ER SCHOSS
DEUTSCHLAND
1974 ZUM
WM-TITEL
KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7
Zippert zappt
A Kabul fällt an die Taliban
m deutschen Schlafwa-
genwesen wird niemand
genesen, so viel steht
fest, denn das lukrative Geschäft
wird von den Österreichern
betrieben. Aktuell dient der
Schlafwagen hierzulande als
Schimpfwort, um den politi-
schen Gegner zu diffamieren.
Markus Söder erklärte Ende Juli,
es ginge nicht darum, „mit dem
Schlafwagen ins Kanzleramt zu
fahren“. Damit war Laschet
gemeint, dem er vorwarf, im
Schlaf Kanzler werden zu wol-
len. Aber vielleicht fällt das Amt
auch an Olaf Scholz, und um
diese Gefahr doch noch abzu-
wenden, hat ihm Laschet unter-
stellt, einen „Schlafwagen-Wahl-
kampf“ zu betreiben. Damit
wollte er sagen, dass es in der
SPD zurzeit sehr viele Schläfer
gibt, die sich zurückhalten. Aber
sobald Scholz die Macht über-
nommen hat, werden sich Saskia
Esken und Kevin Kühnert aus
ihrer plombierten Schlafwagen-
gruft erheben und die Oktober-
revolution ausrufen. Allerdings
entscheidet momentan ein Herr
Weselsky darüber, wann hier
überhaupt Schlafwagen fahren
dürfen. Außerdem sollte Scholz
lieber auf einen Speisewagen-
Wahlkampf setzen, da gibt es
wenigstens Currywurst.
#Free
them
all
D
Ahmed Ali Abdulgadir
ie Organisation Repor-
ter ohne Grenzen
(RSF) hat die sofortige
Freilassung des Journalisten
Ahmed Ali Abdulgadir ge-
fordert, der sich in Saudi-Ara-
bien bereits seit fast vier Mona-
ten in Haft befindet. Abdulga-
dir, der aus dem Sudan stammt
und als freier Mitarbeiter für
verschiedene TV- und Radio-
sender arbeitet, war am
19. April am Flughafen der
Stadt Dschidda festgenommen
worden. Zuvor hatte der Jour-
nalist sich in einem Interview
mit dem tunesischen Fernseh-
sender Attessia TV kritisch
über die politischen Beziehun-
gen zwischen Saudi-Arabien
und dem Sudan und über die
Rolle des Golfstaats im Jemen-
Konflikt geäußert. Wegen „Be-
leidigung staatlicher Institutio-
nen und Symbole“ und „negati-
ver Äußerungen über die Politik
des Königreichs“ wurde Abdul-
gadir deshalb am 8. Juni von
einem saudischen Gericht zu
einer vierjährigen Haftstrafe
verurteilt.
Neben Abdulgadir werden in
Saudi-Arabien gegenwärtig
mindestens zwei andere auslän-
dische Journalisten festgehal-
ten: Marwan al-Muraisy, ein
jemenitischer Staatsbürger, der
bereits im Juni 2018 verhaftet
wurde, und der jordanische
Reporter Abdelrahman Farha-
neh, der sich seit Juni 2019 im
Gefängnis befindet. Gegen
beide Journalisten wurde bis
heute kein Gerichtsverfahren
eröffnet, geschweige denn eine
Anzeige erstattet.
In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN
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Ein US-Hubschrauber im Anflug auf die amerikanische Botschaft in Kabul: Die Evakuierung der Mitarbeiter hat begonnen
Wiedererrichtung des Islamischen Emirats Afghanistan angekündigt. Präsident Ghani flieht
D
außer Landes. Evakuierungsflüge der Bundeswehr beginnen. Kritik an spätem Handeln
ie afghanische Regierung
hat vor den Taliban kapi-
tuliert: Präsident Aschraf
Ghani floh außer Landes,
nachdem die militanten
Islamisten am Sonntag in die Haupt-
stadt Kabul eingerückt waren. Die Tali-
ban kündigten die Wiedererrichtung
des Islamischen Emirats Afghanistan
an, so hieß das Land auch unter der
letzten Taliban-Herrschaft von 1996 bis
2001. Am Abend gab es Meldungen über
Kämpfe am Stadtrand und Dutzende
Verletzte. Befehlshaber der Taliban er-
klärten in Kabul, dort in den Präsiden-
tenpalast eingedrungen zu sein und die
Kontrolle übernommen zu haben.
Mehrere Staaten brachten in aller Ei-
le Evakuierungseinsätze auf den Weg.
Die USA begannen damit, Diplomaten
aus der Botschaft per Hubschrauber
zum Flughafen von Kabul zu bringen.
Die deutsche Botschaft wurde geschlos-
sen, das Personal ebenfalls an den Air-
port gebracht. Die ersten Mitarbeiter
sollten noch am Sonntagabend ausge-
flogen werden. Das kündigte Außenmi-
nister Heiko Maas (SPD) an.
Die Taliban erklärten, ihre Kämpfer
stünden an allen Zugängen nach Kabul
bereit, bis es eine Einigung „auf eine
friedliche und zufriedenstellende
Machtübergabe“ gebe. Schließlich wie-
sen sie die Kämpfer nach Angaben eines
Sieben-Tage-Inzidenz erreicht einen Wert von 35
4728 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. 237 Patienten werden auf der Intensivstation behandelt
D
ie Zahl der Corona-Neuinfektio-
nen in Deutschland steigt weiter.
Nach Angaben des Robert-Koch-
Instituts (RKI) vom Sonntagmorgen lag
die Sieben-Tage-Inzidenz bei 35,0 – am
Vortag hatte der Wert 32,7 betragen, vor
einer Woche 22,6. Die Gesundheitsämter
in Deutschland meldeten dem RKI bin-
nen eines Tages 4728 Neuinfektionen.
Vor einer Woche waren es 3127 gewesen.
Allerdings wollen sich bei der Bewertung
der Corona-Lage immer weniger Bun-
desländer ausschließlich an den reinen
Inzidenzwerten orientieren. So kündig-
ten neben Baden-Württemberg und Nie-
dersachsen zahlreiche weitere Landesre-
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ZUM TOD
VON
GERD MÜLLER
SEITE 2
MONTAG, 16. AUGUST 2021 ** D 2,80 E URO B Nr. 189
KOMMENTAR
Der Preis
der Freiheit
KLAUS GEIGER
A
n einem der schönsten und
traurigsten Orte dieser Welt
kann man sehen, wie hoch der
Preis für die Verteidigung der Freiheit
ist. Auf dem Friedhof von Arlington
bei Washington, D.C., liegt das Grab
von Ex-Präsident John F. Kennedy.
Auf dem Grabstein steht ein Satz aus
seiner Antrittsrede, in der er dafür
warb, dass die USA ihre Werte immer
und überall verteidigen würden: „Wir
werden jeden Preis bezahlen, jede
Bürde tragen, jede Mühsal auf uns
nehmen, jeden Freund unterstützen
und jedem Feind widerstehen, um das
Überleben und den Erfolg der Frei-
heit zu sichern.“
Hebt man den Blick von Kennedys
Grab, sieht man die weißen Grabstei-
ne der Soldaten, die für die USA ihr
Leben gelassen haben. Fast 30.000
waren es im Korea-Krieg, 60.000 im
Vietnam-Krieg, 4500 starben im Irak,
2500 in Afghanistan. Es ist ein 200-
jähriges Dilemma: der Anspruch der
USA, ihre Ideen zu verbreiten – und
die Erschütterung, wie viele junge
Menschen dafür mit ihrem Leben be-
DPA/ RAHMAT GUL
zahlen. In den 1970er-Jahren sprach
man vom „Vietnam-Syndrom“, die
amerikanische Gesellschaft wollte
Soldaten nicht mehr in militärische
Abenteuer schicken. Aber das war da-
mals schon nicht neu: Die USA ringen
seit fast 200 Jahren mit der Frage,
welche Opfer es lohnt, um die eige-
nen Ideen in die Welt zu tragen, auch
mit Waffengewalt.
Nach einer Phase des radikalen In-
terventionismus wurde Amerika im
Sprechers aber doch an, weiter in die pen im Mai zuletzt immer schneller bis Ortskräfte und deren engste Angehöri- vergangenen Jahrzehnt von der Sehn-
Stadt vorzustoßen. Sie sollten Plünde- vor die Tore Kabuls vorgestoßen. In der ge, die noch vor Ort sind.“ Es sei be- sucht nach Isolationismus ergriffen.
rungen verhindern, nachdem Polizisten vergangenen Woche eroberten sie eine schämend, dass die Bundesregierung Die Folge waren der Rückzug aus dem
ihre Posten aufgegeben hätten. Ein Provinzhauptstadt nach der anderen. unfähig war, Ortskräften beispielswei- Irak und aus Afghanistan. Eine Sehn-
Krankenhaus teilte mit, bei Kämpfen Am Sonntag bildeten sich auf vielen se in Masar-i-Scharif eine rechtzeitige sucht, die auch in Deutschland spür-
am Stadtrand seien mehr als 40 Men- Straßen Kabuls lange Staus. „Manche Ausreise zu ermöglichen. „Heiko Maas, bar ist – war doch der Afghanistan-
schen verletzt worden. Leute haben ihre Schlüssel im Auto ge- Annegret Kramp-Karrenbauer und Einsatz der erste große interventio-
„Es wird keinen Angriff auf die Stadt lassen und sich zu Fuß auf den Weg Horst Seehofer haben da auf ganzer Li- nistische Kampfeinsatz Deutschlands
(Kabul) geben“, teilte der kommissari- zum Flughafen gemacht“, schilderte nie versagt.“ seit dem Zweiten Weltkrieg. Nun fra-
sche Innenminister Abdul Sattar Mirsa- ein Bewohner die Lage. Die Menschen Niedersachsens Innenminister Boris gen sich viele Menschen unter dem
kawal nach Angaben des Nachrichten- hätten Angst. Viele Flüchtlinge be- Pistorius (SPD) sagte: „Wir müssen Eindruck der schockierenden Bilder
senders Tolo mit. „Es wurde vereinbart, fürchten, dass die Taliban mit der jetzt all jene Menschen da rausholen, der blitzartigen Machtübernahme
dass es eine friedliche Übergabe geben Rückkehr an die Macht erneut eine ra- die uns in den vergangenen Jahren ge- durch die Taliban: Ist es nicht einfach
wird.“ Er sprach von einer Übergangs- dikale Auslegung des islamischen holfen haben. Und zwar unbürokratisch nur naiv, Freiheit und Demokratie in
regierung, ohne Details zu nennen. Rechts durchsetzen könnten. Am und schnell. Es geht um Leben und andere Länder bringen zu wollen?
Nach Angaben des früheren Präsiden- Abend teilte die Nato mit, dass auf dem Tod.“ Pistorius zeigte sich erstaunt, Hat nicht jedes Volk das Regime, das
ten Hamid Karsai wurde ein Koordinie- Flughafen die zivile Luftfahrt einge- dass die Verteidigungsministerin „sich es verdient? Sprich: Wollten die Af-
rungsrat für die Übergabe der Macht stellt wird. Es seien nur noch Militär- offensichtlich jetzt erst Gedanken über ghanen die Taliban überhaupt jemals
gebildet. flüge erlaubt. die Evakuierung macht. Die Ortskräfte loswerden?
In Diplomatenkreisen hieß es, der US-Präsident Joe Biden warnte die befinden sich in akuter Lebensgefahr, Wer Afghanistan 2021 als Beweis
mittlerweile in den USA lebende Ex-In- Taliban vor Übergriffen auf Amerika- das war absehbar.“ sieht dafür, dass es per se sinnlos ist,
nenminister Ali Ahmad Jalali, der auch ner. Jede Aktion, die US-Bürger und Johann Wadephul (CDU), stellvertre- Kriege für die Freiheit zu führen, der
einst Afghanistans Botschafter in -Soldaten in Gefahr bringe, werde „mit tender Fraktionsvorsitzender der CDU/ sollte an Deutschland 1945 denken.
Deutschland war, sei als Kompromiss- einer schnellen und starken militäri- CSU-Bundestagsfraktion und verteidi- Warum hätten die Alliierten auch nur
kandidat für die Leitung einer solchen schen Reaktion der USA beantwortet“. gungspolitischer Sprecher, sagte WELT: einen Soldaten opfern sollen für ein
Übergangsregierung im Gespräch. Die Das Verteidigungsministerium stockte „Wir halten es für unsere Pflicht, denje- Land, das zwölf Jahre lang im Rausch
Taliban erklärten, mit der Regierung die Truppen zur Evakuierung von 3000 nigen Schutz und Hilfe anzubieten, die einer wahnsinnigen Ideologie lebte,
liefen zwar Gespräche über eine Macht- auf 5000 Soldaten auf. uns in Afghanistan über viele Jahre ge- die den kranken Scharia-Islam der Ta-
übergabe. Sie stellten allerdings klar, Der FDP-Außenpolitiker Alexander holfen haben.“ Wichtig blieben deshalb liban fast harmlos erscheinen lässt?
dass es keine Übergangsregierung ge- Graf Lambsdorff sagte WELT: „Die anhaltende Gespräche mit der Führung Nie verloren mehr US-Soldaten ihr
ben werde. Sie erwarteten eine voll- Bundesregierung muss alles daranset- der Taliban in Doha, um einen friedli- Leben als in den beiden Weltkriegen,
ständige Machtübergabe. zen, dass die deutschen Staatsbürger chen Rahmen für die Evakuierung in als das Land zwei Mal seine isolatio-
Die Taliban waren seit dem Beginn sicher Afghanistan verlassen können. Kabul zu gewährleisten. dpa/ap/uex nistischen Reflexe überwand und in
des Abzugs der internationalen Trup- Das gilt auch für die afghanischen Siehe Kommentar und Seite 6 der Ferne für die Freiheit kämpfte.
116.000 US-Soldaten starben im Ers-
ten Weltkrieg, 450.000 im Zweiten.
Was in Afghanistan geschieht, ist er-
schütternd und ernüchternd. Viel-
leicht war dieser Krieg nicht zu ge-
winnen. Zu dieser Frage wird man
noch viel aufarbeiten müssen. Aber
als Deutscher sollte man nicht defä-
tistisch einem Isolationismus das
gierungen an, künftig weitere Kriterien streichen. Damit dürfen von heute an un- Fälle), gefolgt von Baden-Württemberg Wort reden.
heranzuziehen. abhängig von der Entwicklung der Infek- (25 Fälle). Die Bilanz in Afghanistan ist bitter,
Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die tionen alle Menschen am gesellschaftli- Der Unmut über verschärfte Corona- man steht ohnmächtig vor dieser ko-
Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 chen Leben teilnehmen, wenn sie Regeln hat in Frankreich am fünften Wo- lossalen Niederlage. Kurzfristig ist
Einwohner binnen sieben Tagen, war in geimpft, genesen oder getestet sind. Nie- chenende in Folge wieder viele Men- das Land nicht vor den Taliban zu ret-
der Pandemie bisher Grundlage für viele dersachsen kündigte ebenfalls an, neben schen auf die Straßen getrieben. Die Wut ten. Aber man darf Afghanistan auch
Corona-Einschränkungen, etwa bei der der Inzidenz weitere Kriterien in seine der Demonstranten richtet sich gegen nicht in ein neues Steinzeit-Kalifat
Ende Juni ausgelaufenen Bundesnot- Corona-Verordnung aufzunehmen, etwa die Impfpflicht für Gesundheitspersonal abdriften lassen. Ein neuer Militär-
bremse. Bei der Ministerpräsidentenkon- die Auslastung der Krankenhäuser. und die jüngst auf fast alle Bereiche des einsatz ist unrealistisch. Aber mit al-
ferenz gab es am vergangenen Dienstag Insbesondere im bevölkerungsreichs- öffentlichen Lebens ausgeweiteten len anderen außenpolitischen Mitteln
aber keine Verständigung auf gemeinsa- ten Bundesland Nordrhein-Westfalen Nachweispflichten. Menschen in Frank- muss der Westen die Region gestal-
me, neue Parameter, die als Grundlage verschlechtert sich derzeit die Situation reich müssen etwa für Restaurant- oder ten. Der 11. September 2001 hat ge-
für neue Maßnahmen dienen könnten. auf den Intensivstationen. Insgesamt Kinobesuche, Fernzugreisen und man- zeigt, dass es im 21. Jahrhundert keine
Tags darauf entschied Baden-Würt- werden deutschlandweit 237 Covid-Pa- cherorts bald auch fürs Shoppen in gro- „splendid isolation“ gibt. Das gilt
temberg, die Sieben-Tage-Inzidenz aus tienten invasiv beatmet – 66 davon al- ßen Einkaufszentren einen sogenannten auch nach dem Fall Kabuls.
der Corona-Verordnung des Landes zu lein in NRW. Dahinter liegt Bayern (28 Gesundheitspass vorlegen. Seite 8 klaus.geiger@welt.de
ISSN 0173-8437 189-33 ZKZ 7109
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2 FORUM * DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021

S
NACHRUF

ein Beiname hat ihm nie gefal-

len. Der „Bomber der Nation“
– das passte eigentlich gar
nicht zu ihm. Rein fachlich
nicht, denn „ich bomb ja mei-
ne Tore net, ich mach sie ja
aus dem Sechzehner.“ Es sind
schließlich selten die schönsten, aber meist die
wichtigen Tore, die auf sein Konto gehen. Und
auch mit seinem Charakter hat der vom Boule-
vard erfundene Name nie korrespondiert.
Denn Gerd Müller war ein friedliebender
Mensch, der allen Konflikten am liebsten aus
dem Weg ging und sich im Leben immer im
Hintergrund hielt, auch wenn er allen Grund
gehabt hätte, sich in die erste Reihe zu drän-
geln. Er war der beste deutsche Torjäger über-
haupt im populärsten Sport der Welt, dem
Fußball. Am frühen Morgen des 15. August 2021

PICTURE-ALLIANCE/ DPA /DPAWEB/ DIETER KLAR

ist Gerd Müller im Alter von 75 Jahren ge-
storben.
Krank war er schon länger. 1991 wurde seine
Alkoholabhängigkeit publik, er machte auf
Drängen seiner Freunde beim FC Bayern eine
erfolgreiche Entziehungskur und schien zu-
mindest diesen Kampf gewonnen zu haben.
Aber es kam noch schlimmer. Im Februar 2015
wurde er in eine Demenzklinik in Wolfrats-
hausen bei München eingeliefert. Es begann
eine schwere Zeit für seine Frau Uschi, die ihn
nahezu täglich besuchte, und Tochter Nicole.
Sie erkannte er noch, die alten Weggefährten
von einst aber waren irgendwann nur noch
diffuse Schatten vor seinen Augen.
Er hat sie alle vergessen, den Kaiser Franz,
den Maier Sepp, Paul Breitner und Uli Hoe-
neß, mit denen er den FC Bayern München in
den 1970er-Jahren in den Fußballhimmel ge-
schossen hat. Viele sagen, er war der Wichtig-
ste von allen. Breitner etwa: „Gerd Müller ist
der wichtigste und größte Fußballer, den
Deutschland nach 1954 gehabt hat.“ Oder
Franz Beckenbauer. „Vielleicht wären wir ohne
Gerd Müller und seine Tore noch immer in
unserer alten Holzhütte an der Säbener Stra-
ße“, sagte er bei jeder Gelegenheit. Denn im
Fußball zählen Tore, und wenn einer dafür
stand, dann er. Zu seiner Zeit nannte man
Toreschießen „müllern“.
Gewiss ist: Ohne ihn hätte die Bayern-Rake-
te wohl nie dermaßen gezündet und auch die

DPA/ KARL SCHNÖRRER

deutsche Nationalmannschaft wäre um man-

AP/ FRANKA BRUNS

chen Erfolg ärmer gewesen. Europameister
1972 und Weltmeister 1974 ohne Müller-Tore?
Unvorstellbar.
Entsprechend wertschätzend fielen gestern
die Beileidsbekundungen aus: „Ohne ihn hät- Ein Leben für den Fußball: Gerd Müller als Weltmeister 1974 (o.) und beim entscheidenden Finaltor gegen die Niederlande (u.),
ten der FC Bayern und die deutsche Mann- gemeinsam mit seiner Frau Ursula (o.r.) 1982 beim Gastspiel in den USA sowie 2006 bei der Auszeichnung „Goldener Schuh“
schaft nie diesen Erfolgsweg beschreiten kön-
nen. Ganz Bayern trauert um diesen beschei-
denen Erfolgsmenschen“, erklärte Bayerns

Ein Leben
Ministerpräsident Markus Söder. „Was bleibt,
ist die Erinnerung an einen großartigen Fuß-
ballspieler und die Dankbarkeit von ganz Fuß-
balldeutschland für unglaublich viele groß-
artige Tore“, teilte der Chef des Bayerischen
Fußball-Verbandes, Rainer Koch, mit. „Mit
Gerd Müller geht ein großes Stück deutsche

im Sturm
Fußball-Geschichte“, sagte DFB-Interims-
präsident Peter Peters. „Unser Mitgefühl ge-
hört seinen Angehörigen, hinter denen schwe-
re Zeiten liegen und denen wir in dieser Situa-
tion viel Kraft wünschen. Zugleich blicken wir
voller Hochachtung und Dankbarkeit auf das
Lebenswerk von Gerd Müller.“
Wer war Gerd Müller? Noch immer ist er
das Synonym für einen Torjäger, sind seine
Werte Maßstab für jene, die ihm folgten. Kei- Deutschland trauert um
Gerd Müller. Wenn es einen
ner hat mehr Bundesliga-Tore geschossen als
er (365), keiner mehr DFB-Pokal-Tore (78) und

Fußballgott gibt, dann hat er jetzt

kein Deutscher mehr Europapokal-Tore (65) –
alle für Bayern München. Und bis 2014 war er

einen Mittelstürmer
auch Rekordtorschütze der Nationalmann-
schaft (68 Tore in 62 Länderspielen), ehe ihn
Miroslav Klose bei der WM in Brasilien über-
holte. Klose rüttelte kein bisschen an Müllers
Denkmal: „Ich glaube nicht, dass man mich
mit ihm in einem Atemzug nennen wird. Ich
DPA/ WERNER BAUM

habe doppelt so viele Spiele, einen Vergleich

braucht man nicht zu machen.“
Keiner besteht einen Vergleich mit Gerd
Müller, auch nicht 38 Jahre nach seinem 1497.
und letzten Tor im Seniorenbereich für die
Fort Lauderdale Strikers in Florida, wo er
seine Karriere ausklingen ließ. Wie auch?
Siebenmal gewann Müller von 1967 bis 1978
die Kanone für den besten Bundesligator-
schützen einer Saison, seine 40 Treffer 1971/72
blieben bis zu diesem Sommer unerreicht, bis
Robert Lewandowski das Kunststück voll-
brachte, 41 Treffer in einer Spielzeit zu erzie-
len. Zweimal bekam Müller den Goldenen
Schuh für den besten Torjäger in Europas
Ligen, 1970 wurde er in Mexiko mit zehn Tref-
fern WM-Torschützenkönig und im selben
Jahr Europas Fußballer des Jahres. Gegen ihn
war kein Kraut gewachsen, Hunderte von Ver-
teidigern verzweifelten an ihm. Müller war ein
Phänomen, „im Mittelalter hätte man ihn der
Hexerei verdächtigt“, schrieb mal ein Repor-
ter. Niemand hatte seinen Torinstinkt, seine
UDO MURAS
Reaktionsschnelligkeit. So leicht holte ihn
keiner von seinen kurzen stämmigen Beinen
und gegen seine Schüsse aus der Drehung, ob
mit rechts oder links, fand keine Abwehr ein
Mittel. Wie am 7. Juli 1974, als er das WM-
Finale gegen die Niederlande mit seinem Tor
zum 2:1 entschied. ARD-Reporter Rudi Michel
sagte anerkennend: „Tore, die Müller macht –
die nur Müller macht. Weil er die kürzesten
Reflexe hat.“ Und, weil er immer auf Zack war.
Oft unbeteiligt wirkend, schlug er noch im
letzten Moment zu. „Außerhalb des Straf-
raums ist er ein Lamm, innerhalb wird er zum
reißenden Wolf“, sagte der Österreicher Nor-
bert Hof nach einem Länderspiel, das sein
Gegenspieler mit einem typischen Müller-Tor Auswechslung mitten in der Saison nach Flori- Der FC Bayern reichte ihm die Hand, Uli Hoe-
entschieden hatte. da und eröffnete nebenbei ein Steakhouse, das neß versprach ihm quasi einen Vertrag auf
Außerhalb des Spielfelds aber war er schutz- heute noch mittels einiger Bilder und einem Lebenszeit. Und so beschäftigten sie ihn als
bedürftig. Kurz nach dem Krieg als Kind armer Bayern-Wimpel an ihn erinnert. Stürmertrainer, Co-Trainer der Amateure,
Leute im schwäbischen Nördlingen geboren, Nach drei Jahren kehrte er in sein geliebtes Jugendtrainer oder Scout, und in den VIP-
genoss er nur eine geringe Schulbildung. Mit München zurück und stand vor dem Nichts. Logen erzählte er den Sponsoren an Spiel-
Mühe schloss er eine Weberlehre ab. Er sprach Müller hatte nicht das Zeug zum autoritären tagen von früher. Wenn er nur seinen Trai-
keine Fremdsprachen und strotzte nie vor Trainer, cleveren Manager oder eloquenten ningsanzug vom FC Bayern anziehen und mor-
Selbstvertrauen, Medientermine waren ihm TV-Experten – und keiner hatte auf ihn gewar- gens an die Säbener Straße fahren konnte,
ein Gräuel. Es drängte den bescheidenen Kerl tet. Die Tage waren lang, immer häufiger griff dann war er glücklich. Erst die schreckliche
nie in den Vordergrund, und als er zum Karrie- er zur Flasche. „Du bist oben, schwebst im Krankheit, die den Patienten zum Vergessen
reende Beckenbauer als Kapitän in München Himmel. Und fällst und fällst. Plötzlich bist verdammt, beendete dieses Arrangement der
ablösen musste, fühlte er sich äußerst unwohl. Du in der Hölle“, sagte er rückblickend. „Ich Menschlichkeit.
Mitspieler können sich an keine flammende habe sehr gelitten und ohne die Hilfe meiner Wenn es einen Fußballgott gibt, dann hat er
Rede erinnern. 1979 ging er im Zorn nach einer Freunde hätte ich es wohl nicht geschafft.“ jetzt einen Mittelstürmer. Den Allerbesten!

IMPRESSUM Verleger AXEL SPRINGER (1985 †)

Herausgeber: Stefan Aust
Chefredakteur: Dr. Ulf Poschardt
Stellvertreter des Chefredakteurs:
Oliver Michalsky, Arne Teetz
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Johannes Boie, Dagmar Rosenfeld
Stv. Chefredakteur: Robin Alexander
Geschäftsführender Redakteur: Thomas Exner
Chefkommentator: Torsten Krauel
Redaktionsleiter Digital: Stefan Frommann
Leitung Editionsteam: Christian Gaertner,
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Politik: Marcus Heithecker, Claudia Kade, Lars
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tion/Reportage: Manuel Bewarder, Anette Dowideit
Außenpolitik: Klaus Geiger Wirtschaft/Finanzen: Jan
Dams, Olaf Gersemann, Stv. Dietmar Deffner, Nando
Sommerfeldt, Thomas Exner (Senior Editor) Feuille-
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geberin) Literarischer Korrespondent: Richard Käm- Dilger, Stv. Stefan A. Runne Infografik: Sandra Hech- Stefan Frommann Chefreporter Wissenschaft: Axel Dr. Christoph Schiltz Budapest: Boris Kalnoky Istanbul:
merlings Stil/Reise: Adriano Sack, Stv. Sönke Krüger, tenberg, Karin Sturm Bojanowski Leitender Redakteur Zeitgeschichte: Sven Deniz Yücel Kapstadt: Christian Putsch London:
Inga Griese (Senior Editor) Sport: Matthias Brügel- Chefkorrespondent Außenpolitik: Dr. Sascha Lehn- Felix Kellerhoff Stefanie Bolzen, Thomas Kielinger Marrakesch: Alfred
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DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021 FORUM 3

D
LEITARTIKEL PLATZ DER
REPUBLIK
as Jahr 2020 war für die Großstadtleben, inklusive Dealer in den Parks,

Die „Lage“ ist

deutsche Hauptstadt ein Bettler in der Bahn, Lärm in der Nacht. Haben
Wendepunkt. Zum ersten sie einen anstrengenden Job, Familie und vor
Mal seit der Jahrtausend- allem Kinder, denken sie mehr in Richtung
wende erlebte Berlin einen
Wanderungsverlust. Was
Haus und Garten, saubere Luft und gute Schu-
len. Theoretisch mag man urban, ökologisch längst vorbei

Großstadt, ein
wie eine gute Nachricht für und multikulti ticken, praktisch freut man sich
Berlin-Feinde klingt, ist eine schlechte Nach- abends über das Vogelgezwitscher in den neu
richt für die Ideologie, die seit etwa 30 Jahren gepflanzten Apfelbäumen und die Qualität des
den Städtebau beherrscht: den Urbanismus, örtlichen Gymnasiums. Zur Beruhigung des SUSANNE GASCHKE

B
oder wie er in seiner amerikanischen Heimat eigenen Gewissens kauft man sich ein Elektro-
heißt: new urbanism. In seiner deutschen Va- auto und schraubt Solarpaneele aufs Dach:
riante – am wirksamsten vertreten vom ehe- „Das hätte unser Vermieter in Frankfurt nie undespräsident Frank-Walter

Auslaufmodell
maligen Berliner Senatsbaudirektor Hans gemacht.“ Steinmeier ist in seinen Reden
Stimmann, aber auch von vielen politischen Und die Großstädter selbst widersetzen sich stets um ein hohes Maß an Pathos
Parteien, allen voran den Grünen, will der der Verdichtung: Das Vorhaben „Stuttgart 21“, bemüht. Zum 60. Jahrestag des Mauer-
Urbanismus eine Verdichtung der Stadt, spe- das ein ganzes Innenstadtviertel gewinnen will, baus sagte er, Freiheit und Demokratie
ziell der Großstadt: mehr Menschen, mehr indem der Hauptbahnhof unter die Erde kommt, seien nicht naturgegeben, „nie ein für
Häuser, mehr Arbeitsplätze, mehr Verkehr auf wäre beinahe am schwäbischen „Wutbürger“ allemal erreicht“. Sie müssten erkämpft,
gleichem Raum. gescheitert. Den Plan, einen Teil des stillgeleg- dann aber auch „geschützt, verteidigt
Der Hass der Urbanisten gilt den grünen ten innerstädtischen Flughafens Tempelhof mit und erhalten“ werden.
Vororten und den aufgelockerten Wohnsied- Wohnungen zu bebauen, versenkten die Berliner Es wäre großartig, wenn Steinmeier
lungen der Moderne und des Nachkriegswoh- – bei lautem Wehklagen über hohe Mieten – per solche Wahrheiten nicht nur zu histori-
nungsbaus. Deutsche Urbanisten wollen he- Jahrzehntelang war Urbanität im Städtebau das Volksentscheid. Ähnlich ergeht es auch anderen schen Jahrestagen verkünden, sondern

höchste Ziel, weil sie lebenswert ist und ökologisch

roisch wohnen, lieben Menschenmassen und Vorhaben der Urbanisierer, weshalb der Berliner auch gelegentlich auf unsere aktuelle
Steinfassaden, Verkehrslärm und Häuser- Architekt Hans Kollhoff im „Tagesspiegel“ gegen Verfassungswirklichkeit anwenden wür-

nachhaltiger. Aber Deutschlands Metropolen

schluchten. Und die angelsächsischen New den „lähmenden Denkmalschutz“, den „Schall-, de. Die ist nämlich surreal. Auf Grund-
Urbanists wollten eigentlich die Idylle der Wärme- und Brandschutz“ und „die vielen von lage des Infektionsschutzgesetzes sind

verlieren Bewohner ans Umland. Die geschmähten

amerikanischen und englischen Kleinstadt Anspruchsdenken blockierten Flächen“ in den Grundrechte – inzwischen vor allem die
wiederbeleben. Hierzulande gilt unter Stadt- Großstädten wetterte. allgemeine Handlungsfreiheit und die

Vorstädte haben eben auch ihre Vorteile

planern: Innenstadt ist in, Vorort ist draußen
vor der Tür.
Tatsächlich hat das Großstadtleben viele
Vorurteile. Es ist anregend: Dort gibt es Thea-
ter und Museen, Kinos und Cafés, unzählige
Läden und ein dichtes Verkehrsnetz. Es ist
sozial: Man trifft leicht Freunde und Bekannte,
idealerweise in der Nachbarschaft. Es ist öko-
logisch sinnvoll: Wenn man nicht zur Arbeit
pendeln und kein Auto braucht, um einzukau-
fen oder die Kinder zur Schule zu bringen,
produziert man weniger CO2, ja kann viel-
leicht ganz aufs Auto verzichten. Außerdem
bedeuten dichtere Städte weniger versiegelte
Landschaften. Alle zivilisatorischen Dienst-
leistungen sind in der Stadt mit weniger Ener-
gieverbrauch verbunden, von der Müllabfuhr
bis zum ärztlichen Notdienst, von der Strom-
versorgung bis zum Abwassermanagement.
Das einzige Problem dieser schönen neuen
urbanen Welt: Die meisten Deutschen wollen
so nicht leben. Berlin ist nicht das einzige
Beispiel. In München etwa wächst die Bevölke-
rung der innenstädtischen Bezirke nur, weil
junge Leute wegen der Universitäten und an-
derer Bildungseinrichtungen dorthin ziehen.
Innerhalb der Region ziehen die Menschen
gern in die stadtferneren Gebiete. Eine hohe
Bevölkerungsdichte weisen die Gemeinden
rund um den Starnberger See und die anderen
großen Seen auf, die sich gern ländlich-urtüm-
lich geben, in Wirklichkeit aber längst Schlaf-
städte Münchens sind. Auf ganz Deutschland
bezogen ergibt sich ein klarer Trend: Die Be-
völkerung zieht aus ländlichen Gegenden in
einige wenige Großstädte, „Schwarmstädte“
genannt: Berlin, München, Hamburg, Frank-
Kollhoff selbst, der die Stalinallee in Berlin Versammlungsfreiheit – willkürlichen
für „das einzige Beispiel deutscher Stadtbau- Einschränkungen ausgesetzt, obwohl die
kunst und Architektur“ hält, die „den Vergleich im Gesetz definierte Voraussetzung für
nicht zu scheuen brauchte mit den europäi- diese Einschränkungen (die „epidemi-
schen und amerikanischen Großstädten“, ließ sche Lage von nationaler Tragweite“)
den von ihm entworfenen Walter-Benjamin- seit Monaten nicht mehr existiert.
Platz in Berlin mit einem antisemitischen Vers Kein Krankenhaus ist wegen Corona
des faschistischen Dichters Ezra Pound schmü- überlastet. Intensivmedizinisch versorgt
cken. Stimmann wiederum bezeichnet sich als werden in Deutschland 471 Menschen –
„vermanschten 68er“ mit „marxistischen von 83 Millionen. Die überwältigende
Grundgedanken“. Doch die falschen Ideen von Mehrheit der Risikopatienten und die
vorgestern, ob lechts oder rinks, sind nicht die große Mehrheit der Erwachsenen ist
ALAN POSENER richtigen Leitlinien von morgen. endlich geimpft. Für ungeimpfte Kinder
Gebraucht wird eine Theorie und Praxis des und Jugendliche ist Corona ungefährlich.
Bauens für Familien im Vorort. Diese von den Selbst wenn sich Geimpfte mit irgend-
Architekten verachteten und von den Planern einer Mutation anstecken, ist das Risiko,
vernachlässigten Gebiete, und nicht die hippen daran zu sterben, offenbar extrem ge-
Innenstädte, sind Deutschlands Zukunftsorte. ring. Freiwillig Ungeimpfte müssen ihr
Es reicht nicht, Bauland auszuweisen, es zu Risiko selbst einschätzen – wie alle mün-
parzellieren und an Familien zu verkaufen, die digen Bürger in vielen anderen Situatio-
darauf ein Fertighaus setzen. So zersiedelt nen auch. Der Staat kann und darf nicht
man nur die Landschaft. Mehr noch als die jedes Lebensrisiko ausmerzen, wenn er
Stadt braucht der Vorort sorgfältige Planung: nicht totale Kontrolle ausüben will.
Verkehrsanbindung, Schulen, Einkauf; soziale Doch die Bundesregierung hält fest an
einen nicht unbedeutenden Teil der Bevölke- Durchschnittsverdiener bleiben monatlich Mischung; platz- und energiesparendes, kin- einer Politik der Panikmache (vierte
rung ins Umland: in die Vororte und Schlaf- ganze 341 Euro zur freien Verfügung: zehn der- und naturfreundliches, und ja auch identi- Welle!), der Verbote und Beschränkun-
städte. Euro am Tag. Was nutzen da die vielen Res- tätsstiftendes, schönes Bauen. gen, der verfassungswidrigen Suspendie-
Dafür gibt es handfeste ökonomische Grün- taurants, Cafés, Kinos und Theater? Berlinern Deutschland war hier vor mehr als einem rung von Grundrechten auf Vorrat. Sie
de. Die Jobbörse „StepStone“ hat kürzlich die und Münchnern bleiben sogar nur 250 Euro Jahrhundert Vorreiter – mit Gartenstädten wie will die Abgeordneten der großen Ko-
Gehälter und Lebenshaltungskosten in deut- übrig. Im Landkreis Stade hingegen – 57 Kilo- Hellerau bei Dresden oder Staaken bei Berlin, alition ein weiteres Mal dazu nötigen, die
schen Großstädten analysiert und mit den meter elbabwärts von den Landungsbrücken – mit dem Immobilienunternehmer und Vorort- „Lage“ kontrafaktisch zu verlängern.
umliegenden Landkreisen verglichen. Das verdienen die Menschen zwar zehn Prozent entwickler Johann Anton Wilhelm von Cars- Und die Abgeordneten scheinen sehr viel
Ergebnis für Hamburg etwa: Das Durch- weniger, trotzdem bleiben ihnen 584 Euro – tenn und Siedlungsarchitekten wie Mebes und mehr Angst vor ihren Fraktionsführun-
schnittsgehalt beträgt im Jahr 59.111 Euro brut- 243 Euro mehr als den Großstädtern. Auch in Emmerich. Der verderbliche Einfluss der urba- gen zu haben als vor der Vorstellung,
to und liegt damit über dem deutschen Durch- Lübeck verdient man weniger als in Hamburg, nistischen Architekturmode hat uns um Jahr- einen Ausnahmezustand aufrechtzuer-
schnitt von 58.785. Die Lebenshaltungskosten hat am Monatsende aber mit rund 700 Euro zehnte zurückgeworfen. Starren wir nicht auf halten, der den Geist des Grundgesetzes
liegen allerdings ebenfalls deutlich über dem monatlich fast doppelt so viel zur Verfügung. die Innenstädte, gestalten wir die Vororte und verletzt. Ihr eigenes Gewissen bedrängt

ǑǑ
furt am Main, Leipzig, Düsseldorf, Stuttgart Durchschnitt: Miete natürlich, aber auch Frei- Hinzu kommen andere Faktoren. Studieren- Kleinstädte! die frei gewählten Damen und Herren
usw.; und aus den Schwarmstädten zieht es zeitaktivitäten und sogar Lebensmittel. Dem de und andere junge Menschen genießen das forum@welt.de von CDU und SPD anscheinend nicht
übermäßig.
Der Bundespräsident ist selbst Jurist
und müsste sich aus dem Grundstudium

Vor mehr als einem Jahrhundert war

daran erinnern, dass nicht die Bürger
sich für ihre grundgesetzlich verbrieften
Freiheiten zu rechtfertigen haben, son-

Deutschland führend bei der Planung

dern der Staat – für jeden Tag und jede
Stunde der Einschränkung. Wäre es nicht
gerade an Steinmeier, die Integrität der

fortschrittlicher Gartenstädte
Verfassung und damit die freiheitliche
Demokratie zu verteidigen, die ihm so
am Herzen liegt? Nicht nur an Jahres-
tagen, sondern hier und heute?

LESERBRIEFE
1 14.08.21 Samstag, 14. August
DWBE-HP

**
: eit:
-Z
Belichterfreiga be: 2021
Farbe:
Belichter:

MORGE N
AM KIOSK
JAHRHU NDERTZ
EUGIN
Margot Friedlände
r,
der letzten Überlebeneine
der Schoah, im den
KUNDENS ERVICE Interview
0800/935
85 37
SAMS TAG, 14.
AUGU ST 2021
Zippert zappt
** D 3,00
EURO B Nr. 188

Schwammig
E s ist zutiefst sympathisch
und spricht für die
Menschlichkeit
on, dass sie mit einem der Uni-
völlig
KOMMEN TAR
ungeeigneten Kandidaten
Wahlkampf zieht. in den
Dafür muss
man sie natürlich
Zweierlei
bedeutet das für unsere Kinder, Ju- zur Physik des Klimasystems, wertet großes Interesse am Klimaschutz und Tag, der so ruhig und so still war, dass
nicht
aber diese christliche wählen,
verdient Respekt und Haltung „Militärisch zu kein
Politik muss kein
becken sein. Auch
zeigt,
Haifisch-
die Grünen Zeit zu gewinne er Maß
halten an ihrer Kandidatin
obwohl viele Vorstandsmit fest,
glieder regelmäßig -
n“ WOLFGANG BÜSCHER

Drei Bundeswehr-Sold

gendlichen, Auszubildenden und Stu- Studien zu physikalisch möglichen extremen Klimaszenarien zeigen, zu- der Heeresbericht sich auf den Satz
mitten
der Nacht schweißgebad in
et aten packen aus
O
auf-
wachen, weil sie geträumt
ha- Seite 4 rtskräfte, das klingt
lich. Wir reden überso sach-
ben, dass Annalena
Baerbock nen, die für die Deutschen Afgha-
gar nicht Trampolin
springen beiteten und jetzt ar-
kann. Auch diese Haltung
ungewöhnlich anständig, ist Eilmarsch der Talibanverzweifelt dem

Zu: „Epidemische Lage erneut

man hen. Sie sind in auf Kabul zuse-
trennt sich nicht von Lebensgefahr. Die
didatin, nur weil sie einer Kan- Bundesregierung

dierenden erneut einen Herbst und Klimaszenarien aus, bewertet aber stimmen können. beschränkte, im Westen sei nichts
ständig sagt, sie tue was,
Fehler macht. Und seien bereits 2851 es
obwohl man Visa ausgestellt und
mit Robert Habeck rund 1800 Visumbesitze
viel r schon in
Stimmen einsammeln mehr Deutschland. Das
ist
verzichtet die Partei könnte, denen nicht, die jetzt gut. Aber es hilft
auf seine haben. Eines zu noch kein Visum
Einwechslung. Doch bekommen braucht
der SPD? Sie hat den was ist mit zwei bis drei Monate.

verlängern? Mehrheit in Sicht“

Für jene Orts-

PROF. DR. MARTIN CLAUSSEN, PER MAIL

sprechendsten Kandidaten vielver- kräfte, die laut deutscher

Winter des Grauens. Die Versprechen nicht deren sozioökonomische Plausi- Neues zu vermelden“. Die Verlaut-
Rennen. Da wäre es im dem 16. Juni antragsberecVorgabe seit
aus Grün- deren Visumbeantr htigt wären,
den der Fairness angezeigt, agungs- und -ertei-
Scholz aufgibt und dass lungsprozesse aber
das Feld noch gar nicht in
Kevin Kühnert überlässt. Gang gekommen
sind, ist das eine
Scholz ist brutal und Doch vielleicht tödliche
gewissen- Frist. Zwei, drei
los, er würde sich Monate haben sie
sogar mit den nicht mehr. Rund

vom 12. August

Stimmen der SPD 1000 Personen haben
zen aber in Afghanistanein Visum, sit-

der Regierung sind nichts wert. Aber bilität. Und eine Diskussion auch ex- barungen der deutschen Verteidigungs-
zum Kanzler
wählen lassen.
EGGERT

rund 2000 sind visumberech fest. Weitere

ihr Visumprozess tigt, aber
VIA ANDREAS

steht still. Und was

ist mit weiteren Tausenden
ten samt Familien, Ortskräf-
die aufgrund von
Verträgen für Deutschland
#Free
Afghanistan: Sieges haben, sei es für das gearbeitet
Außenministeri-

die gesäte Angst in den Köpfen der tremer physikalischer, vermeintlich ministerin sind ja nun Gott sei Dank in
um oder das Bundesminis
them
LA TARDE

terium für

Taliban schockier zug der

wirtschaftliche Zusammenar

Verkorkst
beit, die
all aber von solchen
Not-Visa ausge-
EL DIARIO DE

schlossen sind?
Julio Zubillaga Unwillkürlich denkt
Visa? Reisepässe? man an 2015.

t den Westen
Die
nicht viel. Wer kam, galten damals

I
n Mexiko ist der Chefredak-
blieb. Nur ein kleiner der kam. Und

Menschen wird dafür sorgen, dass ein unrealistischer oder übertriebener wenigen Wochen Geschichte. Eine
teur der Nachrichtenp Teil derer, die

Zu behaupten, man bräuchte diese

latt- kriminell wurden,
form „El Diario de wurde abgescho-
la Tarde Islamisten erobern ben. Solche Flüge
de Iguala“, Julio Zubillaga,
seit mehr als die Hälfte nach
wurden nun gestoppt. Afghanistan
mittlerweile fast einem der Botschaft in der Provinzhauptstä Seehofer konnte Das ist richtig,
Teil eines staatlichen Jahr Kabul auf das „absolut dte. Auswärtiges anders nicht ent-
programms für JournalistenSchutz-
e Minimum“. Im Amt reduziert Persona scheiden, nicht als
ans
gebundener Minister, Grundgesetz
Land droht eine l

D
und Menschenrec
ger. Immer wieder
htsverteidi- ie militant-islam
istischen geplant, diese würden
humanit äre Katastrophe Christ. Bitter wird es
nicht als
Eindruck entsteht, aber, wenn der

Teil dieser Leute wiedergewählt wird. Szenarien ist nützlich, um sich das neue Bundesregierung, egal wer sie
war Taliban haben in

Verlängerung zum Schutz der Kinder

billaga offen beleidigt Zu- Afghanis- sagte
tan ihre Gebietsgewin Maas.
nun vorgezogen,
schweigen, da alle diese humanitäre
droht worden. Zuletzt und be- ne in Ortskräfte Die Visumerteilung für die in Afghanistan, Analysen über die
Lage Irak verließen.
Fürsorge werde zwar
öffentlich, dass ein wurde rasantem Tempo
fortge- gen, um werde in Deutschland erfol- in die man uns im Ausschuss Und wir werden auch teil, den Guten aber den Bösen zu-
ger Polizeibeamter
hochrangi- setzt und binnen einer
che mehr als die
den
Wo- Deutschland Prozess zu beschleunigen. hat,
den vergangenen
Jahren vorgestellt erleben, dass andere, neue Organisatio-
noch vielen nicht. Was nicht. Jedenfalls
im Hälfte tat sich bisher schwer sich heute als vollständig nen auftauchen.“ Abgeschobenen in
staat Guerrero einen Bundes- hauptstädte eingenomme aller Provinz- nem unbürokratis mit ei- darstellen.“ absurd britischen Dies wird auch ihrer Heimat drohen
Auftrags- zweitgrößten Stadt n. Nach der chen Verfahren. Regierung befürchtet. in der klar, nur so viel steht würde, ist nicht

Zu: „Unser gebrochenes Versprechen“

mörder auf den Journalisten Die
Kandahar in der Frage, wie mit den Ortskräften zu Der pensionierte
US-Vier-Sterne-Ge- rornetzwerk al-Qaida werde „wahrschein-
Das Ter- das alles andere fest: Sie würden

ANJA HARIG, PER MAIL

angesetzt haben soll. Nacht und der wichtigen ren ist und wie verfah- neral Joseph als beneidenswerte
die lich“ zurückkomm

Unvorstellbare vorzustellen, um zu führt, hat hier den Schutt einer völlig

Zuvor Stadt Laschkar- Visavergabe Votel warnte Schicksal

und derer, die sich nicht impfen lassen

hatten Sicherheitskr gah am Morgen eroberten soll, wurde seit Wochen laufen mit WELT: im Gespräch unsere en und „für uns und ihrer daheim gebliebenen
äfte auf Pul-i-Alam in der die Taliban mit diskutiert. Daran „Ich bin mir sicher: Interessen eine Bedrohung Landsleute teilen.
Befehl desselben Provinz Logar eine gab es teils scharfe tan wird alten Afghanis- stellen“, dar- Was jedoch denen
Beamten Kritik. sagte droht, die für Deutschland
billagas Haus durchsucht. Zu- vinzhauptstadt nur Pro- Maas rief alle Deutschen al-Qaida und dem
Organisationen
wie Wallace dem Verteidigungsminister Ben ihr Leben
Wie gefährlich die südlich von Kabul. rund 70 Kilometer sofort zu verlassen. auf, das Land ben. IS wieder Auftrieb
Das war schon 2011 ge- terte Staaten
Sender Sky News.
Geschei-
riskiert haben, wenn
die Taliban Ka-
Damit
für MedienschaffendeSituation ge, dass die Extremisten wächst die Sor- ge Zahl deutscher Eine hohe zweistelli- so, als wir den seien „Brutstätten“ bul nehmen, das
ist
xiko gegenwärtig in Me- der Hauptstadt mit schon bald vor
im Land. Auch andere
Staatsbürger sind
noch
se Art von Menschen“. für „die-
Die Entscheidung der Tod. Jetzt legt ziemlich klar –
ist, ihren zum Abzug der die deutsche Re-
jüngsten Morde an zeigen die nen Einwohnern stehen. rund vier Millio- sich auf die gierung eine bürokratisch

vom 9. August
Staaten US-Truppen habe
den Evakuierung ihres bereiten großes Problem“ „ein e Sorgfalt
listen Ricardo López Journa- sind dorthin geflohen. Viele Menschen personals vor. Botschafts- hervorgerufen. Im an den Tag, die es

entscheiden, welche Optionen aus- verkorksten Verteidigungs- und Außen-

gegenüber der wil-

können, ist eine Farce. Es geht nur

und Abra- Zur Absicherung kommen von Doha Ab- den Migration nach
ham Mendoza Mendoza. Als Konsequenz die US-Streitkräfte verlegen Regierung in Kabul: hatten die USA unter 2015 nie gab.
aus dem damaligen
Präsident der VereinigungLópez, der Taliban beschloss dem Vormarsch Soldaten an rund 3000 zusätzliche Präsidenten Donald Mehr noch, die damals
empört zu-
frei- die Bundesregie- den Flughafen in Kabul. Der Kampf geht Trump die Bedingungen rückgewiesen worden
er Journalisten in rung, das Personal Großbritanni Auch weiter für ihren Abzug wäre,
en mit handelte
Empalme sowie Chef
Guaymas und schaft in Kabul auf der deutschen Bot- Soldaten schicken. will rund 600 zusätzliche den Taliban ausgehandelt sich doch um eine
humanitäre Notla-
Afghanistans Vizepräsiden Die Lage der Menschen .
linemediums „InfoGuayma des On- mum“ zu reduzieren.das „absolute Mini- Nato-Mitglie Die Botschafter der t Am- ge. Worum bitte handelt
dsländer wollten rullah Saleh sagte, wird nach Einschätzung in Afghanistan Nun, um eine tödliche es sich jetzt?
wurde am 22. Juli s“, fort ein Unterstützun Es werde dazu so- Freitag über noch am im Präsiden-
tenpalast sei entschieden der Vereinten Falle.
die Sicherheitslage Nationen (UN)
Mendoza Mendoza,
erschossen. nische Hauptstadt gsteam in die afgha- Nach WELT-Inform beraten. worden, immer verzweifelter Es bleibt der Eindruck,

zuschließen sind, oder nur, um sich politik wegzuräumen, die inhaltlich nie
geschickt, sagte weiter der „Armee „Wir stehen kurz . mit den Vi-

darum, die Verfassung und damit unse-

Nachrich- ßenminister Heiko Au- ationen soll es am der Ignoranz vor sa jetzt ist es wie
tenchef des Senders Maas (SPD). Die Bot- 25. August eine Sondersitzung und des Terrors“, Katastrophe“, sagte einer humanitären mit dem ganzen Af-

Schlagseite
Radio, war drei Tage Voces schaftsmitarbeiter wärtigen Ausschusses des Aus- damit
die Taliban, entgegenzusmeinte er Flüchtlingshilfswerkseine Sprecherin des
ghanistaneinsatz.
Wir
ermordet worden. zuvor
würden
maschinen ausgeflogen. mit Charter- ter Teilnahme des Bundestags un- tragen, aber er blieb haben ihn ge-
Darin würden von Maas und Verteidi- Man werde den tehen.
Sicherheitskräften Frauen und Kinder UNHCR. Vor allem tik und mediale uns fremd. Poli-
auch afghanische gungsministerin alle nötigen Mittel
flüchteten vor den Sphäre folgten der
Ortskräfte, die für liban. Inzwischen Ta-
In Kooperation Bundeswehr oder die renbauer (CDU) Annegret Kramp-Kar- zur Verfügung sei Devise: Macht das
mit Bundesminis stellen. Es wird versorgung von etwa die Lebensmittel- kusch, aber was ihr da am Hindu-
REPORTER OHNE arbeitet haben, ausgeflogen. terien ge- sche Sprecher geben. Der außenpoliti- geschätzt, dass
rund 300.000 Sicherheitsk es einem Drittel der da macht, wollen
GRENZEN Zwei Char- kritisierte der FDP, Bijan Djir-Sarai, Bevölkerung nicht wir gar nicht
terflüge waren dafür und 60.000 Taliban-Käm räfte mehr sichergestellt, so genau
bis Ende des Monats den späten hieß es vom UN-Welternä uns mit euch öffentlich wissen. Und

doch auf den extrem unwahrscheinli- Wenn Sie von Ehre in der Politik verstanden hat, was Peter Strucks Ver-
le der Bundesregier Zeitpunkt: „Anstel-

re Grundrechte weiter mit schwammi-

gibt. Die afghanische pfer gramm. Allein zwei hrungspro- sehen lassen
ANZEIGE ung würde ich auch Armee Millionen Kinder auch nicht. Wie oft
zudem besser ausgerüstet. ist en auf Hilfe angewiesen. sei- aus Kundus in der saß ein Offizier
Siehe Kommentar tju/dpa/rtr/AFP Bundespressekon-
und Seiten 4, 5 ferenz? Zweierlei
Maß, wieder mal.
forum@welt.de

„Beginn einer Eisze

Ihre Post an: B

it im Sommer“

gen und nichtssagenden Maßnahmen chen Fall des Eintretens vorzubereiten. schreiben, fällt mir immer Uwe Bar- teidigungsdoktrin „Deutschlands Si-
ANZEIGE
undespräsident Frank-Walter
hat den Bau der Berliner Steinmeier Familien
Mauer vor 60 Jah- getrennt, sie hat Freunde
ren als „Zeugnis rissen, sie hat Begegnungen auseinanderge-
Scheiterns“ bezeichnet eines hoffnungslos unmöglich gemacht.“
en

DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,

und an die Opfer Der Bundespräsid
lung erinnert. „Die der Tei- beim Rückblick ent rief dazu auf,
Mauer es nicht
Zeichen eines Unrechtsstaawar das unübersehbare Mauer zu belassen. Die

Zu: „Das Unwissen der Experten“

und Erinnerung an
seiner eigenen Bürgerinnentes, der in den Augen „Freiheit Teilung bleibe eine Herausforder
ung.

Bei der jüngsten Flutkatastrophe hätte schels Ehrenwort ein. Ehre und Politik, cherheit wird auch am Hindukusch
und Bürger weder und Demokratie sind

auszuhebeln. Verhältnismäßig sollen

souverän noch legitim und nie ein für alle nie naturgegeben
vom Ende – das war. Im Grunde Mal erreicht. Freiheit
allerdings noch allzuder Anfang mokratie müssen erkämpft, und De-
sich warten ließ“, lange auf schützt, dann aber auch ge-
sagte er beim zentralen verteidigt und erhalten

Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: forum@welt.de

ken in Berlin. Steinmeier Geden- werden.“
1961 den „Beginn nannte den 13. August ge mit der Beteiligung an demokratisch Das fan-
an. „Wahlen, die en
einer
mer“. In den 28 Jahren Eiszeit mitten im Som- stand, die Mauer und das, Wahlen
ihres Bestehens habe so lange so wofür sie

vom 10. August

Mauer viel Leid über
Menschen gebracht: die alle daran, wenn vielen verwehrte. Denken Sie
bald ein neuer Bundestag

dieses Vorgehen vermutlich geholfen. das ist in etwa so wie die Waage der verteidigt“ bedeutete. „Schaufens-
„Sie hat wird.“

die Maßnahmen sein, aber wer be-

gewählt
dpa/epd
DIE WELT, Axel-Springer-Stra Seiten 3 und 30
deutschen Wertpapierbörsen. ße 65, 10888 Berlin, Redaktion:
anzeigen@welt.de Tel. 030 / 25 91 Brieffach 2410
0 Fax 030 / 25 Täglich weltweit
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Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser

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Tablet. Attraktive CZK / DK 35,00 188-32
finden Sie auf welt.de/digital AngeboteE 4,10 & (Cont.) DKK / ZKZ 7109

Übrigens gibt es die im Kommentar Justitia oder der Spruch: Vor Gericht terpolitik“ zielte immer nur darauf,
oder auch mit / I.B. 4,00 & / I.C.

stimmt darüber? Alle haben erwartet,

den neuesten Tablets F 4,30 & / I 4,10 4,10 & /
auf welt.de/bundle. & / L 4,00 & /
NL 4,10 & / P 4,10
& / PL 18,00 PLN
/ SK 3,90 &
??/DW/DWBE-HP
14.08.21/1/TIBE BKRAEMER

wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen

dass die MPK endlich tragbare Krite- Die Präsentation extremer Klimaszena- angesprochene politische Schlagseite und auf hoher See ist der Ausgang von einer sogenannten Mehrheit gewis-
5% 25% 50% 75% 95%

uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das

rien für einen angemessenen Umgang
mit der Pandemie beschließt. Es ist
bitter, dass Aufgrund des Wahlkampfes
weiter an alten Vorgaben festgehalten
wird. Wenn diese Verlängerung kommt,
rien – eine entscheidende Schlagseite Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der
der Summary for Policymakers tatsäch- höchst ungewiss. Das Treiben der west- ser Milieus Applaus zu bekommen. Mit
des Klimaberichts, wie Axel Bojanowski sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei lich. Jeder Satz, jedes Wort und jede lichen Politik in Afghanistan erinnert staatspolitischer Verantwortung, auch
in seinem Kommentar konstatiert? uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage, Abbildung werden so lange diskutiert an Erich Maria Remarques Roman „Im Partnern im Ausland gegenüber, hatte
Tatsächlich äußert sich der IPCC im jede einzelne Zuschrift zu beantworten. und weichgespült, bis auch die Delega- Westen nichts Neues“. Dort stirbt Paul dies leider nie etwas zu tun.
ersten Teil eines Sachstandsberichtes tionen der Regierungen, die kein so Bäumer im Ersten Weltkrieg „an einem DR. DETLEF RILLING, SCHARBEUTZ

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4 POLITIK
„Hysterie um das ,N-Wort‘
bringt uns nicht weiter“
Der grüne Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, von
Dassel, findet Identitätspolitik schade seiner Partei
S
tephan von Dassel ist seit fast
vier Jahrzehnten Mitglied der
Grünen. In der Berliner Politik –
auch in seiner Partei – wird er gerne
„Mini-Palmer“ genannt. Wogegen er
sich verwahrt. Aber warum eckt der 54-
Jährige auch in den eigenen Reihen im-
mer wieder an?
VON THOMAS SCHMOLL
WELT: Herr von Dassel, finden Sie die
ständige Kritik an Grünen-Kanzler-
kandidatin Annalena Baerbock ei-
gentlich nachvollziehbar?
STEPHAN VON DASSEL: Ich denke:
Jetzt muss mal wieder gut sein. Wir er-
leben gerade bei Baerbock, dass ständig
aus dem Zusammenhang gerissene Aus-
sagen oder Petitessen zu Schlagzeilen
gemacht werden. Das finde ich nicht
gut.
PICTURE ALLIANCE/DPA/XAMAX
Stephan v. Dassel (Bündnis 90/Die Grünen)
Und wie ist es mit Tübingens grünem
Oberbürgermeister Boris Palmer? Er
schafft es auch, dass das Land drei
Tage über einen seiner Postings dis-
kutiert.
Das ist erstaunlich. Immerhin hat man
bei ihm stets die Originalquelle als Dis-
kussionsgrundlage. Er macht mutige
Kommunalpolitik, die ich inhaltlich
nicht immer teile, und ist als Oberbür-
germeister mit zwei Dritteln wiederge-
wählt worden, was man erst einmal
schaffen muss. Aber ich stelle infrage,
ob es sein muss, um Mitternacht auf Fa-
cebook Statements abzugeben zu The-
men, die nicht in seinen Beritt fallen.
Mitleid mit Palmer habe ich nicht.
Mit Baerbock aber schon? Muss man
das nicht aushalten, wenn man Kanz-
lerin werden will?
Na klar. Das tut sie ja auch. In Amerika
wäre das anders gelaufen. Da hätte man
sie drei Monate durch die Mangel ge-
dreht und detektivisch geschaut, wo sie
angreifbar sein könnte. Da waren wir
Grünen blauäugig. Allerdings gehört
zur Demokratie nicht nur politische
Teilhabe, sondern auch Meinungsfrei-
heit. Ich denke, wir Politiker müssen
uns auch das anhören, was wir nicht so
toll finden.
Ist das bei der anstehenden Umbe-
nennung der Mohrenstraße in Ihrem
Bezirk ausreichend getan worden?
Der Vorgang ist hochpolitisch und vol-
ler Symbolkraft. Man kann ihn nicht
mit einem Kompromiss beenden. Ent-
weder man benennt die Straße um oder
nicht. Es gibt Menschen, die fühlen
sich von dem Begriff „Mohr“ schwer
getroffen, andere nicht. Weiße wissen
nicht, wie es ist, ständig rassistisch be-
leidigt zu werden, wenn etwa jemand
vor einem auf die Straße spuckt. Auch
das muss man in der Debatte vor Augen
haben.
Wie ein begeisterter Mohrenstraßen-
Umbenenner klingen Sie aber nicht
gerade ...
Für mich ist der Begriff, den es seit
mehr als 250 Jahren gibt, nicht negativ
besetzt, aber für viele Betroffene
schon. Wenn Straßen nach Kolonialver-
brechern benannt sind, die sich in Afri-
ka bereichert, Tausende getötet und ein
menschenfeindliches Weltbild hatten,
ist das sicherlich eindeutiger.
Baerbock hat sich neulich bei ihrer
Partei entschuldigt, weil sie das „N-
Wort“ gebraucht hat. Der von ihr be-
richtete Fall, dass offenbar ein Lehrer
den Begriff dahinter beim Gespräch
mit Kindern verwendete, spielte
überhaupt keine Rolle.
Das Geschrei um Baerbock ist absolut
lächerlich gewesen. Wenn einem
schwulen Paar „He ihr alten Schwuch-
teln“ hinterhergerufen wird, soll ich
dann vom S-Wort sprechen? Das
Schimpfwort muss doch klar benannt
werden, wenn man über Diskriminie-
rung reden will. Dass wir zum Beispiel
Schokoküsse heute bewusst anders
nennen, ist völlig richtig. Aber diese
Hysterie um das „N-Wort“ bringt uns
nicht weiter, und wir verlieren die, die
bereit sind, über ihre Sprache nachzu-
denken.
Glauben Sie, dass die Identitätspoli-
tik der Grünen Ihrer Partei schadet?
In dieser Form: ja. Wir riskieren, dass
fünf Prozent sagen, toll, dass ihr poli-
tisch korrekt sprecht – aber 95 Prozent
meinen: Gibt es nichts Wichtigeres?
Diese Fragen dürfen doch die zentralen
Fragen unserer Zeit nicht überlagern.
Damit meine ich nicht allein den Klima-
wandel, sondern auch das Thema sozia-
le Gerechtigkeit. Langzeitarbeitslose
und Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt
spielen bei uns Grünen eine zu geringe
Rolle.
Und Sie wundern sich ernsthaft, dass
Sie in den eigenen Reihen als „Mini-
Palmer“ bezeichnet werden?
Ich will nicht, dass wir Wählerinnen
und Wähler in der Mitte der Gesell-
schaft verlieren, sondern breite Schich-
ten ansprechen. Wir sind eine Gesell-
schaft: Ein schwarzer Single muss auch
für eine weiße Familienmutter, schwule
Männer auch für alleinerziehende Frau-
en sprechen können. Sonst ist reprä-
sentative Demokratie nicht mehr mög-
lich, und wir verlieren das Gefühl, dass
es nicht nur um unsere eigenen Interes-
sen geht. Ideenwettbewerb hilft uns
weiter als Dogmatismus. Übrigens: Ge-
gen die Bezeichnung als „Mini-Palmer“
verwahre ich mich.
Ideensuche bringt heutzutage immer
heftigen Streit mit sich. Kann man
noch Politik machen, die die aller-
meisten Menschen begrüßen?
Nein, das ist unmöglich. Bürgerbeteili-
gung hat ihre Grenzen. Und muss sie
auch haben. Nehmen wir die Einfüh-
rung der Parkraumbewirtschaftung.
Die Vorteile sind: weniger Pendelver-
kehr, geringerer Schadstoffausstoß und
mehr Platz für Anwohnende. Deshalb
haben wir sie. Als ich das Zutrittsverbot
des James-Simon-Parks wegen nächtli-
cher Partys mit Alkoholexzessen und
Gewalt verhängt habe: Wen hätte ich
fragen sollen? Die Jugendlichen? Die
Anwohnenden? Die Touristen? Die Res-
taurants nur direkt am Park, in der un-
mittelbaren Nähe oder auch der weite-
ren Umgebung? Die Polizeikräfte, die
angegriffen worden sind? Geht nicht.
Ich bin gewählt und muss den Mut ha-
ben, zu entscheiden – im Bewusstsein,
falsch liegen zu können.
Sie haben in der Diskussion um die
Schließung des Parks eine Frage der
Metaebene aufgeworfen: „Wem ge-
hört der öffentliche Raum Berlins?“
Haben Sie eine Antwort?
Zuerst müssen wir zwischen Interessen
der Bevölkerung und der Privatwirt-
schaft differenzieren. Ein Beispiel: Wir
in Mitte haben von Anfang an gesagt:
Wir müssen von den kommerziellen
Anbietern der Elektroroller Geld für
das Abstellen auf dem öffentlichen
Straßenland verlangen. Denn nur dann
wird das Angebot auf ein sinnvolles
Maß reduziert, und die Gehwege wer-
den wieder frei. Das sieht der Senat
jetzt endlich auch so.
Und wie ist es bei den sozialen Grup-
pen, etwa Obdachlosen?
Mein Ansatz heißt: Eine Stadt für alle.
Wir haben Kinderspielplätze in unmit-
telbarer Nähe zu Obdachlosen, Trin-
kern und sogar Drogensüchtigen. Dage-
gen laufen Eltern Sturm. Aber auch die-
se Menschen brauchen ihren Platz im
öffentlichen Raum. Umgedreht gilt das
aber auch: Wir haben an einer Biblio-
thek einen Leseplatz eingerichtet, an
dem Alkohol verboten ist. Nun mussten
wir uns anhören, Menschen auszugren-
zen, die gerne Bier und Schnaps trin-
ken. Nein, wenn wir die Trinker zulas-
sen, grenzen wir Eltern und Kinder aus,
die dort gerne ein Buch lesen möchten.
Politik darf sich nicht nur auf Problem-
gruppen fokussieren – die armen Alko-
holiker, die armen Drogensüchtigen –,
sondern auch die armen Kinder, die ar-
men Eltern, die sich Sorgen machen,
dass ihre Kinder in Drogenspritzen
greifen. Aber wenn alle an einem Strang
ziehen, bleibt man in der Mitte und
wird hoffentlich auch allen gerecht.
* DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
„Hauptsache nicht LASCHET“
Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock macht Wahlkampfstation in ihrem Heimatort, der Kandidat
I
der SPD, Scholz, in Bochum. Auf der Bühne und davor ist politische Gegner klar definiert: die Union
n Pattensen sind die Fronten zwi- Scholz die Sozialdemokratie langsam, sei „authentisch und dynamisch“, sie der Kandidatin ersetzt werden. Gruß-
schen SPD und Grünen längst ge- aber stetig nach oben zieht, hängt Baer- könne „die Leute mitnehmen und moti- worte wie das der Vorsitzenden der
klärt. Die Sozialdemokratin Ramo- bocks Kandidatur den Grünen spätes- vieren“ und habe „coole Ideen“. Ihr ge- Grünen in der Region Hannover, Anne
na Schumann ist die gemeinsame tens seit ihrer verunglückten Buchver- schönter Lebenslauf, die Plagiatsvor- Dalig, kommen da wie gerufen. Sie kün-
Bürgermeister-Kandidatin der bei- öffentlichung wie ein mittelschwerer würfe, der Absturz in den Umfragen digt Baerbocks Auftritt wie folgt an:
den Parteien. Ihre Chancen, bei der Mühlstein um den Hals. sind auf dem Rasen des Schützenplat- „Wir möchten, dass du unsere zukünfti-
Kommunalwahl in vier Wochen wieder- Die beiden wichtigsten strategischen zes kein Thema; und wenn doch, dann ge Bundeskanzlerin bist. Wir möchten
gewählt zu werden, stehen gut. Insofern Ziele der Partei scheinen inzwischen werden sie nicht der Kandidatin zuge- einen Wechsel. Wir brauchen einen
fällt es der 41-Jährigen leicht, Annalena unerreichbar. Der von Baerbock und ih- schrieben, sondern als Ausdruck der Wechsel. Wir brauchen dich.“
Baerbock Komplimente zu machen. rem Co-Parteichef Robert Habeck ange- Kampagnenkraft des politischen Geg- So ganz wird Annalena solch hohen
„Ich traue ihr die Kanzlerschaft auf je- kündigte Versuch, die Partei über ihr ur- ners, womöglich auch von Frauenfeind- Erwartungen dann allerdings auch in
den Fall zu“, sagt Schumann. „Genauso eigenes Milieu hinauswachsen zu las- lichkeit gewertet. „Ich finde das bedau- Pattensen noch nicht gerecht. In Ihrer
wie ich es Olaf Scholz zutraue. Hauptsa- sen, wird absehbar ebenso scheitern wie erlich“, sagt zum Beispiel Claudia Küh- Wahlkampfrede mäandert sie wie zuvor
che nicht Armin Laschet.“ Na also, geht jener, die SPD als führende Kraft des nemann aus dem zu Pattensen gehören- schon in Hannover, Bremen oder Pinne-
doch. linksliberalen Lagers abzulösen. Statt- den Jeinsen, aber Deutschland sei „of- berg ein wenig unsortiert und höhe-
dessen laufen die Grünen Gefahr, auf fenbar noch nicht soweit“, dass es eine punktslos durch die grünen Lieblings-
VON ULRICH EXNER ihre alte Funktion als moralingesättigte Frau wie Annalena Baerbock zur Kanz- themen Klimawandel, Kindergrundsi-
„Öko-App“ der Berliner Republik zu- lerin wähle. cherung und den Ausbau der sozialen
Es ist ohnehin ein Heimspiel für An- rückzufallen. Das kann dann, wenn es Annalena Baerbock selbst erwähnt Infrastruktur. Für deren Finanzierung
nalena Baerbock an diesem Sonnabend günstig kommt am 26. September, rei- den verstolperten Start ihrer Kanzler- wollen Baerbock und die Grünen eine
Nachmittag auf dem Schützenplatz von chen für 15 Prozent und ein paar Minis- kandidatinnen-Kampagne mittlerweile Steuer von einem Prozent auf jedes
Pattensen, einer Kleinstadt vor den To- terien. Die ganz großen Pläne aber, die nicht mehr bei ihren Auftritten. Die Zeit Pro-Kopf-Vermögen von mehr als zwei
ren Hannovers. Die Kanzlerkandidatin hätten sich dann erledigt. In Pattensen des vielfachen Entschuldigens für die Millionen Euro einführen. Ob die so ge-
persönlich hat den Ort als achte Station allerdings, auch an den anderen Statio- eigene Fehlerkette ist vorbei. Die nerierten Einnahme dann tatsächlich
auf die Route ihrer großen Wahlkampf- nen dieser Wahlkampftournee, da glau- Schwächen der vergangenen Wochen, dafür ausreichen würde, kommunale
Tournee gesetzt. „Weil‘s mir wichtig ist. ben die Anhänger der Grünen natürlich so hoffen ihre Kampagnenplaner, sollen Schwimmbäder, Kitas und Schulen
Weil‘s meine alte Heimat ist“, wie sie trotzdem noch fest daran. im weiteren Lauf des Wahlkampfs lang- nicht nur in Pattensen, sondern bun-
gleich zu Beginn ihrer 15-minütigen Re- Die 300 Zuschauer, darunter auch sam aber sicher aus dem kollektiven Ge- desweit so in Schuss zu halten, dass die-
de berichtet, „hier bin ich geboren, hier viele Mitglieder der Grünen aus den dächtnis der Wählerinnen und Wähler se „wieder zu den schönsten Orten in
lebt meine Familie, hier habe ich ge- Nachbargemeinden sind voll des Lobes verdrängt und durch Bilder von gelin- unserem Land gehören“, wie Baerbock
lernt, was wichtig ist im Leben.“ für „ihre“ Kanzlerkandidatin. Baerbock genden TV- und Wahlkampf-Auftritten ankündigt, wird vorerst öffentlich nicht
Und im Übrigen, na klar, ein bisschen durchgerechnet. Zweifel dürften aber
Zuspruch kann die grüne Spitzenkandi- erlaubt sein.
datin natürlich auch gebrauchen in die- Noch wichtiger als der Erhalt der
sen Tagen, in denen es nicht wirklich Heimspiel: Annalena Baerbock in Pattensen kommunalen Schwimmbäder ist für Ba-
rundläuft für Baerbock, für die Grünen. erbock allerdings, „dass man im Som-
Ganz im Gegenteil. Unmittelbar vor Be- mer überhaupt noch rausgehen kann
ginn der in diesem Jahr pandemiebe- (…) dass meine Kinder, wenn sie so alt
dingt besonders wichtigen Briefwahl- sind wie ich, auch noch in der prallen
phase in der kommenden Woche, droht Sonne stehen können.“ Klimaschutz, so
die Partei in den Umfragen erstmals die Kanzlerkandidatin, müsse deshalb
wieder hinter die SPD zu rutschen – künftig „eine Querschnittsaufgabe der
oder ist es bereits. Bei den jüngsten Er- gesamten Bundesregierung“ sein. „Die
hebungen liegen die beiden Parteien Bundestagswahl ist eine Klimawahl“,
bundesweit zwar sonst meist noch sagt Baerbock und stellt dann ihre alte
gleichauf, aber anders als bei den Grü- Trampolin-Lehrerin vor, die auch im
nen zeigt der Trend bei den Sozialde- Publikum sitzt. „Verlässlich, ehrgeizig,
mokraten bergauf. zielstrebig, diszipliniert“, sei Baerbock
Schlimmer noch: Baerbocks persönli- in ihrer Zeit als Trampolin-Sportlerin
che Umfrage-Daten verharren seit Wo- gewesen, so Dorothee Christlieb, die
chen im Keller. Die grüne Kandidatin die Kanzlerkandidatin zwölf Jahre lang
steht bei der Kanzlerfrage trotz der bis- trainiert hat. Sie sei eine sehr gute
her ebenfalls schwachen Performance Trampolin-Springerin gewesen, die vie-
DPA/JULIAN STRATENSCHULTE
des Unionsrivalen Armin Laschet abge- le Erfolge erzielt habe – jedenfalls für
schlagen auf dem letzten Platz. Der Ab- einen so kleinen Verein wie den TSV
stand zum SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Pattensen. Ob sie ihrem früheren
Scholz ist mittlerweile so groß, dass Schützling in der Politik, bei der kom-
selbst in der grünen Parteizentrale in menden Bundestagswahl vielleicht ei-
G
Berlin nicht mehr jeder und jede an eine nen noch größeren Sprung zutraut – da-
gelingende Aufholjagd glaubt. Während zu äußert sich Christlieb nicht.
anz am Ende wagt Olaf die Landesregierung keinen Plan habe.
Schol die Attacke auf die „Laschet schafft es in Nordrhein-West-
Union. Der SPD-Kanzler- falen nicht. Vertraut ihm nicht die gan-
kandidat steht auf einer ze Republik an. Wenn der Kanzler wird,
Bühne in Bochum. Scholz kommt wir nicht voran“, so Kutschaty.
ist Hanseat, leise, ruhig, kühl, distan- Überhaupt Klimaschutz, SPD und
ziert, doch jetzt versucht er einen Ge- Grüne klingen da mitunter sehr ähnlich.
fühlsausbruch, eine öffentliche Empö- Bundesumweltministerin Svenja Schul-
rung. „Es ist so lächerlich, aber es ist ze fordert in Bochum Solaranlagen auf
gleichzeitig gefährlich, und deshalb sage jedem Dach und einen verstärkten Aus-
GETTY IMAGES/ POOL
ich ausdrücklich: Eine weitere von bau von Windrädern. Klingbeil sagt, der
CDU/CSU geführte Bundesregierung Klimaschutz gehöre „ins Kanzleramt.“
kostet Deutschland Wohlstand, Arbeits- Co-Parteichef Walter-Borjans sagt
plätze und Zukunft“, sagt er ungewohnt zwar, dass SPD und Grüne gemeinsam
laut. viel umsetzten könnten, kritisiert aber
Kämpferisch: Olaf Scholz attackiert in Bochum die Union die grünen Ambitionen aufs Kanzler-
VON KRISTIAN FRIGELJ amt: „von null auf hundert in die Regie-
rungszentrale einer der größten Wirt-
Seine letzten Worte gehen im Ap- schaftsnationen dieser Welt ist ein Ex-
plaus unter. Es ist der lauteste Jubel für unterscheiden sie sich, und Unterschie- SPD im Ruhrgebiet die heiße Wahl- periment, das ich nicht gut fände.“
ihn an diesem Tag. Dann wird Scholz de sind jetzt wichtig, wenige Wochen kampfphase einläutet. In der alten In- In der Rede von Kanzlerkandidat
wieder ganz leise und schiebt hinterher: vor der Wahl. In der Union herrscht lau- dustrieregion für Kohleabbau und Scholz kommt Klimaschutz vor, aller-
„Die verstehen nichts von Wirtschaft.“ te Unzufriedenheit über Laschets Wahl- Stahlproduktion besaß die Sozialdemo- dings ist er nur ist ein Aspekt von vie-
Der Bundesfinanzminister ist im An- kampf und dessen Ausrutscher, bei den kratie über Jahrzehnte ihre politischen len. Vor allem betont der Hanseat in Bo-
griffsmodus, 44 Tage vor der Bundes- Grünen ist nach den Diskussionen um Hochburgen. Viel ist davon nicht mehr chum immer wieder „Zusammenhalt“
tagswahl. Die heiße Phase des Wahl- Baerbocks Lebenslauf und Buch der übrig. Gerade hier hat die SPD hat be- und „Solidarität“. Es geht ihm ums So-
kampfs hat begonnen. Der Doktor-Lu- große Anfangsschwung raus. Laschet sonders gelitten. ziale. Den Mindestlohn von 12 Euro will
er-Platz im Zentrum von Bochum ist am und Baerbock stehen im Gegenwind, In Bochum ist der Oberbürgermeis- er im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft
Samstagmittag voll mit Menschen. Scholz hingegen verspürt Auftrieb. ter noch ein SPD-Mann Oberbürger, realisieren. Scholz fordert Mietpreis-
Mehrere Hundert Anhänger sind ge- Die politische Ausgangslage sorgt für und der VfL Bochum ist wieder in die bremsen, bezahlbares Wohnen, den Bau
kommen. Sie stehen schwitzend vor der große Geschlossenheit im SPD-Lager. erste Fußballbundesliga aufgestiegen. von jährlich 400.000 Wohnungen und
Bühne, dichtgedrängt und mit Masken. Das ist auch in Bochum zu spüren. Ehe Reichlich Symbolkraft für die geschun- eine Perspektive für Arbeitnehmer,
Franz Müntefering, der große Kurzsatz- Scholz die Bühne betrifft, dürfen die dene Seele der SPD. Es ist auch eine „sich vielleicht ein kleines Häuschen ab-
Poet der Sozialdemokratie, würde wohl Parteichefs Saskia Esken und Norbert Provokation mit Blick auf Laschets zusparen, das muss in diesem Land
sagen: „Himmel blau, Sonne brennt, Walter-Borjans reden. Sie loben den schwarz-gelbe Landesregierung. La- möglich sein“.
Partei gut, Glückauf“. Spitzenkandidaten ein ums andere Mal, schets Wahlsieg 2017 hat die SPD Scholz will eine stabile Rente weit
Nach vielen Jahren des Niedergangs obwohl die beiden und Scholz inhaltlich schwer getroffen. über 2025 hinaus und an der Rente mit
und einer Scheineuphorie 2017 über den durchaus andere Akzente setzen. Die nächste Landtagswahl ist für den 67 Jahren festhalten: „Wir wollen keine
damaligen Kanzlerkandidaten Martin „Ich bin froh, dass Olaf Scholz unser 15. Mai 2022 angesetzt, knapp acht Mo- weitere Steigerung des Renteneintritts-
Scholz befindet sich die malade SPD Kanzlerkandidat ist. Er hat Kompetenz, nate nach der Bundestagswahl. Vom alters.“ Steuerentlastungen für Reiche
plötzlich im Aufwind, liegt in ersten Durchsetzungskraft, er hat Erfahrung. Wahlausgang im Bund erhofft sich die seien „nicht nur unfinanzierbar, das ist
Umfragen gleichauf mit den Grünen. Gerade in Krisenzeiten ist auf Olaf im- SPD auch Rückenwind für das bevölke- unsolidarisch, unmoralisch“. Vertrauter
Und Scholz liegt in der Kanzlerfrage mer Verlass“, schwärmt Esken gerade- rungsreichste Bundesland. Der neue SPD-Sound – Scholz klingt so, wie es die
deutlich vor Armin Laschet und Annale- zu. Zum Schluss sagt sie noch. „Geht SPD-Landeschef Thomas Kutschaty SPD traditionell gern hat. Bei aller
na Baerbock. „Ich bin ganz gerührt, das jetzt raus und sagt den Leuten: Olaf darf auch auf die Bühne in Bochum. Der Übereinstimmung bleibt ein Problem:
muss ich auch sagen, von den Umfra- Scholz kann Kanzler.“ Es soll ein Aufruf Moderator Lars Klingbeil, im Hauptjob Scholz steht in Umfragen persönlich
gen“, sagt Scholz in Bochum. Er klingt sein, aber es fehlt das Feuer, die Aufwal- SPD-Generalsekretär, begrüßt Kutscha- wesentlich besser da als die SPD. Des-
dabei ganz nüchtern. lung. Walter-Borjans und Esken sind, ty als den „nächsten Ministerpräsiden- halb sagen Sozialdemokraten in Bo-
Mit seinem Understatement bildet ebenso wie Scholz, keine mitreißenden ten von NRW“. Kutschaty dient als chum: Die große Aufgabe von Olaf
Scholz einen klaren Gegenpart zu dem Redner. Die Bühne rocken sie damit Hauptzeuge für Laschets Versäumnisse Scholz in den nächsten Wochen werde
oftmals fahrigen, nervösen Unions- nicht, dennoch gibt es soliden Applaus. im Land. Vor allem beklagt Kutschaty es sein, die eigene Popularität auf seine
kanzlerkandidaten Laschet. Auch darin Es gehört zur Parteifolklore, dass die Rückstände beim Klimaschutz und dass Partei zu übertragen.
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DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
M
artin Hikel (SPD) hat
kürzlich große, knallgel-
be Preisschilder drucken
lassen, auf denen in
Schwarz „€ 375“ steht.
Die Schilder verteilte der Bezirksbürger-
meister von Berlin-Neukölln mit dem
Lastenrad in seinem verwahrlosten Vier-
tel – auf illegal abgeladenem Sperrmüll.
„€ 375“ für das Sofa am Straßenrand,
„€ 375“ für die kaputte Waschmaschine
im Gebüsch neben der fleckigen Matrat-
ze: So viel kostet die Stadt und damit den
Steuerzahler jeder einzelne, wilde Müll-
haufen, der mühsam weggeräumt wer-
den muss.
VON HANNELORE CROLLY
Das ohnehin klamme Neukölln musste
2020 mehr als 1,2 Millionen Euro dafür
ausgeben, knapp 11.000 Kubikmeter ille-
galen Sperrmüll zu entsorgen. Das ent-
spricht einem Berg von je 20 Metern Hö-
he, Länge und Breite. Und Berlin steht
nicht allein. Bundesweit ist wilder Müll
und Verwahrlosung ein Problem, schon
vor Corona, aber die Lage hat sich weiter
verschärft. In Potsdam etwa fielen 2020
mit über 573 Tonnen fast 220 Tonnen
mehr illegal abgelagerter Müll an als 2019,
die Entsorgungskosten dafür stiegen um
64.000 auf 176.000 Euro.
In Darmstadt steigerte sich die illegale
Müllentsorgung binnen 16 Monaten um
mehr als 50 Prozent. In Ludwigshafen
haben sich die Fallzahlen zwischen 2007
und 2020 nahezu versiebzehnfacht.
Frankfurt am Main muss mittlerweile
rund 3000 illegale Abfallablagerungen im
Jahr beseitigen, Tendenz steigend.
Die Polizei vermutet, dass immer
mehr angebliche Entsorger ihre Dienste
im Internet kostengünstig anbieten, die
Abfälle dann aber einfach illegal abla-
den. Bei Düsseldorf etwa nahm die
Wildkamera eines Jägers zufällig auf,
wie zwei Männer aus einem Kastenwa-
gen Elektroschrott und Kartons auf eine
Wiese kippten. In dem Haufen fand sich
eine Adresse, doch der Mann lebte dort
nicht mehr. Seine Angehörigen hatten
den Abfall von Schrottsammlern abho-
len lassen, und diese entsorgten ihn ein-
fach in der Natur.
Auch weil der Datenschutz Überwa-
chungskameras nur unter ganz be-
stimmten Umständen zulässt, werden
nur wenige Müllsünder ertappt. Eine
Aktion wie in der tschechischen Grenz-
stadt Aussig wäre in Deutschland un-
denkbar: Dort hatten die Behörden an
einer wilden Müllhalde eine Fotofalle in-
stalliert und die Aufnahmen auf Face-
book veröffentlicht.
In Ludwigshafen dagegen stieß Ober-
bürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD)
vor allem auf Skepsis beim rheinland-
pfälzischen Datenschutzbeauftragten,
als sie den Wunsch nach einer breiter
angelegten Überwachung ihrer zuneh-
mend zugemüllten Stadt äußerte. „Mei-
ne Begeisterung hält sich in engen Gren-
zen“, ließ Dieter Kugelmann wissen. Das
war im Dezember vorigen Jahres. Seit-
her versucht man im Rathaus, ein Kon-
zept zu erarbeiten, das Kugelmann über-
zeugt.
Manchmal hat die Polizei aber auch
Glück, in Gießen etwa, wo im April ein
Ehepaar überführt wurde, das 400 Kilo-
gramm Abfall im Wald abgeladen hatte.
Die beiden wurden durch Dokumente im
eigenen Müll überführt, das Bußgeld fiel
mit 10.500 Euro saftig aus. Doch die Ab-
Was Sie jetzt über die Briefwahl wissen müssen
Am Montag werden die ersten Unterlagen verschickt. Welche Auswirkungen könnte das auf das Ergebnis haben? Und wie sicher ist das Verfahren?
E
xperten erwarten, dass der Anteil
der Briefwähler bei der Bundes-
tagswahl höher sein wird als je
zuvor. Ab Montag werden die ersten
Wahlunterlagen verschickt. WELT gibt
Antworten auf die wichtigsten Fragen.
VON ANNA PARRISIUS
Wie funktioniert die Beantragung der
Wahl per Brief?
Schon seit einigen Tagen können
Wähler die Unterlagen in der Gemeinde
ihres Erstwohnsitzes beantragen. Noch
vor der Wahlbenachrichtigung kann
dies direkt vor Ort geschehen; viele
Kommunen ermöglichen es auch on-
line. Andernfalls können Wähler ihre
Wahlbenachrichtigung abwarten, die ab
dem 16. August verschickt wird.
Auf deren Rückseite findet sich ein
Vordruck, den man ausgefüllt zurück-
senden muss. Laut Bundeswahlleiter
finden sich auf manchen Wahlbenach-
richtigungen QR-Codes für eine Bean-
tragung. Wer möchte, kann die Unterla-
gen auch persönlich abholen.
Bis wann ist die Briefwahl möglich?
Sie kann bis zum Freitag vor dem
Wahltag beantragt werden. Die Unterla-
Die Entsorgung von illegalem Müll ist teuer – und politisch gefährlich. Die Vernachlässigung
des öffentlichen Raumes kann das Vertrauen der Bürger in den Staat ins Wanken bringen
Deutschlands
Städte
VERMÜLLEN –
mit gravierenden
Folgen
schreckung war offenbar gering. Im städ-
tischen „Mängelmelder“ von Gießen gibt
es in der Rubrik „Wilde Müllkippe, Sperr-
müll, Scherben“ immer noch fast täglich
neue Einträge.
Doch die Gesellschaft bekomme die
schädlichen Folgen von Verwahrlosung
und Müll nicht nur am Geldbeutel und
auch der Gesundheit zu spüren, warnt
der Präsident des baden-württembergi-
schen Landeskriminalamts (LKA), An-
dreas Stenger. Der langjährige Polizei-
chef von Mannheim ist überzeugt: Eine
heruntergekommene Umgebung beein-
trächtigt das Sicherheitsempfinden der
Menschen – und damit das Vertrauen in
den Staat.
gen müssen jedoch bis zur Schließung
der Wahllokale am Sonntag, dem 26.
September, eingehen. Stimmzettel, die
später eintreffen, werden nicht mehr
gezählt. Der Bundeswahlleiter emp-
fiehlt, die Unterlagen „spätestens am
dritten Werktag vor der Wahl“ bei der
Post abzugeben.
Wie viele Briefwähler könnte es in
diesem Jahr geben?
Seit Einführung der Briefwahl 1957
steigt die Quote der Briefwähler kon-
stant an, das zeigen Daten des Bundes-
wahlleiters. Bei der Bundestagswahl
2017 lag sie bei 28,6 Prozent. Robert
Vehrkamp, Demokratie-Experte der
Bertelsmann-Stiftung, hätte daher
schon ohne Pandemie mit einer Steige-
rung auf etwa ein Drittel der Gesamt-
wählerschaft gerechnet. Jetzt geht er
sogar von einer Quote von „mindestens
40 Prozent“ aus. Sollte sich die Corona-
Infektionslage bis Ende September zu-
spitzen, könnte sie sogar „über 50 Pro-
zent liegen“. Die jüngsten Landtags-
wahlen legen nahe, dass es so kommen
könnte. So stieg in Baden-Württemberg
der Anteil der Briefwähler von 21,1 auf
51,5 Prozent, in Rheinland-Pfalz von
30,6 auf 66,5 Prozent.
POLITIK 5
sächlich die Zahl von Normbrüchen oder
kleineren Gesetzesverstößen zunimmt.
Abfall wird dort eher fallen gelassen oder
auch mal eine rote Fußgängerampel
ignoriert, wo physische Unordnung
herrscht. „Es kann also durchaus eine
Verfallsspirale geben“, so Wolbring. Aber
nicht nachweisen ließ sich, dass schwere-
re Straftaten zunehmen.
Dafür hatten die Forscher Briefum-
schläge auf der Straße platziert, durch
deren Sichtfenster ein Geldschein zu er-
kennen war. Je höher dessen Betrag, des-
to seltener wurde der Umschlag einfach
mitgenommen. Der Fünf-Euro-Schein
wurde noch häufiger eingesteckt und al-
so entwendet; ein 50-Euro-Schein im
Umschlag hingegen wurde in vermüllten
Gegenden genauso oft in den nächsten
Briefkasten eingeworfen wie in gepfleg-
ten Vierteln.
Der These vom Zusammenhang zwi-
schen Verwahrlosung und der gefühlten
Unsicherheit pflichtet Soziologe Wolb-
ring aber bei: „Von den tatsächlichen Kri-
minalitätszahlen unabhängig steigt das
Verunsicherungsgefühl der Bevölkerung
tatsächlich an, wenn der öffentliche
Raum als vernachlässigt wahrgenommen
wird.“
Auch der Deutsche Städte- und Ge-
meindebund konstatiert, dass den Bür-
ger eben nicht nur das spektakuläre Ver-
PICTURE ALLIANCE/DPA/ANNETTE RIEDL
brechen verunsichere. „Wenn man täg-
lich mit Verwahrlosung und Vandalismus
konfrontiert wird, kann dies zu Krimina-
litätsfurcht führen“, sagt Hauptge-
schäftsführer Gerd Landsberg. Und das
Sicherheitsgefühl sei ebenso wie die Si-
cherheitslage selbst auch eine Frage der
Lebensqualität. Deutschland gehöre
zwar nach wie vor zu den sichersten Län-
Berlin-Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) geht mit der dern der Welt. Aber die Problematik der
„€ 375“-Aktion gegen Vermüllung vor „gefühlten Sicherheit“ müsse die Politik
auf jeden Fall ernst nehmen, appelliert
Landsberg.
LKA-Präsident Stenger empfiehlt
Netzwerke von Polizei und Kommunen,
um den Bürgern zu signalisieren, dass
man sich auch um die kleinen Dinge
kümmere. In seiner Zeit als Mannheimer
Polizeipräsident waren die Beamten bei-
spielsweise angehalten, Dreck und Ver-
wahrlosung zu fotografieren und gleich
PICTURE ALLIANCE/DPA/BORIS ROESSLER
PICTURE ALLIANCE/DPA/UWE ANSPACH
die Kommune zu alarmieren. Der Städte-
und Gemeindebund hält eine stärkere
Präsenz von Ordnungskräften für sinn-
voll, damit „Unsicherheitsräume“ gar
nicht erst entstehen. Doch der Frankfur-
ter Sicherheitsberater Postleb sieht hier
ein Problem: Die Gewaltbereitschaft ge-
genüber Polizei und Mitarbeitern der
Ordnungsämter sei zuletzt beträchtlich
Peter Postleb ist Baden-Württembergs LKA-Präsident gewachsen. „Noch vor zehn Jahren hätte
Frankfurts „Müllinspektor“ Andreas Stenger ich auch gesagt, dass wegen illegalem
Müll mehr kontrolliert und direkt sank-
tioniert werden sollte. Heute hätte ich da
eher Bauchschmerzen.“
Obwohl die Einbruchszahlen bundes- Dabei gehen Stenger und Postleb kei- bis zur komplett verwahrlosten Gegend Ohnehin hält Postleb das Problem für
weit deutlich gesunken seien, fühlten neswegs von einem direkten Zusammen- mit Mord und Totschlag wäre es also nur ein gesamtgesellschaftliches, das nicht al-
sich die Menschen zunehmend unsicher hang zwischen Verwahrlosung und tat- ein kleiner Schritt. lein auf dem Rücken von Polizei oder
und bedroht. Denn es habe eine Signal- sächlichem Kriminalitätsanstieg aus, zu- Auf dieser Basis verfolgte die New Yor- Ordnungsämtern gelöst werden könne.
wirkung, wenn eine Umgebung durch mindest was schwere Straftaten angeht. ker Polizei in den 90er-Jahren selbst Postleb sieht vor allem auch die Justiz in
Schmutz, wilden Müll, Graffiti und ver- Die vor über drei Jahrzehnten in den kleinste Verstöße mit großer Härte. Vor- der Pflicht. Gesetze müssten konsequen-
fallende Häuser verschandelt sei. „Da USA entwickelte „Broken-Windows- dergründig hatte das Vorgehen Erfolg, ter ausgelegt und angewandt werden, for-
denken die Bürger, da tut niemand was. Theorie“ unterstellt diese Kausalität New York ist sicherer geworden. Den- dert er: „Erst dauert es oft sehr lange, bis
Und das setzt sich fest.“ zwar. Die These besagt, dass Anzeichen noch haben Forschungen Zweifel ge- überhaupt etwas geschieht. Dann ent-
Dass der Kampf gegen Dreck und Ver- von Unordnung zunächst eine Verfalls- schürt an diesem Zusammenhang, zu- steht gerade bei kleineren Delikten oft
wahrlosung eine politische Dimension spirale auslösen, in der Folge würden mindest für Europa. der Eindruck, dass die Gerichte das nicht
hat, glaubt auch der Frankfurter Peter dann auch schwere Vergehen zunehmen. „Kann durchaus eine Verfallsspirale richtig ernst nehmen und hart verfolgen
Postleb. „Das kann dazu führen, dass die Wenn die Umgebung durch zerschla- geben“Der Soziologe Tobias Wolbring, wollen“, so seine Erfahrung.
Leute gar nicht mehr wählen, oder eben gene Fenster, Graffiti oder Müll signali- Professor an der Universität Erlangen- Wenn ein Vergehen aber letztlich oh-
extrem“, sagt der Diplomingenieur, der siere, dass sich niemand um Recht und Nürnberg, hat in einem Forschungspro- ne echte Konsequenzen bleibe, sei das fa-
Kommunen in Sicherheits- und Sauber- Ordnung schere, eskaliere die Situation, jekt zwar gezeigt, dass in vermüllten tal: „Dann lachen die Missetäter nur und
keitsfragen berät. so die Annahme. Vom kaputten Fenster oder verwahrlosten Umgebungen tat- sagen: Was soll‘s?“
Was bedeutet dies für den diesjähri- auch eher darum“, sagt Vehrkamp. Be- unbeobachtet“ ihr Kreuz zu machen. Wie manipulationsanfällig ist die
gen Wahlkampf? reits bei den Wahlen in Baden-Würt- Anders als im Wahllokal könne der Wahl per Brief?
„Das heißt, dass es ab dieser Woche temberg und Rheinland-Pfalz habe sich Staat bei der Briefwahl jedoch nicht Gänzlich manipulationsfrei ist laut
ernst wird“, sagt Experte Vehrkamp. eine solche vertiefte „soziale Spaltung“ kontrollieren, ob die Stimmabgabe tat- Demokratie-Experte Vehrkamp weder
„Selbst wenn man konservativ rechnet, gezeigt. sächlich so abläuft, meint Markus Ogo- die Brief- noch die Urnenwahl. Im Ein-
muss man davon ausgehen, dass vier Profitieren könnten laut Vehrkamp rek, Verfassungsrechtler von der Uni- zelfall könne es zudem bei beiden Wahl-
von zehn Stimmen schon vor und teil- vor allem die Unionsparteien, die FDP versität zu Köln. „Es ist durchaus vor- formen zu Missbrauch kommen. Den-
weise deutlich vor dem Wahltag abgege- und die Grünen, da sie Briefwähler be- stellbar, dass die Familie sich am Kü- noch teilt der Bundeswahlleiter mit:
ben werden.“ Sichtbar sei es auch an sonders gut mobilisierten. „Die SPD chentisch versammelt und der Vater die „Eine Manipulation des Wahlergebnis-
vielen Wahlplakaten. „Fast alle Parteien hingegen weiß, wieso sie ihr Klientel auf Briefunterlagen in seinem Sinne aus- ses durch einen Missbrauch der Brief-
haben Plakate, die auf die Briefwahl hin- Wahlplakaten besonders auf die Brief- füllt“, sagt Ogorek. Daneben sei die wahl kann ausgeschlossen werden.“ Seit
weisen“, sagt Vehrkamp. wahl hinweist. Gerade ihr fällt es Wahl zu Hause nicht öffentlich – ob- deren Einführung gebe es „keine An-
schwer, Wähler über die Briefwahl zu wohl alle wesentlichen Schritte der haltspunkte für Unregelmäßigkeiten in
Welchen Einfluss hätte ein höherer mobilisieren.“ Auch Anhänger der Lin- Wahl eigentlich einer öffentlichen Kon- einem Ausmaß, dass sie das Wahlergeb-
Anteil an Briefwählern auf das Wahl- ken oder der AfD seien eher „briefwahl- trolle unterliegen müssen, um Vertrau- nis beeinflussen könnten.“
ergebnis? scheu“. en in ihren ordnungsgemäßen Ablauf zu
Vor allem für Parteien, die sozial erzeugen. Wie sicher ist diese Art der Stimmab-
schlechter gestellte und weniger gebil- Warum ist die Briefwahl verfassungs- Eine ausschließliche Briefwahl ist mit gabe vor nicht fristgerechtem Ein-
dete Wähler ansprechen wollen, könnte rechtlich umstritten? daher dem aktuell geltenden Wahlrecht gang oder nachträglicher Fälschung?
sich die Briefwahl negativ auswirken. Erst seit 1957 darf der Bundestag per daher nicht vereinbar. „Solange die Nachdem bei Kommunalwahlen in
Die Tatsache, dass man die Briefwahl Brief gewählt werden. Damit sollte si- Briefwahl jedoch eine Ausnahme bleibt, der Vergangenheit bereits Briefkästen
extra beantragen muss, könnte Robert chergestellt werden, dass auch Kranke, ist sie verfassungsrechtlich wenig an- überquollen und Wahlunterlagen auf
Vehrkamp zufolge dazu beitragen, dass Urlauber oder Sonntagsarbeiter wählen greifbar“, so der Juraprofessor. Wenn in der Straße lagen, bereite sich die Post
diese potenziellen Wähler darauf ver- können. Bis heute gilt Verfassungs- diesem Jahr tatsächlich die Hälfte der auf ein erhöhtes Briefaufkommen vor.
zichten. rechtlern die Urnenwahl als Leitbild. Wähler per Brief wählt, könnte das je- Ein Einfallstor für Fälschungen ist laut
Zugleich könne der Gang ins Wahllo- Die Briefwahl soll eine Ausnahme sein, doch einen „Paradigmenwechsel“ ein- Experten höchstens die Lagerung der
kal aufgrund von Hygienemaßnahmen weshalb die Unterlagen gesondert be- läuten. „Momentan sieht das Bundes- Briefwahlunterlagen in den Rathäusern.
immer noch unattraktiv scheinen. „Gut antragt werden müssen. Grund hierfür verfassungsgericht die repräsentative Laut Bundeswahlleiter sind die zustän-
Gebildete und politisch Interessierte ist, dass die Wahl frei und geheim sein Demokratie primär durch die Urnen- digen Stellen gesetzlich verpflichtet,
wissen hingegen, wie man die Briefwahl soll. Der Bundeswahlleiter fordert wahl verwirklicht“, so Ogorek. „Das ist „die Wahlbriefe ungeöffnet“ zu sam-
beantragen muss und kümmern sich Briefwähler dazu auf, „persönlich und aber nicht in Stein gemeißelt.“ meln und „unter Verschluss“ zu halten.
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6 POLITIK
Wie konnte
sich Biden
derart irren?
Taliban-Offensive bringt
US-Präsident in Erklärungsnot
ie Fehleinschätzungen sind
dramatisch, ein Leugnen wäre
sinnlos. Ausgerechnet beim
Versuch, Amerikas längsten Krieg zu
beenden, zeigt deren politische Füh-
rung erhebliche Schwächen. Grundan-
nahmen, die noch eben galten, sind im
Nu passé.
VON DANIEL FRIEDRICH STURM
AUS WASHINGTON
„Erstaunt“ sei man über den rasan-
ten Geländegewinn der Taliban in Af-
ghanistan, heißt es im Weißen Haus.
Wie ein Kartenhaus fällt Präsident Joe
Bidens Plan eines geordneten Rück-
zugs aus Afghanistan in sich zusam-
men. Biden verteidigt zwar entschie-
den seine grundsätzliche Haltung, die
militärische Präsenz nach 20 Jahren zu
beenden. Doch eben geäußerte Annah-
men muss der Präsident rasch wider-
rufen. Noch am 8. Juli prognostizierte
er: „Dass die Taliban alles überrennen
und das ganze Land kontrollieren wer-
den, ist extrem unwahrscheinlich.“
Das erschien schon damals als gutgläu-
big. Nun weiß jeder: Bidens Annahme
war erschütternd naiv. Angesichts die-
ser Fehlannahmen fragt sich Amerika:
Was bloß machen die eigenen Geheim-
dienste? Was bleibt von 83 Milliarden
Dollar für Training und Ausstattung
der afghanischen Armee? Ständig neue
Entscheidungen des Weißen Hauses
erinnern an die erratische Außenpoli-
tik von Bidens Vorgänger Donald
Trump.
Am Sonntag sahen die Amerikaner im
Fernsehen, wie Hubschrauber das Per-
sonal der US-Botschaft in Kabul zum
dortigen Flughafen transportierten. Bis
Dienstag soll der komplette Botschafts-
Umzug abgeschlossen sein. Die Bilder
der Evakuierung sind symbolstark. Er-
innerungen an den hastigen Abzug auf
Vietnam werden wach, von einem Sai-
gon-Moment ist die Rede. Gehetzt flie-
hen die USA jetzt vor den Taliban. Die
letzte Verteidigungslinie ist ein Appell:
Lasst uns, bevor Ihr Kabul einnehmt,
die Stadt verlassen. Das ist besser für
Euch. Erst am Samstag entsandte Biden
weitere 1000 Soldaten in die Region.
5000 Soldaten sollen nun den Abzug
der verbliebenen Soldaten, des Bot-
schaftspersonals, absichern. „Das ist
nicht Saigon“, sagte Außenminister An-
thony Blinken am Sonntag im Sender
CNN. Auch Blinken schätzte die Lage in
Afghanistan falsch ein.
Biden teilte am Samstag mit, er blei-
be bei seinem Plan vom Rückzug. Seine
Botschaft: Ich halte Kurs. Die Abzugs-
frist bis zum 31. August soll weiter gel-
ten. „Ein weiteres Jahr oder fünf weite-
re Jahre US-Militärpräsenz hätten kei-
nen Unterschied gemacht, wenn das af-
ghanische Militär sein eigenes Land
nicht halten kann oder will“, sagte er.
Er sei bereits der vierte Präsident, der
eine US-Präsenz in Afghanistan leite.
Er werde „diesen Krieg nicht an einen
fünften Präsidenten weitergeben“.
Diese Politik spiegelt den Mehrheits-
willen der Amerikaner, die müde von
„endlosen Kriegen“ sind. Afghanistan
hat die USA mehr als 2000 Soldatenle-
ben und Billionen Dollar gekostet.
Bidens Formel lautet seit Wochen,
die Afghanen müssten jetzt für „sich
selbst kämpfen“. Der einstige Inter-
ventionist Biden will mit Realpolitik
glänzen. Die USA könnten nicht „jedes
einzelne interne Problem in der Welt
lösen“. Die Frage sei allein, ob ein vita-
les Interesse der USA oder ihrer Ver-
bündeten auf dem Spiel stehe. Damit
meinte Biden: Bei Afghanistan ist das
nicht der Fall. Von Frauenrechten und
Schulen für Mädchen spricht er plötz-
lich nicht mehr. Genau dafür wird er
nun kritisiert, etwa von der linkslibera-
len „Washington Post“.
Die Republikaner greifen Biden
ebenfalls an. Senator Mitt Romney
twitterte, der Abzug sei ein „unschätz-
barer Schlag für die Glaubwürdigkeit,
Zuverlässigkeit und Ehre unserer Nati-
on“. Biden habe ein „tragisches Chaos“
verursacht, schrieb Trump. In Groß-
buchstaben fragte er: „Vermisst ihr
mich schon?“ Trump hatte im Februar
2020 mit den Taliban vereinbart, dass
die USA zum 1. Mai das Land verlassen.
Derweil berichtete die „Washington
Post“, Verteidigungsminister Lloyd
Austin und Generalstabschef Mark
Milley hätten sich anfangs intern ge-
gen einen vollen Rückzug aus Afgha-
nistan ausgesprochen. Derlei Enthül-
lungen aus Bidens engem Machtzirkel
ist der Präsident bisher nicht gewohnt.
„Drei, vier Tage, dann haben sie uns“
Die Taliban stehen in Kabul – unter den Menschen, die für die Bundeswehr und deutsche Behörden
S
gearbeitet haben, breitet sich Panik aus. Die Opposition wirft Bundesregierung Versagen vor
onntagmorgen afghanischer
Zeit waren die Menschen in
Kabul noch aus dem Haus
gegangen, um das Nötigste
zu erledigen. Die Taliban
hätten die Stadt eingeschlossen, seien
in die Vororte eingedrungen hieß es. Am
Abend Ortszeit meldeten die Taliban
die Einnahme des Präsidentenpalastes.
Sie sind also in der Stadt.
VON NIKOLAUS DOLL UND ULRICH EXNER
Wo genau sie stehen und mit welchen
Kräften, dazu gibt es widersprüchliche
Angaben. Aber Zalmai Ahmadi weiß:
„Drei, vier Tage noch, dann beherrschen
sie das gesamte Stadtgebiet. Höchstens.
Dann haben sie uns.“ Zalmai Ahmadi
zählt zu den Ortskräften, er hat für die
deutschen Einsatzkräfte im Land gear-
beitet, war Übersetzer. „Die Taliban
wissen, wer ich bin. Wenn ich in ihre
Hände falle, dann töten Sie mich. Vor
den Augen meiner Frau und und meiner
vier Kinder“, erzählt er am Telefon.
Ob die Gefahr so groß ist, lässt sich
aus Deutschland schwer beurteilen.
Aber die Taliban haben bereits in ande-
ren eroberten Städten vorexerziert, was
sie mit Landsleuten machen, die für die
Auf dem Weg in einen neuen Terrorstaat
Was werden die radikalislamischen Taliban nach der Machtübernahme tun? Das hängt nicht zuletzt von den Vereinigten Staaten ab
P
olizisten und Soldaten verlassen
ihre Posten, auf den Straßen Ka-
buls herrscht Chaos. Hubschrau-
ber landen auf dem Dach der amerikani-
schen Botschaft, um Mitarbeiter und
andere US-Staatsbürger zu evakuieren.
Tausende Menschen versuchten, die af-
ghanische Hauptstadt zu verlassen. „Je-
der kann abreisen, wohin er will“, hatte
der Taliban-Sprecher Shuhail Shaheen
zugesagt. Der internationale Flughafen
ist weiter in Betrieb.
VON ALFRED HACKENSBERGER
Die radikalen Islamisten haben Kabul
eingenommen – und damit de facto
ganz Afghanistan. Das steht fest. Das
große Rätsel aber ist: Was haben sie nun
vor? Die Taliban waren 1996 zum ersten
Mal an die Macht gekommen. Damals
errichteten sie ein brutales Regime, das
international komplett isoliert war.
Hinzu kam, dass sie die Terrororganisa-
tion al-Qaida hofierten und sie frei agie-
ren ließ. Die plante am Hindukusch die
Anschläge vom 11. September, die zum
Einmarsch des Westens führten.
Ihre Worte an die Weltgemeinschaft
wählen die Taliban betont sanft. „Wir
wollen einen friedlichen Übergang“,
sagte der Sprecher Shaheen aus Katar.
In Doha liegt die einzige Auslandsver-
tretung der Taliban. „Es laufen Ver-
handlungen, um einen absolut friedli-
chen Übergangsprozess zu gewährleis-
* DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
arbeitet und vielleicht werden wir bald
dafür getötet.“
Die Bundesregierung versichert der-
weil, dass sie alles tue, um die Deut-
schen in der Stadt und die Ortskräfte in
Sicherheit zu bringen. Und während die
Lage in Kabul eskaliert und Außenmi-
nister Heiko Maaß (SPD) den Beginn ei-
ner Evakuierungsmission für alle deut-
REUTERS/ SAEED ALI ACHAKZAI
schen Staatsbürger sowie einheimische
Ortskräfte, die die Deutschen in Afgha-
nistan unterstützt haben, für diesen
Montag ankündigt, beginnt in Deutsch-
land die Debatte darüber, wie es zu so
einer extrem gefährlichen Last-Minute-
Aktion überhaupt kommen konnte.
FDP- und AfD-Fraktion warfen der
Bilder vom Grenzübergang von Bundesregierung angesichts der aktuel-
Afghanistan nach Pakistan bei der len Lage Versagen vor. Es sei „beschä-
Stadt Chaman. Tausende Afghanen mend“, so der außenpolitische Sprecher
fliehen vor den Taliban und versuchen der FDP-Bundestagsfraktion Alexander
das Land zu verlassen Graf Lambsdorff zu WELT, „dass die
Bundesregierung unfähig war, Ortskräf-
ten beispielsweise in Mazar-i-Sharif ei-
ne rechtzeitige Ausreise zu ermögli-
chen. Heiko Maas, Annegret Kramp-
Karrenbauer und Horst Seehofer haben
da auf ganzer Linie versagt.“ Lambs-
dorff forderte die Bundesregierung so-
wie die Staats- und Regierungschefs der
EU auf, das UN-Flüchtlingshilfswerk
(UNHCR) umgehend mit zusätzlichen
Finanzmitteln auszustatten, um Afgha-
REUTERS/ STRINGER
nistan-Flüchtlinge in den Nachbarlän-
dern ausreichend zu versorgen. Ent-
Taliban und Zivilisten auf einem Fahrzeug der
wicklungshilfe für Afghanistan dürfe
afghanischen Armee n der Provinz Laghman
dagegen ab heute nicht mehr fließen, so
AFP
Lambsdorff. Er forderte stattdessen
„die zügige Einrichtung eines Sondervi-
sa-Programms für Afghaninnen, die
durch die Ausweitung des Herrschafts-
bereichs der Taliban besonders von Ver-
folgung und Gewalt bedroht sind“.
Scharfe Kritik am Bundeskabinett äu-
ßerte auch der AfD-Fraktionschef Ale-
xander Gauland: „Die Bundesregierung
hat offenbar den Zeitpunkt verschlafen,
die deutschen Staatsbürger und die ein-
heimischen Ortskräfte, die für uns gear-
Deutschen und andere alliierte Truppen Kabul, sagt er. „Man hört ab und zu beitet haben, rechtzeitig in Sicherheit zu
gearbeitet haben. Mit Verrätern. Afgha- Schüsse, aber von Gefechten bekom- bringen“, so der AfD-Politiker, die Bun-
nistans Präsident Aschraf Ghani hat das men wir hier in der Innenstadt nichts desregierung müsse „nun alles dafür tun,
Land bereits verlassen. Ahmadi würde mit“, berichtet Ahmadi. Es sieht so aus, alle Deutschen sowie die Ortskräfte mit
das auch gern. Auch am Sonntag ist er als würden die Taliban auch Kabul zu ihren Familien rauszuholen und in Si-
wieder unterwegs in der Stadt, um end- weiten Teilen ohne größeren Wider- cherheit zu bringen. Wenn es die Situati-
lich einen Pass zu bekommen. Vergeb- stand einnehmen. on erfordert, auch unter dem Schutz der
lich. Wie unzählige andere auch. In Ka- Aus den Städten des Nordens, dort Bundeswehr“. Diese dürfe sich aber nur
bul herrscht Anspannung, berichtet Ah- wo die Bundeswehr stationiert war, sind auf Kampfhandlungen mit den Taliban
madi. „Die meisten Geschäfte sind ge- die Menschen nach Kabul geflohen. einlassen, wenn diese aktiv versuchten,
schlossen, Taxis nehmen keine Passa- Nachdem dort binnen kurzer Zeit eine die Evakuierung zu verhindern.
giere mehr mit. Man kommt kaum mehr Stadt nach der anderen fiel, versuchen Der niedersächsische Innenminister
WELT
durch die Stadt“, berichtet er. Ortshelfer samt ihren Familien in der Boris Pistorius (SPD) weist darauf hin,
Mit anderen stand er wieder in einer Hauptstadt eine Chance zu finden, doch Zalmai Ahmadi arbeitete für die Bun- dass die Politik hierzulande sich schon
Schlange vor einem der „Passbüros“. noch das Land verlassen zu können. Ka- deswehr und fürchtet um sein Leben seit Wochen bewusst war, wie prekär
Sonntagfrüh hatte er sich mit seiner Fa- bul ist die letzte Hoffnung. Aber nun ist die Lage in Afghanistan gerade für dieje-
milie auf den Weg dorthin gemacht. die Stadt eingeschlossen. Die Flughäfen nigen Einheimischen werden könnte,
Wollte es erneut versuchen. Ohne Pass und Kasernen werden von den Regie- sichert sind diese Häuser, vor allem die die in den vergangenen zwei Jahr-
kein Visum, ohne Visum keine Ausreise, rungstruppen in aller Regel am längsten aber weiß niemand offiziell, wo sie sind. zehnten am Hindukusch eingesetzten
keine Flucht nach Deutschland. Aber es gehalten. Aber reicht das für die Orts- In den vergangenen Tagen wurde ein deutschen Soldaten und Polizeikräften
gibt auch an diesem Sonntag bis zum kräfte? Und bekommen sie ohne Passe drittes Haus eröffnete, weil so viele in unterstützt haben. Der verteidigungs-
Abend keine Pässe, nicht für Ahmadi einen Platz in den rettenden Fliegern? die Hauptstadt strömten. Ein vierte politische Sprecher der CDU/CSU-Bun-
und seine Familie. „Plötzlich haben die Zalmai Ahmadi weiß es nicht. „Wir Haus sollte eingerichtet werden. Aber destagsfraktion Johann Wadephul kün-
Leute angefangen zu schreien, Panik ist haben keinen Kontakt zu den deutschen dazu kommt es nicht mehr. „Rund 300 digte eine kritische Aufarbeitung. „Es
ausgebrochen, im Office und auf der Stellen. Sie sagen, wie helfen uns, aber Menschen hatten in den drei Häusern wird immer deutlicher, wie verheerend
Straße“, erzählt der 38-Jährige. „Dann sie lassen uns hängen“, sagt er. Ahmadi Zuflucht gefunden, aber es werden im- die Auswirkungen des überhasteten Ab-
haben die Leute geschaut, dass sie mög- hat zwei der sogenannten Safe Houses mer weniger. Sie gehen weg. Schlüpfen zugs der internationalen Streitkräfte
lichst schnell nach Hause kommen.“ in Kabul geleitet, die mit deutscher Hil- woanders unter. Sie glauben nicht mehr, aus Afghanistan sind“, sagte Wadephul
Den Grund für die Panik kennt er fe aufgebaut wurden. Orte, in die sich dass die Deutschen ihnen helfen und sie zu WELT. Es werde auch innerhalb der
auch nicht. Es sei ja nicht so, dass bis die Geflüchteten, die für die Deutschen raus aus Afghanistan kommen“, sagt. Nato noch zu klären sein, wie es zu der
zum Mittag Ortszeit gekämpft werde in gearbeitet habe, flüchten konnten. Ge- „Jetzt haben wir für die Deutschen ge- jetzigen Lage habe kommen können.
ten“, hieß es in seiner Erklärung. Die schleierung auf die Straße. In der Recht- te Innenminister Abdul Sattar Mirsak- ten. Ein solcher Schurkenstaat würde
Menschen in Afghanistan sind skep- sprechung führten die Taliban die Scha- wal noch verkündet. „Die Menschen weder internationale Anerkennung
tisch. „Man kann ihnen nicht glauben“, ria ein. Menschen wurden geteert, er- brauchen sich keine Sorgen zu machen, noch finanzielle Unterstützung erhal-
sagt Khalid, ein Englischlehrer in Kabul. hielten die Prügelstrafe und in einigen die Stadt ist sicher.“ Jeder, der Unord- ten. Aber das brauchen die Taliban,
„Wenn wir nur an die letzten Tage und Fällen sollen Angeklagte gehängt wor- nung in Kabul verursache, werde in sonst dürfte ihr Emirat nicht lange
Wochen denken, kann man ihnen nicht den sein. Übereinstimmung mit dem Gesetz be- überleben. Nach ihrer ersten Macht-
glauben.“ Die militanten Islamisten ha- Viele Menschen in Kabul fürchten, handelt. Auch Verteidigungsminister übernahme hatte sie sich noch völlig
ben das Land buchstäblich überrollt. dass es auch hier zu einer Verhaftungs- Bismillah Chan Mohammadi erklärte in isoliert – wollen sie nun diesen Fehler
Viele Orte fielen kampflos in ihre Hän- welle und zur Einführung der Scharia einer Videoansprache auf Facebook, er der Vergangenheit vermeiden? Es gibt
de, nachdem die Soldaten der nationa- kommt. Zehntausende Afghanen flohen als Vertreter der Streitkräfte garantiere jedenfalls Strömungen bei den Taliban,
len Armee aufgeben hatten. „Natürlich in den vergangenen Wochen aus vielen die Sicherheit Kabuls. Die Menschen die davor warnen, wieder einen für die
wusste Washington von der Gefahr, Teilen des Landes vor den Islamisten sollten nicht in Panik verfallen. internationale Gemeinschaft Terror-
,,
dass Afghanistan in die Hände der Tali- nach in die Hauptstadt – es war nur eine Präsident Ghani habe sich mit heimi- staat zu schaffen. Wie flexibel die Tali-
ban fallen könnte“, sagt Guido Stein- Verschnaufpause. Nun sind die Taliban schen Politikern getroffen und ihnen ban heute sind, wird sich bei den Ver-
berg, internationaler Terrorismusex- in Kabul. „Ich befürchte wirklich das die Verantwortung übertragen, eine De- handlungen in Doha zeigen. Ihren Blitz-
perte der Stiftung Wissenschaft und Po- schlimmste“, sagt Englischlehrer Khalid legation aufzustellen. Sie reise am Mon- feldzug konnten sie relativ ungehindert
litik in Berlin. „Aber wahrscheinlich am Telefon. Wenige Stunden zuvor hat- tag nach Doha, um mit den Taliban eine durchziehen. Die USA hielten sich uner-
dachte niemand, dass es so schnell ge- Einigung zu erzielen. Bis dahin werde wartet zurück.
hen könnte.“ die Sicherheit von Kabul aufrecht- Amerikanische Bomber hätten den
Die Eroberungen der Taliban liefen erhalten, sagte Mohammadi. Tatsäch- Vormarsch um Wochen, wenn nicht
immer ähnlich ab. Nach Freudenfeuern lich aber sind es die Taliban, die nun die Monate verzögern können. Stattdessen
und Autokorsos durch die Städte began- Entscheidungen treffen. Sie sind militä- überließ Washington das Land den Tali-
nen die Islamisten sofort, ihr repressi- risch überlegen. Und sollten die Ver- ban. Manche Beobachter vermuten da-
DIE MENSCHEN
ves System umzusetzen. Der erste handlungen von Doha überhaupt noch hinter Absprachen. Die USA geben den
Schritt waren Säuberungsaktionen. Sie eine Rolle spielen, so sind die Taliban Taliban die Macht im Land – die Taliban
BRAUCHEN SICH
durchsuchten Haus um Haus nach un- dort in einer Position der absoluten den USA die Zusicherung nicht einen
liebsamen Kritikern, Polizisten, Mili- Stärke gegenüber der Regierung. Kann Staat zu errichten, der in einen neuen 11.
tärs, Politikern oder einfach nach Leu-
ten, die ihrer Meinung nach gegen Sitte
KEINE SORGEN ZU überhaupt etwas die Taliban von eine
gewaltsamen Machtübernahme abhal-
September mündet. Wie lange ein sol-
cher Deal eingehalten würde, ist eine
und Moral verstießen. Augenzeugen be- MACHEN, KABUL IST ten und davor, ihre Scharia-Herrschaft andere Frage. „Bei den Taliban gibt es
richteten, dass die Taliban über vorbe- auch in der Hauptstadt einzuführen? einen radikalen Flügel“, erklärt Guido
reitete Namenslisten von Personen ver- SICHER Womöglich die USA. Steinberg von der Stiftung Wissen-
fügten, die es zu verhaften galt. Dann Ihr wichtigstes Druckmittel: Sie dro- schaft und Politik. „Dieser möchten den
wurden für gewöhnlich neuen Regeln ABDUL SATTAR MIRSAKWAL, hen den Taliban, dass Afghanistan zum Kampf international weitertragen.“ Bis-
für die öffentliche Ordnung erlassen. Afghanistans Innenminister globalen Paria-Staat wird, wenn die ra- her sei jedoch nicht klar, wie stark die-
Frauen durften nur noch in Vollver- dikalen Islamisten sich nicht zurückhal- ser Flügel ist.
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8 POLITIK
MIT JESUS UND
50 DOLLAR GEGEN
DELTA
Als erste amerikanische Stadt schließt New
York Ungeimpfte vom öffentlichen Leben aus.
In der Bronx kämpft eine Initiative um jeden
Impfwilligen – und hat durchaus Erfolg
A
ls im Gottesdienst die letz-
ten Orgelklänge aus der St.
John Chrysostom Catholic
Church in der Bronx schal-
len, und die ersten Gläubi-
gen die Treppenstufen am Ausgang er-
reichen, baut sich Marcos Bejarano wie
ein Marktschreier vor der Kirche auf.
„50 Dollar, 50 Dollar“, ruft der Sozialar-
beiter, „lasst Euch jetzt drüben in der
Schule impfen und holt euch das Geld!“
Eltern, Kinder, Rentner, fast alle Hispa-
nics, schlendern an Bejarano vorbei; ge-
predigt wurde gerade auf Spanisch,
gleich folgt der englische Gottesdienst.
Ein älterer Hutträger winkt nur ab, eine
junge Frau bleibt vor Bejarano stehen.
„50 Dollar?“, fragt sie und lacht, bei ih-
rer Erstimpfung habe es keinen Cent ge-
geben. Sie folgt ihm in Richtung Schule.
VON IBRAHIM NABER
AUS NEW YORK
Bejarano, 27, selbst ein Kind der
Bronx, kämpft an diesem Morgen um je-
den Impfwilligen in dem teils bettelar-
men Bezirk New Yorks. Auf seiner
Schildmütze prangt ein brauner Bär, ein
gelbes Logo auf seinem Poloshirt: „Ri-
sing Bronx Initiative“. Seit Beginn der
Pandemie haben Mitarbeiter der priva-
ten Organisation an Tausenden Türen
im Bezirk geklopft, um Anwohner von
einer Impfung zu überzeugen. In kei-
nem anderen Teil der Stadt ist die Quote
so niedrig wie hier: Nur etwa jeder Zwei-
te hat eine erste Dosis erhalten. Das ist
vergleichbar mit den aktuellen Impfzah-
len aus Sachsen, Schlusslicht in
Deutschland.
Da die Infektionszahlen in den Verei-
nigten Staaten seit Anfang Juli wieder
rasant ansteigen, führt New York City
ab Mitte August als erste amerikanische
Stadt eine Quasi-Impflicht ein. Um in
Restaurants oder Fitnessstudios zu
kommen, braucht es dann mindestens
den Nachweis einer Erstimpfung. „Wer
in vollem Maße an unserer Gesellschaft
teilhaben will, muss sich impfen lassen“,
kündigte Bürgermeister Bill de Blasio
vor Tagen an. „Es ist Zeit.“ De Blasios
Vorpreschen erhöht den Druck auf die
knapp 30 Prozent Volljährigen in den
USA, die bislang keine Impfung erhalten
haben. Längst wollte Präsident Joe Bi-
den beim Impfen weiter sein, doch vie-
lerorts bleibt Impfstoff liegen.
Nicht nur in ärmeren Gegenden set-
zen Initiativen darum vermehrt auf zwei
neue Anreize: Glaube und Geld. Pasto-
ren weisen Gemeindemitglieder in Pre-
digten auf Impfmöglichkeiten hin. Wer
das Angebot annimmt, erhält wie in der
Das Land, das mit dem Impfen fertig war
In Island sind mehr als 90 Prozent der Erwachsenen geimpft, alle Maßnahmen wurden aufgehoben. Doch es war zu früh. Die Infektionszahlen stiegen so stark wie nie
D
ie Isländer glaubten schon, das
Coronavirus besiegt zu haben.
Die Inzidenz lag über Wochen
im einstelligen Bereich, es gab keine wei-
teren Todesfälle zu beklagen. Also hob
die Regierung in Reykjavík Ende Juni
sämtliche Vorsichtsmaßnahmen auf: kei-
ne Maskenpflicht mehr, keine Abstands-
regeln, keine Reisebeschränkungen. Der
kleine Inselstaat am Rande Europas im
Nordatlantik feierte seinen „Freedom
Day“, noch Wochen vor den Engländern.
VON CLAUDIA EHRENSTEIN
Die rund 360.000 Isländer wähnten
sich in Sicherheit, waren zu diesem Zeit-
punkt doch schon mehr als 90 Prozent
der erwachsenen Bevölkerung geimpft.
Weitere Impfungen schienen nicht mehr
notwendig zu sein, auch, weil Kinder und
Jugendliche in der Regel – wenn über-
haupt – nur leicht erkranken. Ein kalku-
lierbares Risiko also. Nur gut zwei Wo-
chen nach den Lockerungen schnellten
die Infektionszahlen jedoch wieder in die
Höhe. Am 5. August erreichte die Sieben-
Tage-Inzidenz ihren bisherigen Höhe-
punkt. Es ist der schlimmste Corona-
Ausbruch in Island seit Beginn der Pan-
Pastor Richard Marrano vor
seiner Kirche in der Bronx
Bronx 50 Dollar für jede Erst- oder
Zweitimpfung. Eine Seitenstraße weiter,
in der Turnhalle der katholischen Schu-
le. Natasha, 39, Mitglied der Kirchenge-
meinde, sitzt auf einem der neun grauen
Klappstühle im Wartebereich, wippt mit
dem Oberschenkel und starrt hinüber
zum Impftisch unter dem Basketball-
korb. „Ich will das hier eigentlich nicht“,
sagt die Mutter von vier Kindern, „das
belastet mich sehr“.
Zu wenig wisse man über die Lang-
zeitfolgen, plötzlich sei da dieser Impf-
stoff da gewesen, so schnell wie nie zu-
vor. „Scary“ finde sie das, unheimlich.
Aber was bleibe ihr übrig? Sie arbeitet
im Gesundheitswesen und macht Haus-
besuche. Da sei sie zur Impfung ver-
pflichtet. Dann sagt Natasha einen Satz,
den man so ähnlich an diesem Morgen
in der Bronx öfter hört: „Das ist kein
System mehr, dem du vertrauen
kannst.“ System, damit meint sie Poli-
tik. Vor allem de Blasios neue Impfver-
ordnung macht sie wütend: „Das ist ein
freies Land, du kannst die Leute nicht zu
solchen Dingen zwingen! Sie spielen mit
unserer Demokratie.“
Vorn am Impftisch sitzt ein Mann, der
in den vergangenen Monaten Dutzende
Gespräche mit Impfskeptikern im Be-
zirk geführt hat. Vieles, sagt Jason Autar,
einer der Verantwortlichen der Bronx
Rising Initiative, habe mit Misstrauen in
die Regierung zu tun. Das eine seien
„Social-Media-Mythen“ über die Imp-
demie. Wie konnte sich das Virus so
schnell verbreiten, wenn doch die Impf-
quote so hoch ist wie in kaum einem an-
deren europäischen Land?
Für Island ist diese inzwischen dritte
Infektionswelle ein erneuter Rückschlag
im Umgang mit der Pandemie. Lange
hatte das Krisenmanagement des Landes
als vorbildlich gegolten. Von Anfang an
war viel getestet worden, um die Lage
stets umfassend im Blick zu haben. Infi-
zierte wurden schnell isoliert, mögliche
Kontaktpersonen konsequent nachver-
folgt und in Quarantäne geschickt. Das
Virus schien unter Kontrolle zu sein. Ver-
gangenes Jahr dachten die Isländer das
erste Mal, die Pandemie sei vorbei. Der
Schock kam im Herbst, als die Zahl der
Neuinfektionen plötzlich wieder rasant
anstieg. Es wurden Ausgangssperren ver-
hängt, Restaurants und Sportstätten ge-
schlossen. In Supermärkten galt eine
Zwei-Meter-Abstandsregelung. Tatsäch-
lich gelang es, die Infektionen in den
Griff zu bekommen. Wieder glaubten die
Isländer, das Virus endgültig besiegt zu
haben – und wurden nun erneut ent-
täuscht.
Den erneuten Ausbruch führt Chefepi-
demiologe Thorolfur Gudnason vor al-
DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
den am Tag, um irgendwie über die Run-
den zu kommen. Denen geht es eher da-
rum, wie sie die nächste Mahlzeit bezah-
len können.“ Jeder vierte der 1,4 Millio-
nen Einwohner in der Bronx lebt laut of-
fiziellen Angaben unter der US-Armuts-
grenze. Etwa jeder Siebte ist arbeitslos.
Kurz nach zwölf, zurück vor der Kir-
che. Sozialarbeiter Marcos Bejarano
steht erneut auf dem Gehweg bereit, um
die Besucher des englischen Gottes-
dienstes zur Impfung in die Schule zu
locken. Bejarano, mit neun aus Mexiko
in die Bronx gekommen, und immer
noch da, ist sich sicher: Hier auf der
Straße entscheidet sich der Kampf ge-
gen Corona. An Hunderten Haustüren
in der Bronx habe allein er seit Beginn
der Pandemie geklopft. Gerade am An-
fang sei das frustrierend gewesen. „Eini-
ge sagten, wir sollten wieder verschwin-
den, sie sahen uns als Teil der Regie-
rung.“ Viele aber nahmen die Hilfe den-
noch an, vor allem Rentner, von denen
manche nicht einmal Zugang zum Inter-
net hatten. Sie ließen sich aufklären und
oftmals impfen. Auch er, sagt Bejarano,
habe vor Ort erlebt, wie sich Falschin-
formationen über den Impfstoff in der
Nachbarschaft verbreiteten. Die Bronx
sei „gossip“. Hier finde jedes Gerücht
seinen Weg.
Geimpft wird Als der englische Gottesdienst zu En-
in der Schule (o.). de geht, kommt ein Mann im grünen Ge-
Als Belohnung gibt wand die Treppen herunter. Es sei ihm
es 50 Dollar (l.). ein wenig unangenehm, sagt Pastor Ri-
Jason Autar (r.) chard Marrano, beim ersten Gottes-
von der dienst habe er den Verweis auf die Impf-
„Rising aktion ganz vergessen. Bejaranos Initia-
Bronx tive helfe dabei, den Impfstoff für alle
Initiative“ zugänglich zu machen. Das unterstütze
er. „Ich würde zwar nie jemanden zur
Impfung zwingen“, sagt Marrano, „aber
die Kirche rät sehr dazu“.
Am Impftisch in der Turnhalle hat ein
Junge im AC/DC-Shirt Platz genommen.
Es ist der jüngste Patient des Tages, Em-
Der zwölfjährige manuel Hilario, zwölf Jahre, sein Vater
Emmanuel Hilario begleitet ihn. Sie seien noch nicht so
(vorn) vor seiner lange in den Staaten, suchten gerade
ersten Impfung – nach einer Schule für den Sohn. Von ei-
neben ihm sein nem Freund hätten sie ge-
Vater (u.) hört, dass man sich hier
umsonst impfen lassen
könne. Und die 50 Dollar,
klar, die nähmen sie auch
gerne mit. Am Ende, nach
sechs Stunden in der Turn-
halle, zählt Jason Autar in
der Tabelle auf seinem iPad
44 geimpfte Personen. Vor
einer Woche seien es 40 ge-
wesen. Er sei damit zufrie-
den, aber das könne nur der
Anfang sein. Die Delta-Vari-
ante und die bevorstehen-
den kälteren Monate berei-
ten ihm Sorge. Vor allem,
IBRAHIM NABER
weil noch immer so viele
fung, die durch die Stadt geisterten. Das ungeschützt sind.
andere aber seien die Richtungswechsel Seit Wochen ist das Stra-
des amerikanischen Gesundheitsminis- ßenleben in New York zu-
teriums, sagt der 36 Jahre alte Psycho- rück. Restaurants und Bars
loge. Viele Bürger vertrauten Institutio- sind geöffnet, am Times
nen wie der Kirche oder seiner Initiative Geimpften an diesem Sonntag. Nach- den Impfstoff entscheidet. Und doch Square posieren Touristen neben Super-
heute mehr. dem Gutierrez ein Pflaster über die Ein- kommt es immer wieder vor, nicht nur helden, und mit den Schutzmasken
Ein junger Mann tritt an den Tisch, stichstelle gezogen hat, drückt ihm Au- bei Obdachlosen. Er erinnert sich an ei- nimmt man es in vielen Stadtteilen
Gabriel Gutierrez, 19 Jahre, aufgewach- tar eine Kreditkarte in die Hand. Aufge- ne Mutter, die vor Wochen am Geburts- nicht mehr so genau. Er glaube nicht da-
sen in der Bronx. Auch er sagt: Lange sei laden mit 50 Dollar Guthaben, einzulö- tag ihres Sohnes zu ihnen kam. Nur weil ran, sagt Autar, dass de Blasios neue Ver-
er skeptisch gewesen, was das Impfen sen in jedem Laden. Er gehe damit spä- sie sich Impfen ließ, erzählte sie, könne ordnungen in der Bronx viel verändern
angehe. Bis heute redet er mit Freunden ter erst mal was essen, sagt Gutierrez. sie ihrem Kind ein Geschenk kaufen. In werden. Man könne Menschen einfach
darüber. Er wisse nicht, ob er dem Impf- Das Geld sei für ihn ein Grund, aber der Bronx, sagt Autar, selbst ein Junge nicht zwingen. „Wenn wir Ungeimpfte
stoff trauen könne, aber er habe sich nicht der Grund für die Impfung gewe- aus dem Bezirk, habe die Gesundheits- aus dem öffentlichen Leben ausschlie-
jetzt wegen all der Vorschriften doch für sen. versorgung ganz grundsätzlich keine ßen, verlagert sich hier eben noch mehr
die erste Impfung entschieden: Mit Bi- Auch Autar beobachtet, dass sich die Priorität. „Einige hier sind entweder ar- in den Untergrund.“ Und er muss es
ontech-Pfizer, so wie alle anderen Mehrheit nicht wegen der Prämie für beitslos oder aber sie arbeiten 16 Stun- wissen.
lem auf isländische Reisegruppen zurück, ter zuletzt noch spekulierten, wird inzwi- tion. Nach Auskunft von Klinikchef Pall schweren oder sogar tödlichen Krank-
die das Virus bei ihrer Rückkehr aus schen als Missverständnis deklariert. Sie Matthiasson werden zudem rund 1400 heitsverlauf.
Großbritannien und Griechenland einge- will offensichtlich auf keinen Fall in den Patienten ambulant betreut. „Das islän- Der Regensburger Infektiologe Bernd
schleppt haben. Da im Zuge der Locke- Verdacht geraten, die Bevölkerung nicht dische Gesundheitswesen ist schon unter Salzberger sieht in dem aktuellen Ge-
rungen verpflichtende Tests bei der Ein- ausreichend geschützt zu haben. Druck“, sagte Matthiasson WELT. Es schehen in Island denn auch „nichts Au-
reise abgeschafft worden waren, wurden Fast 9000 Isländer haben sich seit Be- werde aber alles getan, um die Patienten ßergewöhnliches“. Seine Erklärung für
die Infektionen zunächst nicht entdeckt. ginn der Pandemie infiziert. 30 Patienten angemessen zu versorgen. Islands Regie- die Infektionswelle: „Eine sehr anste-
Das Virus konnte sich ungehindert aus- sind im Zusammenhang mit einer Coro- rungschefin Katrin Jakobsdottir spricht ckende Variante, und es sind noch nicht
breiten, vermutlich vor allem in dem Teil na-Infektion gestorben. Aktuell werden bereits von einem neuen Kapitel der Pan- alle geimpft.“ Derzeit passiere das Glei-
der Bevölkerung, der noch nicht vollstän- im Universitätsklinikum in Reykjavík demie: Zwar würden sich auch Geimpfte che in Spanien, Frankreich oder England.
dig oder gar nicht geimpft ist. So baute knapp 30 Corona-Patienten stationär be- mit dem Virus infizieren, aber die Imp- „Betroffen sind überall vor allem Men-
sich die nächste Welle auf. handelt, davon sechs auf der Intensivsta- fung biete einen guten Schutz vor einem schen unter 50 Jahren und zum Glück ha-
Die isländische Regierung reagierte ben die weniger Komplikationen“, sagte
auf den explosionsartigen Anstieg der Salzberger WELT. Der Hamburger Epi-
Fälle mit der sofortigen Rückkehr zu res- demiologe Ralf Reintjes dagegen ist alar-
triktiven Maßnahmen: Maskenpflicht Neuinfektionen miert und warnt davor, den Eindruck zu
und Personenobergrenzen in Geschäf- vermitteln, die Pandemie sei schon vor-
ten, Restaurants und bei Sportveranstal- Tägliche Corona-Neuinfektionen pro eine Million Einwohner, bei. „Die Entwicklung in Island ist ein
tungen. Auch die Tests bei der Einreise gleitender 7-Tages-Schnitt 323,6 Island Warnsignal, dass wir in Deutschland
wurden wieder eingeführt. Selbst Islän- 300 ernst nehmen sollten. Es zeigt, wie ge-
der, die geimpft sind, müssen bei der 250 fährlich es ist, im Sommer leichtfertig al-
Rückkehr aus dem Ausland einen negati- 200 le Schutzmaßnahmen aufzuheben“, sagte
ven Corona-Test vorlegen, der nicht älter Reintjes WELT. Es müsse dem Virus
als 48 Stunden sein darf. Es ist zudem 150 möglichst schwer gemacht werden, sich
vorgesehen, eine dritte Impfung zur Auf- 100 zu verbreiten. Je geringer die Viruslast in
frischung zu verabreichen. Und auch die 50 38,94 Deutschland der Bevölkerung gehalten werde, desto
Immunisierung der 12- bis 15-Jährigen soll besser sei die Ausgangslage für die nächs-
0
nun vorangetrieben werden. Dass die Re- te Corona-Welle. „Von unserem Verhal-
gierung jemals vorgehabt haben soll, die 1.3.2020 8.8.2020 16.11.2020 24.2.2021 11.8.2021 ten jetzt hängt ab, wie wir durch den
Pandemie laufen zu lassen, wie Beobach- Quelle: Our World in Data/JHU CSSE nächsten Herbst und Winter kommen.“
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WIRTSCHAFT
DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
KOMPAKT
LIEFERENGPÄSSE
Wahrscheinlichkeit
für Boom geringer
Die Aussichten auf einen sehr kräf-
tigen Konjunkturaufschwung haben
sich laut dem gewerkschaftsnahen
IMK-Institut zuletzt etwas einge-
trübt. Die Wahrscheinlichkeit eines
Booms der deutschen Wirtschaft sei
zuletzt auf 50 Prozent gesunken
von gut 61 Prozent im Juli, wie aus
dem Konjunkturindikator des In-
stituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) hervor-
geht. Gleichzeitig habe das Risiko,
dass im Zeitraum von August bis
Ende Oktober eine neue Rezession
beginnen könnte, auf niedrigem
Niveau leicht zugenommen – von
7,2 auf 11,4 Prozent. Die IMK-Fach-
leute betonten aber: „Die Wachs-
tumsampel für die deutsche Wirt-
schaft bleibt auf Grün.“ Grund für
die leicht gedämpfte Prognose sei,
dass die Produktion im Verarbeiten-
den Gewerbe zuletzt etwas gesun-
ken sei. Denn die weltweite wirt-
schaftliche Erholung sowie Trans-
portprobleme hätten zu Engpässen
bei manchen Bauteilen, Vorleis-
tungen und Rohstoffen geführt.
Zudem seien die Preise dafür deut-
lich anzogen. Das IMK rechnet da-
mit, dass sich die Situation bei den
Vorleistungen im weiteren Jahres-
verlauf entspannen wird und sich
das Wirtschaftswachstum im zwei-
ten Halbjahr beschleunigt.
FRANKREICH
Paris will Bargeldlimit
unter 10.000 Euro
Frankreich spricht sich für eine
niedrigere Obergrenze für Zah-
lungen mit Bargeld aus, als die EU-
Kommission vorgeschlagen hat. In
Gesprächen der Finanzminister der
EU-Länder habe der französische
Vertreter klar gemacht, dass seinem
Land der Vorschlag eines Bargeld-
limits von 10.000 Euro nicht weit
genug gehe, berichtet WELT AM
SONNTAG. Verschiedene mit den
Gesprächen Ende Juli vertraute
Quellen hätten dies bestätigt.
Die EU-Kommission hatte Mitte Juli
ein härteres Vorgehen gegen Geld-
wäsche gefordert. Der Brüsseler
Behörde schwebt dafür neben einer
neuen Aufsichtsbehörde auf EU-
Ebene auch ein Bargeldlimit von
10.000 Euro vor. Ähnliche teils
deutlich niedrigere Limits existie-
ren bereits in der Mehrheit der
Mitgliedstaaten, nicht aber in
Deutschland. Laut WELT hat Frank-
reich bislang nicht deutlich ge-
macht, welches Limit sich Paris
konkret vorstellt. National gilt dort
bislang eine Obergrenze von 1000
Euro für Barzahlungen, die sich für
ausländische Besucher auf 10.000
Euro erhöht. In der Praxis sind
Barzahlungen eher unüblich.
CORONA-EFFEKT
Mehr Selbstständige
in Grundsicherung
Die Zahl der Selbstständigen, die für
ihren Lebensunterhalt finanzielle
Unterstützung aus der staatlichen
Grundsicherung beziehen, hat sich
in der Pandemie versechsfacht. „Wir
sehen einen deutlichen Corona-
Effekt zwischen April 2020 und Juli
2021“, sagte der Chef der Bundes-
agentur für Arbeit (BA), Detlef
Scheele, den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. Demnach meldeten
rund 134.000 Selbstständige in die-
ser Zeit Bedarf auf Grundsicherung
an. „Üblicherweise wären es in die-
sem Zeitraum etwa 22.000 gewe-
sen“, hob der BA-Chef hervor. Dies
entspricht in etwa einer Versechs-
fachung und ist ein Corona-be-
dingter Anstieg um 112.000 Fälle. Bei
den abhängig Beschäftigten seien
328.000 neu in die Grundsicherung
gekommen, sagte Scheele, „diese
Zahl liegt in normalen Zeiten bei
190.000“. Der Corona-Effekt zeige
sich hier deutlich, fügte der Behör-
denchef hinzu. Aufs Ganze gerech-
net seien dies aber „keine allzu
hohen Werte“.
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SEITE 9
Bis vor kurzem waren die USA der Taktgeber in Sachen Ölpreis und Gasversorgung.
Doch Bidens Energiewende und die Nachhaltigkeitsoffensive der Investoren verändern alles
Irre Preisbewegungen
Preisentwicklung in Dollar pro Barrel
80
60
40
Sorte WTI
20
0 titionen erhöhten, um sich nicht in eine
–20
2016 2017 2018
V
or fast eineinhalb Jahren,
am 20. April 2020 um 14.08
Uhr US-Ostküstenzeit, ge-
schah etwas Überraschen-
des: Zum ersten Mal in der
Geschichte fiel der Ölpreis ins Negati-
ve. Ein Fass der amerikanischen Sorte
WTI kostete plötzlich minus 37 Dollar.
Wer an jenem Nachmittag Öl kaufte,
wurde also dafür bezahlt. Eine Kata-
strophe für alle Förderer.
VON STEFAN BEUTELSBACHER, NANDO
SOMMERFELDT UND HOLGER ZSCHÄPITZ
Die Nachfrage war eingebrochen,
schließlich befand sich die halbe Welt
im Lockdown. Inzwischen erholt sich
die globale Wirtschaft wieder – und da-
mit auch der Ölpreis. Ein Barrel WTI
(159 Liter) kostet derzeit rund 70 Dollar.
Das ist mehr als 2019, dem Jahr vor der
Pandemie. Doch damit geht ein neues
Problem einher: Für Amerika ist der
Autozulieferer Hella wird für 6,8 Milliarden Euro verkauft
Gründerfamilie gibt französischem Wettbewerber Faurecia den Zuschlag – es entsteht der weltweit siebtgrößte Akteur der Branche
F
ür den Autoscheinwerfer-Spezia-
listen Hella endet eine Ära. Nach
fast 100 Jahren im Familienbesitz
wird das Unternehmen aus dem westfä-
lischen Lippstadt für bis zu 6,8 Milliar-
den Euro an den französischen Autozu-
lieferer Faurecia verkauft. Die rund 60
Mitglieder der verzweigten Gründerfa-
milie Hueck/Röpke gaben dem Unter-
nehmen aus Nanterre den Zuschlag für
ihr Aktienpaket von 60 Prozent, wie Hel-
la am Samstagabend mitteilte. „Ihre Ver-
antwortung für das Unternehmen gebie-
tet es der Familie, den Staffelstab für
Führung und Kontrolle früh, sicher und
geordnet in neue Hände zu übergeben“,
sagte Jürgen Behrend, der Vertreter der
Familie im Gesellschafterausschuss, der
Nachrichtenagentur Reuters.
Faurecia erklärte, man wolle mit der
Übernahme von Hella „die Nummer
sieben unter den globalen Automobilzu-
lieferern mit einem hochmodernen
Technologieportfolio schaffen, das alle
Megatrends der Branche abdeckt“. In
Europa gehöre man damit zu den größ-
ten fünf Zulieferern. Die Franzosen er-
Amerika ringt um seine
Energie-Dominanz
Sorte Brent
2019 2020
Quelle: Bloomberg
Preis inzwischen zu hoch. Die USA be-
nötigen dringend sinkende Notierun-
gen. Denn jetzt wird deutlich, dass Wa-
shington an Einfluss verliert. Der größ-
ten Volkswirtschaft der Erde entgleitet
die Macht über das Öl.
Nichts macht diese Entwicklung
deutlicher als eine aktuelle Maßnahme
der US-Regierung. In dieser Woche ent-
schloss sie sich zu einem ungewöhnli-
chen Schritt: Sie rief die Opec und de-
ren Partner Russland zu Hilfe. Konkret
forderte Washington das Ölpreiskartell
auf, die Produktion zu erhöhen. „Die
Opec”, sagte der Nationale Sicherheits-
berater Jake Sullivan, „muss mehr für
die Erholung der Weltwirtschaft tun.“
Amerikas Präsident Joe Biden fürchtet,
dass der hohe Ölpreis den ökonomi-
schen Aufschwung in den USA bremst
und die Inflation steigen lässt.
Im April des vergangenen Jahres – je-
ner Monat, in dem der Ölpreis negativ
war – hatte die Opec, angeführt von Sau-
hoffen sich von Hella besseren Zugang
zu deutschen Autobauern, Hella soll bei
Herstellern in China und Japan Fuß fas-
sen, mit denen Faurecia gut im Geschäft
ist. Zusammen kommen Faurecia und
Hella auf 23 Milliarden Euro Umsatz
und ein operatives Ergebnis (Ebitda)
von 3,2 Milliarden Euro. Bis 2025 soll
der Umsatz auf mehr als 33 Milliarden
Euro steigen, bei einem Ebitda von fünf
Milliarden.
Zugleich will Faurecia-Chef Patrick
Koller die Abhängigkeit vom Verbren-
nungsmotor reduzieren. Zurzeit ma-
chen Komponenten für Benzin- und
Diesel-Autos ein Viertel des Umsatzes
aus; in vier Jahren sollen es weniger als
zehn Prozent sein. „Gemeinsam werden
wir einen entscheidenden Vorsprung
haben, wenn es darum geht, von den
strategischen Treibern der Transforma-
tion der Automobilindustrie zu profitie-
ren“, erklärte er. Zu den 114.000 Faure-
cia-Mitarbeitern kommen 36.000 von
Hella hinzu. Hella allein erwirtschaftete
2020/21 (per Ende Mai) ein Umsatzplus
von 13 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro.
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Den USA geht die Luft aus
Ölproduktion in Millionen Barrel pro Tag
70,59 12
68,44
10
Saudi Arabien
8 stellig wird. Nach Ansicht von Analyst
6 dass die Nicht-Opec-Staaten ihre Inves-
4
2021 1995–99
di-Arabien, die Förderung gekürzt. Und
zwar um zehn Millionen Barrel pro Tag,
das entsprach etwa zehn Prozent der
globalen Nachfrage. Das Kartell hoffte,
dass dadurch die Preise wieder steigen
würden. Der Plan funktionierte tatsäch-
lich. Im Sommer 2020 kletterten die
Kurse über 30 Dollar, Anfang 2021 wur-
den 50 Dollar erreicht, nun 70 Dollar.
Das Kartell lockerte daraufhin die Quo-
ten und hält inzwischen nur noch sechs
Millionen Barrel pro Tag zurück. Lang-
sam, aber sicher, hieß es von der Opec,
wolle man die Produktion wieder auf das
alte Niveau hochfahren. Doch dem Wei-
ßen Haus geht das nicht schnell genug.
Sullivans Forderung zeigt etwas Er-
nüchterndes: Amerika, ein Land, das ge-
rade noch von „globaler Energiedomi-
nanz“ träumte, wie es Bidens Vorgänger
Donald Trump formulierte, verliert auf
den Rohstoffmärkten an Einfluss. Denn
Amerika kann selbst nicht mehr ein-
springen, wenn das Angebot knapp und
Das bereinigte operative Ergebnis
(Ebit) erholte sich auf 510 (2019/20: 227)
Millionen Euro.
Der Zusammenschluss soll innerhalb
von vier Jahren rund 200 Millionen Eu-
ro an Einsparungen bringen. Die Fran-
zose betonten, sie hielten an Tarifver-
trägen und Betriebsvereinbarungen
fest. „Wir haben langjährige Zusagen für
die Standorte und Investitionen in die
Zukunftsfelder sichergestellt“, erklär-
ten die Familienstämme Hueck und
Röpke. Drei Faurecia-Sparten sollen
von Lippstadt aus geführt werden, Hel-
la-Manager sollen wichtige Positionen
bei Faurecia bekommen.
Die Familie bekommt für ihre Anteile
3,4 Milliarden Euro in bar sowie Faure-
cia-Aktien im Wert von fast 600 Millio-
nen Euro. Mit neun Prozent steigt sie
damit zum größten Anteilseigner des
französischen Unternehmens auf, vor
den italienischen Agnellis. Der französi-
sche Autobauer PSA Peugeot hatte sei-
ne Faurecia-Anteile im Zuge der Fusion
mit dem italienisch-amerikanischen
Hersteller Fiat Chrysler zu Stellantis an
Boeing
Nach dem 737Max-Debakel
gibt es ein neues Problem Seite 12
neutral sein, bis 2050 die gesamte Wirt-
schaft. Biden wendet sich von fossilen
Brennstoffen ab. Er will die Öl- und Gas-
industrie nicht länger subventionieren
und weniger Bohrungen genehmigen.
Und auch bei den globalen Finanzin-
vestoren ist die Branche in Ungnade ge-
fallen. An der Börse ist nachhaltiges In-
vestieren das Gebot der Stunde. Die
großen Anlagegesellschaften legen das
Geld ihrer Kunden schon lange nicht
mehr in Aktien oder Projekten an, hin-
ter denen fossile Energieträger oder an-
dere CO2-intensive Industrien stecken.
Sichtbar wird das auch an der Börse.
Der S&P Global Oil Index ist in den ver-
gangenen fünf Jahren ganze 100 Pro-
zentpunkte hinter dem breiten Markt
zurückgefallen. Kein Wunder, dass auch
junge Ölförderfirmen nicht mehr so
großzügig Geld bekommen, um neue
Vorkommen zu erschließen. Entspre-
chend fällt es Amerika immer schwerer,
selbst genügend Öl zu fördern, um den
Bedarf zu decken.
„Die OPEC hat enormen Einfluss auf
GETTY IMAGES/JOHN FINNEY PHOTOGRAPHY
die US-Wirtschaft“, sagt Phil Flynn,
Analyst der amerikanischen Invest-
mentfirma Price Futures Group und re-
gelmäßiger Gast des Fernsehsenders
Fox News. „Und es war die Regierung
Biden, die ihr diesen Einfluss gab.“ Die
Politik des US-Präsidenten sorge dafür,
meint Flynn, dass Amerika weniger Öl
als in der Vergangenheit produziere. Bi-
den habe ein Umfeld geschaffen, in dem
niemand mehr in Bohrtürme investie-
ren wolle. In der Ära Trump produzierte
Amerika mehr als 13 Millionen Barrel Öl
pro Tag. Nun sind es noch 11,3 Millionen
Barrel. „Biden hat unsere Öl- und Gas-
produktion ins Ausland verlagert“, sagt
Analyst Flynn. „Amerika muss jetzt bei
11,30 der Opec und Russland betteln gehen.“
Auch die Investmentbank Goldman
Russland 10,07
Sachs hält es für gefährlich, dass die Bi-
9,43 den-Administration bei der Opec vor-
Damien Courvlin sei es jetzt wichtig,
USA
Abhängigkeit vom Kartell zu begeben.
2000–04 2005–09 2010–14 2015–19 2020 Sollte das nicht passieren, würden die
Preise langfristig nach oben gehen.
Quelle: Bloomberg
Das Öl ist nur ein Beispiel dafür. Auch
im Handel mit Erdgas sieht es schlecht
aus. Nach Jahren der Sanktionen und
Drohungen musste Biden vor Kurzem
die Preise hoch sind. Das war noch bis den Widerstand gegen Nord Stream 2
vor Kurzem ganz anders. aufgeben. Die Pipeline, die Russland mit
Dank der Schieferöl-Revolution mit Deutschland verbinden soll, ist fast fer-
Milliarden an Investitionen und der tig. Und die Idee, dass Amerika im gro-
Trumpschen Maßgabe, mehr Vorkom- ßen Stil Gas mit Tankern nach Europa
men für Bohrungen freizugeben, war fährt, somit tot. Die Bürger spüren die
das Land in den vergangenen Jahren Folgen in ihrem Alltag. Benzin ist heute
zum Marktmacher aufgestiegen. Sicht- rund einen Dollar teurer als noch vor ei-
bar wurde das an der täglichen Förder- nem Jahr. Die Gallone kostet derzeit
menge, die die Amerikaner je nach Lage drei Dollar und 20 Cents, umgerechnet
erhöhen oder auch wieder drosseln 0,72 Euro pro Liter – ein Traum für
konnten. Amerika brauchte die Opec deutsche Autofahrer, eine Zumutung
nicht. Im Gegenteil. Es trieb das Kartell für amerikanische.
vor sich her. „Fossile Brennstoffe sind nach wie vor
Doch unter Biden hat der Wind ge- das Lebenselixier unserer Nation“, sagt
dreht, viele Konzessionen seines Vor- Mark J. Perry, Ökonom der Washing-
gängers hat der neue Präsident wieder toner Denkfabrik American Enterprise
kassiert. Der Demokrat trat mit dem Institute. „Und sie werden noch viele
Versprechen an, saubere Energien zu Jahrzehnte lang die wichtigsten Energie-
fördern. Trump setzte auf Kohle, Öl und quellen bleiben.“ Die Politik der Regie-
Gas, Biden hingegen will Strom aus rung Biden, die darauf abziele, die Öl-
Wasser, Wind und Sonne gewinnen. Sei- und Gasproduktion zu erschweren, sei
ne Klimaziele sind ehrgeizig: Bis 2035 „Realitätsverweigerung“ und setze die
soll die Energiebranche der USA CO2- US-Wirtschaft einem hohen Risiko aus.
die Aktionäre abgegeben. Die bisherigen der die Interessen der Familie hätte
Hella-Eigentümer haben auch zugesagt, bündeln können, war nicht in Sicht.
an der 800 Millionen Euro schweren Mit einem Volumen von 6,8 Milliar-
Kapitalerhöhung teilzunehmen, mit der den Euro ist Hella die zweitgrößte
Faurecia die Übernahme teilweise refi- Übernahme eines deutschen Unterneh-
nanzieren will. mens in diesem Jahr nach der Fusion
Die Hella-Aktionäre hatten im Früh- der Wohnungsriesen Vonovia und Deut-
jahr die Investmentbank Rothschild mit sche Wohnen. Doch wie viele Hella-An-
der Suche nach einem Käufer beauf- teilseigner außerhalb der Familie das
tragt. Die Familie Hueck übernahm 1923 Angebot annehmen werden, ist offen.
die Mehrheit an der damaligen Westfäli- Sie bekommen von Faurecia ebenso wie
schen Metall-Industrie (WMI), die Pe- die Familie 60 Euro je Aktie und – noch
troleumleuchten und Hupen herstellte. vor der Übernahme – eine Dividende
„In dieser Zeit ist Hella in eine Dimensi- von 96 Cent. Die Offerte liegt zwar 33
on hineingewachsen, in der nicht nur Prozent über dem Kurs von Ende April,
Führung, sondern auch Kontrolle durch als das „Manager Magazin“ zum ersten
externe Kompetenz erforderlich ist“, so Mal über die Verkaufspläne berichtet
Behrend. „Die Verantwortung der Fami- hatte. Doch am Freitag schlossen die
lie gebietet es ihr daher, einen sicheren Hella-Aktien im Nebenwerteindex
Hafen für Hella zu finden.“ MDax mit 63,18 Euro deutlich darüber.
Der heute 72-Jährige hatte 2017 als Zuletzt hatten Insidern zufolge auch
letztes Familienmitglied die operative die Autozulieferer Plastic Omnium aus
Führung von Hella abgegeben – nach 30 Frankreich und Mahle aus Stuttgart um
Jahren. Der Poolvertrag, in dem die Fa- Hella gebuhlt. Reuters hatte bereits be-
milie ihre Aktien nach dem Börsengang richtet, dass alle Übernahmeangebote
im Jahr 2014 gebündelt hatte, lief ei- in einer ähnlichen Größenordnung von
gentlich bis 2024. Doch ein Nachfolger, 60 Euro je Aktie liegen würden. rtr
10 WIRTSCHAFT DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021

Scheuer für
J
ochen Brüggen ist frustriert.
„Bei jeder Gelegenheit betont

Schlichtung im die Politik, wie wichtig der

Mittelstand ist. Vom Rück-

Bahn-Konflikt
grat der deutschen Wirt-
schaft ist dann immer die Rede“, sagt
der persönlich haftende Gesellschafter
Ein vorangegangener des Cerealien-Herstellers H.&J. Brüg-
Versuch scheiterte bereits
gen aus Lübeck. „Aber wenn es dann

D
wirklich zählt und dieser hoch gelobte
Mittelstand Hilfe braucht, dann ist nie-
ie Bundesregierung will weitere mand für uns da.“ So wie jetzt. „Uns
Lokführerstreiks zum Schaden hört niemand zu“, beklagt Brüggen.
von Passagieren und Wirtschaft „Dabei ist die Lage ernst – bei uns, aber
verhindern. Daher würde Bundesver- auch bei vielen weiteren Betrieben aus
kehrsminister Andreas Scheuer (CSU) etlichen Bereichen der Ernährungsin-
bei den schwierigen Tarifverhandlungen dustrie.“
zwischen der Lokführergewerkschaft
GDL und der Deutschen Bahn gern ei- VON CARSTEN DIERIG
nen Schlichter sehen, berichtete die
„Bild am Sonntag“. Den müssten aller- Hintergrund ist die seit Jahresbeginn
dings beide Seiten akzeptieren. geltende CO2-Bepreisung in Deutsch-
Aus Regierungskreisen wurde der dpa land. „Daraus entstehen erhebliche zu-
am Sonntag bestätigt, dass eine Schlich- sätzliche Belastungen für die deutsche
tung bei dem bundeseigenen Konzern Ernährungsindustrie“, warnt deren
im Raum stehe. Allerdings gelte es, die Branchenverband BVE. Und zwar ein-
Tarifautonomie zu beachten. Der zwei- seitig im internationalen Wettbewerb,
tägige Bahnstreik am vergangenen Mitt- so wie zuvor auch schon bei der EEG-
woch und Donnerstag hatte bundesweit Umlage. Brüggen zum Beispiel stellt
zu massiven Störungen im gesamten Müslis, Haferflocken, Cornflakes und
Streckennetz der Bahn geführt. Perso- Co. sowohl in Deutschland als auch in
nen- und Güterverkehr waren betroffen. Polen und Frankreich her. Und in den
Eine Bahn-Sprecherin sagte auf An- Werken außerhalb der Heimat ist das
frage, das Unternehmen sei auch zu ei- mittlerweile nur noch halb so teuer wie
ner Schlichtung bereit. Für die Deut- hierzulande.
sche Bahn stehe das Ergebnis im Vor- „Was Energie betrifft, sind wir ein
dergrund. „Wichtig ist, dass wir begin- Großverbraucher“, beschreibt Firmen-
nen, ernsthaft über Inhalte zu spre- chef Brüggen. Denn während des Pro-
chen.“ Die Gewerkschaft Deutscher Lo- duktionsprozesses werde gekocht, ge-
komotivführer zeigte sich ablehnend. Es backen und getrocknet. „Nun müssen
habe zur aktuellen Tarifrunde bereits im wir uns überlegen, inwieweit das in Zu-
vergangenen Jahr eine Schlichtung ge- kunft noch möglich ist in Lübeck.“
geben, sagte eine GDL-Sprecherin der Denn der Standort, an dem Brüggen seit

„Uns hört
dpa. Diese sei gescheitert, die Chance mittlerweile 153 Jahren agiert, wird nach
Schlichtung sei vertan. Aussage des Unternehmers zunehmend
Die Bahn hatte im Herbst 2020 mit unattraktiv. „Die Verbraucher wollen ei-
PICTURE ALLIANCE / ZOONAR/ VSEVOLOD BELOUSOV

Blick auf die massiven Corona-Auswir- gentlich regionale Produkte. Wir müs-

niemand zu“
kungen noch vor Auslaufen des Tarifver- sen uns die Wertschöpfung vor Ort aber
trags mit der GDL eine Schlichtung ein- auch leisten können.“ Konkurrenten
geleitet. Die GDL lehnte den Vorschlag wie Kelloggs oder Nestlé seien längst
von Schlichter Matthias Platzeck (SPD) abgewandert. „Und auch in unserem
dann aber ab. So lief der Tarifvertrag im Unternehmen mit seinen europäischen
Februar dieses Jahres normal aus und Standorten sind die Energiekosten ein
zwischen Bahn und GDL begannen die relevanter Bestandteil unserer Kalkula-
Verhandlungen. tion und entscheiden mit, welche Arti-
Die (GDL) hatte ein neues Angebot kel wo produziert werden.“
als Voraussetzung für Gespräche und ei- Die Bundesregierung will gegensteu-
nen Verzicht auf weitere Arbeitsnieder- ern. Über die sogenannte „Verordnung
legungen gefordert. Die Bahn will der über Maßnahmen zur Vermeidung von

Der CO2-Preis verteuert die

GDL ein Angebot nur am Verhandlungs- Carbon-Leakage durch den nationalen
tisch vorlegen. Sie bot am Freitag an, die Brennstoffemissionshandel“, kurz Das beginnt schon mit der Auswahl men vielfach auch hierzulande wachsen.

Lebensmittelproduktion in Deutschland.
Gespräche sofort wieder aufzunehmen: BECV, strebt die Politik eine Entlastung der Datengrundlage. Offenbar hat die Hinter den Mühlen stehen aber in meh-
„Die DB ist davon überzeugt, dass wir von betroffenen Branchen an. Gedacht Bundesregierung für ihre Ausnahmen- reren Fällen internationale Konzerne.
am Verhandlungstisch kurzfristig Lö-
sungen finden. Wir sind dazu bereit“,
ist die Verordnung vor allem für Unter-
nehmen, die zusätzliche Kosten auf- Zwar soll eine Verordnung Unternehmen liste einfach Zahlen der sogenannten
Sektorenliste des EU-Emissionshandels
„Und da ist der Rechtfertigungsdruck
für die deutschen Werke mittlerweile
sagte Personalvorstand Martin Seiler. grund des Wettbewerbs mit ausländi- entlasten und verhindern, dass sie übernommen. Das aber verzerrt die schon hoch“, berichtet Brankatschk.

abwandern. Doch ihre Ausnahmen reichten

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky schen Konkurrenten nicht über die Pro- Wirklichkeit in vielen Bereichen. „Die Zwar werde die Branche und mit ihr
hatte zuvor eine Protestkundgebung der duktpreise abwälzen können. „In diesen Datengrundlage ist unvollständig, un- mehrere Tausend Arbeitsplätze nicht

bei weitem nicht aus, klagt die Industrie

Gewerkschaft vor dem Bahntower in Fällen besteht die Gefahr, dass die Pro-
Berlin für diesen Dienstag angekündigt. duktion betroffener Unternehmen in-
Danach werde es nur noch „sehr kurze folge CO2-Preis-bedingter Wettbe-
Zeit“ bis zu einem neuerlichen Streik werbsnachteile ins Ausland abwandert
dauern. Weselsky hatte allerdings eine und dort möglicherweise zu insgesamt
längere Vorwarnzeit zugesichert als die höheren Emissionen führt“, heißt es in
15 Stunden vor der ersten Streikwelle. einer Stellungnahme des Bundesum-
Zudem hatte er angedeutet, dass der weltministeriums (BMU). Das mit dem
nächste Streik länger dauern und zudem nationalen Brennstoffemissionshandel
ein Wochenende umfassen könnte. verfolgte Ziel werde damit aber konter-
Die GDL wehrt sich gegen Vorwürfe, kariert.
ihre Forderungen zum Gehalt seien nur Branchen, für die es künftig Ausnah-
vorgeschoben, um für politische Ziele meregelungen geben soll, finden sich in
zu streiken. So hatte der Bahn-Beauf- einer Liste. Die aber ist aus Sicht der
tragte der Bundesregierung, Enak Ferle- Wirtschaft völlig unzureichend. Der
Bundesverband der Energie-Abnehmer
(VEA) zum Beispiel berichtet von einer
Umfrage, wonach 82 Prozent der be-
troffenen Mitgliedsunternehmen auf
PICTURE ALLIANCE / SVENSIMON/MALTE OSSOWSKI
zureichend präzise und nicht repräsen-
tativ“, heißt es in dem Positionspapier
der sechs Verbände. Betroffen sind zum
Beispiel die Ölmühlen: Für sie wurden
europäische Daten zum Energiever-
brauch herangezogen, die aber seien für
Tendenz fallend Deutschland nicht repräsentativ, be-
schwert sich der Branchenverband
Treibhausgas-Emissionen in Deutschland (in Mio. t CO2-Äquivalente) OVID. „Es kann nicht sein, dass die süd-
1251
1200 europäische Olivenöl-Produktion der
deutschen Rapsöl-Produktion gleichge-
1000
Ziel 2020** stellt ist“, schimpft Geschäftsführer
800
751 739 Brankatschk. Denn einer Olive lasse
sich mit relativ wenig Energie Öl entlo-
600 cken. „Versuchen sie das aber mal bei ei-
400 Ziel 2030** nem Rapskorn.“ Aufgrund der Einord-
563 nung stehe den Ölmühlen per BECV
200
Ziel 2050** aber lediglich der geringste Kompensa-
0 250 tionsgrad von 70 Prozent zu. „Was wir
mit einem lauten Knall aus Deutschland
verschwinden – aber schleichend. Und
das wiederum werde dann auch zum
Problem für andere Branchen.
Denn Nebenprodukte aus der Ölsaa-
ten-Verarbeitung landen OVID zufolge
unter anderem in Shampoo, Windeln,
Druckfarben oder Basischemikalien.
Noch dazu würden sie zu Forschungs-
zwecken für die Verbesserung der Bio-
ökonomie genutzt. Wissenschaftler ar-
beiten also daran, fossile Energieträger
in Produkten durch pflanzenbasierte
Stoffe zu ersetzen – zum Beispiel Raps-
protein in Klebstoff. „Wandert die Bran-
che aber ab, bekommen die Forscher
nicht mehr genügend Material.“
Auch der VGMS sieht eine schrittwei-
se Abwanderung von Getreidemühlen

der entsprechenden Liste nicht ver-
zeichnet sind – und damit auch nicht
auf Kompensationen hoffen können.
Dazu gehören etliche Bereiche der Er-
nährungswirtschaft.
Andere Branchen wiederum sind er-
fasst, allerdings mit derart niedrigen Er-
stattungen, dass trotzdem eine syste-
matische Wettbewerbsbenachteiligung
droht, heißt es in einem gemeinsamen
Positionspapier der BVE mit dem Bun-
desverband der Deutschen Süßwarenin-
Verkehrsminister Scheuer (CSU) will dustrie (BDSI), dem Deutschen Mälzer-
weiteren Streiks vorbeugen bund, dem Deutschen Verband der He-
feindustrie, dem Verband der ölsaaten-
mann, kritisiert, dass die GDL eigentlich verarbeitenden Industrie in Deutsch-
das Tarifeinheitsgesetz zu Fall bringen land (OVID) und dem Verband der Ge-
wolle und zudem eine Trennung zwi- treide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft
schen Netz und Fahrbetrieb bei der (VGMS). „Die CO2-Abgabe vertreibt die
Bahn anstrebe. Dies seien politische Ernährungsindustrie aus Deutschland“,
Ziele, für die nach deutschem Recht formuliert es OVID-Geschäftsführer
nicht gestreikt werden dürfte. Gerhard Brankatschk deutlich. „Der ge-
Deutsche Bahn und GDL ringen in plante Carbon-Leakage-Schutz für die
der Tarifrunde um eine Lohnerhöhung Ernährungsbranche versagt. Nun droht
von 3,2 Prozent. Strittig ist jedoch, der Exodus.“ Und damit könne dann die
wann die Erhöhung greifen und wie lang systemrelevante Ernährungsversorgung
der neue Tarifvertrag gelten soll. Auch am Standort Deutschland Schaden neh-
Betriebsrenten und eine Corona-Prämie men.
sind Streitthemen. Die Bahn will die Wie hoch das jeweilige Abwande-
Kosten des Tarifabschlusses gering hal- rungsrisiko für eine Branche im Zuge
ten, weil sie in der Corona-Krise hohe des nationalen Brennstoffemissions-
Verluste eingefahren hat. Zudem hat der handels ist, lässt sich laut dem Deut-
Bund als Eigentümer im Gegenzug für schen Institut für Wirtschaftsforschung
Milliardenhilfen auch Einsparungen im (DIW) am besten am Verhältnis von
Konzern verlangt. Die Konkurrenzge- CO2-Kosten zu Bruttowertschöpfung
werkschaft EVG könnte im Fall eines ermitteln. Das Ergebnis: Liegt der ent-
höheren GDL-Abschlusses nachverhan- sprechende Anteil bei fünf Prozent oder
deln. dpa mehr, ist das Risiko einer Verlagerung
1990 ... 2015 2016 2017 2018 2019 2020* aber brauchen ist der Höchstsatz von 95 und Stärkeherstellern oder auch von
* Schätzung **lt. Energiekonzept d. Bundesregierung Quelle: Statista, Umweltbundesamt Prozent.“ Cerealien- und Nudelproduzenten.
Registriert wird das offenbar, man- „Der Arbeitsmarkt bricht deswegen
cherorts jedenfalls. Der Wirtschaftsrat nicht sofort zusammen, aber es sum-
der CDU zum Beispiel schlägt sich auf miert sich dann irgendwann“, sagt
die Seite der heimischen Ölmühlen. VGMS-Vorstandsmitglied Brüggen.
Zu hohe Emissionen „Die Verwendung der EU-Sektorenliste Gleichzeitig sei auch die Warenverfüg-
Anteil der Länder am weltweiten CO2-Ausstoß im Jahr 2019 dient dem Schutz vor Abwanderung aus barkeit ein Thema. „Nicht zuletzt die
der Europäischen Union. Im vorliegen- Corona-Pandemie hat gezeigt, wie
China 27,92
USA 14,50 den Fall bräuchte es jedoch einen wichtig Versorgungssicherheit und re-
Indien 7,18 Schutz vor Abwanderung aus Deutsch- gionale Wertschöpfungsketten sind“,
Russland 4,61 land“, fordert Wolfgang Steiger, der Ge- sagt Brüggen. „Im Frühjahr 2020 haben
Japan 3,04
Iran 2,14 neralsekretär des Wirtschaftsrates. unsere Mitarbeiter für den Nachschub
Deutschland 1,93 „Die Verwendung der EU-Liste verfehlt mit Mehl, Haferflocken, Cerealien oder
Indonesien 1,69 damit das Ziel der Verordnung.“ Die eu- Teigwaren gesorgt, damit die Super-
Korea 1,68 ropäischen Daten seien nicht repräsen- marktregale immer wieder gefüllt wer-
Saudi-Arabien 1,60
Kanada 1,58 tativ für alle Sektoren in Deutschland. den konnten.“
Südafrika 1,31 Zudem seien einige Branchen komplett Das habe die Politik aber offenbar
Brasilien 1,28 vergessen worden. „Nun drohen Wett- schnell wieder vergessen. Und dass es
Mexiko 1,20
Australien 1,13 bewerbsnachteile und damit die Insol- nicht um „denkbare Folgen“ und „abs-
Quelle: Statista venz oder Abwanderung von Unterneh- trakte Modellrechnungen“ geht, habe
men.“ Damit aber würden Emissionen sich gerade in seiner Branche auch
nicht vermieden, sondern verlagert. schon infolge der Verteuerungen bei
Dass sich die Bundesregierung für den Energiepreisen durch die EEG-Um-
von Produktionskapazitäten ins Aus- steller von keramischen Fliesen und derlei Warnungen nicht interessiert, lage gezeigt. „Bedeutende Cornflakes-
land hoch. Im ersten Schritt, also beim Platten oder auch der Bereich Chemie- macht die beteiligten Branchen „nach- Hersteller sind abgewandert und bedie-
aktuell gültigen CO2-Preis von 25 Euro fasern. Sollte der CO2-Preis zudem stär- denklich“, wie OVID-Chef Brankatschk nen den Markt jetzt aus anderen Län-
je Tonne, trifft das allein auf Gipsher- ker steigen, worüber in der Politik auch sagt. „Sachargumente zählen offenbar dern“, beschreibt Brüggen. Drei oder
steller zu. In den Jahren 2022 bis 2025 aufgrund des zwischenzeitlich gespro- gar nicht mehr. Die Klimaschutzdebatte vier Marktteilnehmer seien jetzt noch
steigt der Emissionsrechte-Preis dann chenen Urteils des Bundesverfassungs- wird nur noch in plakativen Überschrif- übrig. „Das hört sich nach wenig an. Die
allerdings auf bis zu 55 Euro. Und dann gerichts zum Klimaschutz längst disku- ten geführt.“ In der Branche werde da- Symbolkraft ist aber groß, sollten auch
übersteigen auch mehrere andere Bran- tiert wird, dürfte es noch viel mehr her offen über die künftige Aufstellung sie verloren gehen.“ Dem Klima sei da-
chen die kritische Fünf-Prozent-Marke, Branchen treffen. „Wenn man die Er- diskutiert. „In Zukunft werden die mit am wenigsten geholfen angesichts
zeigt ein DIW-Papier im Auftrag des nährungsindustrie in Deutschland hal- Schwerpunkte wohl anders gesetzt.“ der vielen zusätzlichen Transportfahr-
Bundesfinanzministeriums. ten will, muss die Politik unbedingt die Aktuell ist Deutschland mit knapp 13 ten, die nötig werden. Dabei seien regio-
Anfangs sind es die Mälzer und die Sorgen der heimischen Lebensmittel- Millionen Tonnen verarbeiteter Ölsaa- nale Versorgung und pflanzliche Le-
Anbieter von Fetten und Ölen, danach hersteller ernst nehmen“, fordert Bran- ten der größte Produktionsstandort in bensmittel die wichtigen Bausteine auf
folgen die Stärkeindustrie und die Her- katschk. Europa. Zumal Raps und Sonnenblu- dem Weg zur Klimaneutralität.

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DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
M
orgens entspannt mit
einem Kaffee am heimi-
schen Schreibtisch in
den Tag starten, statt
sich durch den nerven-
aufreibenden Berufsverkehr zu quälen:
Der Wechsel ins Homeoffice während
der Pandemie war für viele eine Erleich-
terung.
VON SELMA SCHMITT
Kostüm und Anzug konnten im
Schrank bleiben, stundenlange Zugfahr-
ten zum Kunden fielen flach. Die Schat-
tenseite: Vielen fehlt der Austausch mit
den Kollegen, sie fühlen sich isoliert
und überlastet. So richtig abschalten
können sie nach dem Wechsel vom
Schreibtisch auf die Couch wegen der
fehlenden Abgrenzung nicht. Dazu
kommen gesundheitliche Probleme wie
Nackenschmerzen aufgrund schlechter
Ausstattung im heimischen Büro.
Einerseits haben die meisten den
Komfort des Heims schätzen gelernt –
immerhin wollen rund 80 Prozent der
befragten Angestellten auch künftig
mindestens einen Teil ihrer Arbeitszeit
im Homeoffice verbringen, hat die
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst
& Young ermittelt. Andererseits klagen
laut der Prüfgesellschaft Dekra schon
jetzt 41 Prozent der Frauen und 32 Pro-
zent der Männer über gesundheitliche
Probleme durch das Homeoffice. Künf-
tig wird es in vielen Branchen ein hybri-
des Modell geben, das Heim- und Büro-
arbeit vereint. Damit alle dabei gesund
bleiben, müssen Beschäftigte vor allem
in die Ergonomie ihrer heimischen Bü-
roausstattung investieren – sonst dro-
hen langfristige Gesundheitsprobleme.
Hier sind auch die Arbeitgeber in der
Pflicht: Wer seine Angestellten ins
Homeoffice schickt, begründet dort ei-
ne neue Betriebsstätte. „Dann gilt auch
dort die Arbeitsstättenverordnung“,
sagt Christian Bitsch, Partner der Kanz-
lei Bluedex. Er vertritt mittelständische
Unternehmen und Großkonzerne und
hilft ihnen bei rechtlichen Fragen, etwa
bei der Einführung von Heimarbeit. Die
Arbeitsstättenverordnung regelt, wel-
che Vorgaben ein Arbeitsplatz erfüllen
muss. Das reicht von der Raumtempera-
tur über Vorgaben zum Desktop bei
Bildschirmarbeitsplätzen bis zu Flucht-
wegen als Schutz vor besonderen Ge-
fahren. „Theoretisch dürfte ein Arbeit-
geber seine Angestellten nicht im
Homeoffice arbeiten lassen, wenn diese
Standards nicht erfüllt sind“, sagt er.
Aber: wo kein Kläger, da kein Richter.
Bei rund 45 Millionen Erwerbstätigen
wäre eine Kontrolle jeder Wohnung mit
Homeoffice für das zuständige Gewer-
beamt kaum umsetzbar. In der Praxis
läuft es also eher so, dass die Arbeitge-
ber eine Checkliste erstellen, mit der
die Angestellten prüfen können, ob sich
ihr Zuhause für die Heimarbeit eignet,
sagt Arbeitsrechtler Bitsch.
DER IDEALE SCHREIBTISCH
Wer schon mal einige Tage mit Laptop
am Küchentisch saß, weiß, dass das kei-
ne Dauerlösung ist. Gebückte Haltung,
ein kleiner Bildschirm und ein zu nied-
riger Stuhl verursachen Stress für Rü-
cken und Augen gleichermaßen. Ein hö-
henverstellbarer Schreibtisch und ein
ergonomischer Bürostuhl sollten her,
„damit Beschäftigte auch langfristig oh-
ne gesundheitliche Schäden arbeiten
können“, sagt Marco Kammer, Work-
place Consultant beim Bürogestalter
Kirsch & Lütjohann in Hamburg. Der
Arbeitsplatzexperte empfiehlt: Ein
Schreibtisch sollte nach Möglichkeit 160
Zentimeter breit und 80 Zentimeter tief
sein. Wer noch einen Schritt weiterge-
hen will, schafft sich einen höhenver-
stellbaren Schreibtisch an.
„Beim Bürostuhl sollten Beschäftigte
verschiedene Modelle ausprobieren und
das auswählen, was sie am bequemsten
finden“, sagt Kammer. Von Prädikaten
wie „ergonomisch“ hält er wenig. Diese
Auszeichnung ist genauso wie „gesund-
heitsfördernd“ kein geschützter Begriff,
sodass auch der harte Küchenstuhl die-
se Beschreibung bekommen könnte.
Grundsätzlich sollte ein Stuhl sich im-
mer an den Körper anpassen lassen.
„Neben der Sitzhöhe sollten insbeson-
dere die Sitzflächenlänge, die Rücken-
lehnenhöhe sowie die Armlehnen ein-
stellbar sein“, sagt der Experte.
DEN STUHL RICHTIG EINSTELLEN
Der Stuhl sollte so hoch sein, dass zwi-
schen Oberschenkel und Wade ein Win-
kel von mindestens 90 Grad entsteht.
Kammer empfiehlt außerdem: Wenn die
Ellbogen bei entspannter Schulterhal-
tung gerade so die Armlehne berühren,
sind sie auf der richtigen Höhe. Erst zum
Schluss wird der Tisch angepasst. Die
Tischplatte sollte etwa einen Zentimeter
unter der Armlehne stehen, sodass Hän-
de und Tastatur etwa auf einer Höhe
sind. Dann gilt es nur noch, grade zu sit-
Endlich richtig EINRICHTEN
Auch nach der Pandemie wollen viele weiter von zu Hause arbeiten. WELT gibt Tipps, wie das am besten funktioniert
zen, statt zum Beispiel im Schneidersitz
mit Buckel auf den Bildschirm zu starren.
Die Höhe des Bildschirms sollte so
eingestellt sein, dass man – ähnlich wie
beim Lesen eines Buches – leicht nach
unten schaut und den Bildschirminhalt
mit einem Blick erfassen kann. In der
Regel ist dann die oberste Zeile im Bild-
schirm auf Augenhöhe. Bei einem Lap-
top funktioniert das nur, wenn man den
Laptop in eine Halterung oder auf einen
Bücherstapel stellt – oder besser: sich
zusätzlich einen zweiten, großen Bild-
,,
schirm anschafft. 24 Zoll Durchmesser
sind laut Kammer ideal, also so groß,
dass zwei DIN-A4-Seiten nebeneinan-
der passen.
ARBEITNEHMER
HABEN DIE
GLEICHEN
PFLICHTEN WIE
AUCH IM BÜRO
CHRISTIAN BITSCH,
Partner der Kanzlei Bluedex
Auch eine externe Tastatur ist von
Vorteil: Die Buchstabentasten am Lap-
top liegen oft so eng beieinander, dass
sie langfristig zu einer Verkürzung der
Brustmuskeln führen können.
DEN ARBEITSPLATZ GUT PLATZIEREN
Ein guter Arbeitsplatz braucht Ruhe
und wenig Ablenkung – das gilt fürs Bü-
ro wie auch für zu Hause. Auch die Po-
sition des Schreibtischs ist entschei-
dend: „Am besten eignet sich dafür eine
Ausrichtung im 90-Grad-Winkel zum
Fenster“, betont der Experte. Vom Blick
zum oder mit Rücken zum Fenster rät
er ab, das helle Tageslicht blendet oder
reflektiert zu sehr. Am besten platzie-
ren Beschäftigte den Schreibtisch mit
Blick auf eine helle Wand, die bildet den
geringsten Kontrast zur Bildschirmfar-
be und schont die Augen. Bei der perfek-
ten Platzwahl geht es auch um den pro-
fessionellen Eindruck: Der unaufge-
räumte Spieleschrank der Kinder im Vi-
deohintergrund wirkte vielleicht zu Be-
ginn der Pandemie noch charmant, in-
zwischen aber unprofessionell. Also:
Entweder aufräumen oder den Hinter-
grund weichzeichnen.
WIRTSCHAFT 11
GETTY IMAGES/ADA DASILVA
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WORK-LIFE-BALANCE HALTEN
Nicht alle haben zu Hause ein separates
Arbeitszimmer, das sie nach getaner Ar- RATGEBER: Smartes Zuhause ANZEIGE
beit abschließen können. Auch in einer
Ein-Zimmer-Wohnung kann man mit we-
nig Aufwand für eine Trennung von Pri-
vatleben und Beruf sorgen: „Das funktio-
niert gut durch ein passendes Regal“, rät
Kammer. Ist dafür zu wenig Platz, emp-
fiehlt er Tisch-Aufsätze: Diese sind hö-
henverstellbar und vereinen Steharbeits-
platz und ergonomische Bildschirmhöhe.
Sie lassen sich abends einklappen und im
Schrank verstauen. Auch ein faltbarer
Notebookständer lässt sich schnell auf-
und abbauen. Der neueste Trend sind
schmale, unauffällige Schränke, deren
Tür zur Arbeitsplatte und damit zum
Schreibtisch aufgeklappt werden kann.
Endlich WLAN in allen Ecken
Egal, welches Konstrukt man wählt, das
Ziel ist bei allen Lösungen gleich: „Ist der
Arbeitsplatz nicht mehr zu sehen, fällt es
mit dem Abschalten nach der Arbeit
nämlich auch viel leichter“, sagt Kammer.
Beim Verstauen von Laptop und Co.
sollten nicht nur die Ästhetik zählen,
sondern auch die Sicherheit: „Arbeit-
Der neue WLAN-Standard Wi-Fi 6 sorgt nicht
nehmer haben die gleichen Pflichten
wie auch im Büro und müssen etwa das
nur für eine schnellere Datenübertragung, sondern TOP-BERATUNG
Geschäftsgeheimnisgesetz wahren“,
UND -SERVICE
sagt Arbeitsrechtler Bitsch. Wer mit auch für ein stabiles, flächendeckendes Netz.
vertraulichen Informationen hantiert –
von Kundenlisten bis Maschinenbauplä- Wir entwickeln mit Ihnen die optimale
nen –, muss dafür sorgen, dass die In- Bestens für die Zukunft gerüstet Lösung für Ihre Wohnsituation und helfen
formationen nicht in die Hände Dritter Ihnen bei der Einrichtung:
Mit dem neuen WLAN-Standard Wi-Fi 6 Speed Home WLAN gibt es außer-
geraten. Das heißt: am besten den Lap-
surfen Sie nicht nur signifikant schneller dem auch gleich den passenden in Ihrem Telekom Shop,
top wegschließen und das Diensthandy
mit einem Passwort versehen. als bisher, sondern können nun auch Router der neuesten Generation: Der unter 0800 33 03000
viel mehr Geräte ohne Qualitätsverlust Speedport Smart 4 erlaubt im WLAN und telekom.de/heimvernetzung
GESCHICKT VERHANDELN miteinander verbinden – selbst in Um- sensationelle Geschwindigkeiten von
gebungen mit einer hohen WLAN-Dich- bis zu 6.000 MBit/s und dient gleich-
Wer im Homeoffice professionell und te wie z. B. in Mehrfamilienhäusern. Per- zeitig als Mesh- und Smart-Home-Basis. Darf’s noch etwas mehr sein?
gesund arbeiten will, muss in die Aus-
DIGITAL HOME
fekt, um gleichzeitig Datenströme mit Zudem besteht der Router aus recycel-
stattung investieren. Wer die Kosten höchster Kapazität und Geschwindig- tem Kunststoff und wird nach Vermie-
dafür tragen muss, ist aber rechtlich
nicht festgelegt, sagt Jurist Bitsch. Es
liegt am eigenen Verhandlungsgeschick,
keit zu empfangen. Obendrein wird
durch Optimierungen des Sendeverhal-
tung wiederaufbereitet.
SERVICE JETZT
wie viel der Arbeitgeber übernimmt. tens die Akkulaufzeit der verbunde- Beste Voraussetzungen für NEU
Ein gutes Argument: Wenn der Chef in nen Geräte verlängert.
Smart Home und IPTV Das dauerhafte Rundum-
die Gesundheit seiner Mitarbeiter in- sorglos-Paket für Ihr Heimnetz:
vestiert, sinkt die Wahrscheinlichkeit Ein gut funktionierendes Heimnetz bil-
für Arbeitsausfälle. „Ein Anspruch auf Voller Empfang auf Schritt und Tritt det die ideale Grundlage, um Ihr Zu- • Problemlösung, Installation,
Erstattung besteht nur bei Auslagen für Der brandneue Mesh-Repeater der hause zu einem Smart Home werden Datensicherung
die Arbeit“, sagt der Experte. Das sind Telekom, der Speed Home WLAN, ga- zu lassen. Entdecken Sie eine Vielzahl
Kosten, die der Arbeitnehmer gezahlt rantiert dank des neuen Standards eine praktischer Alltagshelfer wie Kameras • Bei Bedarf auch mit Vor-Ort-Service
hat, damit er seine Leistung erbringen
optimale WLAN-Abdeckung in Ihrem oder Bewegungsmelder, die Ihr Zuhau- • Für Sie da – unabhängig vom
kann, also beispielsweise Storm, Miete
oder Internet. Da es hier aber fast un- Zuhause. Bei der Mesh-Technologie er- se noch sicherer und energieeffizienter Internetanbieter oder Betriebssystem
möglich ist, trennscharf nachzuweisen, zeugen mehrere Zugangspunkte ein machen – ganz einfach per App steuer-
flächendeckendes WLAN. Ihre Geräte Mehr unter 0800 33 05500 oder
wie viel von den Kosten ausschließlich bar. Schnelles WLAN ist auch eine wich-
für den Job angefallen ist, zahlen viele müssen sich daher nicht immer wieder tige Voraussetzung für brillante und stö- telekom.de/digital-home-service
Arbeitgeber stattdessen eine Pauschale. neu einwählen, sondern bleiben dauer- rungsfreie Unterhaltung mit MagentaTV
Und wenn der Chef sich querstellt, gibt haft im Netz verbunden – egal, wie in HD-Qualität. Obendrein bietet die
es zumindest noch einen Trost: häufig Sie sich zwischen Ihren Räumen MagentaTV Box modernste Mesh-
Schreibtisch, Stuhl und sonstiges Büro-
oder Etagen bewegen. Neben dem WLAN-Technologie.
material können als Werbungskosten
mit 1000 Euro pauschal und ohne Nach-
weis bei der Steuer angesetzt werden.
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12 WIRTSCHAFT
D Boeings nächste PANNE
ie genaue Ursache für das
Problem ist noch unbe-
kannt, gibt Boeing-Raum-
fahrtmanager John Voll-
mer zu. Möglicherweise
habe die hohe Luftfeuchtigkeit nach ei-
nem Gewitter am US-Raketenstartplatz
Cape Canaveral in Florida eine Rolle ge-
spielt. Er könne nur spekulieren, warum
sich zunächst 13 Ventile nach dem Betan-
ken der Astronautenkapsel Starliner mit
hochgiftigen Treibstoffen nicht öffnen
ließen. Selbst nach Tagen konnte die
Panne nicht vollständig behoben werden,
was zum Startabbruch führte. Die Ventile
sind entscheidend für die Steuerung der
Triebwerke der Kapsel im Weltraum. Sie
müssen funktionieren, sonst kann der
unbemannte zweite Testflug nicht begin-
nen. Jetzt müsse alles genau untersucht
werden, sagt der Boeing-Manager.
VON GERHARD HEGMANN
Dazu wurde die als CST-100 Starliner
bezeichnete Kapsel wieder von der Spit-
ze der Rakete abmontiert. Sie kommt
zurück ins Werk. Wann der nächste
Startversuch unternommen wird, ist of-
fen, hieß es auf einer Pressekonferenz
der US-Weltraumbehörde Nasa mit Bo-
eing. Vielleicht im Oktober – oder sogar
erst im nächsten Jahr. Das Projekt hat
sich bereits um drei Jahre verspätet. Da
kommt es wohl auf ein paar Monate
nicht mehr an.
Das jetzt verhängte Startverbot für
Boeings Astronautenkapsel Starliner ist
nicht irgendeine Panne, die zum Leit-
spruch der Branche „Space is hard“
passt. Immer wieder gibt es bei Missio-
nen von Raumfahrtunternehmen Proble-
me, weil Raketen, Raumkapseln und Sa-
telliten zwar zu den Meisterwerken der
Ingenieurskunst gehören, aber auch ex-
tremen Belastungen ausgesetzt sind. Bei
der bemannten Raumfahrt muss zudem
alles funktionieren.
Die Besonderheit an der jüngsten Bo-
eing-Panne ist die Fehlerkette. Der jetzt
abgeblasene Startversuch der Starliner-
Kapsel ist der zweite Anlauf, mit dem Bo-
eing der US-Weltraumbehörde Nasa be-
weisen will, dass der Konzern Astronau-
ten sicher ins All transportieren kann.
2014 beauftragte die Nasa sowohl Boeing
als auch das relativ junge Unternehmen
SpaceX des Technikunternehmers Elon
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Musk mit dem Bau von Astronautenkap-
seln, damit es Amerika wieder ohne Hilfe
der Russen schafft, Menschen in den
Weltraum zu befördern. Boeing erhielt
4,2 Milliarden Dollar und hat noch keine
einzige Mission geschafft. SpaceX kas-
sierte nur 2,6 Milliarden Dollar, und die
Flüge funktionierten im ersten Anlauf.
Im März 2019 der erste unbemannte
Testflug und im Mai 2020 die erste be-
mannte Mission. Bei drei Flügen hat Spa-
ceX inzwischen zehn Astronauten ins All
gebracht. Der größte Rückschlag bei Spa-
ceX war die Explosion einer Dragon-Kap-
sel bei einem Triebwerkstest am Boden.
Für Boeing ist der aktuelle Flugstopp
für die Starliner-Kapsel so blamabel,
weil der Konzern nach dem verpatzten
Premierenflug alles besser machen woll-
te. Beim ersten Testflug im Dezember
2019 kam es zwar zum Start, aber kaum
war die Kapsel im All, begannen die Pro-
bleme. Borduhren waren falsch pro-
grammiert, es gab Softwarepannen, die
Kapsel flog eine falsche Umlaufbahn.
Die Mission stand davor, komplett zu
scheitern, und wurde nach zwei Tagen
abgebrochen. Ein Andocken an der
Weltraumstation ISS wurde abgeblasen.
Jetzt, im zweiten Anlauf, gewaltige 18
Monate später, sollte es klappen. Alle
Systeme seien nochmals überprüft und
notfalls überarbeitet worden, hieß es zu-
versichtlich im Vorfeld.
Dabei gab es bei der Entwicklung der
wiederverwendbaren Starliner-Kapsel
noch mehr Pannen. Im Mai 2019 öffneten
sich beim allerersten Testhüpfer zur Er-
probung der Sicherheitssysteme nur
zwei der drei Fallschirme. Die Ursache
war menschliches Versagen beim Zusam-
menbau der Fallschirmtechnik, hieß es.
Der erste Starliner-Flug war bereits für
August 2018 vorgesehen, doch dann wur-
de ein Tankleck entdeckt.
Wegen der Pannen und Verzögerun-
gen wird in Branchenblogs bereits über
grundlegend mangelhafte Qualitätskon-
trollen bei Amerikas größtem Luft- und
Raumfahrtkonzern diskutiert. In der Zi-
vilflugzeugsparte kam es zu zwei Abstür-
zen vom Modell 737Max mit 346 Toten,
weil Boeing eine fehlerhafte Flugsteuer-
software (MCAS) mit zu wenig Sicher-
heitspuffer entwickelt hatte.
Im März 2019 wurde ein weltweites
Flugverbot für die Max-Modelle ver-
hängt, dass erst Anfang 2021 weitgehend
Für herausragende Verdienste
um die Entwicklung und Anwendung
von Künstlicher Intelligenz.
Bewerbungen und Nominierungen unter www.kipreis.de
Einsendeschluss: 31.08.2021
DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
Was der aktuelle Flugstopp der Kapsel
kostet, konnte Boeing-Manager John
Vollmer auf der gemeinsamen Presse-
konferenz mit der Nasa noch nicht be-
ziffern.
Dabei hat der über 105 Jahre alte Bo-
eing-Konzern große Pläne in der Raum-
fahrt. Dazu gehören der Bau der neuen
Großrakete SLS (Space Launch System),
deren Entwicklung sich ebenfalls verzö-
gert hat, sowie die Beteiligung an einer
Raumstation (Lunar Gateway). Sie soll
den Mond umkreisen, ähnlich dem Kon-
zept der Internationalen Raumstation
ISS, die um die Erde fliegt. Die Budgets
kommen von der Nasa, also eine sichere
Einnahmequelle.
Die US-Weltraumbehörde baut zu-
mindest bei den neuen Astronautenkap-
seln auf eine Zwei-Quellen-Strategie. Bo-
eing muss also nicht befürchten, wegen
der eigenen Probleme mit dem Starliner-
An der Spitze einer Modell im Vergleich zu den Erfolgen von
Rakete sollte die SpaceX mit der Dragon-Kapsel aussor-
Starliner-Kapsel tiert zu werden. Bei der nächsten be-
zum zweiten mannten Mondlandung der Amerikaner,
Test starten die für etwa 2024 geplant ist, setzt die
Nasa allerdings allein auf das Landevehi-
kel von Elon Musk und fährt keine Dop-
pelstrategie. In diesem Fall ist der Rivale
von SpaceX nicht Boeing, sondern der
Milliardär und Amazon-Gründer Jeff Be-
zos mit seiner Raumfahrtfirma Blue Ori-
PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM/JOE MARINO
gin. Bezos tobt, dass er keine Nasa-Gel-
der für eine US-Mondlandung mit sei-
nem Vehikel bekommt. Alle Versuche,
den Auftrag doch noch zu ergattern, sind
bislang gescheitert, weil sein Angebot
der Nasa schlicht zu teuer ist.
Für die Boeing-Führung wird daran
deutlich, dass ihr Raumfahrtgeschäft
durch die Privatisierung auch mehr Kon-
kurrenz bekommen hat. Fehler können
nicht mehr so leicht ausgesessen werden.
Nach dem Flugzeug 737Max hat jetzt auch Wie viel Geld Boeing genau mit der
Raumfahrt verdient oder ob Verluste ge-
das Raumfahrtprojekt Starliner Startverbot. Es ist der bisherige schrieben werden, ist von außen nicht zu
Höhepunkt einer unglaublichen Serie von Qualitätsmängeln
erkennen. Der Konzern packt alles in die
Gesamtsparte Rüstung, Raumfahrt und
Sicherheit. 2020 lag der Spartenumsatz
bei 26 Milliarden Dollar bei gut 58 Milli-
aufgehoben wurde. Daneben gibt es wei- Rede. Die US-Flugsicherheitsbehörde Das 737Max-Desaster sorgte für Milliar- arden Dollar Gesamtumsatz.
tere Pannen, Qualitätsprobleme im Bo- FAA hat nach den Abstürzen der 737Max- denkosten und Verluste im Gesamtkon- Bei Boeing gibt es auch Pläne für be-
eing-Flugzeuggeschäft, von Auslieferun- Modelle die Kontrolle von Boeing ver- zern. Aber auch die Starliner-Probleme mannte Mars-Missionen. Allerdings
terbrechungen für das 787-Modell bis zu stärkt und Überprüfungen der 787-Flug- in der Raumfahrt sorgen für Sonderbe- möchte der Technikunternehmer Elon
Verzögerungen beim neuen Jumbo-Jet- zeuge auf Schäden am Rumpf veranlasst. lastungen. Der erste fehlgeschlagene Musk ebenfalls auf dem roten Planeten
Ersatz 777X, der nun erst Ende 2023 aus- Für Boeing sind es nicht nur Reputa- Flugtest im Dezember 2019 wurde mit landen. Und bisher war er eindeutig
geliefert wird. Anfangs war von 2020 die tionsschäden, sie kosten auch viel Geld. 410 Millionen Dollar Kosten verbucht. schneller als Boeing.
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FINANZEN
Elektromobilität
So laden
Sie richtig Seite 14
DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021 SEITE 13

RECHTSRAT

Grabpflege und
Erbanteil

D
ie Kosten für eine Grabpfle-
ge wirken sich automatisch
nicht auf den Pflichtteil im Für die richtige Geldanlage braucht es keine Jedi-
Erbrecht aus. Auch wenn die Grab- Kräfte – aber die Faszination für Yoda und Co.
pflege den Erben in einem Testament kann helfen, das Interesse von Kindern zu wecken
zur Auflage gemacht wurde, sind die
Ausgaben nicht als sogenannte Nach-
lassverbindlichkeiten anzusehen, be-
fand der Bundesgerichtshof (BGH),
wie die Zeitschrift „NJW-Spezial“
(Heft 14, 2021) berichtet (Az.: IV ZR
174/20). Bei der Berechnung des
Pflichtteils für Pflichtteilsberechtig-
te müssen diese Ausgaben also unbe-
PA/OBS/© LUCASFILM LTD. & TM. A/PROSIEBEN

rücksichtigt bleiben.
In dem Fall hatte eine Erblasserin
ein adoptiertes Kind hinterlassen, in
ihrem Testament aber Dritte zu ih-
ren Erben eingesetzt. Zugleich ord-
nete sie an, dass der Nachlass pro-
zentual verteilt werden sollte, je-
doch ein Teil für die Beerdigung und
20 Jahre Pflege des Grabes einzube-

Die perfekte AKTIE

halten seien. Zudem wurde Testa-
mentsvollstreckung angeordnet.
Das enterbte Kind forderte nun
den Pflichtteil ein, der unter Abzug
der durch einen Kostenvorschlag be-
zifferten Ausgaben für die Grabpfle-
ge berechnet wurde. Der BGH ent-

für Ihr Kind

schied aber, dass ein Abzug von
Grabpflegekosten bei der Pflichtteil-
berechnung nicht möglich ist. Denn
diese Ausgaben seien nicht als Nach-
lassverbindlichkeiten anzusehen.
Abzugsfähig seien als solche zwar die
Bestattungskosten, nicht aber die In- Die Schule bringt Kindern in Finanzfragen fast nichts bei, Eltern sollten daher selbst
tätig werden. Die Disney-Aktie macht das besonders einfach,
standhaltungs- und Pflegekosten der

W
Grabstätte. Dass die Grabpflege im

denn hier lässt sich die Brücke von Freizeitspaß zur Geldanlage schlagen
Testament vorgegeben wurde, stellt
in rechtlicher Sicht eine Auflage dar.
Dennoch begründe diese im Verhält-
nis zum Pflichtteilsberechtigten kei-
ne Abzugsposition. Unerheblich ist ir müssen uns drin- cher haben viele Bundesbürger eine der Channel zum Verlierer der Digitalisie-
in diesem Zusammenhang laut BGH gend mit dem neu- Unterhaltungsplattformen wie Netflix rung zu werden. Immer mehr Zuschau-
außerdem, dass Grabpflegekosten im esten Produkt unse- oder das Konkurrenzangebot Disney+ Disney lässt den Markt hinter sich er wollten zeitsouverän über das Fern-
Erbschaftsteuerbereich abzugsfähig res Unternehmens abonniert. Und Disney holt im Wett- sehprogramm bestimmen und nicht das
seien. dpa beschäftigen. Da wir kampf mit dem Rivalen Netflix kräftig Wertvergleich Disney und S&P 500, Indexiert konsumieren, was der lineare Pro-
Aktionäre sind, sollten wir prüfen, wie auf. Disney+ hat im abgelaufenen Quar- grammfahrplan vorgibt. Doch das Ma-
gut es wirklich ist. So macht man das als tal gleich zwölf Millionen neue Abon- 800
Disney
nagement reagierte mit einer radikalen
Miteigentümer doch, oder Papa?“ Die- nenten gewonnen, bei Netflix betrug Wende und gründete die Streaming-
Ihr Geld ser kurze Monolog hat sich tatsächlich der Kundenzuwachs gerade einmal 1,5 600 plattform Disney+.
so ereignet. Vorgetragen von einem Millionen. In den USA und Kanada ver- Und dabei ging es radikal vor und
Tagesgeld (25000 Euro) 400
zwölfjährigen Star-Wars-Fan. Und er lor Netflix sogar fast eine halbe Million kannte kein Tabu. So wurden zuletzt
Anbieter Zinsen in % Ertrag*
Bigbank1 0,30 37,50
zeigt wie sich das Erlernen von ökono- Kunden. populäre Filme wie Black Widow zum
mischen Zusammenhängen und Frei- Mit 116 Millionen zahlenden Nutzern 200 Kinostart zeitgleich gegen eine Extra-
DHB Bank1,2 0,25 31,25
S&P 500
Oyak Anker Bank 0,15 18,75 zeitspaß verbinden lassen. Nämlich liegt Disney+ zwar noch deutlich hinter Gebühr auch auf der Streamingplatt-
LeasePlan Bank1 0,10 12,50 dann, wenn man für seinen Nachwuchs Netflix, das 209 Millionen zahlende form gezeigt. Das brachte zwar Ärger
*Zinsertrag nach 6 Monaten in Euro unter Berücksichti- die richtigen Aktien kauft. Kunden hat. Allerdings konnte Disney+ 2001 2005 2010 2015 2021 mit vielen Kinobetreibern, allerdings
seine Kundenzahl binnen eines Jahres zeigten sich die Kunden begeistert. In-
gung verschieden häufiger Zinstermine.
1) Einlagensicherung: 100 000 Euro/ Person, Quelle: Bloomberg
2) für Neukunden, Zins gilt 6 Monate. VON HOLGER ZSCHÄPITZ, ANJA ETTEL UND verdoppeln und so scheint es nur noch zwischen macht Disney+ 4,3 Milliarden
NANDO SOMMERFELDT eine Frage der Zeit, bis der bisherige Dollar Umsatz, mehr als halb so viel wie
Festgeld 12 Monate (10 000 Euro)
Anbieter Zinsen in % Ertrag*
Platzhirsch besiegt ist. Experten spre- die tendenziell schrumpfende Fernseh-
FCA Bank S.p.A.1 0,85 85,00
Bei dem „neuen Produkt“ ging es in chen von „Streaming War“, vom Kampf sparte. Disney bietet damit einen guten
Sberbank Direct1 0,35 35,00 Wahrheit um „The Bad Batch“, die der Film- und Unterhaltungsplattfor- Dauerhafte Erfolgsgeschichte Anschauungsunterricht, wie man durch
DenizBank1 0,15 15,00 jüngste computeranimierte Serie aus men, um die Aufmerksamkeit der Kun- radikale Anpassung auch dramatische
Creditplus Bank 0,06 6,00 dem Star-Wars-Universum, die exklusiv den. Dieses Bild dürfte auch den Kids, Disney-Aktie in Dollar Umwälzungen meistern kann.
*Zinsertrag nach 12 Monaten in Euro unter Berücksichti-
gung verschieden häufiger Zinstermine. auf dem Streamingdienst Disney+ er- die mit den epischen Kämpfen ihrer 200
Auch der langfristige Aktienkurs kün-
1) Einlagensicherung: 100 000 Euro/ Person. schienen ist. Und natürlich ging es dem Marvel-Helden vertraut sind, vermittel- det von dieser Anpassungsfähigkeit.
184,09
Zwölfjährigen vor allem darum, die bar sein. Seit Anfang der 1970er-Jahre hat die
Sparbrief 2 Jahre (10 000 Euro) 150
Abenteuer der legendären „Kloneinheit Für Disney+ läuft es vor allem in In- Disney-Aktie den Anlegern 13 Prozent
Anbieter Zinsen in % Ertrag*
99“ vor dem Bildschirm zu erleben. Die dien gut. 40 Prozent der Abonnenten pro Jahr gebracht, der breite S&P 500
FCA Bank S.p.A.1 1,05 211,10
milliardenschwere Marke Star Wars ge- sitzen dort. Das hat natürlich auch ei- 100 warf nur 11,6 Prozent ab. Was wie ein
abcbank 0,35 70,12
Sberbank Direct1 0,35 70,12 hört seit vielen Jahren zum Disney- nen Nachteil. Die Menschen dort verfü- kleiner Unterschied klingt, hat langfris-
Oyak Anker Bank 0,25 50,06 Konzern. gen über ein niedrigeres Pro-Kopf-Ein- 50 tig massive Performance-Auswirkun-
*Zinsertrag nach 24 Monaten in Euro unter Berücksichti-
gung verschieden häufiger Zinstermine.
Wer darüber nachdenkt, seinem Nach- kommen und können nicht so hohe gen. Disney hängte den breiten Markt in
1) Einlagensicherung: 100 000 Euro/ Person. wuchs mithilfe von Aktien eine finanziel- Abogebühren zahlen. Und so ist der den vergangenen 50 Jahren in der Sum-
le Basis für Ausbildung oder Altersvor- durchschnittliche Umsatz pro Kunde, 1990 2021 me um 14.551 Prozent ab. Hier wirkt der
Billiges Baugeld (350 000 Euro) sorge zu schaffen, sollte unbedingt über im Jargon der Branche ist von ARPU die Quelle: Bloomberg berühmte Zinseszins-Effekt. Auch der
Überregionale Anbieter mtl. Rate LZ 10 J. 5 J.1 10J.1
1822direkt 1.192,92 0,56 0,61
Disney nachdenken. Das Unternehmen Rede, bei Disney+ um zehn Prozent auf ist lehrreich, um den Kindern zu erklä-
Degussa Bank 1.210,42 0,60 0,65 ist in einer historisch guten Situation. 4,16 Dollar gefallen. Bei Netflix gibt der ren, warum es lohnen kann, langfristig
BB-Bank 1.216,25 1,02 0,68 Und: Das Geschäftsmodell eignet sich Kunde fast dreimal so viel aus. Geld anzulegen.
Santander 1.268,75 0,86 0,86 perfekt, um schon Kinder und Jugendli- Auch das lässt sich Kindern gut ver- Doch es gab auch Schwächeperioden.
che im Fach Wirtschaft – das es an deut- mitteln. Es geht nicht allein um viele Disney holt auf Direkt nach Ausbruch der Pandemie fiel
Finanzmakler mtl. Rate LZ 10 J. 5 J.1 10J.1
Dr. Klein 1.175,42 0,55 0,57
schen Schulen weiterhin nicht gibt – an- Kunden. Diese müssen auch zahlungs- die Aktie, weil die Vergnügungsparks
schaulichen Unterricht zu geben. kräftig und -willig sein. Über die Zeit Abonnenten in Millionen schließen mussten. Auch diese Erfah-
Comdirect 1.210,42 0,60 0,65
Interhyp 1.210,42 0,60 0,65 Es ist eigentlich nie zu früh zu lernen, müssen die Firmen versuchen, mög- 200
rung ist für Jungaktionäre wichtig, denn
209,2
DTW-Immobilienfin. 1.242,50 0,70 0,76 wie es sich anfühlt, Aktien zu besitzen. lichst mehr Umsatz mit ihren Nutzern der Aktienmarkt ist keine Einbahnstra-
Netflix
1)Effektivzins bei 3,5 % Tilgung, 80% Beleihung Wie die Papiere funktionieren und wie zu machen. Hier spielt die Treue eine ße. Inzwischen sind viele Parks wieder
150
man selber auf Kursschwankungen rea- tragende Rolle. Wer das Angebot offen. Die Sparte macht erstmals seit der
Günstigste Ratenkredite (10 000 Euro) giert. Was es bedeutet, Miteigentümer schätzt und regelmäßig nutzt, ist im 116,0
Pandemie wieder einen kleinen Gewinn.
100
Anbieter mtl. Rate LZ 60 M. 361 601 eines Unternehmens zu sein. Zu erfah- Zweifel auch bereit, ein wenig mehr da- Die Disney-Aktie stieg nach den Zah-
Deutsche Skatbank2 177,05 2,43 2,43
ren, wie Profit entsteht und warum es für zu bezahlen. Disney len am Freitag um fünf Prozent. Trotz-
Degussa Bank2 178,21 2,70 2,70
DKB Deutsche Kreditbank 178,86 2,85 2,85
sich um nichts Schlechtes handelt. Und Sind die Kunden dagegen nicht mehr 50 dem sehen Analysten noch Potenzial.
comdirect 179,46 2,99 2,99 Disney ist eine Firma, die nach dem Ein- mit vollem Herzen dabei, werden sie bei Die Mehrheit rät zum Kauf und sieht 15
bruch in der Pandemie gerade wieder einer Preiserhöhung sofort abspringen, Prozent Kurspotenzial. Sollte es anders
1) Laufzeit in Monaten 2) bonitätsabhängig richtig gut verdient. Der Micky-Maus- die sogenannte „churn rate“ gibt Aus- 2011 2019 2021 kommen, können die Kinder lernen,
Konzern hat kürzlich Zahlen vorgelegt kunft darüber, wie schnell die Nutzer Quelle: Statista dass Analysten in der Regel auch nicht
Quelle: Stand: 13. 08. 2021
und die konnten sich sehen lassen. Im weg sind. Bei Disney+ scheint die Kun- die Wahrheit gepachtet haben und in
abgelaufenen Quartal stieg der Umsatz denloyalität hoch. Trotz vereinzelter der Regel zu optimistisch sind, weil die
gegenüber dem Vorjahreszeitraum um Preisanhebungen in westlichen Län- Banken, bei denen die Auguren ange-
Qualitätstest für Druckereien sagenhafte 44 Prozent auf 17 Milliarden dern ist die „churn rate“ gesunken, wie stellt sind, auch noch Geschäfte mit
Dollar. Der Gewinn legte nicht minder das Management mitgeteilt hat. Disney machen wollen. Disney bietet al-
eindrucksvoll um mehr als 50 Prozent Disney ist aber auch das Musterbei- les, was gute Wirtschafts- und Börsen-
auf 5,8 Milliarden Dollar zu. spiel für gelungene Transformation. erziehung ausmacht. Und wenn man
Umsatztreiber war vor allem der Noch vor wenigen Jahren drohte das dann noch ein Abo hat, zahlt man quasi
Streaming-Service Disney+. Und hier Unternehmen mit seinen fetten Fern- in die eigene Tasche. Und zu Erholung
kommen die Kinder wieder ins Spiel. Si- sehketten ABC, ESPN und Disney gibt es dann eine Folge „The Bad Batch“.

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14 FINANZEN DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021

J
KOMPAKT eder E-Auto-Fahrer kennt das
Gefühl. Wird alles gut gehen?
Bekomme ich Strom und
wenn ja, welchen Preis mich
BRANDSCHUTZ AROMEN IM EISTEE ich hier dafür zahlen? Rund
Rauchmelder Blick auf die
So laden Sie
24.500 Stromtankstellen mit unter-
schiedlich vielen Ladepunkten gibt es
richtig abstauben Zutatenliste lohnt sich derzeit in Deutschland. Doch häufig
gleicht das Laden einem Abenteuer mit
Rauchmelder retten oft Leben – aber Bei industriell hergestelltem Eistee besonderem Nervenkitzel.

sich am besten
man darf sich nicht auf sie verlassen, sorgt nach Angaben von Verbraucher-
wenn man sie nicht regelmäßig säu- schützern statt Fruchtsaft meist ein VON CLAUDIUS LÜDER, JENS KUPILLAS,
bert. Denn liegt Staub auf der opti- künstliches Aroma für den Geschmack. NANDO SOMMERFELDT

schen Sensorik des Melders, kann diese Deshalb lohnt sich ein Blick auf die

durchs Land
keinen Rauch mehr wahrnehmen. Das Zutatenliste der Flasche. Stehen dort Die Notwendigkeit, dass alles gut ge-
Forum Brandrauchprävention rät da- geringe Mengen an Frucht und dafür hen muss, ist viel größer, als zu Ver-
her, die kleinen Geräte an den Zimmer- viel Aroma, sei ein Getränk mit echtem brenner-Zeiten. Denn nächste Ladesäu-
und Flurdecken regelmäßig zu säubern, Fruchtsaft und ohne Aroma die bessere le ist meistens nicht direkt in der Nähe.
den Staub dabei aber weder auszusagen Wahl, empfiehlt die Verbraucherzen- Ein fehlgeschlagener Ladeversuch be-
noch die Geräte durchzupusten. Denn trale Bremen. Auch die Säuerung sollte deutet deshalb häufig das totale Fiasko. bezahlen können, sagt Markus Emmert Daneben haben einige Anbieter auch
der Staubsauger durchpustet den Eistee-Fans nicht egal sein, sagen die Endstation Abschleppwagen sozusagen. vom BEM. „Darüber hinaus jedoch Tarife für Vielfahrer, die dann eine mo-
Rauchmelder mit einem so starken Verbraucherschützer: Anstelle von Es ist also dringend notwendig, über müssten alle gängigen Payment-Metho- natliche Grundgebühr beinhalten, je-
Luftstrom, dass sich kleine Teile der Zitronensaft verwendeten Hersteller alle Lade- und Bezahloptionen Bescheid den auch an Ladesäulen möglich sein doch günstigere Preise für die Kilowatt-
Elektrik lösen könnten, warnen die oft Zitronensäure, auf dem Etikett zu wissen. Der E-Auto-Besitzer muss und dazu zählen auch die NFC-Technik stunde. „Höher sind die Preise grund-
Experten. Zwar ist der Luftsog gerin- auch mit „E330“ gekennzeichnet. Zitro- vorbereitet sein. und das Bezahlen via Smartphone, wie sätzlich für die Schnellladesysteme mit
ger, wenn ein Mensch ins Gerät pustet, nensäure senke beim Trinken jedoch Grundsätzlich lässt sich sagen, dass wir es aus dem Einzelhandel kennen.“ Gleichstrom, die liegen meist zehn
aber auch dies könnte die Situation den pH-Wert des Speichels, wodurch hierzulande zwar noch immer viel zu Cent über den Wechselstrom-Preisen“,
verschlimmern: Schmutz im Gerät sich leichter Mineralien aus dem Zahn- wenig Lade-Parks vorhanden sind. 100 EURO PRO LADUNG sagt Weemaes.
könnte dann weiter ins Innere ge- schmelz lösen könnten. In Kombinati- Doch die Versorgung mit sogenannten Wer auch seinen Hausstrom bei
trieben werden und die Sensorik bele- on mit einer großen Menge an Zucker Schnelllade-Säulen hat sich in den Bal- Unklar bleibt zudem oft, was tatsäch- einem Ladesäulenanbieter bezieht, be-
gen. Besser ist es daher, die Verschmut- könne das schädlich für die Zähne sein. lungszentren und entlang der Autobah- lich für eine Stromladung fällig wird. zahlt zudem in der Regel weniger für
zungen mit einem leicht feuchten Tuch nen in den vergangenen zwölf Monaten „Die großen Anbieter rechnen inzwi- den Autostrom. Besonders teuer ist der
spürbar verbessert. „War es vor ein paar schen alle rein nach Kilowattstunden Strom hingegen bei Ionity, einem Zu-
HEIZ-SAISON Jahren aufgrund weniger Lademöglich- ab, was fair und nachvollziehbar ist“, sammenschluss der deutschen Automo-
Heizöl-Preise aktuell Wann sollte man Öl
keiten noch schwierig, mit dem E-Auto sagt Weemaes. Wer sein Fahrzeug be- bilhersteller. Bei dem Schnellladenetz
vom Norden in den Süden zu fahren, ist sonders lange auflade, bezahle zudem entlang der Autobahnen bezahlen Kun-
Preise in Euro je 100 Liter bei Kauf von
3000 Litern einschließl. 19 % Mehrwertsteuer
bestellen? das heute absolut kein Problem mehr“, oft einen Zuschlag von beispielsweise den 79 Cent pro Kilowattstunde.
sagt Guy Weemaes vom Portal GoingE- zehn Cent pro Minute ab vier Stunden
Wer die Ölheizung seiner Immobilie in lectric.de. Dieses veröffentlicht Statisti- Ladedauer. DIE GÜNSTIGSTEN OFFERTEN
Stadt Diese Woche Vorwoche
den kommenden Wochen auftanken ken und News über Stromtankstellen, Nach wie vor aber gebe es auch Lade-
Berlin 73,25-77,20 74,10–78,70
muss, sollte aus Sicht des Verbands für Ladekartenanbieter und Elektromobili- säulenbetreiber, die nach Minuten ab- Welcher Anbieter der günstigste ist,
Hamburg 73,30-78,00 74,60–76,15
Energiehandel (VEH) Südwest-Mitte tät. Doch während Autofahrer mit rechnen würden. Hat ein Auto nur eine kann nicht pauschal beantwortet wer-
Hannover 73,30-80,30 75,10–81,50
den Markt genau beobachten. Das einem Verbrennermotor ihren Sprit langsame Ladeeinheit, kann das eine den. „Das hängt auch vom Lade- und
Düsseldorf 73,65-75,30 74,75–76,05 Preisniveau sei derzeit ähnlich wie einfach bar oder mit Giro- oder Kredit- teure Geschichte werden“, sagt Weema- Nutzungsverhalten ab. Vielfahrer aber
Frankfurt/M. 74,25-83,30 74,05–83,10 2019, es gebe aber immer wieder karte bezahlen können, benötigt der E- es. Er erinnere sich an schwarze Schafe haben immer gleich die Ladekarten von
Karlsruhe 72,30-75,60 73,20–75,60 Schwankungen, sagte Geschäftsführer Auto-Fahrer einen Zugang zum Laden- auf dem Markt, die bis zu 100 Euro pro mehreren Anbietern in der Tasche“,
Stuttgart 74,20-77,45 74,65–77,55 Hans-Jürgen Funke in Mannheim. 2020 etz des Anbieters. Stromladung abgerechnet hätten. Aber weiß Vogt. Zumal es auch passieren
München 75,20-76,20 74,95–76,10 sei mit starken Ölpreis-Einbrüchen ein auch die Abrechnung nach Kilowatt- könne, dass der Strom an einer Lade-
Rostock 73,60-78,00 72,95–80,75 Ausnahmejahr gewesen. Der VEH ver- BEZAHLMÖGLICHKEITEN stunde kann teuer werden, denn die säule bei einem Anbieter 50 Cent pro
Leipzig 73,40-81,85 73,90–82,35 tritt nach eigenen Angaben rund 400 Preise variieren stark. Kilowattstunde koste und bei einem an-
Bei höherer Abnahmemenge
Unternehmen aus Hessen, Baden- „Grundsätzlich gibt es dafür zwei Be- „Einige Anbieter wie EinfachStrom- deren 70 Cent.
sind Preisnachlässe möglich. Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thürin- zahlmöglichkeiten: Entweder über Laden oder Plugsurfing haben Festprei- Grundsätzlich teurer sei aber meist
Quelle: Energie Informationsdienst gen und dem Saarland. Damit sei etwa einen Ladevertrag mit dem Anbieter se, bei anderen gibt es keinen einheitli- das Adhoc-Laden ohne Vertrag, auch
ein Drittel des deutschen Marktes oder mit der Adhoc-Variante“, sagt Mat- chen Preis für die Kilowattstunde oder wenn es dafür keine nachvollziehbaren
abgedeckt. Jede vierte Wohnung in thias Vogt vom ADAC-Technikzentrum. Minute. Da sollte der Kunde sich unbe- technischen Gründe gebe. Notwendig
oder mit einem Staubwedel zu ent- Deutschland werde noch mit Öl be- Bei einem Ladevertrag registriert sich dingt vorher informieren, wie viel er an sei eine deutlich höhere Transparenz an
fernen. heizt, sagte Funke. Im Süden sei der der Kunde beim Anbieter und erhält der betreffenden Ladesäule bezahlen der Stromtankstelle, sagt Markus Em-
Anteil tendenziell höher. dann eine Karte oder einen Chip, mit muss“, rät Weemaes. mert: „Es wäre überhaupt kein Pro-
dem er die Ladesäule freischalten kann. Insgesamt gibt es inzwischen viele blem, eine bundesweite Datenbank mit
BIS ZU 50.000 EURO Auch über die Anbieter-App ist das in Anbieter, die gut vernetzt sind und ih- den Preisen für alle Stromtankstellen
Bauspardarlehen ohne
MIETWOHNUNG der Regel möglich. ren Kunden mit Ladekarten den Zugang aufzubauen – wie es das auch schon für
Wer zahlt den
„Die Abrechnung erfolgt dann meist zu Ladesäulen in ganz Deutschland und Spritpreise gibt.“
Grundbucheintrag monatlich über die hinterlegte Zah- Neben der Europa anbieten. „Man kann den Markt Daneben müssten die Ladesäulennet-
kaputten Rollladen
Reichweiten-Angst ist
lungsart, also eine Kreditkarte zum Bei- ein bisschen mit dem Mobilfunkmarkt ze nicht nur Deutschland, sondern ganz
Immobilienkredite müssen in der Regel spiel“, so Vogt. Die Adhoc-Zahlung ist vergleichen: Es gibt Ladesäulenbetrei- Europa abdecken. „Wer mit dem E-Auto

vor allem das Laden

durch eine Grundschuld im Grundbuch
abgesichert werden. Kleinere Bau-
spardarlehen sind von dieser Pflicht
laut der Bausparkassen-Verordnung
jedoch ausgenommen. Bisher waren
entsprechende Darlehen bis zu 30.000
Euro von einem Grundbucheintrag
befreit. Diese Grenze wurde nun an-
gehoben. Laut der aktuellen Bauspar-
Geht in einer Mietwohnung etwas
kaputt, stellt sich oft die Streitfrage:
Wer muss für den Schaden aufkom-
men? Ein Urteil des Amtsgerichts
Stuttgart zeigt nun: Will ein Vermieter
den Mieter verantwortlich machen,
muss er die Möglichkeit anderweitiger
Quellen für den Schaden entkräften
(Az.: 32 C 2844/19). In dem Fall ging es
seit 2017 vorgeschrieben. Sie soll es er- ber und zahlreiche Elektromobilitäts- in den Urlaub fährt, muss auch im Aus-
möglichen, auch ohne Vertrag Strom provider, die auf die Ladesäulen der Be- land barrierefrei und günstig laden kön-
unterwegs für
zapfen zu können. „Im Grunde soll das treiber zugreifen und Ladetarife anbie- nen“, sagt Emmert. In der Praxis jedoch
der Zahlung mit Bargeld oder Girokarte ten“, sagt Vogt. sei das bisher nur bei wenigen Anbie-
an der Tankstelle entsprechen“, sagt
Vogt. „Meistens müssen die Autofahrer
E-Auto-Fahrer eine Der Anbieter mit den meisten Lade-
punkten ist GoingElectric.de zufolge
tern und auch nicht flächendeckend
möglich.
dann einen QR-Code einscannen und Herausforderung. Das derzeit NewMotion mit fast 89.000 La-
EIGENER STROM IST OFT
sind die sichersten und
über eine Website oder heruntergelade- depunkten. Auf rund 77.000 Ladepunk-
ne App bezahlen.“ Unterm Strich je- te können Kunden mit einem Zugang AM BILLIGSTEN

kassen-Verordnung können Bauspar-
darlehen jetzt bis zu einer Höhe von
50.000 Euro ohne Eintrag ins Grund-
buch aufgenommen werden. Das spart
Grundbuchkosten. Die entsprechende
Änderung ist Ende Juli im Bundes-
gesetzblatt veröffentlicht worden.
Telefontarife
Die Vorwahlen der günstigsten Call-by-Call-Anbieter
(ohne Anmeldung) in Cent/Minute, Abrechnung im Minutentakt
Festnetz Inland Montag bis Freitag
Zeit Ferngespräche
0,10 0,49
0-7 01028 01088
günstigsten Optionen
um einen 20 Jahre alten defekten Roll- doch sei die Adhoc-Zahlung viel zu von EnBW zugreifen, EinfachStromLa-
laden. Nach Ansicht des Gerichts war kompliziert, weshalb der ADAC berüh- den und Plugsurfing bieten knapp Günstiger als an den öffentlichen Lade-
ein Verschleiß der Mechanik nahelie- rungslose Kartenlesegeräte an allen La- 70.000 Ladepunkte. säulen ist der Strom übrigens fast im-
gend. Auch habe der Mieter vorgetra- desäulen fordere. Das wird voraussicht- mer Zuhause. „Der normale Hausstrom
gen, den Rollladen nur bestimmungs- lich ab Juli 2023 der Fall sein. HUNDERTE ANBIETER liegt bei rund 30 Cent pro Kilowattstun-
gemäß benutzt zu haben. Der Mieter Die gerade veröffentlichte neue La- de“, so Vogt. „Noch günstiger und vor
war daher nicht schadenersatzpflichtig. desäulenverordnung sieht vor, dass Insgesamt listet GoningElectric.de über allem nachhaltiger ist natürlich der
dann an allen neuen, öffentlichen 250 Ladekartenanbieter an, 34 mit je Strom von der eigenen Solaranlage, der
Stromtankstellen auch Zahlungen mit mehr als 50.000 Ladepunkten. Die Ta- kostet den E-Autofahrer nur noch rund
Kredit- und Girokarten möglich sein rifstrukturen der Anbieter sind höchst zehn Cent pro Kilowattstunde“.
müssen. Bestehende Ladesäulen müs-
sen jedoch nicht vollumfänglich nach-
unterschiedlich. Während EnBW, Ein-
fachStromLaden und Plugsurfing etwa
Aber es geht noch preiswerter. „Zwar
ist der Anteil an kostenlosen Strom-
gerüstet werden. einfach nur den Preis für die Kilowatt- tankstellen geringer geworden, speziell
Dem Bundesverband eMobilität stunde abrechnen, wird bei dem Ange- aber einige Supermarktketten wie Aldi,
(BEM) geht das noch nicht weit genug. bot We Charge Free 30 Cent zusätzlich Kaufland und Lidl bauen ihre Ladenet-
Ortsgespräche „Es ist gut, wenn dann auch Autofahrer zu den variablen Strompreisen berech- ze nach wie vor weiter aus“, sagt Wee-
0,59 0,10 0,89 0,94 ohne Smartphone mit ihrer Bankkarte net. maes.
01078 01028 01052 01013

D
0,49 0,59 1,19 1,49 1,52 1,79
GETTY IMAGES/DIANE LABOMBARBE
7-8 01011 01078 01098 01038 01097 01028
1,16 1,19 1,48 1,49 1,52 1,79
8-12 01078 01098 01011 01038 01097 01028 ie ganze Elektro-Welt wartet PRODUKTCHECK Zündschlüssel. Doch auch hier „trotzt“ eignet, was für ein Familien-Fahrzeug
1,16 1,19 1,48 1,49 1,62 1,79
12-14 01078 01098 01011 01038 01097 01028
auf das ganz große Auto mit Mercedes dem Zeitgeist. Zwar zündet ein beträchtliches Manko bedeutet. Bei
1,16 1,19 1,48 1,49 1,62 1,79
dem Stern. Die elektrische S- auch beim EQV nichts. Einen Schlüssel, hoher Beschleunigung und jenseits von
14-18
Klappt Kleinbus
01078 01098 01011 01038 01097 01028 Klasse soll so viel können und so viel den man tatsächlich auch noch herum- Tempo 120 schnellt der Verbrauch auf
0,49 0,59 1,19 1,49 1,52 1,79 besser sein, als alles, was in Sachen Bat- drehen muss, gibt es dennoch. bis zu 50 kWh hoch. Dann sind mit ei-
18-19 01011 01078 01098 01038 01097 01028 terieantrieb bislang vorhanden ist. Dann, endlich, beginnt das elektri- ner Stromladung nur noch knapp 200
19-21

21-24
0,59
01078
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01013
1,45
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1,45
01079
Doch während erste EQS-Fahrzeuge
erst in einigen Monaten auf deutschen
Straßen unterwegs sein werden, ist ein
schon elektrisch? sche Zeitalter. Denn ist der EQV erst
mal gestartet, hört man, dass man
nichts hört. Es fühlt sich schon sehr gut
Kilometer möglich. Und: Mit besonders
schnellem Ladeverhalten glänzt dieser
E-Mercedes auch nicht. Selbst, wenn er
anderer sehr großer rein elektrischer PRODUKT:
an, wenn ein solcher 2,6 Tonnen schwe- die vom Hersteller angegebene maximal
Festnetz Inland Samstag und Sonntag
Mercedes bereits im Alltag angekom- EQV 300
rer Koloss lautlos durch die Gegend mögliche Leistung von 110 Kilowatt pro
Zeit Ferngespräche Ortsgespräche
men – der EQV. ANBIETER:
rauscht. Der Wagen fährt sich klasse. Stunde schaffen würde – was im Test
0,10 0,59 0,77 0,10 0,89 0,89
0-7 Mit einer S-Klasse hat er allerdings Auch die vielen Kombinationsmöglich- nie gelang – würde es rund 45 Minuten
01028 01078 01088 01028 01052 01097 MERCEDES
0,10 0,55 0,59 0,10 1,38 1,39 gar nichts zu tun. Im Gegenteil. Der keiten der Sitz- und sogar Liegeoptio- dauern, bis der Wagen wieder einiger-
7-8 01028 01012 01078 01028 01038 01088 EQV ist ein Kleinbus. Sozusagen die nen sind auf hohem V-Klasse-Niveau. maßen voll aufgeladen wäre.
0,55 1,16 1,19 1,38 1,39 1,45
8-18 01012 01078 01098 01038 01088 01079
elektrifizierte V-Klasse. Die erfreut sich All das kann beziehungsweise muss man Fazit: Der EQV ist nicht mehr als ei-
0,55 0,59 1,19 1,38 1,39 1,45 vor allem bei Familien großer Beliebt- ten E-Fahrzeug vorzupreschen. aber auch erwarten können. Schließlich ne V-Klasse mit einem batteriebetriebe-
18-19 01012 01078 01098 01038 01088 01079 heit – einer Zielgruppe, der in Sachen Der erste Eindruck ist allerdings eine kostet dieser Wagen schon in der Basis- nen Elektromotor. Es ist löblich, dass
0,59 0,89 0,89 0,89 0,89 0,94
19-24 Elektromobilität bislang wenig Optio- Enttäuschung. Vor mir steht schlicht- version stolze 70.000 Euro. Mercedes versucht hat, der Zielgruppe
01078 01098 01097 01052 01097 01013
nen zur Verfügung stehen. Es gibt in- weg eine V-Klasse. Nur wenn man ge- Viel spannender ist hingegen, was der Familie möglichst schnell eine E-Opti-
Festnetz zu Mobilfunk Montag bis Sonntag zwischen zwar ein paar SUV’s wie den nau hinschaut, sieht man außen den EQV in Sachen Reichweite und Lade- on anzubieten. Doch der EQV wird ge-
Zeit Skoda Enyaq oder Oberklasse-Modelle bläulich gefärbten EQV-Schriftzug. In- dauer anbietet. Nicht viel. Auch hier gilt nau diese Zielgruppe nicht überzeugen,
01078 01052 01038 01069 01097 01011 wie den Audi E-tron oder das Model X nen geht es so weiter. Das sieht alles wieder: Positive Überraschungen sind was auch die sehr niedrigen Zulassungs-
0-24 1,74 1,75 1,79 3,84 3,88 4,28 von Tesla. Aber ein richtig guter elektri- sehr schick aus. Aber irgendwelche grö- Fehlanzeige. Im Stadt-Land-Autobahn- zahlen (667 Fahrzeuge in diesem Jahr)
scher Bus für die Großfamilie ist bislang ßeren optischen Experimente hat Mer- Mix kommt der Wagen auf einen Ver- belegen. So bleibt nur der Blick auf den
Ausland (2 Anbieter je Land) Montag bis Sonntag
nicht dabei. Wie groß das Potenzial ist, cedes nicht gewagt. Das wirkt alles sehr brauch von guten 30 Kilowattstunden Marktstart des EQS. Und dann die
Zeit Frankreich GB Italien Österreich Polen Spanien USA
0,55 0,51 0,79 1,47 1,08 0,79 0,85
zeigen die knapp 12.000 neu zugelasse- konservativ. Wie eine Reise in die Ver- (kWh)) auf 100 Kilometern. In Anbe- Hoffnung, dass Mercedes die dort ganz
nen V-Klasse, die das Kraftfahrt-Bun- gangenheit kommt es mir dann vor, als tracht einer rund 100 kWh großen Bat- offenbar gelungen technischen Innova-
0-24
01086 01086 01086 01086 01078 01078 01086
0,84 0,96 1,17 1,61 1,68 1,17 0,96 desamt bis Ende Juli bereits gezählt hat. ich den Startknopf suche, den eigentlich terie ist also maximal eine Reichweite tionen schnell auch in der Kleinbus-
01069 01069 01069 01069 01052 01069 01069 Es könnte sich also für Mercedes loh- alle E-Modelle besitzen – schließlich von 300 Kilometern drin. Für Langstre- Klasse zur Aufführung bringt.
Quelle: biallo.de Anbieter mit Tarifansage Stand: 13.08.21; 12.00 Uhr nen, in diesem Segment mit einem gu- gibt es keine Zündung, folglich keinen cken ist der Bus eigentlich gar nicht ge- NANDO SOMMERFELDT

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SPORT
DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021
KOMPAKT
FUSSBALL
Hohe Heimniederlage
für Werder Bremen
Werder Bremen hat die erste Nie-
derlage in der Zweiten Liga hinneh-
men müssen. Der Absteiger ging im
eigenen Stadion 1:4 (0:3) gegen den
SC Paderborn unter und steht nach
drei Spieltagen auf Rang elf. Zwei-
mal Platte (9./17.), Michel (36.) und
Schallenberg trafen für die über-
legenen Gäste. Den einzigen Wer-
der-Treffer erzielte Schmidt (52.). In
den beiden anderen Sonntagspar-
tien trennten sich Heidenheim und
Rostock 1:1 (0:0), Darmstadt be-
siegte Ingolstadt 6:1 (4:0).
Leverkusen vor Kauf
eines 19-Jährigen
Bayer Leverkusen steht nach über-
einstimmenden Medienberichten
vor dem Kauf von Piero Hincapié.
Der 19 Jahre alte Innenverteidiger
sollte sich am Sonntag einem Medi-
zincheck unterziehen. Der fünf-
malige Nationalspieler aus Ecuador
kommt vom argentinischen Club
Atlético Talleres aus Córdoba und
gilt als eines der größten Abwehr-
talente Südamerikas. Die Ablöse soll
bei acht Millionen Euro liegen.
Mailand holt Dzeko
und Dumfries
Der italienische Meister Inter Mai-
land hat sich eine Woche vor dem
Saisonstart hochkarätig verstärkt.
Als Ersatz für den zum FC Chelsea
abgewanderten Romelu Lukaku
kommt der frühere Bundesliga-
Torschützenkönig Edin Dzeko (35)
von AS Rom. Der Bosnier unter-
schrieb einen Vertrag bis 2023. Zu-
dem verpflichtete Inter den nieder-
ländischen EM-Teilnehmer Denzel
Dumfries (25) von PSV Eindhoven.
Der Außenverteidiger unterschrieb
bis 2025.
Viktoria besiegt
auch Kaiserslautern
Aufsteiger Viktoria Berlin hat auch
das dritte Spiel in der Dritten Liga
gewonnen. Die Mannschaft von
Trainer Benedetto Muzzicato setzte
sich zu Hause mit 4:0 (2:0) gegen
den 1. FC Kaiserslautern durch. Die
Tore für die Berliner erzielten Björn
Jopek (3. Minute), Tolcay Cigerci
(45.+1), Lucas Falcao (52.) und der
eingewechselte Erhan Yilmaz (84.).
Als einziges Team mit neun Zählern
führt Viktoria die Tabelle weiter an.
OLYMPIA
Von Bredow-Werndl
kritisiert Fünfkampf
Doppel-Olympiasiegerin Jessica von
Bredow-Werndl hält das Regelwerk
im Modernen Fünfkampf mit Blick
auf das Springreiten als Teildisziplin
für ungeeignet. In ihren Augen
funktioniere es nicht, dass sich ein
Sportler in 20 Minuten auf ein
fremdes Pferd einstellt, sagte die
Dressurreiterin im „Aktuellen
Sportstudio“ des ZDF. „Es ist ein-
fach Glückssache. Man wird einem
Pferd zugelost, das Pferd wird ei-
nem Reiter zugelost“, sagte die
35-Jährige: „Es hat nichts mit dem
Sport zu tun, wie wir ihn ausführen.
Wir arbeiten jahrelang mit unserem
Partner zusammen.“
TRIATHLON
Ironman Nilsson
neuer Europameister
Patrik Nilsson hat die Ironman-EM
in Frankfurt gewonnen. Der Schwe-
de benötigte für 3,8 km Schwim-
men, 185 km Radfahren und 42,2 km
Laufen 7:59:18 Stunden. Die Plätze
zwei und drei belegten der Däne
Kristian Högenhaug (8:00:18) und
der Brite David McNamee (8:02:29).
SPORTREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 76262 | FAX: 030 – 2591 76216 | E-MAIL: SPORTREDAKTION@WELT.DE | INTERNET: WELT.DE/SPORT
SEITE 16 *
Dortmunds Auftaktsieg lässt aufhorchen. Vor
allem, weil Erling Haaland genau da anknüpfte,
wo er in der vergangenen Saison aufgehört hat
Die
Haaland-Festspiele
haben niemals
Pause
AFP/INA FASSBENDER
Z
Dortmunds Top-Torjäger Erling Haaland war gegen Frankfurt nicht aufzuhalten. An allen fünf Toren war der Norweger beteiligt – zwei Treffer erzielte er selbst
um Schluss genoss Erling
Haaland den Triumph ganz
allein. Seine Mannschafts-
kollegen waren schon wie-
der Richtung Mittelkreis ge-
gangen, da stand der norwegische Aus-
nahmestürmer immer noch vor Südtri-
büne, bejubelte die Rückkehr der Fans
und ließ sich feiern. 25.000 riefen sei-
nen Namen.
VON OLIVER MÜLLER
Für Haaland und Borussia Dortmund
war es ein Kickstart in die Saison, voller
Tore und Emotionen. Der atmosphäri-
sche Rahmen bei dem fulminanten 5:2
(4:1)-Sieg über Eintracht Frankfurt
weckte nostalgische Gefühle und ließ
zugleich erahnen, wie sich Fußball wie-
der anfühlen kann, wenn die Corona-
Pandemie – wann auch immer – voll-
ständig überwunden sein wird.
„Ich hatte schon eine richtige Gänse-
haut, als ich zum Warmmachen rausge-
kommen bin. Es waren zwar nur 25.000,
aber es hat sich voller angefühlt“, sagte
BVB-Kapitän Marco Reus, der mit sei-
Die neue Chefin der Bundesligen
Managerin Donata Hopfen folgt als DFL-Vorsitzende auf Christian Seifert
I M
hre Aufgaben sind herausfordernd.
Der deutsche Profifußball benötigt
neue Erlösquellen, die Klubs sind
sich ob der Verteilung der TV-Gelder
uneinig. Und die Zusammenarbeit mit
dem sich in der Dauerkrise befindenden
Deutschen Fußball-Bund (DFB) will der
Dachverband der 36 deutschen Profi-
klubs aus der ersten und zweiten Bun-
desliga, die Deutsche Fußball Liga
(DFL), auch verbessern.
All das verantworten wird vom kom-
menden Jahr an Donata Hopfen. Die 45-
Jährige wird Vorsitzende der Geschäfts-
führung der DFL und folgt auf Christian
Seifert, der als Liga-Chef bereits im De-
zember aufhören wird. Hopfens Vertrag
gilt bis zum 31. Dezember 2024. Hopfen
ist die erste Frau, die eine Topposition
im deutschen Fußball einnimmt. Sie
wird eines der Gesichter des Bundesli-
gageschäfts – und eine der mächtigsten
Personen im europäischen Sport.
Der Fortgang der Haaland-Festspiele
konnten sie dennoch nicht verhindern.
In der 70. Minuten erzielte der 21-Jähri-
ge dann auch noch das 5:1. Damit war er
an allen fünf Treffern beteiligt. In erst
44 Bundesliga-Spielen hat er bereits 41
Tore erzielt. Anschließend kommen-
tierte er seine Galavorstellung gewohnt
cool. „Heute war es einfach, motiviert
zu sein“, sagte er, bedankte sich bei den
Fans („ich habe sie sehr vermisst“) und
bei seiner Familie, die extra angereist
war und aus einer VIP-Loge heraus das
Spiel verfolgt hatte. „Das ist ein gutes
Gefühl“, so Haaland. Bei jedem Dort-
munder Treffer führte er Freudentänze
auf.
Es ist ein großes Glück für den BVB,
dass der Haaland-Clan in den kommen-
den Wochen und Monaten wohl noch
häufig nach Dortmund kommen wird.
Bei dem immer größer werdenden Inte-
resse internationaler Topklubs dürfte es
wohl in erster Linie den Auswirkungen
der Corona-Pandemie auf die spani-
schen und englischen Großvereine ge-
schuldet sein, dass bislang noch nie-
mand mit einem „unmoralischen“ An-
gebot vorstellig geworden. Mittlerweile
geht Sebastian Kehl, der 2022 Michael
Zorc als Sportdirektor beerben wird, da-
von aus, dass Haaland bleiben wird. Ein
andersartiges Szenario sei nicht vor-
stellbar. „Welches sollte denn kom-
men?“, so Kehl.
Das eröffnet möglicherweise sogar
Perspektiven, die die Vorfreude auf die
gerade begonnene Saison noch steigern
könnten. Denn mit einem gesunden
Haaland, so glauben viele, sind die Dort-
munder ein Titelaspirant. Davon wollte
der Torjäger jedoch nicht nichts wissen.
Als er im Interview gefragt wurde, ob
auch er glaube, dass die Bayern etwas
schwächer als in der Vorsaison seien,
wiegelte Haaland ab. „Oh, come on“,
sagte er: „Bayern ist immer noch eines
der Topteams weltweit. Lass uns da ent-
spannt bleiben. Wir werden versuchen,
uns zu verbessern. Wir werden am
Dienstag sehen, wo wir stehen.“ Dann
treffen die Dortmunder im Supercup
auf die Münchener.
Als Rose zur Leistung seines Mittel-
stürmers befragt wurde, lobte er erst
die gesamte Mannschaft und sprach
dann sogar davon, was Haaland noch
verbessern müsse. Es gebe durchaus
nem 100. Bundesligator für die Borus- Interview mit dem ZDF dar, worin sich „Themen, an denen wir arbeiten müs-
sen den Grundstein für diesen Sieg ge- der BVB derzeit konkret hinein arbeiten sen“, so Rose. Doch ganz so einfach ist
legt hat. Die Frankfurter, in der vergan- will. „Arbeiterfußball“ nennt es Rose – Bayerns Sorgen das nicht. „Ein Thema ist sein rechter
genen Saison immerhin Konkurrent der ein clever gewählter Begriff, der das vor dem Supercup Fuß. Hat er ein Tor mit rechts ge-
Dortmunder im Kampf um die Champi- Selbstverständnis des Vereins wider- macht“, fragte er in der Pressekonfe-
ons League-Plätze, wurden in der ers- spiegelt. Die Mannschaft soll leiden- Vor dem Fernseher dürfte Julian
Nagelsmann noch etwas mehr
renz die Journalisten. Antwort aus dem
ten Halbzeit schlicht überrollt. schaftlich und kämpferisch spielen. „Ich Auditorium: „Ja, hat er.“ Rose schmun-
„Wir haben einen Vorgeschmack auf finde, es passt sehr gut nach Dortmund, ins Grübeln gekommen sein als zelnd: „Daran haben wir gearbeitet.“
das bekommen, was uns erwartet, wenn gegen den Ball zu arbeiten und schnel- ohnehin schon nach dem unbe- Doch so leicht gab der Coach nicht auf.
das Stadion wieder richtig voll sein len Offensivfußball zu zeigen“, sagte friedigenden Bundesliga-Ein- „Hat er ein Tor dem Kopf gemacht“,
wird“, sagte der Marco Rose. Der neue Rose. Dies sei gleich zum Auftakt schon stand als Bayern-Coach. Der als fragte Rose. Antwort: „Nein.“ Rose:
BVB-Coach war bemüht darum, die all- gut gelungen. Seniorentrainer noch titellose „Daran müssen wir arbeiten.“ Dann
gemein aufkommende Euphorie ein we- Die ersten 45 Minuten waren exem- 34-Jährige geht nach dem eher aber musste er wieder lächeln: „Aber
nig zu bremsen und gleichzeitig berührt plarisch: Immer wieder gelang es, nach glücklichen 1:1-Auftakt am Frei- heute kamen ja auch keine Flanken.“
von dem Ambiente. „Schön“ und „wich- Balleroberungen schnell nach vorne zu tagabend bei Borussia Mönchen- Es ist gar nicht so leicht, die Leistun-
tig“ sei die Rückkehr der Fans gewesen. spielen. Es waren Spielzüge, die nur we- gladbach sieglos in den Super- gen von Haaland zu relativieren. Dabei
„Synergien“ zwischen dem Publikum nige Sekunden dauerten und zu Toren cup-Showdown. Morgen geht es gibt es tatsächlich Bereiche, in denen er
und seinen Spielern wären „spürbar“ führten: Balleroberung Thorgan Har- dort gegen die Samstag furios sich – auch wenn es sich verwegen liest -
gewesen. Das und die offensive Qualität zard, Sololauf Haaland, Pass zu Reus – aufspielenden Dortmunder noch steigern kann. Er kann, neben den
des Teams gaben einen Vorgeschmack 1:0 (23. Minute). Zuspiel von Reus, Solo- (20.30 Uhr/Sat.1 und Sky). Themen, die Rose erörterte, auch noch
darauf, was der BVB vorhat: Powerfuß- lauf Haaland, Pass zu Hazard – 2:0 (32.). „Wir hätten gern gewonnen, jetzt kombinationssicherer werden. Doch
ball zu zeigen, der an die Zeit von Jür- Balleroberung Haaland, Sololauf Haa- müssen wir es am Dienstag rich- das wäre, gemessen am Haalands Alter,
gen Klopp erinnert – mit aggressivem land – 3:0 (34.). Es ging einfach alles viel ten“, sagte Nagelsmann. Einfach Kritik auf allerhöchstem Niveau. Das
Pressing, konsequentem Gegenpres- zu schnell für die Eintracht. Nach dem wird das nicht: Vor allem die neu Gute ist: Er selbst ist trotz allem immer
sing, schnellem Umschalten und vielen Wechsel nahm der BVB dann ein wenig formierte Abwehr um Dayot noch selbstkritisch. „Erling will sich
Torabschlüssen. Rose-Fußball halt. den Fuß vom Gas, die Frankfurter stell- Upamecano wirkte in Gladbach ständig verbessern. Er hat eine Qualität,
„Ich mag diesen Begriff nicht so“, er- ten sich taktisch ein wenig besser auf teils orientierungslos und alles die wir alle schätzen“, so Rose: „Trotz-
klärte der 44-Jährige und legte dann im den Gegner ein. andere als titelreif. dem ist er nie zufrieden.“
FSV Mainz gelingt trotz
Corona-Fällen Überraschung
Hopfen gilt als Vorzeige-Managerin Fußballgeschäft, war vor seinem Amts- eisteranwärter RB Leipzig hat spielt hat“, kommentierte der Chef-
und bestens vernetzte und durchset- antritt bei der DFL bei MTV und Kar- beim Bundesliga-Start gleich coach. „Aber Sabi ist bereit von der
zungsstarke Digital-Expertin. Sie ver- stadtQuelle. Ähnlich ist es bei Hopfen. eine Enttäuschung erlebt und Bank.“ Die stark dezimierten Mainzer
fügt über viel Erfahrung in Medien und Sie ist Partnerin im Berliner Büro von bei der Corona-Notelf des FSV Mainz gaben vom Start weg Gas und den Fans
Digitalisierung, welche für die DFL in BCG Digital Ventures, einer Tochter der 05 verloren. Der neue Trainer Jesse mit einem leidenschaftlichen Auftritt
den kommenden Jahren zentral sein Boston Consulting Group. Zuvor war Marsch und sein hochgehandeltes Team allerlei Grund zur Begeisterung. Nach
wird. Hopfen soll für Strategie, Kom- Hopfen unter anderem Vorsitzende der unterlagen am Sonntag überraschend einer Ecke leistete sich Leipzigs Nordi
munikation und Weitblick stehen. Verlagsgeschäftsführung der „Bild“- mit 0:1 (0:1) und müssen neben einem Mukiele im Strafraum einen schlimmen
Seifert kam es Quereinsteiger in das Gruppe bei der Axel Springer SE (zu der möglichen Abgang von Kapitän Marcel Querschläger, den Niakhaté nur noch
auch WELT gehört) und 2014 „Medien- Sabitzer auch einen Liga-Fehlstart vollenden musste. Es reichte zum Sieg.
frau des Jahres“ in Deutschland. fürchten. Das entscheidende Tor für die Im zweiten Sonntagspiel gelang auch
Von Hopfen dürfte Wachstum erwar- schwer von Quarantäne-Fällen gebeu- dem 1. FC Köln ein wichtiger Heimer-
tet werden. Seifert wird ihr laut DFL bei telten 05er erzielte vor 10.500 Zuschau- folg. Die Rheinländer setzten sich zum
Bedarf zunächst beratend zur Seite ste- ern Abwehrchef Moussa Niakhaté (13. Abschluss des ersten Spieltages gegen
hen. „Bundesliga und Zweite Bundesliga Minute). Hertha BSC mit 3:1 (1:1) durch. Die Gäste
genießen ebenso wie die DFL weltweit Während das Team von Trainer Bo aus Berlin waren schon in der sechsten
einen hervorragenden Ruf“, sagte Hop- Svensson ohne zehn Profis ein echtes Minute durch Zugang Stevan Jovetic in
fen. „Dies alles gilt es, auch vor dem Rumpfteam aufs Feld schickte, verzich- Führung gegangen. Doch Anthony Mo-
Hintergrund technologischer, gesell- tete Marsch zunächst auf Sabitzer, der deste (41.) gelang noch vor der Pause
schaftlicher und medialer Veränderun- immer wieder mit dem FC Bayern in der Ausgleich. In der zweiten Halbzeit
BILD/
gen im Umfeld des Fußballs, zu bewah- Verbindung gebracht wird. „Ich habe drehte Florian Kainz (52./55.) mit einem
Donata Hopfen wird an der Spitze der ren – und gleichzeitig innovativ weiter- mir gedacht, dass die Mannschaft in der Doppelschlag die Partie zugunsten der
DFL Nachfolgerin Christian Seiferts zuentwickeln.“ jwo vorigen Woche ja gut und souverän ge- Kölner. DW
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DIE WELT MONTAG, 16. AUGUST 2021 * SPORT 17

ZWEITE LIGA BUNDESLIGA 1. SPIELTAG

Schalke – Aue............................ 1:1 (1:0)
St. Pauli – Hamburg................ 3:2 (1:1)
1. SPIELTAG Sp. Gew. Un. Verl. Heim Auswärts Tore Pt.
Nürnberg – Düsseldorf .......... 2:0 (0:0) 1. (0.) VfB Stuttgart 1 1 0 0 5:1 3 0:0 0 5:1 3
Kiel – Regensburg .................... 0:3 (0:2) 2. (0.) 1899 Hoffenheim 1 1 0 0 0:0 0 4:0 3 4:0 3
Sandhausen – Karlsruhe ....... 0:0 (0:0)
Dresden – Hannover............... 2:0 (0:0)
3. (0.) Borussia Dortmund 1 1 0 0 5:2 3 0:0 0 5:2 3
Heidenheim – Rostock ........... 1:1 (0:0) 4. (0.) 1. FC Köln 1 1 0 0 3:1 3 0:0 0 3:1 3
Darmstadt – Ingolstadt........ 6:1 (4:0) 5. (0.) Mainz 05 1 1 0 0 1:0 3 0:0 0 1:0 3
Bremen – SC Paderborn ....... 1:4 (0:3)
5. (0.) VfL Wolfsburg 1 1 0 0 1:0 3 0:0 0 1:0 3
3. Spieltag Sp Tore Pt. 7. (0.) Bayern München 1 0 1 0 0:0 0 1:1 1 1:1 1
1. Regensburg 3 8:0 9 7. (0.) Bayer 04 Leverkusen 1 0 1 0 0:0 0 1:1 1 1:1 1
2. Karlsruhe 3 6:1 7 7. (0.) Bor. Mönchengladbach 1 0 1 0 1:1 1 0:0 0 1:1 1
3. Dresden 3 6:1 7 7. (0.) Union 1 0 1 0 1:1 1 0:0 0 1:1 1
4. St. Pauli 3 6:2 7 11. (0.) SC Freiburg 1 0 1 0 0:0 0 0:0 1 0:0 1
5. SC Paderborn 3 6:3 5 11. (0.) Bielefeld 1 0 1 0 0:0 1 0:0 0 0:0 1
6. Nürnberg 3 4:2 5 13. (0.) Bochum 1 0 0 1 0:0 0 0:1 0 0:1 0
7. Heidenheim 3 3:2 5
13. (0.) RB Leipzig 1 0 0 1 0:0 0 0:1 0 0:1 0
8. Hamburg 3 6:5 4
9. Rostock 3 5:4 4 15. (0.) Hertha BSC 1 0 0 1 0:0 0 1:3 0 1:3 0
10. Schalke 3 5:4 4 16. (0.) Eintracht Frankfurt 1 0 0 1 0:0 0 2:5 0 2:5 0
11. Bremen 3 5:7 4 17. (0.) Fürth 1 0 0 1 0:0 0 1:5 0 1:5 0

DPA/FRANCOIS MORI
12. Darmstadt 3 6:6 3 18. (0.) FC Augsburg 1 0 0 1 0:4 0 0:0 0 0:4 0
13. Aue 3 1:1 3
Champions League Europa League Relegation Absteiger
14. Düsseldorf 3 4:5 3
15. Hannover 3 1:6 1
Die nächsten Spiele: Fr., 20.08., 20.30 Uhr: RB Leipzig – VfB Stuttgart; Sa., 21.08., 15.30 Uhr: Eintracht Frank-
16. Sandhausen 3 0:5 1
Beim PSG-Spiel gegen Straßburg schaut Lionel Messi nur ganz kurz hinter einem Vorhang hervor furt – FC Augsburg, SC Freiburg – Borussia Dortmund, Hertha BSC – VfL Wolfsburg, VfL Bochum – 1. FSV
17. Ingolstadt 3 2:11 0
Mainz 05, SpVgg Greuther Fürth – Arminia Bielefeld; 18.30 Uhr: Bayer Leverkusen – Borussia Mönchenglad-
18. Kiel 3 0:9 0
bach; So., 22.08., 15.30 Uhr: TSG Hoffenheim – 1. FC Union Berlin; 17.30 Uhr: Bayern München – 1. FC Köln.
Düsseldorf – Kiel
Hannover – Heidenheim
Rostock – Dresden
Karlsruhe – Bremen
20.8.
20.8.
21.8.
21.8.
Ein Mann für
gewisse Stunden
SC Paderborn – St. Pauli 21.8. M‘gladbach 1 – 1 FC Bayern Wolfsburg 1 – 0 Bochum Union Berlin 1 – 1 Leverkusen
Regensburg – Schalke 21.8. 22 925 (1–1)
M. Fritz
8536 (1–0)
F. Willenborg
11 000 (1–1)
T. Reichel

Aue – Sandhausen 22.8.

(Korb) (Osnabrück) (Stuttgart)
1 3 3
Ingolstadt – Nürnberg 22.8. Sommer Casteels Luthe
Hamburg – Darmstadt 22.8. 3 2 4 2 3 3 2 3 3 4 3
Lainer Ginter Elvedi Scally Mbabu Lacroix Brooks Roussillon Friedrich Knoche Baumgartl

Was plant der Scheich mit Lionel Messi? Am Samstag hat

3 3 3 3 4 4 3
Kramer Neuhaus

DRITTE LIGA
Schlager Arnold Gießelmann Khedira Trimmel

er ihn noch versteckt , so dass keiner recht weiß: Wird es

2 2 2 4 4 4

D
Wolf
Stindl
Herrmann 2 Philipp 3 Haraguchi Ingvartsen
Steffen Baku

Zirkus – oder Fußball? Ein Querpass von Oskar Beck

2 3 4 2
Plea Weghorst Kruse Awoniyi

3 4 4
4 4
Freiburg 2 – Dortmund II ....... 2:5 (2:3) 3 Lewandowski
4 Antwi-Adjei
Zoller
Asano
Schick

Osnabrück – W. Wiesbaden. 0:1 (0:0) Gnabry Sané 2 3 3

Havelse – Magdeburg ............ 1:3 (0:1)
ie Harlem Globetrotters sind die Messi ist ein Mann für das größere Kino, al- 4 4 3 3 Diaby Demirbay Amiri
größte Lachnummer im Basket- so „Ein Mann für gewisse Stunden“, um es mit 3 Rexhbecaj Losilla
1860 München – Türkgücü.... 1:1 (0:0) 4 4
Goretzka Müller
Kimmich
6
SC Verl – Vikt. Köln .................. 3:1 (2:1)
Palacios Aranguiz
ball. Sie zaubern nicht in der US- dem Filmklassiker mit Richard Gere zu sagen. Tesche
3 4 5 2 4 3 4 4 4 3 3 4
Zwickau – Meppen .................. 1:1 (1:0) Profiliga NBA, sondern touren Jedenfalls ist er kein Mann, dem sein Scheich Davies Süle Upamecano Stanisic Soares Leitsch Lampropoulos Gamboa Bakker Tah Kossounou Frimpong
Saarbrücken – Duisburg ....... 2:0 (2:0) als Tingeltruppe durch die Welt zumuten würde, auf einem grauen Teppich ge- 2 2 3
Vikt. Berlin – K‘lautern............ 4:0 (2:0) und verbinden den Sport mit der Show, mit gen Straßburg ins letzte Rampenlicht seiner Neuer Riemann Hradecky

Waldhof – Würzburg ............. 1:1 (0:1) Slapstick-Einlagen und akrobatischen Hexerei- Karriere zu treten. Ein besonderer Anlass wird Tore: Plea 1:0 (10.), Lewandowski 1:1 (42.) Tor: Weghorst 1:0 (22.) Tore: Awoniyi 1:0 (7.), Diaby 1:1 (12.)
Halle – Braunschweig......... Mo., 19:00
en. es sein müssen, kein Hinterhofwetz gegen
Wilt Chamberlain, einer der Größten dieses Straßburg, Angers, Stade Brest, Clermont oder
3. Spieltag Sp Tore Pt.
Spiels, hat einst bei den Globetrotters ange- Troyes, dafür haben ihn die Pariser nicht ge-
1. Vikt. Berlin 3 10:1 9 fangen. Jedes Jahr gibt der Zirkusklub anläss- kauft. Natürlich wollen sie in der französi-
Auswechslungen: Auswechslungen: Auswechslungen:
(64.) (64.) (72.) (90.+1) (70.) (81.) (81.) (87.) (63.) (64.) (73.) (81.) (82.)
2. Dortmund II 3 8:4 7 lich seiner spannungsgeladenen „Draft“ die schen Liga nicht nochmal hinter Lille Zweiter Hofmann
für
Thuram
für
Bennetts
für
Benes
für
Marmoush Gerhardt Guilavogui Mehmedi
für für für für
Voglsammer Öztunali
für für
Teuchert
für
Behrens
für
Ryerson
für
3. Magdeburg 3 5:1 7 neuen Spieler bekannt, die er verpflichten will, werden wie letzte Saison, aber es geht um Herrmann Plea Wolf Neuhaus Steffen Philipp Schlager Roussillon Awoniyi Ingvartsen Kruse Haraguchi Trimmel

4. SC Verl 3 4:1 7 und 2011 standen auf der Wunschliste fünf ver- mehr, um die große Bühne, um Hollywood. Der (75.)
Musiala
(75.)
Coman
(82.)
Choupo-
(82.)
Sarr
(46.)
Pantovic Bockhorn
(78.) (88.)
Ganvoula Paulinho
(76.) (89.)
Baumgart- Pohjanpalo
(89.)

5. Saarbrücken 3 4:2 6
linger für
heißungsvolle Namen: Paul Sturgess von der Scheichklub ist zur Traumfabrik mutiert, und
für für Moting für für für für für für
Gnabry Sané für Müller Stanisic Asano Gamboa Lampropoulos Amiri Palacios Schick

6. 1860 München 3 2:1 5 Mountain State University in West Virginia, Messi muss gut gepflegt werden.
7. W. Wiesbaden 3 1:0 5 Jacob Tucker vom Illinois College, Darnell Der kleine Zauberer ist jetzt 34. Das ist ein Stuttgart 5 – 1 Fürth Augsburg 0 – 4 Hoffenheim Bielefeld 0 – 0 Freiburg
8. Halle 2 5:3 4 Wilks aus Cincinnati, Andrew Goudelock vom Alter, in dem es langsam gesünder ist, wenn er F. Zwayer Dr. F. Brych S. Jablonski
9. Meppen 3 3:4 4
18 109 (2–0) (Berlin) 9124 (0–1) (München) 13 750 (Bremen)
College of Charleston – und Lionel Messi vom nur noch in jedem zweiten Spiel Haken 3 2 1
10. Duisburg 2 3:2 3 FC Barcelona. schlägt. Und seine Fans werden auch dann froh Müller Gikiewicz Ortega
11. Türkgücü 3 3:3 3 Das ist jetzt kein Witz. Und es war auch kein und glücklich sein, wenn er nur noch in den 3 2 1 5 5 5 5 3 3 4 3
12. Osnabrück 2 2:2 3
Mavropanos Anton Kempf Gumny Gouweleeuw Uduokhai Iago Brunner Pieper Nilsson Laursen
billiger Werbegag. „Messi kann mit dem Ball wichtigen Spielen seine magischen Momente – 2 3
13. Zwickau 3 3:4 2 umgehen, den Rest bringen wir ihm bei“, sagte hat. „Messi spielen zu sehen ist besser als Sex“, Karazor Endo
4
Prietl
Dorsch 4 3
14. Waldhof 3 2:4 2 damals Sportdirektor Lou („Sweet“) Dunbar hat sein großer Landsmann Maradona gesagt – 2 3 3 5 Schöpf Kunze
15. Freiburg 2 3 2:5 2
Sosa Massimo Moravek Jensen
und lud den Argentinier ins Vorbereitung- und Diego wusste, was Sex ist. 4
2 2 4 4
16. Würzburg 3 1:3 1
Okugawa
scamp ein. Messi hatte dann aber keine Zeit, er Auch Nasser Al-Khelaifi, der Big Boss der Pa- Klimowicz 2 Förster Vargas 4 Hahn 4 4
17. Vikt. Köln 3 3:6 1 wurde weiter im Fußball gebraucht. Vor zehn riser, weiß es. Alle Weltstars, die der Scheich Al Ghaddioui Niederlechner Klos Lasme

18. Braunschweig 2 0:4 1 Jahren war das, und vielleicht hätten die Glo- ins Stade de Princes, seinen Prinzenpark, 5 6 4
3
5
3
19. Kaiserslautern 3 0:5 1
Hrgota Nielsen Dabbur Höler
betrotters es neulich nochmal versuchen sol- lockt, sind sexy. Früher waren es Beckham und 6 5 2 2 3
Grifo Jeong

20. Havelse 3 1:7 0 len – stattdessen hat jetzt eine andere Zirkus- Ibrahimovic, dann Neymar und Mbappé, und Seufert Green Bruun Larsen Kramaric Baumgartner 4
3 2
4
5 Günter Schmid
Vikt. Berlin – Halle 20.8.
truppe das Rennen gemacht. nun Messi. Nächstes Jahr vermutlich noch Seguin 3 2 Höfler Keitel
5 5 Stiller Rudy
Kaiserslautern – 1860 München 21.8. Für den Scheichklub Paris St. Germain Cristiano Ronaldo. Geld spielt keine Rolex, es Itter 6 5 6 Meyerhöfer 3 2 3 3 3 3 3
Magdeburg – Duisburg 21.8. schiebt Messi künftig den armen Kerlen vis a geht um den großen Traum. Warum soll Messi Hoogma Bauer Jung Raum Vogt Posch Akpoguma N. Schlotterbeck Lienhart Gulde

Dortmund II – Saarbrücken 21.8. vis den Ball durch die Beine, flankiert von Ney- also gegen Straßburg die Knochen hinhalten 2 3 2
Braunschweig – Zwickau 21.8. mar, Kylian Mbappé, Angel di Maria und noch und Körner verpulvern? Oder Neymar? Auch Burchert Baumann Flekken

Vikt. Köln – Waldhof 21.8. ein paar anderen Engeln und Zauberern, die Sergio Ramos ist geschont worden. Wade. Im- Tore: Endo 1:0 (30.), Klement 2:0 (36.), Tore: Bruun Larsen 0:1 (37.), Tore: keine
Meppen – SC Verl 21.8. wir aus Platzgründen hier nicht alle aufzählen merhin hat Mbapé mitgespielt und beim 4:2-
Kempf 3:0 (55.), Al Ghaddioui 4:0 (61.), Adamyan 0:2 (79.), Rutter 0:3 (87.),
Würzburg – Osnabrück 22.8. Kempf 5:0 (76.), Leweling 5:1 (90.+3) Rudy 0:4 (90.+5)
W. Wiesbaden – Havelse 22.8.
können. Jedenfalls schwärmt die Fußballwelt Sieg sogar ein Tor geschossen, aber die PSG-
Türkgücü – Freiburg 2 22.8. von den „neuen Galaktischen“. Die alten Ga- Fans haben ihn ausgepfiffen. Denn mitten in Auswechslungen: Auswechslungen: Auswechslungen:
laktischen waren Zidane, Beckham, Figo, Raul, ihrer Messi-Euphorie hat Mbappé ihren Stolz (9.) (65.) (65.) (69.) (59.) (64.) (64.) (81.) (81.) (67.) (77.) (77.) (77.) (90.)

SPANIEN
Roberto Carlos und Ronaldo (der mit der verletzt. Er will angeblich weg. Sofort. Zu Real. Klement
für
Didavi
für
Sankoh
für
Thommy
für
Maier
für
Gregoritsch Caligiuri
für für
Pedersen
für
Sarenren
Bazee für
Hack
für
de Medina
für
Krüger
für
van der Hoorn
für
Serra
für
Karazor Klimowicz Al Ghaddioui Sankoh Moravek Jensen Hahn Iago Vargas Okugawa Laursen Lasme Nilsson Klos
Zahnspange), im Real der Jahrhundertwende. Das Rätselraten ist groß: Will Mbappé hinter
(58.) (58.) (70.) (85.) (52.) (59.) (59.) (73.) (73.) (62.) (70.) (70.) (85.) (86.)
Es gibt sie nicht oft, solche Starensembles, Messi und Neymar nicht die dritte Geige spie- Abiama
für
Sarpei
für
Fein
für
Leweling
für
John
für
Gacinovic
für
Adamyan
für
Rutter
für
Samassekou
für
Heintz
für
Sallai
für
Santamaria Demirovic
für für
Haberer
für
in den die Größten ihrer Zeit zusammenfinden len? Nielsen Seufert Green Hrgota Raum Dabbur Bruun LarsenBaumgartner Akpoguma Gulde Jeong Keitel Höler Grifo

und auftrumpfen, dass es den Zuschauern vor Neymar hat mit Messi dagegen überhaupt
FC Valencia – Getafe ............. 1:0 (1:0) Rührung die Brille beschlägt. Das Real der kein Problem. Keine Spur von Eifersucht, im Dortmund 5 – 2 Frankfurt Mainz 1 – 0 Leipzig Köln 3 – 1 Hertha BSC
Cadiz – Levante ....................... 1:1 (0:1) 1950er-Jahre hat damit angefangen, den Geg- Gegenteil, der Brasilianer hat den Argentinier T. Stieler D. Siebert R. Hartmann
Mallorca – Bet. Sevilla ............ 1:1 (1:0)
25 000 (3–1) (Hamburg) 10 500 (1–0) (Berlin) 16 500 (1–1) (Wangen)
nern blieb seinerzeit die Spucke weg aus Angst fast angefleht, nach Paris zu kommen. Dass Su-
Alaves – Real ............................. 1:4 (0:0) 2 1 2
Osasuna – Espanyol B............ 0:0 (0:0)
vor dem Angriff des „Weißen Balletts“: Cana- perstars auch so denken können, hat man vor Kobel Zentner Horn

Celta Vigo – Atletico................................ rio, del Sol, di Stefano, Puskas, Gento. In einer ein paar Jahren schon bei den Golden State 3 2 2 4
2
1 1 2
2
3 3 3 3
Barcelona – Sociedad .............................
Passlack Witsel Akanji Schulz Niakhate Bell Hack Schmitz Hübers Czichos Hector
alten Schrift findet sich die Würdigung: „Nie Warriors erlebt, die damals die Zaubertruppe Martin Widmer
1 3 3
FC Sevilla – Vallecano ............................. wieder wird es einen solchen Sturm geben. des Basketballs waren. Schon zu viert waren Bellingham Dahoud 1 2 Skhiri
Villarreal – Granada ........... Mo., 20:00 Man muss sich vorstellen, Bach, Mozart, Beet- sie die Besten, aber sie strebten nach Perfekti- 1 2 2
Tauer Barreiro
1 1 4 2
Elche – Bilbao........................ Mo., 22:00 hoven, Haydn und Händel hätten alle zusam- on. Passiert ist dann Folgendes: Auf den feinen Reus Reyna Hazard
Lee Kainz Ljubicic Thielmann

men für den Fürstbischof von Salzburg kom- Hamptons am Meer in Long Island, wo die Rei- 1 1 1 3 1
1. Spieltag Sp Tore Pt. poniert. Zur gleichen Zeit, das gleiche Concer- chen ihre Ferienhäuser haben, klopfte es eines
Haaland Burkardt Nebel Uth Modeste

1. Real Madrid 1 4:1 3 to, am gleichen Klavier. Mit Brahms auf der Re- Tages an der Tür des Superstars Kevin Durant, 4 5 4
4 4
2. Valencia CF 1 1:0 3
Borre Silva Cunha
servebank.“ der zu der Zeit für Oklahoma spielte. Durant 4 5 5 5
Jovetic Serdar

3. Betis Sevilla 1 1:1 1

5 5 4
Jetzt als Paris St. Germain, mit Julian Drax- öffnete, und draußen standen Stephen Curry, Kostic Kamada Barkok da Costa Haidara Nkunku Forsberg 4 4
4. Mallorca 1 1:1 1 ler auf der Reservebank. Messi, Neymar und Klay Thompson, Andre Iguodala und Dray- 5 5 4 4 Ascacibar
5
Tousart

5. Levante 1 1:1 1
Hasebe Sow Kampl Adams
Mbapé machen als Häuptlinge vorne die Mu- mond Green, die Stars der Warriors. „Komm 5 5 5 5 4 4 5
Boateng

6. Cádiz 1 1:1 1 sik, am Flügel begleitet von di Maria, und hin- zu uns“, bettelten sie. Durant konnte nicht wi- Ndicka Hinteregger Ilsanker Angelino Simakan Orban Mukiele
5
Plattenhardt
4
Dardai
4
Stark
5
Pekarik
7. Osasuna 1 0:0 1 ten sollen diverse Promi-Indianer die unver- derstehen, und als „The Hampton Five“ hatten 5 3 3
8. Espanyol B. 1 0:0 1 meidlichen Löcher stopfen, Altstar Sergio Ra- sie danach allerhand Spaß.
Trapp Gulacsi Schwolow

9. Bilbao 0 0:0 0 mos, die Europameister Verratti und Donna- „Wir sind sind wieder zusammen!“, jubelte
Tore: Reus 1:0 (23.), Passlack 1:1 (27., ET), Tor: Niakhate 1:0 (12.) Tore: Jovetic 0:1 (6.), Modeste 1:1 (41.),
10. Villarreal 0 0:0 0
Hazard 2:1 (32.), Haaland 3:1 (34.), Kainz 2:1 (52.), Kainz 3:1 (55.)
rumma, der Holländer Wijnaldum, der Brasi- jetzt auch Neymar auf Instagram, als Messi, Reyna 4:1 (58.), Haaland 5:1 (70.),
11. Elche 0 0:0 0 lianer Marquinhos, und so weiter. Geht das sein alter Kumpel aus Barcelona, ja zu ihm sag- Hauge 5:2 (86.)
12. Rayo Vallecano 0 0:0 0 gut? te. Sogar die 10 darf Neymar weiter tragen, Auswechslungen: Auswechslungen: Auswechslungen:
13. FC Sevilla 0 0:0 0 Am Samstag hatten sich viele eine erste Ant- selbstlos spielt Messi mit der 30. Wenn er (73.) (73.) (78.) (87.) (87.) (86.) (89.) (90.+1) (68.) (76.) (76.) (76.) (84.)
14. Atlet. Madrid 0 0:0 0 wort erhofft, aber Messi hat dann gegen Racing spielt. Wann er spielt? Es wird ein besonderes
Delaney
für
Malen
für
Papadopoulos Moukoko
für für
Tigges