalsozialisten in Danzig, nachdem diese zur Macht ge-
kommen,2) als Beispiel heranzog, versuchte der Kanzler Herrn Suvich klar
zu machen, daß nur die Wiederherstellung der Konstitution in Österreich
und die Ausschreibung von Neuwahlen ein richtiges Bild über die tatsäch-
liche Stimmung des Volkes in Österreich geben. Er, der Kanzler, habe sei-
nen Parteigenossen im übrigen schon immer gesagt, daß sie in Österreich
für eine Regierungsbildung alle national und gut gesinnten Kreise heran-
ziehen müßten. Es komme gar nicht darauf an, daß in einem künftigen
Kabinett nur Nationalsozialisten sitzen. Verhandlungen zwischen Herrn
Dollfuß, der so gut wie nichts mehr hinter sich habe, und ihm selbst müsse
er solange ablehnen, bis nicht in Österreich die Verfolgungen der National-
sozialistischen Partei aufhörten und die Verbote der Partei wieder aufgeho-
ben seien. Immerhin sei er der Ansicht, daß Österreich ein zu nichtssagen-
des Objekt sei, um etwa die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien
störend beeinflussen zu dürfen. Dieser Auffassung stimmte Herr Suvich
lebhaft zu und erklärte, daß dies auch Mussolinis Ansicht sei. Der Kanzler
fügte noch hinzu, daß nach seiner Ansicht eine Verständigung über die
Beziehungen von Deutschland und Italien zu Österreich sich unschwer er-
reichen ließe, sobald einmal dort wieder geordnete Verhältnisse und eine
vom Volke gestützte Regierung vorhanden sei.3)
v. N[EURATH]
127
6609/E 497 298-300
Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 281 vom 13. 12. MOSKAU, den 14. Dezember 1933 3 Uhr 40
Ankunft: 14. Dezember 6 Uhr 45
IV Ru. 5479
Hatte heute 2 Mi stündige weitere Unterredung mit Litwinow,1) die teil-
weise zu sehr scharfen Auseinandersetzungen führte, aber schließlich in
freundlichem Ausgang endete. Litwinow begann Unterhaltung mit Erwide-
rung auf meine vorgestrigen Vorwürfe über Hetze Sowjetpresse gegen
Deutschland. Es käme nicht darauf an, was die Zeitungen schrieben, sondern
220
Nr. 127 13. DEZEMBER 1933
221
Nr. 128 14. DEZEMBER 1933
und Polen werde intim verhandelt. Die deutschen Offiziere seien aus der
Sowjetunion entfernt, dafür kämen polnische und französische Militärs ins
Land. Polen und Frankreich aber seien Nachbarn von Deutschland. Das gebe
Anlaß zum Nachdenken, und ich müßte, wenn ich nun nach Berlin käme,
doch die Aufmerksamkeit meiner Regierung hierauf richten. Außerdem
würde ich, wenn sich Ton Sowjetpresse nicht entschieden ändere, veran-
lassen, daß deutsche Presse ihre bisherige Zurückhaltung gegen Sowjet-
union aufgebe und denselben Ton anschlage wie die hiesige Presse; dies
möchte ich hiermit ausdrücklich gesagt haben. Hierauf einlenkte Litwinow:
es sei durchaus nicht seine Absicht, mich zu entmutigen und unsere Bezie-
hungen noch zu verschlechtern. Er erklärte mir hiermit nochmals offiziell,
daß die Sowjetunion großen Wert auf gute Beziehungen zu Deutschland
lege und keine feindlichen Absichten hege. Immer wieder erwiderte ich, ich
nehme mit Genugtuung diese Erklärung zur Kenntnis und könne für
Deutschland das gleiche erklären. Wenn aber beiderseitig gute Absichten
beständen, müsse auch die Öffentlichkeit entsprechend beeinflußt werden,
und man dürfe sich nicht auf böswillige Informationen berufen, die der
andere nicht kenne. Wir übereinkamen darauf schließlich, unseren Regie-
rungen vorzuschlagen, auf die Presse beruhigend einzuwirken, und sich in
Zukunft im Geiste Berliner Vertrags offen auszusprechen, wenn bei einem
oder dem anderen Informationen vorliegen, die auf angeblich böse Absich-
ten des einen Teils gegen den anderen schließen lassen.
Ich habe dann Litwinow noch auf Stagnation in den Bestellungen und
intransigente Haltung Sowjetregierung in der Dollarfrage5) hingewiesen,
wobei ich Bedeutung großer Bestellungen stark unterstrich. Litwinow ver-
sprach, sich für diese Fragen, deren Einzelheiten er nicht kenne, zu inter-
essieren.6)
NADOLNY
(5) Siehe Dokument Nr. 122, Anm. 3.
(•) Nadolny erörterte den Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen einige Tage später
in Berlin mit Neurath und Bülow. Er führte auch Gespräche mit Blomberg und Reichenau,
in denen Übereinstimmung darüber herrschte, daß der bisherige deutsche Standpunkt
hinsichtlich militärischer Beziehungen zur Sowjetunion beibehalten werden solle. Siehe
Aufzeichnung Meyers vom 21. Dezember (6025/H 046 537-38).
128
6144/E 459 599
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
Rk. 14 233 BERLIN, den 14. Dezember 1933
II Ts. 1669
Der Reichskanzler, der von dem Bericht des deutschen Gesandten in
Prag J ) vom 30. November d. J. (dortige Nummer II Ts. 15912)) über die
• (l) Koch.
(2) Fundort: 9542/E 672 368-71.
222
Nr. 129 14. DEZEMBER 1933
129
9572/E 674 633-40
Der Gesandte in Budapest von Mackensen an das Auswärtige Amt
A Nr. 251 P. 24 BUDAPEST, den 14. Dezember 1933
Ankunft: 18. Dezember
VI A. 2907
Im Anschluß an das Telegramm Nr. 63 vom 14. d. M.1)
POLITISCHER BERICHT
223
Nr. 129 14. DEZEMBER 1933
224
Nr. 129 14. DEZEMBER 1933
225
11,1 Bg. 15
Nr. 129 14. DEZEMBER 1933
wie sie von einzelnen Hetzern im Lande oder gar von außen her erhoben
würden. Da sei z. B. die Forderung auf Umwandlung von Schulen in den
Typus A, d. h. in den Typus mit rein deutschem Unterricht. Der Einführung
eines solchen Typus' werde er sich aber stets widersetzen, u[nd] zw[ar] im
Interesse der Minderheiten selbst; denn es sei ausgeschlossen, auf diese
Weise ungarische Staatsbürger heranzuziehen, die späterhin auch gehobene
oder gar leitende Stellen einnehmen könnten. Denn dafür werde es ihnen
immer an der erforderlichen Kenntnis der ungarischen Sprache und unga-
rischen Wesens fehlen. Sie würden schon Schwierigkeiten haben, in die
ungarischen Mittel- und höheren Schulen überzugehen. Als ich daraufhin
die Frage der Umwandlung von C- in B-Schulen 10) berührte, bemerkte der
Ministerpräsident - und das scheint mir eine für etwa sich anschließende
Erörterungen sehr bedeutsame Äußerung zu sein -, das sei ganz etwas ande-
res. Dafür sei er stets zu haben. Er wisse aber, daß dieser Typus B von den
Minderheiten selbst nicht gewünscht werde, u[nd] zw[ar] selbst da nicht,
wo an sich die Voraussetzungen dafür gegeben wären. Er könne mir Dörfer
mit deutschstämmiger Bevölkerung vorführen, wo niemals ein derartiger
Wunsch geäußert worden sei. Ich erwiderte ihm, daß nach meiner, freilich
noch nicht auf eigener Anschauung, aber doch auf verbürgtem Material
beruhenden Kenntnis der Dinge die Sache etwas anders liege. So entsänne
ich mich z. B., daß die ungarische Regierung vor einigen Jahren, zu
Bethlenscher Zeit, einmal die Umwandlung einer ganzen Reihe von C-
Schulen in B-Schulen zugesagt hätte. Soweit ich wisse, habe es sich damals
um 45 gehandelt. Tatsächlich sei aber nur ein verschwindender Teil umge-
wandelt worden. Herr Gömbös erwiderte darauf nur, daß ihm das nicht
bekannt sei.11) Im übrigen werde er ja dafür sorgen, daß sein Brief an den
Herrn Reichskanzler hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse volle Klar-
heit schaffe.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß der Ministerpräsident im Zu-
sammenhange mit den Äußerungen über die Behandlung der Minderheiten-
frage durch einzelne Persönlichkeiten auch die Person Bleyers 12) streifte
und insbesondere seine taktische Geschicklichkeit und die Zweckmäßigkeit
der Art seines Vorgehens in Zweifel zog. Demgegenüber habe ich festge-
stellt, daß die gesamte mir zu Gesicht gekommene ungarische Presse, ein-
schließlich der Blätter, die in starker Opposition zu Bleyer gestanden hät-
ten, bei seinem Tode eines einmütig anerkannt hätte, nämlich, daß er ein
durchaus treuer ungarischer Staatsbürger gewesen sei und keine dem
(10) Die ungarische Regierung hatte, in Ausfüllung ihrer unter dem Vertrag von Trianon
hinsichtlich des Minderheitenschutzes übernommenen Verpflichtungen, im Jahre 1923
die Einrichtung von drei verschiedenen Grundschultypen in Gebieten mit nationalen
Minderheiten angeordnet. In den Schulen des sog. Typs A war Ungarisch Pflichtfach,
alle anderen Fächer wurden in der Sprache der jeweiligen Minderheit unterrichtet. In
den Schulen des Typs B wurde der Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen in
beiden Sprachen, in Geschichte, Erdkunde und Staatsbürgerkunde auf ungarisch und in
allen übrigen Fächern in der Sprache der Minderheit abgehalten. In den Schulen des
Typs C war die Sprache der Minderheit Pflichtfach, Lesen und Schreiben wurden in
beiden Sprachen und alle anderen Fächer auf ungarisch unterrichtet
(ii) Randbemerkung: „I"
(12) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 400.
226
Nr. 130 15. DEZEMBER 1933
(13) In einem Briefwechsel, der im Mai und Juni 1932 zwischen Solf und Teleki geführt
worden war, waren Gespräche zwischen deutsehen und ungarischen Privatpersonen
über Angelegenheiten gemeinsamen Interesses beider Länder in Aussicht genommen
worden. Abschriften dieser Briefe wurden einer Weisung des Auswärtigen Amts an
die Gesandtschaft in Budapest vom 8. Juni 1932 (M 76/M 002 911-16) beigefügt.
(14) Randvermerk: ,H[errn] Roediger Abtlg. VI. Könnten H[err] Hüffer und ich uns über
die angeschnittenen Fragen Anfang Januar mit Ihnen unterhalten? Renthe-Fink 23. 12."
130
6697/H 105 158-60
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
I 1765 III ROM, den 15. Dezember 1933
Ankunft: 18. Dezember
IV Ru. 5528
Im Anschluß an den Bericht vom 6. d. M. - 11765II.1)
POLITISCHER BERICHT
(1) In diesem Bericht (6697'H 105 139-49) hatte Hassell den Verlauf des Besuchs Litwinows
in Rom vom 2. bis 5. Dezember geschildert.
227
Nr. 130 15. DEZEMBER 1933
gefahren habe und Rußland an die Seite des ihm innerlich fremden kapitali-
stischen Frankreich gedrängt worden sei. Es werde Deutschlands Sache sein,
die Initiative zu ergreifen, um das deutsch-russische Verhältnis wieder
wärmer zu gestalten, Rußland werde solche ausgestreckte Hand nicht zu-
rückweisen. Vorläufig müsse man aber der deutschen Ostpolitik mit dem
stärksten Mißtrauen begegnen, da zahlreiche Anzeichen dafür sprächen,
daß Deutschland nach Herbeiführung einer Verständigung mit Polen im
Falle eines russisch-japanischen Krieges Rußland angreifen werde. Von
dieser Sorge habe sich Litwinow nicht abbringen lassen. Es wird hier auch
darauf hingewiesen, daß der russische Pressedienst am Vorabend des Be-
suchs Litwinows in Rom neue Enthüllungen über angebliche deutsche
Annektionspläne im Osten (Ukraine usw.) gebracht habe, die fraglos be-
stellte Arbeit gewesen seien, (übrigens sind diese Sensationsmeldungen
auch von der italienischen Presse abgedruckt worden.) Man hat hier stark
den Eindruck gewonnen, daß Rußland sich vor Deutschland fürchtet und des-
halb im Grunde einer Verständigung nicht abgeneigt wäre. Die Behandlung
der Judenfrage in Deutschland spielt, wie man hier annimmt, bei der
Animosität der maßgebenden russischen Kreise gegen Deutschland nur
eine untergeordnete Rolle; insbesondere sei der allen Ressentiments un-
zugängliche Litwinow viel zu sehr Realpolitiker, als daß er sich von der-
gleichen Motiven auf die Dauer maßgebend beeinflussen lasse.2)
Bei weitem im Vordergrund steht für die russische Außenpolitik gegen-
wärtig offenbar die Entwicklung der Dinge im Fernen Osten, die, wie man
hier festgestellt hat, Litwinow mit der größten Sorge erfüllt. Er hat Musso-
lini erklärt, daß Japan es offensichtlich auf eine kriegerische Auseinander-
setzung ankommen lassen wolle. Rußland werde diese allein auszufechten
haben, da mit einem bewaffneten Eingreifen Amerikas nicht zu rechnen sei.
Aus dieser, fast zu einer Art Psychose gesteigerten Besorgnis der Russen
erklärt man sich hier auch die starke Zurückhaltung Litwinows gegenüber
den brennenden Fragen der europäischen Politik. Rußland verfolge, wie
man hier annimmt, in Europa im Augenblick kein anderes Ziel als die
Sicherstellung seiner Westfront, um sein ganzes Augenmerk auf die Gefahr
im Osten richten zu können. Daher seien Völkerbunds- und Abrüstungs-
frage für die russische Politik Probleme der zweiten Linie. So sei es auch
ganz falsch, den Besuch des russischen Außenministers in Rom mit neuen
europäischen Kombinationen mit Einschluß Rußlands in Zusammenhang zu
bringen. Wie Mussolini keine Erweiterung des Viererpakts wünsche, die
dem Vertrag seine Eigenart nehmen würde, so lehne auch Litwinow der-
gleichen Möglichkeiten - zur Zeit wenigstens - entschieden ab. Rußland
wünsche Frieden und Sicherheit im Westen, aber keine weiteren politischen
Bindungen in Europa und behandle daher auch die Frage des Eintritts in
den Völkerbund als völlig akademisch.
Der Gesamteindruck, den der Besuch hinterlassen hat, bleibt der eines
unverbindlichen und von keinen unmittelbaren praktischen Folgen be-
gleiteten Meinungsaustausches zwischen den leitenden Staatsmännern. Ob
es Mussolini gelungen ist, Litwinow vor zu enger Verbindung mit der
(2) Randbemerkung Neuraths: «Das Gegenteil hat L[itwinow] mir selbst zugegeben."
228
Nr. 131 16. DEZEMBER 1933
131
2945/D 575 893-94
Der polnische Gesandte suchte mich heute auf, um einige Vorfragen über
u n s e r e n Erklärungsentwurf 1 ) zu stellen. Er sagte: die von uns vorgeschla-
gene Form h a b e in Warschau zunächst etwas Erstaunen hervorgerufen, bei
Marschall Pilsudski jedoch, der ein Gegner aller P a r a g r a p h e n sei, freudige
Zustimmung gefunden. Prinzipielle Einwendungen gegen die Form h a b e
man in Warschau nicht zu machen.
Der in der Erklärung zitierte Locarno-Schiedsvertrag mit Polen e r w ä h n e
bei verschiedenen Gelegenheiten den Völkerbund, insbesondere sei in
einem Fall der Völkerbundsrat als Instanz vorgesehen. Die polnische Regie-
rung möchte gerne wissen, wie wir uns dies in Zukunft dächten, nachdem
wir aus dem Völkerbund ausgetreten seien. Herr von Lipski ließ dabei ein-
fließen, daß man in Warschau die Kellogg-Pakt-Idee bevorzuge.
Im Abschnitt IV der Erklärung sei sodann die Rede von einem even-
tuellen Schiedsverfahren, falls sich eine Einigung auf diplomatischem W e g e
nicht erzielen lasse. Die polnische Regierung w ü r d e gerne erfahren, w i e
das gemeint sei.
Ich h a b e Herrn von Lipski gebeten, sich mit H e r r n Min.Dir. Gaus zur
Beantwortung dieser Frage in Verbindung zu setzen, und ihm dann nur
noch gesagt, daß wir es begrüßen würden, w e n n die Prüfung der polnischen
Regierung mit tunlichster Beschleunigung geführt w e r d e n könnte. 2 )
v. N[EURATH]
229
Nr. 132 17. DEZEMBER 1933
132
9556/E 672 734-40
Der Gesandte in Prag Koch an das Auswärtige Amt
Eilt sehr PRAG, den 17. Dezember 1933
A III 2 f. Ankunft: 19. Dezember
II Ts. 1705
Auf anderweitigen Erlaß Nr. 101 vom 16. Dezember.1)
POLITISCHER BERICHT
Inh[alt]: Hilfsaktion für die sudetendeutschen Nationalsozialisten.
I. Der Gedanke, wie man vom Reich aus der Notlage, in der sich die
sudetendeutschen Nationalsozialisten befinden, einigermaßen abhelfen
könne, beschäftigt die Gesandtschaft unausgesetzt und ist von ihr auch zum
Gegenstand des Meinungsaustausches mit dem in voriger Woche verstor-
benen Führer Knirsch gemacht worden. Die Schwierigkeiten und Gefahren -
Gefahren für die, denen man helfen willl - sind aber so ungeheuer, daß
jeder Schritt mit äußerster Behutsamkeit getan werden muß. Das Elend, in
dem die sudetendeutschen Nationalsozialisten jetzt sitzen, ist zu einem sehr
beträchtlichen Teil auf unbedachte Sympathiebeweise unvorsichtiger und
ahnungsloser Leute im Reich, auf Briefschreibereien, Sendung von Propa-
gandamaterial, Solidaritätserklärungen über die Grenze zurückzuführen.
Wohl hat der Herr Reichskanzler dem Führer Knirsch, wie dieser mir sagte,
das weise Wort auf den Weg mitgegeben: Die Sudetendeutschen sollten
ihre eigene Politik machen, das Reich könne ihnen auf lange Zeit hinaus
nicht helfen. Wäre dieser Ausspruch mit dem nötigen Nachdruck von den
hiesigen Führern in der Partei bis unten durchgegeben worden, so wäre
manches anders gekommen. Nun gilt es wenigstens, das Übel nicht noch zu
verschlimmern und aus den Fehlern, die andere in bester Absicht gemacht
haben, zu lernen. Ich bitte daher die folgenden Gesichtspunkte an die Spitze
meines Berichts stellen zu dürfen.
1.) Eine Hilfsaktion kann im Augenblick nur finanzieller Natur sein.
Alles andere wäre ein wahrer Bärendienst für die Betroffenen. Aber auch
die finanzielle Hilfe müßte mit vollkommen abgeblendeten Lichtern fahren.
Wenn die Tschechen und die feindlich gesinnten Sudetendeutschen das
geringste davon erfahren, schlägt die Aktion zum schweren Nachteil der
hiesigen Nationalsozialisten aus. In den nächsten Monaten muß mit der
gerichtlichen Aburteilung von etwa 300 sudetendeutschen Nationalsozia-
listen gerechnet werden. Wenn irgendwie ruchbar wird, daß aus Deutsch-
land Unterstützungen hereinfließen, haben die Staatsanwälte gewonnenes
Spiel. Der Beweis der Zusammenarbeit mit der NSDAP im Reich gilt dann
vor den Gerichten als erbracht. Er wird zu der weiteren Unterstellung füh-
ren, daß schon bisher die ganze Bewegung mit Geldern aus dem Reich
finanziert worden ist, und die Strafen, die erkannt werden, werden um
vieles härter ausfallen.
2.) Die Tschechen sind schon hellhörig gemacht: Während die Gesandt-
230
Nr. 132 17. DEZEMBER 1933
schaft erst heute Nachricht über die in Berlin bestehenden Absichten erhält,
brachte der Vecer bereits in seiner Ausgabe vom 12. d. M. eine ausführliche
Nachricht über eine in Deutschland geplante Hilfsaktion zugunsten der auf-
gelösten Nationalsozialistischen Partei in der Tschechoslowakei.
3.) Die Aktion wird schon deswegen sehr schwer durchzuführen sein,
weil die Partei völlig atomisiert ist. Die Führer sind entweder tot (Knirsch)
oder flüchtig (Krebs) oder im Gefängnis (Jung, Kasper usw.). Die Presse ist
restlos unterdrückt. Die Parteimitglieder haben sich in allen Winkeln ver-
krochen. Das Treibholz, das sich um die Partei angelegt hatte, ist bereits
nach verschiedenen Richtungen (Heimatfront, Landbundjugend, Kamerad-
schaftspartei) abgeschwommen. Dazu sitzen überall Verräter, die Konjunk-
turpolitik treiben; keiner traut dem andern. Knirsch hat uns vor seinem
Tode vier Männer genannt, die er als die Liquidatoren der Partei und als
treu und zuverlässig bezeichnete; ich füge ihre Namen auf einem beson-
deren Bogen bei.2) Ihre Benennung ist angeblich noch auf einen Parteivor-
standsbeschluß zurückzuführen. Die Gesandtschaft kennt sie nicht genauer.
Will man die Hilfsaktion durchführen, so muß man ihnen unbegrenztes
Vertrauen schenken und das nötige Geld unter Verzicht auf jede Rech-
nungslegung in ihre Hände legen. Aber wer kann wissen, ob nicht die
Häscher schon hinter ihnen her sind? Unter scharfer Bewachung stehen sie
sicher schon; die ihnen anvertrauten Summen können jeden Augenblick
verloren sein.
4.) Eine weitere sehr ernste Verschärfung bilden die strengen Devisen-
bestimmungen. Alles Geld, dessen inländische Herkunft nicht zweifelsfrei
nachzuweisen ist, verfällt, auch wenn es lediglich zu humanitären Zwecken
bestimmt ist, der Beschlagnahme. Hereinkommen wird das Geld kaum auf
andere Weise können als mit dem Kurier. Die verhängnisvollen Folgen, die
sich daraus möglicherweise für die Gesandtschaft ergeben, liegen auf der
Hand, müssen aber getragen werden.
5.) Im übrigen müßte sich die Hilfsaktion zwischen der Partei und den
Vertrauensleuten abspielen. Sobald irgendwo die Beteiligung einer offiziel-
len Stelle des Reichs durchscheinen würde, wäre die unzulässige Ein-
mischung in innerpolitische Verhältnisse gegeben und die tschechische
Regierung hätte einen vorzüglichen Rechtstitel, sich nunmehr ganz und
offen auf die Seite der Emigranten zu schlagen. Eine Mitwirkung der Ge-
sandtschaft, abgesehen von der Vermittlung des Geldes, käme kaum in
Frage. Wohl aber stelle ich zur Erwägung, ihr eine Summe (3000 RM) für
die Linderung von Notfällen, die zu ihrer Kenntnis kommen und denen sie
jetzt in Ermangelung von Mitteln machtlos gegenüber steht, an die Hand
zu geben; an eine „Anweisung" an die Vertrauensleute oder gar an irgend-
einen regelmäßigen „Rechtshilfeverkehr" mit diesen kann nicht gedacht
werden.
6.) Es ist wohl selbstverständlich, daß die gleiche Hilfe, die den Sudeten-
deutschen geleistet wird, auch den wegen ihrer nationalsozialistischen
Gesinnung verfolgten Reichsdeutschen geboten werden muß. Hier könnte
'(2) Nicht ermittelt. Am Rande der Vorlage sind in der Handschrift Hüffers folgende Namen
aufgeführt: .Abgeordneter Sims [Simm], R(edits]a[nwalt| Kreißl, Redakt[eur) Karg
(Dux), Verbandsdir[ektor) Bachmann (Dux)."
231
Nr. 132 17. DEZEMBER 1933
(3) Köpke informierte Koch in Telegramm Nr. 104 vom 19. Dezember (9556/E 672 747), daß
der Gesandtschaft in Prag für die in Punkt 5 und 6 der Vorlage vorgeschlagenen Zwecke
10 000 RM zur freien Verfügung überwiesen würden. Siehe auch Dokument Nr. 137.
232
Nr. 133 DEZEMBER 1933
hier viel weiteren Spielraum als im Reich, was sich natürlich nur nach oben
auswirkt. Ein paar tausend Kc. für eine Verteidigung sind hier bald aufge-
laufen. Ich würde es für eine große Wohltat halten, wenn man die einge-
kerkerten Parteigenossen über diesen Kummer hinaushöbe, indem man
ihnen die Übernahme der Verteidigungskosten durch eine dritte Stelle in
Aussicht stellte. In vielen Fällen macht man erst hierdurch die Annahme
eines Verteidigers möglich, wobei natürlich zur Zeit ein Kostenvorschuß,
der Rest erst nach Beendigung des Prozesses zu leisten wäre. Ich möchte die
entstehenden Ausgaben nicht unterschätzen-, 15 000 RM könnten immerhin
zusammenkommen.
c) Am schwersten lastet auf den Verhafteten die Sorge, was aus ihren
Familien werden soll. Die gleiche Sorge haben alle, die bisher von der
Partei besoldet wurden. Auch die Frau des verstorbenen Parteiführers
Knirsch ist vis-ä-vis de rien, und mindestens ein Teil der obengenannten
Vertrauensleute dürfte auch ohne alle Subsistenzmittel sein. Hier müßte
geholfen werden. Die drei in Haft befindlichen Abgeordneten haben bisher
ihre Diäten gehabt; vom 1. Januar an werden ihre Familien in größte Not
kommen. Die sonstigen Fälle sind von hier aus nicht zu überblicken; aber
an die Vertrauensleute werden sicher genügend Fälle herangebracht wer-
den. Vielleicht gibt man ihnen zunächst einmal zur Stillung der bittersten
Not versuchsweise monatlich 5000 RM, bis die Vertrauensleute einige Er-
fahrung haben. An irgendwelche Abrechnung ist natürlich bei der ständigen
Gefahr der Haussuchung nicht zu denken.
Auf diese Vorschläge muß ich mich heute beschränken. Ich glaube nicht,
daß es möglich sein wird, über diesen Kreis hinauszugehen und die Not im
Lande draußen, wo Nationalsozialisten gemaßregelt worden sind und ihren
Arbeitsplatz verloren haben, in den Kreis der Hilfsaktion zu ziehen. Man
muß immer bedenken, die sudetendeutsche DNSAP ist heute kein exakter
Begriff mehr; niemand weiß sicher, wer dazu gehört. Auch ist an eine Ge-
heimhaltung solcher Hilfeleistung bei Leuten, die mit Sozialdemokraten und
Kommunisten Wand an Wand wohnen, gar nicht zu denken. Wird aber die
Unterstützung aus dem Reich bekannt, so wird der Betreffende verhaftet
und nach dem Republikschutzgesetz verfolgt, kommt also in noch größere
Not. So wird Wohltat Plage.
gez. DR. KOCH
133
8115/E 580 217-25
Aulzeichnung ohne Unterschriftl)
II Vat. 22
Am 18. Dezember 1933 wurde ich vormittags 10 Uhr vom Kardinalstaats-
sekretär empfangen und hatte eine Unterredung, die bis 11.45 Uhr dauerte.
*(l) Diese undatierte Aufzeichnung wurde mit Begleitschreiben vom 9. Januar 1934
(8115/E 580 212) von Buttmann an Neurath übermittelt. Das Begleitschreiben sowie die
Vorlage und die Dokumente Nr. 135 und 136 tragen die Journalnummer II Vat. 22.
233
Nr. 133 DEZEMBER 1933
Vom Herrn Botschafter beim Heiligen Stuhl war ich darauf aufmerksam
gemacht worden, daß im Vatikan darüber starke Verstimmung herrsche, daß
das mir am 29. Oktober überreichte Protokoll 2 ) noch nicht unterzeichnet
und eine Antwort an den Heiligen Stuhl nicht erfolgt sei.3) Ich eröffnete
daher die Unterredung damit, daß ich erklärte, ich bäte den Herrn Kardinal,
meinen heutigen Besuch nicht als eine Fortsetzung der Besprechungen vom
Oktober zu betrachten, sondern lediglich als den Ausdruck meines Willens,
die durch unser Schweigen etwa entstandenen Befürchtungen zu zerstreuen,
als beabsichtige die Reichsregierung, die Beantwortung der an sie gerichte-
ten Fragen zu unterlassen. Freilich sei der Führer der Meinung, daß die
Fragen der Auslegung und des Vollzugs des Reichskonkordats am besten
im Zusammenhang mit den ohnehin in nächster Zeit bevorstehenden Ver-
handlungen über ein neues Reichskonkordat beantwortet würden.
Pacelli: Ich habe Ihr Schweigen nicht als Mangel an Courtoisie empfun-
den, aber ich freue mich doch sehr, daß Sie persönlich hierhergekommen
sind, um die Verzögerung einer Antwort zu erklären. Der Heilige Vater 4 )
ist über die Lage in Deutschland sehr beunruhigt. Er hat mir heute morgen,
nachdem er längere Zeit über die Klagen aus Deutschland kein Wort ge-
äußert hat, gesagt, er müsse in seiner Weihnachtsallokution unbedingt auf
Deutschland zu sprechen kommen, zumal es die erste öffentliche Rede des
Papstes seit dem Abschluß des Reichskonkordats ist. Wenn ich, fuhr Pacelli
fort, Seiner Heiligkeit nur irgend etwas Erfreuliches vorlegen könnte, so
glaube ich, daß die Stimmung des Papstes dadurch verbessert würde.
Meine Antwort: Wäre der unglückselige Wahlaufruf der bayerischen
Bischöfe 5) anders ausgefallen oder überhaupt unterblieben, so wären wir
heute zweifellos weiter. Die Stimmung des Herrn Reichskanzlers hat durch
diese Verlautbarungen eine starke Trübung erfahren. Ich persönlich war
peinlich überrascht von den Wendungen, die die bayerischen Bischöfe ge-
brauchten.
Pacelli: Die bayerischen Bischöfe sind in einer außerordentlich heiklen
Lage. In Bayern wird so viel über den mangelhaften Vollzug des Konkor-
dats geklagt, und man macht in weiten Kreisen den Bischöfen den Vorwurf,
sie nähmen alles schweigend hin.
Meine Antwort: Kein Wahlaufruf wäre besser gewesen als dieser. Der
von Herrn Erzbischof Gröber vorgelegte Entwurf enthält nichts von der
Unterscheidung zwischen der Volksabstimmung und der Reichstagswahl.
Gerade diese Unterscheidung aber, die fast einer Empfehlung, die Reichstags-
liste abzulehnen, gleichkommt, hat beim Führer das stärkste Befremden
erregt. Das Wahlergebnis des 12. November aber hat die Autorität der
Bischöfe gewiß nicht gestärkt; denn das Wahlergebnis, auch in den über-
wiegend katholischen Gegenden übertraf selbst unsere kühnsten Erwar-
234
Nr. 133 DEZEMBER 1933
(•) Schreiben Pacellis vom 25. November an Ritter zu Groenesteyn (6153/E 460 949-54). Eine
Abschrift der Note war vom Kardinalstaatssekretär am 26. November Bergen zugestellt
worden, der sie am 4. Dezember dem Auswärtigen Amt übermittelt hatte (6153/E 460
947-48).
(?) Eine Abschrift der bayerischen Antwortnote vom 14. Dezember wurde am 21. Dezember
von Bergen dem Auswärtigen Amt übermittelt (6153/E 460 977-85).
(8) In seiner Antwort vom 19. Dezember (6153/E 460 989-94) auf die bayerische Note vom
14. Dezember zitierte Pacelli den Wortlaut der Weisung des bayerischen Minister-
präsidenten Siebert an die Polizeidirektion in München.
235
Nr. 133 DEZEMBER 1933
gleichen Männer, die jahrzehntelang Präsides waren und die unsere Be-
wegung 13 Jahre lang stark bekämpft haben. Das Reich hat heute noch
nicht die Polizeihoheit wie bei den Ländern, und die Oberpräsidenten er-
klären, die Verantwortung für die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht
übernehmen zu können, wenn unter dem Namen der katholischen Vereine
der politische Katholizismus von den gleichen Führern weiterorganisiert
wird. Ich halte es im Interesse der katholischen Kirche selbst für besser,
wenn Sie hier eine Erneuerung der Führung veranlassen wollten und die
von Erzbischof Gröber m. E. begrüßte Vereinheitlichung des katholischen
Vereinslebens nach vier bis fünf großen Gruppen durchführen würden.
Pacelli erklärte, eine Antwort auf diese Anregung sich vorbehalten zu
müssen.
Pacelli: Eine weitere unangenehme Angelegenheit ist die Veröffentli-
chung von Aufsätzen über das Konkordat in der deutschen Monatsschrift
Die Tat.
Meine Antwort: Ich kenne diese Aufsätze. Ich habe ein Verbot der Zeit-
schrift erwogen,9) es aber bei einer bloßen Verwarnung bewenden lassen,
weil die Zeitschrift, die in der Ära Schleicher in Deutschland eine große
Rolle spielte, seit der Machtergreifung des Führers an Bedeutung außer-
ordentlich verloren hat und durch ein Verbot für sie nur Reklame gemacht
würde. Artikel in Zeitungen und Zeitschriften sollten weder auf Ihrer noch
auf unserer Seite in ihrer Bedeutung überschätzt werden, seien es deutsche
oder italienische oder Organe eines anderen Landes.
Pacelli: Gestatten Sie mir eine Frage, die nicht eigentlich die Reichs-
regierung betrifft, noch anzuschneiden: die Wahl des Berliner Domkapitels
ist auf den Bischof Dr. Bares von Hildesheim gefallen, und der Heilige Stuhl
wäre mit Bares einverstanden. Wir haben erfahren, daß Preußen Einwen-
dungen zu erheben beabsichtigen soll. Solche Einwendungen sind nicht er-
hoben worden; und da die Wahl bereits am 28. Oktober erfolgte und die
Vorschlagsliste am gleichen Tage zur Kenntnis der preußischen Regierung
gebracht worden ist, so ist die 20tägige Frist verflossen, und die Bulle
könnte veröffentlicht werden. Wir wollen aber, da wir auf die guten Bezie-
hungen zur deutschen Reichsregierung größten Wert legen, die Ernennung
nicht vollziehen, bevor nicht eine zustimmende Äußerung der preußischen
Regierung erfolgt ist. Wenn wir dem Heiligen Vater vor der endgültigen
Fertigstellung seiner Weihnachtsansprache wenigstens bei diesem Punkte
die Beruhigung eines reibungslosen Verlaufs verschaffen könnten, so
wäre damit schon etwas gewonnen. Außerdem habe ich in einer Note 10)
darauf hingewiesen, daß ein Priester zur Privatdozentur nicht zugelassen
(8) In einer Aufzeichnung vom 1. Dezember (8115/E 580 118-21) hatte Menshausen auf zwei
von Martin Goetz verfaßte und in Die Tat erschienene Artikel über das Reichskonkordat
aufmerksam gemacht. Menshausen wies darauf hin, daß ein Verbot bestehe, das Kon-
kordat in die öffentliche Diskussion zu ziehen, und forderte die Presseabteilung auf,
im Benehmen mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
gegen die Zeitschrift die erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen.
(10) Randbemerkung: .II Vat. 589". Dieser Hinweis bezieht sieh auf eine von Bergen am
11. Dezember dem Auswärtigen Amt übermittelte Note Pacellis vom 4. Dezember
(6153/E 460 960-65).
236
Nr. 133 DEZEMBER 1933
237
Nr. 133 DEZEMBER 1933
übergeben, die ich dem Papst vorzeigen kann. In dieser Note wären fol-
gende Punkte zu behandeln:
1. Die Auslegung verschiedener Konkordatsbestimmungen, um die der
Heilige Stuhl gebeten hat, wird in den demnächst zu beginnenden Verhand-
lungen gegeben.
2. Die Reichsregierung erkennt im Falle der Reichsreform die interimi-
stischen finanziellen Verpflichtungen aus den Länderkonkordaten an.
3. In der Berliner Bischofswahl werden die bestehenden Hindernisse
noch vor Weihnachten beseitigt.
4. Die Beurlaubungen und Entlassungen geistlicher Lehrer werden
zurückgenommen.
5. Die Theologie-Studenten werden vom SA- und Arbeitsdienst befreit.
Ich erklärte mich bereit, mit der Reichsregierung in fernmündliche Ver-
bindung zu treten und am nächsten Vormittag dem Kardinalstaatssekretär
Antwort zukommen zu lassen.11)
Pacelli machte mich dann noch auf ein in Deutschland vor kurzem er-
schienenes Buch aufmerksam, von dessen Verfasser er aber nur den Vor-
namen Erich wußte. Dessen Titel sei: Deutsche Geschichte nationalsozia-
listisch gesehen.12) Der Verfasser behaupte im Vorwort, das Buch sei nach
den Grundsätzen des Reichsinnenministers Dr. Frick geschrieben, obwohl es
eine private Arbeit darstelle. Dieses Buch sei vielleicht vom Standpunkt des
evangelischen Bundes aus begreiflich, für die Katholiken schlechthin belei-
digend.
Ich erklärte, das Buch nicht zu kennen, und bat, aus solchen privaten
Äußerungen keine Staatsaktion zu machen. Wenn der Reichsinnenminister
Frick seine Ansichten kundzutun wünsche, so ständen ihm genug Möglich-
keiten offen.
Pacelli bat mich, dem Herrn Reichskanzler und dem Herrn Reichsinnen-
minister seine besten Grüße zu übermitteln, und verabschiedete mich mit
freundlichen Worten.
Kurz nach meinem Eintreffen in der Botschaft kam Prälat Kaas mit dem
Auftrag von Pacelli: in unserer Note solle der Punkt wegen der interi-
mistischen Verpflichtungen aus den Länderkonkordaten so gefaßt werden,
daß nicht nur die finanziellen, sondern auch die übrigen Verpflichtungen
erfüllt werden sollten. Ich erklärte Herrn Kaas, daß ich bereits mit Herrn
Staatssekretär Pfundtner gesprochen hätte, daß ich aber gerne am Abend
nochmals auf diese Sache zurückkommen würde. Allerdings könnte ich seine
Bitte nur so auffassen, daß die Reichsregierung eine förmliche Anerkennung
zur Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen in der Interimszeit nicht aus-
spreche, sondern diese Frage offen lasse und das finanzielle Gebiet beson-
ders hervorhebe.13) Kaas erklärte sich damit einverstanden.
238
Nr 134 18. DEZEMBER 1933
134
6159/E 461 249-50
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Menshausen
[BERLIN, den] 18. Dezember [1933]
Ankunft: 22. Dezember
zu II Vat. 526 J)
[Anlage]
239
Nr. 135 19. DEZEMBER 1933
135
(1) Die Vorlage trägt keine Unterschrift. Sie wurde von Buttmann mit Begleitschreiben
vom 9. Januar 1934 (8115/E 580 212) an Neurath übermittelt.
(2) Siehe die Dokumente Nr. 133 und 134.
240
Nr. 136 DEZEMBER 1933
136
8115/E 580 213-16
Auizeichnung ohne Unterschritt')
II Vat. 22
Am 19. Dezember 1933 überreichte ich dem Kardinalstaatssekretär um
11.30 Uhr die von mir im Einvernehmen mit Herrn Staatssekretär Pfundtner
und dem Herrn Botschafter beim Heiligen Stuhl fertiggestellte Note.2)
Pacelli las sie in meiner Gegenwart langsam laut vor. Wie zu erwarten
war, verstand er Punkt 4 der Note nicht sofort. Ich mußte mit einigen Er-
läuterungen, teils deutsch, teils italienisch, nachhelfen. Das erste, was er
hierüber zur Sprache brachte, war: Ich nehme doch an, daß das Reich das
alte Konkordat vom 20. Juli, das wir erst abgeschlossen haben, auch nach
der Durchführung der Reichsreform anerkennen wird. Die Wendung von
einem neuen Reichskonkordat beunruhigt mich.
Meine Antwort: Die Bestimmungen der Länderkonkordate werden in das
Reichskonkordat einzuarbeiten sein, und damit werden die meisten Artikel
eine neue Textfassung erfahren müssen. So wird ein neues Reichskonkordat
Zustandekommen.
Pacelli: Das bezieht sich aber doch nur auf die Bestimmungen, die in den
Länderkonkordaten enthalten sind.
Meine Antwort: Der Sinn der Reichsreform ist die Vereinheitlichung des
Rechtes in ganz Deutschland. Es wird dann keine überwiegend katholischen
und keine überwiegend protestantischen Länder mehr geben. Infolgedessen
entsteht für das Reich eine neue Auffassung. Doch ist das nur meine persön-
liche Meinung. In dieser Note soll lediglich die Regelung der Interimszeit
ausgesprochen sein.
Die Einschränkung „nach Möglichkeit" beunruhigte Pacelli ebenfalls.
Ich wies darauf hin, daß er bei der gestrigen Unterredung nur von den
finanziellen Verpflichtungen gesprochen habe und daß ich infolgedessen mit
Berlin nur hierüber Verständigung erreicht hätte. Ich mußte daher, weil ich
hier die Verantwortung selber übernehmen mußte, die Fassung so vor-
sichtig wie möglich wählen, übrigens könnte ich mir nicht denken, daß
die Verpflichtungen auf anderem als dem finanziellen Gebiet Konflikte mit
sich brächten.
Nach langem Hin und Her verließ Pacelli diesen Punkt und vermißte die
Beantwortung der Frage wegen der Beurlaubung und Entlassung von
Beamten.8)
Ich erklärte ihm hier auftragsgemäß, daß die Reichsregierung eine Unter-
scheidung von Beamten, die katholische Theologen seien, und anderen
Beamten nicht machen könne.
Pacelli erklärte darauf, daß die katholischen Fakultäten doch eigentlich
(1) Dieses undatierte Memorandum wurde mit Begleitschreiben vom 9. Januar (8115/E 580
212) von Buttmann an Neurath übermittelt.
(2) Dokument Nr. 135.
(3) Siehe Dokument Nr. 133.
241
11,1 Bg. 16
Nr. 136 DEZEMBER 1933
an der Stelle der tridentinischen Seminarien seien, die Consalvi auf dem
Wiener Kongreß zugestanden erhalten hätte. Daher seien diese katholi-
schen theologischen Fakultäten nicht nur staatliche Anstalten, sondern auch
solche der Kirche. Der Heilige Stuhl lege Wert darauf, daß solche Abbe-
rufungen wenigstens nicht ohne Einvernehmen mit dem Bischof erfolgen
sollten.
Meine Antwort: Ich werde diese Angelegenheit dem Führer vortragen,
glaube aber persönlich, daß es möglich sein wird, im Einvernehmen mit dem
Bischof Beurlaubungen und Entlassungen vorzunehmen in all den Fällen,
wo bei der Berufung ins Amt das Ordinariat beteiligt ist.
Pacelli gab sich einstweilen mit dieser Zusage zufrieden und erkundigte
sich dann sehr lebhaft nach dem Beginn der neuen Verhandlungen.
Ich erklärte ihm, daß ich in Berlin noch viel andere Arbeit zu tun hätte,
aber hoffte, im Februar zu eingehenden Verhandlungen mich freimachen zu
können.
Pacelli kam dann ziemlich unvermittelt auf die Gefahr eines Kultur-
kampfes in Deutschland zu sprechen. Er erklärte, es gebe Leute, die es für
die Kirche gar nicht für ein großes Unglück hielten, wenn ihr eine Kampf-
zeit in Deutschland auferlegt würde. Aber es wäre doch für die ganze
Menschheit ein großes Unglück.
Ich machte den Kardinal darauf aufmerksam, daß eine solche Konflikts-
zeit für die Kirche in gar keiner Beziehung wünschenswert sei. Denn die
Anhänglichkeit und treue Ergebenheit auch der katholischen Teile Deutsch-
lands an Adolf Hitler, wie sie sich am 12. November in so glänzender
Weise geoffenbart habe, müsse doch der katholischen Kirche zeigen, daß
in dem schweren Gewissenskonflikt für die katholischen Deutschen die
Treue zu ihrem Vaterland ausschlaggebende Bedeutung besäße. Ich hoffte
sehr, daß die kirchlichen Kreise, die sich von einer Märtyrer-Stellung der
Kirche auf die Dauer Gutes versprächen, in ihrer Zuversicht etwas er-
schüttert würden. Wenn Pacelli von der Stimmung des Papstes 4) spreche,
so müsse ich darauf aufmerksam machen, daß in Deutschland viele Kreise,
auch gerade solche, auf deren Urteil der Führer größten Wert lege, zwar
den konfessionellen Frieden durchaus wollten, aber den politischen Katho-
lizismus immer noch sehr fürchteten, der unter gar keinen Umständen
wieder aufkommen dürfe.
Pacelli kam dann auf die Jugendorganisationen zurück und versprach
mir, dem Papst den Vorschlag eines freiwilligen Verzichts auf die katholi-
schen Sonderorganisationen der Jugendlichen vorzutragen. Allerdings sei
der Papst gerade auf diese Jugendorganisationen besonders stolz.
Ich wandte ein, daß die Jugendorganisationen leicht zu einem katholi-
schen Ghetto werden würden, zumal die Überführung der evangelischen
Jugendorganisationen in die Hitlerjugend unmittelbar bevorstehe. Der
katholische junge Deutsche dürfe sich unter keinen Umständen als einen
Deutschen minderen Ranges ansehen lernen, und das sei im praktischen
Leben doch kaum zu vermeiden.
Pacelli bat mich, ihm den Entwurf der Liste der katholischen Vereine zu
• (4) Pius XI
242
I
Nr. 137 19. DEZEMBER 1933
übersenden, was ich ihm zusagte.5) Er wollte sich die Vereinheitlichung des
katholischen Vereinslebens reiflich überlegen.
Zum Schluß sprach Pacelli mit großer Wärme von dem religiösen Emp-
finden des Herrn Reichspräsidenten und beauftragte mich, dem Herrn
Reichspräsidenten, dem Herrn Reichskanzler und den Herren Reichsministern
Dr. Frick und Freiherrn von Neurath seine besten Wünsche zum Weih-
nachtsfest und zum Jahreswechsel zu übermitteln.
(5) In den Akten der Botschaft beim Heiligen Stuhl befindet sich eine .Liste der katho-
lischen Gesellschaften und Organisationen, die unter den Schutz des Artikels 31 des
Reichskonkordats fallen" (M 132/M 004 894-963). Sie trägt die Randbemerkung: .Wurde
mir in Berlin übergeben. B[ergen] 10. 4." Das Datum der Absendung der Liste an
Pacelli ließ sich nicht ermitteln.
137
9542/E 672 363-66
243
Nr. 137 19. DEZEMBER 1933
244
Nr. 138 19. DEZEMBER 1933
(4) In einem Erlaß des Auswärtigen Amts vom 19. Dezember (9542/E 672 360-61), dem eine
Abschrift der Vorlage beigefügt war, wurde die Gesandtschaft in Prag angewiesen,
alles Notwendige für einen raschen Beginn der Hilfsaktion zu unternehmen.
138
8933/E 626 724-25
(1) Randbemerkung auf einer anderen Ausfertigung (8933/E 626 726-27) des vorliegenden
Dokuments: .Abt. IV. Eine Reise Dirksens nach der Mandschurei kommt doch wohl
nicht in Frage?!! BJülow] 21. 12." Eine entsprechende Weisung wurde der Botschaft
in Tokio mit Telegramm Nr. 104 vom 21. Dezember (8933/E 626 729-30) übermittelt.
245
Nr. 139 20. DEZEMBER 1933
139
K 1052/K 269 351-54
Bei der antideutschen Hetze in New York gehen, von den gleichen
jüdischen Drahtziehern veranlaßt, seit Mitte Oktober zwei verschieden-
(1) III A. 3968: Brief Werner Haags, Adjutant des Landesführers der Freunde des Neuen
Deutschland in New York, vom 4. Dezember an eine nicht ermittelte Person in Deutsch-
land (K 1052/K 269 345). In dem Brief wurde die antideutsche Bewegung in den USA
und der von amerikanischen Juden propagierte Boykott deutscher Waren erörtert. Ihm
war ein Flugblatt des Daily Worker beigefügt, das die Überschrift trug: .Secret Nazi
Plots in US" (K 1052/K 269 346-48) und in dem Haag selbst angegriffen wurde. Haag
beklagte sich über die mangelhafte Unterstützung, die das Generalkonsulat in New York
deutschen Staatsbürgern in den USA zukommen lasse, und bat seinen Briefpartner,
die Angelegenheit Neurath zur Kenntnis zu bringen. Der Brief Haags wurde am
18. Dezember im Büro des Reichsministers registriert und weist Unterstreichungen von
Neuraths Grünstift auf. In einem Vermerk, der am gleichen Tage zusammen mit Haags
246
Nr. 139 20. DEZEMBER 1933
artige Verfahren nebeneinander her. Einerseits schwebt ein von dem Bun-
desstaatsanwalt in New York eingeleitetes Verfahren gegen Heinz
Spanknöbel wegen des Vergehens, sich im Auftrage einer fremden Regie-
rung in den Vereinigten Staaten ohne vorherige Anmeldung beim Staats-
departement betätigt zu haben.2) Andererseits betreibt der New Yorker
Kongreßabgeordnete Samuel Dickstein in seiner Eigenschaft als Vorsitzen-
der des Ausschusses für Einwanderungssachen ein Verfahren, das die unter
falschen Angaben in die Vereinigten Staaten zugelassenen „Nazi-Agenten"
ermitteln und ihre Deportation herbeiführen soll. In beiden Verfahren, bei
denen die Stimmungsmache in der Presse die Hauptrolle spielt, wird von
den Anklägern behauptet, daß die Tätigkeit der Nazi-Agenten in Amerika
auf Unterminierung der amerikanischen Institutionen und letzten Endes
auf Beseitigung der Verfassung abziele.
In dem kriminellen Verfahren gegen Spanknöbel hat die Anklage-Jury
am 10. v. M. gegen den Genannten, der Amerika bereits heimlich verlassen
hatte, formell Anklage erhoben, und es ist nach Ansicht des Generalkonsu-
lats nicht ausgeschlossen, daß es zu seiner Verurteilung in contumaciam
kommen wird. Inzwischen wird das Untersuchungsverfahren gegen die
nächsten Mitarbeiter Spanknöbels und Mitglieder des „Bundes der Freunde
des Neuen Deutschlands" wegen Verdachtes der Beihilfe (conspiracy) mit
der Absicht fortgesetzt, auch sie irgendwie zu inkriminieren. Das Ende
dieses Verfahrens, das auch auf den zufällig Anfang v. J. nach New York
eingereisten Weinhändler Georg Schmitt, der einen schriftlichen Auftrag
der Bundesleitung des Stahlhelms bei sich führte, ausgedehnt worden ist,
ist noch nicht abzusehen. Nach der letzten darüber vorliegenden Meldung
der Botschaft vom 1. d.M.3) hatte der Untersuchungsrichter den Reichs-
angehörigen Roll, der sich weigerte, der Anklage-Jury das Verzeichnis der
in New York lebenden Mitglieder der NSDAP vorzulegen, wegen „contempt
of court" mit Haft bestraft, bei der Roell von Mitgefangenen mißhandelt
wurde.
Der Dickstein-Ausschuß ist erstmalig am 16. v.M. in Washington zusam-
mengetreten, hat sich aber am nächsten Tage bis zum 4. d. M. vertagt, weil
von einigen Zeugen mit der Begründung, daß der Ausschuß der verfassungs-
mäßigen Grundlage entbehre, die Aussage verweigert wurde. Das erste Ziel
der Untersuchung bestand darin, einen von dem Kommunistenblatt Daily
Worker faksimiliert veröffentlichten Brief mit der Unterschrift von
Spanknöbels Adjutanten Werner Haag - cf. Anlage zum Eing[ang] -,4) den
der Genannte von Anfang an als Fälschung bezeichnet hatte, durch kommu-
nistische Zeugen als echt zu erweisen. Dieser Beweis ist nach einem Schrift-
bericht der Botschaft vom 28. v. M.5) völlig mißlungen. Die Botschaft nahm
247
Nr. 139 20. DEZEMBER 1933
aus diesen und anderen Gründen an, daß das Verfahren nicht fortgesetzt
werden würde. Tatsächlich liegt auch keine Meldung über die Wiederauf-
nahme am 4. d. M. vor. Aus Pressemeldungen über neuerliche Hetzreden
Dicksteins - am 18. d.M. behauptete er, in den letzten 11 Monaten seien
60 000 Hitler-Agenten nach Amerika gekommen - muß durchaus damit
gerechnet werden, daß er bei Beginn der Kongreßtagung Anfang Januar
die Einsetzung eines Ausschusses zur Untersuchung der Nazi-Propaganda
mit den verfassungsmäßigen Befugnissen erreichen und daß alsdann die
ganze Angelegenheit neu aufgerollt werden wird.
Was die in dem Eingang enthaltene Klage über mangelhafte Unter-
stützung des Herrn Haag seitens des deutschen Generalkonsulats angeht,
so wird sie von Abt[eilun]g III für völlig unberechtigt gehalten. Angesichts
der politischen Natur der beiden gegen Haag und Genossen eingeleiteten
Verfahren muß sich Generalkonsul Borchers zweifellos nach außen erheb-
liche Reserve auferlegen. Im übrigen aber steht er, wie sich aus den Akten
ergibt, mit den Beteiligten nicht nur persönlich in engster Fühlung, sondern
läßt sie auch durch den Vertrauensanwalt des Generalkonsulats, dem für
die fraglichen Zwecke ein größeres Honorar überwiesen worden ist, sach-
gemäß beraten, überdies steht Kapitän Mensing vom Norddeutschen Lloyd,
der bei seinem kürzlichen Aufenthalt in Berlin mit der Parteileitung einge-
hend Fühlung genommen hat 6 ) und mit dem im Auswärtigen Amt das
amerikanische Vorgehen gegen die Parteigenossen wiederholt eingehend
durchgesprochen worden ist, seit seiner kürzlichen Rückkehr nach New
York als Mittelsmann zwischen den Angeschuldigten und dem Generalkon-
sulat zur Verfügung. Außerdem befindet sich Generalkonsul Borchers in
dieser Angelegenheit in fortgesetzter engster Fühlung mit der Botschaft in
Washington. Herr Botschafter Luther hatte bereits am 17. v. M. den ganzen
Fragenkomplex zum Gegenstand einer energischen Demarche bei dem
stellvertretenden Staatssekretär Phillips gemacht und Einstellung der frag-
lichen Verfahren mit der Begründung verlangt, daß sie offenbar lediglich
in verhetzerischer Absicht geführt würden und ihr enger Zusammenhang
mit kommunistischen Treibereien durch die Vorkommnisse im Dickstein-
Ausschuß bereits klar erwiesen sei.7) Am 1. ds. Mts. hat der Herr Botschafter
erneut bei Herrn Phillips in Verbindung mit der Verhaftung Roells nach-
drücklichst Beschwerde erhoben und die Fortsetzung der Vernehmungen in
New York, die zu neun Zehnteln lediglich politischer Natur seien, als un-
tragbar bezeichnet.8) über ein Eingreifen der Bundesregierung, das nach
Lage der Dinge äußerst schwierig sein dürfte, liegen bisher Nachrichten
nicht vor.
Wiewohl ein Ende der fraglichen Hetze, hinter der der stärkste jüdische
Propaganda-Apparat der Welt steht, zunächst kaum zu erwarten ist, besteht
doch volle Gewähr dafür, daß die direkten Opfer dieser Hetze in weit-
gehendster Weise die Unterstützung der zuständigen Auslandsvertretungen
erhalten.
FUEHR
248
Nr. 140 20. DEZEMBER 1933
140
8773/E 611372-78
Das Auswärtige Amt an das Reichsministerium des Innern1)
BERLIN, d e n 20. Dezember 1933
e. o. VI A. 2909
Ich beehre mich, anliegende Niederschrift über die Besprechung d e s
interministeriellen Ausschusses für Volkstums- u n d Minderheitenfragen
mit V e r t r e t e r n des Volksdeutschen Rates v o m 14. Dezember d. J. zur ge-
fälligen Kenntnis zu übersenden. 2 )
Im Auftrage
ROEDIGER
[Anlage]
BERLIN, d e n 14. Dezember 1933
zu V I A. 2909
BESPRECHUNG ZWISCHEN DEM INTERMINISTERIELLEN AUSSCHUSS FÜR VOLKSTUMS-
UND MINDERHEITENFRAGEN UND VERTRETERN DES „VOLKSDEUTSCHEN RATS"
AM 14. DEZEMBER 1933 VORM. 11 UHR IM AUSWÄRTIGEN AMT
Vorsitzender: Ges[andter] Stieve. Teilnehmer die in anliegender An-
wesenheitsliste 3) verzeichneten Herren.
Dr. Steinadler erklärte einleitend, daß zwei Grundsätze bei der Schaffung
des Volksdeutschen Rats maßgebend gewesen seien: 1) die Notwendigkeit
einer einheitlichen autoritativen Führung in allen Volksdeutschen Fragen,
2) die Eingliederung d e r Volksdeutschen Politik in die gesamtdeutsche
Politik in der gebührenden Ranghöhe. Im Gegensatz zu dem konservativen
oder liberalen Staat betrachte der nationalsozialistische Staat in der Haupt-
sache nicht d e n „Staatsbürger", sondern den „Volksgenossen" als Objekt
seiner Fürsorge. Damit seien die auslandsdeutschen Volksgenossen ein d e n
Reichsdeutschen gleichberechtigter Faktor der deutschen Politik geworden.
Dieser G e d a n k e liege d e r Betrauung des Stellvertreters d e s Führers mit der
Obhut für die auslandsdeutsche Arbeit zugrunde.
Bei der Auswahl d e r Mitglieder des Volksdeutschen Rats seien folgende
Gesichtspunkte maßgebend gewesen: N u r Persönlichkeiten, die 1) seit
langer Zeit in d e r Volksdeutschen Arbeit tätig g e w e s e n sind, 2) zueinander
in einem V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s stehen und die 3) k e i n e n amtlichen Charak-
ter tragen noch an hervorstehender Stelle in der NSDAP tätig gewesen sind,
seien als Mitglieder d e s Rats in Betracht gekommen.
Den interessierten Ministerien sei vom Stellvertreter des Führers mit-
geteilt worden, daß alle nichtamtlichen, in Volksdeutschen Fragen tätigen
Organisationen Herrn Rudolf H e ß und dem Volksdeutschen Rat unterstellt
(l) Dieses Schreiben wurde auch dem Reichsfinanzministerium, dem Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda, dem Reichswirtschaftsministerium, dem preußischen
Ministerpräsidium, dem preußischen Ministerium des Innern, dem preußischen Ministe-
rium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, dem preußischen Finanzministerium
sowie den Herren Müller-Boedner vom Stabsamt des Reichsbauernführers und Stein-
adler vom Volksdeutschen Rat zugestellt.
*(2) Siehe hierzu Dokument Nr. 60.
(3) Fundort: 8773/E 611 379-80.
249
Nr. 140 20. DEZEMBER 1933
250
Nr. 140 20. DEZEMBER 1933
251
Nr. 141 20. DEZEMBER 1933
141
3154/D 671 551-53
Der britische Botschalter in Berlin Phipps an Reichskanzler Hitler1)
BERLIN, den 20. Dezember 1933
Your Excellency!
His Majesty's Government in the United Kingdom are giving their
252
Nr. 141 20. DEZEMBER 1933
253
Nr. 142 21. DEZEMBER 1933
the German Government base their claim for 300 000 men involving in its
turn a correspondingly large total of arms. Apart from technical questions,
so large a figure will be universally regarded as a most formidable increase
and produce disastrous effects 7) on the mind of Europe.8)
(7) His Majesty's Government take note of the German Government's
renunciation from the outset of any offensive weapons which in the view
of the latter might appear to threaten their neighbours. The German
Government demand only „normal armaments" for defence, but these are
to include 155 millimetre guns. His Majesty's Government would wish to
be informed what are the categories of weapons included in the definition
„normal armaments" and what are the quantities. Would, for example, such
armaments include tanks and military aircraft, and, if so, in what quantities
and of what categories?
(8) His Majesty's Government understand that the Reichswehr will be
absorbed in the new army over a period of four or five years. They would
be glad to know how the peace Organisation of the German army under
Herr Hitlers proposal would compare with the three cavalry divisions and
seven infantry divisions of the existing Reichswehr.
(9) His Majesty's Government note that the German Government are
prepared to assure by a System of international, periodic and automatic
supervision that the SA and SS have no connection whatever with military
matters and assume that a similar assurance will be provided in respect
of the new Labour Corps, of which no mention is made.
I avail myself of this opportunity to renew to Your Excellency the
assurance of my highest considerations.
ERIC PHIPPS
(') Randbemerkung Neuraths auf der in Anm. 1 erwähnten Übersetzung: „Bis jetzt nicht."
(8) In einer Notiz vom 22. Dezember (3154/D 671 548-49) vermerkte Frohwein, daß ein
Beamter der britischen Botschaft im Auftrag des Botschafters einen Nachtrag zu dem
Schreiben an Hitler vom 20. Dezember überbracht habe. Der Beamte habe erklärt, daß
die drei letzten Sätze zu Punkt 6 des Schreibens bei der telefonischen Übermittlung vom
Foreign Office an die britische Botschaft in Berlin aus Versehen weggelassen worden
seien. Die fehlenden Sätze lauteten:
„In the British draft Convention parity between Germany and the metropolitan forces
of France was proposed at 200 000 men. Parity on this basis seems to His Majesty's
Government to be the proper comparison. In any case the total Frendi strength quoted
in the German memorandum appears to be greatly in excess of the strength of the
Frendi metropolitan army, as given in the League of Nations Year Book."
142
9762/E 685 823-25
Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer
BERLIN, den 21. Dezember 1933
IV Rd. 4918
AUFZEICHNUNG
Ich habe heute den litauischen Gesandten empfangen und ihm auftrags-
gemäß die nachstehende Eröffnung gemacht:
254
Nr. 142 21. DEZEMBER 1933
Vor zwei Tagen hätte ich ihm auf die Maßnahme der litauischen Regie-
rung gegenüber den reichsdeutschen Beamten des Memelgebiets mitge-
teilt,1) daß diese Maßnahme eine Verletzung des Memelstatuts 2 ) und des
Berliner Protokolls 3) sowie ein Bruch der Zusicherungen von Herrn Zaunius
an Herrn Zechlin sei 4 ) und im Gegensatz zu den Mitteilungen von Herrn
Novakas an Herrn Toepke stehe.5) Die deutsche Regierung betrachte sie
als einen bewußt unfreundlichen politischen Akt. Ich hätte präzisiert, daß
diese Maßnahme nicht ohne Folgen auf das deutsch-litauische Verhältnis
bleiben kann und diese Folgen sich auch wirtschaftlich auswirken würden.
Inzwischen seien zwei Tage vergangen, ohne daß die litauische Regierung
sich geäußert hätte. Auf die Demarche des deutschen Gesandten in Kowno,
Herrn Dr. Zechlin, habe Herr Zaunius u. a. geantwortet, daß die Maßnahme
der litauischen Regierung weitgehend von innerpolitischen Momenten be-
dingt gewesen sei.6) Die deutsche Regierung sei über diese Eröffnung im
höchsten Grade befremdet, denn innerpolitische Rücksichtnahmen fänden
ihre Grenze an internationalen Verträgen und getroffenen Abmachungen.
Ich sei beauftragt ihm mitzuteilen, daß die deutsche Regierung sich ent-
sprechend der Haltung der litauischen Regierung orientieren werde. In
wirtschaftlicher Hinsicht werde das Butterkontingent von 2090 t vom
1. Januar d. J. ab auf 600 t herabgesetzt werden. Die Einführung des Butter-
monopols stelle es Deutschland frei zu kaufen, wo es ihm beliebe, und
Deutschland werde selbstverständlich von den Staaten kaufen, die sich ihm
freundlich gegenüber stellten. Es sei ferner selbstverständlich, daß die vor
einigen Wochen in Aussicht gestellte Abnahme von 6[000]-7000 Schweinen
nicht mehr stattfinden könne, da die Voraussetzung dieser Zusage hin-
fällig geworden sei. Ich hätte bei den Verhandlungen klar betont, daß die
Abnahme der Schweine in der Erwartung und Voraussetzung erfolgt sei,
daß die deutsch-litauischen Beziehungen freundschaftlich blieben und durch
keinerlei Zwischenfälle gestört würden. Aus dem Buttermonopol ergäbe
sich ferner, daß die Butter aus dem kleinen Grenzverkehr ausscheiden
müsse, über Eier und Käse habe ich nicht gesprochen. Der Stand der
(1) Meyer vermerkte in einer Aufzeichnung vom 19. Dezember (9798/E 687 589-90), er habe
an diesem Tage Saulys gegenüber gegen eine Anordnung der litauischen Regierung
vom 18. Dezember protestiert, mit der 108 deutsche Beamte und Lehrer im Memelgebiet
ihres Postens enthoben worden waren. Er habe Saulys erklärt, daß diese Maßnahme
nicht ohne Folgen für das deutsch-litauische Verhältnis bleiben könne und daß diese
Folgen sich auch auf wirtschaftlichem Gebiet auswirken würden.
(2) Memelkonvention und Memelstatut vom 8. Mai 1924, abgedruckt in S.d.N., Recueil des
Traites, Nr. 736, Bd. XXIX, S. 85-115.
(3) Siehe Dokument Nr. 125, Anm. 3.
*(4) Zechlin hatte in Telegramm Nr. 65 vom 13. September 1933 (9005/E 631 163-64) berichtet,
Zaunius habe ihm versichert, daß es die feste Absieht der litauischen Regierung sei, bei
der Anwendung des litauischen Gerichtsverfassungsgesetzes mit seinen Vorschriften
über die Nationalität der Gerichtsbeamten (siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 405,
Anm. 5) Auseinandersetzungen mit der deutschen Regierung zu vermeiden.
(5) Generalkonsul Toepke hatte in Telegramm Nr. 96 vom 18. Dezember (9798/E 687 425-26)
berichtet, Novakas habe ihm, trotz einer bei seinem Amtsantritt gegebenen entsprechen-
den Zusage, vor Erlaß der Anordnung vom 18. Dezember über die Entlassung deutscher
Beamter und Lehrer im Memelgebiet keine Gelegenheit zu einer Aussprache gegeben.
(•) Zechlin hatte in Telegramm Nr. 93 vom 19. Dezember (9798/E 687 579-80) über seine am
gleichen Tage unternommene Demarche berichtet.
255
Nr. 143 21. DEZEMBER 1933
143
6114/E 454 125-32
Der Gesandte in Wien Rieth an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts
von Bülow
WIEN, den 21. Dezember 1933
II Oe. 2243
Lieber Herr von Bülow!
Im Nachgang zu meinem Drahtbericht Nr. 80 vom 12. Dezember 1933 *)
über die innerpolitische Lage in Österreich möchte ich Sie über einige Vor-
gänge informieren, die die zur Zeit hier, wie ich mehrfach berichtete, sehr
labile und sich schnell verändernde Sachlage wiederum verschoben haben.
Herr Dollfuß hat durch Vermittlung des jungen Fürsten Schönburg-
Hartenstein, des reichsdeutschen, meist in Österreich wohnenden national-
sozialistischen Sohnes des hiesigen Heeresministers plötzlich den hiesigen
Vertreter des Herrn Habicht, Schattenfroh, zu sich gebeten, um die ins
256
Nr. 143 21. DEZEMBER 1933
257
11,1 Bg. 17
Nr. 143 21. DEZEMBER 1933
als solcher erfolgen sollte. Er meinte, daß diese entweder unter einem
anderen Namen auftreten oder in einem größeren Gremium, z. B. der
Nationalen Front oder etwas Ähnlichem, aufgehen solle, deren Tragpfeiler
sie natürlich sein würde, der sich aber noch andere nationale Gruppen wie
die Großdeutschen, der Steirische Heimatschutz und die zahlreichen sonsti-
gen nationalgesinnten Elemente in Österreich anschließen würden. 6 ) Er
habe zum Teil schon, um dies vorzubereiten, seinerseits die Vaterländische
Front gebildet mit der Absicht, allmählich nicht nur die sozialdemokratische
Partei, sondern auch die Regierungsparteien aufzulösen oder miteinander
zu verschmelzen.
Ich glaube, daß dieser schon mehrfach von Herrn Dollfuß geäußerte Ge-
danke einerseits auf der Erwägung beruht, sowohl innerhalb wie außer-
halb Österreichs den Eindruck einer Kapitulation vor den Nationalsoziali-
sten einigermaßen abzuschwächen und seinen eigenen Rückzug, über dessen
Auswirkungen inner- und außenpolitischer Art er sich offenbar den Kopf
zerbricht, zu maskieren und andererseits bei etwa stattfindenden Wahlen
die bisherigen Parteien in den Hintergrund treten zu lassen und ein System
vorzubereiten, das sich nach seiner Auffassung mit dem in Deutschland und
Italien herrschenden vergleichen ließe.
Ein weiterer Punkt, der Herrn Dollfuß offenbar Sorge bereitet und über
den er sich schon mehrfach geäußert hat, ist die Rückwirkung einer Aus-
söhnung mit dem Nationalsozialismus auf die außenpolitische Lage Öster-
reichs und auf seine eigene Stellung in den für ihn wichtigeren europäi-
schen Hauptstädten. Er fürchtet, daß seine „Popularität" in anderen Län-
dern, auf die er sehr stolz ist, durch eine solche Aussöhnung leiden oder
verschwinden würde, und er möchte auch offenbar vermeiden, durch eine
weithin sichtbare Schwenkung in seiner außenpolitischen Linie gewisser
Vorteile wirtschaftlicher und anderer Art verlustig zu werden, die der
Kampf der letzten Monate ihm in anderen Ländern eingebracht hatte.
Um einer Beunruhigung oder Aufregung in solchen Ländern, wie z. B.
in Frankreich oder der Tschechoslowakei durch eine Teilnahme der Natio-
nalsozialisten an der Macht in Österreich vorzubeugen, möchte Herr Doll-
fuß, wie er mir auseinandersetzte, nicht ein Abkommen mit den National-
sozialisten schließen, das dann in einem Zuge ausgeführt würde, sondern er
denkt sich, ohne dies bisher noch im einzelnen zu präzisieren, eine suk-
zessive Evolution dergestalt, daß auf beiden Seiten allmählich die Kampf-
maßnahmen abgebaut würden und daß dann die zu vereinbarende Regelung
Schritt für Schritt in gewissen Abschnitten und mit zeitlichen Abständen
voneinander durchgeführt würde. Er meinte, nach außen hin dürfe die
Schwenkung Österreichs in die deutsche Richtung nicht den Anschein eines
aggressiven Charakters gegenüber anderen Mächten erwecken.
Diese Beweggründe hat mir Herr Dollfuß zwar nicht so, wie ich sie dar-
lege, angegeben, sondern ich folgere sie aus seinen mir teils bekannten,
teils neuerdings auseinandergesetzten Gedankengängen. Die von ihm
angegebene, ein wenig naive Begründung für seinen Wunsch einer lang-
samen Evolution lautet dahin, daß Österreich seine derzeitige günstige
258
Nr. 143 21. DEZEMBER 1933
259
Nr. 143 21. DEZEMBER 1933
260
Nr. 144 22. DEZEMBER 1933
Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Situationen hier kaleidoskopartig wech-
seln und Prognosen daher nicht zu stellen sind. Es unterliegt aber keinem
Zweifel, wie ich dies schon bei meiner letzten Anwesenheit in Berlin vor-
ausgesagt hatte, daß ein Wechsel in der italienischen Einstellung gegen-
über dem Nationalsozialismus in Österreich einen tiefgreifenden und
schnellen Wechsel auch in der hiesigen innerpolitischen Lage zwangsläufig
zur Folge haben würde. Aus obigem werden Sie ersehen, daß die bloße Tat-
sache von Besprechungen zwischen uns und den Italienern über die öster-
reichische Frage die sofortige Wiederaufnahme der Sondierungen des Herrn
Dollfuß zur Folge gehabt hat, schon weil dieser fürchtet, bei einer Verstän-
digung zwischen Italien und uns ausgeschaltet zu werden. Die nach wie vor
bei ihm bestehende Furcht vor Rintelen spielt hierbei auch eine erhebliche
Rolle. Daß diese nicht unbegründet ist, geht schon aus dem Rat hervor, den
Rintelen bei seinem letzten Aufenthalt in Wien Herrn Schattenfroh gegeben
hat. Er meinte, die Nationalsozialisten sollten zuerst in ein Kabinett Doll-
fuß eintreten, in dem er ein Portefeuille übernehmen würde; nachher würde
er dann an Stelle Dollfuß' Bundeskanzler werden.
Sobald hier etwas über Besprechungen mit den Nationalsozialisten oder
Verständigungsmöglichkeiten durchsickert oder auch nur geargwöhnt wird,
setzt sofort ein wahres Trommelfeuer aller derjenigen ein, die aus per-
sonellen, aus inner- oder außenpolitischen Gründen die Verständigung
hintertreiben wollen. Audi aus diesem Grund ist es sehr wichtig, daß alle
mit den Nationalsozialisten stattfindenden Besprechungen streng geheim
gehalten werden. Herr Schattenfroh wird auch Herrn Habicht bitten, den
Inhalt seiner letzten Besprechung mit Herrn Dollfuß soweit wie nur irgend
möglich vertraulich zu behandeln.
Mit den besten Grüßen bin ich
Ihr stets ergebener
K. RIETH
144
3086/D 617 066-67
Der Landesinspekteur der NSDAP in Österreich Habicht
an den Botschafter in Rom von Hassell
Abschrift
BERLIN, den 22. Dezember 1933
Betr.: Ihr Schreiben vom 15. 12. 33.1)
Sehr verehrter Herr von Hassell,
ich bestätige mit bestem Dank Ihr obiges Schreiben und habe inzwischen
(1) Fundort: 5266/E 322 489-91. Hassell hatte in diesem Schreiben Habicht über Gespräche
unterrichtet, die er mit Rintelen und Pflügl geführt hatte.
261
Nr. 144 22. DEZEMBER 1933
262
Nr. 145 22. DEZEMBER 1933
145
2784/D 540 296-99
(1) Zu Suvichs Besprechungen in Berlin siehe die Dokumente Nr. 120 und 126.
(2) In der nordöstlich von Berlin gelegenen Schorfheide hatte Göring ein Jagdhaus.
(3) Aus einem Runderlaß des Auswärtigen Amts vom 18. Dezember (8046/E 578 373-84) geht
hervor, daß Suvich mit Göring bei einem Essen zusammengetroffen war, das Göring
ihm zu Ehren am 13. Dezember abends gegeben hatte, und daß er am 14. Dezember
Görings Gast in der Sehorfheide war; am 16. Dezember hatte Suvich in München Heß auf-
gesucht. Aufzeichnungen über diese Unterredungen konnten nicht ermittelt werden.
(4) Randbemerkung Neuraths: „Das hat er und Aloisi schon in Genf immer versucht."
• (*) Randbemerkung Neuraths: „!"
263
Nr. 145 22. DEZEMBER 1933
Form gesagt hat, der Überzeugung nicht verschließen können, daß es sich
dabei um eine ausgezeichnete Truppe handle, der zu der Qualität als
Soldaten nur die Waffen fehlten. Ich bin dieser Ansicht natürlich entgegen-
getreten, aber ich glaube ohne großen Erfolg. Suvich wird also dem eng-
lich-französischen Argument, daß es sich bei den SA und SS um eine Miliz
handle, schwerlich mit großer Energie entgegentreten. Alles in allem ist
Suvich daher ziemlich pessimistisch hinsichtlich der Aussichten für eine
Verständigung mit Frankreich und England zurückgekehrt. Die für die
europäische Lage augenblicklich charakteristische Ratlosigkeit hat sich also
durch den Suvichschen Patrouillenritt nach Berlin nicht vermindert. Ich halte
das durchaus für kein Unglück, weil es nach den Vorgängen des letzten
Jahrzehnts unbedingt nötig ist, der anderen Seite das Gefühl einzuflößen,
daß wir bei unseren Mindestforderungen festzustehen gesonnen sind. Wenn
wir nach dem krisenartigen Augenblick des Austritts aus dem Völkerbund
danach in eine Periode eingetreten sind, in der die Verbesserung unserer
Lage, und übrigens auch der italienischen Lage, durch diesen Schritt augen-
scheinlich wurde, so ist nicht zu verkennen, daß sich nunmehr die Schwie-
rigkeiten und Gefahren wieder auf allen Seiten auftürmen.6) Für diese Lage
ist ein gewisses deutsch-italienisches Vertrauensverhältnis, welches nicht
mit Übereinstimmung der Ansichten identisch zu sein braucht und identisch
sein kann, ganz besonders wichtig, und ich hoffe, daß hierzu der Besuch des
Herrn Suvich in Berlin jedenfalls beigetragen hat. Das gilt auch besonders
von der österreichischen Frage, in der er, so weit ich feststellen kann,
Mussolini über die Berliner Ansichten richtig informiert hat. Die Art, wie
er seine demnächstige Mission in Wien anfaßt, wird auch von unserm
Standpunkt aus nicht unwichtig sein. Hierüber schreibe ich besonders an
Neurath.7)
Um Ihnen eine besondere Freude zu machen, möchte ich noch mein Be-
dauern ausdrücken, daß das Donauproblem, auf das ich in meinem Tele-
gramm Nr. 272 vom 6. d. M.8) und in dem Bericht vom 15. d. M. - I 1817 -•)
hingewiesen hatte, nicht berührt worden ist. Ich selbst habe es gestern
Suvich gegenüber im Sinne meiner Besprechung mit Ritter 10) angeschnitten
und werde demnächst Gelegenheit finden, etwas eingehender darüber mit
Ciancarelli zu sprechen. Ich halte das für um so nötiger, als in Paris zwi-
schen Italienern und Franzosen auf der Basis des italienischen Memoran-
dums Unterhaltungen stattgefunden haben.
Mit herzlichen Wünschen für Sie zum Fest und neuen Jahre
immer Ihr
HASSELL
264
Nr. 146 23. DEZEMBER 1933
146
7186/E 527 842-43
Der britische Botschafter in Berlin Phipps an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
No. 421 BERLIN, den 23. Dezember 1933
426/48/33 W. 9191
Your Excellency,
I have the honour, under instructions from His Majesty's Principal
Secretary of State for Foreign Affairs,1) to make the following communica-
tion.
2. His Majesty's Government in the United Kingdom have learned with
surprise and regret of the unilateral decision taken by the Reichsbank on
December 18th to reduce during the next six months transfers in respect
of the Service of German loans other than the Dawes and Young Loans. His
Majesty's Government regard it as an essential principle that if any tem-
porary modifications in loan contracts to the detriment of creditors are
required in present circumstances, they should be discussed and agreed
upon between debtors and creditors. Failure to observe this principle must
tend further to undermine the credit of Germany as a whole and will make
it increasingly difficult to maintain international credit Operations on
which the financing of commerce largely depends. In particular the recent
decision ignores first the protest of the representatives of the creditors
against the principle that payment in Reichsmarks satisfies a debt in
foreign currency, and secondly their considered view that no sufficient
case had been made out for making any change in existing arrangements
to the detriment of creditors during the next six months.
3. This decision moreover considerably extends the scope of the Scrip
System and of the differentiation against British creditors in the administra-
tion of this System and therefore reinforces the strong objections to such
differentiation which were referred to in my note of November 8th.2) The
German Government's reply of December 7th 3 ) to this note is at present
receiving consideration, and a further communication on this subject will
be addressed to Your Excellency as soon as possible. At the moment His
Majesty's Government confine themselves to stating that they cannot
regard this reply as providing any sufficient answer to the objections of
principle set forth in my note, and they feel bound to enter an immediate
and energetic protest against the further reduction of transfers which the
Reichsbank have seen fit to make in disregard of the views of British
creditors.
I avail myself of this opportunity to renew to Your Excellency the
assurance of my highest consideration.
ERIC PHIPPS
• (l) Simon.
(2) Fundort: 7186/E 527 784-85.
(3) Fundort: 7186/E 527 819-25.
265
Nr. 147 25. DEZEMBER 1933
147
6615/E 498 989-90
266
Nr. 148 26. DEZEMBER 1933
148
(i) Die Vorlage befindet sich in den Akten des Auswärtigen Amts. Sie enthält keine An-
gabe über den Zeitpunkt ihres Eintreffens in Berlin, wo sie am 30. Dezember 1933 von
Hey abgezeichnet wurde. Der Entwurf der Botschaft in Moskau (M 150/M 005 186-93)
war ursprünglich in der Form eines Politischen Berichts an das Auswärtige Amt abge-
faßt worden.
(2) IV Ru. 5619: Telegramm Twardowskis Nr. 287 vom 22. Dezember (6615/E 498 978). Siehe
Dokument Nr. 147, Anm. 4.
• (3) Siehe Anm. 2.
(4) Londoner Konvention ü b e r die Definition des Angreifers vom 3. Juli 1933, abgedruckt
in S. d. N., Recueil des Traitis, Nr. 3391, Bd. CXLVII, S. 67-77. Siehe Serie C, Bd. I, 2,
D o k u m e n t Nr. 342 u n d A n m . 4 dazu.
(5) Siehe hierzu Foreign Relations ol the United States, 1933, Bd. II, S. 830-40.
267
Nr. 148 26. DEZEMBER 1933
268
Nr. 148 26. DEZEMBER 1933
269
Nr. 149 27. DEZEMBER 1933
149
8115/E 580 177-78
Der Botschalter beim Heiligen Stuhl von Bergen an das Auswärtige Amt')
Telegramm
Nr. 114 vom 27. 12. ROM (Vat.), den 27. Dezember 1933 20 Uhr 35
Ankunft: 27. Dezember 23 Uhr
II Vat. 617
Im Anschluß an Tel[egramm] Nr. 113 vom 27. [12.]2)
Anknüpfend an Neujahrswünsche für ganzes deutsches Volk sagte Seine
Heiligkeit 3 ) nach einer Pause Überlegung mit verhaltener Erregung, ihm
zugingen aus allen Ständen und Orten Deutschlands dauernd Briefe mit
bitteren Klagen über die dortigen Zustände. Ich antwortete mit dem Be-
merken, Zweck der schwebenden Verhandlungen wäre ja, entstandene
Schwierigkeiten zu beheben, und angesichts des guten Willens beider Par-
teien könne ein befriedigendes Ergebnis erhofft werden. Der Papst, der
Erwiderungen nicht liebt und meine späteren Einwürfe mit sichtlich zu-
nehmendem Unbehagen vorbeigehen ließ, antwortete kurz, er bezweifle
nicht im geringsten loyalen Willen Regierung; dieses alles dauere aber
bereits allzulange und fuhr fort: Die ständig zunehmenden Klagen be-
reiteten ihm tiefen Schmerz, einige Nachrichten erfüllten ihn mit beson-
derer Sorge, so z.B. diejenigen über die Jugenderziehung; er verstehe, daß
der Staat die Jugend zu tüchtigen Bürgern heranbilden wolle, das sei sein
gutes Recht, aber auf kirchliche katholische Jugenderziehung könne er, der
Papst, nicht verzichten und - jedes Wort stark betonend - „werde er auch
nicht verzichten". - Die Versuchung, alle diese Dinge in der Weihnachts-
ansprache zu erwähnen, wäre stark gewesen; er hätte aber davon abge-
sehen und nur - durch die Verhältnisse gezwungen - auf das antipathische
Sterilisationsgesetz 4 ) hingewiesen. Er beklage, daß ein Volk wie das
deutsche zu derartigen Anordnungen wie dem Sterilisationsgesetz griffe; er
kenne die von mir und auch von anderer Seite vorgebrachten Argumente;
er studiere alle diese Fragen sehr genau; aber er und das Ausland ver-
ständen nicht die Überspannung der deutschen Maßnahmen, die weit über
die Grenze natürlicher Abwehr gingen. Warum in allem dies ungeheuer
schnelle Tempo und gerade bei einem sonst so objektiven und ruhigen
Volk? Der Papst schloß mit nochmaligen wärmsten Wünschen für ganz
Deutschland; er hoffe trotz allem auf ein gutes Ende, und er würde dafür
beten.
Äußerungen des Papstes dürften die Gedanken wiedergeben, die er ur-
sprünglich in die Weihnachtsansprache an die Kardinäle legen wollte,
aber auf unsere Einwirkung hin hat fallen lassen.
Dem Zeremoniell entsprechend begab ich mich nach der Audienz zum
(1) Die Vorlage ist nicht unterzeichnet.
(2) Nicht ermittelt.
• (3) Papst Pius XI.
(4) „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933, Reichsgesetzblatt,
1933, Teil I, S. 529-31.
270
Nr. 150 27. DEZEMBER 1933
*(5) Pacelli.
(6) Die österreichischen Bischöfe hatten am 22. Dezember einen Hirtenbrief verlesen lassen,
in dem sie sich gegen die Nationalsozialisten aussprachen und die Bemühungen Dollfuß'
um die Schaffung eines katholischen Staatswesens würdigten. Sie verurteilten auch den
nationalsozialistischen Standpunkt in Rassen- und Sterilisationsfragen.
150
6615/E 498 999-9002
Botschaitsrat von Twardowski (Moskau) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Cito MOSKAU, den 27. Dezember 1933 22 Uhr 47
Geheim Ankunft: 28. Dezember 3 Uhr
Nr. 291 vom 27. 12. IV Ru. 5648
[Im] Anschluß [an Telegramm Nr.] 289.1) Auf [Telegramm Nr.] 276.2)
Daß ein französisches Angebot, zum mindesten französische Anregung an
die Sowjetunion ergangen ist, dürfte nach den Ausführungen Litwinows
gegenüber meinem Gewährsmann kaum noch zu bezweifeln sein. Damit
würden sich in außenpolitischer Lage der Sowjetunion folgende grund-
legende Änderungen vollziehen:
a) Angebot gleichberechtigter Partnerschaft durch mächtigsten europäi-
schen Konzern an die Sowjetunion (damit rückt russisches Interesse für
Deutschland in den Hintergrund).
b) Die Sowjetunion wird ihrer Besorgnis um Westgrenze enthoben 3 )
und kann ihre ganze Kraft auf Regelung fernöstlicher Frage konzentrieren.
c) Gefahr Zusammenstoßes im Fernen Osten wird auf ein Minimum
reduziert,4) da Japan damit rechnen müßte, daß im Kriegsfall die Sowjet-
union zum mindesten indirekt diplomatische und wirtschaftliche Hilfe neuen
Verbündeten erhält.
271
Nr. 150 27. DEZEMBER 1933
272
Nr. 151 27. DEZEMBER 1933
151
9037/E 633 057-63
Das Reichsbank-Direktorium an Reichswirlschaltsminister Schmitt*)
Abschrift
Nr. II a 32940 BERLIN, den 27. Dezember 1933
W. 9305
Betr.: Transfer-Sonderverträge mit der Schweiz und Holland.2)
Da in diesen Tagen von der Reichsregierung die Entscheidung darüber
zu treffen ist, ob die mit Ende dieses Jahres ablaufenden Transfersonder-
verträge mit der Schweiz und mit Holland erneuert werden sollen, möch-
ten wir es nicht unterlassen, unsere wiederholt geäußerten Bedenken gegen
das System der Sonderverträge, das mit großer Wahrscheinlichkeit zu
einer völligen Beseitigung des nach Erklärung des Transfermoratoriums zu-
nächst mit gutem Erfolge aufgebauten Scripverfahrens führt, nochmals dar-
zulegen.
Der Gedanke des Scripverfahrens beruht im wesentlichen darauf, daß
der deutsche Zahlungsdienst gegenüber dem Auslande praktisch aufrecht-
erhalten wurde und die einzelnen Schuldner nicht in Zahlungsverzug
kamen. Diese Tatsache ist ja auch vom Auslande wiederholt anerkannt
worden. Die Kritik an den deutschen Maßnahmen hat eigentlich erst nach
Abschluß der von dem Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbehandlung
abweichenden Verträge mit der Schweiz und mit Holland eingesetzt. Wir
wollen zunächst nicht in Erörterungen eintreten, ob der Grundsatz der
Gleichmäßigkeit tatsächlich durch diese Verträge berührt worden ist, und
unterstellen, daß die für den Volltransfer zusätzlich erforderlichen Devisen
wirklich durch zusätzlichen Export nach diesen Ländern aufgebracht wor-
(1) Die Vorlage wurde dem Auswärtigen Amt zur Kenntnisnahme übersandt und trägt den
Vermerk: „Sofort abtragen!"
(2) Siehe Dokument Nr. 103 und Anm. 1 dazu.
273
11,1 Bg. 18
Nr. 151 27. DEZEMBER 1933
den sind. Dies ist aber für die Meinungsbildung in den Gläubigerländern
nicht ausschlaggebend. Die Meinung über die deutsche Haltung entsteht
weniger in den Kreisen der Regierungen oder der gut unterrichteten Ban-
ken usw., obwohl auch dort ernste Zweifel an der aufrichtigen Durchführung
der von Holland und der Schweiz übernommenen zusätzlichen Einfuhrver-
pflichtungen geäußert worden sind, sondern durch die Stimmen der in
ihren Rechten sich getäuscht fühlenden Gläubiger, d. h. der einzelnen Be-
sitzer von Kupons und Dividendenscheinen usw. In diesen Kreisen ist die
ganz primitive Anschauung entscheidend, daß der schweizerische und der
holländische Gläubiger besser gestellt sind als die übrigen; so dürfte sich
die abfällige Kritik in der ausländischen Presse gebildet haben. Wir glau-
ben nicht zu übertreiben, daß infolge der erwähnten Sonderverträge die
deutsche Schuldnermoral in der Welt als erschüttert angesehen wird; dies
umsomehr, nachdem der Bartransfer ab 1. Januar 1934 auf 30°/o herab-
gesetzt worden ist und dadurch sich die Spanne gegenüber dem bisherigen
Zustande noch erweitert hat. Es ist eine Lage geschaffen, die künftige Ver-
handlungen mit dem Auslande auf dem Gebiete der Schuldentilgung außer-
ordentlich erschwert.
Die Sonderverträge sind aber nach unserem Dafürhalten auch nicht
einmal vorteilhaft für Deutschland gewesen. Auch wir haben nicht den
Eindruck, daß die mit diesen Vertragsländern vereinbarten zusätzlichen
Exportmengen tatsächlich in voller Höhe Deutschland zugute gekommen
sind. Vor allem ist aber der grundsätzliche Unterschied zwischen derartigen
zusätzlichen und dem mit Hilfe des Scripverfahrens erreichten Export her-
vorzuheben. Der sogenannte zusätzliche Export nach der Schweiz und
Holland trägt in keiner Weise zu einer Erhöhung der Devisenbestände der
Reichsbank bei, da bekanntlich diese Länder Zusatzexporte nur in Höhe
der einzulösenden Scripbeträge von Deutschland aufnehmen. Der Gegen-
wert dieser Exporte kommt zwar in Valuten herein, bereichert aber nicht
unseren Devisenbestand, da die Exporterlöse voll für die Auffüllung der
Transferquote verwendet werden. Die zusätzlich exportierten Waren wer-
den also gewissermaßen an Zahlungs Statt hingegeben.
Ganz anders ist es bei dem Scripverfahren. Hier wird die Ersparnis an
Devisen, die dadurch erzielt wird, daß die Scrips nur mit 50 °/o vom Aus-
lande zurückgekauft werden - eine Ersparnis, die also gleich 25 °/o des
Zinsscheinbetrages ist -, in die Hand eines deutschen Exporteurs gelegt als
Ausgangspunkt für ein zusätzliches Exportgeschäft, dessen voller Fakturen-
erlös in die Devisenbestände der Reichsbank fließt und zu deren Erhöhung
beiträgt, lediglich gekürzt um den zum Scriperwerb benötigten Devisenbe-
trag. Während also in den Fällen der Sonderabkommen eine Devisenver-
mehrung für die Reichsbank, wie wiederholt bemerkt sei, in keiner Weise
eintritt, ergibt sich bei Anwendung des Scripverfahrens eine Erhöhung des
Devisenbestandes der Reichsbank, die ein Mehrfaches von den zum Erwerb
der Scrips aufgewendeten Valutenbeträge ausmacht. Hierin liegt für die Be-
trachtungsweise der Reichsbank der entscheidende Punkt. Es kann gar
keinem Zweifel unterliegen, daß ein Abgehen vom Scripverfahren die Aus-
sichten auf eine echte Anreicherung unserer Devisenbestände in höchstem
Maße in Frage stellt.
274
Nr. 151 27. DEZEMBER 1933
Aber auch volkswirtschaftlich gesehen scheint uns die bei den Sonder-
verträgen vorgesehene Massenausfuhr von Stapelerzeugnissen wie Kohle
und Roggen weniger wichtig als eine Stützung unserer weitverzweigten
Exportindustrie und der in ihrer Existenz äußerst bedrohten zahlreichen
Außenhandelsfirmen der Hansestädte. Mit dem Untergang jeder dieser
Firmen gehen volkswirtschaftlich wie völkisch wertvolle Verbindungen
wohl endgültig für Deutschland verloren. Ist Deutschland erst einmal mit
seinen Industrieerzeugnissen, wie Maschinen, Textilien, Kleineisen usw.,
durch Amerika, England, Japan von den Absatzgebieten verdrängt, so sind
diese Märkte schwer wieder zurückzuerobern. Auch die Belange der
Arbeitsbeschaffung dürften mehr für eine Begünstigung der unter wesent-
licher Beteiligung der menschlichen Arbeitskraft erstellten Qualitätspro-
dukte sprechen.
Die Drohung der Schweiz, zu Zwangsmaßnahmen Deutschland gegenüber
zu schreiten, wenn ihr die erlangten Sondervorteile nicht fernerhin gewährt
werden, möchten wir nicht so ernsthaft nehmen. Diesen Drohungen der
Schweiz stehen heute ähnliche Äußerungen anderer Länder gegenüber.
Wie wir aus wiederholten Besprechungen - vor allem mit den englischen
und amerikanischen Gläubigern - feststellen konnten, besteht durchaus die
Gefahr, daß im Falle einer Verlängerung der Verträge bei der englisch-
amerikanischen Gläubigergruppe Zwangsmaßnahmen gleicher Art unter
Umständen auch unter Einbeziehung der Tilgungsquoten und fälliger An-
leihen in Gang gebracht werden. Die fordernde Haltung, die Amerika in
der Behandlung der Großschiffahrtsbonds eingenommen hat, zeigt zur Ge-
nüge die dort vorhandene, zu Gewaltakten neigende Stimmung. Anderer-
seits haben uns England und auch Amerika wiederholt wissen lassen, daß
sie volles Verständnis - hierbei kann man wohl von den tendenziösen Ver-
öffentlichungen ihrer Presse absehen - für die Notwendigkeit hätten, daß
die Devisenreserven der Reichsbank gestärkt werden müßten, nicht zuletzt
deswegen, damit Deutschland wieder mehr als bisher als Käufer im inter-
nationalen Handelsverkehr auftreten könnte. Weiterhin hat man uns be-
deutet, daß die Kürzung der zu transferierenden Barquote, ja vielleicht
sogar ein stärkeres Disagio beim Rückkauf von Scrips hingenommen wer-
den würde, wenn nur der von vornherein, und zwar zunächst auch von
Holland und der Schweiz mit aufgestellte Grundsatz einer einheitlichen
Behandlung der Gläubiger wieder hergestellt würde.
Einen Ausweg aus dieser schwierigen Lage können wir nur in einer
Lösung der Sonderverträge erblicken. Die Reichsbank möchte daher in
Würdigung aller für und gegen den Abschluß oder die Erneuerung von
Sonderabkommen sprechenden Momente dringend davor warnen, solche
Abkommen zu schließen oder über eine knapp zu bemessende Abiaufzeit
hinaus fortzusetzen, da sonst die Gefahr einer Lahmlegung unserer Export-
tätigkeit überhaupt heraufbeschworen wird und die völlige Einstellung des
Transfers in absehbarer Zeit unvermeidlich ist. Es ist natürlich nicht zu über-
sehen, daß gerade die Schweiz und Holland stark passiv sind im Handel mit
Deutschland, d. h. verhältnismäßig viele deutsche Waren abnehmen. Ver-
glichen mit dem Gesamtaußenhandelsvolumen Deutschlands jedoch
schrumpft die Bedeutung ihrer Sonderstellung stark zusammen.
275
Nr. 152 28. DEZEMBER 1933
152
8115/E 580 183-86
Der Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen an den Reichsminister
des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
ROM, den 28. Dezember 1933
II Vat. 21
Lieber Neurath!
Mit Bericht Nr. 264 vom 23. Oktober d. J. habe ich Abschrift eines um-
fangreichen Promemoria des Kardinalstaatssekretärs mit seinen Beschwer-
den über Nichtausführung und Verletzungen des Reichskonkordats einge-
reicht,1) das wunschgemäß unmittelbar an Herrn Buttmann bei seiner An-
kunft in Rom weiterging. Ich vermied es mit voller Absicht, zum schul-
meisterlichen und mit allerlei Drohungen versehenen Promemoria Stellung
zu nehmen, weil dasselbe als Material für die damaligen Verhandlungen
gedacht war und das Minimum des nach längerem Ringen zusammenge-
drückten vatikanischen Offensivplanes (scharfe Protestnote des Kardinal-
staatssekretärs und darauf folgende öffentliche Kundgebung des Papstes 2 ))
(1) Bergen hatte mit seinem Bericht Nr. 264 vom 23. Oktober (8115/E 580 114) den Text des
Promemorias Pacellis übermittelt, das als Anlage zu Dokument Nr. 17 abgedruckt ist.
• (2) Pius XI.
276
Nr. 152 28. DEZEMBER 1933
277
Nr. 153 28. DEZEMBER 1933
153
3086/D 617 062-65
Der Botschafter in Rom von Hassell an den Landesinspekteur der NSDAP
in Österreich Habicht
ROM, den 28. Dezember 1933
Sehr verehrter Herr Habicht,
für Ihr freundliches Schreiben vom 22. d. M.,1) das mich sehr interessiert
hat, danke ich Ihnen bestens. Ich habe inzwischen über eine weitere, recht
interessante Unterhaltung mit Herrn Rintelen an Baron Neurath persönlich
berichtet.2) Ferner hatte ich Gelegenheit, mit Herrn Suvich über seine
Berliner Eindrücke in der österreichischen Frage zu sprechen. Ich glaube,
daß er, den Auffassungen seines Chefs3) entsprechend, heute auch vom
italienischen Standpunkt aus die Beilegung des Konflikts zwischen dem
Reich und Österreich für wünschenswert hält und in diesem Sinne, frei-
lich immer von der Basis der italienischen Gesichtspunkte aus, in Wien
seine Unterhaltungen führen wird. Gehemmt wird er einmal durch ge-
wisse, aus der österreichisch-ungarischen Zeit bei dem Triestiner vorhan-
dene Komplexe, andererseits, wie Sie mit Recht sagen, durch die aus Wien
systematisch nach Rom geleiteten falschen Nachrichten über die wirkliche
Lage in Österreich. Schon in meinem letzten Brief an Sie 4 ) habe ich auf
eine bestimmte Persönlichkeit in Wien dabei hingewiesen und erwähnt, daß
ich deren Brunnenvergiftung entgegengetreten bin. Diese Nachrichten be-
ziehen sich vor allen Dingen auf die Machtverhältnisse, d. h. auf die Frage,
welche Stärke der Nationalsozialismus in Österreich hat und bei freien
Neuwahlen erreichen würde, und wie groß andererseits die Gefolgschaft
des Herrn Dollfuß ist. Ein anderer Punkt, mit dem hier gearbeitet wird, ist
stets der Hinweis auf die terroristischen Methoden der Nationalsozialisten
in Österreich (Bombenattentate usw., Drohungen gegen die Persönlich-
keiten auf der anderen Seite für den Fall einer nationalsozialistischen
278
Nr. 153 28. DEZEMBER 1933
279
Nr. 154 28. DEZEMBER 1933
154
6692/H 098 716-20
Der Botschafter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt
Telegramm
Geheim TOKIO, den 29. Dezember 1933 1 Uhr 50
Nr. 127 vom 28. 12. Ankunft: 29. Dezember 0 Uhr 40
IV Ja.1296
Für Reichsminister persönlich.
1.) Hirota, dem ich gestern nach Überreichung Beglaubigungsschreibens
offiziellen Besuch machte, unterstrich besonders freundlichen Charakter
meines Empfangs beim Kaiser,1) der auch in Wortlaut seiner Rede zum
Ausdruck gekommen sei. Er wiederholte Wunsch noch weiteren Ausbaues
beiderseitiger Beziehungen und meinte, geeignetstes Mittel hierzu würde
baldige Informationsreise von mir nach der Mandschurei sein. Dort solle ich
die für Deutschland gegebenen umfassenden Möglichkeiten wirtschaftlicher
Betätigung in Besprechungen mit lokalen Stellen prüfen.
Abgesehen von wirtschaftlicher Möglichkeit würde solche Reise in Japan
lebhafteste Sympathien für Deutschland schaffen, ohne uns in irgendeiner
Weise, auch China gegenüber, festzulegen.2) Noch kein Botschafter habe die
Mandschurei besucht; 3 ) meine Reise werde daher vollen politischen Effekt
haben.4) Es sei eine nie wiederkehrende Gelegenheit, die wir im Interesse
des Ausbaues deutsch-japanischer Beziehungen ausnutzen sollten, über
kurz oder lang würden und müßten andere Staaten die Mandschurei aner-
kennen. Französisches Interesse bekunde sich schon durch dauernde ernste
Verhandlungen mit französischen Wirtschaftskreisen.
2.) Zweifellos ist, daß Hirota durch Vorschlag der Mandschurei-Reise
Reichsregierung allmählich an Anerkennung der Mandschurei heranführen
will.5) Ebenso sicher ist aber, daß ablehnende oder hinzögernde Haltung
unsererseits zu diesem Vorschlag unsere Hoffnungen auf politische An-
näherung an Japan und Ausnutzung erheblicher und dauernder wirtschaft-
licher Möglichkeit in der Mandschurei zunichte machen würde.6) Bei Ver-
zögerung würde auch Gefahr bestehen, daß uns andere Mächte zuvor-
kommen.7) Die von Hirota erwähnten französischen Verhandlungen ver-
raten ernstes Interesse Frankreichs. England hat durch Herauslösung Kon-
sulatsbezirks Mandschurei aus Chinadienst erhebliche Schritte in Richtung
auf praktische Anerkennung getan. Hiesigen Pressemeldungen zufolge
sollen auch in Amerika Strömungen für Anerkennung bestehen. Anderer-
seits kann davon ausgegangen werden, daß Japan mandschurisches Ge-
*(l) Hirohito.
(2) Randbemerkung: „?" - Diese und die folgenden Randbemerkungen tragen Köpkes
Handschrift.
(3) Randbemerkung: „Also!"
(4) Randbemerkung: „Und Rußland? Und China?"
(3) Randbemerkung: „I"
(8) Randbemerkung: „Wieso?"
(7) Randbemerkung: „Wir sollten im Osten möglichst zurückhaltend bleiben."
280
Nr. 155 29. DEZEMBER 1933
155
9018/E631914
Das Auswärtige Amt an die Gesandtschaft in Riga
BERLIN, den 14. Dezember 1933
Abgesandt: 29. Dezember
zu IV Rd. 4581 »)
Auf den Bericht vom 1. Dezember - A 1749.2)
Die Anregung von Herrn Munters bitte ich nicht weiter zu verfolgen.
Ein Empfang von Herrn Kreewinsch mit nachfolgendem politischen Kommu-
li) IV Rd. 4581: Bericht Martius' Nr. A 1749 vom 1. Dezember. Siehe Anm. 2.
(2) Bericht Martius' über eine Unterredung mit dem Generalsekretär des lettischen Außen-
ministeriums Munters vom 30. November (9018/E 631 907-13). Gegenstand des Ge-
sprächs war die Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen
281
Nr. 156 30. DEZEMBER 1933
nique kann nicht in Frage kommen. Bei einem vor einiger Zeit erfolgten
Empfang des litauischen Gesandten 3 ) durch den Herrn Reichskanzler ist
eine derartige politische Aktion ebenfalls abgelehnt worden.4) Einerseits
liegt zu einer solchen demonstrativen Handlung keine Veranlassung vor
und andererseits würden wir die gesamte Aktion mit Polen außerordentlich
entwerten. Gegen den Gedanken des Abschlusses eines eventuellen
Schiedsgerichtsvertrages bestehen hier keine prinzipiellen Bedenken. Hier-
bei würde aber eine Diskussion über Abreden betreffend Nichtangriffsver-
pfliditungen, Definition des Angreifers überhaupt nicht in Frage kommen
können.5)
Im Auftrag
f. R. gez. WINDECKER
156
6114/E 454 139-42
Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats Hülter
BERLIN, den 30. Dezember 1933
e. o. II Oe. 2251
Nach den Andeutungen, die der österreichische Gesandte mir gestern
machte, will er anscheinend dem Herrn Reichsminister gegenüber im Auf-
trage seiner Regierung generell den deutsch-österreichischen Konflikt zur
Sprache bringen, wobei der Wunsch von Dollfuß ausschlaggebend sein
dürfte, noch vor der Ankunft Suvichs in Wien (9. Januar) zu einer Ver-
ständigung mit der deutschen Regierung zu gelangen.
Inzwischen sind, wie mir Herr Habicht heute mitteilte, seine in den letz-
ten Tagen auf direkten Wunsch von Dollfuß durch Vermittlung des Wiener
nationalsozialistischen Bundesrats Schattenfroh wieder aufgenommenen
Verhandlungen') so weit gediehen, daß er sich auf Einladung von Herrn
Dollfuß schon in Kürze zu einer mündlichen Aussprache mit ihm nach Öster-
reich begeben will.
282
Nr. 156 30. DEZEMBER 1933
283
Nr. 157 30. DEZEMBER 1933
157
8580/E 601 954-58
Der Gesandte in Peping Trautmann an das Auswärtige Amt
Nr. 879 PEPING, den 30. Dezember 1933
IV Chi. 164
Inhalt: Deutsche Militärberater in Nanking.1)
Als ich das Telegramm Nr. 87 über die Reise des Generals von Seeckt
nach China 2) erhielt, hatte ich gerade mit General Wetzell und auch mit
dessen Adjutanten, Herrn von Busekist, eine längere Unterredung über die
weiteren Pläne der Herren gehabt.
Der Adjutant hatte mir mitgeteilt, daß schon seit längerer Zeit eine Ani-
mosität der Kreise um den Vizekriegsminister Chen Yi gegen General
Wetzell bestehe, weil General Wetzell mit dem früheren Finanzminister
T. V. Soong zusammen gewisse größere Heereslieferungen direkt verein-
bart habe und den korrupten chinesischen Generalen infolgedessen die Ver-
dienstmöglichkeit genommen worden wäre.
Wie ich von verschiedenen anderen Seiten im Laufe der letzten Monate
gehört habe, hat diese Opposition der chinesischen Generale offenbar auch
noch andere Gründe. Danach habe sich General Wetzell „durch sein kurz
angebundenes Wesen und durch die Schroffheit, mit der er versuchte, seine
Ziele zu erreichen", die chinesischen Generale mehr und mehr entfremdet.
In der Tat wird es wohl so gewesen sein, daß General Wetzell, dem es nur
auf die Sache ankam, immer wieder rücksichtslos den Finger in die offenen
Wunden der korrupten diinesischen Armee gelegt hat, und das können die
Chinesen nicht vertragen. Ich hatte den Eindruck, daß General Wetzell
schon während des japanischen Vormarsches nach Peping geschickt worden
war, um ihn loszuwerden. Als er am Ende des Sommers aus dem Kommu-
li) Randbemerkung: „Reichswehrminister, v. N[eurath] 24. 1."
(2) Telegramm des Auswärtigen Amts vom 20. Dezember (8580/E 601 947).
284
Nr. 157 30. DEZEMBER 1933
(3) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 412 und Anm. 7 dazu
285
Nr. 158 1. JANUAR 1934
158
6692/H 098 724-25
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
• an die Botschatt in Tokio
Telegramm
Eilt BERLIN,den 1. Januar 1934 14 Uhr 20
Nr. 1 zu IV Ja. 1296 ^ I
I. Dortiger Drahtbericht Nr. 127 vom 29.2) vermag die im Drahterlaß
Nr. 104 vom 21. Dezember dargelegten diesseitigen Bedenken gegen Ihre
Informationsreise nach Mandschurei 3 ) nicht zu entkräften. In Frage An-
erkennung Mandschurei ist trotz unseres Verständnisses für japanische
*(1) IV Ja. 1296: Telegramm Dirksens Nr. 127 vom 28. Dezember 1933, gedruckt als Doku-
ment Nr. 154.
• (2) Siehe Anm. 1.
(3) Siehe Dokument Nr. 138, Anm. 1.
286
Nr. 159 1. JANUAR 1934
159
3154/D 671 338
Autzeichnung ohne Unterschrittx)
den 1. Januar 1934
BERLIN,
RM. 4
Der französische Botschafter2) übergab heute nachmittag um 5 Uhr dem
Herrn Reichskanzler in meinem Beisein das anliegende Aide-memoire.3)
Der Botschafter wies dabei darauf hin, daß die französische Regierung
besonderen Wert auf den Punkt lege, worin sie ihre Bereitwilligkeit zur
Fortsetzung direkter Besprechungen erklärt. Im übrigen führte der Bot-
schafter aus, daß eine Kontroverse bestehe über die Höhe der von uns
geforderten Truppenzahl (300 000) sowie über die Anrechnung der SA, SS
und der Schutzpolizei. Endlich wies er darauf hin, daß die französische
Regierung im Gegensatz zu unserer Auffassung der Ansicht sei, daß man
sehr wohl über die Abrüstung zu einer Verständigung kommen könne. Sie
habe bereits in Genf weitgehende Zugeständnisse gemacht, die aber von
uns nicht verstanden worden seien. Der Botschafter erläuterte diese Zuge-
ständnisse, wobei er hinzufügte, daß damit ja unsere volle Gleichberechti-
gung und Gleichheit am Ende der zweiten Periode erreicht werde. Der
Kanzler beschränkte sich darauf, nochmals seine Absicht, mit Frankreich zu
einer völligen Verständigung zu kommen, dem Botschafter klarzumachen.
Eine schriftliche Antwort soll nächste Woche folgen.4)
287
Nr. 161 1. JANUAR 1934
160
3086/D 617 072
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 1. Januar 1934
RM. 3
Der österreichische Gesandte suchte mich heute auf und teilte mir im
Auftrage seiner Regierung J) folgendes mit:
Dem Bundeskanzler Dollfuß liege die Beilegung des deutsch-österreichi-
schen Konflikts sehr am Herzen. Da ihm die Einstellung der Reichsregie-
rung bekannt sei, daß zunächst die Frage parteimäßig geklärt sein müsse,
so habe er sich trotz schwerster Bedenken entschlossen, mit Herrn Habicht
direkt zu verhandeln, allerdings unter der Voraussetzung, daß Herr Habicht
den Wunsch dazu habe und daß die Verhandlungen mit Wissen, Willen
und Ermächtigung des Reichskanzlers von seiten des Herrn Habicht geführt
würden.
Ich habe Herrn Tauschitz erklärt, daß ich ihm an sich schon jetzt sagen
könne, daß die obengenannten Voraussetzungen vorhanden seien. Ich
würde jedoch den Reichskanzler nochmals ausdrücklich danach fragen und
ihm weitere Mitteilung zugehen lassen.2)
v. N[EURATH]
(1) Die Weisungen der österreichischen Regierung an Tauschitz vom 27. Dezember 1933
sind gedruckt in Beiträge zur Vorgeschichte und Geschichte der Julirevolte, S. 49-50.
(2) Randbemerkung: „Der RK hat sieh mit obigen Voraussetzungen u. mit der Aufnahme
der Verhandlungen einverstanden erklärt, v. N[eurath] 1. 1."
Nach der österreichischen Darstellung in Beiträge zur Vorgeschichte und Geschichte der
Julirevolte, S. 50, teilte Neurath in der Unterredung vom 1. Januar 1934 Tauschitz mit,
„der Reichskanzler habe sich in der österreichischen Frage sämtliche Entscheidungen
vorbehalten und stehe auf dem Standpunkt, daß er sich zwar als Reichskanzler nicht
selbst in diese Angelegenheiten einmengen und sie führen könne, daß er aber seinen
Parteigenossen Habicht hiermit betraut habe, der nach wie vor in der österreichischen
Frage sein absoluter Vertrauensmann sei".
161
1904/428 718-22
Autzeichnung ohne UnterschrittJ)
A 26 MOSKAU, den 1. Januar 1934
NOTIZ
288
Nr. 161 1. J A N U A R 1934
289
II.1 Bg. 19
Nr. 161 1. JANUAR 1934
Botschafter schließlich gesagt: Wir machen nur eine Politik, die unseren
Interessen dient. Als dieser darauf erwidert habe, vielleicht laufen unsere
und Ihre Interessen parallel, habe er entgegnet, vielleicht später einmal,
aber jetzt noch nicht.
Radek sagte dann mit größter Offenheit, alles hänge von der weiteren
Entwicklung im Fernen Osten ab. Daß Deutschland zur Zeit keine kriege-
rischen Abenteuer gegen die Sowjetunion suche, sei selbstverständlich.
Wenn aber die Sowjetunion in einem schweren Kampf mit Japan stände,
sei die Wahrscheinlichkeit groß, daß Deutschland die Gelegenheit benutzen
werde, um über Polen herzufallen, und wenn es Polen geschlagen habe, den
polnischen Nationalstolz dadurch beruhigen werde, daß es Polen anbiete,
sich an der Ukraine für den Korridor schadlos zu halten. Dagegen müsse die
Sowjetunion Vorkehrungen treffen. Als ich entgegnete, daß doch Frank-
reich existiere, das kaum einen Angriff auf Polen zulassen werde, und daß
er doch zugeben müsse, daß Deutschland einem Zweifrontenkrieg nicht
gewachsen sei, entgegnete Radek, daß der Sinn der russischen Politik darin
liege, zu verhindern, daß Deutschland eine günstige Gelegenheit benutzen
könne, um mit Polen das oben angedeutete Tauschgeschäft zu machen. Ich
legte daraufhin in längeren Ausführungen dar, daß solche phantastischen
Ideen wie seine nichts mehr mit Politik zu tun hätten, das seien hysterische
Angstgebilde, denen jede Realität fehle, und darüber könne man schließlich
nicht ernsthaft sprechen. Radek entgegnete darauf, daß wir doch offen
sprechen sollten: auch in der Sowjetunion wisse man ganz genau, wie man
politische Ideen lanciere. Solange man zu schwach sei, um offiziell etwas zu
fordern oder durchzusetzen, solange benutze man das Mittel der Presse,
der Broschüren, Bücher und Aufklärungsreden unoffizieller Leute, um das
eigene Volk und wohlwollende Kreise des Auslandes mit gewissen Ge-
dankengängen vertraut zu machen. Es sei ein nicht aus der Welt zu
schaffendes Faktum, daß das Buch des Reichskanzlers Mein Kampt den
Kreuzzug gegen die Sowjetunion predige. Natürlich sei dieses Buch zu einer
Zeit geschrieben, als der RK noch Oppositionsführer war. Aber jetzt sei er
Reichskanzler, und in der Neuauflage seines Buches sei das Kapitel 14 5)
keineswegs geändert worden. Also unter der Autorität des Reichskanzlers
würden Ideen propagiert, die das Sowjetfeindlichste darstellten, was ge-
schrieben sei. Demgegenüber spielten irgendwelche offiziellen Erklärungen
von der Reichstagstribüne oder von Diplomaten überhaupt keine Rolle.
Was Diplomaten sagten und was man von der Reichstagstribüne verkünde,
seien Dinge, die für die Tagespolitik gelten. Aber was in Büchern ge-
schrieben sei, daß seien die Ideen, nach denen sich die Politik auf lange
Sicht orientieren solle, und wir kämen nicht um das Faktum herum, daß der
Reichskanzler, wie die Neuauflage seines Buches beweise, nach wie vor den
Kreuzzug gegen die Sowjetunion predige. Daher das Mißtrauen in den
hiesigen leitenden politischen Kreisen, über dessen Größe und Tiefe wir
uns keine Illusionen machen sollten, und daher die Politik der Sowjet-
union, die auf Frieden und auf Sicherung ihres Besitzstandes ausgehe.
(5) Das Kapitel 14 trug die Überschrift „Ostorientierung oder Ostpolitik" und behandelte
die deutsche Politik gegenüber der Sowjetunion.
290
Nr. 162 4. JANUAR 1934
162
6692/H 098 767-70
Der Botschalter in Tokio von Dirksen an den Staatssekretär
des Auswärtigen Amts von Bülow
Vertraulich TOKIO, den 4. Januar 1934
Eigenhändige Maschinenschrift IV Ja. 161
Lieber Bülow.
Ich hätte nicht gedacht, daß ich die Last der Entfernung Berlin-Tokio
schon so bald so schwer spüren würde. Das Telegramm Nr. 1 vom 1. d.M.
von Herrn von Neurath') hat in mir den Wunsch nach einem schnellen
Gedankenaustausch besonders brennend werden lassen; und es ist schwer
für mich, noch drei Wochen warten zu müssen, bis der in Aussicht gestellte
schriftliche Erlaß 2) mir Klarheit über die Beweggründe gibt, die zu der Ab-
lehnung von Hirotas Vorschlag einer Informationsreise von mir nach der
Mandschurei geführt haben. So komme ich mir vollkommen „abgehängt"
vor, da ich trotz allen Grübelns mir diese Beweggründe nicht rekonstruieren
kann. Vor dem ersten Telegramm Nr. 104 vom 21. 12.,3) das nach der ersten
Anregung Hirotas zur Zurückhaltung aufforderte, nahm ich an, da es von
Köpke gezeichnet war, daß ihm, ebenso wie den jüngeren Herren der Ab-
teilung, die mir für meine hiesige Mission erteilten Weisungen nicht be-
kannt gewesen seien. Diese Vermutung wird nun durch das Tel[egramm]
Nr. 1 vom 1. 1. zunichte gemacht. Während ich hierher geschickt worden
bin, um über wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten für uns in der
Mandschurei und über ev[entuelle] Anerkennung zu verhandeln, stehe ich
nun vor der Tatsache, daß nicht einmal eine Informationsreise von mir, die
mir vom Außenminister nachdrücklich angeboten worden ist, für ratsam
gehalten wird. Aus der außenpolitischen Gesamtlage kann ich mir keine
Beweggründe herleiten, die uns zu einer so weitgehenden Rücksichtnahme
auf dritte Mächte bestimmen könnten; und daß wir seit meiner Abreise
einen grundsätzlichen Wechsel unserer Politik gegenüber Japan vorge-
nommen hätten, kann ich auch nicht annehmen - das hätte doch wenigstens
im Telegramm drin gestanden.
Ich will Sie nicht mit den verschiedenen Hypothesen langweilen, die ich
mir für die Beweggründe Ihres Telegramms vom 1. 1. zurechtgelegt habe,
291
Nr. 162 4. JANUAR 1934
und mit deren Widerlegung; ich will auch nicht die Gründe im Zusammen-
hang aufführen, die für die Beibehaltung der mir in Berlin erteilten Wei-
sungen sprechen. Das alles kann ich fundiert erst tun, wenn der in Aussicht
gestellte Erlaß da ist. Ich möchte heute nur einige grundlegende Gedanken-
gänge hervorheben, die mich hier geleitet haben und noch leiten:
Als ich mich von Ihnen verabschiedete, formulierten Sie meine hiesige
Aufgabe, einen Ausbau unserer Beziehungen zu Japan und eine Aus-
nutzung der uns in der Mandschurei sich bietenden wirtschaftlichen Mög-
lichkeiten durch ev[entuelle] Anerkennung der Mandschurei herbeizufüh-
ren, mit den Worten: wir wollen möglichst eine halbe Stunde vor den ande-
ren anerkennen. Mir leuchtete dieser Gesichtspunkt vollkommen ein, da
wir in der Tat kein Interesse daran hatten, vorzuprellen und die Risiken,
die mit jedem politischen Entschluß verbunden sind, vorzeitig auf uns zu
nehmen.
Das war also der eine Gesichtspunkt, der mich bei Hirotas Angebot einer
Informationsreise nach der Mandschurei leitete; der andere war der, daß
wir auch nicht zu spät kommen dürften. Denn nur dann hat unsere Gabe
der Anerkennung Wert, wenn sie als erste dargebracht wird. Und darüber
hinaus: die Anerkennung ist die einzige Gabe, die wir Japan zu bieten
haben; das einzige Mittel, mit dem wir einen Ausbau unserer Beziehungen
zu Japan erreichen können; wahrscheinlich auch das einzige Mittel, mit
dem wir das starke und tief sitzende Ressentiment der Japaner wegen der
Rassenfrage beseitigen können. Die Rassenfrage würde bestimmt wieder
hochkommen und vergiftend wirken, wenn wir uns in der Mandschurei-
Frage dauernd zurückhalten oder zu spät kommen.
Die Haltung der anderen Mächte in der Mandschurei-Frage ist aber
keineswegs so, daß wir uns dauernd passiv verhalten könnten. Die Mand-
schurei ist der große Knochen, von dem alle bei Tage züchtig wegsehen;
von dem sie alle aber nachts nur zu gern knabbern möchten. So wenigstens
hat mir ein neutraler Kollege die Lage geschildert; und so sehe ich sie auch.
Unter diesen Umständen schien es mir als das einzig Richtige und Ge-
gebene zu sein, die mir angebotene Informationsreise auszuführen. Sie war
gleichsam wie eine Vormerkung im Grundbuch; der Anspruch auf die Gel-
tendmachung eines Rechts war eingetragen und gesichert, ohne daß das
Recht selbst mit seinen Verpflichtungen ausgeübt zu werden brauchte.
Meine Reise hätte ein gewisses Aufsehen erregt; sie hätte in Japan positive
und günstige Wirkungen ausgelöst; man hätte in China und bei den West-
mächten die Ohren gespitzt; aber wir hätten uns nicht gebunden. Die Bin-
dung hätten wir davon abhängig machen können, was uns in der Mand-
schurei geboten worden wäre; und von der Abwägung dessen, was wir in
China vielleicht - vorübergehend - eingebüßt hätten.
Jedenfalls hoffe ich, daß eines nicht der Fall ist: daß bei der Erwägung
der Frage juristische Bedenken gegen die „Anerkennung" als solche auf-
getaucht sind. Es wird sich, wenn es soweit ist, bestimmt eine Form finden
lassen, die allen juristischen Bedenken Rechnung trägt und doch den vollen
wirtschaftlichen und politischen Effekt hat. Sie können sich auch in dieser
Beziehung ganz auf midi verlassen; ich werde sehr vorsichtig sein. Wie
überhaupt eine aktive Politik und ihre Ausübung durch den Botschafter in
292
Nr. 162 4. JANUAR 1934
so weit entfernten Ländern nur möglich ist, wenn dem Betreffenden zwar
ein festes Ziel gesetzt ist, in dem Erreichen dieses Zieles aber Freiheit ge-
lassen ist. Das Schwierige und Deprimierende bei meiner jetzigen Lage ist,
daß ich nicht einmal mehr weiß, ob das mir gezeigte Ziel noch dasselbe ist.
Sie können sich denken, wie stark es auf mich wirken muß, daß ich die
ganzen Grundlagen erschüttert sehe, auf denen meine hiesige Mission be-
ruhte.
Um eines möchte ich Herrn von Neurath und Sie bitten: lassen Sie sich
nicht von den „Chinesen" unter den Ostasiaten zu sehr beeindrucken.
Sowohl im Amt wiegen die Chinakenner vor, wie auch unter den Inter-
essenten die Chinaleute die lautere Stimme haben. Japan, das für uns
ungleich größere politische und wirtschaftliche Möglichkeiten hat, ist wenig
vertreten und kommt nicht genug zu Wort; vielleicht hören Sie Erdmanns-
dorff einmal, noch vor seinem Dienstantritt.4) Meine Meinung gründet sich
nicht auf japanischen Ressortfanatismus, sondern auch auf meine Beobach-
tungen und Gespräche jetzt bei der Ausreise in Hongkong und Shanghai.
Ich bin nun in einer sehr schwierigen Lage, mit der prohibitiven Wei-
sung des Telegramms des AA. Ich werde versuchen, mit der mir dort ge-
botenen Möglichkeit der Reise eines Botschaftsmitgliedes nach der Mand-
schurei Hirota gegenüber zu operieren. Geht er darauf ein - eingehen wird
er schon darauf, es fragt sich nur, ob die Wirkung einer „Vormerkung ins
Grundbuch" damit erzielt wird -, so hätte ich Zeit gewonnen, könnte den
Erlaß abwarten, zu ihm Stellung nehmen, die Ergebnisse der Reise des Bot-
schaftsmitgliedes nach der Mandschurei verwerten und auf Grund dieser
Argumente hoffen, die mir unbekannten Hindernisse, die der Ausführung
der mir in Berlin erteilten Weisungen im Wege stehen, aus dem Wege zu
räumen. Das eine muß jedenfalls im Auge behalten werden: wenn wir
unsere Beziehungen zu Japan aktivieren wollen, politisch oder auch nur
wirtschaftlich, so ist die Mandschurei-Frage der gegebene Weg hierzu; und
zwar der auf lange Zeit hinaus einzige gegebene Weg. Wir haben Japan
gegenüber immer nur in langen Intervallen Möglichkeiten der Gestaltung
unserer Beziehungen gehabt, und die sind dann auf viele Jahre hinaus
bestimmend gewesen. Ebenso wie unsere Teilnahme an der Sdiimonoseki-
Demardie 5) auf Jahrzehnte hinaus auf unsere Beziehungen eingewirkt hat,
wird auch unsere aktive oder passive Einstellung zur Mandschurei-Frage
auf lange Zeit hinaus bestimmend für das deutsch-japanische Verhältnis
bleiben.
Mit vielen Grüßen bin ich wie stets
Ihr getreuer
DIRKSEN
(4) Erdmannsdorff war von der Botschaft in Tokio abberufen und zum stellvertretenden
Leiter der Abteilung IV (Ferner Osten) im Auswärtigen Amt ernannt worden.
(5) Im April 1895 hatte Deutschland sich mit Frankreich und Rußland zusammengeschlossen,
um Japan zur Aufgabe der Liaotung-Halbinsel zu zwingen, die durch den Vertrag von
Sdiimonoseki von China an Japan abgetreten worden war.
293
Nr. 163 4. JANUAR 1934
163
2860/D 562 646-50
Der Botschaiter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
Ganz geheim den 5. Januar 1934 4 Uhr 14
MOSKAU,
Nr. 3 vom 4. 1. Ankunft: 5. Januar 7 Uhr 45
[IV Ru. 46] J)
Hatte gestern zweistündiges Gespräch mit Litwinow, das im Gegensatz
zu früherer Unterhaltung 2 ) sehr unbefriedigend verlief und - ebenso be-
reits wie seine große Rede 3) - bei mir sofort Eindruck erweckte, daß in-
zwischen Mißstimmung gegen uns irgendeinen neuen Auftrieb erhalten
hat. Litwinow zeigte sich äußerst reserviert und zum Teil direkt unfreund-
lich. Wir sprachen zuerst über Rede, wobei ich Litwinow ernste Vorhal-
tungen über seinen Ton gegenüber Deutschland machte. Die von uns in
bester Absicht begonnene offene diplomatische Aussprache über Ver-
besserung deutsch-russischer Beziehungen sei von ihm vor Forum der
Öffentlichkeit gebracht und dadurch torpediert. Bezeichnung Deutschlands
als Weltstörenfried und Gleichstellung mit Japan bedeute Provozierung der
Reichsregierung und Desavouierung meiner früheren Unterhaltung. Es
scheine, daß er eine öffentliche Polemik mit uns beabsichtige, denn er
hätte sich doch nicht denken können, daß seine Behauptungen unwider-
sprochen bleiben.
Erwiderte, er habe keine Polemik herausfordern wollen, auch mich nicht
desavouieren; er habe es aber für notwendig gehalten, bei Gelegenheit
seines Rechenschaftsberichts über die außenpolitische Lage die Dinge so
darzustellen, wie sie sind, im Interesse deutsch-russischer Beziehungen
deutschem Volke Augen darüber zu öffnen, wohin sie trieben.
Ich zurückwies dies und widerlegte die Ausführungen der Rede, so daß
er schließlich keine Erwiderung darauf fand.
Sodann erklärte ich, daß ich nun noch im Moment Berliner Vertrag,
politische Lage und weitere Entwicklung deutsch-russischer Beziehungen
mit ihm besprechen wolle. Ich informierte ihn kurz über unsere Absichten
in Abrüstungsfrage sowie gegenüber dem Völkerbund und erklärte ihm,
daß sich Inhalt unserer Besprechungen mit Polen auf veröffentlichte Dekla-
ration beschränke und daß keinerlei antirussische Absichten vorlägen. Mit
Japan schwebten keinerlei Verhandlungen. Deutsche Politik aufweise dem-
nach keine feindselige Tendenz gegen die Sowjetunion, und Mißtrauen der
Sowjetregierung sei völlig unberechtigt. Ich erwartete daher auch, daß er
die Schärfen seiner Rede in irgendeiner Weise wieder zurückziehe.
Litwinow erwiderte, er würde sich freuen, wenn er nach Besserung deutsch-
russischer Beziehungen anders sprechen könne. Einstweilen könne er
(1) Die Journalnummer wurde einer anderen Ausfertigung des vorliegenden Dokuments
(6609/E 497 329-33) entnommen.
(2) Gemeint ist die Unterredung vom 13. Dezember 1933; siehe Dokument Nr. 127.
(3) Gemeint ist die Rede Litwinows vom 29. Dezember 1933; siehe Dokument Nr. 161,
Anm. 2.
294
Nr. 163 4. JANUAR 1934
295
Nr. 164 5. JANUAR 1934
ich ihn ersuche, dieses Material mir endlich zugänglich zu machen, ent-
gegnete er, daß zweifellos Intrigen mitspielten, andererseits sei Material
so vielseitig und so übereinstimmend, daß gewisse Informationen ernst
genommen werden müßten. Er könne es nicht zeigen, da es zum großen
Teil sehr vertraulich sei und er seine Quelle nicht preisgeben wolle. Ich
abbrach Gespräch mit der Feststellung, daß ich von seinem Verlauf sehr
unbefriedigt und beunruhigt sei; Litwinows intransigente Haltung müsse
zu Konsequenzen führen, die nicht im Interesse der Beziehungen beider
Länder lägen. Hierauf zuckte er die Achseln.
Ausführungen Litwinows erweisen, daß augenscheinlich in allerletzter
Zeit neue französische Anregung wegen assistance ergangen ist und daß
man damit umgeht - vielleicht unter Benutzung des Rahmens der Ab-
rüstungskonferenz -, die Nichtangriffspakte durch Verträge über assistance
zu erweitern. Zum mindesten ist Litwinow augenscheinlich entschlossen,
auf die Anregung einzugehen. Allerdings lassen Ausführungen seiner Rede
und die mir gegenüber gemachten Bemerkungen über Zulässigkeit fried-
licher Revision darauf schließen, daß er wohl Sicherung russischer West-
grenze erreichen, aber sich nicht für alle französischen Interessen ein-
spannen lassen möchte. Sowjetunion ist aber heute zweifellos an Auf-
rechterhaltung des Status quo in Europa interessiert („Revision . . .
(Gr. verst.) Krieg") und Gegner deutscher Aufrüstung. Der Abschluß eines
Paktes der genannten Art wird daher sicher bedeuten, daß sie in allen uns
interessierenden Fragen der französischen Gruppe zuzuzählen sein wird.
Ich werde schon in den nächsten Tagen noch andere maßgebende russi-
sche Politiker sprechen und eventuell über ihre Einstellung berichten. Ob
und was etwa unsererseits gegenüber im Gange befindlicher französisch-
russischer Aktion zu unternehmen wäre, abhängt davon . . . (Gr.verst.) uns
daran liegt zu verhindern, daß Sowjetrußland ausgesprochen auf die Seite
Frankreichs und seiner Anhänger tritt. Legen wir Wert hierauf, so wird
schleunigst versucht werden müssen, der Litwinow-Argumentation gegen
uns den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch wären Rom und London
zu veranlassen, der durch das russisch-französische Zusammenspiel drohen-
den Gruppierung Europas nach Kräften entgegen zu wirken.
Erbitte baldige Mitteilung dortiger Auffassung.4)
NADOLNY
(4) Randvermerke: „Was geschieht? H[indenburg] 6. 1." „Erledigt), v. N[eurath] 10. 1."
164
7467/H 179 701-05
Der Botschafter in Rom von Hassel} an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 4 vom 5. 1. ROM (QLTR.), den 5. Januar 1934 23 Uhr 29
Ankunft: 6. Januar 2 Uhr 45
II Abr. 57
Im Auftrage Mussolinis informierte mich heute Suvich über Inhalt und
296
Nr. 164 5. JANUAR 1934
(i) Simon hatte sich am 3. und 4. Januar zu Besprechungen mit der italienischen Regierung
in Rom aufgehalten. Zwei Aufzeichnungen Simons über Unterredungen mit Mussolini
sind abgedruckt in Documents on British Foreign Policy. 2. Serie, Bd. VI, Nr 161 und 164.
(2) Siehe Documents on British Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI, Nr. 161, Anhang.
(8) Der Hinweis bezieht sich auf die Rede Simons vor dem Büro der Abrüstungskonferenz
am 14. Oktober 1933. Siehe Dokument Nr. 19 und Anm. 6 dazu.
297
Nr. 164 5. JANUAR 1934
298
Nr. 165 7. JANUAR 1934
165
9292/E 659 792-96
Aufzeichnung ohne UnterschrittJ)
BERLIN, d e n 7. J a n u a r 1934
zu IV Ru. 46 2 )
AUFZEICHNUNG ZUM BERICHT DER BOTSCHAFT MOSKAU ÜBER DIE UNTERREDUNG
BOTSCHAFTER NADOLNY-VOLKSKOMMISSAR LITWINOW VOM 4. JANUAR 1934 3 )
I.
Die intransigente Haltung Litwinows, seine ausdrückliche Ablehnung,
d e n Botschafter über die gegenwärtigen außenpolitischen Absichten d e r
Sowjet-Regierung zu unterrichten, w i e seine übrigen v o n Mißtrauen gegen
die Politik d e r Reichsregierung getragenen Ausführungen, besonders über
seine A n n ä h e r u n g a n die französische Gruppe, lassen k a u m noch e i n e n
Zweifel, d a ß die Sowjet-Regierung einen der „Rapallo-Politik" entgegenge-
setzten Frontwechsel ihrer Außenpolitik vollzieht oder bereits vollzogen
hat u n d in allen u n s interessierenden Fragen auf d e r Seite d e r franzö-
sischen G r u p p e zu finden sein wird. Die Sowjet-Regierung h a t damit d e n
Berliner V e r t r a g 4 ) in seiner praktischen Bedeutung ausgeschaltet, wodurch
für u n s d a s Problem der deutsch-sowjetischen Beziehungen in seiner
Gesamtheit aufgerollt wird.
U n t e r diesen Umständen müßte es als ein Nachlaufen hinter der Sowjet-
Regierung erscheinen, w e n n unsererseits jetzt d e r Versuch u n t e r n o m m e n
würde, d e n politischen Gedankenaustausch mit d e r Sowjet-Regierung in
M o s k a u oder Berlin fortzusetzen. Ebensowenig k a n n zur Zeit die Initiative
eines Angebotes unsererseits in Betracht gezogen werden. Der Ernst d e r
Lage, d i e aus dem V e r h a l t e n der Sowjet-Regierung entstanden ist, macht es
aber notwendig, deren Haltung, wie sie v o n Litwinow in seinem Gespräch
mit d e m Botschafter u n d vorher in seiner Rede v o m 29. Dezember 5 ) z u m
Ausdruck gebracht wurde, v o n seiten d e r Reichsregierung festzulegen sowie
zu einigen Punkten seiner Ausführungen, w e n n sie auch bereits v o m Bot-
schafter Nadolny erwidert wurden, Stellung zu nehmen. Es empfiehlt sich,
daß d e r Herr Reichsminister zu diesem Zweck d e n Sowjetbotschafter kom-
men läßt.
II.
H e r r n Chintschuk k ö n n t e zunächst d a s Erstaunen ausgesprochen werden,
daß d i e Sowjet-Regierung auf d e n v o n Botschafter N a d o l n y bereits v o r
Weihnachten gemachten Vorschlag einer grundlegenden politischen Aus-
sprache im Sinne d e s Berliner Vertrags nicht eingegangen ist und damit die
G r u n d l a g e n dieses V e r t r a g e s verlassen hat. Die G r u n d l a g e n d e s Berliner
V e r t r a g e s seien aber nicht n u r formal verletzt, sondern die Ausführungen
299
Nr. 165 7. JANUAR 1934
300
Nr. 166 8. JANUAR 1934
*(«) Köpke.
166
3086/D 617 102-04
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink
BERLIN, den 8. Januar 1934
e. o. II Oe. 41
1.) Verabredungsgemäß sollte sich Herr Habicht heute mittag mit Flug-
zeug nach Wien begeben, um sich dort mit Herrn Dollfuß zu treffen • .)
2.) Gegen 10 Uhr telefonierte aber plötzlich der österreichische Ge-
sandte 2 ) persönlich folgendes: Mit Rücksicht auf die in den letzten Tagen
zutagegetretene ungemein verschärfte Lage in Wien, hervorgerufen durch
die aktivistische Tätigkeit der nationalsozialistischen Parteianhänger in
Wien (Sprengstoffanschlage und dgl.), die eine große Erbitterung in der
301
Nr. 166 8. JANUAR 1934
• (3) Weydenhammer
302
Nr. 167 9. JANUAR 1934
5.) Als sich herausstellte, daß Herr Habicht die Absicht hatte, trotz der
Absage seine Reise anzutreten, habe ich mich mit Oberleutnant Brückner,
dem Adjutanten des Führers, den ich auf dem laufenden gehalten hatte, in
Verbindung gesetzt. Er hat daraufhin dem Führer Vortrag gehalten. Auf
Anordnung desselben ist versucht worden, das Flugzeug radiotelegrafisch
zu erreichen, Herrn Habicht von der Absage gewissermaßen offiziell zu be-
nachrichtigen und ihn aufzufordern umzukehren.
Nach Rücksprache mit Oberleutnant Brückner habe ich Herrn Rieth von
der Maßnahme des Führers verständigt, damit er, falls die radiotelegra-
fische Weisung das Flugzeug nicht erreichen sollte, Herrn Habicht bei sei
ner Ankunft Mitteilung machen kann.4)
v- RENTHE-FINK
*(4) Randvermerke: „RM zur g[e)f[ä]l[ligen] K[enn]tnis. 1. Anscheinend hat der radio-
telegraphische Rückkehrbefehl des H[err]n RK H[err]n Habicht noch vor der Landung
rechtzeitig erreicht. 2. Botschaft Rom ist von der Verschiebung der Zusammenkunft
gleichfalls unterrichtet worden. Köpke 8. 1." „Hat dem Herrn RM vorgelegen."
167
3086/D 617 079-80
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats von Renthe-Fink
BERLIN, den 9. Januar 1934
e. o. II Oe. 80
Herr Habicht hat mich heute morgen zusammen mit Erbprinz Waldeck
aufgesucht. Er hat kurz vor der Landung in Wien vom Reichskanzler den
Befehl erhalten, umzukehren. 1 )
Wie menschlich verständlich, war er vom Ausgang der Sache aufs
äußerste erregt und tief enttäuscht. Er vertrat die Ansidit, daß, wenn er
hätte landen können, es ihm geglückt wäre, trotz aller Widerstände bis
zu Dollfuß vorzudringen. Bei der durch die Heimwehren bedrohten Position
des Bundeskanzlers, der gewissermaßen jetzt der Gefangene der Heim-
wehren sei, wäre Dollfuß wahrscheinlich ein derartiger Schritt vielleicht
sogar willkommen gewesen. Jedenfalls war Herr Habicht überzeugt davon,
daß er bestimmt zu einer Einigung mit Dollfuß gelangt sein würde.
Daß der Versuch, die Einigung gewissermaßen zu erzwingen, ernste
Risiken einschloß und zu erheblichen Komplikationen oder zu einer Ge-
fährdung des großen Zieles hätte führen können, schien Herr Habicht nicht
zu sehen.2)
Ich habe ihm gesagt, daß, nachdem das Auswärtige Amt amtlich befaßt
worden sei, wir die Pflicht gehabt hätten, den Reichskanzler in einer so
wichtigen Angelegenheit auf dem laufenden zu halten. Wir hätten dies
303
Nr. 168 9. JANUAR 1934
nicht erst getan, als Herr Habicht trotz der A b s a g e abflog, s o n d e r n den
Reichskanzler schon informiert, als wir die österreichische A b s a g e erfuhren.
Nach den Bemerkungen, die Herr Habicht machte, m ü s s e n wir, wenn
seine Pläne genehmigt werden, mit einer Verschärfung des Kampfes gegen
Dollfuß rechnen und mit einer zunehmenden Aktivität der Nationalsozia-
listen in Österreich.
Den Reichskanzler hatte Herr Habicht allerdings noch nicht gesprochen;
die Zusammenkunft sollte erst heute mittag erfolgen. 3 )
v. RENTHE-FINK
(3) Randvermerk: „Herr H[abicht] hat heute naehmfittag] auf Weisung des RK bei mir an-
gefragt, ob ich etwas dagegen einzuwenden hätte, wenn Waldeck nach Wien fahre, um
sich zu informieren u. mit einzelnen Leuten der Partei Fühlung zu nehmen. Ich habe
der Reise zugestimmt, v. N[eurath] 10. 1."
In Telegramm Nr. 6 vom 10. Januar (6114/E 454 176) teilte Köpke der Gesandtschaft in
Wien mit, daß am 11. Januar vormittags Prinz Waldeck in der österreichischen Haupt-
stadt eintreffen werde. Auf einer im Auswärtigen Amt abgelegten Ausfertigung des
Telegramms notierte Köpke den Inhalt eines Telefongesprächs mit Waldeck, in dem
dieser erklärt habe, Hitler habe seiner Reise zugestimmt, sofern Neurath keine Be-
denken habe. Er, Köpke, habe Waldeck wissen lassen, daß Neurath „sich keinen
großen Erfolg erhoffe, aber von sich aus nichts einzuwenden habe, wenn der Reichs-
kanzler der Sache im Prinzip zustimme".
168
6177/E 463 522, 528-29
Aulzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. J a n u a r 1934
RM. 30
Der polnische Gesandte hat mich heute aufgesucht und hat mir den an-
liegenden polnischen Entwurf für eine Erklärung für die Regelung der
deutsch-polnischen Beziehungen übergeben. Der Gesandte hat d a b e i darauf
hingewiesen, daß die polnische Regierung sich bemüht h a b e , u n s e r e m Ent-
wurf so n a h e als möglich zu kommen. Er habe die Vollmacht zur Zeichnung
und sei jederzeit dazu bereit.
Ich erklärte Herrn von Lipski, ich müßte natürlich den polnischen Entwurf
zunächst durchsehen, ehe ich zu ihm Stellung n e h m e n könnte, w ü r d e ihm
aber so bald wie möglich Mitteilung darüber z u k o m m e n lassen, ob und
welche Wünsche wir etwa noch zu äußern hätten.
Herr von Lipski bat schließlich noch, es möchte die v o n ihm angefertigte
deutsche Übersetzung des polnischen Entwurfs auf ihre Richtigkeit nach-
geprüft werden. 1 )
gez. FRHR. v. NEURATH
*(l) Randvermerk: „St.S., Dir. V, Dir. IV mit der Bitte um Prüfung der Übersetzung."
304
Nr. 168 9. JANUAR 1934
[Anlage]
Abschrift
Unverbindliche Übersetzung 2)
ERKLÄRUNG
Die deutsche Regierung und die polnische Regierung halten den Zeit-
punkt für gekommen, um durch eine unmittelbare Verständigung von Staat
zu Staat eine neue Phase in den politischen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Polen einzuleiten. Sie haben sich deshalb entschlossen, durch die
gegenwärtige Erklärung die Grundlage für die künftige Gestaltung dieser
Beziehungen festzulegen.
Beide Regierungen gehen dabei von der Tatsache aus, daß die Aufrecht-
erhaltung und Sicherung eines dauernden Friedens zwischen ihren Län-
dern eine wesentliche Voraussetzung für den allgemeinen Frieden in Eu-
ropa ist. Indem sie anerkennen, daß durch diese Erklärung keine von den
Verpflichtungen, die sich für jeden der beiden Teile aus den von ihm ab-
geschlossenen Abkommen ergeben, geändert oder eingeschränkt werden
kann und daß diese Erklärung sich auf solche Fragen nicht erstreckt, welche
nach internationalem Recht zur ausschließlichen Zuständigkeit der Staaten
gehören, sind beide Regierungen entschlossen, ihre gegenseitigen Beziehun-
gen auf den im Pakt von Paris vom 27. August 1928 enthaltenen Grund-
sätzen zu stützen, und wollen deshalb, insoweit das Verhältnis zwischen
Polen und Deutschland in Betracht kommt, die Anwendung dieser Grund-
sätze genauer bestimmen.
Beide Regierungen erklären ihre Absicht, in Fragen, welcher Art sie
auch sein mögen und die ihre gegenseitigen Beziehungen betreffen, sich
unmittelbar zu verständigen. Sollten etwa Streitfragen zwischen ihnen ent-
stehen und sollte sich deren Bereinigung durch unmittelbare Verhandlungen
nicht erreichen lassen, so werden sie eine Lösung durch andere friedliche
Mittel, wie insbesondere das Schiedsgerichts- und Vergleichsverfahren
auf Grund gegenseitigen Einvernehmens für jeden besonderen Fall suchen.
Unter keinen Umständen werden sie jedoch zum Zweck der Austragung
solcher Streitfragen zur Anwendung von Gewalt schreiten.
Die durch diese Grundsätze geschaffene Friedensgarantie wird den bei-
den Regierungen die große Aufgabe erleichtern, die Probleme politischer,
wirtschaftlicher und kultureller Art auf einem gerechten und billigen Aus-
gleich der beiderseitigen Interessen beruhende Lösung zu finden [sie].
Beide Regierungen sind der Überzeugung, daß sie auf diese Weise die
Beziehungen zwischen ihren Ländern fruchtbar entwickeln und zur Begrün-
dung eines gutnachbarlichen Verhältnisses führen werden, das nicht nur
ihren beiden Ländern, sondern auch den übrigen Völkern Europas zum
Segen gereicht.
Die gegenwärtige Erklärung bleibt in Kraft bis zu ihrer Kündigung durch
einen der vertragschließenden Teile, was jedoch nicht vor einem Zeit-
*(2) Der polnische Text ist gefilmt unter 6177/E 463 523-24. In der Vorlage wurden Uber-
setzungsvarianten vermerkt, die hier nicht berücksichtigt worden sind.
305
II,1 Bg. 20
Nr. 169 9. JANUAR 1934
punkt von 10 Jahren erfolgen darf. Die Anmeldung der Kündigung soll
6 Monate im voraus erfolgen.
Die Erklärung wird ratifiziert werden, und die Ratifikationsurkunden
sollen sobald als möglich in Warschau ausgetauscht werden.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und polnischer Sprache.
BERLIN, den . . .
Für die deutsche Regierung: Für die polnische Regierung:
169
2945/D 575 902-03
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Januar 1934
RM. 31
Bei seinem heutigen Besuch erklärte mir der polnische Gesandte J) be-
züglich der in der Presse enthaltenen Nachrichten über polnisch-russische
Verhandlungen zwecks Garantierung der Unabhängigkeit der Randstaa-
ten 2 ) folgendes:
Die polnische Regierung habe seit Bestehen der Randstaaten entscheiden-
den Wert darauf gelegt, die Unabhängigkeit dieser Staaten zu erhalten.
Sie sei über diesen Punkt wiederholt mit der russischen Regierung in Kon-
flikt gekommen, und die Diskussion darüber sei eigentlich nie abgerissen
und habe sich bis in die letzten Wochen erstreckt. Es sei jedoch völlig un-
richtig, daß von russischer Seite der Abschluß eines regelrechten Paktes
zur Garantierung der Unabhängigkeit der Randstaaten vorgeschlagen wor-
den sei. Auf einen solchen Pakt würde die polnische Regierung auch nicht
eingehen. Der Gesandte versicherte im übrigen, daß seine Regierung, falls
russischerseits der Abschluß eines solchen Garantiepakts vorgeschlagen
worden wäre und man polnischerseits darauf hätte eingehen wollen, auf
alle Fälle vorher die deutsche Regierung davon in Kenntnis gesetzt haben
würde.
übergehend zu dem in der englischen Presse enthaltenen Gerücht, wo-
nach bei den deutsch-polnischen Verhandlungen über den Abschluß der
„No-force-declaration" von deutscher Seite Vorschläge wegen Ausdehnung
der deutschen Einflußsphäre auf die Randstaaten gemacht worden seien,
sagte der Gesandte: Die polnische Regierung habe dieses Gerücht sofort
energisch dementiert, da sie darin die Absicht einer Brunnenvergiftung
erblickt habe. Man müsse überhaupt damit rechnen, daß von verschiedenen
Seiten Giftpfeile gegen die deutsch-polnischen Verständigungsabsichten
abgeschossen würden.
v. N[EURATH]
• (1) Lipski.
(*) Siehe auch Dokument Nr. 187.
306
Nr. 170 9. JANUAR 1934
170
7956/E 574 608-12
Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Saarbevollmächtigte von Papen
an den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 9. Januar 1934
Ankunft: 10. Januar
II S.G. 164
Lieber Neurath!
Anliegend ein Bericht über meine Unterredung mit dem Präsidenten
Knox. Ich würde es für zweckmäßig halten, wenn wir in der im Bericht an-
geschnittenen Angelegenheit (Vermögen der Gewerkschaften) eine dilato-
rische Antwort erteilen würden. Knox wünscht augenscheinlich lediglich
ein korrektes formelles Eingehen auf die Frage, aber nicht mehr.1)
Mit Bezug auf die Bildung des Dreier-Komitees in Genf2) würde ich emp-
fehlen, mit befreundeten Stellen dahin Fühlung zu nehmen, daß möglichst
zwei neutrale Persönlichkeiten hineingewählt werden. Am besten wäre das
vielleicht unmittelbar mit den Italienern zu besprechen.
Mit bestem Gruß
Ihr
PAPEN
[Anlage]
BERICHT ÜBER MEINE UNTERREDUNG MIT DEM PRÄSIDENTEN DER SAARREGIERUNG,
HERRN KNOX, AM 3. 1. 1934
Herr Knox hatte mich fragen lassen, ob ich bereit sei, eine Einladung zu
ihm anzunehmen, worauf er mich nach erfolgter Zusage allein zu einem
Abendessen bat, in dessen Verlauf wir alle Deutschland und das Saargebiet
betreffenden Fragen durchgesprochen haben.
Die außerordentlich gespannte Lage zwischen der derzeitigen Saarregie-
rung und der Bevölkerung, die durch die vielfachen Notverordnungen 3 ) des
Herrn Knox entstanden ist, versuchte er durch die Notwendigkeit zu er-
klären, eine autoritäre Regierung aufrecht erhalten zu müssen, die keiner-
lei Einmischung, weder von deutscher noch von anderer Seite, dulden
könne. Er sei selbst überzeugt, daß dieses „despotische System", wie er es
nannte, nicht lange andauern könne und daß die Ausschaltung jeglicher
Mitwirkung der Bevölkerung an den Geschicken des Landes ein Zustand
307
Nr. 170 9. JANUAR 1934
sei, der baldigst beendigt werden müsse. Er werde deshalb von Seiten der
Saarregierung auf das dringendste gegen jede Verschiebung des Ab-
stimmungstermins 4) votieren, und er sei vor allem der Ansicht, daß die
Beibehaltung des Status quo nach der Abstimmung eine Unmöglichkeit sei -
eben weil man ein Land nur eine gewisse beschränkte Zeit diktatorisch
regieren und verwalten könne.
Bezüglich der Abstimmung über das Schicksal des Saargebietes befinde er
sich, wie er mir vertraulich erklärte, in völliger Übereinstimmung mit dem
Herrn Reichskanzler dahingehend, daß man sowohl die territoriale wie die
wirtschaftlichen Fragen der Volksabstimmung unterbreiten müsse. Er sei
aber der Ansicht, daß eine Abstimmung überhaupt nur möglich sei nach
einer vorher erfolgten Einigung über diese Fragen. Im anderen Falle würde
sie Mord und Totschlag bedeuten und keinen Fortschritt in der Befriedung
Europas bringen.
Er wisse, daß seine Notverordnungen scharf kritisiert würden. Das sei das
gute propagandistische Recht Deutschlands. Aber er habe es unangenehm
empfunden, daß der Landesrat 5 ) seine Eingabe an den Völkerbund sehr stark
nach der persönlichen Seite abgefaßt hätte und diese persönlichen Ankla-
gen der Öffentlichkeit übergeben habe.6) Ich erwiderte Herrn Knox, daß das
nur eine berechtigte Abwehr gegen die Unterdrückungspolitik der Regie-
rungskommission sei und daß wir uns vorbehalten würden, jede Aktion der
Regierungskommission einer strengen Kritik in der Öffentlichkeit zu unter-
ziehen. Auf Grund des Berichtes des Landesrats sei er, Knox, nun gezwun-
gen, das bei dem Kreisleiter von Neunkirchen, Roth, gefundene Material in
einer Denkschrift an den Völkerbund zu verwerten. Aus diesem Material
gehe einwandfrei hervor, daß - entgegen den Zusicherungen des Herrn
Spaniol und der parteiamtlichen deutschen Stellen - im Saargebiet eine ge-
heime SA gebildet und organisiert werde. Desgleichen müsse er darauf
aufmerksam machen, daß die nach Deutschland in den freiwilligen Arbeits-
dienst entsandten jungen Saarländer eine militärische Kraft von 7-8000
Mann ausmachten, die eine ständige Bedrohung für die Aufrechterhaltung
von Ruhe und Ordnung bedeuteten. (Knox bezieht sich hier ebenfalls auf
Material von Roth.)
Selbstverständlich habe ich versucht, alle diese Ausführungen zu wider-
legen und nach Möglichkeiten abzuschwächen, und hoffe, daß es mir ge-
lungen ist, seine Eingabe an den Völkerbund in wesentlichen Punkten zu
mildern. Herr Knox erklärte wiederholt, daß er keinesfalls wünsche, Schwie-
rigkeiten mit der Reichsregierung zu bekommen, aber er bäte, daß die an
*(4) Nach den Bestimmungen des VersaiUer Vertrages hatte nach dem 10. Januar 1935 im
Saargebiet eine Volksabstimmung über die endgültige Zugehörigkeit des Saarlandes
stattzufinden.
(5) Die gewählte Versammlung von 30 saarländischen Volksvertretern, die ausschließlich
beratende Funktion besaß.
*(•) Dieser Hinweis bezieht sieh auf eine Petition an den Völkerbund, in der die Abgeord-
neten der Deutsehen Front im saarländischen Landesrat die Haltung und Handlungs-
weise der Regierungskommission für das Saargebiet und ihres Präsidenten scharf
kritisierten. Die Petition trug das Datum vom 18. Dezember 1933 und war dem Völker-
bund am 5. Januar 1934 zusammen mit einer Erklärung Knox zugestellt worden. Siehe
S. d. N., Journal Oiliciel, März 1934, S 302-11.
308
Nr. 170 9. JANUAR 1934
309
Nr. 171 9. JANUAR 1934
171
6609/E 497 341-70
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Geheim MOSKAU, den 9. Januar 1934
A 90 Ankunft: 12. Januar
IV Ru. 166
POLITISCHER BERICHT
Inhalt: Die Gestaltung der deutsch-russischen Beziehungen.
Als ich in Berlin meine Instruktion für den hiesigen Posten') in Empfang
nahm, wußte ich, daß zwischen Deutschland und Sowjetrußland heute ein
Berg von Voreingenommenheit und Mißtrauen liegt, dessen Abtragung bis
auf das Niveau guter, den Richtlinien der Instruktion und den beiderseiti-
gen realen Interessen entsprechender Beziehungen sehr schwer sein würde.
Aber ich dachte, mit der Zeit die Schwierigkeiten zu überwinden und doch
erreichen zu können, daß uns Rußland in seiner traditionellen Bedeutung,
nämlich als ein großes wirtschaftliches und kulturelles Betätigungsgebiet
und als ein positiver Faktor unserer Außenpolitik erhalten bleibt. Wie ich
unser Verhältnis zu Sowjetrußland noch unter den heutigen LJmständen der
Spannung ansah, das habe ich in der anliegenden Aufzeichnung darzustel-
len versucht. Zudem hat mein Vorgänger auf dem hiesigen Posten zwar
den Schlußbericht seiner hiesigen Tätigkeit mit dem Satz beendet: „Das
Rapallo-Kapitel ist abgeschlossen." 2 ) Aber er hat dabei zugleich gesagt:
„Die Sowjetregierung wird eine einseitige und vertragsmäßige Bindung
gegenüber dem französisch-polnischen Block vermeiden und über kurz oder
lang einen verstandesgemäßen Ausgleich mit Deutschland anstreben. Die
Anzeichen zeigen sich schon jetzt. Es wird das nächste Ziel unserer Ruß-
landpolitik sein müssen, diese verstandesmäßige Bereinigung durchzu-
führen". Auch dies hat mich in meinem Vorsatz bestärkt.
Nun, ich muß sagen, daß ich hier die Stimmung gegenüber Deutschland
viel schlechter vorgefunden habe und daß die Abwendung von uns und die
Einschwenkung in die französische Front viel weiter gediehen ist, als ich
310
Nr. 171 9. JANUAR 1934
dachte. Konnte meine erste Unterhaltung mit Litwinow 3 ) noch einen ver-
hältnismäßig günstigen Eindruck erwecken, so hat seine kurz darauf ge-
haltene Rede 4 ) sowie die Unterhaltung, die ich nach meiner Rückkehr von
Berlin mit ihm hatte,5) klar gezeigt, daß mindestens beim Außenkommissar
die Würfel über dem Entschluß des Übertritts zur französischen Gruppe
schon so gut wie gefallen sind.
Es fragt sich, ob es möglich ist, doch noch eine Änderung dieser Einstel-
lung im Sinne der mir erteilten Instruktion zu erreichen.
Litwinow hat seine Geneigtheit, mit der französischen Gruppe zusammen-
zugehen, damit begründet, daß diese Gruppe absolute Anhängerin des
Friedens sei;6) die Sowjetregierung aber müsse jetzt angesichts der Span-
nung im Fernen Osten vor allem darauf Bedacht nehmen, den Frieden zu
erhalten. Zwar sei die französische Gruppe zugleich antirevisionistisch,
während die Sowjetregierung die Friedensverträge für ungerecht halte und
für eine friedliche Revision eintrete. Indessen könne bei der heutigen
Geistesverfassung Deutschlands Revision auch Krieg bedeuten. Denn es
sei sicher, daß das heutige Deutschland darauf ausgehe, die Revision mit
militärischen Mitteln vorzunehmen, und die Friedenserklärungen des
Kanzlers dienten nur dazu, um zunächst wieder eine hinreichende deutsche
Rüstung zu schaffen und dann die deutschen Wünsche mit den Waffen zur
Geltung zu bringen. Diese Methode habe Adolf Hitler ausdrücklich in sei-
nem Buch Mein Kampi als sein Programm verkündet, und es spreche nichts
dafür, daß die Tendenz dieses Buches, das noch heute in immer neuer
Auflage millionenweise verbreitet werde, aufgegeben sei. überdies solle
die Revision augenscheinlich auf Kosten Rußlands gehen oder Rußland
solle auf andere Weise ein Opfer des von Hitler betriebenen deutschen
Militarismus werden. Der Leiter des Außenpolitischen Amtes der National-
sozialistischen Partei, Alfred Rosenberg, habe wiederholt über die Absicht
eines deutsch-polnischen Geschäftes auf Erwerb der Ukraine durch Polen
gegen Rückgabe des Korridors an Deutschland oder einer sonstigen Ab-
trennung der Ukraine von Sowjetrußland gesprochen und stehe mit
ukrainischen Separatisten im Verkehr. Hitler selbst aber habe das ganze
14. Kapitel seines Buches Mein Kampi dem Gedanken des sowjetrussischen
Zusammenbruchs und der Benutzung dieses Zusammenbruchs für deutsche
koloniale Zwecke gewidmet. Es sei darum durchaus zu befürchten, daß
Deutschland einen russisch-japanischen Konflikt zur Verwirklichung dieser
Pläne benutze, und die in Deutschland neuerdings zum Ausdruck gekom-
menen Sympathien für Japan sprächen dafür, daß dies auch beabsichtigt
werde. Die Sowjetunion müsse unter diesen Umständen die Gruppe Frank-
reichs und seiner Anhänger unterstützen, da diese den Frieden wolle und
Deutschland in Schach halte.
Das ist - ich lasse die sonst noch immer wieder vorgebrachten Beispiele
311
Nr. 171 9. JANUAR 1934
312
Nr. 171 9. JANUAR 1934
Bedrohung uns durchaus fernliegt, ist sie uns unverständlich. Und doch
ist sie tatsächlich vorhanden. Wenn die sowjetrussische Presse und die
Staatsmänner Moskaus von der Bedrohung durch den deutschen Imperialis-
mus reden, so ist das nicht nur eine vom bösen Willen gegen den national-
sozialistischen und antikommunistischen Staat diktierte Verdächtigung,
sondern es handelt sich um eine tatsächlich vorhandene Furcht vor uns.
In Rom hat man, wie ich einem Telegramm unseres Botschafters von Hassell
entnehme,10) den Eindruck, daß bei der uns gegenüber herrschenden Stim-
mung diese Furcht sogar an erster Stelle steht und daß ihr gegenüber die
Regime- und die Judenfrage nur eine untergeordnete Rolle spielen. Man ist
dort der Ansicht, daß der allen Ressentiments unzugängliche Litwinow viel
zu sehr Realpolitiker ist, als daß er sich von dergleichen Motiven auf die
Dauer maßgebend beeinflussen lasse, und man glaubt, daß man in Moskau im
Grunde einer Verständigung nicht abgeneigt wäre.
Diese Ansicht kann ich indessen, wenigstens soweit gerade Litwinow in
Frage kommt, nicht teilen. Ich glaube, daß wohl auch bei Litwinow die
Furcht vor einer Ausnutzung der Schwierigkeiten im Fernen Osten durch
uns eine gewisse Rolle spielt. Allerdings ist es vielleicht mehr die Furcht,
daß bei einer solchen Komplikation Rußland allgemein als gutes Objekt für
einen Ausgleich territorialer Ungerechtigkeiten und eine Befriedigung
territorialer Wünsche dienen könnte, als gerade die, daß wir aggressiv
werden; denn er kennt zweifellos die europäischen Machtverhältnisse
genügend, um zu wissen, daß eine solche deutsche Aktion nicht ohne wei-
teres durchführbar ist. Aber in erster Linie dient ihm diese Furcht, das
möchte ich bestimmt annehmen, nur als Aushängeschild und als Mittel zur
Beeinflussung seiner Genossen und der Öffentlichkeit, und das wesent-
lichste Motiv seiner Einstellung ist gerade ein starkes Ressentiment gegen-
über Berlin. Es ist ein Ressentiment gegenüber dem Deutschland, das bisher
allen Anstürmen des Kommunismus widerstanden hat; es ist ein - wahr-
scheinlich aus Haß und Furcht zusammengesetztes - Ressentiment gegen-
über dem Hitlerismus, der dem Kommunismus in Deutschland den Kampf
auf Tod und Leben angesagt, die Juden - Litwinow ist bekanntlich Herr
Wallach aus Bialystok - in Acht und Bann getan hat und von Tag zu Tag
an Boden gewinnt; und es ist - last not least - ein Ressentiment gegenüber
der wenig aufmerksamen Behandlung, die er, Litwinow, in letzter Zeit in
Berlin genossen hat.11) Man muß sich erinnern, daß, seit Litwinow Außen-
minister ist, jedesmal eine Annäherung Moskaus an unsere Gegner er-
folgt ist, wenn es uns schlecht ging und der Ring um uns sich wieder schloß.
Und der Anfang der jetzigen Schwenkung datiert von Genf her, von dem
Zeitpunkt, da die nationalsozialistische Regierung die ganze Abrüstungs-
konferenz gegen sich hatte. Daß aber einem Litwinow, der vom Präsidenten
der Vereinigten Staaten 12 ) und von Mussolini eingeladen war, die Be-
313
Nr. 171 9. JANUAR 1934
grüßung lediglich durch einen Legationsrat in Berlin und die kühle Über-
lassung der Initiative zu einer etwaigen politischen Aussprache stark
gegen die Eitelkeit gegangen ist, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.
Wieweit bei den anderen maßgebenden Sowjetleuten, insbesondere bei
den Mitgliedern des Politbüros, das schließlich doch auch in der Außen-
politik die Entscheidung über alle bestimmenden Akte und über die ein-
zuhaltende Gesamtlinie hat, Furcht vor einer deutschen Aktion oder
Ressentiments uns gegenüber das Wort haben, ist schwer zu sagen. Es
scheint, daß es verschiedene Arten der Dosierung gibt, daß dabei aber im
allgemeinen das Bedauern über das Zerwürfnis mit Deutschland und die
Lust, sich zu verständigen, vorherrscht, besonders seitdem ich ziemlich
deutlich habe durchblicken lassen, daß man uns durch eine Sprache, wie
Litwinow sie führe und in der Öffentlichkeit führen lasse, geradezu in die
uns unterstellte Politik hineintreibe und daß man sich dann über die Folgen
nicht wundern dürfe. Jedenfalls höre ich, daß man das Gefühl habe, Litwi-
now sei in seiner Sprache zu weit gegangen, und es ist mir in den letzten
Tagen von anderen Persönlichkeiten, die nicht ohne Bedeutung sind -
allerdings noch nicht von Mitgliedern des Politbüros, die ich noch nicht
habe sprechen können -, versichert worden, daß noch nichts Entscheidendes
vor sich gegangen sei, daß die Sowjetunion sich nur im Notfalle an die
andere Seite vertraglich binden werde und daß wir unsere Sache hier noch
nicht verloren zu geben brauchten.
Welche Taktik wir in dieser Lage einzuschlagen haben, das hängt, wie
ich schon in meinem Telegramm über die Unterhaltung mit Litwinow aus-
führte,13) meiner Ansicht nach davon ab, welche Bedeutung wir der Ab-
schwenkung Rußlands ins französische Lager beimessen und was uns ihre
Verhinderung wert ist. Was die Bedeutung der Abschwenkung anbetrifft, so
bin ich zwar überzeugt, daß die Bäume des Litwinowschen Ressentiments
nicht gleich in den Himmel wachsen werden, d. h. daß man hier vorerst
eine Bindung an die französische Gruppe, die eine Verpflichtung hinsichtlich
der Friedensverträge in sich schlösse, nach Möglichkeit vermeiden wird.
Aber wer weiß, wohin der schlaue Herr Wallach seine Leute mit der Zeit
führt. Andererseits wird es sich nicht vermeiden lassen, daß die Freund-
schaft mit Frankreich sich auch in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht
zu unserem Schaden auswirkt, und damit stände unsere hiesige Arbeit
der letzten zehn Jahre und unsere gesamte Position auf dem hiesigen
großen Arbeitsfeld, das uns von der Natur und Geschichte zugedacht ist, auf
dem Spiel. Ich brauche daher nicht zu sagen, daß ich meinerseits dafür bin,
die Absichten des Herrn Litwinow nach Möglichkeit zu durchkreuzen und
Sowjetrußland uns nicht entgleiten zu lassen. Die in meiner anliegenden
Aufzeichnung dargelegten Gesichtspunkte über die Zweckmäßigkeit eines
guten deutsch-russischen Verhältnisses halte ich auch in der vorliegenden
Situation für maßgebend.
Was aber wäre zu tun? - Meiner Ansicht nach muß man sehen, Herrn
Litwinow den Wind aus den Segeln [zu] nehmen, die er zu seiner Fahrt
benutzt, und denen, die hier der Ansicht sind, er sei zu weit gegangen,
314
Nr. 171 9. JANUAR 1934
Oberwasser gegen ihn zu verschaffen. Das heißt zum ersten, die Sowjet-
regierung muß über unsere imperialistischen Absichten im Osten und in
Sonderheit über die Absicht, etwaige Schwierigkeiten mit Japan zu An-
griffen auf russisches Gebiet zu benutzen oder gar die Japaner gegen
Sowjetrußland zu unterstützen, in überzeugender Weise beruhigt werden.
Wie dies geschehen könnte, wäre nach der dortigen grundsätzlichen Stel-
lungnahme zu entscheiden. In Frage käme m. E. eine die Vorurteile gegen
das Buch Mein Kampf und gegen das Wirken Rosenbergs ausräumende und
die Grundsätze der Reichstagsrede vom 23. März v. Js. bekräftigende sowie
direkt jede Absicht einer Ausnutzung sowjetrussischer Schwierigkeiten von
uns weisende Auslassung des Herrn Reichskanzlers, vielleicht aber auch
eine speziell auf die Lage im Fernen Osten zugeschnittene diplomatische
Zusicherung.
Zum zweiten wäre bis auf weiteres jedes augenfällige Sympathisieren
mit den Japanern zu unterlassen. Was wir zu wählen haben, wenn es sich
um einen Vergleich der realen Vorteile guter Beziehungen zu Sowjetruß-
land oder zu Japan handelt, darüber braucht doch wohl kein Wort ver-
loren zu werden.
Zum dritten wäre meines Erachtens jede Feindseligkeit gegen das
sowjetische Regime in der deutschen Presse nach Möglichkeit zu unter-
drücken. Die deutsche Presse hat bisher dem bolschewistischen Schmerz
über den Verlust Deutschlands ziemlich viel Verständnis entgegenge-
bracht. Sie sollte dies auch weiter tun. Sie sollte auch mit ihrer Kritik an
den Zuständen in Sowjetrußland zurückhalten - „Brüder in Not" 14 ) z. B. ist
nach der letzten guten Ernte als allgemeine und gar gegen bolschewisti-
sche Mißwirtschaft gerichtete Aktion überhaupt nicht mehr am Platz und
sollte schleunigst ihre Reklame einstellen -, und sie sollte möglichst den
Grundsatz vertreten, daß man jedem Land sein eigenes Wesen lassen und
sich in seine Verhältnisse nicht einmischen soll. Vor allem aber ist es
schädlich, wenn bei uns amtliche Beziehungen, und zwar auch parteiamt-
licher Stellen, zu weißgardistischen Emigrantenkreisen erkennbar werden.
Nationalismus ist stärker als Internationalismus, und die Idee des Natio-
nalismus marschiert heute von selbst; ihre Erfolge sind ihre beste und
unwiderstehlichste Propaganda. Am zweckmäßigsten wäre es, in unserer
Öffentlichkeit immer wieder zu betonen, daß wir nicht daran denken, einen
anderen Staat in seinem Regime zu beeinflussen.
Schließlich kommen als Ergänzung und Bekräftigung unseres politischen
Willens noch Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet in Frage, und zwar
solche, die eine Intensivierung des deutsch-russischen Wirtschaftsverkehrs
mit sich bringen und die insbesondere als eine Dokumentierung unseres
Vertrauens der Sowjetregierung gegenüber gelten können.
Auf die Zweckmäßigkeit, Herrn Litwinow, wenn er wieder durch Berlin
kommt und die Verhältnisse mit Moskau sich nicht etwa noch mehr ver-
schlechtern, etwas ehrenvoller zu behandeln und großpolitischer zu nehmen,
brauche ich wohl nicht näher einzugehen. War Paris eine Messe wert,
(14) Eine vom Volksbund für das Deutschtum im Ausland gestartete Aktion zugunsten not-
leidender Deutscher in der Sowjetunion. Siehe auch Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 404
315
Nr. 171 9. JANUAR 1934
so ist für Sowjetrußland eine nette Behandlung von Herrn Litwinow schließ-
lich kein zu hoher Preis.
Ich möchte annehmen, daß es uns bei einem sofortigen energischen Vor-
gehen in dieser Richtung doch noch gelingen könnte, die auf die Einreihung
Sowjetrußlands in den französischen Ring gerichteten Absichten Litwinows
zu durchkreuzen. Sowjetrußland ist heute international nicht mehr der
Paria, dem wir 1923 in Rapallo die Hand reichten und den wir die ganzen
Jahre hindurch zwar gern für die Absatzbedürfnisse unserer Wirtschaft be-
nutzten, aber im Salon der großen Politik nicht für voll nahmen. Es ist
heute, kommunistisches Regime hin oder her, wieder ein Großfaktor der
allgemeinen Politik geworden, und man kann, was ihm auch an Schwierig-
keiten bevorstehen könnte, nicht damit rechnen, daß es diese Bedeutung
bald wieder verliert. Die Überwindung seiner Abneigung gegen die Teil-
nahme an einer Staatengemeinschaft kann seine Bedeutung sogar noch er-
höhen. Unter diesen Umständen müssen wir alles tun, um seinen Übergang
auf die andere Seite zu verhindern.
NADOLNY
(Anlage]
AUFZEICHNUNG
Geheim
UNSER VERHÄLTNIS ZU SOWJETRUSSLAND
Die deutsche Politik ist in ihrer Auswirkung nach Westen und Osten
seit jeher auf den Leitsatz eingestellt: Im Westen Statik, im Osten Dyna-
mik. Im Westen Beschränkung auf die Erreichung unserer nationalen Eini-
gung und Herbeiführung stabiler Verhältnisse gegenüber den europäischen
Altstaaten, nach Osten dagegen Dynamik im Sinne einer Ausdehnung
unseres Einflusses in die Weiten des osteuropäischen und asiatischen
Territoriums. Dieser Leitsatz hat bis heute auch unsere Politik gegenüber
Rußland bestimmt. Angesichts der großen, insbesondere wirtschaftlichen
und kulturellen Mission, die uns nach unserer Ansicht im Osten obliegt,
haben wir besonders zu Rußland, dem Hauptrepräsentanten des Ostens,
immer nach Möglichkeit gute Beziehungen unterhalten. Und der Umstand,
daß uns außerdem Rußland im Laufe der Jahrhunderte mehrfach als ein
lebenswichtiger Rückhalt gegenüber westlichen Bedrohungen gedient hat,
ließ die guten Beziehungen noch als notwendiger erscheinen. Das bekannte
Wort, daß wir den Draht nach Rußland nicht abreißen lassen dürfen, ist ein
Ausdruck dieser Notwendigkeit.
Auch der Nationalsozialismus vertritt den Grundsatz der Notwendigkeit
einer dynamischen Politik im Osten. Bei ihm hat jedoch, entsprechend seiner
Einstellung gegenüber dem heutigen kommunistischen Sowjetregime, die
Idee der Dynamik, soweit es auf Sowjetrußland ankommt, den Charakter
eines sehr entsdiiedenen politischen Vorsatzes angenommen. Adolf Hitler
in seinem Buch Mein Kampt und Alfred Rosenberg in seinen Reden und
Schriften wünschen und erwarten den Zusammenbruch des kommunisti-
schen Regimes und empfehlen ihm gegenüber eine Politik, die sich auf die
Katastrophe einstellt und bei diesem Anlaß nach Möglichkeit territoriale,
316
Nr. 171 9. JANUAR 1934
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über die große Bedeutung, die das sowjetrussische Gebiet für uns als wirt-
schaftliches und kulturelles Betätigungsfeld hat, braucht, da es sich um
allgemein bekannte Dinge handelt, nicht viel gesagt zu werden. Es sei
jedoch daran erinnert, daß wir auf diesem Feld einen großen, auf alter
Tradition beruhenden Vorsprung vor allen anderen Mächten haben. Die
Betätigung auf russischem Gebiet ist von uns in Jahrhunderten geübt wor-
den, das russische wirtschaftliche und kulturelle Leben ist sozusagen von
deutscher Arbeit durchsetzt. Gerade in dieser Durchsetzung beruht ja
hauptsächlich die Dynamik unserer östlichen Außenpolitik, soweit der
russische Osten in Betracht kommt. Als traditionelles wirtschaftliches und
kulturelles Kraftfeld im Ausland aber kann uns Rußland noch für eine
lange Zukunft dienen. Es in seinem Gesamtbestande zu erhalten, daran
haben wir darum ein sehr wesentliches Interesse. Wird es geteilt, so wer-
den andere in diesem oder jenem Teil uns wegen der natürlichen oder
politischen besonderen Verhältnisse den Rang ablaufen; in Gesamtruß-
land dagegen können wir, wenn wir richtig vorgehen, stets an erster Stelle
sein. - Es kann sich fragen, ob bei dem heutigen bolschewistischen System
dieses Betätigungsfeld noch lohnend ist oder bleiben wird. Ein Urteil
darüber ist sicherlich nur mit Vorsicht abzugeben. Jedenfalls dürften aber
zunächst einmal diejenigen, die in der russischen Autarkiebestrebung eine
Gefahr für unsere Betätigung erblicken, nicht recht haben. Eine vollkom-
mene Autarkie gibt es nirgends, und Rußland wird sicherlich für seine
Wirtschaft immer noch so viel Ergänzung vom Ausland brauchen, daß unser
Absatz dahin unter diesem Bestreben nicht zu leiden braucht. Ob aber sonst
in der sowjetrussischen wirtschaftlichen Entwicklung eine gute oder schlechte
Aussicht für unsere Betätigung liegt, das wird davon abhängen, ob diese
Entwicklung aufwärts zu einer höheren wirtschaftlichen Stufe oder ab-
wärts zum Zusammenbruch der Wirtschaft führt. Geht sie trotz den Schwie-
rigkeiten, die jetzt zweifellos in Sowjetrußland bestehen, schließlich doch
aufwärts, so wird auch die Betätigungsmöglichkeit sich erhöhen, geht sie
abwärts, so muß auch die Bedeutung des Gebietes für unsere Betätigung
abnehmen; und zwar so lange, bis - mit oder ohne Katastrophe - das
jetzige System einem neuen Platz macht. Denn die Entwicklung eines Vol-
kes von 160 Millionen kann nicht auf die Dauer zum Stillstand gebracht
werden.
Eine Einrichtung des bolschewistischen Systems gibt unseren wirtschaft-
lichen Beziehungen zur Sowjetunion ein besonderes Gepräge und hat sich
vielfach als ein erschwerender Faktor erwiesen. Das ist das aus der staats-
kapitalistischen Planwirtschaft des Sowjetsystems folgende Außenhandels-
monopol. Die Sowjetregierung hat, indem sie den gesamten Import und
Export Rußlands in ihrer Hand vereinigte und alle damit zusammenhän-
genden Transaktionen durch ihre im Ausland stationierten Handelsver-
tretungen vornehmen läßt, gegenüber allen auf dem Grundsatz des privaten
Handels fußenden Staaten eine sehr starke handelspolitische und sogar all-
gemeinpolitische Waffe in die Hand bekommen. Nicht nur, daß die nach
vielen Hunderten zählenden Mitglieder ihrer Handelsvertretungen einen
starken Faktor der Beeinflussung im Auslande bilden können und daß
die Vornahme aller mit dem Geschäft zusammenhängenden Transaktionen
319
Nr. 171 9. JANUAR 1934
durch sie der Sowjetregierung auch den größten Teil der mit dem Handel
verbundenen Nebenspesen zufließen läßt; die Sowjetregierung ist dadurch,
daß sie ihre Bestellungen bald in diesem, bald in jenem Lande machen und
die Lieferanten einen gegen den anderen ausspielen kann, jederzeit in der
Lage, diese oder jene wirtschaftliche oder politische Situation zu ihrem
Vorteil oder zum Nachteil eines anderen Staates auszunutzen. Leider
bieten einstweilen weder unsere Handelseinrichtungen noch die mit der
Sowjetunion abgeschlossenen Verträge eine Handhabe, um diesem übel-
stand entgegenzutreten und eine Gleichheit der Positionen herzustellen.
Es wird aber unser Bestreben sein müssen, eine Änderung dieses Verhält-
nisses herbeizuführen, die unseren Interessen in besserer Weise Rechnung
trägt, als dies bisher der Fall war.
Der Charakter der Sowjetunion als kommunistischer Staat und Sitz und
Repräsentant der 3. Internationale ist zweifellos für die deutsch-russischen
Beziehungen eine schwere Belastung. Die Tatsache des kommunistischen
Regimes allein brauchte die Beziehungen noch nicht zu stören. Jeder Staat
hat das Recht, dieses oder jenes Regime zu besitzen. Die Frage aber, ob
die zeitweilige Einführung des kommunistischen Systems für die Entwick-
lung Rußlands zweckmäßig oder unzweckmäßig war, kann heute wohl nodi
nicht beantwortet werden. Vielleicht boten Gleichmachung nach unten und
kollektivistisches System in der Tat die beste Möglichkeit, um die uner-
meßliche graue Masse des russischen Volkes aus der Starre der Stagnation
in die Bewegung des Fortschritts zu einer höheren Entwicklungsstufe zu
versetzen. Der russische Bauer, der früher nur mit den primitivsten Mitteln
arbeitete, ist jetzt immerhin mit der Technik zusammengekommen, und
hiervon wird sicherlich eine gewisse wirtschaftlich und kulturell moderni-
sierende Wirkung und eine Steigerung der Konsumansprüche zurückblei-
ben, mag das Experiment zunächst so oder so ausgehen. - Auch die Mos-
kauer Judenherrschaft brauchte uns an sich nicht zu stören. Gäbe es einen
vollkommen jüdischen Staat, so würden wir auch mit diesem Beziehungen
haben, und jedes Land hat schließlich die Juden, die es verdient. Schlimm
ist jedoch, das Moskau zugleich der Sitz der 3. Internationale ist, daß die
Machthaber der Sowjetunion zugleich die Leiter dieser Internationale sind
und daß diese vor allem darauf ausgeht, durch eine in allen Ländern ausge-
übte kommunistische Propaganda die Weltrevolution zu entfachen. Deutsch-
land als Herz Europas und Hauptträger des sozialen Gedankens aber ist
seit jeher das wichtigste Objekt der bolschewistischen Wünsche gewesen,
und seit den Fehlschlägen der bolschewistischen Generalanstürme von 1918
und 1923 setzte die 3. Internationale noch ihren besonderen Ehrgeiz darein,
gerade in diesem Land die kommunistische Herrschaft aufzurichten.
Nun ist der Traum der 3. Internationale und damit der Sowjetregierung,
in Deutschland die kommunistische Revolution herbeizuführen, durch den
Nationalsozialismus zunichte gemacht worden. Die russische offizielle
Regierungs- und Parteipresse und mit ihr die Presse des ganzen Landes
zieht darum in heftigster Weise gegen den deutschen „Faschismus" zu
Felde, und die Volksstimmung wird systematisch gegen Deutschland auf-
gebracht. Dabei ist es augenscheinlich nicht nur Ärger über die Vernichtung
des deutschen Kommunismus, was die Mißstimmung nährt. Die Sowjet-
320
Nr. 171 9. J A N U A R 1934
leute sehen zweifellos, daß die Idee des Nationalismus heute stärker ist
als die des Internationalismus, daß der Nationalismus unaufhaltsam vor-
wärts dringt, in einem Lande nach dem anderen die - durch die außen-
politischen Rücksichten Sowjetrußlands ohnehin geschwächte - Arbeit der
marxistischen Internationale lahmlegt und vielleicht sogar vor den Toren
Sowjetrußlands selbst nicht halt macht. Es ist daher zugleich die Angst um
den eigenen russischen Besitzstand, die bei der Schmähung des deutschen
„Faschismus" in der Sowjetpresse mitspricht, und wenn Anzeichen bemerk-
bar geworden sind, daß man in Moskau damit umgeht, Antifaschistenpro-
zesse zu konstruieren, so ist dabei aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur
Retorsionsabsicht, sondern auch wirkliche Besorgnis im Spiel.
Dieser Umstand ist ohne Zweifel geeignet, eine sehr störende Bedeutung
für das deutsch-russische Verhältnis zu haben. Wohl sehen wir, daß der
russische Kommunismus sich mit dem italienischen Faschismus abgefunden
hat. Mit der Türkei unterhält die Sowjetunion sogar die freundschaft-
lichsten Beziehungen, obgleich dort der Kommunismus in keiner Weise
geduldet, vielmehr auf das strengste geahndet wird. Reale politische Inter-
essen können also bei ihr sogar vor der Idee der Weltrevolution durchaus
den Vorrang haben. Indessen hat Deutschland für die Verwirklichung der
Weltrevolution eine viel größere Bedeutung als Italien und die Türkei.
Audi ist der deutsche Nationalismus den Sowjetleuten durch die Be-
handlung der Juden in Deutschland sehr viel verhaßter als der italienische
und türkische. Immerhin ist zu bedenken, daß heute in der Frage des
Austrags zwischen Nationalismus und Marxismus das Gesetz des Handelns
sich mehr in unserer Hand befindet als in der Moskaus. Es müßte daher
vielleicht doch gelingen, die beiden Staaten zu einer gegenseitigen Respek-
tierung ihres Regimes zu bringen und derart auch diese Gesinnung in den
Beziehungen zwischen Sowjetrußland und uns zu überwinden.
Was schließlich die Sympathie deutscher Kreise für Japan anbetrifft, so
läßt sie sich augenscheinlich nicht von der Betrachtung unseres realen
Interesses an diesem Staat, sondern lediglich von einer gewissen Freude
daran leiten, daß die Japaner gleich uns dem Völkerbund den Rücken ge-
kehrt haben und daß sie vielleicht den Bolschewiken auf den Pelz rücken
werden. Denn was kann uns Japan sein? Nichts anderes als ein sehr un-
bequemer, uns überall unterbietender Konkurrent auf dem Weltmarkt. Die
Segnungen aber, die ihm unsere militärische und kulturelle Erziehung ge-
bracht hat, sind uns von ihm im Weltkriege schlecht gelohnt worden.
Aber wie nun, wenn die Sowjetunion ohnehin der Katastrophe und dem
Zerfall entgegengeht? - Wir wissen, daß viele an einen solchen Ausgang
des bolschewistischen Systems in Rußland glauben, ja ihn seit Jahren er-
warten; Adolf Hitler hat in seinem Buch Mein Kampt sogar bestimmt damit
gerechnet. In der Tat bedeutet der Umstand, daß die Sowjetherrschaft sich
seit sechzehn Jahren über Wasser hält, noch nicht, daß sie ihre Tauglich-
keit und Beständigkeit erwiesen hat. Die unermeßliche Größe und die
reichen natürlichen Hilfsquellen des Landes im Verein mit der Bedürfnis-
losigkeit und Leidensfähigkeit des russischen Volkes bringen es mit sich,
daß das Land sehr lange von der Substanz zehren kann, ohne in Erschöp-
fung zu verfallen. Allerdings scheint der Moment nicht mehr fern zu sein,
321
11,1 Bg. 21
Nr. 171 9. JANUAR 1934
322
Nr. 172 10. JANUAR 1934
und russischen Volkes und nicht gegen die Sowjetherrschaft gerichtet hin-
stellen, zumal die russische Volksstimmung von ihnen die ganze Zeit über
auf die Furcht vor einer Intervention des Westens gedrillt worden ist und
Erinnerungen an den Deutschen als Gegner vom Weltkriege her leicht
wieder lebendig werden können. So wäre es auch von diesem Gesichts-
punkt aus verfehlt, den Zusammenbruch der Sowjetunion als einen unsere
Politik bestimmenden Faktor unserm Kalkül zugrunde zu legen. Wir haben
kein reales Interesse an ihm, und es ist einstweilen kein Umstand vorhan-
den, der uns nötigt, mit ihm zu rechnen.
So kommt man hinsichtlich unseres Verhältnisses zu Sowjetrußland zu
folgenden Schlüssen:
1. Wir haben nach wie vor ein Interesse daran, uns Sowjetrußland in
seiner Gesamtheit als großpolitischen Rückhalt und als wirtschaftliches und
kulturelles Betätigungsgebiet zu erhalten.
2. Die Verschiedenheit der Regierungssysteme braucht die Betätigung
dieses Interesses nicht zu hindern. Es ist nur darauf zu achten, daß die
Verschiedenheit vom andern Teil respektiert wird und daß, soweit sich
aus ihr Unstimmigkeiten im Verkehr zwischen den beiden Ländern er-
geben, diese eine zweckentsprechende Regelung erfahren.
3. über die Dauer und Standhaftigkeit des Sowjetregimes läßt sich ein
Urteil nicht abgeben. Die Mehrheit der sachverständigen Beurteiler hält es
unter der Voraussetzung des Eintritts einiger praktischer Änderungen und
der Erhaltung des Friedens für dauerhaft. Infolgedessen kann auch die
Möglichkeit eines Sturzes der Sowjetregierung oder die eines System-
wechsels in der Sowjetunion nicht als ein unser Verhältnis bestimmender
Faktor in Rechnung gestellt werden, und dieses Verhältnis darf darunter
nicht leiden.15)
(15) Eine bei der Vorlage befindliche Notiz Tippelskirehs (6609/E 497 371) lautet: „Der Herr
RM hat den Eingang und den Erlaß vom 17. I. im Durchschlag Herrn Reichsmin[ister]
Genferal] Oberst von Blomberg zur Kenntnis gebracht." Die Weisung vom 17. Januar
ist Dokument Nr. 190.
172
7467/H 179 709-11
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Botschaft in Rom
Telegramm
Sofort BERLIN, den 10. Januar 1934 20 Uhr 25
Nr. 11 zu II Abr. 57 *) Ang. IV
Auf Drahtbericht Nr. 4.
In Ihrer bevorstehenden Unterredung mit Mussolini bitte ich unseren
Dank und unsere Genugtuung zum Ausdruck zu bringen, daß er, wie aus
den Mitteilungen Suvichs hervorgeht, in den Unterredungen mit Simon
*(i) II Abr. 57: Telegramm Hasseils Nr. 4 vom 5. Januar, gedruckt als Dokument Nr. 164.
323
Nr. 173 10. JANUAR 1934
173
6609/E 497 393-96
Der Botschafter fn Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
A 76 MOSKAU, den 10. Januar 1934
Ankunft: 12. Januar
IV Ru. 167
Im Anschluß an den Bericht vom 9. d. Mts. - Tgb. Nr. A 90.•)
Inhalt: Die Gestaltung unseres Verhältnisses zu Sowjetrußland.
Karl Radek nahm dieser Tage Gelegenheit, sich einem unserer Journa-
listen gegenüber eingehend über das deutsch-sowjetrussische Verhältnis
zu äußern. Er führte dabei folgendes aus:
324
Nr. 173 10. JANUAR 1934
„Glauben Sie nicht, daß bereits etwas entschieden wäre. Wenn Alphand
erzählt, daß Paul-Boncour hierher käme, so müssen Sie doch wissen, daß die
Diplomaten nicht immer die Wahrheit sprechen. Wir können Komintern-
politik treiben. Das gefällt Euch nicht. Aber wir treiben jetzt Staatspolitik
und müssen mit demjenigen halten, der heute den Frieden zu erhalten
trachtet. Wir werden nichts tun, was uns für [länge]re2) Zeit festlegen
könnte. Nichts wird geschehen, was [un]s für immer die Wege zu einer
Politik mit Deutschland verbauen würde. Die Gefahren im Fernen Osten
sind sehr groß. Aber sobald es sich herausstellen wird, daß sich dort der
Krieg vermeiden läßt, was ich selbst glaube, werden sich neue Möglich-
keiten für uns in Europa mit Deutschland ergeben. In der Zwischenzeit muß
versucht werden, Gemeinsamkeiten zu finden. Es wäre nicht richtig anzu-
nehmen, daß der deutsche Botschafter von Litwinow eine Absage erhalten
habe. Sie wissen doch, was Litwinow vorstellt, über ihm steht ein harter
und mit festem Willen ausgerüsteter, vorsichtiger und mißtrauischer Mann.
Stalin weiß nicht, woran er mit Deutschland ist. Er ist unsicher. Das konnte
nicht anders sein, - wir konnten den Nazi nicht anders als mit Mißtrauen
begegnen. Wir wissen aber, daß Versailles nicht mehr existiert. Sie müssen
uns nicht für so dumm halten, daß wir dem Rad der Weltgeschichte in die
Speichen fallen. Wir wissen etwas von den deutschen Rüstungsmöglich-
keiten. In drei Monaten habt Ihr eine viel modernere Luftflotte als die
Franzosen. Wir kennen die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie.
Wenn wir Staatspolitik betreiben, müssen wir dagegen sein, daß Versailles
auf unsere Kosten revidiert wird. Wir wissen aber auch, daß Napoleon
erst Preußen geschlagen hat und dann gegen Rußland marschiert ist.
Mit größter Sorge erfüllen uns die Machinationen der Nazi im Baltikum.
Ich habe die Dokumente gelesen, die von der estnischen und lettischen
Polizei gefunden sind. Es sind höchst kompromittierende Papiere, die bei
dem Herrn zur Mühlen aufgefunden wurden. Ich weiß, was er bedeutet,
ebenso wie ich seine Frau, die kommunistische Schriftstellerin Hermynia
zur Mühlen kenne.3) Wir wünschen eine Neutralisierung der baltischen
Staaten durch einen internationalen [Pak]t. Das wäre eine Gelegenheit, mit
Deutschland zusammenzu[arb]eiten. So etwas ist ohne Deutschland nicht zu
machen. [Die von] der Entente geschaffenen Randstaaten, die die Auf-
g a b e hab]en, sich als Cordon oder Place d'armes gegen uns auszuwirken,
sind heute der für uns wichtigste Schutzwall gegen den Westen.
Meine Liebe zu Polen ist gewiß nicht größer als zum nationalsozialisti-
*(2) Die Vorlage wurde durch Brand beschädigt. Fehlende Wörter wurden sinngemäß in
eckigen Klammern ergänzt.
(3) Nach einer Mitteilung des Auswärtigen Amts an Nadolny vom 29. Januar (6609/E 497
400-01) waren die bei Durchsuchungen der Häuser der Brüder Arved und Viktor von zur
Mühlen in Riga und Tallinn beschlagnahmten Dokumente „politisch in keiner Weise
kompromittierend. Sie enthalten ausschließlich Korrespondenzen über den Zusammen-
schluß der Mitglieder der Baltischen Brüderschaft auf kulturellem Gebiete". Es wurde
weiter ausgeführt, daß die von Radek erwähnte Hermynia von zur Mühlen eine öster-
reichische Staatsangehörige sei und jetzt in Österreich lebe. Sie sei früher mit Viktor
von zur Mühlen verheiratet gewesen, die Ehe sei aber vor dem Ersten Weltkrieg ge-
schieden worden. Nadolny wurde angewiesen, Radek diese Information bei Gelegen-
heit zukommen zu lassen.
325
Nr. 174 10. JANUAR 1934
174
6692/H 098 726-27
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an den
Botschaiter in Tokio von Dirksen
den 10. Januar 1934
BERLIN,
Abgesandt: 11. Januar
Lieber Dirksen I
Später als sonst vom Weihnachtsurlaub zurückgekehrt, fand ich gestern
Ihren freundlichen Brief vom 18. Dezember vor.1) Vielen Dank dafür. Ihre
Reiseeindrücke haben mich sehr interessiert.2)
Beim Durchlesen der alten Telegramme fiel mir besonders Ihr Vorschlag
auf, die Mandschurei zu besuchen. Einen derartigen demonstrativen Akt,
der Rußland beunruhigen und China verstimmen müßte, halte ich für un-
möglich. Auch haben Sie den Herrn Reichskanzler offenbar mißverstanden.
326
Nr. 175 11. JANUAR 1934
175
2980/D 580 495-97
Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von BülowJ)
BERLIN, den 11. Januar 1934
[II Ung. 35] 2)
Der ungarische Gesandte 3) besuchte midi heute und stellte in der üb-
lichen Weise Fragen nach dem Stand der Abrüstungsverhandlungen, der
Lage an der Saar und in Memel sowie nach den russisch-polnischen Balti-
kumvorschlägen.4)
Danach brachte er zur Sprache, daß sich der Ring um Ungarn immer enger
schließe und daß Ungarn zwar eine wertvolle politische Anlehnung in
seiner Freundschaft mit Deutschland besitze, daß dies aber, da konkrete
Abmachungen nicht vorlägen, von gewissen ungarischen Politikern und
Parteien nicht genügend gewürdigt würde. Durch eine Konkretisierung der
327
Nr. 175 11. JANUAR 1934
[Anlage]
Abschrift
Gelegentlich einer unserer letzten Unterredungen sagten Sie mir, daß
Deutschland derzeit zwar keine aktive territoriale Revisionspolitik be-
treiben wird, indes die ungarische Revisionspolitik moralisch unterstützen
will.5) - Ich habe dies meiner Regierung berichtet und wurde nunmehr
beauftragt mitzuteilen, daß die ungarische Regierung dankbar ist für diese
in Aussicht gestellte moralische Unterstützung. - Auch meine Regierung
ist der Ansicht, daß zwischen der deutschen und ungarischen Revisions-
politik kein Junktim aufgestellt werden kann; Ungarn hat 2/s seines
(5) Eine Aufzeichnung über diese Unterredung konnte nicht ermittelt werden
328
Nr. 176 11. JANUAR 1934
(«) Köpke übersandte Abschriften der Vorlage mit folgendem Vermerk (6146/E 460 171) an
Renthe-Fink, Hüffer und Heinburg: „Ich halte die Zumutung - gelinde gesagt - [für]
naivl Ein Konsultativpakt wegen der Politik der Kleinen Entente wäre ein einseitiges
Vergnügen - und zwar lediglich auf ungarischer Seite! Noch dazu solch' Verlangen,
ehe die Minderheitenbeschwerden auch nur Aussicht auf befriedigende Regelung bieten.
Ich würde gerne auf Grund der Aktenlage (soweit II in Betracht kommt) die Sache mit
Ihnen gemeinsam besprechen und Ihre Ansicht hören. (Die Ablehnung ist recht unbe-
quem!)." Am 11. Januar wurde auf Weisung Köpkes eine Abschrift der Aufzeichnung
über Bülows Unterhaltung mit Masirevich an Mackensen in Budapest übermittelt
(6146/E 460 168). Für das Weitere siehe Dokument Nr. 192.
176
6609/E 497 336-38
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
Geheim MOSKAU, den 11. Januar 1934 21 Uhr 56
Nr. 5 vom 11. 1. Ankunft: 12. Januar 2 Uhr 05
IV Ru. 146
Hatte gestern einstündige Unterredung mit Kriegskommissar Woro-
schilow, bei dem ich mich angemeldet hatte. Unterhaltung wurde in sehr
offenem, ausgesprochen freundschaftlichem Ton geführt. Woroschilow
brachte sogleich Gespräch auf Sympathien und gute Beziehungen, die
zwischen Japan und Deutschland beständen und naturgemäß in Sowjet-
329
Nr. 176 11. JANUAR 1934
union angesichts der Lage im Fernen Osten große Besorgnis auslösten. Als
Beweis für regierungsseitig geförderte pro-j apanische Propaganda in
Deutschland anführte er Radiovortrag hohen preußischen Beamten, der in
gestriger Iswestija wiedergegeben war.1) Ich erwiderte, daß dies lediglich
Reaktion auf Rede Litwinows 2 ) darstelle, die uns mit Japaner auf gleiche
Linie als Friedensstörer stelle. Wenn leitende Staatsmänner der Sowjet-
union fortführen, in diesem Sinne zu sprechen, würde das Echo aus Deutsch-
land noch ganz anders werden. Ich darlegte ihm kurz Absichten deutscher
Regierung, hinwies vor allem auf deutschen Willen, Politik Berliner Ver-
trags fortzuführen und bei möglichst guten politischen Beziehungen zum
Nutzen beider Länder intensiv deutsch-russischen Handelsaustausch zu
fördern. Feindliche Absichten gegen Sowjetunion lägen uns fern. Woro-
schilow begrüßte diese Einstellung, die ganz seinen Ansichten entspräche,
konnte sich dann aber nicht enthalten, auch wieder auf bekanntes störendes
Moment hinzuweisen, mit dem Litwinow augenscheinlich sehr stark ope-
riert. Besonders lange verweilte er bei Hitlers Mein Kampf, wobei er
schließlich sagte, daß zwei Worte des Kanzlers in Öffentlichkeit genügen
würden, um Eindruck . . . (fehlt offenbar etwas), daß sowjetfeindliche Ten-
denz Buches noch heute Gültigkeit haben soll. Selbstverständlich habe ich
erneut unsere Gegenargumente vorgebracht, doch zurück kam er immer
wieder darauf.
Woroschilow unterstrich auch mehrfach, daß Rote Armee mit großer Ge-
nugtuung an Zusammenarbeit mit Reichswehr zurückdenke; er hoffe, daß
auch in dieser Beziehung altes gutes Verhältnis wieder hergestellt werde.
Ich entgegnete, daß auch bei Reichswehr gleicher Wunsch bestehe, wie ich
noch kürzlich durch Gespräch mit Reichswehrminister 3 ) hätte feststellen
können. Wir müßten aber offen erklären, daß, nachdem uns von Roter
Armee sozusagen Stuhl vor die Tür gesetzt sei, wir Reserve beobachten
und abwarten, bis Rote Armee Initiative zur Wiederaufnahme Beziehungen
ergreift. Dies machte Woroschilow sehr nachdenklich, und er antwortete
nichts.
Allgemeiner Eindruck der Unterhaltung: Woroschilow, der zu engsten
Kreisen um Stalin gehört und einer der einflußreichsten Persönlichkeiten
Sowjetunion darstellt, ist im Grunde für beste deutsch-russische Beziehun-
gen. Ich gewann auch unzweideutigen Eindruck, daß bei ihm persönlich der
Wille und Wunsch vorhanden ist, in dieser Richtung zu wirken. Litwinows
Argumentation über Möglichkeiten feindlicher Absichten Deutschlands hat
aber zweifellos auch auf ihn starken Eindruck gemacht, zum mindesten fehlt
ihm das Argument, um erfolgreich dagegen auftreten zu können. Besonders
für ihn würde daher eine deutsche Initiative zur Entkräftung Litwinows
Argument große Stütze.
NADOLNY
(1) Der Hinweis bezieht sich auf einen Rundfunkvortrag, den der Ministerialrat Halens-
leben vom preußischen Kultusministerium am 10. Januar gehalten hatte, über die Be-
handlung dieses Vortrags in der sowjetischen Presse berichtete die Botschaft in Moskau
im Bericht Nr. A 80 vom 10. Januar (M 151/M 005 196-204).
'(2) Siehe Dokument Nr. 161, Anm. 2.
• (") Blomberg.
330
Nr. 177 11. JANUAR 1934
177
8115/E 580 201-10
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an den Botschafter beim Heiligen Stuhl von Bergen
Sofort BERLIN,den 11. Januar 1934
Abgesandt: 12. Januar
zu II Vat. 21 •)
Lieber Bergen!
Vielen Dank für Ihren ausführlichen Brief vom 28. v. M.2) Mit Ihrem Vor-
schlag, auf die verschiedenen Memoranden und Noten, die Ihnen der Kar-
dinalstaatssekretär im Zusammenhang mit der Ausführung des Reichs-
konkordats hat zugehen lassen, zunächst eine allgemein gehaltene Erwide-
rung zu erteilen, bin ich sehr einverstanden. Ihren Entwurf haben wir unter
Beibehaltung des Gedankenganges stellenweise etwas abgeändert, gekürzt
oder ergänzt. So haben wir bei Erwähnung des Artikel 323) auch einen
Passus über den österreichischen Weihnachtshirtenbrief 4 ) angefügt.
In der Anlage übersende ich Ihnen die neue Fassung des Memorandums
und wäre dankbar, wenn Sie das Schriftstück, von dem ich dem Reichskanz-
ler und Herrn Buttmann Kenntnis gegeben habe, dem Kardinalstaatssekretär
im Namen der Reichsregierung baldigst aushändigen und mir die Übergabe
freundlichst auf telegraphischem Wege mitteilen würden.8)
Im übrigen werde ich die Konkordatsfrage nach wie vor persönlich im
Auge behalten und insbesondere darauf hinwirken, daß Ministerialdirektor
Buttmann Anfang Februar die seinerzeit von ihm schriftlich in Aussicht ge-
stellten Verhandlungen 6 ) aufnimmt sowie daß möglichst schon zuvor die
eine oder andere Einzelnote des Vatikans schriftlich beantwortet werden
kann.
Mit besten Grüßen
Ihr
v. N[EURATH]
[Anlage]
MEMORANDUM
Die deutsche Regierung hat die verschiedenen ihr vom Heiligen Stuhl
übermittelten Memoranden und Noten, die sich mit der Durchführung des
Reichskonkordats befassen, einer eingehenden Behandlung unterzogen. Sie
ist von Anfang an der Auffassung gewesen, daß sich der zur Erörterung
*(l) II Vat. 21: Schreiben Bergens an Neurath vom 28. Dezember 1933, gedruckt als Doku-
ment Nr. 152.
• (2) Siehe Anm. 1.
(S) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 371.
(4) Siehe Dokument Nr. 149, Anm. 6.
(») Bergen berichtete in Telegramm Nr. 2 vom 15. Januar 1934 (8115/E 580 231), er habe
an diesem Tage Pacelli das Memorandum ohne weitere Diskussion ausgehändigt.
(") Siehe die Dokumente Nr. 135 und 239.
331
Nr. 177 11. JANUAR 1934
332
Nr. 177 11. J A N U A R 1934
333
Nr. 177 11. JANUAR 1934
334
Nr. 178 11. JANUAR 1934
178
7467/H 179 788-92
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 12 vom 11.1. ROM, den 12. Januar 1934 2 Uhr 30
Ankunft: 12. Januar 5 Uhr 40
II Abr. 111
Unterredung mit Mussolini.
Habe Mussolini zunächst dortiges Telegramm Nr. 11 vom 10. Januar 1 )
mit Ausnahme des letzten Satzes zur Kenntnis gebracht. Er verhielt sich
aufmerksam und zustimmend und bemerkte, daß daraus nicht mit Sicherheit
hervorgehe, ob wir auf Basis französischen Memorandums verhandeln oder
Rückfrage stellen wollten. Er selbst habe Simon in klarer und unmißver-
ständlicher Weise gesagt, daß die Welt seines Erachtens zwischen einer ille-
335
i
Nr. 178 11. JANUAR 1934
336
Nr. 178 11. JANUAR 1934
337
IM Bg. 22
Nr. 179 12. JANUAR 1934
179
6114/E 454 179-80
Botschaftsrat Prinz zu Erbach-Schönberg (Wien) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Cito WIEN, den 12. Januar 1934 21 Uhr 40
Nr. 3 vom 12. 1. Ankunft: 12. Januar 23 Uhr 30
II Oe. 123
Auf Drahterlaß Nr. 6 vom 10. Januar. 1 )
Erbprinz Waldeck programmäßig eingetroffen und heute 17 Uhr 10 über
Prag nach Berlin abgereist. Er hatte im Laufe des gestrigen Tages Bespre-
chungen mit Schattenfroh und Frauenfeld. Am späteren Abend begab er
sich auf Wunsch Frauenfelds in dessen Wohnung, wo sich außerdem
Schattenfroh und Heimwehrführer Alberti mit Adjutant Flohr zu vorher
von diesem angesetzten Verhandlungen einfanden. Polizei, die anschei-
nend Verhandlungsabsicht Albertis in Erfahrung gebracht hatte, erschien
bald nach seinem Eintreffen mit zahlreichen Kriminalbeamten in Zivil unter
Führung Polizeivizepräsidenten Skubl in der Wohnung Frauenfelds. Skubl
gilt als Vertrauensmann Feys, dem heute nacht Geschäfte Sicherheitsmini-
sters wieder übertragen waren. Alle Anwesenden, auch Erbprinz Waldeck,
wurden perlustriert und längere Zeit festgehalten, während telefonische
Weisungen von zuständigen Regierungsstellen eingeholt wurden.2)
Bald nachdem mich Waldeck telefonisch hiervon benachrichtigt hatte,
rief mich Gesandter Hornbostl an, um mir den Vorfall mitzuteilen und
seine weitere Behandlung zu besprechen. Hornbostl nahm sogleich Stand-
punkt ein, daß Waldeck als Fremder von Distinktion zu behandeln sei,
und schlug vor, daß er sich alsbald in unauffälliger Begleitung eines hohen
Polizeibeamten zur Gesandtschaft zurückbegebe und baldmöglichst nach
Deutschland zurückkehre. Ich nahm diesen Vorschlag unter der Bedingung
an, daß Waldecks Hiersein nicht bekannt werde und kein neuer Zwischen-
fall geschaffen werden dürfe.
338
Nr. 180 12. JANUAR 1934
(3) Dieser Hinweis bezieht sich offenbar auf eine Mitteilung, die Himmler zwei Wochen
zuvor dem österreichischen Staatssekretär für das Sidierheitswesen Karwinsky gemacht
hatte. Himmler hatte darin angekündigt, daß weitere Verhaftungen nationalsozialisti-
scher Gauleiter in Österreich mit der Verhaftung von 500 Österreichern in Deutschland
beantwortet werden würden. Siehe hierzu die Aufzeichnung Hüffers vom 13. Januar
(8663/E 606 482-83). Siehe auch Dokument Nr. 184.
180
9556/E 672 754-59; 761
Aufzeichnung des Gesandtschaltsrats HülterJ)
Geheim BERLIN, den 12. Januar 1934
e.o. I I Ts. 75
AUFZEICHNUNG
339
Nr. 180 12. JANUAR 1934
Es ergab sich dabei zunächst, daß die Partei dringend bittet, keine neu-
trale Mittelsperson in diese Hilfsaktion einzuschalten, da an sich schon
jeder, der mit dieser Aktion befaßt würde, sofortiger Verhaftung ausge-
setzt sei. Die Partei begrüße selbstverständlich aufs dankbarste die von
dem Herrn Reichskanzler gewünschte Aktion und erblicke in ihr eine
moralische Unterstützung, die für die ganze Partei von größter Bedeutung
sei.
Im einzelnen wurde folgendes vereinbart:
Zunächst erhielt der betr. Herr 8036 Kc als persönliche Spende des Herrn
Reichskanzlers für die Gattin des verstorbenen Abgeordneten Knirsch
sowie 30 000 Kc als Januarrate für die Unterstützung notleidender Mit-
glieder und Familien der Partei. Des weiteren wurde ihm mitgeteilt, daß
die vorgeschlagenen Subventionsbeträge in Höhe von 50 000 Kc für Frau
Knirsch, die für die nächsten Monate laufende Unterstützung von je
30 000 Kc sowie die Verteidigungskosten für die politischen Prozesse in
der vorgeschlagenen Höhe von 180 000 Kc bewilligt würden. Ebenfalls
wird auch die verfallene Kaution für Herrn Krebs, die z. T. aus der Ge-
werkschaftskasse, z. T. aus den Sparbüchern von Arbeitern und anderer
Mitglieder der Partei erhoben worden ist, in Höhe von 200 000 Kc vom
Reiche zurückvergütet. Dagegen wird der Betrag von 500 000 Kc, der an-
geblich aus der Gewerkschaftskasse in Aussig entnommen worden ist,3)
noch näher zu überprüfen sein. Der betr. Herr versprach, bei einem von
ihm geplanten Besuch in der nächsten Woche in Berlin die dafür notwendi-
gen Unterlagen mitzubringen und darüber auch dem Herrn Reichskanzler
erneut zu berichten.
Wegen der Auszahlung der noch nicht übergebenen Summen wurden
die näheren Einzelheiten verabredet. Bis auf die noch offenstehende
Summe von 500 000 Kc, mit der die Gesandtschaft besser nicht befaßt
wird, sollen die Gelder mit Kurier, möglichst in Noten von 5000 Kc in bar
an die Gesandtschaft gesandt und von ihr je nach Möglichkeit in größeren
oder kleineren Summen den in Frage kommenden Stellen zugeführt wer-
den. Die für die Verteidigung ausgeworfene Summe soll einem Mitgliede
des provisorischen nationalsozialistischen Parteivorstandes, der als Son-
derreferent die Rechtsangelegenheiten bearbeitet, übergeben werden. Für
den Fall, daß die in Frage kommenden Persönlichkeiten inzwischen ver-
haftet werden, sind der Gesandtschaft Ersatzpersonen genannt worden.
Im übrigen verweise ich wegen der Hilfsaktion auf den hier abschrift-
lich beigefügten Passus aus einem Schreiben des Führers der Sudeten-
deutschen, Knirsch, an den Abgeordneten Krebs,4) das er wenige Tage vor
seinem Tode als eine Art politisches Testament verfaßt hat.
2.) Verfügung des Stellvertreters des Führers, Reichsministers Heß, be-
treffend die Sudetendeutschen.
Von dieser hier beigefügten Verfügung, die mit Herrn Reichsminister
Heß in München am 4. noch mündlich vom Referenten besprochen wurde,
ist dem geschäftsführenden Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Partei
340
Nr. 180 12. JANUAR 1934
unter der Hand Kenntnis gegeben worden. Er begrüßte die Verfügung auf
das lebhafteste und dankbarste und versprach sich von ihr eine wesentliche
Erleichterung für die Partei. Mit Exz. Koch ist vereinbart worden, daß er
die Verfügung nach Erscheinen inoffiziell Herrn Benes mitteilt und daran
die Erwartung knüpft, daß von tschechischer Seite nunmehr auch ein Ent-
gegenkommen hinsichtlich der Emigranten und der Frage der Rechtspre-
chung tschechischer Gerichte gegen die Nationalsozialisten erwartet wer-
den müsse.
3.) Emigrantenfrage.
a) Wenn auch das Prager Straßenbild nach meinen Beobachtungen von
den Emigranten und ihrer politischen Propaganda, insbesondere bei den
Zeitungsständen und Buchhandlungen, in größerem Umfange beherrscht
wird, so ist doch nach Ansicht der Gesandtschaft ein entschiedenes Ab-
ebben der Wirkung auf das Ausland festzustellen. Es geht den Greuel-
propagandisten allmählich das Gift aus, und es mehren sich die Stimmen,
die eine Anerkennung der vom Nationalsozialismus in Deutschland ge-
leisteten positiven Aufbauarbeit bringen. Die Vermeidung der von den
Emigranten häufig in der tschechoslowakischen Presse geforderten schrift-
lichen Auseinandersetzung der Gesandtschaft mit ihnen über die Greuel-
meldungen hat sich durchaus als richtig erwiesen. Im übrigen hatten die
wiederholten Interventionen und Beschwerden der Gesandtschaft bei der
tschechischen Regierung über die Tätigkeit der Emigranten bisher trotz
aller Zusicherungen nicht zu einem durchschlagenden Erfolg führen können,
weil die Emigranten der lebhaftesten Unterstützung durch die der Regie-
rung angehörende deutsche und tschechische Sozialdemokratische Partei
sicher waren.
b) Der wirtschaftliche Boykott gegen deutsche Waren dauert dagegen in
unverminderter Stärke an und wird ganz zweifellos durch die Tendenz der
Regierung gestützt, die Ein- und Ausfuhr aus und nach Deutschland zu
nivellieren.
4.) Deutsch-tschechische Wirtschaftspolitik.
Die zweifellos von der tschechischen Regierung bewußt und absichtlich
betriebenen Maßnahmen zum Abbau des großen deutschen Handelsakti-
vums mit der Tschechoslowakei haben in den letzten 2 Jahren zu einem
vollen Erfolge geführt. Während im Jahre 1931 noch der deutsche Handel
mit der Tschechoslowakei mit 1 1U Milliarde Tschechenkronen aktiv war,
ist er bereits in den letzten Monaten passiv geworden. Nach Ansicht der
Gesandtschaft und der hier beigefügten Aufzeichnung des Handels-
attaches 5) dürften nunmehr ernste Vorstellungen bei der tschechischen
Regierung erforderlich sein.
Abteilung W. erhält Kenntnis zwecks weiterer Veranlassung.
5.) Angebliche Putschpläne im sudetendeutschen Raum.
Ein Mitglied des interimistischen Vorstandes der Nationalsozialistischen
Partei ließ mir in Prag mitteilen, daß in den Parteizellen im nordböhmi-
341
Nr. 180 12. JANUAR 1934
[Anlage)
BERLIN, den Januar 1934
Unter Bezugnahme auf meine Verfügung vom [Datum der Verfügung
wegen der Kontrollstellen] 10) verfüge ich hiermit nachstehendes:
1.) Ich verbiete grundsätzlich Verhandlungen oder Besprechungen von
Parteistellen oder Parteimitgliedern mit sudetendeutschen Persönlichkei-
ts) Am 23. Januar 1933 hatte eine Gruppe mutmaßlicher Parteigänger der tschechischen
Faschistenbewegung des Generals Gajda versucht, die Kaserne eines tschechoslowa-
kischen Infanterieregiments in Brunn zu besetzen.
(7) Falkenhorst.
*(8) Blomberg.
(») Fundort: 9556/E 672 762.
(10) Der eingeklammerte Satzteil wurde einer anderen Ausfertigung des vorliegenden
Dokuments (9556/E 672 772) entnommen. Der Hinweis bezieht sich auf eine Verfügung
Heß' vom 7. Dezember 1933 (9151/E 643 937), in der es hieß, es habe wegen der großen
Zuwanderung deutscher Volksgenossen aus der Tschechoslowakei „sich die Errichtung
von Kontrollstellen als unbedingt notwendig erwiesen, um Staat wie Partei vor un-
liebsamen Überraschungen zu schützen". Nach der Verfügung hatten sich alle aus der
Tschechoslowakei nach Deutschland geflüchteten Parteigenossen bei Kontrollstellen in
Dresden oder Passau zur Entgegennahme von Ausweispapieren zu melden, die zur
Beantragung von Beihilfen durch Staat oder Partei berechtigten.
342
Nr. 181 13. JANUAR 1934
181
6609/E 497 404-05
Der Botschalter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
Geheim den 13. Januar 1934 23 Uhr
MOSKAU,
Nr. 7 vom 13. 1. Ankunft: 14. Januar 4 Uhr 30
IV Ru. 198
Bei gesellschaftlichem Zusammentreffen hatte Twardowski zweistündi-
ges sehr freundschaftliches und offenes Gespräch mit Generalstabschef der
Roten Armee Jegorow. Jegorow betonte stark freundschaftliche Gefühle
der Roten Armee zu Reichswehr und Wunsch, altes Verhältnis wieder-
herzustellen. Leider werde durch die deutsche Politik Verwirklichung die-
ses Wunsches zur Zeit beeinträchtigt. Er äußerte, daß er von Politik nichts
verstehe, anführte dann jedoch auch seinerseits die aus Litwinows Argu-
mentation bekannten deutschen Handlungen, die Mißtrauen Sowjetunion
erweckt hätten. Twardowski widerlegte dies natürlich entsprechend.
Als Twardowski Ursachen näher beleuchtete, die tatsächlich zu Ent-
fremdung zwischen Roter Armee und Reichswehr geführt haben, erwiderte
Jegorow, daß Auflösung der Stationen l) nur die Folge veränderter poli-
tischer Lage sei und daß Kommandierung russischer Offiziere zu Kursen
im Sommer unterblieb, weil man in der Sowjetunion Eindruck gehabt habe,
daß Sowjetbürger damals in Deutschland grundlos belästigt, geprügelt, in
die Gefängnisse gesperrt etc. wurden, und fürchtete, daß dies auch Offi-
zieren widerfahren könnte, was unbedingt zu schwerem Konflikt hätte
führen müssen. Diesen aber wollte man vermeiden. Verletzende Absicht
bei Absage habe jedenfalls nicht vorgelegen, es sei ihm auch nicht be-
kannt, daß Militärattache 2 ) in ungeheuerlicher Form Absage vorgebracht
habe. Er versicherte, daß dazu kein Auftrag gegeben sei.
343
Nr. 182 13. JANUAR 1934
182
9564/E 673 225-26
Der Reichsminisler des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an den ungarischen Außenminister Kdnya
Abschrift
BERLIN, den 13. Januar 1934
II Ung. 41
Sehr verehrte Exzellenz!
Bei den Besprechungen mit dem Herrn Reichskanzler im Juni 1933s)
hatte der königlich ungarische Herr Ministerpräsident 2 ) eine Vertiefung
der deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen angeregt. Seitdem haben
mehrfach vorbereitende Besprechungen darüber stattgefunden, wie dieses
Ziel erreicht werden kann.3) Nachdem inzwischen in Deutschland ferner
auf einigen Warengebieten die innerwirtschaftlichen Voraussetzungen
geschaffen worden sind, die eine Verwirklichung des von den beiden
Regierungen angestrebten Zieles ermöglichen, hat die Reichsregierung
sich, wie Herr v. Mackensen Euerer Exzellenz inzwischen mitgeteilt hat,
nunmehr bereit erklärt, offizielle Verhandlungen mit der königlich unga-
rischen Regierung aufzunehmen.4)
344
Nr. 183 15. JANUAR 1934
Die Reichsregierung wird sich bei den Verhandlungen von dem Ziele
leiten lassen, Ungarn eine den besonderen ungarischen Bedürfnissen
Rechnung tragende Stellung auf dem deutschen Markte einzuräumen. Sie
rechnet darauf, daß dann auch auf ungarischer Seite die Hindernisse aus
dem Wege geräumt werden, die zur Zeit der deutschen Einfuhr nach
Ungarn entgegenstehen. Ich hoffe, daß es auf diese Weise möglich sein
wird, nicht nur den in der letzten Zeit leider eingetretenen Rückgang im
beiderseitigen Warenverkehr aufzuhalten, sondern unter Anlehnung an
die Produktionsverhältnisse der beiden Länder eine wesentliche Belebung
des gegenseitigen Absatzes herbeizuführen.
Die Reichsregierung hat durch die Wahl des Ministerialdirigenten Herrn
Geheimrat Waldeck zum Führer der deutschen Delegation bekunden wollen,
daß sie die Verhandlungen mit dem festen Willen zu einem baldigen
positiven Abschluß zu führen beabsichtigt.
Ich wäre Euerer Exzellenz dankbar, wenn Sie Herrn Geheimrat Waldeck,
der Ihnen dieses Schreiben persönlich überbringt, und die deutsche Dele-
gation freundlich aufnehmen und auch Ihrerseits den Verhandlungen Ihre
besondere Aufmerksamkeit widmen würden.
Ich benutze auch diesen Anlaß, um Ihnen, sehr verehrte Exzellenz, den
Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung zu erneuern.
gez. FRHR. v. NEURATH
183
6692/H 098 739-49
Der Botschalter in Tokio von Dirksen an das Auswärtige Amt
Sofort TOKIO, den 15. Januar 1934
Geheim Ankunft: 7. Februar
Nr. 179 IV Ja. 152
Mit Beziehung auf den anderweitigen Bericht vom 8. Januar d. Js.1)
POLITISCHER BERICHT
Inhalt: Die Ausrufung Mandschukuos zum Kaiserreich. Die Frage der An-
erkennung Mandschukuos durch die Mächte. Rückwirkungen auf
die deutsch-japanischen Beziehungen.
I. Die Errichtung des Kaiserreichs Mandschukuo.
II. Die Anerkennung der Mandschurei.
III. Deutschlands Haltung gegenüber der Mandschurei.
IV. Schlußbemerkung.
I. Die Errichtung des Kaiserreichs Mandschukuo.
Der dünne Schleier, der bis vor kurzem über den Absichten der japa-
nischen Regierung hinsichtlich Mandschukuos lag, ist jetzt hinweggezogen
(i) Telegramm Dirksens Nr. 3 vom 8. Januar 1934 (8933/E 626 740)
345
Nr. 183 15. JANUAR 1934
worden. Die Presse schreibt ganz offen über die am 1. März bevorstehende
Ausrufung des Regenten Pu Yi zum Kaiser von Mandschukuo. Darüber
hinaus hat das Außenministerium eine offizielle Verlautbarung über diese
Frage für die Presse bekanntgegeben. Das Außenministerium führt vier
Gründe an, die für die Unterstützung der Pläne Mandschukuos durch die
japanische Regierung maßgebend sind: 1.) die Bewegung in der Mand-
schurei zugunsten der Ausrufung Mandschukuos zum Kaiserreich ent-
spräche dem göttlichen Willen; 2.) diese Bewegung liefere einen neuen
Beweis für die Unabhängigkeit Mandschukuos; 3.) die Errichtung des
Kaiserreichs würde ein Beweis dafür sein, daß Mandschukuo endgültig ein
Mitglied der Gemeinschaft der Nationen geworden ist, und sie würde be-
weisen, daß Japan nicht, wie es mit Korea geschehen sei, Mandschukuo
jemals annektieren würde; 4.) mit der endgültigen Feststellung der Souve-
ränität Mandschukuos und der erblichen Kontinuität der Herrscher von
Mandschukuo würde das Bestehen von Mandschukuo erneut international
anerkannt sein.
Diese Verlautbarung kennzeichnet die leitenden Beweggründe Japans
gegenüber Mandschukuo mit einer Deutlichkeit, die einen Kommentar
beinahe überflüssig macht. Die wesentlichsten Gesichtspunkte sind:
1.) Die Feststellung der Tatsache, daß Japan die Mandschurei nicht
annektieren will. Diese Tatsache bedeutet einen Sieg der gemäßigten
Partei in Japan, insbesondere also Hirotas, gegenüber den radikalen
Annexionisten, also insbesondere gewissen Kreisen der Armee. Die mir
mitgeteilte Version, daß die Armee denn auch die Schaffung eines Kaiser-
reichs keineswegs mit besonderer Begeisterung begrüßt, verdient daher
Glauben.
2.) Das Bestreben der japanischen Regierung, dem neuen Staat durch
Ausrufung der Monarchie zwischenstaatliche Geltung zu verschaffen, ins-
besondere also seine Anerkennung durch die Mächte durchzusetzen. Dieses
Bestreben muß ganz besonders bei den gemäßigten Kreisen, insbesondere
bei Hirota, vorwalten, da die Anerkennung durch die Mächte den nationa-
listischen und annexionistischen Elementen gegenüber den Beweis für die
Richtigkeit der eingeschlagenen Politik liefern würde.
3.) Als ein nicht in der Öffentlichkeit bekanntgegebener Beweggrund
kommen außenpolitische Erwägungen gegenüber China und der Sowjet-
Union hinzu. Man hofft, daß ein Kaiserreich Mandschurei eine verstärkte
Anziehungskraft gegenüber Nord-China und der Mongolei ausüben und
damit die entfernteren Ziele japanischer Politik der Verwirklichung näher
bringen wird. Die japanischen Erwägungen hinsichtlich des Verhältnisses
zur Sowjet-Union sind in dem Bericht vom 9. Januar d. J. - J. Nr. 53 - 2 ) kurz
*(*) Randbemerkung: „Das heißt doch gerade gegen unsere Unterstützung dieser Politik.
A[ltenburg]."
Dirksen hatte in seinem Bericht Nr. 53 vom 9. Januar (M 144/M 005 068-72) eine Über-
setzung der Neujahrsrede übermittelt, die Hirota vor der Presse abgegeben hatte, und
diese Rede kommentiert. Hinsichtlich der Sowjetunion habe Hirota ausgeführt:
„In seinen Beziehungen zur Sowjetunion wird Japan sieh bemühen, die Hemmnisse,
die einem Abkommen über die nordmandschurische Eisenbahn entgegenstehen, zu be-
seitigen, und seine guten Dienste zur Verfügung stellen. Japan wird sich bemühen, eine
346
Nr. 183 15. JANUAR 1934
347
Nr. 183 15. JANUAR 1934
taktischen Stellung hervor, in der Hirota sich befindet: Ins Amt berufen,
weil er bei der Militärpartei Vertrauen genoß, ist er bestrebt, eine fried-
liche Politik durchzuführen, die für Japan gefährlichen internationalen
Reibungsflächen zu beseitigen und den Einfluß der Kriegstreiber zurück-
zudrängen. Die positiven Ergebnisse, die er bisher aufzuweisen hatte,
sind gering. Es heißt, daß sein Einfluß bei den Militärs bereits nachgelassen
hätte. Die jetzt bevorstehende Aktion in der Mandschurei ist die Ausfüh-
rung seines ersten großen politischen Planes; von hier aus möchte er die
Beziehungen zu China und Rußland regeln. Es muß daher Hirotas Be-
streben sein, die Richtigkeit seiner Aktion gegenüber seinen Kritikern in
Japan selbst zu reditfertigen, indem er die Anerkennung der Mandschurei
herbeiführt.
Wenn es noch eines Beweises für die Richtigkeit dieser Schlußfolgerun-
gen bedürfte, so ist er durch Hirotas eigene Worte gegeben: Die Entwick-
lung der Mandschurei sei die widitigste politische Aufgabe Japans, oder,
wie er es in einem Aufsatz, über den ich gesondert berichte,3) formuliert
hat: Japan wird seine Beziehungen zu den Großmächten, an denen es am
meisten interessiert ist (USA, China, Sowjet-Union, England) gleich-
schalten mit seiner Mandschurei-Politik. Die Haltung gegenüber der Mand-
schurei wird also gewissermaßen das Thermometer sein, an dem Japan
die Temperatur seiner Beziehungen zu dritten Mächten abliest. Im Hin-
blick auf die Langfristigkeit der Aufgabe Japans werden die Beziehungen
Japans zu dritten Mächten durch deren Einstellung gegenüber der Mand-
schurei in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht dauernd beeinflußt
werden.
III. Deutschlands Haltung gegenüber der Mandschurei.
Daß diese allgemeinen Ausführungen auch auf das Verhältnis Deutsch-
lands zu Japan angewendet werden müssen, daß Deutschlands Haltung
gegenüber der Mandschurei die deutsch-japanischen Beziehungen dauernd
maßgebend beeinflussen muß, das hat schon die Entwicklung in den
wenigen Wochen seit meiner Amtsübernahme bewiesen. Die bei der
ersten Unterhaltung 4 ) angedeutete und bei der zweiten 6 ) mit voller Unter-
streichung der politisdien Tragweite ausgesprochene Einladung Hirotas
an mich zu einer Mandschurei-Reise ist der deutliche Hinweis darauf, daß
Japan die Gestaltung seines Verhältnisses auch zu Deutschland von dessen
positiver Einstellung zur Mandschurei abhängig machen will.
Ein Entschluß über die gegenüber Mandschukuo zu befolgende Politik
ist für Deutschland noch viel brennender als für die anderen Großmächte.
Die Anerkennung der Mandschurei ist für Deutschland der einzige Trumpf,
den es gegenüber Japan zur Erzielung politischer oder wirtschaftlicher
Vorteile ausspielen kann.9) Die anderen beteiligten Mächte - USA, Ruß-
land, China, England, selbst Frankreich - haben infolge ihrer größeren,
348
Nr. 183 15. JANUAR 1934
*(7) Wilden.
(8) Siehe Dokument Nr. 154.
*(») Guillaume.
349
Nr. 183 15. JANUAR 1934
Gegenteil. Außerdem würden wir uns der Einrede bedienen können, daß
die Anerkennung der Mandschurei hauptsächlich aus Gesichtspunkten der
Wirtschaftspolitik und Ausfuhrförderung erfolgt sei.
Der Sowjet-Union gegenüber jetzt besonders zartfühlend zu sein - in
einem Augenblick, wo laut heutigen Pressenachrichten die Sowjetpresse
den politischen, gegen Deutschland gerichteten Charakter der an Rußland
gegebenen französischen Kredite betont und die Äußerung Litwinows er-
wähnt, die deutsch-sowjetischen Beziehungen hätten sich bis zur Unkennt-
lichkeit verändert -, haben wir keinen Grund. Wir wollen weiterhin gute
und normale Beziehungen zur Sowjet-Union unterhalten. Daß sie immer
mehr in das Lager unserer politischen Gegner abmarschiert, ist nicht
unsere Schuld. Ihr nachzulaufen oder durch Wohlverhalten ihre Gunst
wiederzugewinnen trachten, wäre verkehrt. Auf die Moskauer Mentalität
wirkt am stärksten die Sprache der harten Wirklichkeit. Sieht die Sowjet-
Union, daß Deutsdiland auch noch andere wirtschaftliche und vielleicht
auch politische Möglichkeiten offenstehen, die ihr unbequem sind, so
wird sie am ehesten einlenken.
Bleibt China und die Angst vor dem Boykott. Ich glaube nicht, daß die
Rücksichten auf die politische Bedeutung Chinas für uns noch als Gegen-
argument gegen die Anerkennung der Mandschurei eine Rolle spielen.
Jetzt, wo die Macht der Tatsachen den wertvollsten und gesündesten Teil
Chinas - die Mandschurei - für lange Dauer aus dem staatlichen Verband
Chinas herausgelöst hat, wo Nord-China sich ausgesprochen an Japan
anzulehnen beginnt, wo Chiang Kai-shek innerlich Japan zuneigt und der
Süden Chinas eine Beute von ehrgeizigen und selbstsüchtigen Politikern
und Generälen und der Kommunisten geworden ist, fallen solche Bedenken
fort. Daß nicht einmal dieses Rumpf-China es für nötig hält, Brüskierungen
Deutschlands zu vermeiden, wie es das Engagement höchst zweifelhafter
politischer SPD-Emigranten darstellt, sollte uns zu denken geben.
Ob eine Anerkennung der Mandschurei durch Deutschland überhaupt
eine Boykottbewegung auslösen würde, ist sehr zweifelhaft. Daß eine
solche Boykott-Parole sich allgemein Geltung verschaffen oder dauernd
halten werde, ist noch zweifelhafter. Der gegen Japan verhängte soge-
nannte Boykott besteht in Nord-China nicht mehr, in Süd-China nur in
abgeschwächtem Umfang. Er wird zudem erfolgreich umgangen.
Wenn man wirklich eine Frage von der Bedeutung der ferneren Gestal-
tung der deutsch-japanischen Beziehungen von rein merkantilen Erwä-
gungen abhängig machen will, so wird man bei einer Prüfung der wirt-
schaftlichen Interessen schon zu dem Ergebnis kommen, daß auch jetzt
schon die Wirtschaftsbeziehungen zu Japan für uns wertvoller sind als die
zu China. In den ersten 9 Monaten des Jahres 1933 hat der Wirtschafts-
verkehr mit Japan für Deutschland einen Aktiv-Saldo von 45 Millionen
Mark, der mit China einen Passiv-Saldo von 64 Millionen Mark ergeben;
also fast 10% der Gesamtaktivität unserer Handelsbilanz von 476 Millio-
nen Mark stammt aus dem Japan-Geschäft.10) Ich bin mir bewußt, daß die
Frage viel komplizierter liegt, als es in diesen Ziffern zum Ausdruck
350
Nr. 183 15. JANUAR 1934
kommt; daß insbesondere die Passivität unseres Handels mit China gerade
auf unsere Passivität bezüglich der hier noch zu China gerechneten Mand-
schurei zurückzuführen ist. Aber die von mir vertretene stärkere wirt-
schaftliche Interessenahme Deutschlands an der Mandschurei durch Ver-
gebung von Aufträgen nach Deutschland als Gegenleistung für die Aner-
kennung der Mandschurei hat ja auch gerade die Beseitigung dieses
Passivsaldos zum Ziel. Indem ich mir eingehendere Ausführungen über
diesen Fragenkomplex vorbehalte, kommt es mir hier nur auf die Hervor-
hebung der Tatsache an, daß auch im Fall eines chinesischen Boykotts, rein
merkantil gesehen, die Beziehungen zu Japan und Mandschurei für uns
die wertvolleren sind.11)
Wenn demnach dauernde schädliche Rückwirkungen auf Deutschlands
gesamtpolitische Lage von einer Anerkennung der Mandschurei gegen wirt-
schaftliche Gegenleistungen nicht zu befürchten sind,12) so sind auf der
anderen Seite große ausgestaltungsfähige und weitreichende Vorteile zu
ersehen. Das nahe, sozusagen taktische Ziel der Anbahnung einer positiven
Politik gegenüber Japan und der in unserer wirtschaftlichen Lage doppelt
erwünschten Steigerung unserer Ausfuhrmöglichkeiten ist vielleicht noch
nicht einmal ausschlaggebend. Von mindestens gleicher Bedeutung sind die
strategischen Möglichkeiten, die sich uns eröffnen. Nach unserer welt-
politischen Lage müssen wir mit solchen Staaten zusammengehen, die -
wie wir - mit dem System der gegenwärtigen Machtverteilung unzufrieden
sind. Dieser Gedanke lag der Rapallo-Politik und der Konzeption des
Grafen Brockdorff-Rantzau von der „deutsch-russischen Schicksalsgemein-
schaft" zugrunde. Nachdem nun die Voraussetzungen für die Rapallo-
Politik infolge der Haltung der Sowjet-Union weggefallen sind, wird
Deutschland einen ähnlichen Erfolg durch eine Annäherung an Japan er-
reichen können - ohne die politischen Belastungen der kommunistischen
Machenschaften 13) auf sich nehmen zu müssen.
Vielmehr ist das heutige Japan dem Deutschland der nationalen Revo-
lution in seiner geistigen Gesamthaltung ähnlich; es fühlt sich ferner ver-
einsamt, eingekreist, in seinem Lebensraum bedroht wie Deutschland. Der
beiderseitige Austritt aus dem Völkerbund, die beiderseitige Forderung
nach Gleichberechtigung schafft eine gemeinsame politische Linie, die
unsere Stellung auf dem Gebiet der großen internationalen Fragen wert-
voll verstärken kann. Es ist in Japan eine solche Fülle von Sympathie und
Verständnis für Deutschland und ein so intensiver Wunsch nach Annähe-
rung vorhanden, daß die Außerachtlassung dieser kaum jemals wieder-
kehrenden Konstellation nicht zu verantworten sein würde.
Alle diese Gründe haben ein um so größeres Gewicht, als eine politische
Bindung oder Kompromittierung Deutschlands nicht in Kauf genommen zu
werden braucht. Erforderlich ist nur die baldige Anerkennung der Mand-
schurei, wofür wir wesentliche wirtschaftliche Vorteile durchsetzen können,
wenn sie rechtzeitig vorgenommen wird. Die weitere Ausgestaltung des
351
Nr. 183 15. JANUAR 1934
352
Nr. 184 16. JANUAR 1934
184
3086/D 617 114-15
Auizeichnung des Gesandtschaltsrats Hüfferl)
Sofort BERLIN, den 16. Januar 1934
II Oe. 146
AUFZEICHNUNG
353
11,1 Bg. 23
Nr. 184 16. JANUAR 1934
den ist.3) Landesinspekteur Habicht hat gestern mit dem Herrn Reichs-
kanzler persönlich vereinbart, daß bis zum 20. Januar im ganzen deutschen
Reich die durch Herrn Diels erwähnte Liste fertiggestellt werden solle,
um aus ihr dann eine Auswahl von etwa auszuweisenden oder zu ver-
haftenden Österreichern zu treffen. Herr Himmler, der s. Z. den Austausch
Frauenfeld/Alvensleben 4 ) durchgeführt und damals schon die österr[eichi-
sche] Regierung darauf aufmerksam gemacht hatte, daß im Falle einer
etwaigen Wiederverhaftung Frauenfelds 500 Österreicher in Deutschland
verhaftet werden würden,5) hat gestern abend nochmals mit dem öster-
reichischen] Staatssekretär für das Sicherheitswesen telefoniert und ihn
auf die Konsequenzen der erneuten Verhaftung Frauenfelds hingewiesen.
Er fand jedoch bei Herrn Karwinsky keinerlei Entgegenkommen und hat
daher für alle nichtpreußischen Länder Deutschlands den gleichen Auftrag
wie Herr Diels bekommen.
Man hofft nun in der Partei, schon durch die Androhung der Maßnahme
gegen die Österreicher Wien zur Freilassung Frauenfelds bewegen zu
können.
Ab heute abend erfolgen bis zum 20. Januar dreimal täglich im Rundfunk
sowie als Auflagenachricht in allen deutschen Zeitungen Aufforderungen
an die Österreicher im Reich, sich sofort bei den zuständigen Polizeistellen
zu melden. Auf den zu erwartenden Protestschritt des österreichischen
Gesandten 6 ) bat Herr Habicht, lediglich zu antworten, daß es sich hierbei
um eine interne fremdenpolizeiliche Maßnahme handle, die sich als not-
wendig erwiesen habe.7)
HÜFFER
354
Nr. 185 16. JANUAR 1934
185
7894/E 572 282-83
Konsul Krauel (Genf) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Cito den 16. Januar 1934 18 Uhr 30
GENF,
Nr. 4 vom 16. 1. Ankunft: 16. Januar 19 Uhr 30
II S.G. 274
Heute empfing mich Aloisi in Anwesenheit von Biancheri, um mich über
beabsichtigte Maßnahmen des Rats in der Saarfrage zu unterrichten. Aloisi
legt zunächst Wert darauf festzustellen, daß sein Vorschlag in gestriger
Ratssitzung zur Absendung eines Telegramms an Deutschland lediglich in
der Absicht gemacht worden sei, eine beschleunigte Klärung Lage herbei-
zuführen und jede Vertagung (Verschiebung) in Tätigkeit Rats zu ver-
meiden,1) da er aus Mitteilungen des deutschen Botschafters in Rom 2 )
wüßte, daß Deutschland Beschleunigung Vorbereitung Abstimmungsmaß-
nahmen wünsche. Sodann mitteilte Aloisi, daß er Rat Bildung eines Dreier-
komitees zur Vorbereitung Abstimmungsmaßnahmen erwägen 3 ) werde,
daß er als Präsident zum Beispiel auch Möglichkeit habe, deutsche Sach-
verständige über beabsichtigte Maßnahmen zu befragen. Um eine der-
artige deutsche Mitarbeit zu erleichtern, würde er nicht Genf, sondern
Rom als Arbeitssitz des Komitees vorschlagen. Aloisi bat mich, ihn bald-
möglichst darüber zu informieren, ob eine derartige Prozedur die Zustim-
mung und Mitarbeit Deutschlands finden würde.4) Auf die Frage Aloisis
nach dem Inhalt der deutschen Antwort auf das gestrige Schreiben des
Generalsekretärs bezüglich der Teilnahme Deutschlands an den Ratsver-
handlungen über die Saarfrage 5) habe ich geantwortet, daß sie vermutlich
völlig negativ ausfallen und spätestens morgen früh überreicht werden
würde.6)
Auf meine Frage, ob Rat auf dieser Tagung lediglich Bildung des Rats-
komitees vornehmen oder nicht z. B. auch schon jetzt Termin Saarabstim-
(1) In einer Aufzeichnung vom 15. Januar (7894/E 572 268) hatte Voigt vermerkt, er habe
aus Genf die telefonische Mitteilung erhalten, daß der Völkerbundsrat beschlossen
habe, der deutschen Regierung auf telegraphischem Wege eine Einladung zur Teilnahme
an den Beratungen des Rats über die Vorbereitung der Volksabstimmung im Saargebiet
zu übermitteln. Er, Voigt, habe daraufhin Bülow und Neurath Vortrag gehalten, und es
sei entschieden worden, daß die Einladung „mit Rücksieht auf unsere allgemeine Hal-
tung gegenüber dem Völkerbund" abzulehnen sei.
*(2) Hassell.
*(S) Dieses Wort wurde bei der Übermittlung verstümmelt und handschriftlich in der Vor-
lage nachgetragen.
*(4) Bülow teilte dem Konsulat in Genf in Telegramm Nr. 9 vom 17. Januar (7894/E 572 284)
mit, daß gegen Aloisis Pläne hinsichtlich Einsetzung, Kompetenzen und Arbeitsweise
eines Dreierkomitees keine Bedenken bestünden. Das praktische Ziel müsse allerdings
sein, möglichst rasch konkrete Abstimmungsvorbereitungen in Gang zu setzen.
'(») Schreiben Avenols an Neurath vom 15. Januar (7894/E 572 279-81).
(•) Neurath antwortete Avenol in einem Brief vom 16. Januar, in dem „aus grundsätzlichen
Erwägungen" eine deutsche Teilnahme an den Beratungen des Völkerbundsrats abge-
lehnt wurde. Siehe S. d. N., Journal Olliciel, Februar 1934, Teil I, S. 166.
355
Nr. 186 16. JANUAR 1934
mung festlegen wolle, antwortete Aloisi, daß diese Anregung bisher noch
nicht diskutiert sei. Hier anwesende Vertreter deutscher Saarfront haben
mir daraufhin mitgeteilt, daß sie bei ihrem morgigen Empfang bei Aloisi
Festsetzung Abstimmungstermins verlangen wollen, die auch Knox für
notwendig hält.
Zur Weiterbehandlung der Abrüstungsfragen äußerte sich Aloisi dahin,
daß Henderson, falls sein Gesundheitszustand Reise nach Genf überhaupt
ermögliche, lediglich Sitzung des beschränkten Abrüstungskomitees
(Bureau restreint) anberaumt werde, das die Vertagung sowohl des Büros
wie natürlich erst recht der Generalkommission beschließen werde, über
das Datum der Verschiebung sei noch nichts bekannt. Private Unterredun-
gen über Abrüstung würden voraussichtlich stattfinden, sobald Simon nach
Genf käme.
KRAUEL
186
6177/E 463 533-37
Aufzeichnung des Ministerialdirektors Gaus
BERLIN, den 16. Januar 1934
Auftragsgemäß habe ich heute mit dem polnischen Gesandten den Gegen-
entwurf seiner Regierung für die in Aussicht genommene deutsch-polnische
Erklärung l) besprochen, um möglichst genau festzustellen, welche Motive
den in Warschau vorgenommenen Änderungen des Textes zugrundeliegen.
Herr Lipski und ich haben bei Beginn der Besprechung festgestellt, daß
diese rein informatorischen Charakter habe und nur den Zweck verfolge,
der Reichsregierung Klarheit über den Sinn der polnischen Änderungsvor-
schläge zu verschaffen.
1.) Zu dem polnischen Zusatz in Absatz 2 der Erklärung, wonach durch
diese „keine von den Verpflichtungen, die sich für jeden der beiden Teile
aus den von ihm abgeschlossenen Abkommen ergeben, geändert oder
eingeschränkt werden kann", sagte Herr Lipski, wie zu erwarten, zu-
nächst nur, daß nach Ansicht seiner Regierung die Zugehörigkeit zum
Völkerbund, die ja auch für Deutschland noch zwei Jahre zu Recht be-
stehe, eine solche Reserve notwendig mache, da sonst die beiden Staaten
in Konflikt mit den bekannten Verpflichtungen aus Artikel 16 der Völker-
bundssatzung geraten könnten. Er fügte aber auf die erste Andeutung
meinerseits wegen der sonstigen besonderen vertraglichen Bindungen
Polens auf diesem Gebiet sofort hinzu, daß bei der Reserve natürlich auch
an die Verträge Polens mit Frankreich 2 ) und Rumänien 3 ) gedacht sei.
Diese Verträge seien ja dem Völkerbund notifiziert und ihrem Wortlaut
356
Nr. 186 16. JANUAR 1934
nach bekannt. Andere Verträge dieser Art habe Polen nicht abgeschlossen.
Ich habe darauf erwidert, daß durch diese Reserve doch eine ernste Frage
aufgeworfen werde. Meiner Ansicht nach sei es, rein juristisch gesehen,
bei der von uns vorgeschlagenen Fassung, die ja gerade die üblichen
Vertragsschemata habe vermeiden wollen, nicht notwendig, einen beson-
deren Vorbehalt wegen anderweitiger vertraglicher Bindungen der beiden
Staaten zu machen. Die Erklärung bezwecke nach deutscher Absicht die
uneingeschränkte Sicherung des Friedens zwischen Deutschland und Polen;
mit dieser Absicht könnten sonstige Verträge doch nicht im Widerspruch
stehen. Wenn Polen jetzt gleichwohl einen derartigen Vorbehalt fordere,
so könnte das politisch so aufgefaßt werden, als ob man von Deutschland
eine ausdrückliche Anerkennung der polnischen Bündnisverträge zu erhal-
ten wünschte, überdies könne der Zusatz bei strikter Interpretation sogar
so verstanden werden, als ob nach polnischer Auffassung überhaupt an
keinem der bestehenden Verträge jemals etwas geändert werden dürfe,
was dann ja auf eine nochmalige Anerkennung von Versailles hinaus-
laufen würde. Herr Lipski betonte zu dem letzten Punkt ohne Zögern und
mit aller Deutlichkeit, daß seine Regierung mit dem Zusatz eine noch-
malige Anerkennung von Versailles ganz zweifellos nicht bezwecke. Da-
gegen sei er überzeugt, daß man in Warschau darauf bestehen werde, die
polnischen Verpflichtungen gegenüber Völkerbund, Frankreich und Rumä-
nien außer Zweifel zu stellen und durch eine ausdrückliche Reserve zu
decken. Als ich weiter darauf insistierte, daß mir das eine sehr mißliche
Belastung der ganzen deutsch-polnischen Erklärung zu sein scheine, meinte
er, man könne vielleicht eine etwas elegantere Fassung finden, die gleich-
zeitig - wie der entsprechende Satz in der Präambel des polnisch-russi-
schen Nichtangriffspaktes 4 ) - zum Ausdruck bringe, daß die anderweitigen
Vertragsverpflichtungen friedlichen und keinen aggressiven Charakter
hätten.
2.) Bei der Erörterung des zweiten polnischen Zusatzes, wonach unter die
Erklärung solche Fragen fallen sollen, „welche nach internationalem Recht
zur ausschließlichen Zuständigkeit der Staaten gehören", antwortete Herr
Lipski auf meine Frage nach dem Grunde dieser Änderung nur, daß eine
solche Bestimmung doch üblich sei; sie finde sich in den meisten derartigen
Verträgen und entspreche dem Artikel 15 Absatz 8 der Völkerbunds-
satzung. Ich konnte Herrn Lipski aber auf eine Reihe von Verträgen ohne
diesen Zusatz, insbesondere auf den Schiedsvertrag von Locarno,5) hin-
weisen, und fügte hinzu, daß ich mir meinerseits keine Kategorie von
Fragen vorstellen könne, die im Verhältnis zwischen Deutschland und
Polen eine solche Klausel notwendig machten. Dabei habe ich aber ab-
sichtlich davon abgesehen, meinerseits auf die Minderheitsfragen anzu-
spielen, um die polnische Regierung zu zwingen, daß sie von sich aus einen
plausiblen Grund für die Klausel angibt. Herr Lipski fand einen solchen
Grund nicht und sagte schließlich, daß er sich in Warschau erkundigen
werde. Ich habe auch zu diesem Punkte darauf hingewiesen, wie bedauer-
*(4) Nichtangriffspakt zwischen Polen und der Sowjetunion vom 25. Juli 1932, abgedruckt in
S. d. N., flecueif des Trailes, Nr. 3124, Bd. CXXXVI, S. 41-53.
*(5) Siehe Dokument Nr. 81 und Anm. 4 dazu.
357
Nr. 186 16. JANUAR 1934
lieh es sei, wenn die von dem Herrn Reichskanzler so großzügig gedachte
Abmachung in ihrem politischen Effekt durch allerlei unübersichtliche
juristische Klauseln und Vorbehalte beeinträchtigt würde.
3.) Bei der Besprechung der dritten polnischen Änderung, die die
Außerkraftsetzung des deutsch-polnischen Schiedsvertrags von Locarno zur
Folge haben würde, tat Herr Lipski zunächst so, als ob das nicht die
Absicht der polnischen Regierung gewesen sei. Als ich ihm an der Hand
des von Polen vorgeschlagenen Wortlauts nachwies, daß dieser gar nicht
anders verstanden werden könne als im Sinne einer gewollten Lossagung
von der allgemeinen Bindung des Schiedsvertrags, meinte er, es würde ja
tatsächlich dem Grundgedanken der Erklärung, insbesondere dem Gedan-
ken der Regelung aller Streitfragen von Staat zu Staat, besser entsprechen,
die Austragung von Streitfragen durch Vergleichs- oder Schiedsverfahren
nur von Fall zu Fall, nicht aber allgemein, zu vereinbaren. Ich habe dem-
gegenüber folgendes ausgeführt: Einmal werde durch die Aufhebung des
deutsch-polnischen Schiedsvertrags das viel weiter reichende politische
Problem der Geltung der gesamten Locarno-Verträge aufgeworfen. Es sei
nicht zu vergessen, daß im Schlußprotokoll von Locarno festgestellt werde,
daß sich alle auf der Konferenz ausgearbeiteten Verträge aufeinander be-
zögen. Davon abgesehen, sei aber doch wohl zu bedenken, daß die Beseiti-
gung der allgemeinen Verpflichtung zur Austragung von Konflikten auf
schiedlichem Wege und ihre Ersetzung durch eine erst von Fall zu Fall
zu treffende Vereinbarung eher einen Rückschritt als einen Fortschritt in
der Sicherung der friedlichen Beziehungen darstelle. Das werde angesichts
der fortschreitenden Entwicklung des Schiedswesens sicherlich Aufsehen er-
regen. Jedenfalls sei es schon aus technischen Gründen erforderlich, daß
in diesem Punkte über die Absichten der beiden Regierungen volle Klar-
heit geschaffen werde. Die Schwierigkeit, die sich daraus ergebe, daß der
deutsch-polnische Schiedsvertrag an einzelnen Punkten auf den Völker-
bund verweise, könne nach unserm Austritt, falls die beiden Regierungen
den Schiedsvertrag aufrechterhalten wollten, leicht durch eine gering-
fügige Korrektur des ursprünglichen Vertragstexts in Ordnung gebracht
werden. Herr Lipski wurde bei der Besprechung dieser Frage sehr nach-
denklich und sagte mir schließlich, daß er, offen gestanden, nicht wisse,
wie man hierüber in Warschau denke, er gebe zu, daß in dieser Beziehung
völlige Klarheit geschaffen werden müsse, und wolle sich bei seiner
Regierung erkundigen.
4.) Als ich Herrn Lipski auf die sonstigen, an unserm Texte vorgenom-
menen Änderungen redaktioneller Natur hinwies und ihn nach dem Grunde
fragte, antwortete er nur ganz allgemein, daß seine Regierung doch fast
unseren ganzen Wortlaut akzeptiert habe und daß es schließlich nicht
wundernehmen könne, wenn sie an einigen Stellen eine eigene Redaktion
in Vorschlag bringe.
Hiermit dem Herrn Staatssekretär und dem Herrn Reichsminister vor-
zulegen.6)
gez. GAUS
358
Nr. 187 16. JANUAR 1934
187
6604/E 495 887-90
359
Nr. 187 16. JANUAR 1934
360
Nr. 188 17. JANUAR 1934
188
3086/D 617 118-23
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
den 17. Januar 1934
BERLIN,
RM. 65
Der österreichische Gesandte hat mich heute aufgesucht und im Namen
seiner Regierung die in der anliegenden Notiz enthaltenen Punkte be-
schwerdeführend vorgebracht. Ich habe Herrn Tauschitz dazu folgendes
bemerkt: Ehe ich auf die einzelnen Punkte seiner Beschwerde eingehe,
müsse ich ihm erklären, daß das Verhalten des Bundeskanzlers Dollfuß
bei der auf seine Anregungen von uns unterstützten und gebilligten
Aktion zu einer persönlichen Aussprache mit Herrn Habicht 1 ) in mir den
Glauben an die Zuverlässigkeit des Herrn Dollfuß aufs äußerste erschüttert
habe. Die von Herrn Dollfuß angegebenen Gründe für seinen Rückzug im
letzten Augenblick, nämlich das Zunehmen der sogenannten Terrorakte,
seien so fadenscheinig und unglaubhaft, daß ich aus diesem Grunde den
Erbprinzen Waldeck beauftragt habe, an Ort und Stelle sich über die
wahren Gründe zu informieren. Zu diesem Zweck habe der Erbprinz
Waldeck die Fühlung mit Herrn Frauenfeld und Herrn Leopold aufge-
nommen. Daraus eine Konspiration gegen den österreichischen Staat zu
machen, sei absurd. Geradezu lächerlich sei die Beschwerde darüber, daß
der Erbprinz Waldeck eine Photographie des Herrn Habicht und ihm aus-
gestellten sauf conduite bei sich gehabt habe.2)
Was die Behauptung anlange, daß die Spreng- und Propagandamateria-
lien, die in Österreich zur Verwendung kommen, aus Deutschland stamm-
ten und auf Grund von genauen Instruktionen von den österreichischen
Nationalsozialisten verwendet würden, so könne ich ihm darauf nur er-
widern, daß diese Angelegenheit zunächst durch die zuständige Behörde
geprüft werde.
Die Behauptung, daß der sogenannten österreichischen Legion eine be-
sondere Rolle im Kampfe gegen die österreichische Bundesregierung zuge-
wiesen sei, sei aus der Luft gegriffen und durch keinerlei Beweise ge-
stützt. Falsch sei, daß diese Leute, die über die Grenze gelaufen seien und
die wir ernähren müßten, gut bewaffnet und militärisch ausgebildet seien.
Was die Drohungen anlange, daß die österreichische Regierung sich an
den Völkerbund wenden wolle, so könnte ich dazu nur bemerken, daß ein
solches Vorgehen geeignet wäre, jede Verständnismöglichkeit zwischen
der deutschen Regierung und der österreichischen Bundesregierung über-
haupt auszuschließen. Endlich müßte ich auch mein Bedauern darüber zum
Ausdruck bringen, daß die österreichische Regierung es für notwendig be-
funden habe, von der dem Gesandten aufgetragenen Demarche bei mir
die europäischen Großmächte zu informieren. Auch dieser Umstand sei nicht
361
Nr. 188 17. JANUAR 1934
[Anlage]
Abschrift
Gesandtschaft der Republik Österreich BERLIN, den 17. Jänner 1934
NOTIZ
(8) In einer weiteren Aufzeichnung vom gleichen Tage (3086/D 617 141) vermerkte Neurath,
Tauschitz habe in der Unterredung auch die angeordnete Meldepflicht für österreichische
Staatsangehörige in Deutschland (siehe Dokument Nr. 184) zur Sprache gebracht und
dagegen protestiert. Er, Neurath, habe Tauschitz gesagt, diese Anordnung sei bereits
wieder rüdegängig gemacht worden.
*(4) Tauschitz hatte Neurath am 11. Januar aufgesucht, um unter Hinweis auf die jüngsten
Terrorakte österreichischer Nationalsozialisten die Absage des Treffens Dollfuß' mit
Habicht mitzuteilen (3086/D 617 082-101). Bei dieser Gelegenheit hatte Tauschitz auch das
in der Vorlage angesprochene Beweismaterial übergeben.
(5) Siehe Dokument Nr. 179.
362
Nr. 188 17. JANUAR 1934
(6) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 427 und Anm. 2 dazu.
(7) Fundort: 3086/D 617 124-40.
(8) Siehe die Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 232, S. 432.
(») In einem Runderlaß vom 19. Januar (8662 E 606 367-70) informierte Bülow die Bot-
schaften in Rom (Nr. 18), Paris (Nr. 38) und London (Nr. 18) sowie die Gesandtschaften
in Prag (Nr. 6), Budapest (Nr. 7) und Belgrad (Nr. 4) über die österreichische Note und
die Antwort Neuraths an Tauschitz. Die Botschaften in Rom, Paris und London wurden
angewiesen, den zuständigen Regierungsstellen mitzuteilen, „daß Deutschland entgegen
verbreiteten Gerüchten nach wie vor Absicht gewaltsamer Einmischung oder irgendeiner
Verletzung vertraglicher Bindungen vollkommen fern liegt".
363
Nr. 189 17. JANUAR 1934
189
9606/E 677 694-95
364
Nr. 190 17. JANUAR 1934
190
6609/E 497 372-77
*(l) IV Ru. 166: Berieht Nadolnys vom 9. Januar, gedruckt als Dokument Nr. 171
365
Nr. 190 17. JANUAR 1934
hin nur die Frage des militärischen Risikos, insbesondere in der Luft. Die
starke Vermehrung der Luftstreitkräfte in Wladiwostok birgt Gefahren
für die Städte der japanischen Insel. Auch die sonstigen russischen Vor-
kehrungen im Raum östlich des Baikalsees würden den Kampf für die
Japaner außerordentlich schwierig gestalten.
Gleichwohl ist die Lage im Osten gefahrdrohend. Das veranlaßt die
Sowjetregierung zu dem Versuch, den Frieden im Westen mit allen Mitteln
zu sichern. Jede Möglichkeit einer Erschütterung in Europa begegnet des-
halb ihrem Widerstand. Jede Veränderung des Kräfteverhältnisses, wie sie
in einer deutschen Aufrüstung liegen würde, stößt auf ihren Widerspruch.
Die Sowjetunion sucht sich den Mächten zu nähern, die den Status quo
in allen Punkten zu erhalten wünschen, d. h. Frankreich, Polen und der
Kleinen Entente. Denn in jeder Revision des VersaiUer Vertrages, in jeder
Erstarkung Deutschlands sieht sie ein Gefahrenmoment für den Frieden,
der sich indirekt gegen die Sowjetunion auswirken könnte. Zu diesem
Zweck verbreitet sie Behauptungen über die angeblidien Absichten
Deutschlands, nach dem Osten vorzustoßen und die Revision der Verträge
auf Kosten der Sowjetunion vorzunehmen. In den gleichen Zusammen-
hang gehören die russischen Versuche, zusammen mit Polen eine Front des
Baltikums gegen Deutschland herzustellen.
Durch die Vernichtung des Kommunismus in Deutschland hat die dritte
Internationale einen tödlichen Schlag erhalten. Der deutsche Kommunismus
war immer das Paradepferd von Moskau. Deutschland diente als zuver-
lässigstes Verbindungsglied zwischen Moskau und den übrigen Ländern.
Der deutsche Kommunismus ist tot. Die Verbindungen, die über Deutsch-
land gegangen sind, sind zerrissen. Die Vernichtung des Kommunismus in
Deutschland hat allen Ländern, in denen der Kommunismus noch besteht,
gezeigt, daß er bei tatkräftigem Zupacken zu überwinden ist, und hat so die
Idee zerstört, daß die Gefahr des Bolschewismus unüberwindlich sei. Die
Vernichtung des Kommunismus in Deutschland durch die nationalsoziali-
stische Bewegung hat ähnliche Bewegungen in anderen Ländern, z. B. in
den Rand- und nordischen Staaten gefördert und auch dort die Möglichkeit
der Entfaltung kommunistischer Ideen und Pläne weitgehend eingeengt.
Zu dieser allgemeinen politischen Einstellung der Sowjetunion und der
dritten Internationale zu der deutschen Regierung kommt noch der per-
sönliche Haß und das Ressentiment von Personen wie Litwinow und ande-
ren maßgebenden Mitgliedern der Sowjetunion.
Wenn man diese Gesichtspunkte der Beurteilung der Politik gegenüber
Rußland zugrunde legt, so ergibt sich, daß jetzt eine kühle, ruhige Reserve
die einzig mögliche Haltung gegenüber der Sowjetunion ist. Es genügt,
daß der Herr Reichskanzler in seiner Reichstagsrede 2) und in seinen Be-
sprechungen mit dem russischen Botschafter ebenso wie ich in meiner
Rede von Genf3) und in zahlreichen Besprechungen mit Chintschuk und
Litwinow klar zum Ausdruck gebracht haben, daß die deutsche Politik
(2) Am 23. März 1933. Siehe Serie C, Bd. I, 1, Dokument Nr. 104 und Anm. 4 dazu.
(3) Dieser Hinweis bezieht sich offenbar auf eine außenpolitische Erklärung, die Neurath
am 15. September vor Vertretern der ausländischen Presse abgegeben hatte. Die Er-
klärung ist gedruckt in Schwendemann, Abrüstung und Sicherheit, Bd. II, S. 440-50.
366
Nr. 191 17. JANUAR 1934
gegenüber der Sowjetunion sich nicht ändern werde und daß wir dabei
die Haltlosigkeit der russischen Insinuationen betont haben. Der Grad der
freundschaftlichen Beziehungen hängt demnach lediglich von den Staats-
männern der Sowjetunion ab. Alle Momente, die Litwinow anführt, sind
nichts als Vorwände; denn Litwinow kennt genau die Richtlinien der
deutschen Politik und weiß auch, daß die deutsch-polnischen Besprechungen
keinerlei Spitze gegen Rußland haben. Unter diesen Umständen verspreche
ich mir auch nichts von neuerlichen besonderen Erklärungen gegenüber den
Russen. Sie werden - wie immer sie auch lauten mögen - als ungenügend
und zweideutig hingestellt werden. Die Haltung der Russen würde hier-
durch nicht geändert werden. Ich kann auch nicht anerkennen, daß Herr
Litwinow in Berlin nicht genügend geehrt worden sei. Alles, was wie
Nachlaufen aussehen könnte, würde sich in der heutigen Zeit nur zu unse-
ren Ungunsten auswirken.
Ich bitte deshalb, zunächst keine Initiative in Gesprächen mit maßgeben-
den Persönlichkeiten über das deutsch-russische Verhältnis zu ergreifen,
sondern in kühler, selbstsicherer Reserve die weitere Entwicklung abzu-
warten. Die große Bedeutung Rußlands für Deutschland auf politischem,
wirtschaftlichem und militärischem Gebiet wird von uns in keiner Weise
unterschätzt, und es besteht nicht im entferntesten die Absicht, uns von uns
aus gegen Moskau einzustellen. Aber es hat keinen Zweck, von vornherein
nutzlose Versuche zu machen, um die Haltung der maßgebenden Staats-
männer der Sowjetunion zu ändern.4)
[NEURATH] 5)
191
9493/E 668 266-71
Militärattache Hartmann (Moskau) an das Auswärtige AmtJ)
Marinebericht Nr. 3/34 MOSKAU, den 17. Januar 1934
Ankunft: 19. Januar
II M. 96
Im Anschluß an die Unterredung des Herrn Botschafters mit dem Volks-
kommissar Woroschilow vom 10. 1. 34 (Bericht der Botschaft vom 11. 1. 34
Nr. 52)) und des Herrn Botschaftsrats3) mit dem Chef des Stabes der Roten
Armee Jegorow vom 12. 1. 34 (Telegramm der Botschaft vom 13. 1. 34
*(i) Eine zweite Ausfertigung des vorliegenden Dokuments wurde gleichzeitig dem Reichs-
wehrministerium übermittelt. Siehe Anm. 8.
(2) Dokument Nr. 176.
*(3) Twardowski.
367
Nr. 191 17. JANUAR 1934
Nr. 74)) ist über die Einstellung hoher russischer Offiziere zur deutsch-russi-
schen militärpolitischen Lage folgendes zu berichten:
Am 13. 1. 34 fand für den scheidenden hiesigen italienischen Militär-
attache de Ferrari ein von der Roten Armee veranstaltetes Abschiedsessen
statt. An diesem Abend wurden wir deutschen Offiziere - ganz außerhalb
des Rahmens dieses Festes - in auffälliger Weise bevorzugt, was um so
mehr hervortrat, als bei den sonstigen zahlreichen gesellschaftlichen
Zusammentreffen uns gegenüber von den Kommandeuren der Roten Armee
eine im Vergleich zu früher fühlbare Zurückhaltung beobachtet wird.
Jegorow zog mich zweimal in lange Gespräche, in denen [er]5) sich in
soldatisch offener Weise und mit nachdrücklichem Ernst voll Hochachtung,
Anerkennung und Freundschaft für Deutschland und die Reichswehr aus-
sprach. Er lasse an der Treue seiner Überzeugung nicht rütteln. Leider
sei gegenwärtig die Lage etwas getrübt, was nicht der Sowjetunion zur
Last falle. Er hoffe, daß diese Periode überwunden werde. Sein Vertrauen
sei besonders befestigt worden durch seine persönlichen Eindrücke an-
läßlich seiner Studien in Deutschland und durch seine Unterredungen mit
maßgeblichen Führern des Reichsheeres; dabei gedachte er besonders des
längeren der Generale von Hammerstein, Adam, von Leeb, von Brauchitsch,
Halm. Er bedauerte, daß die ihm bekannten Personen zum Teil ausge-
schieden, zum Teil in anderen Stellungen verwendet sind. Die an die
Stellen des Chefs HL und TA getretenen Generale 6) seien ihm leider per-
sönlich nicht bekannt; er würde sie gerne jederzeit kennen lernen, um sich
offen mit ihnen auszusprechen.
Damit war ein sehr verständlicher Wunsch in prägnanter Form ausge-
sprochen. Urn Jegorow auf den Zahn zu fühlen, inwieweit seine Anregung
über das Konventionelle hinausging, sagte ich ihm, [er] brauche doch nur
den Wunsch zu äußern, in Berlin mit den bezeichneten Führern bekannt
zu werden. Jegorow ließ aber erkennen, daß er dabei einen Besuch von
deutscher Seite in Moskau im Auge habe.
An der Aufrichtigkeit Jegorows hinsichtlich seiner Deutschfreundlichkeit
besteht keinerlei Zweifel. Der von ihm geäußerte Wunsch, bei dem er in
seinen Gesprächen längere Zeit verweilte, ist keine Redensart, er ist auch
mehr als eine Sondierung; mir erscheint er geradezu als inoffizielle Auf-
forderung, wobei er die Initiative zur Verwirklichung allerdings der deut-
schen Seite zuschiebt. Letzteres aus den bekannten - auch für ihn binden-
den - offiziellen Gedankengängen von Regierung und Partei heraus, daß
Deutschland der „abgeirrte" Teil sei und daher ihm die erste positive
Geste einer Wiederannäherung zufällt. So sehr ich unter den klaren Ver-
hältnissen von früher für eine baldige Verwirklichung der Anregung ein-
getreten wäre, so glaube ich, dies im Augenblick noch nicht tun zu kön-
nen. Eine Reise des neuen Herrn Chefs TA nach hier, früher geradezu
368
Nr. 191 17. JANUAR 1934
traditioneller Brauch, ist eine so starke militärpolitische Geste, daß ihr auch
der entsprechende Untergrund in der allgemeinen politischen Situation
nicht fehlen darf, im Gegenteil, er muß vorher vorhanden sein. Das ist zur
Zeit nicht der Fall. Immerhin halte ich die Anregung Jegorows für sehr
beachtlich und erfreulich, zumal sie sicherlich nicht ohne Billigung des
Volkskommissars 7 ) eigenmächtig erfolgt ist; man wird vielleicht [spä]ter
daran anknüpfen können. Auch dann wird man aber m. E. vorher [erst]
einmal bei den Russen sondieren müssen, wie sich die oberste [politische
und militärische Leitung zu einem deutschen Besuchsan[gebot] stellt, um
das Risiko einer ausweichenden russischen Antwort [künft]ig auszu-
schließen.
Die am gleichen Tage mit dem Oberbefehlshaber des Moskauer [Militär-
bezirks Kork, dem Chef der Roten Flotte Orlow, mit [dem] politisch als
Sprachrohr nicht unwichtigen Reiterführer Budjonni u. a. geführten Ge-
spräche verliefen gleichfalls sehr [vertrau] lieh. Kork ist mit allerhand
militärischen Einzelheiten heraus [gerück] t, über die an anderer Stelle
(Beilage I des Berichts 2/34 an [Ministe]ramt8)) gemeldet wird. Orlow hat
mit besonderer Anerkennung und Dankbarkeit seiner aufschlußreichen
Eindrücke bei dem Besuch der neuesten deutschen Kriegsschiffe im Dienst
und im Bau gedacht.
Mit ganz besonderer Herzlichkeit gedachte Jegorow auch der deutschen
Offiziere Paulus und Reinhardt, auch Brennecke, die er unbegrenzt ver-
ehrt.8) „Wenn die deutsche Armee einmal keinen Raum mehr für P[aulus]
und Reinhardt] hat," sagte Jegorow, „nehmen wir sie mit offenen Armen
auf; es sind unersetzliche Lehrkräfte, die wir besonders brauchen können."
Alles in allem lag uns an diesem Abend wieder einmal - wie für Augen-
blicke aus der Ferne gezeigt - das ideelle und politische Gut vor Augen,
das Deutschland in der Roten Armee noch besitzt, in der Armee, die es
auch im Trommelfeuer antideutscher politischer Propaganda noch nicht so
leicht vergißt, daß Deutschland als erster Staat die Sowjetunion anerkannte
und ihr bei der inneren Ausgestaltung der Roten Armee der ausschlag-
gebende Berater war. Man kann aus dieser Einstellung Folgerungen ziehen,
aber nicht darauf bauen, daß sie etwa für alle Zeiten auch dann ein unver-
änderliches Gedankengut bleiben müßte, wenn die Außenpolitik beider
Staaten auseinanderführt. (Gleichlautend an Ministeramt.) 10)
Es bestätigt sich, daß der Oberbefehl über die russischen Seestreitkräfte
im Fernen Osten in den Händen des früheren langjährigen Chefs der Ost-
seeflotte Wiktorow liegt. Ihm unterstehen sowohl der Flottenstützpunkt
Wladiwostok nebst den [dort] stationierten Seestreitkräften wie die Amur-
Flottille. Wie aus Kreisen des Kriegskommissariats geäußert wird, gilt
Wiktorow als der tüchtigste Seebefehlshaber; als solchem sei ihm augen-
"(7) Litwinow.
(8) Fundort der Anlage I: M 152/M 005 214-20. Der erste Teil des Berichts Nr. 2/34 vom
17. Januar (M 152/M 005 207-13) ist identisch mit dem ersten Teil der Vorlage.
(9) Der spätere Feldmarschall Paulus sowie Reinhardt und Brennecke waren im Auftrag des
Reichswehrministeriums von 1930 bis 1933 als militärische Berater in der Sowjetunion
tätig gewesen.
(10) Siehe Anm. 8.
369
11,1 Bg. 24
Nr. 192 18. JANUAR 1934
(11) Gemeint ist offenbar die Anlage I zum Bericht Nr. 2/34 vom 17. Januar. Siehe Anm. 8.
(12) Siehe Serie D, Bd. IV, Dokument Nr. 414, Anm 2, S. 468.
*(1S) Randvermerk: „Gelesen. Nadolny."
192
2980/D 580 498-99
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 18. Januar 1934
e.o. RM. 73
Heute morgen suchte mich der ungarische Gesandte auf. Er brachte einen
langen Bogen mit Fragen aller Art, von denen ich nur die wichtigsten
nachstehend wiedergebe. Zunächst begann er damit, daß die Kreise in
Ungarn, die eine Änderung der deutschfreundlichen Politik der ungarischen
370
Nr. 192 18. JANUAR 1934
371
Nr. 193 19. JANUAR 1934
193
2368/D 494 037-38
372
Nr. 195 19. JANUAR 1934
194
3154/D 670 565
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 19. Januar 1934
RM. 81
Ich habe heute um 5 Uhr dem französischen Botschafter unser Memo-
randum J) in zwei Exemplaren übergeben. Ich machte den Botschafter dar-
auf aufmerksam, daß unser Memorandum ebenso wie das französische
Aide-memoire in höflicher Form gehalten sei und die Türe für weitere
Diskussionen offen lasse. Der Botschafter kam sodann auf die Rede des
Ministerpräsidenten Chautemps von gestern im Senat 2 ) zu sprechen und
meinte, die deutsche Presse habe diese Rede falsch verstanden, sie sei aus
den innerpolitischen Schwierigkeiten zu erklären. Ich sagte Herrn Poncet,
die Rede des Herrn Chautemps beweise die Richtigkeit unserer Auf-
fassung, daß nämlich keine französische Regierung in der Lage sei, Ab-
rüstungsmaßnahmen durchzusetzen, und insofern hoffte ich, daß vielleicht
auch in Frankreich allmählich für unsere Auffassung der Lage ein besseres
Verständnis erwachsen werde. Der Botschafter, dem die Rede Chautemps'
im jetzigen Augenblick offenbar nicht sehr bequem war, bat schließlich,
ich möchte an den maßgebenden Stellen doch für ein richtiges Verständnis
dieser Rede Sorge tragen.
v. N[EURATH]
*(l) Mit diesem Memorandum (7467/H 179 843-58) beantwortete die Reichsregierung das
Aide-memoire der französischen Regierung vom 1. Januar (siehe Dokument Nr. 159 und
Anm. 3 dazu). Das Memorandum ist abgedruckt in Dokumente der Deutschen Politik,
Bd. II, S. 99-108. Eine französische Übersetzung mit einem Kommentar Francois-Poncets
ist abgedruckt in Documenfs Dipiomatiques Francais, 1. Serie, Bd. V, Nr. 245 und 260.
Eine englische Übersetzung findet sich in Documenfs on British Foreign Policy, 2. Serie,
Bd. VI, Nr. 193, Anhang.
(2) Siehe Journal Otliciel de la Ripublique Francaise: Debats Parlementaires, Senat, 1934,
Nr. 9, S. 63-65.
195
3154/D 670 566
Auizeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 19. Januar 1934
RM. 83
Ich habe heute um 6 Uhr dem englischen Botschafter') die Antwort 2 ) auf
seine Note vom 20. Dezember 3 ) gleichzeitig mit einer Abschrift des dem
französischen Botschafter4) ausgehändigten Memorandums 5 ) übergeben.
Die Verspätung dieser Antwort habe ich mit der Notwendigkeit erklärt,
*(l) Phipps.
(2) Fundort: 7467/H 179 870-75. Siehe auch Documenfs on British Foreign Policy, 2. Serie,
Bd. VI, Nr. 191.
(3) Dokument Nr. 141.
"(4) Francois-Poncet.
(5) Siehe Dokument Nr. 194, Anm. 1.
373
Nr. 197 19. JANUAR 1934
196
2368/D 494 039-40
Autzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN,den 19. Januar 1934
RM. 84
Unter Bezugnahme auf die Unterredung des englischen Botschafters mit
dem Herrn Reichskanzler und mir l) über die Transferfrage vom heutigen
Tage habe ich Sir Eric Phipps noch folgendes gesagt: In der von der eng-
lischen Regierung jetzt abgelehnten Regelung zwischen dem Präsidenten
der Bank von England 2) und dem Reichsbankpräsidenten 3) sei vorgesehen
gewesen, daß die englischen Gläubiger durch die Bank von England sofort
mit 90°/o ihrer Zinsansprüche befriedigt worden wären.4) Es würde also
danach nicht nur keine Diskriminierung zwischen den schweizerischen und
holländischen Gläubigern mehr bestanden haben, sondern im Gegenteil
eine Besserstellung der englischen Gläubiger. Durch die Verpflichtung der
Reichsbank, die Vorschüsse der Bank von England innerhalb von 2 bis
3 Jahren zurückzuzahlen, würde auch für diese letztere keinerlei Verlust
entstanden sein. Ich könne also in dem Vorgehen der englischen Regierung
lediglich den Versuch erblicken, uns neue Schwierigkeiten zu schaffen und
für andere schwebende Fragen einen Druck auf uns auszuüben. Ich habe
aber Sir Eric Phipps gleichzeitig keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir
uns durch diese Methode in keiner Weise einschüchtern lassen, und ihm
nebenbei auch nochmals erklärt, daß wir spätestens in zwei Monaten kei-
nen Pfennig mehr transferieren würden, falls die englische Regierung auf
der Kündigung des Schweizer- und Holländer-Abkommens bestehen bleibe.
v. N[EURATH]
197
7186/E 527 906-09
Autzeichnung des Ministerialdirektors Ritter
BERLIN, den 19. Januar 1934
W. 445
AKTENVERMERK
Der Herr Reichsaußenminister teilte mir über die heutige Unterredung
374
Nr. 197 19. JANUAR 1934
375
Nr. 198 19. JANUAR 1934
[Anlage]
The two features which have aroused public opinion in England are
first that British creditors have been the victims of discrimination in
favour of creditors in other countries, and secondly that the Reichsbank
has taken unilateral decisions which the British creditors do not regard
as justified by the facts and which in any case ought only to be decided by
agreement between the parties. The impression that the British creditors
have been unfairly treated has aroused intense resentment in England.
The question was discussed informally between Dr. Schacht and the
British Central Bank authorities at Basle, and it is understood that some
Suggestion was made that the Bank of England should step in to tide over
the difficulty.4) But a Solution on these lines is not practical politics and
cannot be entertained by His Majesty's Government.
Unless a satisfactory Solution can be found His Mayesty's Government
will be reluctantly obliged, despite the grave effects, to take appropriate
measures, for example to consider the institution of a Clearing arrange-
ment, in defence of British interests.
His Majesty's Government therefore earnestly trust that the proposal
made in Sir Eric Phipps' note of December 30th 5 ) will be accepted. If,
however, this proposal gives rise to difficulties the question should be
settled by negotiation with the representatives of the British creditors, and
they hope that instructions accordingly will be given to the German
authorities concerned.
198
6692/H 098 731-35
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Botschatt in Tokio
Sofort BERLIN, den 18. Januar 1934
Geheim Abgesandt: 19. Januar
zu IV Ja. 1296 J) Ang. II;
IV Ja. 4 2 )
Im Anschluß an anderweite Weisung vom 1. d. M.3)
In Ergänzung der drahtlich erteilten Weisung möchte ich nochmals nach-
stehende Gesichtspunkte hervorheben:
376
Nr. 198 19. JANUAR 1934
Die Frage der Anerkennung von Mandschukuo ist eine Frage, die nicht
nur die japanisch-deutschen Beziehungen berührt, sondern in den Rahmen
der allgemeinen Politik sowie der gesamten Ostasien-Politik im besonde-
ren eingegliedert werden muß.
Was die japanisch-deutschen Beziehungen anbelangt, so ist die even-
tuelle Bereitwilligkeit der deutschen Regierung, sich in Verhandlungen
über eine Anerkennung von Mandschukuo einzulassen, das stärkste
Aktivum, das Deutschland Japan gegenüber zur Verfügung steht. Es ist
aber auch politisch wohl das einzige zugkräftige Aktivum, und es ist des-
halb selbstverständlich, daß dieses Aktivum von unserer Seite gar nicht
hoch genug in die Rechnung eingesetzt werden kann. Daß die Japaner mit
allen verfügbaren Mitteln darauf hinarbeiten, irgendeine Großmacht zur
Anerkennung von Mandschukuo zu veranlassen oder sie zu bewegen,
wenigstens Schritte in dieser Richtung zu unternehmen, ist selbstverständ-
lich. Für die japanische Politik ist die Herbeiführung der Anerkennung von
Mandschukuo eine ihrer Hauptaufgaben. Diese Betriebsamkeit der Japa-
ner, die zur Zeit stark auf Deutschland abgestellt ist, darf uns aber nicht
davon abbringen, die Angelegenheit - und zwar nicht nur die Wahl des
Zeitpunktes für Verhandlungen über eine etwaige Anerkennung, sondern
auch alle in dieser Richtung gehenden vorbereitenden Schritte - als eine
Frage zu betrachten, die ausschließlich vom Standpunkt unserer Interessen
beurteilt und behandelt werden muß. Hiernach ist der Augenblick für
irgendeinen Schritt, der in Richtung der bevorstehenden Anerkennung ge-
deutet werden könnte, noch nicht gekommen, ganz abgesehen davon, daß
keinerlei äquivalente japanische Gegenleistung politischer oder wirtschaft-
licher Natur für Deutschland sichtbar ist. Die angelsächsischen Mächte, auch
die Vereinigten Staaten von Amerika, befleißigen sich der gleichen Zurück-
haltung. Den dortseits erwähnten Pressemeldungen, nach denen in Ame-
rika Strömungen für die Anerkennung von Mandschukuo bestehen sollen,
kann keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, von einer
Schwenkung der amerikanischen Politik in dieser Hinsicht ist nichts be-
kannt; ebensowenig kann die Änderung der Zuständigkeit des englischen
Konsulats in Mandschukuo als Anhalt dafür angesehen werden, daß Eng-
land bereits auf dem Wege zu einer praktischen Anerkennung von Mand-
schukuo wäre. Deutsche Schritte in der Richtung einer Anerkennung von
Mandschukuo würden sich, auch ohne daß man sich dieserhalb auf unsere
Mitwirkung bei den Völkerbundsbeschlüssen des vorigen Jahres zu be-
rufen brauchte,4) in unseren Beziehungen zu England und Amerika sehr
nachteilig auswirken.
Auch die Beziehungen zu China erfordern in der Frage der Mandschurei
größte Zurückhaltung. Die dortige Annahme, daß China sich eine Brüskie-
rung Deutschlands habe zuschulden kommen lassen, ist nicht zutreffend.
Die im vergangenen Sommer von dem früheren Finanzminister 5 ) vorbe-
reiteten Anstellungen sozialdemokratischer Funktionäre sind von der
377
Nr. 199 19. JANUAR 1934
199
8580/E 601 953
Telegramm
378
Nr. 200 19. JANUAR 1934
200
9119/E 641 236-37; 240-46
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an den britischen Botschafter in Berlin Phipps
Sofort BERLIN,den 19. Januar 1934
zu W. 401 1 ); 402 2)
Herr Botschafter,
auf Euer Exzellenz Noten vom 23. und 30. Dezember 1933 - Nr. 4213) und
Nr. 4274) - beehre ich mich folgendes zu erwidern:
Die deutsche Regierung bedauert lebhaft, daß sich die Transfermöglich-
keiten für die Auslandsverpflichtungen der deutschen Wirtschaft neuer-
dings weiter ungünstig gestaltet haben. Diese erhöhten Schwierigkeiten
sind eine Folge der ungenügenden Entwicklung der deutschen Ausfuhr,
deren Grundbedingungen zu ändern nicht in der Macht der deutschen Re-
gierung liegt.
Die deutsche Regierung ist mit der kgl. britischen Regierung der Auf-
fassung, daß es bei Schwierigkeiten in der Durchführung des Schulden-
dienstes die beste Methode ist, daß sich Schuldner und Gläubiger zusam-
mensetzen, um die Sachlage gemeinsam zu beraten. Es muß jedoch darauf
hingewiesen werden, daß die deutsche Regierung (abgesehen von Einzel-
fällen wie Dawes- und Young-Anleihe, die hier nicht in Betracht kommen)
und ebenso die Reichsbank nicht Schuldner sind und daß die deutschen
privaten Schuldner selbst ihren Verpflichtungen ohne Verzug nachgekom-
men sind. Es liegt bei dem Transferproblem nicht ein Schuldnerverzug vor,
sondern eine volkswirtschaftliche Lage, in der die deutsche Regierung und
die Reichsbank sich darauf beschränken müssen, im Interesse der Gläubi-
ger und Schuldner geregelte Verhältnisse möglichst aufrecht zu erhalten.
In diesem Bestreben haben die deutschen Stellen nicht nur erst jetzt,
sondern schon seit dem Krisensommer 1931 den Weg gewählt, gemein-
same Besprechungen mit den Gläubigern herbeizuführen. Der Geist ver-
trauensvoller Zusammenarbeit in dieser Richtung kann nicht besser be-
zeugt werden als durch die Erklärung, die der Stillhalte-Gläubigerausschuß
im Jahre 1932 spontan abgegeben hat dahin, daß „die deutschen Schuldner
die Rückzahlung in gutem Glauben beabsichtigen. Dies ist bewiesen durch
den Umfang der Rückzahlungen, die bereits geleistet worden sind . . .
Deutschland ist in der Zahlung mit Gold bereits so weit gegangen, wie
seine Gläubiger irgend verlangen können". Auch unmittelbar bevor das
deutsche Reichsgesetz über „Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber dem
Ausland" vom 9. Juni 1933 5) erlassen wurde, hat die Reichsbank Veran-
lassung genommen, sich mit den ausländischen Banken- und Kapitalver-
(i) W. 401: Schreiben des Reichsbankdirektoriums an das Auswärtige Amt vom 13. Januar
1934 (9119/E 641 226-27).
(2) W . 402: Schreiben d e s Reiehsministers d e r F i n a n z e n an d a s A u s w ä r t i g e A m t v o m
15. J a n u a r (9119/E 641 234-35).
(3) D o k u m e n t N r . 146.
(4) F u n d o r t : 7186/E 527 847-51.
(5) Siehe ReichsgesetzWaff, 1933, Teil I, S. 349-50.
379
Nr. 200 19. JANUAR 1934
(*) Gemeint ist der Bericht des Beratenden Sonderausschusses der Vertreter der Noten-
banken der Gläubigerländer und Deutschlands, der im Dezember 1931 in Basel zusam-
mengetreten war. Der Bericht ist abgedruckt in Cmd. 3995, Germany No. 1: Report of
the Special Advisory Committee Convened Under the Agreement With Germany
Concluded at The Hague on January 20, 1930 (1932).
380
Nr. 200 19. JANUAR 1934
Gläubiger, die nicht in der Lage sind, für die von ihnen vertretenen Rat-
schläge verantwortlich einzustehen.
Was die angebliche Diskriminierung durch die mit der Schweiz und
Holland getroffenen Transfer-Sonderabkommen anlangt, so erkennt die
deutsche Regierung an, daß sich für die einzelnen Gläubiger, je nachdem
ihre Länder ein Sonderabkommen abgeschlossen haben oder nicht, eine
unterschiedliche Befriedigung ergibt. Unter dem Gesichtspunkt der Lei-
stungen Deutschlands wird indessen dadurch der Grundsatz der Gleich-
mäßigkeit insofern nicht berührt, als ein Mehr in der Transferierung einem
Land gegenüber nur dann und insoweit zugestanden wird, als dieses Land
seinerseits Deutschland gegenüber gleichwertige zusätzliche Leistungen
übernimmt. Der erwähnte Unterschied kann also nicht Deutschland zur Last
gelegt werden. Die deutsche Regierung ist selbstverständlich bereit, auch
mit anderen Ländern Regelungen zu treffen, die den beiderseitigen Wirt-
schafts- und Finanzbeziehungen einen Fortschritt bringen und den toten
Punkt überwinden helfen.
Insbesondere hat sich Deutschland den Vorschlägen bezüglich solcher
Transfer-Sonderabkommen deshalb nicht entziehen zu dürfen geglaubt,
weil diese Sonderabkommen eine weitere Ausdehnung des Systems des
sogenannten Clearings verhüten, welches als neueste Bedrohung über dem
gesamten Welthandel liegt. Die Ausdehnung des Clearing-Systems würde
eine der bedenklichsten und rücksichtslosesten Formen des Wirtschafts-
kampfes darstellen und die Wiederherstellung des Welthandelsverkehrs
auf lange Zeit unterbinden. Das von der kgl. britischen Regierung so sehr
betonte und in den Vordergrund gestellte Prinzip der Gleichstellung aller
Gläubiger würde auf jeden Fall durch ein einseitiges Clearing oder andere
Zwangsmaßnahmen ähnlicher Art am meisten leiden. Denn die Länder mit
einer gegenüber Deutschland aktiven Handelsbilanz würden dann sofort
oder binnen kurzer Zeit überhaupt nichts mehr transferiert erhalten kön-
nen.
In der Tendenz, bei allen ihren Schritten nach Möglichkeit den Weg
internationaler Besprechungen und Verständigung offenzuhalten, hat die
deutsche Regierung sich in den Dezember-Besprechungen mit den Gläu-
bigervertretern bereit erklärt, vor dem Abschluß neuer Transfer-Sonder-
abkommen den Gläubigervertretern Gelegenheit zur Stellungnahme zu
geben. Im Einverständnis mit der deutschen Regierung hat deshalb die
Reichsbank die Gläubigervertreter zu einer Besprechung auf den 22. Januar
1934 nach Berlin eingeladen, bei der die Vertreter der Reichsregierung
geeignete sachliche Mitteilungen über den Inhalt solcher von ausländischer
Seite neu beantragter Abkommen machen und die Gläubigervertreter
Gelegenheit haben werden, sich dazu zu äußern. Die in der Note der kgl.
britischen Regierung enthaltene Forderung, daß die deutsche Regierung et-
waigen Einwendungen der Gläubigervertreter gegen solche Abkommen un-
ter allen Umständen Rechnung tragen soll, kann die deutsche Regierung nicht
annehmen. Die deutsche Regierung kann sich die Verantwortung für die
Wahrung lebenswichtiger Interessen des Staates nicht von privaten aus-
ländischen Persönlichkeiten abnehmen lassen, auch wenn der Einsicht und
Objektivität dieser Persönlichkeiten alle Anerkennung zu zollen ist. Ich
381
Nr. 201 19. JANUAR 1934
kann nicht annehmen, daß die kgl. britische Regierung in einem ähnlichen
Falle ihre Verantwortung als Regierung privaten ausländischen Persönlich-
keiten übertragen würde.
Um der kgl. britischen Regierung die Möglichkeit zu geben, sich ein
eigenes Urteil über die deutsche Devisenlage in der letzten Vergangenheit
und der nächsten Zukunft zu bilden, beehre ich mich das Memorandum hier
beizufügen, das die Reichsbank an die beteiligten Stellen versandt hat.7)
Ich benutze auch diesen Anlaß, um Euer Exzellenz den Ausdruck meiner
ausgezeichnetsten Hochachtung zu erneuern.
gez. FRHR. v. NEURATH
(7) Fundort: 7186/E 527 922-29.
201
9119/E 641 258-59
Der Botschafter in Washington Luther an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 21 vom 19. 1. WASHINGTON, den 19. Januar 1934 21 Uhr 59
Ankunft: 20. Januar 7 Uhr 30
W. 462
[Im] Anschluß [an Telegramm Nr.] 19.1)
Phillips bat mich heute zu sich und vorlas Text, den er mir schließlich
als Aide-memoire übergab,2) der sich nach seiner Angabe inhaltlich im
wesentlichen deckt mit amtlichem Schritt, den Dodd wohl in Notenform
heute in Berlin betreffs angeblicher Diskriminierung amerikanischer Bonds-
gläubiger machen würde.3) Phillips erläuterte Zweck Mitteilung auch an
mich dahin, daß Präsident, der ihn gestern wegen der Angelegenheit habe
kommen lassen, Eindruck von besonderer Bedeutung Schrittes hervorrufen
wolle und, falls Phillips nicht erfolgreich, auch bereit sei, mir seine Auf-
fassung persönlich zu sagen. Ich erwiderte, daß ich Empfang durch den
Präsidenten in der Angelegenheit dankbar begrüßen würde. Ob Ein-
ladung erfolgt, wird abzuwarten sein, da das Ganze möglicherweise mehr
zu Unterstreichung Bedeutung bestimmt.
Unterredung bestätigte mir grundsätzliche Bedeutung, welche amerika-
nische Regierung Angelegenheit beimißt, und besonders auch Eindruck über
Roosevelts Gesamteinstellung uns gegenüber. Phillips bemerkte zu meiner
privaten Information, Absatz Aide-memoires, welcher Möglichkeit Ver-
geltungsmaßnahmen an die Wand male, sei von Präsident entworfen.
Habe unser Gegenargument ausführlich lebhaft dargelegt, besonders be-
tonend, daß Diskriminierung gar nicht bestehe.
*(l) Telegramm Luthers Nr. 19 vom 18. Januar 1934 (9119/E 641 257).
(2) Eine Aufzeichnung Phillips' über die Unterredung und der Text des Aide-memoires sind
abgedruckt in Foreign Relations ol the United States, 1934, Bd. II, S. 338-40.
(3) Siehe Dokument Nr. 202.
382
Nr. 202 20. JANUAR 1934
202
8597/E 603 625-26
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow:)
BERLIN, den 20. Januar 1934
W. 480
Der amerikanische Botschafter ersuchte mich heute an Stelle des Reichs-
ministers, der verhindert war, ihn zu empfangen. Er überbrachte die an-
liegende Note,2) die uns bereits durch das Telegramm aus Washington
Nr. 213) angekündigt war. Er verzichtete darauf, sie vorzulesen oder zu er-
läutern, beschränkte sich vielmehr auf den Hinweis, daß seine Vorstellun-
gen einen anderen Charakter und ein anderes Ziel hätten als die Aus-
(1) Bülow ließ diese Aufzeichnung Neurath und Ritter zugehen. Sie wurde von beiden
abgezeichnet.
(2) Ein Bericht Dodds über die Unterredung ist abgedruckt in Foreign Relations of the
United States, 1934, Bd. II, S. 342-44. Der Wortlaut der von ihm überreichten Note war
mit dem des Luther in Washington ausgehändigten Aide-memoires (siehe Dokument
Nr. 201, Anm. 2) identisch. Die Note ist gefilmt unter 8597/E 603 619-24.
(3) Dokument Nr. 201.
383
Nr. 203 22. JANUAR 1934
203
8834/E 614 688-93
Aulzeichnung des Ministerialdirektors Gaus
BERLIN, den 22. Januar 1934
Der polnische Gesandte sagte sich am Sonnabend, dem 20. d. Mts., bei mir
dringend zu einer Fortsetzung unserer Besprechung vom 16. d. Mts.1) an.
Er erzählte, daß er Sonnabend morgen von Warschau zurückgekehrt sei,
wo er die von mir gestellten Fragen in seinem Ministerium und vor allem
mit dem Marschall Pilsudski besprochen habe. Er sei jetzt in der Lage, die
Fragen zu beantworten, und hoffe, daß es schnell zu einer Einigung zwi-
schen den beiden Regierungen kommen werde.
Was die Frage der früheren Verträge betreffe, so habe es sich bei seinen
Besprechungen in Warschau bestätigt, daß man dort eine Klausel für uner-
läßlich halte, die die Verpflichtungen Polens gegenüber dem Völkerbund,
Frankreich und Rumänien außer Zweifel stelle. Man wünsche nicht, daß
dies in einer Form geschehe, die auf eine ausdrückliche Anerkennung der
polnischen Bündnisverpflichtungen seitens Deutschlands hinauslaufe, und
sei auch bereit, zum Ausdruck zu bringen, daß die bestehenden Verpflich-
384
Nr. 203 22. J A N U A R 1934
385
11,1 Bg. 25
Nr. 203 22. JANUAR 1934
durchaus nicht die Absicht habe, bei dieser Gelegenheit den Schiedsvertrag
förmlich aufzuheben, daß es ihm vielmehr nur darauf ankomme, zum Aus-
druck zu bringen, daß etwaige Streitfragen möglichst ohne Anrufung inter-
nationaler Instanzen unmittelbar geregelt werden sollten. Ich erwiderte
ihm, daß der polnische Vorschlag in diesem Punkt seinem Wortlaut nach
weiter gehe. Wir müßten nicht nur genau wissen, wie der Vorschlag ge-
meint sei, sondern er müsse auch dementsprechend formuliert werden. Als
ich ihm das ganze Problem noch einmal auseinandersetzte, wie schon bei
der Unterhaltung am 16. d. Mts., wurde er unsicher und bat mich, die
Besprechungen hierüber am Montag fortzusetzen. Er habe zu seiner juri-
stischen Unterstützung den Professor Makowski aus Warschau mitgebracht
und würde es gern sehen, wenn dieser am Montag an der Unterhaltung
teilnehmen könne.
Die beiden Herren erschienen heute, Montag, und setzten mir noch ein-
mal auseinander, daß es dem Marschall Pilsudski allein darauf ankomme,
alle Möglichkeiten der friedlichen Bereinigung auszuschöpfen, bevor man
sich an internationale Instanzen, wie Schiedsgericht und Haager Gerichts-
hof, wende. Ich erwiderte darauf, daß, soweit ich übersehen könne, die
deutsche Regierung sachlich gegen diesen Standpunkt wohl nichts einzu-
wenden haben werde, daß es aber nötig sei, den polnischen Vorschlag
anders zu fassen. Die beiden Herren ventilierten zunächst die Möglichkeit,
in einer besonderen Note oder in einem Aktenvermerk festzustellen, daß
der Schiedsvertrag von Locarno durch die Erklärung nicht berührt werden
solle. Da ich einwandte, daß die Erläuterung der Erklärung durch ein be-
sonderes Instrument doch wenig erwünscht sei, fingen sie an, ihre ur-
sprüngliche Fassung gemeinsam mit mir umzuredigieren, wobei wir zu
folgender Redaktion kamen:
„Beide Regierungen erklären ihre Absicht, sich in den ihre gegenseitigen
Beziehungen betreffenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen, un-
mittelbar zu verständigen. Sollten etwa Streitfragen zwischen ihnen ent-
stehen und sollte sich deren Bereinigung durch unmittelbare Verhandlun-
gen nicht erreichen lassen, so werden sie in jedem besonderen Falle auf
Grund gegenseitigen Einvernehmens eine Lösung durch andere friedliche
Mittel suchen, unbeschadet der Möglichkeit, nötigenfalls diejenigen Ver-
fahrensarten zur Anwendung zu bringen, die in den zwischen ihnen in
Kraft befindlichen anderweitigen Abkommen vorgesehen sind. Unter kei-
nen Umständen werden sie jedoch zum Zweck der Austragung solcher
Streitfragen zur Anwendung von Gewalt schreiten."
Wir sind dann auch den übrigen Teil der Erklärung noch einmal durch-
gegangen, um redaktionelle Unstimmigkeiten, die durch die polnische Neu-
fassung entstanden waren, auszugleichen. Besondere Schwierigkeiten haben
sich dabei nicht ergeben.
Die ganze Erklärung würde auf Grund der Besprechungen die aus der
Anlage ersichtliche Fassung 2) erhalten. Ich habe aber beim Abschluß der
(2) Fundort: 8834/E 614 685-87. Die von Gaus handschriftlich ergänzte Fassung stimmt mit der
endgültigen Fassung (siehe Dokument Nr. 219) überein und ist von folgender Notiz
(8834/E 614 684) begleitet: „Der RK ist mit dem neuen Entwurf der Erklärung einver-
standen, v. N[eurath] 22. 1."
386
Nr. 204 22. JANUAR 1934
204
9119/E 641 282-89
Reichsbankpräsident Schacht an den Reichsminister des Auswärtigen
Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 22. Januar 1934
W. 549
Sehr geehrter Herr Minister!
In der Anlage beehre ich mich einen kurzen Bericht über den Ablauf der
Verhandlungen mit der Bank von England zu überreichen. Ich bin der
Meinung, daß wir eine öffentliche Erörterung mit Rücksicht auf die Bank
von England vermeiden sollten, sofern sie nicht von England provoziert
wird. Dagegen scheint mir für die diplomatischen Besprechungen mit Eng-
land der Ablauf sehr zu unseren Gunsten ausgewertet werden zu können.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr sehr ergebener
DR. HJALMAR SCHACHT
, [Anlage]
Am Montag, dem 8. Januar 1934, nachmittags suchte mich Governor
Norman in meinem Zimmer in der Bank für Internationalen Zahlungsaus-
gleich in Basel auf. Im Laufe einer Erörterung unserer Transfer-Schwierig-
keiten stellte ich die Frage, ob er einen Ausweg wisse. Norman bejahte
darauf und machte mir den Vorschlag, daß die Bank von England von sich
aus ein Angebot an alle Inhaber deutscher Anleihen machen werde, die
auf Sterling lauteten und an der Londoner Börse offiziell notiert würden,
dahingehend, daß er bereit sei, auf 2 Jahre, nämlich vom 1. Februar 1934
bis 1. Februar 1936 die Coupons dieser Anleihen zu 90 %> aufzukaufen. Ich
erklärte darauf, das sei ein sehr großzügiger und vernünftiger Vorschlag,
ich könne diesen aber nicht etwa als Kredit akzeptieren und könne seine
Anregung auch ferner nur diskutieren, wenn gleichzeitig damit der Weg zu
Verhandlungen mit den langfristigen deutschen Auslandsgläubigern ge-
bahnt würde, die eine Konvertierung unserer Auslandsschulden auf einen
niedrigeren Zinsfuß ermöglichten. Norman erklärte sich bereit, hierauf
ebenfalls hinzuwirken, und verlangte von mir lediglich eine moralische Zu-
sage, die Bank von England im Laufe der Zeit, wobei möglicherweise eine
lange Frist in Frage käme, für die ausgelegten Beträge zu entschädigen,
wobei Zinsen nicht in Anrechnung kommen sollten. Ich erklärte nun, daß
387
Nr. 204 22. JANUAR 1934
ich mich erst äußern könnte, wenn ich mich an maßgeblicher Stelle zu
Hause eines grundsätzlichen Einverständnisses zu weiteren Verhandlungen
auf der angegebenen Basis vergewissert hätte. Wir vereinbarten, daß ich
Norman ein Telegramm schicken würde, sobald dieses Einverständnis vor-
läge, und daß er dann einen Herrn zur weiteren Verhandlung nach Berlin
senden würde.
Am Mittwoch, dem 10. Januar 1934, berichtete ich dem Herrn Reichs-
kanzler über diese Angelegenheit, der mir das Einverständnis zu weiteren
Verhandlungen gab. Daraufhin besuchte mich am Sonntag, den 14. und
Montag, den 15. Januar Herr Siepmann, die rechte Hand des Governors
Norman.
Herr Siepmann legte mir im Original die Protokollnotiz über eine
Sitzung des Finanzausschusses des Verwaltungsrats der Bank von England
vor, die am Donnerstag, dem 11. Januar, stattgefunden hatte. Der Inhalt
dieser Protokollnotiz ergab, daß Governor Norman dem Finanzausschuß
den Plan vorgelegt hatte. Er hatte als die Absichten, die er mit diesem Plan
verfolgte, drei Ziele angegeben:
1. Die Gefahren eines drohenden Clearings zwischen Deutschland und
England zu vermeiden;
2. Zeit zu gewinnen für die Beruhigung der Gemüter und für eine leiden-
schaftslose Erörterung der Lage;
3. die Einrichtung von bevollmächtigten Vertretungen durch die Anleihe-
gläubiger zum Zwecke der Unterhandlung mit Deutschland.
Des weiteren war die Durchführung des Planes davon abhängig gemacht,
daß Anleihen, deren Schuldner in Zahlungsverzug gegenüber der Konver-
sionskasse seien, vom Ankauf ausgeschlossen bleiben sollten und daß
ferner das Abkommen nur solange gelten sollte, als die Transferierung auf
die bevorzugten Anleihen (Dawes, Young etc.) bestehen bliebe. Ferner war
die Einverständniserklärung des englischen Schatzministers') vorbehalten.
Es war schließlich von Governor Norman auseinandergesetzt worden, daß
alles in allem nur ein Betrag von 500 000 £ jährlich für eine solche Aktion
der Bank von England in Frage käme, und von 700 000 £ jährlich, wenn
auch der 30%ige Transfer unterbliebe. Das Finanzkomitee der Bank von
England hat die vorgeschlagene Transaktion gebilligt.
Meine Unterhaltungen mit Herrn Siepmann, die in Gegenwart des Herrn
Reichsbank-Vizepräsidenten Dreyse geführt wurden, erstreckten sich ein-
mal auf die gewünschte moralische Zusage, die von mir abzugeben war,
und zweitens auf die Einzelheiten der technischen Durchführung. Wir ver-
abredeten, daß ich einen Brief über die technische Durchführung im Entwurf
einsenden solle, daß er am Donnerstag, den 18. Januar morgens in der
Bank von England einträfe, da an diesem Tage das Finanzkomitee wieder
tagen würde. Den Entwurf der moralischen Zusage setzten wir gemein-
schaftlich in englischer Sprache laut Anlage [Anhang] 1 auf. Ich fügte hinzu,
daß ich ihm im Laufe des Dienstag, den 16. Januar, telephonieren würde,
wenn die deutsche maßgebliche Stelle mich ermächtigen würde, die mora-
lische Zusage zu unterschreiben.
*(i) Chamberlain.
388
Nr. 204 22. JANUAR 1934
Schon am Montag, dem 15. Januar, morgens unterrichtete ich den Herrn
Reichswirtschaftsminister 2 ) und den Herrn Reichsfinanzminister,3) die mir
ihr Einverständnis zu der Aktion erklärten. Daraufhin telephonierte ich
Herrn Siepmann am Dienstag vormittag entsprechend und unterrichtete
ferner den Herrn Reichsaußenminister über die ganze Angelegenheit, der
das ganze Vorgehen ebenfalls billigte.
Am Freitag, dem 19. Januar, nachmittags rief Herr Siepmann von London
an und teilte mir mit, daß das Resultat der weiteren Besprechungen in
London ein so ungünstiges gewesen sei, daß er es mir am Telephon nicht
mitteilen könne. Er werde am Sonnabend, dem 20. Januar, nachmittags mit
Flugzeug zur mündlichen Unterredung in Berlin eintreffen und beabsichtige
am selben Abend wieder zurück zu reisen.
Heute nachmittag fand dieser zweite Besuch statt, und Herr Siepmann
erklärte mir die näheren Umstände der Ablehnung. Der Schatzminister sei
persönlich günstig eingestellt gewesen, aber die anderen Ressorts hätten
energisch opponiert. Er übergab mir die in der Anlage [Anhang] 2 abschrift-
lich beigefügte Antwort des Governors Norman, aus der hervorgeht, daß das
Schwergewicht in den Worten „political difficulties" liegt. Als die beiden
Gründe hierfür entnahm ich aus den Mitteilungen Siepmanns, 1. daß der
Widerstand im Parlament befürchtet würde angesichts der derzeitigen
feindlichen Stimmung des Parlaments gegen Deutschland und 2. den Um-
stand, daß die britische Regierung in der Zwischenzeit mit den anderen ein-
schlägigen Regierungen über die ganze Angelegenheit in wiederholten
Meinungsaustausch getreten sei. Siepmann bestätigte mir, daß die Schwe-
den in London seien und daß heute auch Herr Studri in London erwartet
werde.
Ich unterrichtete Herrn Siepmann davon, daß der englische Botschafter4)
mit seiner Note den Herrn Reichskanzler von den Baseler Besprechungen
informiert hätte,5) worüber Herr Siepmann sehr erstaunt war, da Norman
ausdrücklich vollste Diskretion über die ganze Angelegenheit zugesagt
worden war.6) Siepmann sagte ferner, daß die Bank von England diesen
Ausgang sehr bedauere. Ich habe Herrn Siepmann erwidert, daß auch ich
das Nichtzustandekommen des Vorschlages lebhaft bedauere, daß ich die
Bemühungen der Bank von England dankbar anerkennte und daß sich in
meinen Beziehungen zu Governor Norman durch dieses Vorkommnis nichts
ändern würde. Als das bedauerlichste Ergebnis der ganzen Angelegenheit
müsse ich jedoch den Eindruck feststellen, den die politische Ablehnung
eines wirtschaftlich vernünftigen Vorschlages gemacht habe, der vielleicht
die ganze Atmosphäre gereinigt haben würde.
Ich habe Herrn Siepmann zugesagt, daß ich meinerseits alles tun würde,
*(2) Schmitt.
*(3) Sehwerin-Krosigk.
*(4) Phipps.
(5) Dokument Nr. 197.
(') Randbemerkungen: „H[err] Baer. Darauf ist also Rücksicht zu nehmen bei etwaiger
Mitteilung englischer Noten an Schweiz und Holland. R[itter] 23. 1."
„Ja, in Memorandum, das der britische] Botsehafter dem Herrn Reichskanzler hinter-
ließ, ist sogar schriftlich die ablehnende Haltung der englischen Regierung zu dem Plane
ausgesprochen. B[aer] 24. 1."
389
Nr. 204 22. JANUAR 1934
[Anhang 1]
Draft
Der Präsident des Reichsbankdirektoriums BERLIN, January 15, 1934
Dear Mr. Governor,
I appreciate and welcome the arrangement by which the Bank of England
propose, for a maximum period of 2 years, to buy the maturing coupons
of German long-term Sterling loans issued and officially quoted in London.
The objectives of this arrangement have my complete approval and I
should gladly co-operate in attaining them. Their importance justifies me,
after consultation, where consultation is due, in giving you this my
assurance that the Reichsbank will use its best endeavours to see to it
that the Sterling amounts expended for the purchase of the coupons are,
in due course, made good to the Bank of England. For my part, I should
look forward to being able to fulfil this engagement all the sooner if it
were possible to arrive at a definitive arrangement with our creditors for
relieving the transfer position of Germany.
Your proposal should, I believe, overcome immediate difficulties and
give time for their further consideration. But it should also serve to avoid
the association of financial questions with commercial restrictions that can
have no other effect than to hamper international trade.
Believe me, dear Mr. Governor,
Yours sincerely
[Anhang 2]
Abschrift
Bank of England 18th January 1934
Personal
Dear Mr. President,
The proposals recently discussed between us have been submitted to my
Authorities v/ho see grave political difficulties.
In view of the discussions at present taking place between our two
Governments it is not possible for me to pursue the proposed arrangement
further at this stage. When our two Governments' discussions are ended
I will consider whether, having regard to the conclusions then reached,
any alternative arrangement with similar objects might be desirable and
possible.
I am,
Yours sincerely
gez. M. NORMAN
390
Nr. 205 22. JANUAR 1934
205
7188/E 528 326-27
*(l) Die Vorlage wurde den Akten der Reichskanzlei entnommen. Sie wurde mit einem
Begleitschreiben Schachts vom 22. Januar 1934 (7188/E 528 325) an Lammers zu dessen
Kenntnisnahme übersandt. Das Begleitschreiben trägt den Vermerk: „Der Herr Reichs-
kanzler hat Kenntnis."
(2) Berichte Dodds über die Unterredung sind abgedruckt in Foreign Relations of the
United States, 1934, Bd. II, S. 342-45. Eine Aufzeichnung Ritters über Mitteilungen
Schachts über die Unterredung ist gefilmt unter 9509/E 670 151-52.
391
Nr. 206 22. JANUAR 1934
206
9119/E 641 269-70
Der Botschafter in Washington Luther an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 28 vom 22. 1. WASHINGTON, den 22. Januar 1934 23 Uhr 14
Ankunft: 23. Januar 8 Uhr 40
W. 536
[Im] Anschluß [an Telegramm Nr.] 27.])
I. Besprechungen mit Präsidenten unter Anwesenheit Phillips. Auch
Präsident konnte sachlich unseren bekannten Gesichtspunkten nichts ent-
gegen halten, auch nichts meiner Bemerkung, was Deutschland wohl für
Gründe haben könnte, Amerikaner und andere Großnationen zugunsten
von Schweizern, Holländern zu benachteiligen. Ich hinwies, gleichgültig
wie man zu Entwertung beider großer Währungen sachlich stehe, daß
Deutschlands Export dadurch schwer geschädigt und daß jetzt auch Be-
strebungen im Gange, um Deutschland aus russischem Markt zu verdrän-
gen, wobei Hoffnung Ausdruck gab, daß Vereinigte Staaten von Amerika
sich daran nicht beteiligen. Meines Erachtens müßte gerade von Roosevelts
allgemeiner Politik aus jeder Schritt Deutschlands zur Erhaltung und Aus-
bau Exports begrüßt werden. Auf Roosevelts Einwurf, statt Geldtransfer
könne Eigentum übertragen werden, und seine Bemerkung, er habe dies
schon Schacht gesagt, verwies ich ausführlich auf Ausnutzbarkeit Sperr-
mark und ähnliches und darlegte Bedeutung Bond- und Scrips-Verfahren.
Meinen Hinweis, daß Sonderverträge mit der Schweiz und Holland neue
Exportgeschäfte bedeuten, beantwortete Roosevelt, man dürfe Transfer-
Frage damit nicht vermischen. Zur Verstärkung deutschen Exports sei
Amerika auch bereit und (zu Phillips sprechend) zu Verhandlungen dar-
über. Roosevelt war unterrichtet über Handelsbilanzlage, nannte als Bei-
spiel Spielwaren, betonte seine allgemeine Theorie Ausgleichs zwischen
Import und Export in Anwendung auf Deutschland. Als ich Alkohol-Frage 2)
anschnitt, sprach er von Agrar-Produkten, hinzufügend, Verhandlungsziel
müsse sein, daß amerikanischer Export zwar auch etwas erhöht würde,
deutscher Export indessen erheblich stärker; er aufzeichnete graphische
Darstellung, in der deutscher Export um Mehrfaches des amerikanischen er-
höht wurde. Sein Idealziel sei Weltwirtschaft mit ausgeglichenem Waren-
austausch ohne Goldausgleich. Gespräch ausklang mit diesen Ideen. Roose-
velt festhielt vorher an Forderung gleicher Transferbehandlung, mir aber
nur erwidernd, daß meine Gegendarlegungen amerikanischem Publikum
nicht begreifbar gemacht werden könnten. Großes Gewicht legte er auch
auf formale Zustimmung Gläubigerkomitees.
II. Spätere Aussprache mit Phillips über ohne mein Wissen vor Unter-
redung ausgegebenes Pressekommunique führte im Endergebnis zu nach-
*(1) Telegramm Luthers Nr. 27 vom 22. Januar 1934 (9119/E 641 268).
(2) Siehe Dokument Nr. 201, Anm. 6.
392
Nr. 207 22. JANUAR 1934
(') Der Text des Kommuniques ist abgedruckt in Foreign Relations oi the United States,
1934, Bd. II, S. 342.
(4) Siehe Dokument Nr. 284.
207
7892/E 571 864-67
Der Botschafter in London von Hoesch an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 13 vom 22. 1. den 23. Januar 1934 1 Uhr 38
LONDON,
Ankunft: 23. Januar 6 Uhr 15
II S.G. 416
Ich wahrnahm Gelegenheit meines heutigen Besuchs bei Sir John Simon,
um ihm unter Hinweis auf gewisse Abirrungen der hiesigen öffentlichen
Meinung die Wahrheit über die Saarfrage darzulegen.
Dabei ausging ich von Kampf Wilsons und Lloyd Georges gegen die
französischen Annektierungswünsche im Jahr 1919, schilderte die bisher
niemals erschütterte Überzeugung Englands, daß das Saargebiet deutsch
sei und wieder an Deutschland zurückfallen müsse, und ausdrückte mein
Befremden, daß auf Grund der innerdeutschen Entwicklung Teile englischer
öffentlicher Meinung jetzt Neigung zeigten, das bedeutsame außenpoli-
tische Problem der Zukunft des Saargebiets durch Hereintragung inner-
politischer Sympathien und Antipathien zu verwirren. Ich darlegte ihm
ferner den Werdegang der französischen Stellungnahme zum Saarproblem
vom kalten Annexionswunsch über die Idee der Festsetzung im Saargebiet
im Wege der Umgehung der Verträge bis zum späteren Zurücktreten des
Annexionsgedankens unter der Einwirkung Briands und der Linksmehr-
heit. Schließlich erklärte ich ihm Bildung der deutschen Front und suchte
ihm begreiflich zu machen, daß eine Bevölkerung, die um ihre Zukunft
ringt, selbstverständlich Stellung nehmen müsse gegen das Treiben von
verräterischen Emigranten und Separatisten, die in antideutschem Sinne
innerhalb und außerhalb Saargebiets wirkten und von deren Sachkenntnis
das Auftreten des Max Braun in Genf ein anschauliches Bild geliefert habe.
Sir John erklärte zunächst, daß er von Braun in Genf um eine Unter-
redung angegangen worden sei, ihm aber eine solche nicht gewährt habe.
393
Nr. 207 22. JANUAR 1934
Er betonte dann, er habe auch mit Knox Saarfrage absichtlich nicht im ein-
zelnen erörtert, da er Eigenschaft von Knox als internationalem Beamten
in jeder Weise zu respektieren wünschte. Anschließend machte er dann
noch einige Ausführungen über Knox, die darlegen sollten, daß der Vor-
sitzende Reparationskommission') lediglich im Auge habe, eine freie
Abstimmung sicherzustellen, und daß er in keiner Weise parteiisch sei. Ich
antwortete mit dem Bemerken, Knox ignoriere offenbar die innerdeutsche
Entwicklung, die sich mit Naturnotwendigkeit auf das Saargebiet ausbrei-
ten müsse, und nachjage einer bedenklichen Illusion, wenn er glaube,
neben dem nationalsozialistischen großen Deutschen Reich eine Art demo-
kratischen Anhängsels künstlich aufrechterhalten zu sollen.
Minister zeigte gewisses Verständnis. Er äußerte, daß britische öffent-
liche Meinung in der Tat von jeher vor Idee zurückgeschreckt sei, es könne
im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ein neues Elsaß-
Lothringen geschaffen werden. Er äußerte aber immer wieder Bedauern
darüber, daß im Saargebiet eine so starke nationalsozialistische Agitation
eingesetzt habe, wo das Gebiet doch tatsächlich deutsch sei und doch auch
ohne Agitation sicher deutsch stimmen würde. Ich trat seinen Beschwerden
mit Hinweis auf das freie Schalten der Verräter im Saargebiet nachdrück-
lich entgegen. Aus den weiteren Ausführungen Ministers hervorging Sorge,
die ihm die Perspektive eines monatelangen Ringens um das Saarproblem
macht. Nach einigem Zögern kam er deshalb mit einer von ihm als rein
persönlich bezeichneten Anregung heraus, ob nicht noch ein Versuch ge-
macht werden sollte, durch eine deutsch-französische Verständigung über
Rückgliederung Saargebiets an Deutschland und Entrichtung Rückkaufs-
preises für Minen Volksabstimmung überflüssig zu machen. Ich darlegte
den bekannten, von Reichskanzler unternommenen einschlägigen Versuch
und seine Zurückweisung durch Frankreich, mit der wir uns hätten abfin-
den müssen.2) Ich betonte außerdem, daß mir nach der ganzen Sachlage in
Frankreich, der Schwäche der gegenwärtigen französischen Regierung und
der Gefährlichkeit der innerfranzösischen Opposition es überaus zweifel-
haft erscheine, ob die französische Regierung, auch wenn sie es wollte, eine
abstimmungslose Rückgliederung Saargebiets selbst unter gleichzeitiger
Verständigungsgrundlage über Minenrückkauf würde durchführen können.
Sir John ließ aber nicht locker, sondern bemerkte, gerade die Schwäche
der französischen Regierung gebe England und gegebenenfalls auch Italien
die Möglichkeit starker Einflußnahme. Er könne sich deshalb vorstellen,
daß deutsche Regierung der englischen Regierung einen Verständigungs-
weg betreffend Regelung der Frage des Minenrückkaufs übermitteln würde,
auf Grund dessen England dann evtl. zusammen mit Italien bei Frankreich
im Sinne einer Gesamtregelung ohne Plebiszit intervenieren könnte. Hart-
näckigkeit Simons veranlaßte mich zu Gegenfrage, ob er etwa franzö-
sischerseits Grund zur Annahme erhalten habe, daß ein solches Procedere
Erfolgsaussichten haben würde, was Minister unter Betonung, es handele
sich nur um eine persönliche, vom Kabinett noch nicht gebilligte Eingebung
(i) Dieses Wort wurde vermutlich bei der Übermittlung verstümmelt und muß richtig
heißen: „Regierungskommission".
(2) Siehe Dokument Nr. 101.
394
Nr. 208 23. JANUAR 1934
208
3147/D 665 678-80
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von BülowJ)
BERLIN, den 23. Januar 1934
[Vbd. 210]2)
Der italienische Botschafter3) besuchte mich heute und trug das abschrift-
lich beigefügte vertrauliche Aide-memoire über die Reform des Völker-
bundes 4) wörtlich vor. Zu seiner Erläuterung bemerkte er lediglich, daß die
italienischen Ausführungen vorläufige Erwägungen darstellten, über die
man mit uns einen Gedankenaustausch pflegen wolle, und nicht bereits ein
fertiges Programm. Der Botschafter deutete nicht an, daß auch andere
Regierungen in dem gleichen Sinne befaßt worden seien.
Ich erinnerte den Botschafter an das, was der Herr Reichsminister und
ich ihm anläßlich des Besuches von Suvich5) über unsere Einstellung zum
Völkerbund gesagt hätten. Die Lage sei für uns dieselbe, denn wir hätten
keinen Anlaß gehabt, uns in der Zwischenzeit mit der Völkerbundsreform
zu befassen, obwohl wir naturgemäß alles verfolgten, was diesbezüglich
veröffentlicht werde. Durch die italienischen Darlegungen würden wir nun-
mehr veranlaßt werden, dem Problem näherzutreten. Da wir uns aber nicht
395
Nr. 208 23. JANUAR 1934
mehr als Mitglied des Völkerbundes betrachteten und nicht die Absicht
hätten, binnen kurzem in den Völkerbund zurückzukehren, sei unser Aus-
gangspunkt ein anderer als der der italienischen Regierung, deren Erwä-
gungen von ihrer Mitgliedschaft im Völkerbund abgeleitet würden. Wir fühl-
ten eine gewisse Solidarität mit den anderen Nicht-Mitgliederstaaten des
Völkerbundes, Amerika, Rußland und Japan, ohne hieraus die Konsequenz
einer Fühlungnahme mit diesen Staaten gezogen zu haben oder für die
nächste Zeit zu beabsichtigen. Die wichtigste Reform des Völkerbundes sei
zweifellos die Herstellung seiner Universalität. Ich glaubte nicht, daß sich
diese durch die Maßnahmen verwirklichen lassen werde, die italienischer-
seits zur Diskussion gestellt würden. Es sei z. B. richtig, daß der Artikel
16,6) wie die Italiener darlegten, für manche Staaten nicht anwendbar sei
und deshalb die Aktionsfähigkeit und das Prestige des Völkerbundes ver-
ringere. Ähnlidies gelte aber auch für die Artikel 13 7) und 15 8). Die einzige
gemeinsame Basis der Zusammenarbeit der Großmächte im Sinne der Frie-
denserhaltung sei bisher der Kellogg-Pakt gewesen.9) Amerika, Rußland und
vielleicht auch Japan seien anscheinend bereit, über den Kellogg-Pakt in
gewissen Punkten hinauszugehen, aber schwerlich so weit, wie es die
heutige Völkerbundssatzung von den Mitgliedern fordere. Die ergebnis-
losen Verhandlungen über eine Angleichung der Völkerbundssatzung an
den Kellogg-Pakt illustrierten zur Genüge die bestehenden Schwierigkeiten
und vorhandenen Gegensätze. Unser Ausgangspunkt sei bisher gewesen,
eine Basis oder ein System zu finden, das die Zusammenarbeit aller Groß-
mächte zur Erhaltung des Friedens usw. ermögliche. Wir würden versuchen,
diese Linie mit dem von der italienischen Regierung vorgeschlagenen Wege
in Verbindung zu bringen, und würden zu gegebener Zeit dem Botschafter
unsere Stellungnahme zu den italienischen Gedankengängen mitteilen.
Allerdings würden wir voraussichtlich genötigt sein, einzelne Punkte in
Verhandlungen mit ihm weiter zu klären, ehe wir zu einer abschließenden
Stellungnahme gelangen könnten.
Der Botschafter erklärte sich hiermit einverstanden und wies seinerseits
lediglich darauf hin, daß anscheinend Rußland neuerdings eine starke Nei-
gung zeige, in den Völkerbund einzutreten.
Ich sagte dem Botschafter meinerseits, daß gewisse Bestimmungen der
heutigen Völkerbundssatzung für Rußland voraussichtlich unannehmbar
sein würden und ebenfalls für Amerika, obwohl auch dort eine gewisse,
wenn auch sehr viel geringere Neigung zu bestehen scheine, in ein engeres
Verhältnis zum Völkerbund zu treten oder eine Form der Zusammenarbeit
mit dem Völkerbund zu finden. Uns komme es in erster Linie darauf an,
eine Zusammenarbeit aller Großmächte zu ermöglichen, ob diese dazu Mit-
glieder eines reformierten Völkerbundes würden oder nur mit ihm zusam-
menarbeiteten, sei wohl Nebensache.
(6) Der Artikel 16 der Satzung des Völkerbundes befaßte sich mit Sanktionen.
(7) Der Artikel 13 der Satzung des Völkerbundes sah die schiedsgerichtliche Klärung von
Streitfragen zwischen Mitgliedstaaten des Völkerbundes vor.
(8) Der Artikel 15 der Satzung des Völkerbundes behandelte die Regelung der nicht unter
Artikel 13 fallenden Streitfragen.
(«) Siehe Foreign Relations ol the United States, 1928, Bd I, S. 153.
396
Nr. 209 23. JANUAR 1934
209
5552/E 393 431-33
Aufzeichnung des Ministerialdirektors Meyer
BERLIN, den 23. Januar 1934
AUFZEICHNUNG
Herr von Moltke hat dieser Tage den Grafen Szembek weisungsgemäß
darauf angesprochen, daß die deutschen Vertreter der IG über die Verhält-
nisse ihrer Gesellschaften in Oberschlesien mit den zuständigen polnischen
Stellen sprechen möchten.1) Er hat dabei darauf hingewiesen, daß die
Polen die Vertreter der IG hätten wissen lassen, daß sie mit einem
„Deutschen" vor Beendigung des gegen zwei deutsche Direktoren einge-
leiteten Strafverfahrens nicht sprechen wollten.2) Graf Szembek hat dem
Standpunkt des Herrn von Moltke weitgehendes Verständnis entgegen-
gebracht und zugesagt, daß er sich sofort mit den zuständigen Stellen in
Verbindung setzen wolle. Wie Herr von Moltke mitteilt, ist trotz Erinne-
rung bisher noch keinerlei Antwort erteilt worden. Aus Andeutungen von
Herrn Lipski ist aber zu entnehmen, daß die Antwort negativ sein wird.
Ich darf vorschlagen, gelegentlich des bevorstehenden Gespräches im
Anschluß an die damalige Erörterung mit Herrn Lipski über die Verhält-
nisse in Oberschlesien 3 ) ganz allgemein dem polnischen Gesandten gegen-
über die Erwartung auszusprechen, daß die oberschlesische Angelegenheit
bald in zufriedenstellender Weise geregelt werde.4) Vielleicht empfiehlt es
(1) Die in der Vorlage erwähnte Weisung war in einem Schreiben Meyers an Moltke vom
14. Januar (5552/E 393 436-39) enthalten. Meyer hatte Moltke gebeten, auf telefoni-
schem Wege über das Ergebnis seiner Unterredungen mit Szembek zu berichten.
(2) Siehe Dokument Nr. 41, Anm. 6.
'(3) Der Hinweis bezieht sich vermutlieh auf die in Dokument Nr. 52 wiedergegebene Unter-
redung.
(4) Hschr. Randbemerkung: „Ist geschehen. Der Gesandte erwiderte, er habe in Warschau
bereits in diesem Sinne gesprochen. Man wolle dort aber nicht mit einzelnen Inter-
397
Nr. 210 23. JANUAR 1934
sich, hierbei die in Warschau erfolgte Demarche nicht zu erwähnen und auf
Einzelheiten wie die Andeutung einer Verkaufsmöglichkeit noch nicht ein-
zugehen.5)
MEYER
210
6609/E 497 465-70
(i) Ein Ankunftsdatum ist auf der Vorlage nicht ersichtlich. Sie wurde am 26. Januar von
Bülow abgezeichnet.
(2) Dokument Nr. 171.
(3) Dokument Nr. 190.
398
Nr. 210 23. JANUAR 1934
gegen einen unternimmt oder daß er einem doch wieder kommen muß. Daß
aber all dieses bei Sowjetrußland nicht zutrifft, darüber sind wir uns doch
wohl einig. Das geht auch aus dem Erlaß selbst hervor, der ja überhaupt in
der Beurteilung der Ursachen, der Bedeutung und der Folgen der deutsch-
russischen Entfremdung völlig mit den Darlegungen meines Berichts über-
einstimmt. Wenn der Erlaß trotzdem zu der Schlußfolgerung kommt, daß
keinerlei Initiative entwickelt werden soll, um der sichtbar vor sich gehen-
den Entwicklung der russischen Abschwenkung ins gegnerische Lager ent-
gegenzuwirken, so bedeutet das einfach, daß man die Flinte ins Korn wirft.
In der Tat bringt der Erlaß ja auch ziemlich deutlich zum Ausdruck, daß
man in Berlin der Ansicht ist, jede Initiative sei nutzlos, und es würde nur
der Eindruck entstehen, daß wir den Sowjetleuten nachlaufen.
Nun liegt aber gerade hierin, nämlich in unserer beiderseitigen Auffas-
sung über die hiesige gegenwärtige Situation, augenscheinlich ein grund-
legender Unterschied vor: Das Amt ist anscheinend der Meinung, die
Sowjetregierung habe bereits mehr oder minder für Frankreich optiert, die
Würfel seien schon gefallen; daher wäre jeder weitere Schritt von deut-
scher Seite doch vergeblich, müßte uns sogar als ein Nachlaufen schaden.
Ich dagegen bin auf Grund meiner hiesigen Eindrücke folgender Ansicht:
Litwinow ist zwar für seine Person so gut wie entschlossen, den französi-
schen Kurs zu steuern, auch wenn dies zu einer Entfremdung mit Deutsch-
land führt; aber Litwinow ist nicht der allein Ausschlaggebende. Die aus-
wärtige Politik der Sowjetunion in ihren Grundlinien wird von Stalin und
dem Politbüro festgelegt, zu dem Litwinow nicht gehört; und in diesem hat
heute immer noch die Richtlinie Geltung: „Keine Bindung an irgendeine
europäische Gruppierung, die die Sowjetunion gegen ihren Willen in die
europäischen Konflikte hineinziehen könnte." Von dieser Politik der freien
Hand gegenüber Europa wird das Politbüro sich nur entschließen abzu-
gehen, wenn es überzeugt ist, daß wirklich von Deutschland Gefahr droht
und daß ihr gegenüber keine andere Möglichkeit vorhanden ist, als mit
unseren Gegnern zusammenzugehen. Litwinows Arbeit ist infolgedessen
jetzt darauf gerichtet, dem Politbüro den Beweis zu erbringen, daß die
undurchsichtige Haltung Deutschlands in der Tat gefährlich ist und daß
man, um ihr zu begegnen, sich mit denjenigen europäischen Mächten ver-
ständigen oder sogar verbünden muß, die gewillt sind, Deutschland in
Schach zu halten - also der Gruppe Frankreichs. Und wenn wir uns nicht
rühren, so wird er es auch fertigbekommen, das Politbüro dazu zu bringen,
zumal Stalin und die anderen Mitglieder des Politbüros das Ausland aus
eigener Anschauung nur wenig kennen und unter den heutigen deutschen
Verhältnissen das Ressentiment gegen uns natürlich stark ins Gewicht fällt.
Andererseits haben mich gerade die letzten Unterhaltungen hier mehr
und mehr davon überzeugt, daß wir durchaus noch nicht die Segel zu
streichen braudien. Unsere Freunde - ich denke besonders an die Rote
Armee und ihren Chef, den mächtigen Woroschilow, aber auch an viele
andere - sind trotz aller Unbequemlichkeit des deutschen Regimes durch-
aus bereit, für gute deutsch-russische Beziehungen zu arbeiten, wenn wir
ihnen überzeugendes Material an die Hand geben, um Litwinows Argu-
mente zu entkräften. Diese Leute warten darauf, daß wir auf Litwinows
399
Nr. 210 23. JANUAR 1934
Rede in einer Form reagieren, die unseren guten Willen zu einer Zusam-
menarbeit klar zum Ausdruck bringt. Die Reichskanzlerrede vom 23. März
v. J.4) zieht in dieser Beziehung nicht mehr, denn es handelt sich darum,
eine gerade jetzt hochgekommene Stimmung herabzudämpfen, und das
kann man nicht mit einer Bezugnahme machen. Gerade jetzt, wo der erste
verunglückte Anlauf in der Baltenpaktfrage Litwinow hier anscheinend
geschadet hat und Stimmen laut werden, er sei auch in seiner Rede gegen-
über Deutschland6) zu weit gegangen (vgl. die neuerliche gemäßigte
Sprache Kaganowitschs auf dem Moskauer Parteitag 6 )), würde eine demon-
strative deutsche Erklärung voraussichtlich auf die Litwinowsche Hetze
wie ein kalter Wasserstrahl wirken.
Ich kann in einer solchen Erklärung auch kein großes Risiko für uns
sehen, insbesondere kein Nachlaufen. Sie kann als Antwort auf Litwinows
Rede erfolgen, die eine Zurückweisung doch reichlich verdient hat. In ihr
könnte mit den ganzen fadenscheinigen Argumenten Litwinows ein für
allemal aufgeräumt und das Verhältnis zwischen den beiden Staaten erneut
dahin klargestellt werden, daß wir ebenso wie die russische Seite zur
Wiederherstellung des Verhältnisses von Rapallo durchaus bereit sind und
daß wir nichts anderes wollen als eine gegenseitige Respektierung des
Systems. Wir wollten uns nicht in das sowjetische einmischen, auch uns
nicht einmal ein Urteil darüber erlauben, ob es für Rußland nützlich ist
oder nicht, wir verlangten aber von russischer Seite gegenüber unseren
inneren Verhältnissen dasselbe.7) Aus dem Echo und der Aufnahme einer sol-
chen Erwiderung in der Sowjetunion werden wir zum mindesten volle Klar-
heit gewinnen, wo die Sowjetunion politisch tatsächlich heute steht. Ist die
Aufnahme günstig, so wird sich auch die Stimmung uns gegenüber hier
wieder beruhigen, und wir werden erreichen, daß Rußland zum wenigsten
neutral bleibt. Ist die Aufnahme ungünstig, so können wir öffentlich fest-
stellen, daß die Schuld nicht an uns liegt, was mir im Hinblick auf Italien,
England und die USA nicht ohne Bedeutung zu sein scheint, und wir kön-
nen dann unsere Politik entsprechend einstellen.
Ich schätze den positiven Nutzen eines guten deutsch-russischen Ver-
hältnisses für unsere derzeitigen politischen Interessen sicherlich nicht
höher ein als Sie. Eine Einreihung der Sowjetunion in die gegnerische Front
wäre aber für unsere außenpolitische Bilanz zweifellos ein großer Debet-
posten. Überdies haben wir hier große und für unsere Zukunft wichtige
wirtschaftliche und kulturelle Positionen zu verteidigen. Wir kennen aber
den Osten zu gut, um nicht zu wissen, daß hier, besonders unter einer
Diktatur, sehr viel von den politischen Beziehungen abhängt. Sind diese
schlecht, so sind Rückschläge in wirtschaftlicher und kulturpolitischer Hin-
sicht, speziell auch bezüglich des hiesigen Deutschtums, unvermeidlich. Es
sind hier jetzt Riesenenergien eines jungen Volkes in Bewegung. Noch sind
400
Nr. 211 24. JANUAR 1934
211
6177/E 463 554
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Bülow an die Botschaften
in Rom und Moskau
Telegramm
1) Rom, Nr. 22 [BERLIN,] den 24. Januar 1934 9 Uhr 20
2) Moskau, Nr. 13 IV Po. 545 Angabe I
[Im Anschluß an] Schrifterlaß vom 5. Dezember - IV Po. 8594.•)
Verhandlungen mit polnischer Regierung über Erklärung betreffend Ge-
waltverzicht stehen vor Abschluß. Unterzeichnung wird voraussichtlich
Freitag 2 ) erfolgen. Wortlaut der Erklärung wird alsbald veröffentlicht
werden.
Erklärung hat gegenüber unserm Entwurf sachlich bemerkenswerte Än-
derung nur insofern erfahren, als auf polnischen Wunsch Klausel be-
treffend die von beiden Ländern schon früher mit dritten Ländern abge-
schlossenen Verträge aufgenommen worden ist.
Bitte, dortige Regierung (zu 1, Rom:) alsbald, (zu 2, Moskau:) am Don-
nerstag nachmittag, (zu 1 und 2:) vertraulich informieren. Dabei wäre zu
betonen, daß die Verhandlungen auf der Linie geführt und beendet worden
sind, die schon im Kommunique vom 15. November über Besuch polnischen
Gesandten 3 ) beim Herrn Reichskanzler 4 ) festgelegt war. Erklärung sei
ihrem Inhalt nach nichts anderes als ausdrückliche Bestätigung der Grund-
(i) In diesem Erlaß (6177/E 463 504-06) hatte das Auswärtige Amt die Botschaften in London,
Paris, Rom und Moskau sowie die Gesandtschaft in Kowno über die im Hinblick auf
eine gemeinsame Erklärung mit Polen geführten Verhandlungen unterrichtet.
(2) 26. Januar.
• (3) Lipski.
(4) Siehe Dokument Nr. 69, Anm. 2.
401
II,1 Bg. 26
Nr. 212 24. JANUAR 1934
(5) Hassell beriohtete in Telegramm Nr. 25 vom 25. Januar (6177/E 463 570), Suvich habe
die Erklärung als „sehr erfreuliche Tatsache" bezeichnet, die „nach polnisch-russischen
Versuchen, Baltikum-Pakt zustandezubringen, besonders bemerkenswert" sei.
Nadolny berichtete in Telegramm Nr. 19 vom 26. Januar (6177/E 463 571), er habe
weisungsgemäß Krestinski informiert. Krestinski „entgegennahm Mitteilung dankend
und hinzufügte, sie seien bereits von Polen informiert".
*(6) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 24. [1.]"
212
2368/D 494 043-44
Auszeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, den 24. Januar 1934
RM. 104
Der englische Botschafter, der mich heute abend dringend um eine Unter-
redung bat, sagte, er sei von seiner Regierung beauftragt, nochmals zu be-
tonen, welch großen Wert die englische Regierung auf ein Entgegenkom-
men in der Transfer-Frage lege und welchen ungünstigen Einfluß auf die
deutsch-englischen Beziehungen der Fortbestand der Diskriminierung haben
müsse. Die englische Regierung sei bereit, nach der Aussprache zwischen
den Gläubigern und uns ev[entuell] ein deutsch-englisches Abkommen
über die Transfer-Frage in Erwägung zu ziehen, und würde die Entsendung
eines Sachverständigen zu diesem Zweck begrüßen.
Ich erwiderte Sir Eric Phipps, daß der Kanzler und ich ihm eingehend
unsere Lage geschildert hätten. Es sei mir unverständlich, daß die englische
Regierung nicht begreifen wolle, daß wir nicht zur gleichen Zeit auf unse-
ren Ausfuhrüberschuß verzichten und außerdem unsere Schulden bezahlen
könnten. Der Stand unserer Goldreserven sei der englischen Regierung
genau bekannt. Wenn der Export aufhöre, könne sie sich an den Fingern
abzählen, wielange das Gold reiche, um überhaupt noch etwas zu bezahlen.
Wir seien aber nicht gewillt, uns bis auf den letzten Pfennig zu entblößen.
Wenn die englische Regierung sich jetzt zum Abschluß eines englisch-
deutschen Abkommens über die Transfer-Frage bereit erkläre, so begreife
ich nicht, weshalb sie das zwischen dem Governor der Bank von England ])
und Dr. Schacht verabredete Abkommen abgelehnt habe.2) Die englische
Regierung solle mir sagen, welche Vorschläge sie selbst zu machen hätte,
um die Erfüllung unserer Schuldenzahlungen ohne Export zu ermöglichen.
Ich gestehe offen, daß ich das Verhalten der englischen Regierung in dieser
Frage absolut nicht verstehe.
v. N[EURATH]
*(l) Norman.
(2) Siehe Dokument Nr. 204.
402
Nr. 213 24. JANUAR 1934
213
3086/D 617 149-51
Auszeichnung des Gesandtschaftsrats Hüfferl)
Geheim BERLIN, den 24. Januar 1934
II Oe. 236
AUFZEICHNUNG
Der Besuch von Suvich in Wien 2 ) hat nach den hier vorliegenden Mel-
dungen keine nennenswerte Stärkung der Stellung des Bundeskanzlers
Dollfuß gebracht. Es liegen im Gegenteil ernst zu nehmende Nachrichten
vor, daß auf italienischer Seite im Einvernehmen mit den Heimwehren der
Gedanke ventiliert wird, ob nicht Fey als Bundeskanzler vorzuziehen sei.
Anscheinend hat das Intrigenspiel um diesen Gedanken schon lebhafte
Formen angenommen. Jedenfalls sind am letzten Tage des Aufenthalts von
Suvich in Wien die durch Dollfuß zunächst unterbrochenen Verbindungen
zur Landesleitung Österreich von den verschiedensten Seiten neu geknüpft
worden.
Zunächst hat Fürst Starhemberg durch den Vertreter des verhafteten
Bundesrats Schattenfroh Verhandlungen mit der Landesleitung Österreich
aufgenommen, und zwar in demselben Moment, in dem er seinen wichtig-
sten Unterführer, den Grafen Alberti, wegen der Verhandlungen mit den
Nationalsozialisten ins Konzentrationslager gebracht hat.3) Starhemberg
hat dabei zu verstehen gegeben, daß er selber für sich den Bundespräsi-
denten beanspruche, während Habicht das Bundeskanzleramt übernehmen
könne. Es würde ihm (Starhemberg) jedoch lieb sein, wenn Dollfuß noch
einen Ministerposten erhalte I
Ebenso hat der Vorsitzende des Landbundes, der ehemalige Vizekanz-
ler Winkler, gestern durch zwei Abgesandte dem Landesinspekteur Habicht
mitteilen lassen, daß er bereit sei, den Gedanken einer Einigung zwischen
Dollfuß und den Nationalsozialisten im jetzigen Kabinett energisch zu ver-
treten und auf Wunsch von Habicht zu diesem Zwecke die bisherigen Ver-
treter des Landbundes (Minister Kerber und Staatssekretär Glas) zurück-
zuziehen und im Einvernehmen mit ihm durch aktivere Persönlichkeiten zu
ersetzen. Als Bedingung hat Winkler lediglich die von Habicht bereits
akzeptierte Bitte gestellt, den Landbund auch unter dem nationalsozialisti-
schen Regime (in einer ähnlichen Funktion wie bei dem Deutschen Reichs-
landbund) am Leben zu lassen.
Schließlich hat heute Bundeskanzler Dollfuß selbst durch den christlich-
sozialen Bauernführer von Vorarlberg, Tirol und Salzburg, den Abgeordne-
ten Gebhardt, dem Landesinspekteur Habicht mitteilen lassen, daß er be-
reit sei, auf der Basis der von Habicht s. Zt. vorgeschlagenen Bedingungen
in Verhandlungen über eine Regierungsbildung einzutreten, Gebhardt trifft
403
Nr. 214 24. JANUAR 1934
214
8921/E 623 519-21
Aufzeichnung ohne Unterschritt •)
BERLIN,den 24. Januar 1934
zu IV Rd. 4252)
AUFZEICHNUNG
(1) Aus der als Dokument Nr. 215 gedruckten Aufzeichnung Bülows vom 24. Januar geht
hervor, daß die Vorlage dem Staatssekretär von der Abteilung IV unterbreitet wurde.
Nach der Eintragung in das Journal wurde die Vorlage von Meyer entworfen.
• (2) IV Rd. 425: Note Saulys' an Neurath (8921/E 623 513-18), die der Gesandte am
24. Januar Bülow übergab. Siehe Dokument Nr. 215.
(3) Siehe Dokument Nr. 142, Anm. 2. Signatarmächte der Memelkonvention waren Groß-
britannien, Frankreich, Italien, Japan und Litauen, nicht aber Deutschland.
(4) Siehe Dokument Nr. 125, Anm. 3.
(5) Siehe Serie C, Bd. I, 2, Dokument Nr. 405 und die Anlagen 1 und 2 dazu.
404
Nr. 214 24. JANUAR 1934
405
Nr. 215 24. JANUAR 1934
215
3015/D 596 292-93
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülowx)
BERLIN, den 24. Januar 1934
Der litauische Gesandte, den der Herr Reichsminister nicht empfangen
konnte, besuchte mich heute und überbrachte eine Note,2) in der mit lan-
gen juristischen Ausführungen gegen die wirtschaftlichen Maßnahmen
Deutschlands gegen Litauen 3 ) Einspruch erhoben wird.
Ich sagte dem Gesandten, ich könnte natürlich nicht die Note, die ich
kurz überflog, sofort beantworten. Zu gegebener Zeit würden wir ihm eine
schriftliche Antwort zuteil werden lassen. Aber schon jetzt könnte ich ihm
sagen, daß die litauische Regierung durchaus recht habe, wenn sie in ihrer
Note unterstelle, daß unsere Zwangsmaßnahmen auf unsere Mißbilligung
der litauischen Politik im Memelland zurückzuführen seien. In Anlehnung
der mir von Abteilung IV vorgelegten Aufzeichnung über unsere Beschwer-
den 4 ) setzte ich ihm auseinander, daß wir uns eine derartige Brüskierung
niemals gefallen lassen könnten und daß wir, statt auf die litauischen
Bitten einzugehen, wahrscheinlich unsere Zwangsmaßnahmen verschärfen
würden.
Der litauische Gesandte versuchte, die litauischen Maßnahmen als juri-
stisch berechtigt hinzustellen und uns gewissermaßen auf den Klageweg zu
verweisen. Ich lehnte diesen Gedankengang ab und stellte die allgemeinen
politischen Gesichtspunkte in den Vordergrund. Dabei bekannte ich mich
als warmen Anhänger einer deutsch-litauischen Freundschaft, die allerdings
nur auf einer Basis, wie sie im vorigen Sommer bei den Verhandlungen
Meyer-Zaunius 5 ) entworfen worden seien, denkbar wäre. Der litauische
Gesandte gab vor, über unsere einzelnen Beschwerdepunkte nicht genü-
gend und jedenfalls nicht amtlich unterrichtet zu sein, und erbot sich, ohne
Auftrag seiner Regierung rein persönlich und unverbindlich die einzelnen
Punkte mit Herrn Ministerialdirektor Meyer durchzusprechen. Ich nahm
dieses Anerbieten an. In diesem persönlichen und vertraulichen Abschnitt
des Gespräches führte auch der Gesandte aus, daß die Besorgnis, welche
das Buch Mein Kampt, die Aktivität von Herrn Rosenberg und die Rede
von Reichsminister Röhm6) sowie Presse- und andere Kundgebungen
verursacht hätten, sehr viel dazu beitrügen, den litauischen Kurs im Memel-
land zu verschärfen, u. a. auch deshalb, weil die deutsche Bevölkerung im
406
Nr. 216 24. JANUAR 1934
216
2980/D 580 500-02
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow J)
BERLIN, den 24. Januar 1934
Der ungarische Gesandte 2 ) besuchte mich heute auf meine Veranlassung.
Ich beantwortete ihm die Fragen, die er mir am 11. Januar gestellt hatte,3)
bzw. nahm ich Stellung zu seinem Vorschlag einer deutsch-ungarischen
Abmachung über die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen und die gegen-
seitige Verständigung über die Politik gegenüber der Kleinen Entente. Die
wirtschaftlichen Fragen haben wir in dem ersten Teil der Unterredung nur
ganz flüchtig gestreift, zum Ende der Unterredung verlas er mir aber die
Aufzeichnung, die er heute Herrn Geheimrat Ulrich übergeben hat,4) in der
die Enttäuschung der Ungarn über die deutschen Angebote zum Ausdruck
kommt.
Ich sagte dem Gesandten, ich hätte seinen Vorschlag von neulich ein-
gehend überlegt, dem Herrn Reichsminister vorgetragen und auch mit ande-
ren Herren im Hause besprochen. Ich könnte mir nicht vorstellen, wie wir
durch Abmachungen der vorgeschlagenen Art den jetzigen Zustand ver-
trauensvoller Aussprache und des Austausches von Informationen ver-
bessern könnten. Eine vertragliche Bindung komme praktisch nicht in
Frage. Ein offener Vertrag würde beide Länder Verdächtigungen aus-
setzen, und ein geheimer Vertrag würde mit der Zeit doch bekannt werden.
407
Nr. 216 24. JANUAR 1934
408
Nr. 217 25. JANUAR 1934
217
5552/E 393 426-27
Aufzeichnung des Ministerialdirektors MeyerJ)
BERLIN, den 25. Januar 1934
AUFZEICHNUNG
Herr Lipski suchte mich heute im Anschluß an den Besuch bei dem Herrn
Reichskanzler 2 ) auf. Er berichtete zunächst über die Unterredung, von der
er sehr befriedigt war, und führte u. a. aus, daß der Herr Reichskanzler
auch dem Wunsche Ausdruck gegeben habe, die beiden Nationen möchten
sich nicht als Erbfeinde gegenüberstellen, sondern in allen Fragen, auch
den Minderheitsfragen, zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kom-
men.
Ich knüpfte an diese Mitteilung an und erkundigte mich unter Bezug-
nahme auf das Gespräch von Herrn Lipski mit Herrn von Neurath über
die IG,3) was er eigentlich mit seiner Äußerung gemeint habe, daß die pol-
nische Regierung während des schwebenden Verfahrens gegen die zwei
Direktoren nicht mit „einzelnen Interessengruppen" verhandeln wolle.
Ich führte aus, soweit mir bekannt, schwebe lediglich ein Haftbefehl gegen
Herrn Tomalla und Herrn Rohde; gegen diesen Haftbefehl sei Beschwerde
erhoben worden, über die noch gar nicht entschieden worden sei; irgend-
ein Strafverfahren sei überhaupt nicht eingeleitet, und man wisse gar nicht,
was eigentlich vorliege.4) Selbst wenn einige Direktoren sich etwas hätten
zuschulden kommen lassen, so sei das kein Grund für die polnische Regie-
rung, überhaupt Unterredungen mit den Besitzern eines großen Industrie-
409
Nr. 218 25. JANUAR 1934
konzerns abzulehnen. Herr Lipski erwiderte sehr wenig und erwähnte nur,
daß die Werke sehr große Schulden hätten und schlecht bewirtschaftet
worden seien. Ich replizierte, daß daran wohl auch die allgemeine Wirt-
schaftslage schuld sei, und betonte, es sei untragbar, daß man über den
Kopf der Besitzer hinweg einige Direktoren einsetze, die nach Gutdünken
Entlassungen vornähmen und schalteten und walteten, wie es ihnen be-
liebe. Soviel ich wüßte, wäre der Spiritus rector ein Herr Rajchmann, und
ich möchte anregen, daß das polnische Auswärtige Amt sich in diese Sache
einschalte und mit den maßgebenden Leuten der IG alsbald Verhandlungen
in Warschau aufgenommen würden.
MEYER
218
6177/E 463 556-57
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Botschaft in London •)
Telegramm
Sofort BERLIN, den 25. Januar 1934
Nr. 26 Abgesandt: 26. Januar 11 Uhr 25
IV Po. 603 Angabe I
Im Anschluß an Schrifterlaß vom 5. Dezember.2)
Verhandlungen mit Polen über Unterzeichnung gemeinsamer Erklärung
sind abgeschlossen. Unterzeichnung erfolgt Freitag,3) Veröffentlichung
Wortlauts Sonnabend morgen.
Bitte bei dortigen Gesprächen weitgehende politische Bedeutung der
Vereinbarung für Sicherung europäischen Friedens betonen. Französische
und auch englische Regierung sind seit Jahren bei verschiedensten Gelegen-
heiten mit Bestreben hervorgetreten, durch besondere Abmachungen Be-
friedung deutsch-polnischer Beziehungen herbeizuführen und dadurch ge-
fährlichste Konfliktsmöglichkeit aus europäischer Politik auszuschalten. Ich
erinnere insbesondere an Pläne mehrjährigen Gottesfriedens oder poli-
tischen Waffenstillstandes.4) Reichsregierung hat jetzt das Problem aus
eigener Initiative in großzügiger und vorbehaltloser Weise gelöst. Binden-
der Verzicht auf Gewaltanwendung jeder Art ist die stärkste Garantie, die
auf vertraglichem Gebiet überhaupt denkbar ist. Auch Frankreich muß
seine Sicherheitsforderungen, was Deutschland anlangt, jetzt als voll er-
füllt ansehen. Ein besonders hoch zu bewertendes Entgegenkommen
Deutschlands liegt darin, daß in die Erklärung eine Reserve hinsichtlich der
von jedem der beiden Teile schon mit dritten Staaten abgeschlossenen
*(i) Das vorliegende Telegramm wurde ebenfalls, als Nr. 51, an die Botschaft in Paris über-
mittelt.
(2) Siehe D o k u m e n t Nr. 211, Anm. 1.
(3) 26. J a n u a r .
(4) Siehe Serie C, Bd. I, 1, D o k u m e n t Nr. 115 u n d A n m . 6 dazu.
410
Nr. 219 26. JANUAR 1934
219
6177/E 463 567
Gemeinsame Erklärung der Deutschen Regierung und
der Polnischen RegierungJ)
BERLIN, den 26. Januar 1934
ERKLÄRUNG
Die deutsche Regierung und die polnische Regierung halten den Zeit-
punkt für gekommen, um durch eine unmittelbare Verständigung von
Staat zu Staat eine neue Phase in den politischen Beziehungen zwischen
Deutschland und Polen einzuleiten. Sie haben sich deshalb entschlossen,
durch die gegenwärtige Erklärung die Grundlage für die künftige Ge-
staltung dieser Beziehungen festzulegen.
Beide Regierungen gehen von der Tatsache aus, daß die Aufrechterhal-
tung und Sicherung eines dauernden Friedens zwischen ihren Ländern eine
wesentliche Voraussetzung für den allgemeinen Frieden in Europa ist. Sie
sind deshalb entschlossen, ihre gegenseitigen Beziehungen auf die im Pakt
von Paris vom 27. August 1928 enthaltenen Grundsätze zu stützen, und
wollen, insoweit das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen in Be-
tracht kommt, die Anwendung dieser Grundsätze genauer bestimmen.
Dabei stellt jede der beiden Regierungen fest, daß die von ihr bisher
schon nach anderer Seite hin übernommenen internationalen Verpflichtun-
gen die friedliche Entwicklung ihrer gegenseitigen Beziehungen nicht hin-
dern, der jetzigen Erklärung nicht widersprechen und durch diese Erklärung
nicht berührt werden. Sie stellen ferner fest, daß diese Erklärung sich nicht
auf solche Fragen erstreckt, die nach internationalem Recht ausschließlich
als innere Angelegenheiten eines der beiden Staaten anzusehen sind.
(1) Der deutsche und polnische Text der Erklärung sind gedruckt in fleichsgesefzbiaft, 1934,
Teil II, S. 118-19. Eine englische Übersetzung findet sich in British and Foreign State
Papers, Bd. CXXXVII, 1934, S. 495-96.
411
Nr. 220 26. JANUAR 1934
220
8592/E 603 496
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts von Bülow
BERLIN, den 26. Januar 1934
Reichsminister Röhm erzählte mir gestern abend, der argentinische Ge-
sandte *) habe ihn zu einem Diner eingeladen, an dem auch Francois-
Poncet teilnehmen werde. Ich habe Herrn Röhm sehr zugeredet, der Ein-
ladung Folge zu leisten, denn es sei für ihn und Francois-Poncet ange-
nehmer, wenn sie sich zum ersten Mal auf neutralem Boden begegneten.2)
BÜLOW 3)
• (1) Labougle.
(2) Siehe auch die Dokumente Nr. 100 und 305. Siehe auch Serie C, Bd. III, 1, Dokumente
Nr. 64, 97, 110 und 129.
*(3) Randvermerk: „Hat dem Herrn RM vorgelegen. Ko[tze] 26. [1.)"
412
Nr. 222 26. JANUAR 1934
221
3015/D598 310
Auizeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
BERLIN, d e n 26. J a n u a r 1934
RM. 116
H e u t e m o r g e n besuchte mich H e r r Rauschning. Im Laufe der längeren
U n t e r h a l t u n g ü b e r die Danziger Verhältnisse und seine Politik g e g e n ü b e r
Polen teilte er mir mit, daß die Danziger Finanzverhältnisse k a t a s t r o p h a l
g e w o r d e n seien. Das zu deckende Defizit, für das er die Unterstützung des
Reichs nachsuchen müsse, belaufe sich auf 70 Millionen Mark, bei Berück-
sichtigung der verschiedenen W ü n s c h e der Parteiinstanzen sogar auf 105
Millionen Mark. Er bat um die Unterstützung des A u s w ä r t i g e n Amts bei
der Reichsbank (wegen der Transferfrage) und beim Finanzministerium.
Ich s a g t e H e r r n Rauschning zu, seinem Wunsche zu entsprechen, jedoch
nur für d e n unbedingt n o t w e n d i g e n Betrag. Die Ausführung kostspieliger
Bauten w i e T h e a t e r etc. sei bei der gespannten Finanzlage des Reichs auf
keinen Fall zu rechtfertigen.
v. N[EURATH]
222
7894/E 572 319-21
Ministerialdirektor Köpke an das Konsulat in Geni
Telegramm
Eilt BERLIN, den 26. Januar 1934 20 Uhr 25
Nr. 14 zu II S.G. 444 Ang. I x )
Ref.: VLR Dr. Voigt
Auf Bericht Nr. 64 v o m 22. 1.
Ratsbeschluß 21. J a n u a r 2 ) ist v o n unserem Standpunkt namentlich inso-
fern unerfreulich, als er H a n d h a b e bietet, daß Beurteilung tatsächlicher
(1) II S.G. 444 Ang. I: Bericht Kraueis Nr. 64 vom 22. Januar (7894/E 572 316-18), der eine
Einsehätzung der Haltung der Mitglieder des neuernannten Dreierkomitees enthielt.
*(2) Am 21. Januar hatte der Völkerbundsrat nach einer Diskussion über die Saarfrage ein
sog. Dreierkomitee eingesetzt, dem die Vertreter Italiens (Aloisi), Argentiniens
(Cantilo) und Spaniens (Madariaga) angehörten. Dieses Komitee erhielt den Auftrag,
dem Völkerbundsrat in seiner für den Mai 1934 vorgesehenen Sitzung einen Bericht
über die Vorbereitung der Volksabstimmung vorzulegen. Aloisi führte in dem Dreier-
komitee den Vorsitz.
In einem Runderlaß des Auswärtigen Amts an die wichtigsten europäischen Vertretun-
gen vom 29. Januar (7894/E 572 303-12) nahm Bülow zu diesen Beschlüssen des Völker-
bundsrats Stellung und konstatierte, daß während einer Geheimsitzung des Rats be-
trächtliche Meinungsverschiedenheiten unter seinen Mitgliedern zum Vorschein gekom-
men seien. Paul-Boncour habe versucht, mit Unterstützung der tschechoslowakischen,
portugiesischen und spanischen Ratsmitglieder (Benes, Vasconcellos und Madariaga)
und gegen den Widerstand Aloisis und Simons eine allgemeine Debatte über die Lage
im Saargebiet zu eröffnen, nachdem Knox behauptet habe, daß wegen des Terrors der
deutschen Saarfront eine unbeeinflußte Abstimmung unter den gegenwärtigen Verhält-
nissen nicht möglich sei.
413
Nr. 223 26. JANUAR 1934
223
7894/E 572 323-29
(i) Der vorliegende Erlaß wurde an die Botschaften in Paris, London, Rom und Madrid,
an die Gesandtschaften in Bern, Brüssel, Den Haag, Warschau, Kopenhagen und Lissa-
bon sowie an das Konsulat in Genf übermittelt.
414
Nr. 223 26. JANUAR 1934
[Anlage]
NOTIZ ÜBER DEN GENFER AUFENTHALT VOM 16. BIS 19. JANUAR EINSCHL.
415
Nr. 223 26. JANUAR 1934
(2) Die Führer des Zentrums im Saargebiet hatten im Oktober 1933, nach Besprechungen
mit Spaniol, den Beschluß gefaßt, ihre Partei aufzulösen und in die Deutsche Front
einzugliedern.
416 ,
Nr. 223 26. JANUAR 1934
reiten. Zum Schluß sagte er mir noch, er habe ein Telegramm von zu Hause
erhalten, daß er uns empfangen möge.
Wir hatten dann noch eine Besprechung mit dem portugiesischen Rats-
vertreter mit einem unaussprechlichen Namen.3) Herr Freudenberger und
ich waren dort. Wir legten ihm die beiden wichtigsten Punkte, Abstim-
mungstermin und Nichtheranziehung fremder Polizeikräfte dar. Er sagte
nur Unverbindliches.
Bezügl. der Unterhaltung mit Aloisi ist noch nachzuholen, daß er wegen
der fremden Polizeikräfte sagte, die Angelegenheit sei ungeheuer schwie-
rig, da der Völkerbund nun einmal die employes im Saargebiet habe und
infolgedessen auch auf sie hören müsse. Aber Frankreich habe auf die
Heranziehung französischer Kontingente verzichtet, England und Italien
würden ablehnen. Infolgedessen käme höchstens eine entferntere Macht
wie Spanien in Frage, worauf wir darauf hinwiesen, daß mit fremden Poli-
zeikräften, die kein Deutsch könnten, doch nichts anzufangen sei, wenn z. B.
in Mailand oder besser noch in Turin Polizeikräfte eingesetzt würden, die
zwar ausgezeichnet Deutsch, aber kein Italienisch könnten, so könne doch
nichts Vernünftiges dabei herauskommen, worauf Aloisi sagte, daß diese
Angelegenheit äußerst schwierig sei.
Wir hatten dann noch eine Besprechung mit dem Präsidenten des Rates,
dem polnischen Außenminister Oberst Beck, in Gegenwart eines polni-
schen Sekretärs, der viele Jahre an der polnischen Delegation, die in Genf
ihren ständigen Sitz hatte, gewesen war und der ständige, sehr intime Be-
ziehungen mit allerhand Damen des Sekretariats hatte. Wir hatten uns
durch Vermittlung der Danziger an Herrn Oberst Beck gewandt, da wir
selbst nicht die Absicht hatten hinzugehen, es war uns aber gesteckt wor-
den, wir möchten doch kommen. Oberst Beck war ziemlich verschlossen.
Wir legten ihm dar, daß wir durch unsere Denkschriften an den Völker-
bundsrat versucht hätten, unsere Lage zu schildern, daß wir aber fürchteten,
daß sie das Schicksal derartiger Denkschriften, besonders so umfangreicher,
teilten, daß sie nicht gelesen würden, worauf der kleine Pole sehr ver-
gnügt grinste.
Wir haben dann dem Oberst Beck zunächst die Frage des Abstimmungs-
termins vorgetragen, worauf er erwiderte, daß der Rat sich unter allen
Umständen an die Bestimmungen des VersaiUer Vertrages halten werde
und daß man zwar Propaganda nicht hindern könne, daß sie aber keine
Bedeutung habe. Wir trugen ihm dann unsere Schmerzen wegen der frem-
den Polizei vor und der Regierungskommission, die als 4/s Fremdländer
unser Volk nicht verstehe und daher zu falschen Maßnahmen dränge. Wir
hätten ja selbst Erfahrung darin, daß es uns nicht gelungen sei, die Polen
richtig zu behandeln, und infolgedessen verständen wir die Lage der Re-
gierungskommission schon, könnten aber selber sehr wenig dabei helfen.
Er hat zu dieser Frage nichts Wesentliches gesagt. Ich habe überhaupt nicht
den Eindruck, daß wir bei diesen Unterhaltungen, die deutsch geführt wur-
den und bei der Herr Freudenberger zugegen war, uns näher gekommen
wären.
(3) Vasconcellos.
417
II.l Bg. 27
Nr. 223 26. JANUAR 1934
Das spanische Ratsmitglied Madariaga hat uns versetzt. Wir waren be-
stellt, sein Sekretariat behauptete, uns nach dem Hotel Beausejour tele-
phoniert zu haben, man habe auch dort seine Abbestellung entgegenge-
nommen. Es war entweder ungewolltes oder gewolltes romanisches Durch-
einander. Man schlug uns dann aber noch eine Besprechung für den
nächsten Tag vor, die aber nicht mehr zustande gekommen ist.
Der Engländer Mr. Eden und der Australier Mr. Bruce waren nicht zu
erreichen.
Am Nachmittag vor unserer Abreise hatten wir auf 3 Uhr die inter-
nationale Presse ins Hotel eingeladen. Um V2 3 [Uhr] waren Herr Max
Braun und Herr Petri im Hotel, wir nahmen an, daß sie die Frechheit hät-
ten, bei uns zugegen zu sein, aber sie waren anscheinend bei Herrn
Rosting, der bei uns im Hotel mit seiner Frau wohnte. Es waren einige
dreißig Vertreter von allen Nationen da, mit Ausnahme der Franzosen.
Wir hatten unsere Darlegungen in deutsch, französisch und englisch zur
Verfügung. Ich habe den Inhalt deutsch vorgetragen und hinzugesetzt, daß
ich nachher in französisch und wenn gewünscht auch in englisch übersetzen
würde. Aber als ich nach Beendigung meines deutschen Vortrages die
deutschen Darlegungen verteilte und gleichzeitig die französischen und
englischen ausgab, da verschwanden sie alle eiligst, nachdem wir auch die
allerletzten Exemplare losgeworden waren. Sogar das eine Exemplar, das
wir für uns zurückbehalten hatten, mußten wir noch hergeben, allerdings
gegen das bei Journalisten etwas zweifelhafte Versprechen, daß wir es
wiederbekämen. Max Braun hat, wie wir gehört haben, einen Korrespon-
denten hingeschickt, der ihm seinen Genfer Pressedienst besorgt. Es sind
mehrere Fragen an uns gestellt worden, insbesondere die, wie wir auf die
500 000 Abstimmungsberechtigten kämen. Braun redet ja bekanntlich
immer nur von 220-250 000. Die Berechnung ergibt sich folgendermaßen:
etwa 800 000 Bewohner des Saargebiets, davon ab etwa 7 0 - 8 0 000, viel-
leicht auch mehr Zugewanderte, bleiben 720 000, davon 63 % nach unseren
Erfahrungen über 20 Jahre alte, dazu 50 000 Abstimmungsberechtigte im
Reich und 10 000 in Frankreich. Es werden also jedenfalls um die 500 000
sein.
Dann wurde die Frage an uns gestellt von einem sehr alten Bekannten,
dem Vertreter des Neuen Rotterdam'sehen Kurant, wie die Sicherstellung
stattfinden könne, daß nach der Rückgliederung nicht ein Kesseltreiben
gegen die Leute stattfinde, die nicht dauernd auf unserer Seite gestanden
hätten. Ich erwiderte ihm, daß wir alten Kämpfer die Garantie dafür über-
nehmen würden, daß nur 20 bis 30 der Führer aus dem Saargebiet ver-
schwinden müßten, daß dagegen all den Verführten nichts passieren würde,
falls sie nicht neuen Verschuldungen nach der Rückgliederung anheimfielen.
Es ist selbstverständlich, daß diese Frage die wichtigste politische Frage
ist, die mit der Rückgliederung zusammenhängt. Herr Morize war von An-
fang an da und ständig auf dem Weg zur französischen Delegation im
Hotel des Bergues. Herr Knox, Herr Zoricic und Herr Kossmann kamen
später.
H. RÖCHLING
418
, Nr. 224 26. JANUAR 1934
224
7467/H 179 907-10
Der Botschaiter in Rom von Hassell an das Auswärtige Amt
I 97 ROM, den 26. Januar 1934
Ankunft: 29. Januar
II Abr. 277
Mit Bezug auf das Telegramm Nr. 27 vom 25. d. M.1)
POLITISCHER BERICHT
Betr.: Italien und die Abrüstungsfrage.
Meinen gestrigen Drahtbericht über die Erklärungen Suvichs zur Ab-
rüstungsfrage möchte ich auf Grund anderer Informationen aus guter, zum
Teil ebenfalls amtlicher Quelle in einigen Punkten ergänzen:
übereinstimmend wird im Außenministerium erklärt, daß eine englische
Stellungnahme zu dem italienischen 2 ) und deutschen 3 ) Memorandum noch
nicht vorliege und auch in allernächster Zeit nicht zu erwarten sei. Es er-
scheine auch zweifelhaft, ob die für die nächste Woche angekündigten Er-
klärungen Sir John Simons im Unterhaus sich meritorisch mit dem Ab-
rüstungsproblem beschäftigen würden. Wahrscheinlich werde Simon ledig-
lich den britischen Standpunkt zum Ausdruck bringen, daß man zunächst den
Abschluß des deutsch-französischen Meinungsaustauschs abwarten müsse.
Jedenfalls rechnet man hier gemäß der mit Sir John Simon bei dessen
Besuch in Rom getroffenen Vereinbarung 4 ) bestimmt damit, daß Italien
von den englischen Vorschlägen zur Uberbrückung der deutsch-französi-
schen Gegensätze zuerst Kenntnis und wohl auch Gelegenheit zur Stellung-
nahme erhalten werde.
Im Augenblick sieht man allerdings auch hier vorläufig keine Möglich-
keiten für einen Ausgleich der französischen und der deutschen Auffassung,
die sich einstweilen noch diametral gegenüberständen. Immerhin wird es
als ein Fortschritt betrachtet, daß das deutsche Memorandum in der Form
entgegenkommend gehalten ist und Verhandlungsmöglichkeiten offen läßt.
Man möchte in erster Linie Zeit gewinnen, um eine weitere Verschärfung
der Lage zu vermeiden. Eine englisch-italienische Vermittlungsaktion wird
nach wie vor ins Auge gefaßt, sie soll aber dem englischen Standpunkt
entsprechend erst einsetzen, wenn jede Aussicht für eine unmittelbare Ver-
ständigung zwischen Berlin und Paris verschwunden ist. Vorläufig hält man
diesen Zeitpunkt noch nicht für gekommen. Die Absicht der Regierung,
die Sir John Simon seinerzeit ubergebenen Vorschläge Mussolinis zur
Abrüstungsfrage und zur Völkerbundsreform zu veröffentlichen, ist, wie
gemeldet, auf Wunsch der englischen Regierung einstweilen zurückgestellt
worden.5)
Bemerkenswert erscheint es, daß von italienischer Seite nach wie vor
bei fast jeder Besprechung über die Abrüstungsfrage darauf hingewiesen
419
Nr. 224 26. JANUAR 1934
wird, daß der Schlüssel zur Lösung des Problems in Moskau liege. Sollte
es Frankreich gelingen, Rußland zum Abschluß einer politischen Verein-
barung zu bewegen, wobei es ganz gleich sei, ob es sich um ein Bündnis,
eine Militärkonvention, einen „Pacte d'assistance mutuelle" oder derglei-
chen handele, so sei mit Bestimmtheit damit zu rechnen, daß Frankreich
eine immer unnachgiebigere, unter Umständen sogar drohende Haltung
einnehmen werde.6) Falls es andererseits gelingen sollte, Rußland in letzter
Stunde zum Einlenken zu bringen und davon abzuhalten, sich gänzlich in
die Arme Frankreichs zu werfen, so würde diese Wendung, wie man hier
bestimmt annimmt, sich in Paris sehr bald, und zwar vor allem auf dem
Gebiete der Abrüstungsfrage, bemerkbar machen. Dabei wird betont, daß
der jetzige Augenblick für den Versuch, das Verhältnis zwischen Deutsch-
land und Rußland wieder zu bessern, deshalb nicht schlecht gewählt sei,
weil sich in Moskau gegenwärtig nach dem mißglückten Vorstoß im
Baltikum 7 ) eine gewisse Ernüchterung bemerkbar mache. Wenn es Deutsch-
land heute gelänge, die immer noch starke Nervosität der Moskauer Regie-
rung wegen der angeblichen deutschen Expansionsbestrebungen im Nord-
westen und Süden Rußlands zu beschwichtigen, so sei es auch jetzt noch
möglich, die zerrissenen Fäden zwischen Berlin und Moskau wieder zu
knüpfen. Falls in dieser Hinsicht in nächster Zeit nichts geschehe, werde
Frankreich allerdings, wie man hier fürchte, bald gewonnenes Spiel haben.
Gesprächsweise wurde von amtlicher Seite in diesem Zusammenhang hin-
zugefügt, daß man nach den hier vorliegenden Eindrücken in Berlin die
weitere Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen keineswegs pessi-
mistisch zu beurteilen scheine, indem man eine dauernde Abkehr Rußlands
von Deutschland im Hinblick auf die Bedeutung des Reichs als wichtigen
russischen Absatzgebiets und die nach wie vor vertrauensvollen Beziehun-
gen zwischen Reichswehr und Roter Armee für ausgeschlossen halte. Ob
dieser Optimismus berechtigt sei, werde hier bezweifelt. U. a. werde der
weitere Verlauf der Abrüstungsverhandlungen einen guten Prüfstein dafür
abgeben, inwieweit die deutsche Politik die Haltung Rußlands richtig ein-
geschätzt habe.
Ich gebe diese, von unterrichteter und besonders wohlgesinnter Seite
kommende Darstellung lediglich zur Information wieder, da sie erneut er-
kennen lasse, für wie entscheidend wichtig man es hier an maßgebender
Stelle für alle gegenwärtig schwebenden Fragen der großen Politik ansieht,
die deutsch-russische Spannung zu beseitigen.
Die Haltung der Presse zur Abrüstungsfrage entspricht mit wenigen Aus-
nahmen im großen und ganzen dem deutschen Standpunkt. Die deutsche
Antwort auf das französische Memorandum 8) fand nach Form und Inhalt
allgemeine Billigung, wobei die Haltung Frankreichs, das offensichtlich an
seinem am 14. Oktober v. J. bekanntgegebenen Standpunkt festhalten
wolle, einer scharfen Kritik unterzogen wird. Giornale d'ltalia vom 21. d. M.
(8) Die vorstehenden beiden Sätze wurden von Bülow am Rand mit Rotstift angestrichen.
Bülow machte Neurath auf der ersten Seite der Vorlage auf diesen Passus besonders
aufmerksam.
(7) Siehe die Dokumente Nr. 169 und 187.
(8) Siehe Dokument Nr. 194, Anm. 1.
420
Nr. 225 26. JANUAR 1934
225
8048/E 578 517-20
Der Botschafter in Rom von Hassell an das Auswärtige AmtJ)
I 102 ROM, den 26. Januar 1934
Ankunft: 29. Januar
II It. 133
Mit Bezug auf das Telegramm Nr. 26 vom 25. d. M.2)
POLITISCHER BERICHT
Betr.: Besuch Suvichs in Wien.
Wie in dem obenbezeichneten Telegramm berichtet, hat Herr Suvich mir
über seine Wiener Eindrücke ausführlich Aufschluß gegeben. In seinen Mit-
teilungen, die sich zum großen Teil mit den Beobachtungen unseres Ge-
sandten in Wien 3 ) decken, ist das Wichtigste, was über Verlauf und Be-
deutung des Besuchs zu sagen wäre, wiedergegeben. Die ergänzende Be-
richterstattung kann sich daher auf wenige Punkte beschränken, die für
die Beurteilung des Besuchs noch von Interesse sind.
über den Kampf zwischen Regierung und Nationalsozialismus hat sich
Herr Suvich einem seiner Mitarbeiter gegenüber dahin geäußert, er habe
aus seinen Unterredungen mit führenden Männern Österreichs den Ein-
druck gewonnen, daß die Regierung sich dem Ansturm des Nationalsozialis-
mus gegenüber in der Tat in bedrängter Lage befände, aber fest ent-
schlossen sei, sich mit allen Mitteln zu wehren. Nach seinen Eindrücken
habe weder die Regierung noch der Nationalsozialismus eine absolute
Mehrheit hinter sich, sondern zwischen beiden stehe die große, politisch
wenig interessierte Masse der Bevölkerung, die heute noch unentschlossen
sei, auf welche Seite sie sich schlagen solle. Um ihre Gewinnung gehe der
Kampf, der von nationalsozialistischer Seite mit Putschdrohungen und
anderen Einschüchterungsversuchen, von seiten der Regierung im Zeichen
des Unabhängigkeitsgedankens und des in sicherer Aussicht stehenden
*(i) Die Vorlage wurde von Neurath abgezeichnet und trägt den Randvermerk: „Der Herr
Reichskanzler hat Kenntnis. L[ammers] 1. 2."
(2) Fundort: 3086/D 617 153-54.
*(3) Rieth. - Siehe Dokument Nr. 213, Anm. 2.
421
Nr. 225 26. JANUAR 1934
Beistandes der Großmächte geführt werde. Der Kampf habe in der letzten
Zeit Formen angenommen, die eine gütliche Verständigung in absehbarer
Zeit als ausgeschlossen erscheinen lassen. In den Kreisen der Regierung
herrsche angesichts der kritisch gewordenen Lage begreifliche Erregung
und Nervosität, die insbesondere auch bei Herrn Dollfuß zum Ausdruck
komme, über die weitgehende Unterstützung, die der österreichische
Nationalsozialismus ständig aus dem Reiche erhalte und ohne die nach
österreichischer Ansicht der Bewegung längst der Boden entzogen wäre,
habe sich Herr Dollfuß mit großer Bitterkeit geäußert und dabei auf das der
Regierung zur Verfügung stehende, umfangreiche Beweismaterial hinge-
wiesen, das über die Mitwirkung deutscher nationalsozialistischer Organi-
sationen an den Terrorarbeiten keinen Zweifel lasse. Herr Suvich zeigte
mir einen ganzen Pack von Fotografien usw., die die deutsche Herkunft be-
legen sollten. Diese Eingriffe empfinde man in Wien um so schmerzlicher,
als sowohl Dollfuß wie auch seine nächsten Mitarbeiter, nicht zum wenig-
sten Fürst Starhemberg, ihm gegenüber immer wieder ihre deutsche Ge-
sinnung betont hätten, in der sie sich auch durch die Kampfstellung, in die
sie dem Reich gegenüber gedrängt worden seien, nicht beirren lassen
würden.
Suvich sieht, wie er auch mir gegenüber erklärte, die einzige Möglich-
keit, zu einer Entspannung zu kommen, in einer Kampfpause auf beiden
Seiten, während deren die Gemüter sich vielleicht beruhigen und für einen
Ausgleich reif gemacht werden könnten. Dabei rechnet man anscheinend mit
einer allmählichen Umbildung des österreichischen Nationalsozialismus, der
nach der Wiener Darstellung in wesentlichen Grundfragen weniger radikal
orientiert sei als die deutsche Bewegung und der leichter zu lenken sein
werde, wenn erst einmal die unausgesetzte moralische und effektive Förde-
rung der Bewegung aus dem Reich ein Ende erreicht habe. Mit welchen
Mitteln man zu diesem Ziele gelangen will, darüber scheint sich allerdings
auch Herr Suvich noch kein rechtes Bild gemacht zu haben. Er hat mir
gegenüber zwar erklärt, er hoffe, daß die österreichische Regierung keinen
Schritt beim Völkerbund unternehmen werde, da er wenig erfolgverspre-
chend und wenig angebracht sei, doch bin ich nicht sicher, ob diese Hoff-
nung ganz echt ist. Sicherlich wünscht man hier derartige folgenschwere
Schritte, wie es die Anrufung des Völkerbundes wäre, nach Möglichkeit
vermieden zu sehen, würde sie aber in dem Bestreben, die österreichische
Unabhängigkeit mit allen Mitteln zu sichern, als ultima ratio voraussicht-
lich nicht mißbilligen. Ob die Wiener Regierung die uns angekündigte und
inzwischen erfolgte Verständigung der Großmächte4) über ihre Absicht,
sich äußerstenfalls an den Völkerbund zu wenden, ganz aus eigenem An-
triebe und ohne Befragung befreundeter Regierungen unternommen hat,
bleibt gleichfalls hingestellt. Jedenfalls müssen wir uns darüber klar sein,
*(l) Die Nachricht von der österreichischen Demarche in Berlin am 17. Januar (siehe Doku-
ment Nr. 188) war zu dieser Zeit noch nicht öffentlich bekanntgegeben worden. Um den
22. Januar waren jedoch in der internationalen Presse Berichte aufgetaucht, nach
denen die österreichische Regierung Vertreter der Großmächte von ihrem Schritt unter-
richtet habe und eine Anrufung des Völkerbunds erwäge. Siehe Foreign Relations o! the
United States, 1934, Bd. II, S. 8-9; Documents on British Foreign Policy, 2. Serie, Bd. VI,
Nr. 201.
422
Nr. 226 27. JANUAR 1934
226
6177/E 463 577-78
Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 7 vom 27. 1. den 27. Januar 1934 22 Uhr 45
WARSCHAU,
Ankunft: 28. Januar 2 Uhr 45
IV Po.683
Außenminister Beck, der mich heute zu sich bat, äußerte sich dankbar
und mit lebhafter Befriedigung über Zustandekommen deutsch-polnischer
Vereinbarung. Die Bedeutung dieses Ereignisses, das man wohl als histo-
risch bezeichnen könnte, sei für ihn und ganz besonders für den Marschall
Pilsudski noch erhöht worden durch die Worte, die der Herr Reichskanzler
423
Nr. 227 28. JANUAR 1934
227
6025/H 046 685-86
Der Botschafter in Moskau Nadolny an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 21 vom 28. 1. MOSKAU, den 29. Januar 1934 3 Uhr
Ankunft: 29. Januar 5 Uhr 40
IV Ru. 439
In großem Rechenschaftsbericht vor Parteikongreß behandelte Stalin ein-
gehend Verhältnis der Sowjetunion zu anderen Staaten.1) Inhalt ist, wie
ich höre, ausführlich durch Tass verbreitet, annehme, daß er morgen dort
vorliegt, und darf mich wegen der Länge Ausführungen einstweilen darauf
beziehen.2)
Für die Frage Verhältnisses Rußlands zu Deutschland und sein Ab-
schwenken in französische Front ist m. E. folgendes in Betracht zu ziehen:
1.) Beziehungen zu dem Völkerbund werden überhaupt nicht erwähnt
(bemerke hierbei, daß Litwinow gestern dem italienischen Botschafter3)
erklärt hat, die Sowjetunion sei bisher nicht Kandidat für den Eintritt).
2.) Deutschland wird nicht, wie in Rede Litwinows,4) zusammen mit
Japan behandelt.
(1) Die Rede Stalins vom 26. Januar 1934 ist in Auszügen abgedruckt in Soviet Documents
on Foreign Policy, Bd. III, S. 65-72.
(2) In seinem Bericht Nr. A 241 vom 30. Januar (6025/H 046 734-49) ging Nadolny ausführ-
licher auf die Rede Stalins ein.
• (3) Attolico.
(4) Vom 29. Dezember 1933. Siehe Dokument Nr. 161 und Anm. 2 dazu.
424
Nr. 228 30. JANUAR 1934
228
3154/D 670 675-76
Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärtigen Freiherrn von Neurath
den 30. Januar 1934
BERLIN,
RM. 128
Der Herr Reichskanzler empfing gestern den englischen Botschafter, der
ihm zunächst im Auftrage seiner Regierung die Glückwünsche zum Ab-
schluß der deutsch-polnischen Verständigung J ) aussprach.
Sodann überreichte Sir Eric Phipps ein Memorandum, in welchem die
englische Regierung ihre Auffassung zur Abrüstungsfrage sowie ihre Vor-
425
Nr. 229 31. JANUAR 1934
[ANMERKUNG DER HERAUSGEBER: Am 30. Januar 1934 gab Hitler vor dem
Reichstag eine Regierungserklärung ab, die am 31. Januar in voller Länge
im Völkischen Beobachter abgedruckt wurde. Auszüge sind gedruckt in
Domarus, Hitler Reden, Bd. I, S. 352-62. Eine englische Übersetzung wich-
tiger Teile der Rede findet sich in Baynes, The Speeches of Adolf Hitler,
Bd. II, S. 1151-71.]
229
6115/E454 802
Botschaftsrat Prinz zu Erbach-Schönberg (Wien) an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 8 vom 31. 1. WIEN, den 31. Januar 1934 14 Uhr 20
Ankunft: 31. Januar 17 Uhr
II Oe. 290
Militärattache meldet:
„Im Laufe einer gestern gehabten Unterredung mit einer infolge ihrer
Stellung in nationalsozialistischer Parteiorganisation wohlunterrichteten
Person 1 ) habe sichere begründete Überzeugung gewonnen, daß österrei-
(1) In seinem Bericht Nr. 364 vom 7. November 1934 (5705/E 414 428-30) kam Muff auf die
Angelegenheit zurück und identifizierte seinen Gewährsmann als den Major des
österreichischen Heeres Selinger.
426
Nr. 230 31. JANUAR 1934
230
5752/H 037 616
Der Gesandte in Warschau von Moltke an das Auswärtige Amt
Telegramm
Nr. 10 vom 31. 1. WARSCHAU, den 31. Januar 1934 16 Uhr 10
Ankunft: 31. Januar 18 Uhr
IV Po. 784
Außenminister Beck brachte mir gegenüber heute zum Ausdruck, daß die
gestrige Rede des Reichskanzlers J ) hier einen starken Eindruck gemacht
und in allen Kreisen eine außerordentlich günstige Aufnahme gefunden
habe. Er beabsichtige, am kommenden Montag 2 ) im Sejm über die aus-
wärtige Politik Polens zu sprechen, und freue sich, hierbei Gelegenheit zu
(1) Siehe die Anmerkung der Herausgeber nach Dokument Nr. 228, S. 426.
(2) 5. Februar. Siehe Dokumente Nr. 244 und Anm. 2 dazu.
427
Nr. 231 31. JANUAR 1934
231
9119/E 641 395-97
Ministerialdirektor Ritter an die Botschait in LondonJ)
Telegramm
Sofort BERLIN, d e n 31. J a n u a r 1934 23 Uhr
Nr. 35 zu W . 771 2 )
Mit englischen u n d amerikanischen Gläubigervertretern ist h e u t e Eini-
gung erzielt worden. 3 ) Englische Gläubiger h a b e n das mit u n s v e r e i n b a r t e
428
Nr. 231 31. JANUAR 1934
429
Nr. 232 31. JANUAR 1934
von beiden Seiten in sehr freundschaftlichem Geist und mit vollem Ver-
ständnis für die Schwierigkeiten und Notwendigkeiten der Gegenseite ge-
führt worden sind. Wir könnten daher hoffen, daß die für April in Aussicht
genommenen allgemeinen und viel weiter gehenden Verhandlungen in dem
gleichen Geiste geführt und zu einer allseits befriedigenden Regelung
führen werden. 5 )
RITTER
(5) Mit Telegramm Nr. 31 vom 31. Januar (9119/E 641 399-400) wurde die Botschaft in
Washington in ähnlicher Weise über die erzielte Vereinbarung unterrichtet. Ein Bericht
Dodds über die Vereinbarung und eine Aufzeichnung Hulls über eine diesbezügliche
Unterredung mit Luther sind abgedruckt in Foreign Relations oi the United States, 1934,
Bd. H, S. 346-47.
232
8125/E 581 789-92
Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
an die Botschalt beim Heiligen Stuhl
BERLIN, den 31. Januar 1934
II Vat. 92
Auf die Berichte Nr. 25 •) und Nr. 272) vom 22. und 23. Januar 1934.
Im Einvernehmen mit dem Reichsministerium des Innern bitte ich, dem
Kardinalstaatssekretär wegen der zweideutigen politischen Haltung eines
Teils der katholischen Geistlichkeit in Deutschland eine Note folgenden
Inhalts zu übermitteln:
Bereits im Oktober v[origen] J[ahres] hat die Reichsregierung in den
Besprechungen, die der Bevollmächtigte, Herr Ministerialdirektor Dr. Butt-
mann, mit Euerer Eminenz über die Ausführung des Reichskonkordats
führte,3) auf die ernsten Mißstände hinweisen lassen, die sich aus der teils
offen ablehnenden, teils zweideutigen Haltung einer Reihe katholischer
Geistlicher in Deutschland gegenüber dem nationalsozialistischen Staat er-
geben haben. An Hand eines umfangreichen Tatsachenmaterials wurden
dem Heiligen Stuhl zahlreiche Vorfälle - vorwiegend aus Bayern - zur
Kenntnis gebracht, die nicht nur als Verletzungen deutscher Rechtsbestim-
mungen anzusehen sind, sondern auch im offenkundigen Widerspruch zu
dem mit Artikel 32 des Reichskonkordats verfolgten Zweck der Entpoliti-
sierung der Geistlichkeit in Deutschland stehen.
Die Zahl derartiger Vorfälle hat sich seitdem in den verschiedensten
Gegenden Deutschlands nicht etwa vermindert, sondern eher vermehrt. Als
Beleg werden in der Anlage 4 ) zunächst nur einige besonders schwerwie-
(1) In Bericht Nr. 25 vom 22. Januar (8115/E 580 258-59) hatte Bergen vorgeschlagen, im
Vatikan eine Note in der Art der in der Vorlage enthaltenen zu überreichen.
(2) Bergens Berieht Nr. 27 vom 23. Januar (8115/E 580 260-61) enthielt weitere Anregungen
für die im Vatikan zu überreichende Note.
(3) Siehe Dokument Nr. 17, Anm. 3.
(4) Fundort: 8125/E 581 793-95.
430
Nr. 232 31. JANUAR 1934
(5) Ausgabe vom 25. Januar 1934. Der entsprechende Artikel ist gefilmt unter M 130/M 004
887.
431
Nr. 232 31. JANUAR 1934
Es besteht kein Zweifel darüber, daß ein großer Teil der unerfreulichen
Zwischenfälle und die daraus hie und da zwischen der Geistlichkeit und
den weltlichen Behörden entstandenen Spannungen hätten vermieden wer-
den können, wenn unmittelbar nach der bekannten Verfügung des Herrn
Reichskanzlers vom 8. Juli 19336) kirchlicherseits entsprechende einheit-
liche Verhaltungsmaßregeln an den Klerus ergangen wären, die ihm auch
die dem nationalsozialistischen Staat gebührende Achtung zur Pflicht ge-
macht hätten. Das Schweigen der höheren kirchlichen Instanzen hat viel-
fach den Eindruck der Zustimmung zu dem widersätzlichen Verhalten der
ihnen nachgeordneten Geistlichkeit erweckt und mußte deshalb diese in
ihrer ablehnenden Einstellung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat
bestärken.
Die Reichsregierung darf daher der Erwartung Ausdruck geben, daß der
Heilige Stuhl den deutschen Episkopat veranlassen wird, entsprechende
zweckdienliche und einheitliche Erlasse an den deutschen Klerus zu ver-
öffentlichen.
über die Ausführung des Erlasses 7 ) bitte ich telegrafisch zu berichten.
NEURATH
*(6) Der Text der Verfügung ist abgedruckt in Domarus, Hitler Reden, Bd. I, S. 288. Siehe
auch Foreign Relations oi the Uniled States, 1933, Bd. II, S. 298-99.
(7) Bergen berichtete in Telegramm Nr. 10 vom 3. Februar (8115/E 580 276), er habe die
Note am Abend dieses Tages Pacelli übergeben.
432