Bauwirtschaft
und Baubetrieb
Technik – Organisation – Wirtschaftlichkeit –
Recht
3. Auflage
Handbuch für Bauingenieure
Klaus J. Beckmann
KJB.Kom Prof. Dr. Klaus J. Beckmann - Kommunalforschung,
Beratung, Moderation und Kommunikation
Berlin, Deutschland
Wilhelm Urban
Institut IWAR
Technische Universität Darmstadt
Darmstadt, Deutschland
Carsten Gertz
Institut für Verkehrsplanung und Logistik
Technische Universität Hamburg TUHH
Hamburg, Deutschland
Alexander Malkwitz
Institut für Baubetrieb und Baumanagement
Universität Duisburg-Essen
Essen, Deutschland
Christian Moormann
Institut für Geotechnik
Universität Stuttgart
Stuttgart, Deutschland
Franz Valentin
Germering, Deutschland
Das Handbuch für Bauingenieure bietet Grundwissen kompakt, vollständig
und aktuell. Neben den klassischen Fächern des Konstruktiven Ingenieurbaus
zählt dazu verstärkt das Fachwissen über das Bau-, Immobilien- und Unter-
nehmensmanagement sowie das Baurecht. Darüber hinaus behandeln ausge-
wiesene Fachautoren die weiteren Kerngebiete des Bauingenieurs: Geotech-
nik, Wasserbau, Siedlungswasserwirtschaft, Abfalltechnik, Raumordnung und
Städtebau sowie Verkehrssysteme und –anlagen. Das Handbuch wurde den
aktuellen Normen und Richtlinien angepasst und versteht sich als Lehrbuch
für Studierende und Nachschlagewerk für Praktiker.
Bauwirtschaft und
Baubetrieb
Technik – Organisation –
Wirtschaftlichkeit – Recht
3. Auflage
Springer Vieweg
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2002, 2012, 2020
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikrover-
filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc.
in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die
Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des
Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Infor-
mationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder
der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit,
Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im
Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten
und Institutionsadressen neutral.
V
VI Vorwort zur 3. Auflage
haltung von bestimmten Mindest- und Höchstsätzen für die geregelten Planer-
honorare.
Der Baubetrieb und die Bauverfahrenstechnik sind geprägt von zunehmen-
der Technisierung, Digitalisierung und baulogistischen Herausforderungen
sowie Bemühungen um Energieeinsparung, Lärmschutz, Luftreinhaltung
und Robotisierung. Dies gilt auch für den Leitungsbau.
Mein besonderer Dank gilt den 17 Mitautoren, die insbesondere in den
Kapiteln Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik, Privates Baurecht, Digitales
Planen und Bauen, Baulogistik und Leitungsbau zum Gelingen dieser 3. Auf-
lage beigetragen haben. Dieser Dank gilt auch sämtlichen MitautorInnen und
Mitherausgebern für das gesamte Handbuch für Bauingenieure.
Dem Springer Verlag danke ich für das entgegengebrachte Vertrauen, dabei
Herrn Ralf Harms für die Koordination, Frau Gabriele McLemore für die
Prozessbegleitung und Frau Gaddam Lakshminivasa aus Chennai in Indien
für die Druckvorlagen.
Kommentare und kritische Anmerkungen zur kontinuierlichen Verbesse-
rung des Kapitels Bauwirtschaft und Baubetrieb sind ausdrücklich willkom-
men und werden auch künftig mit Aufgeschlossenheit Berücksichtigung fin-
den.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Claus Jürgen Diederichs, Alexander Malkwitz und
Ayosha Aghazadeh
Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Claus Jürgen Diederichs, Alexander Malkwitz und Dirk Schlüter
Projektentwicklung und Immobilienmanagement . . . . . . . . . . . . . 205
Claus Jürgen Diederichs und Norbert Preuß
Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
Claus Jürgen Diederichs und Norbert Preuß
Nachtragsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Claus Jürgen Diederichs
Digitales Planen und Bauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
Alexander Malkwitz und Dirk Schlüter
Privates Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
Horst Franke, Claus Jürgen Diederichs, Michael Peine und
Matthias Sundermeier
Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
Christoph Motzko, Eberhard Petzschmann, Holger Kesting,
Manfred Helmus, Peter Böttcher, Marco E. Einhaus,
Hendrikje Rahming, Olaf Leitzbach, Dietrich Stein und Robert Stein
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615
VII
Autorenverzeichnis
IX
X Autorenverzeichnis
Dietrich Stein Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH, Bochum, Deutschland
Robert Stein Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH, Bochum, Deutschland
Inhalt
1 Volkswirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2 Betriebswirtschaftliche und arbeitsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3 Unternehmensrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5 Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Die Betriebswirtschaftslehre für die Bauwirt- Themenfeldes lässt sich anhand der steigenden
schaft, kurz: Bauwirtschaftslehre, zählt zu den Publikationen im Themenschwerpunkt erkennen.
speziellen Betriebswirtschaftslehren einzelner Abb. 1 zeigt die steigende Anzahl von Publi-
Wirtschaftszweige wie die Industrie-, Handels- kationen im Bereich Bauwirtschaft, Baubetrieb
und Bankenbetriebswirtschaftslehre. Im Bereich und Baumanagement und dokumentiert dabei
der Lehre und Forschung wird das Fachgebiet die wachsende Bedeutung dieses Fachgebietes.
trotz betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt durch Die Fachvertreter sind daher i. d. R. auch keine
die Bauingenieurfakultäten der Universitäten Betriebswirte, sondern Bauingenieure, z. T. mit
bzw. Hochschulen vertreten. Die Bedeutung des Zusatzausbildung zum Wirtschaftsingenieur oder
Diplom-Kaufmann. Die Begründung für dieses
Phänomen liegt offenbar darin, dass die Beson-
derheiten der Bauwirtschaft mit ihrer Einzelferti-
C. J. Diederichs (*)
Bauwirtschaft und Baumanagement, Universität
gung von Unikaten, ihren von Baustelle zu Bau-
Wuppertal, München, Deutschland stelle wandernden Werkstätten, dem Absatz durch
E-Mail: diederichs@dsb-iqbau.de Ausschreibung und Zuschlagserteilung vor der
A. Malkwitz eigentlichen Produktion mit der starken Verflech-
Institut für Baubetrieb und Baumanagement, Universität tung zwischen technischen, wirtschaftlichen und
Duisburg-Essen, Essen, Deutschland rechtlichen Einflussfaktoren für Betriebswirte au-
E-Mail: alexander.malkwitz@uni-due.de
ßerordentlich diffus und komplex erscheinen
A. Aghazadeh (Diederichs 1992, S. 9). Dabei weist die Immobi-
Abteilung Bauwissenschaften, Universität Duisburg-
Essen, Essen, Deutschland
lienwirtschaft und das darin maßgebliche Bauge-
E-Mail: ayosha.aghazadeh@uni-due.de werbe im Jahr 2016 einen Anteil in Höhe von
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 1
C. J. Diederichs, A. Malkwitz (Hrsg.), Bauwirtschaft und Baubetrieb, Handbuch für Bauingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-27916-5_7
2 C. J. Diederichs et al.
Bestand zu halten. Nach dem Gesetz der Nach- tur und Einkommen), so findet eine Bewegung
frage sinkt diese mit steigendem Preis und nimmt auf der Kurve statt. Ändern sich hingegen die
diese zu mit sinkendem Preis des angebotenen zugrunde gelegten Bedingungen (z. B. Einkom-
Gutes bzw. der Dienstleistung. Die so entstehende mensänderung), so ist eine Verschiebung des
Kurve wird als Nachfragekurve bezeichnet Nachfrageniveaus festzustellen (Abb. 3).
(Abb. 2).
Ändert sich der Preis unter sonst gleichen Angebot
Bedingungen (z. B. unveränderte Bedürfnisstruk- Das Angebot beschreibt die Menge an Gütern, die
auf einem Markt angeboten werden. Nach dem
Gesetz des Angebots nimmt dieses zu mit steigen-
dem Preis und sinkt dieses mit sinkendem Preis
des angebotenen Gutes bzw. der Dienstleistung.
Die so entstehende Kurve wird als Angebotskurve
bezeichnet (Abb. 3). Jeder Anbieter versucht nun,
die Kosten der von ihm erzeugten und am Markt
auch absetzbaren Güter und Dienstleistungen
unterhalb des am Markt erzielbaren Preises zu
halten.
Die dem Anbieter unabhängig vom Produkti-
onsumfang vor allem für die Aufrechterhaltung
der Betriebsbereitschaft entstehenden Kosten
werden als fixe Kosten bezeichnet. Die fixen Kos-
ten beinhalten die Kosten der fest vorgegebenen
Produktionsfaktoren. Die von der Ausbringungs-
menge abhängigen Kosten werden variable Kos-
Abb. 2 Nachfragekurve ten genannt (Abb. 4). Der sich aus dem Produkt
Abb. 4 Erlös,
Deckungsbeitrag, fixe und
variable Kosten
1.2 Wirtschaftssubjekte
Wirtschaftssubjekte
Organisa-
Gebiets- Sozial-
Private tionen ohne
körper- versiche-
Haushalte Erwerbs-
schaften rungen
charakter
Wirtschaft teilnehmen (vgl. Premer 2015, S. 17). Kernaufgabe der Unternehmen ist die Pro-
Wirtschaftssubjekte sind, unabhängig von der duktion von Gütern und Leistungen. Neben
jeweiligen Branche, alle selbstständig agierenden gewerblichen Unternehmen umfasst diese
Einheiten. Die Aktivitäten eines Wirtschaftssubjek- Gruppe auch öffentlich-rechtliche Unternehmun-
tes umfassen das Konsumieren und Produzieren gen wie z. B. die Deutsche Bahn, die auch Pla-
von wirtschaftlichen Gütern. In der Volkswirt- nungs- und Bauaufträge an die Bauwirtschaft
schaftslehre wird grundlegend nach folgenden erteilt.
Wirtschaftssubjekten unterschieden: private Haus- Im Bereich Ausland wird der Außenwirt-
halte, öffentliche Haushalte, Unternehmen und schaftsverkehr zusammengefasst, der über die
Ausland (Abb. 6). Grenzen einer nationalen Volkswirtschaft hinaus-
In der Gruppe der privaten Haushalte werden geht. In diesen Bereich fällt der Verkauf von in-
alle Privatpersonen und Organisationen ohne ländischen Gütern und Dienstleistungen an das
Erwerbscharakter zusammengefasst. Die privaten Ausland (Export) sowie der Kauf von Produkten
Haushalte bilden primär zugleich die Nachfrage- und Dienstleistungen aus dem Ausland (Import).
seite auf dem Gütermarkt und die Anbieterseite Des Weiteren werden monetäre Transaktionen
von Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt ab. Im Hin- zwischen In- und Ausland diesem Sektor zuge-
blick auf das Bauwesen befinden sich in dieser ordnet (vgl. Vornholz 2014, S. 103 f.).
Gruppierung z. B. Privatpersonen, die eine Nach-
frage in der Wohnungswirtschaft erzeugen.
Die öffentlichen Haushalte bilden die jeweili- 1.3 Marktformen und Preisbildung
gen Gebietskörperschaften und staatlichen Ein-
richtungen. Der Bund, die Länder und die Kom- Der Markt wird definiert als Ort des Zusammen-
munen produzieren Leistungen zur Deckung der treffens von Angebot und Nachfrage, für die
Bedürfnisse der Allgemeinheit sowie Leistungen, Bauwirtschaft auf dem Baumarkt. Die Nach-
die in einer marktwirtschaftlichen Ordnung von frage ist die Gesamtheit aller mit Kaufkraft aus-
Unternehmen nicht in gleicher Weise erbracht gestatteten Planungs- und Bauabsichten der
bzw. zu gleichem Preis angeboten werden können öffentlichen, gewerblichen und privaten Wirt-
(Öffentliche Leistungen, Infrastrukturen). Öffent- schaftssubjekte. Das Angebot ist die Ge-
liche Haushalte treten in der Bauindustrie vielfach samtheit aller mit entsprechenden Kapazitäten
in Erscheinung. Im Hinblick auf den Wohnungs- ausgestatteten Leistungsversprechen von Pla-
bau wird z. B. der soziale Wohnungsbau geför- nern, Bauunternehmern und anderen Leistungs-
dert, um Bedürfnisse der privaten Haushalte zu erbringern in der Bauwirtschaft. Je nach Anzahl
decken. Die Finanzierung der Leistungen erfolgt der Marktteilnehmer auf der Angebots- und
u. a. durch Steuereinnahmen, öffentliche Gebüh- Nachfrageseite, ergeben sich unterschiedliche
ren, Beiträge, Entgelte und Zölle. Marktformen (Abb. 7):
6 C. J. Diederichs et al.
• polypolistische Märkte bewirken vollständige frager, die den höchsten Preis zahlen, zuerst am
Konkurrenz, d. h., viele Anbieter und Nachfra- Markt zum Zuge. Wenn die Anbieter bzw. Nach-
ger treten auf dem jeweiligen Markt auf; frager, die mit ihren Preisvorstellungen den zuerst
• oligopolistische Märkte weisen auf einer oder agierenden Marktteilnehmern folgen, nacheinan-
auf beiden Marktseiten jeweils nur wenige der in dieser Reihenfolge ebenfalls zum Zug kom-
Konkurrenten auf; men, so nähern sie sich von zwei Seiten einem
• monopolistische Märkte sind durch jeweils bestimmten Preis an, bei dem der größtmögliche
einen einzigen Anbieter bzw. Nachfrager Umsatz erzielt wird. Bei diesem größtmöglichen
gekennzeichnet. Umsatz ist ein weiteres Ausweichen auf andere
Anbieter bzw. Nachfrager nicht mehr möglich
(„geräumter Markt“).
Der Preis ist der in Geldeinheiten ausgedrückte In der Realität wird sich im Schnittpunkt der
Tauschwert einer Ware oder einer Dienstleistung. aggregierten Nachfragefunktionen N und der
Jedes knappe Gut hat einen Preis. Die Preisbil- aggregierten Angebotsfunktionen A ein einheitli-
dung vollzieht sich in einem Abstimmungspro- cher Gleichgewichtspreis pGP mit der Menge xGP
zess zwischen Anbieter und Nachfrager. herausbilden (Abb. 3). Nur dieser Gleichge-
Für das Modell der polypolistischen Preisbil- wichtspreis kann den Markt räumen. Ein unter-
dung wird vollständige Konkurrenz auf einem halb des Gleichgewichtspreises liegender Preis
vollkommenen und offenen Markt vorausgesetzt. kann die Angebotslücke und den Nachfrageüber-
Diese Annahmen werden getroffen, um die reale hang nicht zum Ausgleich bringen. Ist umgekehrt
und komplexe Situation modellhaft zu vereinfa- bei gegebenem Preis das Angebot größer als die
chen. In Abb. 8 werden die unterschiedlichen Nachfrage, so wird der Preis sinken, um für einen
Merkmale und Definitionen des vollkommenen Ausgleich zu sorgen.
und offenen Marktes sowie der vollständigen Kon- Ein Verkäufermarkt ist gegeben, wenn entwe-
kurrenz und Preisbildung im Polypol dargestellt. der bei gleichbleibendem Angebot die Nachfrage
Die Anbieter für Güter und Dienstleistungen steigt (N0 ! N1) oder bei gleichbleibender Nach-
fordern zunächst einen vorher kalkulierten Preis. frage das Angebot zurückgenommen wird (A0 !
Die Nachfrager sind bestrebt, einen möglichst A1). Ein Käufermarkt ist gegeben, wenn bei
geringen Preis zu zahlen. In der Regel unterliegen gleichbleibender Nachfrage das Angebot zu-
die Preisvorstellungen mehrerer Anbieter und nimmt (A0 ! A2) bzw. bei gleichbleibendem
Nachfrager einer gewissen Bandbreite. Theore- Angebot die Nachfrage schrumpft (N0 ! N2).
tisch kommen diejenigen Anbieter, die den Als Konsumentenrente wird derjenige Preis-
geringsten Preis verlangen, und diejenigen Nach- vorteil bezeichnet, den diejenigen Nachfrager
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 7
Abb. 8 Merkmale der vollständigen Konkurrenz auf einem vollkommenen und offenen Markt
erzielen, die bereit gewesen wären, auch oberhalb höchsten Gewinn dann, wenn die Differenz zwi-
des Gleichgewichtspreises liegende Angebote zu schen Gesamterlös (bei einheitlichem Stückerlös)
akzeptieren. Die Produzentenrente bezeichnet und Gesamtkosten am größten ist.
hingegen denjenigen Preisvorteil, den diejenigen Beim Angebotsoligopol bringen wenige An-
Anbieter erzielen, die bereit gewesen wären, auch bieter ein Produkt auf den Markt (z. B. in der
unterhalb des Gleichgewichtspreises ihre Güter Mineralöl-, Stahl- und chemischen Industrie).
und Dienstleistungen anzubieten. Die geknickte Nachfragekurve des Oligopolisten
Ein Angebotsmonopol liegt vor, wenn einem (Abb. 9) resultiert
einzigen Anbieter eine große Zahl von Nachfragern
gegenübersteht. In einer freien Marktwirtschaft kön- • bei Preissenkung aus einer unelastischen An-
nen solche Monopole v. a. durch Verdrängung ande- gebotsmengenerhöhung, da Konkurrenten des
rer Konkurrenten vom Markt oder durch Unterneh- Oligopolisten ebenfalls den Preis senken, und
menszusammenschlüsse entstehen. • bei Preiserhöhung aus einer elastischen Men-
Im Gegensatz zum polypolistischen Anbieter, genreduzierung, da der Oligopolist Kunden an
der den Gleichgewichtspreis aufgrund seines Konkurrenten verliert.
geringen Marktanteils als gegeben hinnehmen
muss, kann der Angebotsmonopolist entweder Auf den realen Märkten ist es durchaus üblich,
diesen Preis autonom bestimmen (Preispolitik), dass konkurrierende Oligopolisten gewisse Preis-
muss dann aber die bei diesem Preis nachgefragte abstände zueinander einhalten. Preiserhöhungen
Menge akzeptieren, oder die Angebotsmenge erfolgen erst dann, wenn ein Oligopolist mit Preis-
festlegen, muss dann aber den sich auf dem Markt heraufsetzungen beginnt. Dieses „abgestimmte
bildenden Preis hinnehmen. Auf einem vollkom- Verhalten“ vollzieht sich häufig stillschweigend,
menen Markt erreicht der Monopolist seinen wie bei den Benzinpreisen zu beobachten ist.
8 C. J. Diederichs et al.
Abb. 9 Oligopolpreisbildung
bei geknickter
Nachfragekurve
Die Preisbildung am Baumarkt wird vorrangig Daraus ergeben sich für das Tauschmedium
durch polypolistische Merkmale geprägt, da Geld drei wesentliche Funktionen. Im Hinblick
z. B. im Wohnungsbau viele Nachfrager vielen auf die geschichtliche Entwicklung des Geldes
Anbietern gegenüberstehen. Oligopole, wie z. B. wird an erster Stelle die Funktion als Tauschme-
im industriellen Anlagenbau und Monopole sind dium benannt. Das Geld stellt in diesem Zusam-
sowohl bei den Nachfragern als auch bei den menhang eine Kaufkraft dar, da der Verkäufer sein
Anbietern nicht besonders häufig anzutreffen. reales Gut gegen Geld tauscht, um zu einem späte-
Die dem öffentlichen Auftragswesen zuzuordnen- ren Zeitpunkt ein beliebiges Gut zu erwerben. Aus
den Auftraggeber haben bei der Vergabe von Pla- dieser Tatsache lässt sich die nächste Funktion des
nungsleistungen die Vergabeverordnung (VgV) und Geldes als Wertaufbewahrungsmittel ableiten.
bei der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistun- Zwischen Annahme und Verausgabung des Gel-
gen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleis- des vergeht Zeit, daher bildet sich durch diesen
tungen, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vorgang eine Kasse, die die Wertspeicherung
Vergabe von Bauleistungen (VOB/A), zu beachten. ermöglicht. Wichtig hierbei ist, dass die Tausch-
fähigkeit in dieser Zeitspanne erhalten bleibt. Die
dritte Funktion des Geldes ist die Recheneinheits-
1.4 Geldwesen funktion. Die Recheneinheitsfunktion beinhaltet,
dass alle Waren und Dienstleistungen sich in Geld
Das Geld steht im Zentrum aller Volkswirtschaf- ausdrücken lassen (vgl. Woll 2011, S. 429 f.). Fer-
ten und ist ein allgemein akzeptiertes Tauschmit- ner ist zwischen Bargeld, Buchgeld und Gelder-
tel. Im Gegensatz zur Naturaltauschwirtschaft satzmitteln zu unterscheiden. Das Bargeld um-
wird nicht Gut gegen Gut getauscht, sondern Gut fasst das Münz- und Papiergeld, das Buchgeld
gegen Geld und Geld gegen Gut (vgl. Cezanne das sogenannte Sichtguthaben bei den Banken.
2005, S. 12). Das Buchgeld – auch Giralgeld genannt – ist in
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 9
den Bankaufzeichnungen enthalten und stellt Ein- S. 169). Die Termineinlage, auch Termingeld
lagen dar, die jederzeit fällig sind. Neben dem genannt, bezeichnet eine Einlage für eine
Bar- und Buchgeld existieren noch die Gelder- bestimmte Zeit gegen einen festen Zinssatz. Im
satzmittel, sogenannte Geldsurrogate. Hierzu ge- Gegensatz dazu sind Spareinlagen unbefristete
hören u. a. alle im Umlauf befindlichen Kreditkar- Geldanlagen, die nicht für den Zahlungsverkehr
ten (vgl. Weitz und Eckstein 2015, S. 53). bestimmt sind.
Die Währung ist in diesem Zusammenhang das Die Frage, wie hoch die gesamte Geldmenge
gesamte Geldwesen eines Staates. Die Grenzen einer Volkswirtschaft ist, hängt davon ab, was zur
der jeweiligen Wirtschaftsregion bilden dabei Geldmenge gezählt wird. Hierzu hat das ESZB für
den Geltungsbereich der Währung. Die meisten sich eine eigene Geldmengendefinition festgelegt.
Staaten haben ihre eigene Währung, wie bei- Das Eurosystem differenziert zwischen den fol-
spielsweise der US-Dollar in den Vereinigten genden Geldmengen (Deutsche Bundesbank):
Staaten von Amerika. Eine Ausnahme ist hierbei
die Währung Euro (EUR), die als offizielle Wäh- M1: Zirkulierendes Bargeld + täglich fällige Ein-
rung im Euroraum gilt. Der Euro wurde am lagen von Nichtbanken
01.01.1999 als Buchgeld und am 01.01.2002 in M2: M1 + Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist
Form von Bargeld eingeführt. von bis zu 3 Monaten + Termineinlagen mit
Wie im Gütermarkt, gibt es auf dem Geldmarkt einer Laufzeit von bis zu 2 Jahren
eine Anbieter- und Nachfrageseite. Die Zentral- M3: M2 + kurzfristige Bankschuldverschreibun-
und Geschäftsbanken übernehmen die Anbieter- gen mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu
seite im Geldmarkt. Auf der Nachfrageseite befin- 2 Jahren + Geldmarktfondsanteile + Repo-Ge-
den sich die sogenannten Nichtbanken. Hierzu schäfte
gehören private und öffentliche Haushalte sowie
Unternehmen. Jede Form von Geld seitens der Die Geldmenge stellt hierbei keine statische
Nichtbanken stellt eine Forderung dar (vgl. Neu- Kennzahl dar, da diese durch einen Wechsel zwi-
bäumer et al. 2017, S. 274). Aufgrund dieser schen Geldschöpfung und Geldvernichtung stän-
Tatsache nehmen die Banken eine besondere Stel- dig beeinflusst wird. Geldschöpfung bezeichnet
lung in der Volkswirtschaft ein. In der Europä- eine Vermehrung der Geldmenge. Im ESZB sind
ischen Union (EU) wird diese Stellung durch das nur die Zentralbanken in der Lage, mittels Zen-
Europäische System der Zentralbanken (ESZB) tralbankgeld Geld zu schöpfen. Dies geschieht,
geregelt. Das ESZB agiert unabhängig von den indem z. B. eine Zentralbank einer Geschäftsbank
nationalen Regierungen. Nach Art. 127 ff. einen Kredit gewährt. Sobald die Geschäftsbank
AEU-Vertrag hat die EZB das vorrangige Ziel, den Kredit der Zentralbank zurückzahlt, wird der
die Preisstabilität zu gewährleisten. Das ESZB Betrag vom Sichtguthaben auf dem Zentralbank-
ist zusammengesetzt aus der Europäischen Zen- konto abgebucht. Dieser Vorgang wird als Geld-
tralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken vernichtung bezeichnet.
(NZB) aller EU-Staaten. Neben dem ESZB gibt es Neben dem ständigen Wechsel zwischen Geld-
die privaten Geschäftsbanken. Hierzu gehören schöpfung und -vernichtung besteht eine Abhän-
deutsche Kreditinstitute, wie z. B. die Deutsche gigkeit zum Geldwert. Der Geldwert beschreibt in
Bank. Entsprechend dieser Zweiteilung wird auch der Volkswirtschaftslehre das Austauschverhältnis
zwischen Zentralbankgeld und Geschäftsbanken- zwischen Geld und Gütern oder Dienstleistungen.
geld unterschieden. Das Zentralbankgeld umfasst Der Geldwert ergibt sich daraus, wie viele Güter
das Bargeld und die Sichtguthaben bei der Zen- und Dienstleistungen für diesen Wert gekauft wer-
tralbank, die nur von den Geschäftsbanken und den können. Daher wird der Tauschwert des Gel-
vom Staat unterhalten werden können. Zum des als Kaufkraft oder Binnenwert bezeichnet (vgl.
Geschäftsbankengeld gehören die Sichtguthaben Weitz und Eckstein 2015, S. 59–60). Hierdurch
sowie die Termin- und Spareinlagen bei den wird aufgezeigt, dass die Kaufkraft und der Preis
Geschäftsbanken (vgl. Sell und Kermer 2017, unmittelbar zusammenhängen.
10 C. J. Diederichs et al.
Das Preisniveau kennzeichnet den durch In- Entwicklung der nachfragewirksamen Geld-
dexzahlen gemessenen Durchschnittsstand aller menge ab.
wichtigen Preise in der Volkswirtschaft. Der Re- Die Preisentwicklung wird detailliert anhand
ziprokwert des Preisniveaus drückt die Kaufkraft verschiedener spezifischer Kennzahlen berechnet
des Geldes aus. Die Beweglichkeit der Einzel- und analysiert. Im Baugewerbe wird die Preisent-
preise bewirkt die Lenkung von Ressourcen in wicklung getrennt für das Bauhaupt- und Ausbau-
die rentablen Bereiche zum Ausgleich von Ange- gewerbe berechnet. Der Verbraucherpreisindex
bot und Nachfrage (optimale Allokation). Ist die gibt zum Beispiel Auskunft über die durchschnitt-
beidseitige Flexibilität der Einzelpreise derart ge- liche prozentuale Veränderung sämtlicher Waren
stört, dass lediglich Preiserhöhungen auftreten, und Dienstleistungen der privaten Haushalte für
ohne dass genügend andere Einzelpreise sinken, Konsumzwecke. Die Preise innerhalb des Bau-
führt dies zu einem Anstieg des Preisniveaus. hauptgewerbes stiegen von 1995 bis 2017 um
Die Summe aller während einer Rechnungspe- 27 % an, wogegen die Preise für Leistungen des
riode umgesetzten und zu ihren jeweiligen Preisen Ausbaugewerbes im selben Zeitraum um 46 %
bewerteten Güter bezeichnet man als Handelsvo- stiegen. Im Vergleich dazu sind die Verbraucher-
lumen. Das Handelsvolumen der Bauwirtschaft preise um durchschnittlich 36 % angestiegen. In
ist das Bauvolumen. Zum Kauf der Güter ist the- der Abb. 10 wird die Preisentwicklung im Bau-
oretisch die mit dem Handelsvolumen definierte haupt- und Ausbaugewerbe sowie die der Ver-
Geldmenge erforderlich. Die entsprechende Geld- braucherpreise veranschaulicht.
menge durchläuft gleichzeitig auch andere Sekto- Die Entwicklung der Preisindizes für baubezo-
ren der Volkswirtschaft (z. B. den Staatshaushalt, gene Architektur- und Ingenieurdienstleistungen
die private Ersparnis, die Kreditwirtschaft). Der wird gesondert unter den Erzeugerpreisen für
hierdurch ausgelöste Geldumlauf vollzieht sich in Dienstleistungen erfasst. Der Erzeugerpreisindex
einer bestimmten Geschwindigkeit. Die Um- für Dienstleistungen gibt Auskunft über die durch-
laufgeschwindigkeit gibt Auskunft darüber, wie schnittliche Preisentwicklung im Dienstleistungs-
oft die verfügbare Geldmenge während der Rech- sektor. Die Preisentwicklung für Architektur-
nungsperiode nachfragewirksam den Markt und Ingenieurdienstleistungen wird in Abb. 11,
durchläuft. Die Entwicklung des inländischen getrennt zwischen Architektur, Ingenieur- und
Preisniveaus hängt damit weitgehend von der andere baubezogene Dienstleistungen, dargestellt.
150.0
140.0
130.0
120.0
110.0
100.0
90.0
1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Bauhauptgewerbe Ausbaugewerbe Verbraucherpreise
140.0
130.0
120.0
110.0
100.0
90.0
80.0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Architektur- Baubezogene Andere
dienstleistungen Ingenieurdienstleistungen baubezogene Dienstleistungen
Abb. 11 Entwicklung der Preisindizes für baubezogene Architektur- und Ingenieurdienstleistungen. (Quelle: Statisti-
sches Bundesamt 2018a)
Die Preisniveauentwicklung lässt ohne Hinzu- relevanten Transaktionen zwischen den wirtschaf-
ziehung weiterer Indikatoren nur eingeschränkte tenden Einheiten eines Landes sowie zwischen
Analysen zu. So ist die Beurteilung des Lebens- ihnen und dem Ausland. Diese Transaktionen
standards der Arbeitnehmer nur im Zusammen- beziehen sich auf die Entstehung, Verteilung, Ver-
hang mit der Lohnentwicklung zu sehen. Neben wendung und Finanzierung des Sozialprodukts
der qualitativen Entwicklung der angebotenen bzw. des Volkseinkommens. Volkswirtschaftliche
Güter ist die Nominallohnentwicklung ein ent- Gesamtrechnungen werden im Rahmen geschlos-
scheidendes Beurteilungskriterium. Die den Ar- sener Kontensysteme aufgestellt. Sie beziehen
beitnehmern zur Verfügung stehende effektive sich i. d. R. auf vergangene Perioden (Ex-post-
Kaufkraft nimmt real nur dann zu, wenn die No- Betrachtungen). Ihre Aufgaben bestehen
minallöhne schneller steigen als das Preisniveau.
Sinkende Reallöhne liegen dagegen dann vor, • für die Wirtschaftspolitik in der Möglichkeit,
wenn die Preisniveausteigerung das Nominal- Wirkungen und Grenzen der jeweils beabsich-
lohnwachstum übersteigt. tigten Maßnahmen zu erkennen;
• für die Wirtschaftsforschung in der Gewin-
nung von für den Wirtschaftsprozess wichtigen
1.5 Volkswirtschaftliche Daten und Erkenntnissen über deren funktio-
Gesamtrechnung nales Zusammenwirken;
• für Unternehmer in der Beobachtung von
Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist eine Strukturentwicklungen und -veränderungen
zahlenmäßige Darstellung der makroökonomisch innerhalb und zwischen den Branchen;
12 C. J. Diederichs et al.
• für die gesamte Volkswirtschaft in der verglei- wenn Neuinvestitionen < Ersparnis, dann Kapi-
chenden Betrachtung des wirtschaftsstatisti- talexport ins Ausland.
schen Gesamtbildes.
Eine im Vergleich zum Kreislaufmodell
Nach dem Kreislaufschema ist der Wirtschafts- genauere Darstellungsweise erlauben entspre-
kreislauf bildhafter Ausdruck für die zusammen- chend angelegte Kontensysteme. Mit Hilfe einer
gefassten Leistungen einer Periode zwischen den Stichtagsbetrachtung, i. d. R. zum Quartals- und
einzelnen Sektoren. Darstellungsform ist das Jahresende, werden z. B. in der Bilanz einer
Pfeilschema, dem für jeden Sektor ein Konto Volkswirtschaft die Realvermögen der Teilsekto-
zugrunde gelegt wird. ren und die Forderungen gegenüber dem Ausland
Bereits an einem sehr einfachen Kreislaufmo- mit den Verbindlichkeiten gegenüber dem Aus-
dell mit lediglich drei Konten (private Haushalte, land aufgerechnet. Der Saldo ergibt das Volksver-
Unternehmen, Vermögensänderung) kann erkannt mögen (Abb. 13).
werden, dass für jeden Sektor die Summe der Um die Entwicklung der Sektoren während
eingehenden Ströme der Summe der ausgehenden einer Rechnungsperiode zwischen zwei Stichta-
Ströme entspricht (Abb. 12). gen beobachten zu können, müssen Aufwands-
Daraus lassen sich bereits folgende Gleichun- und Ertragskonten eingerichtet werden. Das Ein-
gen ableiten: kommen aus Unternehmertätigkeit ergibt sich als
Saldo aus dem Aufwands- und Ertragskonto der
Volkseinkommen = privater Verbrauch + Ersparnis, Unternehmen. Dieses Einkommen wird entweder
Volkseinkommen = privater Verbrauch + Brutto- ausgeschüttet oder aber nach Abzug der Steuern
investitionen ./. Abschreibungen, zu Ersparnissen der Unternehmen (Abb. 14).
Bruttoinvestitionen = Neu- + Reinvestitionen = Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im
Ersparnis + Abschreibungen. engeren Sinne umfasst die Entstehung, Verwen-
dung und Verteilung des Bruttoinlandsprodukts
Dieses einfache Modell ist in der Realität um (BIP). Das BIP ist ein Maß für den Gesamtwert
die beiden Sektoren Staat und Ausland zu erwei- aller Endprodukte einer Volkswirtschaft, die inner-
tern. In einer solchen offenen Volkswirtschaft halb einer bestimmten Periode hergestellt werden
werden dann auch Ungleichgewichte aufgehoben: (vgl. Krugmann und Wells 2017, S. 672).
Die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts kann
Wenn Neuinvestitionen > Ersparnis, dann Kapi- über drei Berechnungsmethoden erfolgen (vgl. Sta-
talimport aus dem Ausland, tistisches Bundesamt 2018b, S. 8):
Dienstleistungen die Vorleistungen subtrahiert damit jenes Faktoreinkommen aus, das von Aus-
werden. Hierzu wird im ersten Schritt die Brut- ländern erzielt wurde. Hierzu gehören z. B. die
towertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbe- Gewinne ausländischer Anleger, denen Aktien
reiche ermittelt. Aus der Bruttowertschöpfung von Unternehmen gehören, die ihren Sitz im Inland
aller Wirtschaftsbereiche ergibt sich anschlie- haben. Andererseits enthält das BNE jenes Faktor-
ßend das Bruttoinlandsprodukt, indem die Gü- einkommen, das von Inländern im Ausland erzielt
tersteuern hinzugefügt und die Gütersubven- wird. Hierzu gehören aus deutscher Sichtweise
tionen abgezogen werden. z. B. Dividenden, die einem deutschen Anleger
• Die Verwendungsrechnung ermittelt das BIP, aus Aktien ausländischer Unternehmen zufließen
indem die privaten und staatlichen Konsum- (vgl. Krugmann und Wells 2017, S. 679).
ausgaben, die Bruttoinvestitionen und die Dif- Für die Darstellung der Wirtschaftsleistung des
ferenz zwischen Exporten und Importen auf- Baugewerbes werden verschiedene Kennzahlen
summiert werden. verwendet. In der Entstehungsrechnung zur Ermitt-
• Die Verteilungsrechnung ermittelt das BIP, lung des Bruttoinlandsproduktes wird die Kennzahl
indem die Summe aller Einkommen, die der Bruttowertschöpfung ermittelt (Abb. 16). Die
Abschreibungen, die Abgaben an den Staat Bruttowertschöpfung ergibt sich aus dem Produkti-
abzüglich der Subventionen vom Staat und onswert (Waren und Dienstleistungen) abzüglich
der Saldo der Primäreinkommen aus dem der Vorleistungen. Nachfolgend wird in Abb. 16
Ausland addiert werden. die Bruttowertschöpfung und darin enthaltene An-
teil des Baugewerbes dargestellt.
In Abb. 15 ist der Zusammenhang zwischen Internationale Vergleiche der Bruttowert-
Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungs- schöpfung sind ungenau wegen variierender
rechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dar- Berechnungsverfahren. Aus diesem Grund erfolgt
gestellt. der internationale Vergleich des Marktvolumens
Neben der Darstellung des Bruttoinlandspro- im Baugewerbe oft mittels der Kennzahl Bauin-
duktes beziehen sich zahlreiche Veröffentlichungen vestitionen. Die Bauinvestitionen umfassen dabei
in der Fachliteratur auch auf das Bruttonationalein- alle Bauleistungen an Wohn- und Nichtwohnge-
kommen (BNE). Das Bruttonationaleinkommen ist bäuden, die Investitionen darstellen. Dies bedeu-
definiert als das gesamte Faktoreinkommen (Pri- tet, dass zum Beispiel reine Reparaturleistungen
märeinkommen), das denjenigen zufließt, die ihren nicht berücksichtigt werden, sondern nur jene, die
Sitz im Inland haben. Hierbei schließt das BNE eine Werterhöhung erzeugen.
14 C. J. Diederichs et al.
Während die Bauinvestitionen für Deutschland bes in Deutschland 144 Mrd. EUR. Die Brutto-
im Jahr 2017 mit 327 Mrd. EUR ermittelt wurden, wertschöpfung hat damit einen Anteil in Höhe
beträgt die Bruttowertschöpfung des Baugewer- von 44 % der Bauinvestitionen (vgl. Statistisches
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 15
3500 8.0%
3000 7.0%
6.0%
2500
5.0%
2000
4.0%
1500
3.0%
1000
2.0%
500 1.0%
0 0.0%
1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Bruttowertschöpfung (Mrd. EUR) Anteil Baugewerbe (Mrd. EUR) Anteil Baugewerbe (%)
Abb. 16 Bruttowertschöpfung und Anteil des Baugewerbes von 1995 bis 2017. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2018c,
S. 56)
Bundesamt 2018c, S. 56 und 139). Grund dafür Neben den Kennzahlen Bruttowertschöpfung
sind die Vorleistungen anderer Wirtschaftsberei- und der Bauinvestitionen hat das Deutsche Institut
che, die bei der Ermittlung der Kennzahl Brutto- für Wirtschaftsforschung (DIW) die Kennzahl Bau-
wertschöpfung in Abzug gebracht werden (vgl. volumen entwickelt. Das Bauvolumen ist definiert
DIW Berlin 2017, S. 1). als die Summe aller Leistungen, die auf die Herstel-
Abb. 17 gibt einen Überblick über die Bauin- lung oder den Erhalt von Gebäuden und Bauwerken
vestitionen aller EU-Mitgliedsstaaten, die einen gerichtet sind. Im Vergleich zur Kennzahl Bauinves-
Wert von mindestens 20 Mrd. EUR aufweisen. tition, die durch das Statistische Bundesamt im Rah-
Neben den Kennzahlen der Volkswirtschaftli- men der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
chen Gesamtrechnung werden weitergehende (VGR) erhoben wird, umfasst das Bauvolumen
Kennzahlen der Bauwirtschaft im Auftrag des auch konsumtive Bauleistungen, also Bauleistun-
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, gen, die keine Investitionen darstellen. Hierzu ge-
Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) sowie des hören Reparaturen und Instandsetzungsleistungen.
Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumfor- Die Kennzahl Bauvolumen umfasst jedoch wie die
schung (BBSR) durch das Deutsche Institut für Kennzahl Bauinvestitionen auch keine zivil nutzba-
Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ermittelt. ren Militärbauten (Abb. 18).
16 C. J. Diederichs et al.
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Abb. 18 Entwicklung des Bauvolumens nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in
Deutschland. (Quelle: DIW Berlin 2018)
Des Weiteren entwickelte das Statistische Bun- • Maßnahmen des Umweltschutzes und
desamt die Umweltökonomischen Gesamtrech- • Schätzung von hypothetischen Vermeidungs-
nungen (UGR), die Veränderungen im „Naturver- kosten für zusätzliche präventive Maßnahmen.
mögen“ statistisch erfassen. Ziel wirtschaftlicher
Betätigung ist stets das Leitbild einer „nachhalti- Jedes Jahr werden vom Statistischen Bundesamt
gen Entwicklung“ (sustainable development). die Eckdaten der UGR und die wesentlichen um-
Nachhaltigkeit bedeutet Substanzerhaltung; d. h. weltökonomischen Trends im Rahmen einer UGR-
sowohl der produzierte als auch der nicht produ- Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt.
zierte Kapitalstock soll am Ende einer Periode Der Kapitalstock misst das jahresdurchschnitt-
mindestens so groß sein wie am Anfang der Peri- liche Bruttoanlagevermögen einer Volkswirtschaft.
ode. Durch eine nachhaltige Wirtschaftsweise soll Er umfasst nach der Definition des Statistischen
gesichert werden, dass die Funktionsfähigkeit des Bundesamtes alle produzierten Vermögensgüter,
ökonomischen, ökologischen und sozialen Systems die länger als 1 Jahr wiederholt oder dauerhaft in
für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. der Produktion eingesetzt werden. Dazu zählen vor
In der UGR werden die Zusammenhänge zwischen allem Sachanlagen wie Immobilien, Maschinen
wirtschaftlichen Aktivitäten und Umweltressourcen und Geräte, die Betriebs- und Geschäftsausstattung
in folgenden fünf Feldern dargestellt: sowie Konzessionen, Lizenzen und der Geschäfts-
oder Firmenwert.
• Material- und Energieflussrechnungen durch Die Kapitalproduktivität ist das Verhältnis zwi-
Entnahme und Verbrauch natürlicher Rohstoffe, schen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Kapital-
• Nutzung von Fläche, Raum und der natürli- stock, die gesamtwirtschaftliche Arbeitsprodukti-
chen Umwelt als Standort, vität das Verhältnis zwischen BIP und der Menge
• Qualität der Umwelt, Ausstoß und Verbleib der eingesetzten Arbeitseinheiten (Anzahl der Er-
von Rest- und Schadstoffen (Emissionen) und werbstätigen, der geleisteten oder der bezahlten
Indikatoren des Umweltzustandes, Stunden).
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 17
2000000
1000000
0
1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Gesamtwirtschaft Arbeitslose Gesamtwirtschaft Offene Stellen
18 C. J. Diederichs et al.
längeres Warten entsprechende Arbeit finden jahreszeitlicher Änderungen verursacht wird, hin-
können. gegen die friktionelle Arbeitslosigkeitsform die
• Unterbeschäftigung ist gegeben, wenn die kurzzeitige Arbeitslosigkeit durch einen Arbeits-
Arbeitslosenzahl die Zahl der offenen Stellen platzwechsel. Die Bauwirtschaft ist insbesondere
deutlich übersteigt. aufgrund der klimatischen Bedingungen im Win-
• Überbeschäftigung ist gegeben, wenn die Zahl ter von der saisonalen Arbeitslosigkeit betroffen.
der offenen Stellen größer ist als die Arbeitslo- Daher können Bauvorhaben oftmals aufgrund
senzahl. von bautechnischen Gründen nicht während der
Wintermonate begonnen oder fortgeführt werden.
Aus Abb. 20 ist zu erkennen, dass die Beschäf- Ferner wird, neben den zeitbedingten Formen der
tigungssituation in der Bauwirtschaft sich seit Arbeitslosigkeit, zwischen einer strukturellen und
2008 kontinuierlich verbessert hat. Mittlerweile konjunkturellen Arbeitslosigkeit unterschieden.
ist sogar ein deutlicher Fachkräftemangel und Eine strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht durch
teilweise Arbeitskräftemangel in der Bauwirt- das Ungleichgewicht zwischen der Struktur des
schaft festzustellen. Für Bauingenieure ist im Angebots und der Nachfrage nach Arbeitskräften.
Arbeitsmarkt ab dem Jahr 2015 eine Überbeschäf- Hierzu zählt z. B. die Arbeitslosigkeit durch den
tigung zu erkennen. Ersatz von Arbeitskräften durch Maschinen (tech-
Im Hinblick auf die Dauer der Arbeitslosigkeit nologische Arbeitslosigkeit). Die Form der kon-
wird zwischen saisonaler, friktioneller, strukturel- junkturellen Arbeitslosigkeit tritt infolge zykli-
ler und konjunktureller Arbeitslosigkeit unter- scher Nachfrage und Produktionsschwankungen
schieden. Die Form der saisonalen Arbeitslosig- in der Gesamtwirtschaft auf. Diese steht unmittel-
keit bezeichnet die Arbeitslosigkeit, die in Folge bar im Zusammenhang mit dem Zustand einer
3,500
3,000
2,500
2,000
1,500
1,000
500
0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Bauingenieure - Arbeitslose Bauingenieure - offene Stellen
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 19
10.0%
8.0%
6.0%
4.0%
2.0%
0.0%
1995 2000 2005 2010 2015
-2.0%
-4.0%
-6.0%
Abb. 22 Reale Veränderungsrate des BIP und der Bauinvestitionen gegenüber dem Vorjahr von 1995 bis 2017. (Quelle:
Statistisches Bundesamt 2018c, S. 22 und 143)
Während der Depression mit steigender quidität kommt der konjunkturelle Abschwung
Arbeitslosigkeit, geringer Kapazitätsauslastung, zum Stillstand und geht wieder in die Erholungs-
sinkenden Neuinvestitionen und hoher Bankenli- phase über.
22 C. J. Diederichs et al.
700000 180
160
600000
140
500000
120
400000 100
300000 80
60
200000
40
100000
20
0 0
1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Abb. 24 Entwicklung der Auftragseingänge und Baugenehmigungen. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2018e)
Die Konjunkturdiagnose ist der Versuch, aus nisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
statistischen Zeitreihen den Stand der konjunkturel- zu beachten.
len Entwicklung zu bestimmen, z. B. hinsichtlich Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie
des Bruttoinlandsprodukts und des Volkseinkom- im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung
mens, der Beschäftigung, der Investitionen und des gleichzeitig
Konsums. Die Konjunkturprognose versucht, die
künftige konjunkturelle Entwicklung vorherzusa- • zur Stabilität des Preisniveaus,
gen. Dabei wird aus der Entwicklung von Konjunk- • zu einem hohen Beschäftigungsstand und
turindikatoren der Vergangenheit mit Hilfe von • zu außenwirtschaftlichem Gleichgewicht
Trend und Korrelationsrechnungen auf die Zukunft • bei stetigem und angemessenem Wirtschafts-
geschlossen. Zur Beurteilung von zukünftigen Kon- wachstum beitragen.
junkturentwicklungen werden Frühindikatoren (vgl.
Malkwitz 1995) gewählt. Frühindikatoren haben die Die gleichzeitige Verfolgung sämtlicher Ziele
Funktion zukünftige Anhaltspunkte für die kon- ist schwierig und teilweise sogar widersprüchlich.
junkturelle Entwicklung einer Volkswirtschaft zu Ein hoher Beschäftigungsstand kann z. B. durch
geben (Abb. 24). Hierzu zählen u. a. die Auftrags- hohe Überschüsse der Handelsbilanz ausgelöst
eingänge im Baugewerbe und die Baugenehmigun- werden, die zu außenwirtschaftlichem Ungleichge-
gen (vgl. Wildmann 2016, S. 84 f.). wicht führen. Unternehmen werden häufig erst
Ziel ist es, die konjunkturellen Entwicklungen durch Erwartung steigender Preise (und damit stei-
möglichst stabil zu halten und positiv zu entwi- gender Gewinne) dazu veranlasst, Investitionen
ckeln. Dafür hat der Staat einige Beeinflus- vorzunehmen und Arbeitskräfte nachzufragen.
sungsmöglichkeiten. In der Bundesrepublik Steigende Preise und steigende Löhne verringern
Deutschland wurden durch die in § 1 des Stabili- dann jedoch die Exportchancen für inländische
tätsgesetzes (StabG) vom 08.06.1967 (BGBl I Güter. Dies wiederum führt zu verminderter Be-
S. 582) formulierten Ziele Verhaltensweisen für schäftigung und damit zu geringem Wachstum.
die staatlichen Institutionen von Bund und Län- Im Zusammenhang mit den komplexen Wechsel-
dern zur Förderung der Wirtschaftspolitik vorge- wirkungen der nach dem Stabilitätsgesetz geforder-
geben: ten Maßnahmen wird daher häufig vom Magischen
Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- Viereck der Wirtschafts- und Fiskalpolitik des Staates
und finanzpolitischen Maßnahmen die Erforder- gesprochen. Neben der Bundesregierung sind davon
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 23
unabhängig die Deutsche Bundesbank gemeinsam seits die Schnittstelle zwischen Binnenwirtschaft
mit der Europäischen Zentralbank (EZB) als Hüte- (Transaktionen der Inländer untereinander) und
rinnen der deutschen und europäischen Wirtschafts- anderen Volkswirtschaften bzw. Wirtschaftsge-
und Konjunkturpolitik anzusehen. meinschaften.
Zur Bekämpfung von konjunkturellen Ab- Die Auslandsaufträge (Abb. 26 und 27) deut-
schwüngen wird von Staaten manchmal versucht, scher Baufirmen inkl. Beteiligungen hatten mit
zusätzliche Nachfrage von Bauleistungen zu ca. 34,4 Mrd. € im Jahr 2017 einen Anteil von etwa
erzeugen. Dies kann auf der einen Seite als direkte 19,0 % an dem gesamten internationalen Auftrags-
staatliche Baunachfrage passieren oder auch volumen in Höhe von 181,0 Mrd. € (2017).
durch Anreize für private Baunachfrage. Grund Der Außenhandel wird als Teil der Außenwirt-
für den Fokus staatlicher Konjunkturpolitik auf schaft definiert und umfasst den Warenverkehr
die Bauwirtschaft ist oft, dass nach wie vor die zwischen In- und Ausländern (Aus- bzw. Einfuhr).
Bauproduktion sehr arbeitsintensiv ist und daher Darüber hinaus werden der Dienstleistungsver-
viele Arbeitskräfte nachgefragt werden, wenn zu- kehr wie Urlaubsreisen und Messen im Ausland
sätzliche Bauprojekte gestartet werden. Damit („unsichtbare Ein- bzw. Ausfuhr“) sowie Übertra-
kann dann die Beschäftigungssituation kurzfristig gungen von Erwerbs- und Vermögenseinkommen,
positiv beeinflusst werden. Als weiterer Grund auch aus gesetzlichen oder vertraglichen Verpflich-
wird der Multiplikatoreffekt der Bauwirtschaft in tungen (z. B. Transferzahlungen der EU), zur Au-
den Vordergrund gestellt (vgl. Brömer 2015, ßenwirtschaft gezählt. Der Kapitalverkehr mit dem
S. 65). Demnach bewirkt eine Erhöhung der Bau- Ausland wird unterschieden nach Direktinvestitio-
nachfrage eine zusätzliche Produktionszunahme nen, Wertpapieranlagen und Krediten.
in der Volkswirtschaft. In Abb. 25 wird der Mul- Die Zahlungsbilanz setzt sich damit zusammen
tiplikatoreffekt der Bauwirtschaft dargestellt. aus:
40,000
35,000
30,000
25,000
20,000
15,000
10,000
5,000
0
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Bauumsatz Auftragseingang
Abb. 26 Entwicklung der Auslandsaufträge deutscher Bauunternehmen von 2004 bis 2017 in Mio. €. (Quelle: European
International Contractors 2018)
25,000
20,000
15,000
10,000
5,000
0
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Abb. 27 Herkunft der Auslandsaufträge deutscher Bauunternehmen von 2004 bis 2017 in Mio. €. (Quelle: European
International Contractors 2018)
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 25
– der Bilanz der laufenden Übertragungen an rung an einem ausländischen Platz, d. h. meist bei
internationale Organisationen, Entwick- ausländischen Banken gehaltene Guthaben. Der
lungsländer, Überweisungen ausländischer Devisen- oder auch Wechselkurs beziffert den
Arbeitnehmer sowie sonstigen laufenden Preis einer ausländischen Währungseinheit, be-
Übertragungen, wertet in der eigenen Währung. Eine zunehmende
• der Bilanz der Vermögensübertragungen, ins- Devisennachfrage bewirkt nach dem Gesetz der
besondere auch aus Schuldenerlass (Insolven- Nachfrage steigende Devisenpreise, d. h. der Au-
zen) und aus Kauf/Verkauf von immateriellen ßenwert der Eigenwährung nimmt ab. Gründe für
nicht produzierten Vermögensgütern, eine steigende Devisennachfrage können sein
• der Kapitalbilanz, (mit analogem Umkehrschluss für sinkende Devi-
• der Bilanz der Veränderung der Währungsre- sennachfrage):
serven zu Transaktionswerten und
• dem Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren • Ausländische Güter werden im Vergleich zu
Transaktionen. inländischen Gütern aufgrund einer inländisch
höheren Preissteigerungsrate immer billiger.
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht liegt dann • Die Einkommen der Inländer steigen bei auf-
vor, wenn sich die grenzüberschreitenden Waren-, strebender Binnenwirtschaft. Deren Bezieher
Dienstleistungs- und Kapitalströme ausgleichen. In fragen zunehmend ausländische Güter nach.
Deutschland wird dieses Gleichgewicht bisher • Spekulanten rechnen mit steigenden Kursen
traditionell vor allem durch hohe Außenhandels- einer Auslandswährung und fragen diese nach
überschüsse einerseits und Unterdeckungen in („Kapitalflucht“). Dies geschieht auch in
der Dienstleistungs-, Erwerbs- und Vermögens- Erwartung fallender Kurse der Inlandswäh-
einkommensbilanz sowie der Bilanz der laufen- rung oder aufgrund des höheren Zinsniveaus
den Übertragungen andererseits gewährleistet. der Auslandswährung.
Die Salden der Zahlungsbilanz für das Jahr
2017 zeigt Tab. 1. Demnach entspricht der Saldo Eine Abwertung der Inlandswährung hat für
der Leistungsbilanz mit 257,8 Mrd. € in etwa dem die im Außenhandel tätige Binnenwirtschaft fol-
Saldo der Außenhandelsbilanz mit 265,3 Mrd. €. gende Konsequenzen (wiederum analoger Um-
Der Ausgleich wird maßgeblich durch den Saldo kehrschluss möglich):
der Kapitalbilanz in Höhe von 280,0 Mrd. €
bewirkt. • Inländische Güter werden auf dem Weltmarkt
Deutschland ist ein rohstoffabhängiges und billiger. Nach dem Gesetz der Nachfrage wird
exportorientiertes Land. Sein Außenhandel ist die Menge der ins Ausland exportierten Güter
vom Außenwert der eigenen Währung und somit steigen, d. h., die exportorientierten Wirt-
vom System der Wechselkurse abhängig. Devisen schaftszweige verfügen über eine bessere
sind Ansprüche auf Zahlungen in fremder Wäh- Position im internationalen Wettbewerb.
• Ausländische Waren und Dienstleistungen sind (Abb. 28). Die Grenzen zwischen der häufig
werden auf dem Binnenmarkt teurer, d. h., die vorgenommenen Dreiteilung der Betriebs-
importorientierten Wirtschaftszweige verfügen wirtschaftslehre sind fließend und häufig
über eine schlechtere Position im internationa- noch Ausdruck der verfügbaren Planstellen an
len Wettbewerb. den Fakultäten für Wirtschaftswissen-
schaften, Betriebswirtschaft und Bauingenieur-
wesen:
2 Betriebswirtschaftliche und
arbeitsrechtliche Grundlagen • Allgemeine Betriebswirtschaftslehre zur allge-
meinen Erkenntnis und Gestaltung der Unter-
Die Betriebswirtschaftslehre untersucht das mi- nehmens- und Betriebsprozesse wie Marketing
kroökonomische Zusammenwirken der Aufgaben- und Akquisition, Beschaffung einschließlich
träger in Unternehmen und Betrieben, die durch Personalwirtschaft, Lagerhaltung, Investition
diese Aufgabenträger verrichteten Prozesse und und Finanzierung, Produktion, Vertrieb und
Prozessabläufe einschließlich der Schnittstellen Abrechnung;
zwischen den einzelnen Aufgabenträgern innerhalb • Betriebswirtschaftslehren der Verfahrenstech-
des Unternehmens sowie zu Kunden, Lieferanten, nik für Rechnungswesen, Steuern, Organisa-
Behörden und Dritten außerhalb des Unterneh- tion, Controlling, Operations Research und
mens. Dabei ist eine Entwicklung der zunehmen- Wirtschaftsinformatik sowie
den Verflechtung betriebswirtschaftlicher, rechtli- • spezielle Betriebswirtschaftslehren der einzel-
cher, technischer und organisatorischer Fragen zu nen Wirtschaftszweige wie Industrie-, Banken-,
beobachten. Darüber hinaus gewinnen verhaltens- Versicherungs-, Handels-, Immobilienwirt-
theoretische Betrachtungen soziologischer, psy- schafts-, Bauwirtschafts- und Baubetriebslehre.
chologischer und ethischer Fragestellungen an
Bedeutung (Diederichs 2012, S. 410). Die Immobilien- und Bauwirtschaftslehre sind
Grundsätzlich hat jedes Unternehmen exis- die speziellen Zweige der Branchenbetriebswirt-
tentielle Prinzipien zu beachten, die nur teilweise schaftslehre für die sich am Baumarkt beteiligenden
vom jeweiligen Wirtschaftssystem abhängig Institutionen wie Bauherren, Bauplaner und Bauun-
ternehmer sowie die angrenzenden Wirtschafts- und Einnahmen und Ausgaben sind Strömungs-
Gesellschaftsbereiche. Auch die Immobilien- und größen des Geldvermögens, d. h. des Zu- oder
die Bauwirtschaftslehre finden ihre Grundlagen in Abflusses von Zahlungsmitteln und/oder des
der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, da auch Erwerbs von Forderungen bzw. des Eingehens
sie darauf gerichtet ist, als interdisziplinäre Ma- von Verbindlichkeiten. Zugehörige Bestandsgrö-
nagementwissenschaft unternehmerische Entschei- ßen sind der Zahlungsmittelbestand zzgl. des
dungen vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, Bestands an Forderungen abzgl. des Bestands an
zunehmend aber auch in organisatorischer, rechtli- Verbindlichkeiten (z. B. Übermittlung einer Rech-
cher und technischer Hinsicht mit sozialer und ethi- nung des X an den Adressaten Y).
scher Verantwortung vorzubereiten. Ertrag und Aufwand sind die von einem
Die Planung und Errichtung von Bauten und Unternehmen in einer Wirtschaftsperiode durch
Anlagen sind i. d. R. gekennzeichnet durch Merk- Erstellung von Gütern und Dienstleistungen
male der Einmaligkeit (Unikatfertigung), der indi- erwirtschafteten Einnahmen bzw. die von einem
viduellen Standorte und der dadurch bedingten Unternehmen während einer Abrechnungsperiode
„wandernden Werkstätten der Bauunternehmer für den Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen
unter freiem Himmel“, der Bestellung durch Aus- getätigten Ausgaben. Betriebsertrag und Betriebs-
schreibung, Vertragsverhandlung und Zuschlag aufwand entstehen in Erfüllung des eigentlichen
vor Beginn der Produktion und der starken Re- Betriebszweckes. Betriebsfremder oder neutraler
glementierung durch die für öffentliche Auftrag- Ertrag und Aufwand entstehen aufgrund betriebs-
geber geltenden Vergaberechtsvorschriften. fremder oder außerordentlicher Geschäftsvorfälle.
Der Umsatz oder auch Erlös umfasst die
Summe der in einer Periode veräußerten und
2.1 Ausgewählte Begriffe der mit ihren jeweiligen Verkaufspreisen bewerteten
Betriebswirtschaftslehre Güter und Dienstleistungen. Kosten, Leistungen
und Ergebnisse sind Begriffe aus der Kosten-,
Ein Unternehmen ist ein wirtschaftlich-rechtlich Leistungs- und Ergebnisrechnung:
organisiertes Gebilde, in dem nachhaltig Ertrag
bringende Leistungen und eine angemessene Ver- • Kosten werden definiert als bewerteter Verzehr
zinsung des betriebsnotwendigen Kapitals ange- von materiellen und immateriellen Gütern und
strebt werden. Ein Unternehmen kann einen, meh- Dienstleistungen zur Erstellung und zum Absatz
rere oder keinen Betrieb (z. B. Holding) haben. von Sach- oder Dienstleistungen sowie zur Schaf-
Das Unternehmen stellt damit eine örtlich nicht fung und Aufrechterhaltung der dafür notwendi-
gebundene Einheit dar. gen Kapazitäten. Sie errechnen sich aus dem
Der Betrieb hingegen wird definiert als planmä- Produkt der jeweils verbrauchten Produktions-
ßige örtliche, technische und organisatorische Ein- faktormenge und dem Produktionsfaktorpreis.
heit zum Zwecke der Erstellung von Waren und • Kalkulatorische Kosten umfassen kalkulatori-
Dienstleistungen durch die Kombination von Pro- sche Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen
duktionsfaktoren. Niederlassungen eines Bauun- und kalkulatorischen Unternehmerlohn. Ihnen
ternehmens sind selbstständige Betriebe. Baustel- stehen im Berichtszeitraum keine unmittelba-
len gelten dann als selbstständige Betriebe, wenn ren Ausgaben gegenüber.
sie eigene Bau- oder Lohnbüros haben. • Die Tilgung von Fremdkapital verursacht Aus-
Einzahlungen und Auszahlungen sind Zah- gaben, aber keine Kosten, da die Tilgung ledig-
lungsmittelbeträge in Bar- oder Giralgeld, die als lich eine Umschuldung darstellt.
Strömungsgrößen zwischen Wirtschaftssubjekten • Leistung bezeichnet die Menge (output) oder
fließen. Zugehörige Bestandsgrößen sind die Zah- den Wert (zu Verkaufspreisen) der im betrieb-
lungsmittelbestände an Kasse und Sichtguthaben lichen Erzeugungsprozess erstellten Güter, die
bei Banken (z. B. Überweisung vom Bankkonto nicht notwendigerweise auch abgesetzt werden
des X auf das Bankkonto des Y). und damit zu Erlösen führen müssen.
28 C. J. Diederichs et al.
• Ergebnis ist die Differenz zwischen perioden- notwendig ist (Aktivwerte der Bilanz ./. nicht
abgegrenzten Leistungen und dadurch verur- betriebsnotwendige Vermögenswerte ./. stille
sachten Kosten, d. h. zwischen Ertrag und Rücklagen). Vom betriebsnotwendigen Kapital
Aufwand. Diese Betrachtung ist u. a. Gegen- ist das dafür benötigte Fremdkapital abzuziehen.
stand der baustellenbezogenen Kosten-Leis- Die Restsumme stellt das betriebsnotwendige
tungs-Ergebnisrechnung. Eigenkapital dar als Bemessungsgröße für die
Errechnung der kalkulatorischen Eigenkapital-
zinsen.
Die Rentabilität stellt das Verhältnis einer Er-
Liquidität stellt die Fähigkeit und Bereitschaft
folgsgröße zum eingesetzten Kapital einer Rech-
eines Unternehmens dar, seinen bestehenden
nungsperiode dar:
Zahlungsverpflichtungen termingerecht und be-
tragsgenau nachzukommen. Der Liquiditätsgrad
• Die Gesamtkapitalrentabilität misst den Erfolg
bezeichnet das Verhältnis von flüssigen Mitteln
vor oder nach Zinsen und Steuern, bezogen auf
zu kurzfristigen Verbindlichkeiten unter Einbezie-
das Gesamtkapital.
hung nur der Geldwerte (1. Grades) zzgl. der
• Die Eigenkapitalrentabilität misst den Erfolg
kurzfristigen Forderungen (2. Grades) sowie der
vor oder nach Zinsen und Steuern, bezogen
Warenbestände (3. Grades). Die ständige Wah-
auf das Eigenkapital.
rung der Liquidität ist eine der wichtigsten unter-
• Die Umsatzrendite misst den Erfolg vor oder
nehmerischen Hauptpflichten.
nach Zinsen und Steuern, bezogen auf die Net-
toumsätze.
• Die Betriebsrendite misst den Betriebsgewinn,
2.2 Koordinatensystem der
bezogen auf das betriebsnotwendige Kapital.
Bauwirtschaftslehre
Ordnungsfunktionen oder fiskalische Auftraggeber- auszuführen. Das Risiko wird noch größer, wenn
funktionen wahrzunehmen haben. Reine Planungs- Kundenaufträge eingehen, die zu Neukonstruktio-
aufgaben im Sinne der HOAI stellen jedoch weder nen führen, für die der Material- und Gerätebedarf
das eine noch das andere dar und können daher auch vorher nicht bekannt ist.
ebenso gut (oder besser) von Privaten erbracht wer- Vom Bauunternehmer wird stets verlangt, zu
den. Zum anderen finden sich Planer in den Bauab- Vergabe- und Vertragsunterlagen – sehr unter-
teilungen von Unternehmen der stationären Indust- schiedlich hinsichtlich Herkunft, Qualität und
rie, des Handels, der Banken und Versicherungen, Umfang – in Nichtkenntnis seiner potenziellen
die sich jedoch meist auf ihre Auftraggeber- bzw. Mitbewerber Vorentscheidungen über die Teil-
Investorenaufgaben fokussieren. nahme am Wettbewerb zu treffen. Sofern er sich
Die damit vermeintlich bestehenden Freiräume dann zu einer Teilnahme entschließt bzw. bei einer
für die unabhängige freiberufliche Planung werden beschränkten Ausschreibung (einem Nichtoffe-
jedoch wiederum eingeengt durch die Konzen- nen Verfahren) dazu aufgefordert wird, muss er
trationsprozesse in den Bauunternehmen mit stei- die Angebotsunterlagen durcharbeiten, Erkundi-
gender Tendenz der schlüsselfertigen General- gungen einholen, Ortsbesichtigungen vornehmen,
unternehmer-, Totalunternehmer- und Construction Überlegungen hinsichtlich der Verfügbarkeit des
Management-Aufträge auf der Basis funktionaler ggf. einzusetzenden Personals und Geräts anstel-
Ausschreibungen, die z. T. den Entwurf, die Aus- len, dabei Abgrenzungen zwischen Eigen- und
führungsplanung, die Ausschreibung, Vergabe Fremdleistungen vornehmen, Nachunternehmer-
und Objektüberwachung in den Unternehmensbe- anfragen starten und deren Ergebnisse einholen,
reich verlagern. Da die Unternehmer vielfach die Eigenleistungen im Zusammenwirken von
nicht über eigene Planungskapazitäten verfügen, Kalkulation und Arbeitsvorbereitung vorkalkula-
schalten sie ihrerseits externe Planungsbüros ein. torisch bewerten, die zu erwartenden Risiken
Einige Bauunternehmen bauen jedoch auch einschätzen sowie schließlich seine Angebots-
eigene Planungsabteilungen auf, insbesondere unterlagen zusammenstellen und rechtzeitig ein-
im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung. reichen.
Planungsleistungen werden damit bisher noch Bei öffentlichen oder ihnen gleichgestellten
überwiegend von freiberuflichen Architektur- und Auftraggebern kann der Bieter die Abwicklung
Ingenieurbüros angeboten, die als Einzelunter- des Vergabeverfahrens nach VOB/A vorausset-
nehmen, Partnerschaften in der Rechtform von zen. Bei gewerblichen und privaten Auftragge-
Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), Archi- bern hat er durch die Angebotsabgabe lediglich
tektur- und Ingenieurunternehmen (GmbH) oder die Voraussetzung für die Chance geschaffen, von
als kleine AG geführt werden. diesen zu einem Gespräch eingeladen zu werden,
Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre geht bei dem man ihm je nach Konjunkturlage entwe-
generell davon aus, dass die Anbieter von Waren der die Vorzüge der dem Bieter nicht bekannten
und Dienstleistungen die Produkt- bzw. Dienstleis- Mitbewerber und ihrer Preise sowie die notwen-
tungsplanung, d. h. die Planung des Produktpro- digen Maßnahmen mitteilen wird, durch die er
gramms und der Produktionsverfahren einschließlich sich noch eine Auftragschance bewahren könne,
Beschaffung und Lagerhaltung, in eigener Zustän- oder aber ihm durchaus die Möglichkeit einräu-
digkeit und Verantwortung selbst vornehmen. men wird, über Terminverschiebungen, Voraus-
Die Bedarfsplanung für die in der Bauwirt- zahlungskonditionen, Einräumung von Nachläs-
schaft typische Einzel- oder Auftragsfertigung sen und Sicherheitsleistungen zu verhandeln.
bereitet gegenüber der Massen-, Sorten- und Seri- Nach Auftragserteilung ist die Arbeitsvorberei-
enfertigung erheblich größere Schwierigkeiten, da tung durch Baustelleneinrichtungs- und Bauab-
der Absatz nur grob geschätzt werden kann, der laufpläne zu konkretisieren, sind Nachunterneh-
Betrieb aber bei plötzlich eingehenden Aufträgen mer in der „zweiten Runde“ vertraglich zu binden,
in der Lage sein muss, diese Aufträge kurzfristig alternative Bauverfahren zu bewerten, Auswahl-
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 31
entscheidungen zu treffen und die baustellenbezo- vertragsrechtes sowie des baubetrieblichen Rech-
gene Betriebsabrechnung zu installieren. nungswesens angewiesen.
Die meisten Bauvorhaben sind bei Vertrags-
abschluss nicht eindeutig und detailliert genug
beschrieben, sodass Nachträge im weiteren Ver- 2.3 Bauwirtschaftliche
lauf eines Bauprojektes branchenüblich sind. Bei Produktionsfaktoren
nachträglichen Änderungen des Bauentwurfs
oder anderen Anordnungen des Auftraggebers, Unter Produktionsfaktoren werden alle Güter und
bei Forderung von im Bauvertrag nicht vorgese- Dienstleistungen materieller und immaterieller
henen zusätzlichen Leistungen, beim Erkennen Art verstanden, deren Einsatz für das Hervorbrin-
von vertraglich nicht vereinbarten, jedoch zur gen anderer wirtschaftlicher Güter und Dienst-
Ausführung erforderlichen Leistungen, bei Be- leistungen aus technischen oder wirtschaftlichen
hinderungen durch den Auftraggeber oder seine Gründen notwendig ist.
Erfüllungsgehilfen sind Verhandlungen zu füh- Die Volkswirtschaftslehre unterscheidet die
ren, Nachtragsangebote zu formulieren und ggf. Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital,
Behinderungsschreiben zu übergeben, ohne denen die Einkommensarten Lohn, Bodenrente
dabei die partnerschaftlichen Beziehungen zum und Zins entsprechen. Die Betriebswirtschafts-
Auftraggeber und seinen Beauftragten zu gefähr- lehre unterscheidet nach den Elementarfaktoren
den. Die dazu erforderliche Kenntnis bezieht der Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe sowie dem
Bauunternehmer nicht aus der Allgemeinen dispositiven Faktor der Geschäftsführung. Infor-
Betriebswirtschaftslehre, sondern aus der Pro- mation und Kommunikation haben als zweckbe-
zesslehre für Bauunternehmen der Bauwirt- zogenes Wissen über Zustände, Ereignisse und
schaftslehre in Verbindung mit der Unterweisung deren Austausch zum Zweck der aufgabenbezo-
im Vertragsrecht nach VOB/A, VOB/B, BGB genen Verständigung die Bedeutung eines eigen-
und darin den AGB. ständigen Produktionsfaktors erlangt. Damit sind
In der stationären Industrie, z. B. bei einem Arbeit, dispositiver Faktor, Betriebsmittel, Werk-
Autokauf, wird der Kaufvertrag i. d. R. vom Pro- stoffe, Boden, Kapital sowie Information und
duzenten bzw. seinen Verkäufern vorgegeben. Hier Kommunikation als bauwirtschaftliche Produkti-
muss daher der Käufer als Kunde auf Übereinstim- onsfaktoren zu bezeichnen.
mung mit dem AGB-Gesetz nach §§ 305–310
BGB achten. Bei Bauverträgen stammen die Ver- Arbeit
gabe- und Vertragsunterlagen jedoch i. d. R. vom Arbeit umfasst alle zielgerichteten, planmäßi-
Auftraggeber. Daher muss hier der Bauunterneh- gen und bewussten körperlichen und geistigen
mer als Produzent und Auftragnehmer die Einhal- menschlichen Tätigkeiten zur Erreichung be-
tung des AGB-Gesetzes überprüfen. stimmter Ziele. Das Ergebnis des wertbildenden
Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre hat Prozesses stellt die Arbeitsleistung dar. Diese ist
somit dem Bauunternehmer in den Prozessen der abhängig von den körperlichen und geistigen
Beschaffung von Aufträgen und Produktionsfak- Anlagen, der Ausbildung, dem Leistungspoten-
toren, der Planung des Fertigungsprogramms und zial und der Leistungsbereitschaft sowie den
der Fertigungsverfahren sowie der Auftragsab- Arbeitsbedingungen. Die Leistungsfähigkeit und
wicklung unter Berücksichtigung von dabei ein- der menschliche Leistungswille hängen im
tretenden Leistungsänderungen, Zusatzleistungen Wesentlichen von der richtigen Personalauswahl
und Leistungsstörungen relativ wenig zu bieten. und -zuordnung, dem Betriebsklima und der
Er ist daher auf die Vermittlung und Aneignung Angemessenheit des Arbeitsentgeltes ab. Als
von Kenntnissen der Bauwirtschafts- und Bau- wesentliche Kriterien der Zufriedenheit mit der
betriebslehre, des Baumanagements und der Arbeit gelten angemessener Verdienst einschließ-
Bauverfahrenstechnik, des Vergabe- und Bau- lich Sozialleistungen, sicherer Arbeitsplatz, gute
32 C. J. Diederichs et al.
Dispositiver Faktor
Aufgaben der Geschäftsführung eines Unterneh-
mens oder eines Betriebs sind die Planung, Orga-
nisation und Überwachung der Kombination der
Produktionsfaktoren zur Erreichung der Unter-
nehmensziele.
Führungskräfte sind solche Personen, die
anderen Personen Weisungen erteilen dürfen. Lei-
tende Angestellte sind solche Mitarbeiter, die
eigenverantwortlich Personal einstellen und kün-
digen dürfen. Dieser Personenkreis wird häufig
auch als Managementpersonal bezeichnet und Abb. 30 Management-Regelkreis
unterliegt nicht dem Kündigungsschutzgesetz.
Grundsätzlich sind zwei elementare Führungsstile • technische Leitung mit Marketing, Akquisi-
zu unterscheiden: tion, Kalkulation, Arbeitsvorbereitung, Bau-
ausführung und Abrechnung;
• Management by Objectives: Es werden gemein- • kaufmännische Leitung mit Beschaffung bzw.
same Zielvereinbarungen getroffen, wobei die Einkauf, Rechnungswesen, Lohn- und Be-
Mitarbeiter im Rahmen des mit dem Vorgesetz- triebsbuchhaltung, Finanz- und Anlagenbuch-
ten abgegrenzten Aufgabenbereichs selbst ent- haltung sowie Bankenverkehr;
scheiden können. Nicht diese Entscheidungen, • administrative Leitung mit Organisation, Per-
sondern die Ergebnisse werden kontrolliert. sonalbetreuung, EDV-Information und Kom-
Voraussetzungen sind detaillierte Planung aller munikation, Recht, Steuern und Versicherun-
Teilziele und eine umfassende Erfolgskontrolle gen;
nach dem Smart-Prinzip (spezifisch, messbar, • Leitung von Forschung + Entwicklung, Inno-
aktuell, realistisch, terminiert). vation, Aus- und Weiterbildung.
• Management by Exception: Ein Eingriff der
Vorgesetzten findet nur bei Abweichungen Die Entscheidungen der Geschäftsführung
von angestrebten Zielen und bei wichtigen bestimmen den künftigen Ablauf des Betriebs-
Entscheidungen statt, die z. B. den Umsatz, geschehens und werden letztlich durch den
den Gewinn oder den Planungs- und Bau- Unternehmenserfolg bestätigt. Planung bedeutet
fortschritt betreffen. Aus diesen Eingriffen gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Gesche-
ergeben sich ggf. negative Auswirkungen hens, um aus alternativen Vorgehensweisen dieje-
auf das Verantwortungsbewusstsein der Mit- nige zu ermitteln, die aller Wahrscheinlichkeit
arbeiter. nach die optimale Zielerreichung gewährleistet.
Das Ergebnis der Planung ist eine konkrete Dar-
Führungsentscheidungen haben ein hohes Maß stellung der anzustrebenden Ziele sowie der Mit-
an Bedeutung, sind auf das Unternehmen als Gan- tel und Wege, wie diese Ziele erreicht werden
zes gerichtet und nicht auf untergeordnete Stellen sollen. Wichtig ist dabei die Vorgabe operationa-
übertragbar. Der Führungsprozess lässt sich als ler, d. h. messbarer Zielvorgaben, damit Abwei-
Management-Regelkreis interpretieren (Abb. 30). chungen quantitativ erfasst werden können.
Die Leitungsfunktionen der Bauunternehmer Ein besonderes Problem besteht für Führungs-
umfassen folgende Aufgaben: kräfte allgemein in dem Informations- und Ent-
scheidungsdilemma: je höher die Stellung des
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 33
den ersten Jahren der Nutzungszeit nimmt der Betriebsmittel sind aufgrund ihrer technischen
Gebrauchswert nur langsam, später jedoch Beschaffenheit in der Lage, je Zeiteinheit eine
schneller ab. Der kaufmännische Zeit-/Marktwert qualitativ und quantitativ definierte Leistungs-
sinkt jedoch sofort nach Inbetriebnahme stark. menge zu erbringen. Dabei wird zwischen techni-
Eine Wertminderung tritt darüber hinaus auch scher Maximal- und wirtschaftlicher Dauerleis-
durch Witterungseinflüsse (z. B. bei Baustellen- tung unterschieden.
einrichtungen) und den technischen Fortschritt Das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Dau-
(z. B. Informations- und Kommunikationsanla- erleistung und effektiver Ausnutzung wird als
gen) auf. Die Gefahr der technischen und wirt- Beschäftigungs- bzw. Kapazitätsausnutzungsgrad
schaftlichen Überalterung wächst mit der Lebens- bezeichnet.
dauer des Betriebsmittels. Die kaufmännische
Vorsicht zwingt deshalb bei der Schätzung der Beschäftigungsgrad ¼ Kapazitätsausnutzungsgrad ¼
Ist Menge
wirtschaftlichen Nutzungsdauer und des Ab- pro Periode 100½%
Soll Menge
schreibungsverlaufs zur Einbeziehung des techni-
schen Fortschritts. Aufgrund der Gefahr einer
schnellen Entwertung der Anlagegüter ist es not- Werkstoffe
wendig, das in den Anlagen gebundene Kapital Zu den Werkstoffen werden alle Roh-, Hilfs- und
möglichst rasch wieder zu erwirtschaften. Betriebsstoffe sowie Halb- und Zwischenfabrika-
Die Erfassung der gesamten Wertminderung te gezählt, die für die Herstellung oder Veredelung
vollzieht sich im Unternehmen auf zwei Ebenen: neuer Erzeugnisse benötigt werden:
• Bilanzielle Abschreibungen gehen als Auf- • Rohstoffe gehen als Hauptbestandteile in die
wand über die Gewinn- und Verlustrechnung Fertigfabrikate ein.
in die Unternehmensbilanz ein und beeinflus- • Hilfsstoffe werden ebenfalls zu Bestandteilen
sen je nach Höhe den Periodenerfolg. Das der Fertigfabrikate. Sie sind jedoch aufgrund
Unternehmensergebnis und somit auch der ihres wert- und mengenmäßigen Gewichts von
steuerliche Gewinn können damit über die untergeordneter Bedeutung (z. B. Betonverflüs-
Art der Abschreibung (linear, degressiv) siger).
verändert werden. Die Steuergesetzgebung • Betriebsstoffe werden bei der Produktion ver-
gibt daher für die Steuerbilanz in AfA-Tabellen braucht (z. B. Treibstoffe).
(AfA Absetzung für Abnutzung) normierte
Abschreibungsdauern vor. In der Steuerbilanz Bei der Beschaffung von Werkstoffen ist
ist nur eine Abschreibung auf den Anschaf- jeweils das Problem der optimalen Bestellmenge
fungswert zulässig. zu lösen. Darunter versteht man die Minimierung
• Kalkulatorische Abschreibungen werden hin- der Zeitspanne zwischen der Beschaffung der
gegen auf den Wiederbeschaffungswert vorge- Werkstoffe, der Erstellung und dem Verkauf der
nommen. Die über den Umsatzprozess dem Endprodukte, also die Minimierung der infolge
Unternehmen wieder zufließenden „verdien- der Kapitalbindung bedingten Zinskosten bei
ten“ Abschreibungen sind ein wesentlicher gleichzeitiger Sicherung der Betriebsbereitschaft.
Bestandteil der Innenfinanzierung, da die Die optimale Bestellmenge ist diejenige Einkaufs-
durch den Umsatz erlösten Abschreibungsge- menge, bei der die Summe aus Beschaffungs-,
genwerte zur zwischenzeitlichen Finanzierung Fehlmengen- und Lagerkosten minimiert wird.
anderer Betriebsmittel zwecks Kapazitätser- Je größer die Bestellmenge, desto günstiger sind
weiterung herangezogen werden können, aller- die Preise des Großeinkaufs und desto geringer
dings bis zur späteren Ersatzbeschaffung des die Beschaffungs- und Fehlmengenkosten, desto
Ausgangsbetriebsmittels wieder zur Verfü- größer sind jedoch die Zins- und Lagerraumkos-
gung stehen müssen. ten sowie die Risiken der Veraltung und es
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 35
• als Gegenstand der Bebauung (Standort von • der im weltweiten Vergleich sehr hohen Lohn-
Bauten und Anlagen), kosten,
• als Gegenstand des Standortes von Unternehmen • der weltweit nahezu kürzesten Jahresarbeits-
(mit Niederlassungen und Geschäftsstellen), zeit,
• als Gegenstand des Abbaus zur Stoffgewin- • der demografischen Überalterung und abneh-
nung (Zuschlagsstoffe für Baustoffe). menden Bevölkerung,
• der sehr hohen Unternehmens- und Arbeitneh-
Der Wert eines zu bebauenden Grundstücks merbesteuerung sowie Sozialabgabenlast,
ergibt sich vorrangig aus seiner Lage sowie aus • der hohen Energiekosten,
Art und Maß der baulichen Nutzung gemäß gel- • der starken Bürokratisierung,
tendem oder zukünftigem Bauplanungsrecht. Zur • der im europäischen Vergleich nicht besonders
diesbezüglichen Standortanalyse und -prognose gut abschneidenden Schulausbildung sowie
sowie der Grundstückssicherung wird auf Diede- • der unternehmerkritischen Grundeinstellung
richs (2006, S. 30–37) verwiesen. großer Teile der Bevölkerung
Die Frage der Wahl eines Unternehmensstand-
ortes stellt sich bei Gründung, Erweiterung oder stehen als Vorteile
Verlagerung. Bei der Gründung von Bauunterneh-
men und auch Planungsunternehmen richtet sich • die relativ stabilen politischen Verhältnisse,
die Standortwahl vorrangig nach den Präferenzen • die gute Infrastruktur,
der Gründer und ihrem geplanten Aktionsradius • das angenehme Klima,
in Abhängigkeit von der Kundenzielgruppe. Da- • der hohe Freizeitwert und
rüber hinaus spielen gegenwärtige und zu erwar- • die zentrale Lage in Europa
tende Nachfragetrends für die Bautätigkeit eine
wichtige Rolle, z. B. in den Ballungszentren der gegenüber.
Bundesrepublik (Hamburg, Hannover, Düssel- Es gilt, die Nachteile abzubauen und die Vor-
dorf, Ruhrgebietsstädte, Köln, Frankfurt/Main, teile zu nutzen. Sofern Deutschland ein Hoch-
Stuttgart, München, Dresden, Leipzig/Halle, Erfurt lohn- und Hochsteuerland mit gleichzeitig maxi-
und Berlin). malen Urlaubs- und Freizeiten bleibt, wird es im
Weiteren Einfluss haben regional unterschied- internationalen Wettbewerb zunehmend krisenan-
liche Besteuerungen und Steuervergünstigungen, fällig werden. Daher wird das Anspruchsdenken
36 C. J. Diederichs et al.
deutlich vermindert und die Leistungsorientie- und Verwirrung. Daher haben die Informationspo-
rung wieder erheblich gesteigert werden müssen. litik sowie die Informations- und Kommunikati-
onssysteme hohe Bedeutung im Rahmen der
Kapital Unternehmens- und Betriebsführung sowie der
Der Produktionsfaktor Kapital hat in der Bau- und Zufriedenheit von Kunden, Mitarbeitern, Lieferan-
Immobilienwirtschaft zentrale Bedeutung. Ihm ten, Nachunternehmern, Banken und Behörden.
werden daher vier Unterkapitel aus unterschiedli- In der Bauwirtschaft gewinnen die Informati-
cher Sichtweise gewidmet: ons- und Kommunikationstechnologien zuneh-
mend an Bedeutung durch dislozierte Planungs-,
• das Kapital als Passivseite der Bilanz zur Dar- Koordinierungs- und Managementtätigkeit, z. B.
stellung der Vermögensquellen für die Vermö- Einsatz eines Architekturbüros aus New York,
genswerte auf der Aktivseite der Bilanz mit der eines Tragwerksplanungsbüros aus Frankfurt/
Einteilung in Eigen- und Fremdkapital, Main, eines Fachingenieurbüros für Technische
• das Kapital als Gegenstand der Unternehmens- Gebäudeausrüstung aus München für ein Bauvor-
finanzierung und Liquiditätssicherung, haben mit örtlicher Projektleitung in Berlin. Derar-
• das Kapital als Gegenstand strategischer Maß- tige Projekte erfordern Informationsplattformen
nahmen im Finanz- und Rechnungswesen zur (Portale) zur Vernetzung der Unternehmens- und
Durchsetzung der strategischen Planung und Projektdaten für den elektronischen Austausch von
• das Kapital als Gegenstand der Projektfinan- Berichten, Berechnungen, Plänen und sonstigen
zierung im Rahmen der Projektentwicklung. Unternehmens- und Projektunterlagen zwischen
rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unter-
Die Sozialkomponente des Eigenkapitals nehmen mit der entsprechenden zwischenbetrieb-
kommt in der Marktwirtschaft durch die Formel lichen EDV-technischen und organisatorischen
„Eigentum verpflichtet“ zum Ausdruck und ist Integration. Dazu wurden von der Internationalen
Bestandteil des Grundgesetzes (GG) der Bundes- Organisation für Normung (ISO) Standards des
republik Deutschland. In Artikel 14 GG heißt es: „Electronic Data Interchange“ (EDI) geschaffen,
deren Anwendung jedoch branchenspezifische
(1) „Das Eigentum und das Erbrecht werden ge- Differenzierungen erfordert. Der Gemeinsame
währleistet. Inhalt und Schranken werden Ausschuss Elektronik im Bauwesen (GAEB) ist
durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll ein wesentlicher Akteur in diesem Zusammenhang
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. und erstellt Austauschformate für den standardi-
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allge- sierten Austausch von Bauinformationen. Eine
meinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz weitere Entwicklung im Bauwesen ist durch die
oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das
Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Entwicklung der Digitalisierungstechnologien ent-
[. . .]“ standen und durch den Begriff Building Infor-
mation Modeling (BIM) geprägt. Durch die mo-
Information und Kommunikation dellbasierte Planung werden dreidimensionale
Information und Kommunikation gewinnen als Bauwerksmodelle möglich, deren Modellelemente
Bestandteile des organisatorischen Instrumentari- mit beliebigen weiteren Informationen verknüpft
ums zunehmend an Bedeutung im betrieblichen werden können, z. B. Material-, Kennwert-, Kos-
Wertschöpfungsprozess. Sie werden daher in der ten- und Termininformationen.
Betriebswirtschaftslehre mittlerweile auch als ei-
genständiger Produktionsfaktor anerkannt (Infor-
mations- und Kommunikationstechnik (IKT)). 2.4 Rechtsformen von
Fehlende Informationen führen zu einem Ver- Unternehmen
zehr anderer betrieblicher Produktionsfaktoren
ohne Nutzenstiftung und damit zu Verlusten. Zu Die Wahl der Rechtsform von Unternehmen ist
viele widersprüchliche oder den Empfänger über- einerseits Gegenstand der Rechtswissenschaften
fordernde Informationen führen zu Unsicherheit wegen der juristischen Ausgestaltung, anderer-
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 37
seits Gegenstand der Betriebswissenschaften, da Die Verteilung der Unternehmen nach Rechts-
sich diese unternehmerische Entscheidung auf die formen lässt sich anhand der Umsatzsteuerstatis-
tik durch das Statistische Bundesamt ermitteln.
• Leitungsbefugnis und das Stimmrecht, Gemäß (Tab. 2) verteilen sich die steuerpflichti-
• Gewinn- und Verlustbeteiligung, gen Bauunternehmen im Jahr 2016 auf unter-
• Haftung, schiedliche Rechtsformen im Hinblick auf die
• (Mindest-)Zahl der Gesellschafter, Tätigkeit (vgl. Statistisches Bundesamt 2018f).
• Mindestkapitalausstattung, Die meisten Unternehmen im Hoch- und Tiefbau
• Finanzierungsmöglichkeiten, wählen die Rechtsform der GmbH und UG (haf-
• Mitbestimmung der Arbeitnehmer, tungsbeschränkt), während bei vorbereitenden
• Publizitätspflicht sowie Baustellenarbeiten, Bauinstallationen und sonsti-
• Steuerpflicht gen Ausbaugewerken die Form des Einzelunter-
nehmens überwiegt. Insgesamt betrachtet sind im
auswirkt. Die Wahl der Rechtsform zählt damit Baugewerbe 70 % der Unternehmen als Einzel-
zu den langfristig wirksamen unternehmerischen unternehmen, 20 % als GmbH und UG und 10 %
Entscheidungen. Sie ist nicht nur bei der Grün- in sonstigen Rechtsformen tätig.
dung eines Unternehmens zu treffen, sondern In der Strukturerhebung im Dienstleistungsbe-
muss bei Änderung unternehmensrelevanter Fak- reich der Architektur- und Ingenieurbüros weisen
toren stets überprüft werden. Die Überführung Planungsunternehmen eine ähnliche Verteilung
eines Unternehmens von einer Rechtsform in eine auf. Demnach sind im Jahr 2016 69 % der Pla-
andere bezeichnet man als Umwandlung. Die nungsbüros als Einzelunternehmen, 18 % als
Unternehmensrechtsformen werden im Bürgerli- Kapitalgesellschaften und 13 % als Personenge-
chen Gesetzbuch (BGB), im Handelsgesetzbuch sellschaften sowie sonstige Rechtsformen tätig
(HGB), im Aktiengesetz (AktG), dem Partnerge- (vgl. Statistisches Bundesamt 2018f, S. 8).
sellschaftsgesetz (PartGG) und im Gesetz betref-
fend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Einzelunternehmen
(GmbHG) behandelt (vgl. Thommen et al. 2017, Die Firma des Einzelunternehmens umfasst
S. 26). Einen Überblick über die in der Praxis i. d. R. den Familiennamen des Inhabers. Die
vorkommenden Rechtsformen von Unternehmen Gründung geschieht formlos. Sofern das Gewerbe
bietet Abb. 31. einen nach Art und Umfang in kaufmännischer
Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist fähigkeit, d. h., sie können unter ihrer Firma
eine Eintragung im Handelsregister erforderlich. Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen,
Dies ist bei Bauunternehmen regelmäßig der Fall, jedoch nicht klagen und verklagt werden. Im Vor-
nicht jedoch für Angehörige der freien Berufe wie dergrund steht die persönliche Mitgliedschaft
Architekten und Ingenieure (§ 18 Abs. 1 Nr der Gesellschafter, die wiederum natürliche,
1 EStG). Angehörige der freien Berufe betreiben juristische oder auch Personengesellschaften sein
kein Gewerbe, sind daher keine Kaufleute und können.
unterliegen damit, anders als die Bauunternehmen, Für die Bauwirtschaft hat die Gesellschaft bür-
(bisher) nicht der Gewerbesteuerpflicht. gerlichen Rechts (GbR) besondere Bedeutung als
Der Inhaber einer Einzelunternehmung häufige Rechtsform zur Verwirklichung von
Gemeinschaftsinteressen von
• bringt das Geschäftskapital allein auf,
• führt die Unternehmung selbstständig, • Architekten und Ingenieuren sowie
• trägt das Unternehmerrisiko allein und • Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) aus mehre-
• haftet allein für die Geschäftsverbindlichkeiten ren Bauunternehmen.
unmittelbar und unbeschränkt, d. h. mit dem
Geschäfts- und dem Privatvermögen.
Rechtsgrundlagen sind die §§ 705–740 BGB.
Die Vorteile dieser Unternehmensform liegen Die Vorschriften des HGB sind nicht anwendbar.
in der individuellen Entscheidungsfreiheit und Die Gründung geschieht durch Gesellschaftsver-
Elastizität des Einzelunternehmers. Als Nachteile trag, mit dem sich die Gesellschafter gegenseitig
sind dagegen zu nennen: verpflichten, die Erreichung eines bestimmten
Zweckes in der im Vertrag bestimmten Weise zu
• die Abhängigkeit von der Arbeitsfähigkeit des fördern. Die Gesellschafter haben ihre Gesell-
Einzelunternehmers, schaftsbeiträge zu leisten und untereinander zu
• die Gefährdung der Kontinuität der Unterneh- haften mit der in eigenen Angelegenheiten wahr-
mensleitung, genommenen Sorgfalt. Das Gesellschaftsvermö-
• die begrenzte Kapitalkraft des Einzelunterneh- gen steht allen Gesellschaftern in Gemeinschaft
mers und zur gesamten Hand zu. Die Vertretung nach außen
• die schmale Kreditbasis. wird durch einen oder mehrere geschäftsführende
Gesellschafter wahrgenommen. Die Gewinn-
Personengesellschaften oder Verlustverteilung richtet sich nach Köpfen,
Personengesellschaften besitzen keine eigene sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes
Rechtspersönlichkeit, jedoch eine relative Rechts- vereinbart ist.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 39
Die Gesellschafter haften als Gesamtschuld- Finanzierung jeweils vorher definierter Liegen-
ner, d. h. unmittelbar und unbeschränkt mit ihrem schaften erwerben als Kommanditisten einen Teil
Geschäfts- und Privatvermögen sowie solidarisch des üblicherweise von einem Kreditinstitut treu-
für die Schulden der Gesellschaft (§ 421 BGB). händerisch gehaltenen Kommanditanteils.
Die Offene Handelsgesellschaft (OHG) ist eine Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditge-
Personengesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb sellschaft, bei der eine GmbH persönlich haften-
eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher der Gesellschafter (Komplementär) und andere
Firma gerichtet ist und deren Gesellschafter den Rechtspersonen (meist die Gesellschafter der
Gläubigern unmittelbar und unbeschränkt mit GmbH) Kommanditisten sind. Durch die Beteili-
ihrem Gesellschafts- und Privatvermögen für die gung der GmbH wird deren Haftung als Komple-
Gesellschaftsschulden gesamtschuldnerisch haf- mentär auf deren Vermögen beschränkt. In der
ten. Rechtsgrundlage sind die §§ 105–160 HGB Firmenbezeichnung muss die GmbH erscheinen,
sowie ergänzend die §§ 705 ff. BGB. da sonst Durchgriffshaftung in Betracht kommt.
Die Firma der OHG hat den Namen (mit oder Durch die Kombination der Haftungsbeschrän-
ohne Vornamen) wenigstens eines Gesellschafters kungen der GmbH mit den steuerlichen Vorteilen
mit dem Zusatz „OHG“ oder „& Co.“ oder die der KG (z. B. des Gewerbesteuerfreibetrags von
Namen aller Gesellschafter zu enthalten. Die 24.500 € gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) wird
OHG ist die angesehenste, jedoch im Baugewerbe diese Rechtsform nach wie vor gern gewählt.
nur wenig verbreitete Rechtsform einer Handels-
gesellschaft. Sofern kein persönlich haftender Kapitalgesellschaften
Gesellschafter eine natürliche Person ist, muss Kapitalgesellschaften sind Handelsgesellschaf-
die Firma eine Bezeichnung erhalten, welche die ten, bei denen die kapitalmäßige Beteiligung der
Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Gesellschafter im Vordergrund steht. Es ist jeweils
Die Kommanditgesellschaft (KG) ist eine Per- ein bestimmtes Mindestkapital vorgeschrieben.
sonengesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb Eine Beteiligung ohne Kapitaleinlage ist nicht
eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher möglich, eine persönliche Mitarbeit der Gesell-
Firma gerichtet ist, mit zwei Arten von Gesell- schafter nicht zwingend erforderlich. Zu den
schaftern: Kapitalgesellschaften zählen die Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesell-
• Komplementären, d. h. mit ihrem ganzen Ver- schaft (AG) und die Kommanditgesellschaft
mögen persönlich haftende Gesellschafter und auf Aktien (KGaA). Sie zählen zur Rechtsform
im Wesentlichen gleicher Rechtsstellung wie der juristischen Personen, die ihnen Rechtsfähig-
OHG-Gesellschafter, sowie keit verleiht und für Vertretung und Geschäftsfüh-
• Kommanditisten, deren Haftung auf die im rung besondere Organe erfordert, die nicht not-
Handelsregister eingetragene Kapitaleinlage wendigerweise mit den Gesellschafterpersonen
beschränkt ist. identisch sein müssen. Kapitalgesellschaften
unterliegen der Gewerbesteuer und der Körper-
Auch juristische Personen (Kapitalgesellschaf- schaftsteuer. Es bestehen strenge Formvorschrif-
ten) können Komplementäre oder Komman- ten für die Gründung, die u. a. die notarielle Beur-
ditisten sein. kundung der Gesellschaftsverträge erfordern.
Rechtsgrundlage der KG sind die §§ 161–177a
HGB, ergänzend die Vorschriften über die OHG Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
(§§ 105–160 HGB) und über die Gesellschaft Die GmbH ist eine Kapitalgesellschaft mit eigener
bürgerlichen Rechts (§§ 705–740 BGB). Rechtspersönlichkeit, an der ein oder mehrere
In der Bauwirtschaft ist die Kommanditgesell- Gesellschafter mit Einlagen an dem in Stamm-
schaft als Rechtsform geschlossener Immobilien- einlagen zerlegten Stammkapital beteiligt sind
fonds (KG-Fonds, aber auch GbR-Fonds) weit und deren Haftung auf die Erbringung der Einla-
verbreitet. Die Zeichner des Zertifikatkapitals zur gen und etwaige Nachschüsse begrenzt ist, ohne
40 C. J. Diederichs et al.
persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesell- Der Geschäftsführer wird gemäß Gesellschafts-
schaft zu haften. vertrag oder Beschluss der Gesellschafter bestellt.
Der Firmenname der GmbH kann eine Sach- Im Innenverhältnis wird er durch den Anstel-
oder Personenfirma sein. Die Sachfirma muss lungsvertrag verpflichtet, wonach die Vornahme
vom Gesellschaftszweck abgeleitet sein. Die Per- bestimmter Geschäfte nur mit Genehmigung der
sonenfirma muss mindestens den Namen eines Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats
Gesellschafters enthalten. In beiden Fällen ist der möglich ist. Nach außen hat er jedoch unbeschränk-
Zusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung bare Vertretungsmacht. Häufig werden Geschäfts-
(GmbH)“ erforderlich. führer vom Verbot des Selbstkontrahierens nach
Rechtsgrundlage für die Gründung, Stellung § 181 BGB befreit.
und Struktur ist das GmbH-Gesetz (GmbHG Die Gesellschafterversammlung hat u. a. zu
1892/2017). Das Stammkapital beträgt mindes- bestimmen über die Feststellung des Jahresab-
tens 25.000 €. Der Nennbetrag jedes Geschäfts- schlusses und die Verwendung des Ergebnisses,
anteils muss auf volle Euro lauten. Die Beteili- die Einziehung und Teilung von Geschäftsantei-
gung kann für die einzelnen Gesellschafter len, die Bestellung, Abberufung, Prüfung und
verschieden hoch sein. Die Errichtung einer Entlastung von Geschäftsführern sowie die
GmbH erfolgt durch eine oder mehrere Personen Bestellung von Prokuristen. Beschlüsse der Ge-
mit Abschluss eines Gesellschaftsvertrags in nota- sellschafterversammlung werden mit einfacher
rieller Form. Mindestens 25 % jeder Stammein- Stimmenmehrheit gefasst (jeder € eines Ge-
lage müssen eingezahlt sein, wobei die Bar- und schäftsanteils gewährt nach § 47 Abs. 2 GmbHG
Sacheinlagen zusammen mindestens 12.500 € eine Stimme, sofern in der Satzung nichts anderes
erreichen müssen. Dabei besteht eine kollektive bestimmt ist) bis auf die Satzungsänderung und
Deckungspflicht aller Gesellschafter für die Ein- die Auflösung, die nach § 53 und § 60 GmbHG
zahlung des Stammkapitals. Gerät ein Gesell- 3/4 der abgegebenen Stimmen erfordern.
schafter mit der Einzahlung seines Kapitalanteils Aufsichtsrat, Beirat und Verwaltungsrat sind
in Verzug, so wird ein Kaduzierungsverfahren fakultative Organe, die in der Satzung vorgesehen
(Ausschlussverfahren) gegen ihn eingeleitet. Eine werden können. Bei mehr als 2000 Arbeitnehmern
Nachschusspflicht besteht über den Betrag der muss die GmbH jedoch einen Aufsichtsrat bilden,
Stammeinlage hinaus, sofern dies in der Satzung für den die aktienrechtlichen Vorschriften Anwen-
vereinbart ist. Dafür existiert jedoch keine kollek- dung finden (§ 6 MitbestG 1976/2015).
tive Deckungspflicht. Nach §§ 325–329 HGB sind Kapitalgesell-
Bei unbeschränkter Nachschusspflicht haben schaften verpflichtet, die Öffentlichkeit über das
die Gesellschafter ein Abandonrecht, d. h., sie Betriebsgeschehen, die Lage und Erfolge ihrer
können ihren Geschäftsanteil der Gesellschaft Unternehmung sowie über die Ursachen ihrer ge-
zur Verfügung stellen, um dadurch von einer Ver- schäftlichen Entwicklung zu informieren (Pu-
pflichtung zur Zahlung entbunden zu werden. blikationspflicht). Der Veröffentlichungsumfang
Die GmbH entsteht mit der Eintragung ins richtet sich nach der Größenklasse gemäß § 267
Handelsregister. Der Gesellschaftsvertrag muss HGB. Danach ist zu unterscheiden zwischen klei-
Angaben enthalten über die Firma, den Sitz der nen, mittleren und großen Kapitalgesellschaften,
Gesellschaft, den Gegenstand des Unternehmens, sofern mindestens zwei der drei Kriterien in Tab. 3
die Höhe des Stammkapitals und die Stammein- erfüllt werden.
lagen der Gesellschafter. Änderungen sind nur mit Kleinstkapitalgesellschaften nach § 267a HGB
einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen und kleine Kapitalgesellschaften nach §267 Abs. 1
Stimmen möglich (§ 53 Abs. 2 GmbHG). haben die Jahresbilanz mit verkürztem Anhang, den
Organe der Gesellschaft sind der oder die Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluss
Geschäftsführer, die Gesellschafterversammlung zum Handelsregister einzureichen und die Einrei-
und ggf. der Aufsichtsrat, Beirat oder Verwal- chung im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Eine
tungsrat. Erweiterung des Jahresabschlusses durch einen
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 41
Anhang kann gem. § 264 Abs. 1 HGB bei Kleinst- eindeutigen Kapitalstruktur und der Haftungsbe-
kapitalgesellschaft entfallen, wenn bestimmte An- schränkung sowie der gesetzlichen Grundlage
gaben unter der Bilanz angegeben werden. Mittel- durch das GmbHG die angemessene Rechtsform
große und große Kapitalgesellschaften haben die für Bauunternehmen und auch für große Pla-
Jahresbilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, nungsgesellschaften.
den Anhang, den Lagebericht, den Prüfungsver-
merk, den Bericht des Aufsichtsrates sowie den Er- Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
gebnisverwendungsvorschlag und -beschluss zu Mit der Reformierung des GmbH-Gesetzes durch
veröffentlichen, wobei mittelgroße Unternehmen das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-
die Unterlagen zum Handelsregister einzureichen Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen
und die Einreichung im Bundesanzeiger bekanntzu- (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 gibt es die
machen haben, während große Gesellschaften die GmbH-Alternative mit der Bezeichnung „Unterneh-
Unterlagen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen mergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw. UG
und zum Handelsregister einzureichen haben. Die (haftungsbeschränkt). Die Rechtsform ist in ihrem
Aufstellungsfrist beträgt bei großen und mittelgro- Wesen der GmbH ähnlich und wird daher ebenfalls
ßen Kapitalgesellschaften 3 Monate nach dem im GmbH-Gesetz erfasst.
Bilanzstichtag. Für kleine und kleinste Kapitalge- Die wesentlichen Unterschiede der UG (haftungs-
sellschaften ist eine Aufstellungsfrist von 6 Monaten beschränkt) gegenüber der GmbH liegen in den fol-
zu beachten (§§ 267, 267a HGB). Unabhängig von genden Merkmalen (Wöhe et al. 2016, S. 224 f.):
der Größe des Unternehmens ist der Jahresabschluss
spätestens 12 Monate nach dem Abschlussstichtag • Ziel: Durch die Rechtsform wird insbesondere
des Geschäftsjahres einzureichen (§ 325 Abs. 1a die Gründung von Kleinstunternehmen, wie
HGB). bspw. Dienstleistungsunternehmen, deren Ka-
Durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz pitalbedarf sehr gering ist, erleichtert und die
(BilRUG) aus dem Jahr 2015 müssen innerhalb Existenzgründung somit beschleunigt.
dieser Frist der Jahresabschluss, Lagebericht und • Stammkapital: Das Mindeststammkapital muss
der Bestätigungsvermerk gemeinsam offengelegt gemäß § 5a GmbHG nur einen Euro betragen,
werden, um den Missbrauch der Offenlegungs- sodass kapitalmäßige Markteintrittsbarrieren
frist durch vorzeitige Einreichung von ungeprüf- der GmbH (25.000 €) gesenkt werden.
ten Jahresabschlüssen zu vermeiden. • Kompensation: Dadurch, dass diese Rechts-
Die Publikationspflicht wird von kleinen und form durch ein unzureichendes Eigenkapital ge-
mittleren Kapitalgesellschaften bisher nur unzu- prägt ist, müssen gesetzliche Rücklagen aus
reichend erfüllt, da das Bekanntwerden von laufenden Gewinnen gem. § 5a Abs. 2 GmbHG
Betriebsgeheimnissen befürchtet und dieses gebildet werden (Rücklagenbildung in Höhe
Risiko höher eingestuft wird als das Interesse der von 25 v. H. des Jahresgewinns).
Kunden und Lieferanten, Arbeitnehmer, Gläubi- • Nachteile: Die Mini-GmbH unterliegt den
ger und der Öffentlichkeit. Verstöße gegen die Risiken der schnellen Überschuldung und
Publikationspflicht werden jedoch durch Ord- beschränkten Finanzierungsmöglichkeit. Das
nungsgelder zwischen 2500 und 25.000 Euro Risiko kennen die Banken, sodass die Kapital-
geahndet (§ 335 HGB). Die GmbH ist wegen ihrer beschaffung problematisch sein kann.
42 C. J. Diederichs et al.
kreuzverflechtung, d. h., sofern ein Vorstandsmit- • Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses
glied in der AG 1 gleichzeitig Aufsichtsrat in der und Lageberichts an den Abschlussprüfer
AG 2 ist, darf ein Vorstandsmitglied aus der AG (§§ 242, 264 Abs. 1, 290 Abs. 1, 320 Abs. 1
2 nicht Aufsichtsratsmitglied in der AG 1 sein HGB) sowie
(§ 100 Abs. 2 AktG). • Offenlegung des Jahresabschlusses und Lage-
Der Aufsichtsrat muss mindestens halbjährlich berichts (§§ 325 Abs. 1 HGB).
einberufen werden. Die Aufgaben des Aufsichts-
rates bestehen in
Über die Verwendung des Bilanzgewinns be-
• der Bestellung und Abberufung des Vorstands, schließt die Hauptversammlung auf Vorschlag des
• der Überwachung der Geschäftsführung sowie Vorstands und Nachprüfung durch den Aufsichts-
• der Prüfung des Jahresabschlusses, des Ge- rat. 5 v. H. des Jahresüberschusses sind gemäß
schäftsberichts und des Gewinnverwendungs- § 150 AktG der gesetzlichen Rücklage zuzufüh-
vorschlags. ren, bis diese und weitere Kapitalrücklagen
10 % oder den in der Satzung bestimmten höheren
Der Aufsichtsrat hat in einem schriftlichen Teil des Grundkapitals erreichen. Der auf die ein-
Bericht der Hauptversammlung das Ergebnis sei- zelne Aktie entfallende Anteil vom Bilanzgewinn
ner Prüfung des Jahresabschlusses, des Lagebe- verbleibt als Dividende, i. d. R. in € pro Mindest-
richts, des Vorschlags der Geschäftsführung über nennwert oder in % des Nennwertes ausgedrückt.
die Gewinnverwendung und des vom Abschluss- Sie wird aufgrund des Jahresabschlusses vom Vor-
prüfer erstellten Prüfungsberichtes mitzuteilen. stand vorgeschlagen, vom Aufsichtsrat geprüft
Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat für max. und von der Hauptversammlung beschlossen.
5 Jahre bestellt, jedoch ist wiederholte Bestellung Durch den Deutschen Corporate Governance
zulässig (§ 84 Abs. 1 AktG). Bei den unter das Kodex (DCGK) vom 26.02.2002, aktuelle Fassung
MitbestG 1976 fallenden AG und GmbH ist als vom 07.02.2017, werden Empfehlungen und
gleichberechtigtes Mitglied neben den anderen Anregungen für börsennotierte Unternehmen vor-
Vorstandsmitgliedern ein Arbeitsdirektor zu bestel- gegeben, um eine Unternehmensführung zu ge-
len. Der Arbeitsdirektor kann nicht gegen die Stim- währleisten, die sowohl alle rechtlichen Vorgaben
men der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ge- als auch ethische und moralische Grundsätze
wählt werden. Er ist somit Vertrauensperson der erfüllt. Im Rahmen der Umsetzung des Corporate
Arbeitnehmer und Gewerkschaften und vertritt Governance Kodex müssen Vorstand und Auf-
i. d. R. das Ressort Personal und Soziales. sichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft gemäß
Aufgaben des Vorstands sind die § 161 AktG in einer Compliance-Erklärung jähr-
lich erklären, dass den Empfehlungen des DCGK
• Eigenverantwortliche Leitung (§ 76 Abs. 1 „entsprochen wurde und wird oder welche Emp-
AktG), fehlungen nicht angewendet wurden oder werden
• Gerichtliche und außergerichtliche Vertretung und warum nicht“. Diese Erklärung ist auf der
der AG (§ 78 Abs. 1 AktG), Internetseite der Gesellschaft dauerhaft öffentlich
• Vorbereitung und Ausführung von Hauptver- zugänglich zu machen.
sammlungsbeschlüssen (§ 83 AktG), Die Aktiengesellschaft ist eine in der Bauwirt-
• min. vierteljährliche Berichterstattung an den schaft bisher vor allem bei den großen Bauunter-
Aufsichtsrat (§ 90 AktG), nehmen vorkommende Rechtsform, wobei zuneh-
• Sorgepflicht für Buchführung (§ 91 Abs. 1 AktG), mend kleine AGs in Bauunternehmen und auch
• Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht bei der Ge- Planungsbüros Verbreitung finden, deren Aktien
schäftsführung (§ 93 Abs. 1 AktG), noch nicht zum börsenmäßigen Handel nach den
• Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 §§ 32–43 BörsG (2007/2017) zugelassen sind
Abs. 2 AktG), (vgl. § 3 Abs. 2 AktG).
44 C. J. Diederichs et al.
2.5 Arbeits- und Tarifrecht in der den jeweils früheren, auch wenn die neuen Ver-
Bauwirtschaft einbarungen zu schlechteren Arbeitsbedingungen
für die Arbeitnehmer führen. Insoweit gilt das
Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen Günstigkeitsprinzip nicht.
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es Die Unterscheidung in Arbeiter und Ange-
wird definiert als das „Sonderrecht der Arbeitneh- stellte, die bei der Entstehung des Arbeitsrechts
mer“ und umfasst die Gesamtheit aller Rechts- eine wesentliche Rolle spielte, hat heute nur noch
regeln, die sich mit der unselbstständigen, ab- Bedeutung für das kollektive Arbeitsrecht, vor
hängigen Arbeit der in einem Unternehmen allem das Recht der Unternehmensmitbestim-
beschäftigten Personen befassen, die fremdbe- mung.
stimmte Arbeit leisten und dabei an Weisungen Eine Vielzahl von Gesetzen regelt das Arbeits-
hinsichtlich Art, Ausführung, Ort und Zeit der recht. Nachfolgende Übersicht listet in alphabeti-
Arbeit gebunden sind (Diederichs 2005, S. 67). scher Ordnung die wichtigsten Gesetze auf (Ar-
Das individuelle Arbeitsrecht beinhaltet die beitsgesetze, Beck-Texte 2018):
rechtliche Regelung der Beziehungen zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das kollektive Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Arbeitsrecht dagegen die Beziehungen zwischen Altersteilzeitgesetz (AltTZG)
den Zusammenschlüssen, d. h. von Arbeitgeber- Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
verbänden oder einzelnen Arbeitgebern einerseits Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
sowie Gewerkschaften oder Betriebsräten ande- Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
rerseits. Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPlSchG)
Das Arbeitsrecht ist bisher in viele Einzelge- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
setze zersplittert, wie z. B. Betriebsverfassungs-, Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
Kündigungsschutz-, Jugendarbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
Arbeitszeitordnung sowie die §§ 611–630 BGB Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
und die §§ 105 ff. GewO. Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
Arbeitsrecht ist einerseits zwingendes Recht, Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG)
andererseits sind abweichende Vereinbarungen Befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Wei-
möglich, wenn diese den Arbeitnehmer günstiger terbildung (ArztBAVG)
stellen (Günstigkeitsprinzip). Berufsbildungsgesetz (BBiG)
Ferner gilt für die Rangfolge arbeitsrechtlicher Betriebsrentengesetz (BetrAVG)
Regelungen der Vorrang des Kollektivrechts vor Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
dem Individualrecht und nach dem Grundsatz des Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Art. 31 GG Bundesrecht vor Landesrecht, d. h. fol- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
gende Rangreihe: Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)
Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
1. Grundgesetz, Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
2. Bundesgesetze, Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)
3. Länderverfassungen, Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB)
4. Ländergesetze, Einkommensteuergesetz (EStG)
5. Tarifverträge, Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG)
6. Betriebsvereinbarungen, Europäische Betriebsräte-Gesetz (EBRG)
7. Arbeitsvertrag. EU-Vertrag
Feiertage, Übersicht
Dabei ist jedoch das Ordnungsprinzip für das Gerichtskostengesetz (GKG)
Verhältnis einander ablösender kollektiver Ord- Gewerbeordnung (GewO)
nungen zu beachten. Danach gilt der spätere Tarif- Grundgesetz (GG)
vertrag oder die spätere Betriebsvereinbarung vor Handelsgesetzbuch (HGB)
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 45
fassungsrechtliche Fragen genügt es für die Tarif- Für die Bauplaner sind die Tarifvertragspar-
geltung im Betrieb, dass der Arbeitgeber tarifge- teien
bunden ist. Die Rechtsnormen des Tarifvertrages
gelten gemäß § 4 Abs. 1 unmittelbar und zwin- • der Arbeitgeberverband selbstständiger Inge-
gend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. nieure und Architekten (ASIA), die Vereini-
Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, gung freischaffender Architekten (VfA) und
solange sie durch die Bestimmungen des Tarifver- die Arbeitgebergemeinschaft für Architekten
trags legitim sind oder Änderungen zugunsten des und Ingenieure (AAI) einerseits sowie
Arbeitnehmers enthalten. Nach Ablauf des Tarif- • die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.
vertrages gelten seine Rechtsnormen weiter, bis di) bzw. die Industriegewerkschaft Bauen-
sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Agrar-Umwelt (IG BAU) andererseits.
Durch das Tarifeinheitsgesetz vom 03.07.2015
gem. neu eingefügtem § 4a TVG sind die Rege-
lungen über Tarifkollisionen rechtskräftig gewor- Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes
haben sich, wie die meisten anderen Wirtschafts-
den. Wenn ein Arbeitgeber mit mehreren Tarif-
zweige in Deutschland auch, für Streitfälle, die zu
gewerkschaften gebunden ist, gilt, dass bei
Überschneidungen der Vertragsinhalte der Rege- Kampfmaßnahmen führen können, zur Durch-
führung eines Schlichtungsverfahrens nach dem
lungsinhalt derjenigen Gewerkschaft wirksam
Schlichtungsabkommen Bau (1993) verpflichtet.
wird, die eine höhere Anzahl an Arbeitnehmern
vertritt. Dieses Abkommen zwingt die Tarifvertragspar-
teien zur Anrufung einer Zentralschlichtungsstel-
Gemäß § 5 kann das Bundesministerium für
le unter der Leitung eines unparteiischen Vor-
Arbeit und Soziales einen Tarifvertrag im Ein-
vernehmen mit einem aus drei Vertretern der sitzenden. Während dieses Verfahrens besteht
Friedenspflicht, d. h. die Durchführung von Urab-
Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der
stimmungen, Streiks, Aussperrungen oder sonsti-
Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf gemein-
samen Antrag den Tarifvertrag für allgemein ver- gen Kampfmaßnahmen ist unzulässig.
Arbeitskampfmaßnahmen sind hierdurch erst
bindlich erklären, sobald dies im öffentlichen Inte-
nach einem Scheitern des Schlichtungsverfahrens
resse geboten erscheint. Die Voraussetzungen
zulässig. Als wichtigste Kampfmittel gelten der
hierfür sind einerseits die Erlangung überwiegen-
Streik der Arbeitnehmerseite und die Aussperrung
der Bedeutung in Bezug auf die Gestaltung der
durch die Arbeitgeberseite.
Arbeitsbedingungen. Als zweites Kriterium müs-
Das Streikrecht ist durch Art. 9 Abs. 3 GG
sen die tarifvertraglichen Normsetzungen zur
verfassungsrechtlich garantiert. Nach herrschen-
Gegensteuerung von wirtschaftlichen Fehlent-
der Meinung wird ein Streik nur unter folgenden
wicklungen beitragen.
Voraussetzungen als rechtmäßig anerkannt:
Mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung
erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in
seinem Geltungsbereich gemäß § 5 Abs. 4 TVG • Er muss von einer Gewerkschaft geführt wer-
auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber den.
und Arbeitnehmer. • Er muss sich gegen einen Tarifpartner richten.
Tarifvertragsparteien in der Bauwirtschaft sind • Mit dem Streik muss die kollektive Regelung
für das Baugewerbe von Arbeitsbedingungen erstrebt werden.
• Der Streik darf nicht gegen Grundregeln des
• der Zentralverband des Deutschen Baugewer- kollektiven Arbeitsrechts verstoßen.
bes (ZDB) und der Hauptverband der Deut- • Der Streik darf nicht gegen das Prinzip der
schen Bauindustrie (HDB) auf Arbeitgeber- fairen Kampfführung verstoßen.
seite sowie • Die Gewerkschaft muss alle Möglichkeiten
• die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Um- der friedlichen Einigung ausgeschöpft haben
welt (IG BAU) auf Arbeitnehmerseite. (Friedenspflicht).
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 47
Aktiva Passiva
Kontenklasse 0
Kontenklasse 3 Kontenklasse 5 Kontenklasse 8
Sachanlagen und immaterielle
Eigenkapital und Rücklagen Erträge Abgrenzungen und Abschluss
Vermögensgegenstände
Ausstehende Einlagen, (BilMoG - auslaufend - Kapital, Gezeichnetes Kapital, Umsatzerlöse aus Bauleistungen, Umsatzerlöse
00 Aufwendungen für die Ingangsetzung und Privatentnahmen, Privateinlagen, aus Regie- und Hilfsleistungen, Provisionen, 80-89 Abgrenzung, Abschluss, Saldenvorträge
Erweiterung des Geschäftsbetriebs) 30-39 Kapitalrücklagen, Sonderposten mit 50-54 Erlösschmälerungen, Bestandsveränderungen
Rücklageanteil, sonstige Kapitalkonten, unfertige/fertige Bauten, sonstige betriebliche Kontenklasse 9
01 Immaterielle Vermögensgegenstände Gesellschafter-Darlehen Erlöse Baubetriebsrechnung inkl. Abgrenzung
Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte Kontenklasse 4 Erträge aus Beteiligungen und sonstigen
02-04 mit Geschäfts-, Fabrik-, Wohn- und anderen Rückstellungen, Verbindlichkeiten und passive 55, 56 Finanzanlagen, sonstige Zinsen und ähnliche 90 Übernahmekonto
Bauten, auch auf fremden Grundstücken Rechnungsabgrenzungsposten Erträge
Abb. 32 Kostenklassen und -gruppen des BKR 2016. (Quelle: KLR-Bau 2016, S. 26)
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 51
schäftszweige (§§ 340–341y). Der 5. Abschnitt Unternehmen, die weder nach Handelsrecht
(§§ 342–342a) enthält Festsetzungen für das noch nach § 141 AO bilanzpflichtig sind, können
Private Rechnungslegungsgremium und den den steuerpflichtigen Gewinn als Überschuss der
Rechnungslegungsbeirat. Abschließend wird im Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben
6. Abschnitt (§§ 342b–342e) die Prüfstelle für nach § 4 Abs. 3 EstG ermitteln (Ist-Versteuerung).
Rechnungslegung geregelt. § 238 HGB verlangt eine Buchführung, die so
Nach § 238 Abs. 1 HGB ist jeder Kaufmann beschaffen sein muss, dass sie einem sachverstän-
i.S.d. § 1 HGB dazu verpflichtet, Bücher zu führen digen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen
und in ihnen seine Handelsgeschäfte und die Lage Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die
seines Vermögens nach den Grundsätzen ord- Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Ge-
nungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. schäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung
Jeder Kaufmann hat gemäß § 240 HGB zu und Abwicklung verfolgen lassen. Gemäß § 239
Beginn seines Handelsgewerbes und danach für Abs. 2 HGB müssen die Eintragungen und Auf-
den Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein Inven- zeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und
tar (Verzeichnis der Vermögensgegenstände und geordnet vorgenommen werden.
Schulden) aufzustellen. Dazu hat er gemäß § 242 Die Grundsätze der Vollständigkeit sowie for-
HGB zu Beginn seines Handelsgewerbes und für mellen und materiellen Richtigkeit verlangen,
den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das dass keine Geschäftsvorfälle weggelassen, hinzu-
Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden gefügt oder anders dargestellt werden, als sie sich
darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) tat sächlich abgespielt haben. Der ursprüngliche
aufzustellen. Ferner hat er für den Schluss eines Buchungsinhalt darf nicht unleserlich gemacht
jeden Geschäftsjahres eine Gegenüberstellung der bzw. gelöscht werden. Bei teilweise noch vor-
Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres kommenden manuellen Buchungen sind Bleistift-
aufzustellen (Gewinn- und Verlustrechnung). Die eintragungen unzulässig. Zwischen den Buchun-
Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung bil- gen dürfen keine Zwischenräume gelassen
den den Jahresabschluss. Mit Artikel 1 des Bilanz- werden („Buchhalternase“). Sämtliche Buchun-
rechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25. gen müssen aufgrund der Belege jederzeit nach-
Mai 2009 sind „kleine“ Einzelkaufleute, deren Ge- prüfbar sein („keine Buchung ohne Beleg“).
schäftsjahr nach dem 31.12.2007 begonnen hat Der Grundsatz der rechtzeitigen und geordne-
(Artikel 66 Abs. 1 HGBEG), von der handelsrecht- ten Buchung verlangt, dass die Buchungen inner-
lichen Buchführungspflicht befreit worden, sofern halb einer angemessenen Frist in ihrer zeitlichen
die in § 241a HGB genannten Grenzwerte nicht Reihenfolge vorgenommen werden. Kassenein-
überschritten werden. nahmen und -ausgaben sollen i. d. R. täglich fest-
Gemäß § 243 HGB ist der Jahresabschluss gehalten werden (§ 146 Abs. 1 AO).
nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buch- Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen,
führung aufzustellen. Er muss klar und übersicht- Jahresabschlüsse aus Bilanz sowie Gewinn- und
lich sein sowie gemäß § 245 HGB vom Kaufmann Verlustrechnung (§ 242 HGB), Lageberichte
unter Angabe des Datums unterzeichnet werden. (§ 289 HGB) und Konzernabschlüsse (§§ 289–315e
Unternehmen, denen handelsrechtliche Ver- HGB) und Buchungsbelege sind 10 Jahre und
pflichtungen auf dem Gebiet der Buchführung sonstige Unterlagen 6 Jahre aufzubewahren
obliegen (allen Kaufleuten gemäß den §§ 1–7 (§ 257 Abs. 4 HGB).
HGB), haben diese gemäß Abgabenordnung auch Bei dem nach § 242 HGB vorgeschriebenen
für die Besteuerung zu erfüllen (§ 140 AO). System der doppelten Buchführung wird jede
Bei einem Jahresumsatz von > 600.000 € oder durch einen Geschäftsvorfall ausgelöste und auf-
einem Gewinn aus einem Gewerbebetrieb von > grund eines Beleges vorgenommene Buchung auf
60.000 € jährlich ist jedes Unternehmen nach mindestens zwei Konten festgehalten, die im
§ 141 Abs. 1 AO verpflichtet, Bücher zu führen Buchungssatz benannt werden.
und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Ab- Nach dem gedanklich bei der Buchung zu
schlüsse zu machen. beachtenden Buchungssatz werden die durch
52 C. J. Diederichs et al.
einen Geschäftsvorfall betroffenen Konten in der der Gewinn- und Verlustrechnung werden durch
Weise angesprochen, dass die auf der linken Abb. 33 deutlich:
Seite (im Soll) betroffenen Konten zuerst und
die auf der rechten Seite (im Haben) betroffenen • Jedes Konto besitzt eine linke Seite (Soll) und
Konten zuletzt genannt werden, verbunden durch eine rechte Seite (Haben).
das Wörtchen „an“ oder auch nur durch Schräg- • Auf den Aktivkonten der Bilanz werden die
strich. Zugänge auf der linken Seite (Soll), auf den Pas-
Werden lediglich zwei Konten bei einer sivkonten auf der rechten Seite (Haben) gebucht.
Buchung benötigt, so wird dies durch einen ein- • Aufwendungen werden immer auf der linken
fachen Buchungssatz ausgedrückt, z. B. Aufwen- Seite (Soll) gebucht, Erträge werden immer auf
dungen für Baugeräte (KG 64) an Bank (KG 19). der rechten Seite (Haben) gebucht.
Sobald auf mehr als zwei Konten zu buchen ist,
erfolgt die Buchungsanweisung durch einen Aufwands- und Ertragskonten sind Unterkon-
zusammengesetzten Buchungssatz bzw. eine ten (Vorkonten) des Kapitalkontos zum Abschluss
Kette von mehreren Buchungssätzen. der Gewinn- und Verlustrechnung.
Damit geschieht die Ermittlung des Perioden- Der Unternehmenserfolg (Gewinn oder Ver-
erfolges ebenfalls zweifach durch lust) ergibt sich sowohl aus der Differenz zwi-
schen Aktiv- und Passivkonten zum Stichtag
• die Bilanz sowie sowie aus der Differenz zwischen den Ertrags-
• die Gewinn- und Verlustrechnung. und Aufwandskonten zum Stichtag.
Die in der Bilanz enthaltenen Werte werden
Daher ist stets auch eine rechnerische Kontrolle durch die laufenden Geschäftsvorfälle ständig
für die Richtigkeit des ausgewiesenen Gewinns verändert. Dabei können fünf „Veränderungsty-
(oder Verlustes) gegeben, vorbehaltlich der Rich- pen“ auftreten:
tigkeit der Wertansätze der Buchungsdaten.
Die Grundregeln für Buchungen auf den 1. Aktivtausch: Es wird lediglich die Aktivseite
Bestandskonten der Bilanz und Erfolgskonten der Bilanz berührt. Die Bilanzsumme bleibt
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 53
unverändert (z. B. Abhebung für die Bürokasse • nach dem Belegprinzip (keine Buchung ohne
vom Bankkonto; Kasse an Bank). Beleg),
2. Passivtausch: Es wird lediglich die Passivseite • bei Offenlegung nachträglicher Veränderun-
der Bilanz berührt. Die Bilanzsumme bleibt gen sowie
unverändert (z. B. Ausgleich einer Lieferan- • nach dem Grundsatz der Einzelerfassung und
tenrechnung durch einen Bankkredit; Verbind- Nachprüfbarkeit
lichkeiten aus Lieferungen an Verbindlichkei-
ten gegenüber Kreditinstituten). zu führen sind.
3. Aktiv-/Passiv-Mehrung (Bilanzverlängerung): Es müssen alle Geschäftsvorfälle lückenlos
Aktiv- und Passivseite nehmen um den glei- erfasst, auf dem zutreffenden Konto verbucht
chen Betrag zu (z. B. Kauf eines Grundstücks und es dürfen keine Buchungen fingiert werden.
durch Bankkredit; Grundstücke an Verbind- Für die ordnungsmäßige Bilanzierung ist nach
lichkeiten gegenüber Kreditinstituten). Allgemeinen Grundsätzen, Ansatzgrundsätzen
4. Aktiv-/Passiv-Minderung (Bilanzverkürzung): und Bewertungsgrundsätzen zu unterscheiden
Aktiv- und Passivseite nehmen um den glei- (Wöhe und Kußmaul 2012, S. 38–40):
chen Betrag ab (z. B. Ausgleich einer Lieferan- Allgemeine Grundsätze sind
tenrechnung durch Überweisung vom Bank-
konto; Verbindlichkeiten aus Lieferungen (1) Der Jahresabschluss hat den Grundsätzen ord-
an Bank). nungsmäßiger Buchführung zu entsprechen
5. Ansprache von Aktiv- oder Passivkonten der (§ 243 Abs. 1 HGB).
Bilanz einerseits sowie von Aufwands- oder (2) Der Jahresabschluss von Kapitalgesellschaf-
Ertragskonten der GuV andererseits (z. B. Per- ten hat ein den tatsächlichen Verhältnissen
sonalaufwendungen für technische und kauf- entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz-
männische Angestellte an Guthaben bei Kre- und Ertragslage zu vermitteln (§ 264 Abs. 2
ditinstituten). HGB).
(3) Der Grundsatz der Klarheit und Übersicht-
Die Rechnungslegung nach Handels- und lichkeit verlangt insbesondere die Beachtung
Steuerrecht basiert vorrangig auf gesetzlichen der Gliederungsvorschriften der Bilanz und
Einzelvorschriften im HGB und im EStG. Dane- Erfolgsrechnung sowie den klaren Aufbau
ben sind von jedem Kaufmann die Grundsätze von Anhang und Lagebericht (§ 243 Abs. 2
ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) bei der HGB).
Verbuchung der Geschäftsvorfälle (§ 238 Abs. 1 (4) Der Grundsatz der Bilanzwahrheit verlangt
HGB), beim handelsrechtlichen Jahresabschluss nicht nur rechnerische Richtigkeit, sondern
(§ 243 Abs. 2 HGB) und bei der Erstellung der auch Erfüllung des Bilanzzwecks.
Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) zu beachten. (5) Der Jahresabschluss ist abhängig von der Un-
Damit haben die über den kodifizierten Vorschrif- ternehmensgrößenklasse innerhalb von 3 bis
ten stehenden GoB die Aufgabe, gesetzliche Re- max. 12 Monaten des folgenden Geschäfts-
gelungslücken auszufüllen. jahres aufzustellen (§ 243 Abs. 3 und § 264
Vorrangige Aufgabe der GoB ist es, die Doku- Abs. 1 HGB).
mentation des Geschäftsablaufs zu sichern und
die Buchführung vor Verzerrungen und Verfäl- Folgende Ansatzgrundsätze sind zur Bilanzie-
schungen zu bewahren. rung dem Grunde nach zu beachten:
Die Anforderungen nach § 239 HGB verlan-
gen, dass die Bücher und sonstigen Aufzeichnun- (1) Die Bilanzidentität erfordert die Identität der
gen Eröffnungsbilanz mit der Schlussbilanz des
Vorjahres (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB).
• nach einem geordneten Kontenplan, (2) Der Grundsatz der Vollständigkeit erfordert
• in einer lebenden Sprache, den Ausweis sämtlicher Vermögensgegen-
54 C. J. Diederichs et al.
gen im Vorratsvermögen mit ihren Herstel- ten kommen i. d. R. nur Ausgaben in Betracht, die
lungskosten oder ihren „niedrigeren bei- vor dem Bilanzstichtag angefallen sind, als Auf-
zulegenden Werten“ bilanziert. Erhaltene wand aber der Zeit nach dem Stichtag zuzurech-
Abschlagszahlungen werden in der Vorspalte nen sind. Hierzu zählen z. B. Vorauszahlungen für
von den bilanzierten Werten abgesetzt. Erhal- Mieten und Versicherungsprämien. Im neuen Ge-
tene Vorauszahlungen sind dagegen als Ver- schäftsjahr wird das aktive Rechnungsabgren-
bindlichkeiten auf der Passivseite auszuwei- zungskonto zu Lasten des Aufwandskontos (sons-
sen“ (Leimböck et al. 2017, S. 491 f.). tige betriebliche Aufwendungen, hier Mieten und
II. Forderungen und sonstige Vermögensgegen- Versicherungsprämien) aufgelöst. Der vorausbe-
stände zahlte Betrag wird damit dem neuen Geschäfts-
Hierzu zählen Forderungen aus Lieferungen jahr aufwandsmäßig zugerechnet.
und Leistungen, auch gegen verbundene
Unternehmen und gegen Unternehmen, mit Aktive latente Steuern
denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, Die aktiven latenten Steuern sind verborgene
sowie sonstige Vermögensgegenstände. Die zukünftige Steuervorteile, die sich auf Grundlage
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen von Unterscheidungen in der Bewertung von Ver-
sind bei Bauunternehmen im Wesentlichen mögensgegenständen oder im Ansatz zwischen
ausstehende Schlusszahlungen für schlussab- der Handels- und der Steuerbilanz ergeben. Die
gerechnete Aufträge, bei Projektentwick- Steuerentlastung ist erkenntlich, wenn die Aktiv-
lungsgesellschaften im Wesentlichen For- seite in der Handelsbilanz kleiner ist als die Aktiv-
derungen aus Vermietungen. Forderungen seite in der Steuerbilanz bzw. wenn die Passivseite
gegenüber Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) in der Handelsbilanz größer ist als die Passivseite
entstehen aus Bareinlagen z. B. für die in der Steuerbilanz (§ 274 HGB).
Anfangsfinanzierung, aus Gerätevermietung
an die ARGE und anderen Lieferungen und Passiva
Leistungen sowie aus dem Anspruch auf Die Passivseite der Bilanz stellt die Mittelherkunft
anteilige Ergebnisse nach Abschluss der dar. Der Leser der Bilanz erfährt durch die Passiva,
ARGEN. Die sonstigen Vermögensgegen- aus welchen Mitteln einzelne Vermögenspositio-
stände bilden einen Sammelposten für nicht nen finanziert wurden (vgl. Wöhe et al. 2016,
an anderer Stelle konkret bezeichnete Titel S. 648). Auf der Passivseite der Bilanz (Vermö-
wie kurzfristige Darlehen und geleistete Rei- gensquellen) wird gemäß § 266 Abs. 3 HGB nach
sekostenvorschüsse sowie Steuererstattungs- Eigenkapital, Rückstellungen, Verbindlichkeiten,
ansprüche. Passive Rechnungsabgrenzungsposten und Passi-
III. Wertpapiere ven latenten Steuern unterschieden.
Hierzu zählen Anteile an verbundenen Unter-
nehmen, eigene Anteile und sonstige Wertpa- Eigenkapital
piere. Eigenkapital (EK) unterscheidet sich vom Fremdka-
IV. Liquide Mittel pital dadurch, dass es dem Unternehmen i. d. R. zeit-
Dazu gehören Kassenbestände, Bankgutha- lich unbegrenzt zur Verfügung steht. Bei Personen-
ben, Schecks und kurzfristig liquidierbare gesellschaften ist die dauerhafte Verfügbarkeit
Wertpapiere. rechtsformbedingt nicht gesichert.
Eigenkapital hat im Gegensatz zum Fremdka-
Aktive Rechnungsabgrenzungsposten pital keinen Anspruch auf Verzinsung und Rück-
Zur periodengerechten Ergebnisabgrenzung müs- zahlung bestimmter Beträge zu bestimmten Ter-
sen solche Ausgaben und Einnahmen korrigiert minen. Es ist dagegen gewinnberechtigt. Gewinn
werden, die nicht Aufwand oder Ertrag des lau- kann allerdings erst entstehen, wenn alle Kosten
fenden, sondern des folgenden Geschäftsjahres des Unternehmens gedeckt sind. Verbleibt bei
darstellen. Als aktive Rechnungsabgrenzungspos- Auflösung eines Unternehmens nach Erfüllung
58 C. J. Diederichs et al.
der Verpflichtungen aus Fremdfinanzierung ein die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrückla-
Erlös, steht dieser Betrag als Rückvergütung für gen nach § 272 Abs. 2 HGB 10 % des Grund-
das Eigenkapital zur Verfügung. Solche Auflö- kapitals erreichen (gemäß Satzung ggf. mehr).
sungen sind bei ARGEN der Bauwirtschaft regel-
mäßige Geschäftsvorfälle. Rückstellungen
Eigenkapital gibt das Recht zur alleinigen oder Gemäß § 249 HGB sind Rückstellungen für unge-
anteiligen Geschäftsführung. Dieses Recht ist wisse Verbindlichkeiten und für drohende Ver-
sowohl nach dem anteiligen Umfang des Eigen- luste aus schwebenden Geschäften zu bilden, die
kapitals als auch nach der Rechtsform des zwar dem Grunde nach bekannt, aber hinsichtlich
Unternehmens unterschiedlich. Dem Recht zur ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts
Geschäftsführung steht die Haftung für die Ver- unbestimmt sind.
bindlichkeiten des Unternehmens gegenüber. Sie führen damit vermutlich erst in späteren
Persönlich haftende Gesellschafter müssen mit Rechnungsperioden zu Ausgaben, sind wirt-
ihrem gesamten Vermögen haften. schaftlich betrachtet aber schon in der abgelaufe-
Gemäß § 266 Abs. 3 HGB setzt sich das Eigen- nen Periode entstanden und daher als Aufwand
kapital einer Kapitalgesellschaft aus folgenden der laufenden Periode zu berücksichtigen. Sie
Posten zusammen: dienen damit der periodengerechten Verrechnung.
Besondere Bedeutung in der Wirtschaft haben
I. Gezeichnetes Kapital, Gewährleistungsrückstellungen aus Planer- und
II. Kapitalrücklage, Bauverträgen.
III. Gewinnrücklagen (gesetzliche, für eigene Gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB verjähren
Anteile, satzungsmäßige, andere), Mängelansprüche in 5 Jahren bei einem Bauwerk
IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag und und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung
V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. von Planungs- oder Überwachungsleistungen
hierfür besteht. Ist bei einem Bauvertrag die Ver-
Nach § 272 Abs. 1 HGB ist gezeichnetes Kapi- gabe und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil
tal das Kapital, auf das die Haftung der Gesell- B Allgemeine Vertragsbedingungen für die Aus-
schafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalge- führung von Bauleistungen (VOB/B), vereinbart,
sellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt so beträgt gemäß § 13 Nr. 4 Abs. 1 die Verjäh-
ist. In einer GmbH ist das Stammkapital und bei rungsfrist für Mängelansprüche für Arbeiten an
einer Aktiengesellschaft das Grundkapital als einem Bauwerk 4 Jahre, für Arbeiten an einem
gezeichnetes Kapital gem. § 42 Abs. 1 GmbHG Grundstück und für die vom Feuer berührten Teile
bzw. § 152 Abs. 1 AktG auszuweisen. von Feuerungsanlagen 2 Jahre, sofern keine
Kapitalrücklagen sind gemäß § 272 Abs. 2 andere Verjährungsfrist im Vertrag vereinbart ist.
HGB die Beträge, die bei der Ausgabe von Antei- Ohne näheren Nachweis der tatsächlichen
len (Aktien, GmbH-Anteile) über den Nennbetrag Gewährleistungsaufwendungen erkennen die Fi-
hinaus erzielt werden (Aufgeld oder Agio), sowie nanzämter im Rahmen von Betriebsprüfungen er-
Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewäh- fahrungsgemäß einen pauschalen Ansatz von
rung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten. Als 1,0 % der Schlussabrechnungssumme im ersten
Gewinnrücklagen dürfen gemäß § 272 Abs. 3 Jahr der Gewährleistungsfrist und eine lineare
HGB nur Beträge ausgewiesen werden, die im Abminderung über den Gewährleistungszeitraum
Geschäftsjahr oder in einem früheren Geschäfts- an, d. h. bei einer Verjährungsfrist von 5 Jahren
jahr aus erzielten und bilanzierten, aber nicht aus- 0,8 % im 2. Jahr und schließlich 0,2 % im 5. Jahr.
geschütteten Gewinnen des Unternehmens gebil- Die jeweils frei werdenden Rückstellungsbe-
det wurden. Dazu gehören u. a. aus dem Ergebnis träge müssen in den darauf folgenden Geschäfts-
zu bildende gesetzliche Rücklagen. Gemäß § 150 jahren aufgelöst bzw. durch neue Rückstellungen
Abs. 2 AktG sind in die gesetzliche Rücklage 5 % für neue Gewährleistungsverpflichtungen ersetzt
des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr werden. Kommt es zu einer Verminderung der
geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis Rückstellungen im Folgejahr im Vergleich zu
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 59
dem Ansatz im laufenden Jahr, so führt dies zu der Handels- und Steuerbilanz ergeben. Die Steu-
einem „Ertrag aus der Auflösung von Rückstel- erbelastung ist erkenntlich, sobald die Aktivseite
lungen“ und damit zu einer Ergebnisverbesse- in der Handelsbilanz größer ist als die Aktivseite
rung. Weitere Rückstellungen fallen regelmäßig in der Steuerbilanz bzw. wenn die Passivseite in
an für im Geschäftsjahr nicht in Anspruch genom- der Handelsbilanz kleiner ist als die Passivseite in
mene Urlaubszeiten sowie für Steuern und Kosten der Steuerbilanz (§ 274 HGB).
des Jahresabschlusses.
Gemäß § 249 Abs. 1 Nr. 2 HGB sind Rück- Haftungsverhältnisse
stellungen auch zu bilden für Gewährleistungen, Gemäß § 251 HGB sind Haftungsverhältnisse,
die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind,
(Kulanzleistungen). Ferner dürfen Rückstellun- unter der Bilanz als Verbindlichkeiten „unter dem
gen gebildet werden für unterlassene Aufwendun- Strich“ aus der Begebung und Übertragung von
gen für Instandhaltung, wenn diese innerhalb von Wechseln, aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheck-
3 Monaten des folgenden Geschäftsjahres nach- bürgschaften und aus Gewährleistungsverträgen
geholt werden. sowie Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von
Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten zu ver-
Verbindlichkeiten merken.
Verbindlichkeiten sind Verpflichtungen des Un- Der Ausweis der Haftungsverhältnisse ist wich-
ternehmens, die dem Grunde und der Höhe nach tig, da der Unternehmer damit rechnen muss, aus
sowie hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Fälligkeit ihnen in Anspruch genommen zu werden. Droht
feststehen und i. d. R. Zahlungsverpflichtungen eine solche Inanspruchnahme konkret bei der
sind. Nur bei erhaltenen Anzahlungen (Voraus- Bilanzaufstellung, ist die betreffende Verpflichtung
zahlungen) bestehen Verpflichtungen des Unter- direkt als Rückstellung zu bilanzieren und nicht
nehmens zu Lieferungen oder Leistungen. Sie unter den Haftungsverhältnissen aufzuführen. Die
stehen mit dem Auszahlungsbetrag in der Bilanz. ausgewiesenen Haftungsverhältnisse stellen inso-
Bei verzinslichen Zahlungsverpflichtungen ist die weit nur „Eventualverbindlichkeiten“ dar, mit
Summe aus Zinszahlungen und Kreditrückzah- deren Eintritt nicht ernsthaft gerechnet wird. Hier
lungsbeträgen auszuweisen. ist jedoch Vorsicht geboten, da Konzernbürgschaf-
Kennzeichen von Verbindlichkeiten bzw. von ten oder Patronatserklärungen, wie sie von großen
Fremdkapital (FK) sind vertragliche und damit Unternehmen vielfach für ihre Beteiligungsgesell-
rechtsverbindlich vereinbarte Verpflichtungen schaften gegeben werden, um deren Kreditwürdig-
des Kreditnehmers über Zins- und Tilgungszah- keit gegenüber Kreditinstituten und Lieferanten zu
lungen oder die Erbringung von Bauleistungen stärken, in der Bauwirtschaft wegen der anhalten-
bei erhaltenen Vorauszahlungen. Die Zahlungs- den Strukturkrise in den vergangenen Jahren ver-
verpflichtungen des Kreditnehmers bestehen un- stärkt in Anspruch genommen wurden.
abhängig von seiner Zahlungsfähigkeit.
Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)
Passive Rechnungsabgrenzungsposten Die Bilanz als Zeitpunktdarstellung wird ergänzt
Gemäß § 250 Abs. 2 HGB sind als Passive Rech- um eine Zeitraumdarstellung: die Gewinn- und
nungsabgrenzungsposten Einnahmen vor dem Verlustrechnung (GuV). Für die Gliederung der
Bilanzstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für GuV der Kaufleute, die keine Kapitalgesellschaf-
eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, ten sind, gibt es keine Vorschriften.
z. B. erhaltene Mietvorauszahlungen. Gemäß § 275 HGB ist die Gewinn- und Ver-
lustrechnung in Staffelform nach dem Gesamt-
Passive latente Steuern kostenverfahren des Absatzes 2 oder dem
Die passiven latenten Steuern sind verborgene Umsatzkostenverfahren des Absatzes 3 aufzu-
zukünftige Steuerlasten, die sich auf Grundlage stellen. Wesentlich sind hierbei die Änderun-
von Unterscheidungen in der Bewertung von Ver- gen durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz
mögensgegenständen oder im Ansatz zwischen (BilRUG). Durch das Inkrafttreten des BilRUG
60 C. J. Diederichs et al.
im Jahr 2015 sind die außerordentlichen Aufwen- Bauleistung ergibt sich aus dem Umsatz der
dungen und Erträge entfallen und werden jenen Periode, korrigiert um die Veränderung der Be-
Positionen in der Gewinn- und Verlustrechnung stände an unfertigen Bauten. Im Aufwand wird
zugewiesen, denen sie zuzuordnen sind. Das der Produktionsaufwand der Abrechnungsperi-
Gesamtkostenverfahren und das Umsatzkosten- ode erfasst. Abb. 34 zeigt die hierarchische
verfahren sind hierbei in der jeweiligen Reihen- Struktur des Gesamtkostenverfahrens vom
folge der Posten gemäß § 275 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Bilanzgewinn bzw. -verlust zu den Ausgangs-
HGB auszuweisen, wobei Kleinstkapitalgesell- daten.
schaften nach § 275 Abs. 5 HGB eine verkürzte Die Gliederung der Kontenklassen 5 bis 7 des
GuV-Darstellung zur Offenlegung verwenden BKR 2016 entspricht im Wesentlichen derjenigen
können. nach dem Gesamtkostenverfahren gemäß § 275
Beim Gesamtkostenverfahren (Produktions- Abs. 2 HGB. Zu den nachfolgenden Erläuterun-
rechnung) besteht der Ertrag in der Gesamtleis- gen wird verwiesen auf Tab. 6.
tung der Periode (Umsatzerlöse ./. Bestandsab-
nahme + Bestandserhöhung) und der Aufwand Umsatzerlöse
im Produktionsaufwand der Periode. Die ausgewiesenen Umsatzerlöse weisen nicht
Beim Umsatzkostenverfahren (Umsatzrech- alle Bauleistungen des Berichtsjahres, sondern
nung) wird der Ertrag nur durch die Umsatzerlöse nur die im Geschäftsjahr schlussabgerechneten
bewertet, während der Umsatzaufwand sich Bauaufträge aus, jedoch mit vollen Auftragswer-
zusammensetzt aus Produktionsaufwand + Be- ten, auch soweit sie aus Bauleistungen von Vor-
standsabnahme ./. Bestandserhöhung. Das Ge- jahren stammen. Falls Aufträge im Geschäftsjahr
samtkosten- und das Umsatzkostenverfahren begonnen und beendet wurden, sind beide Rech-
führen zu demselben Jahresergebnis. nungsgrößen identisch.
In der Bauwirtschaft wird das Gesamtkosten- Die Position „Erhöhung (oder Minderung)
verfahren bevorzugt. Der Ertrag und damit die des Bestandes an nicht abgerechneten Bauten“
Abb. 34 Hierarchische Struktur der Gliederung der GuV nach dem Gesamtkostenverfahren gemäß § 275 Abs. 2 HGB
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 61
Tab. 6 Beispiel einer Gewinn- und Verlustrechnung nach Gesamtkostenverfahren gem. § 275 Abs. 2 HGB
Berichtsjahr Vorjahr
(in T€) (in T€)
Umsatzerlöse aus der Immobilienwirtschaft 185.961 175.916
Erhöhung oder Verminderung des Bestandes zum Verkauf bestimmter Grundstücke mit 2434 2836
fertigen und unfertigen Bauten sowie unfertigen Leistungen
Andere aktivierte Eigenleistungen 302 427
Gesamtleistung 188.697 179.179
Sonstige betriebliche Erträge 15.489 6975
Betriebliche Erträge gesamt 204.186 186.154
Aufwendungen für Immobilienbewirtschaftung 80.901 82.013
Aufwendungen für Verkaufsgrundstücke 1379 82
Aufwendungen für andere Lieferungen und Leistungen 15.738 1809
Personalaufwand
- Löhne und Gehälter 8665 9311
- Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung 375 2819
- (davon Altersversorgung: 346)
Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und 29.366 27.543
Sachanlagen
Sonstige betriebliche Aufwendungen 3405 5994
Betriebliche Aufwendungen gesamt 139.829 129.571
Betriebliches Ergebnis 64.357 56.583
Erträge aus Beteiligungen 230 227
Erträge aus Gewinnabführungsverträgen 100 350
Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge 446 510
Zinsen und ähnliche Aufwendungen 55.873 50.620
Aufwendungen aus Verlustübernahme 5210
Steuern vom Einkommen und vorn Ertrag 828 203
Sonstige Steuern 25 14
Jahresüberschuss 8407 1623
Gewinnvortrag 704 413
Einstellungen in Gewinnrücklagen 6180 1955
Bilanzgewinn 2931 81
Quelle: Leimböck et al. 2017, S. 489
gibt die jeweilige Veränderung in Bezug auf das absehbaren Verlusten), die Umsatzerlöse dage-
Vorjahr an. Wegen der geringen Aussagekraft gen mit ihren Vertragspreisen angesetzt.
der Erlöse ist daher stets eine gesonderte Auf- Bei „anderen aktivierten Eigenleistungen“
stellung der Jahresleistung erforderlich. handelt es sich um selbst erstellte Anlagengegen-
Aus der Beteiligung des Unternehmens an stände, die mit den dadurch entstandenen und
ARGEN ergeben sich Umsatzerlöse durch Leis- gebuchten Aufwendungen und damit ergebnis-
tungen des Unternehmens für ARGEN sowie neutral zu bewerten sind. Erträge aus der Auflö-
anteilige ARGE-Ergebnisse, die als sonstige sung von Rückstellungen sind in der Bauwirt-
betriebliche Erträge gebucht werden. Die schaft vor allem solche aus nicht mehr
dadurch bewirkten Aufwendungen werden als bestehenden Gewährleistungsverpflichtungen.
sonstige betriebliche Aufwendungen verbucht. Zusätzlich werden auch Erträge aus Beteili-
Bestandsveränderungen an nicht abgerechneten gungen, aus anderen Wertpapieren und Auslei-
Bauten werden mit Herstellungskosten oder hungen des Finanzvermögens, aus Zinsen und
dem „niedrigeren beizulegenden Wert“ (z. B. bei sonstigen betrieblichen Erträgen erfasst.
62 C. J. Diederichs et al.
Der Lagebericht ist Bestandteil der Berichts- Die Kapitalflussrechnung hat das Ziel, den Zah-
pflichten für die gesetzlichen Vertreter von mittle- lungsmittelstrom eines Unternehmens transparent
ren und großen Kapitalgesellschaften gem. § 264 zu machen. Die GuV-Rechnung stellt lediglich
Abs. 1 HGB, Personengesellschaften i.S.d. § 264a Ertrag und Aufwand gegenüber, jedoch nicht Ein-
HGB und Unternehmen, die dem Publizitätsge- zahlungen und Auszahlungen. Dadurch können dro-
setz unterliegen. Der Lagebericht dient als zusätz- hende Zahlungsengpässe nicht rechtzeitig erkannt
liche Information zum Jahresabschluss und soll werden. Die Insolvenzprophylaxe ist unzureichend.
wie der Anhang ein entsprechendes Bild der Ver- Man unterscheidet zwischen vergangenheits-
mögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln gem. und zukunftsorientierter (retro- und prospektiver)
§ 264 Abs. 2 HGB. Kapitalflussrechnung. Die Beurteilung der künfti-
Der Bericht orientiert sich an der gegenwärti- gen Zahlungsfähigkeit ist nur auf Grund prospek-
gen und zukünftigen Situation im Hinblick auf tiver Kapitalflussrechnung möglich, jedoch mit
Chancen und Risiken des Unternehmens. Nach Unsicherheiten über die Prognosedaten behaftet.
§ 289 Abs. 1 HGB muss der Lagebericht den „Der Konzernabschluss besteht aus der Konzern-
Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftser- bilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung,
gebnisses und die Lage der Gesellschaft so dar- dem Konzernanhang, der Kapitalflussrechnung und
stellen, dass ein entsprechendes Bild über die dem Eigenkapitalspiegel. Er kann um eine Seg-
tatsächlichen Verhältnisse vermittelt wird. In die- mentberichterstattung erweitert werden“ (§ 297
sem Berichtsbestandteil müssen folgende Sach- Abs. 1 HGB).
verhalte der Gesellschaft beschrieben werden Eine Kapitalflussrechnung zeigt die Verände-
(§ 289 HGB): rung des Liquiditätspotenzials und deren Ursa-
chen im Betrachtungszeitraum. Sie setzt sich
zusammen aus dem Cashflow aus
• Ziele und Methoden des Risikomanagements
sowie Methoden zur Absicherung aller Arten • laufender Geschäftstätigkeit,
von Transaktionen, die im Rahmen der Bilan- • der Investitionstätigkeit und
zierung von Sicherungsgeschäften erfasst wer- • der Finanzierungstätigkeit.
den (§ 289 Abs. 2 Nr. 1a) Ein Beispiel einer Konzern-Kapitalflussrech-
• Risiken in Bezug auf Preisänderung, Ausfall, nung zeigt Tab. 8.
Liquidität und Zahlungsstromschwankungen
(§ 289 Abs. 2 Nr. 1b)
• Forschung und Entwicklung (§ 289 Abs. 2 3.6 Eigenkapitalspiegel
Nr. 2)
• Bestehende Zweigniederlassungen der Gesell- Der Eigenkapitalspiegel ist gem. § 297 Abs. 1
schaft (§ 289 Abs. 2 Nr. 3) HGB verpflichtende Komponente eines Konzern-
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 65
abschlusses sowie gem. § 264 Abs. 1 HGB ein 3.8 Freiwillige Zusatzangaben
verpflichtender Bestandteil von kapitalmarktori-
entierten Kapitalgesellschaften, die keinen Kon- Durch freiwillige Zusatzinformationen versuchen
zernabschluss erstellen. Der Eigenkapitalspiegel viele Kapitalgesellschaften, ihr Ansehen bei den
ist eine zeitraumbezogene Rechnung mit dem Bilanzadressaten (Stakeholdern) im Sinne einer
Ziel, den Adressaten aufzuzeigen, aktiven Informationspolitik zu verbessern. Zu
den zusätzlichen Informationen zählen z. B. eine
• wie sich das Eigenkapital zusammensetzt und Sozial- und Umweltberichterstattung sowie eine
• wie sich die jeweiligen Eigenkapitalposten Mehrjahresübersicht.
verändert haben.
Sozial- und Umweltberichterstattung
Hierzu werden die Zugänge und Abgänge In ihren Geschäftsberichten machen immer mehr
(z. B. Jahresüberschuss, Jahresfehlbetrag) gegen- Unternehmen auf freiwilliger Basis Angaben zu
übergestellt und die Entwicklung der wirtschaftli- ihren sozialen und ökologischen Leistungen. Die
chen Widerstandskraft dargestellt (vgl. Wöhe Sozialberichterstattung ist in erster Linie an die
et al. 2016, S. 749). Belegschaft, die Umweltberichterstattung an die
interessierte Öffentlichkeit gerichtet. Darüber hi-
naus sind diese Informationen für alle Stakeholder
3.7 Segmentberichterstattung von Interesse.
In der Sozialberichterstattung enthalten die Ge-
Die Segmentberichterstattung hat die Aufgabe, schäftsberichte unter der Überschrift „Personal“
segmentspezifische Unternehmensinformationen z. B. Angaben über die Zahl der Mitarbeiter, die
für die Leser des Geschäftsberichtes aufzuberei- Anpassung von Personalkapazitäten, den Tarifab-
ten. Die Segmentberichterstattung ist nach § 285 schluss, die Ausgabe von Belegschaftsaktien und
Nr. 4 HGB für den Einzelabschluss großer Kapi- Aktienoptionen, die systematische Personalent-
talgesellschaften und nach § 314 Abs. 1 Nr. 3 wicklung und den Dank an die Mitarbeiter.
HGB für den Konzernabschluss zwingend vorge- Andere Unternehmen stellen heraus, dass sie in
schrieben. Es heißt dort gleichlautend „Ferner ihrer Personalplanung Kundenorientierung, unter-
sind im Anhang anzugeben: nehmerisches Denken, internationale Mobilität
[. . .] die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach und Weiterbildung fördern. Durch die Personal-
Tätigkeitsbereichen sowie nach geografisch be- und Führungskräfteentwicklung mit Mitarbeiterbe-
stimmten Märkten, soweit sich [. . .] die Tätig- urteilungen, Potenzialanalysen und Nachfolgeplä-
keitsbereiche und geografisch bestimmten Märkte nen werde für einen adäquaten Mitarbeitereinsatz
untereinander erheblich unterscheiden“. gesorgt. Das Engagement im ethisch-sozialen
Bei der Berichterstattung nach Geschäftsfeldern Bereich komme dadurch zum Ausdruck, dass sich
unterscheiden Bauaktiengesellschaften z. B. nach die Mitarbeiter verpflichteten, weltweit verbindli-
che Verhaltensregeln (business ethics) einzuhalten.
• Ingenieurbau, Hoch- und Industriebau, Entwi- Durch die Umweltberichterstattung geben die
ckeln und Betreiben, Dienstleistungen und Unternehmen Rechenschaft über die Auswirkun-
Umwelt, oder nach gen ihres unternehmerischen Handelns auf die
• Airport, Development, Construction, Unter- Umwelt. Es wird berichtet über Aufwendungen
nehmenszentrale/Konsolidierung/Manage- und Investitionen für den Umweltschutz sowie
ment der finanziellen Ressourcen. über Verfahren und Betriebsabläufe zur Gewähr-
leistung ökologischer Arbeitsweisen. Im Vorder-
Bei der Unterteilung der Leistungen nach grund der Anstrengungen steht der Grundsatz
Regionen werden z. B. unterschieden: Deutsch- nachhaltigen Handelns zur Schaffung eines aus-
land, übriges Europa, Amerika, Afrika, Asien und gewogenen Verhältnisses zwischen Ökonomie,
Australien. Ökologie und sozialem Engagement. Einige
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 67
Unternehmen geben inzwischen regelmäßig Lagebericht. Die Methodik besteht in der Bereini-
Umweltberichte inklusive Arbeitssicherheit und gung und bedarfsadäquaten Aufbereitung (Ver-
Gesundheitsschutz heraus, um die erzielten dichtung) von Jahresabschlussdaten. Die Erkennt-
Erfolge und noch bestehenden Defizite in den nisse aus der Bilanzanalyse eines Unternehmens
Bereichen Ökologie sowie Arbeits- und Gesund- werden wesentlich erhöht, wenn mehrere aufei-
heitsschutz gegenüber Kunden, Nachunterneh- nander folgende Jahresabschlüsse des Unterneh-
mern und Mitarbeitern als integralen Bestandteil mens und die Jahresabschlüsse von Unternehmen
einer offenen und partnerschaftlichen Informati- der gleichen Branche in die Untersuchung ein-
onspolitik zu dokumentieren, dies nicht zuletzt bezogen werden. Ablauftechnisch lässt sich die
deshalb, da dieser Bereich immer häufiger ein Bilanzanalyse nach Wöhe et al. (2016, S. 824 ff.)
wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auf- in die drei Arbeitsschritte Datenaufbereitung,
tragsvergabe für Großprojekte darstellt. Kennzahlenbildung und Kennzahlenauswertung
Ergänzend ist zu erläutern, dass nachhaltige gliedern (Abb. 35).
Handlungs- und Bauweise bedeutet, die Regene-
rationsfähigkeit der Natur in die Planungen mit
Aufbereitung von Jahresabschlussdaten
einzubeziehen. Es darf nicht mehr verbraucht
Die Datenaufbereitung hat die Aufgabe, die Jah-
werden als in der Nutzungszeit wieder regeneriert
resabschlussangaben in materieller Hinsicht zu
werden kann. Eine nachhaltige Entwicklung
bereinigen und in formaler Hinsicht zur Erstellung
erfüllt das Bedürfnis der handelnden Generation,
einer Strukturbilanz und zur Erfolgsspaltung um-
ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen
zugliedern.
zu gefährden (Getto 2002, S. 13). Diesen
Anspruch verfolgen auch die internationalen und
nationalen Bemühungen zur Umweltzertifizie- Wertmäßige Bereinigung der Jahresabschluss-
rung von Gebäuden wie z. B. das LEED Rating daten
System (Leadership in Energy and Environmental Durch eine solche Bereinigung sollen die Wert-
Design), die Ansätze der Deutschen Gesellschaft ansätze einzelner Vermögenspositionen der
für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) und das Bilanz durch Schätzung den aktuellen Marktge-
Bewertungssystem BREEAM (Building Re- gebenheiten angepasst werden. Da die Anschaf-
search Establishment Environmental Assessment fungskosten die Wertobergrenze bilden, stecken
Methodology). in schon lange zum Betriebsvermögen gehören-
den Positionen vielfach erhebliche stille Zwangs-
Mehrjahresübersicht rücklagen, insbesondere bei Grundstücken und
Der Mehrjahresübersicht ist eine zusätzliche Dar- Beteiligungen. Eine Abwertung von Vermögens-
stellung von Kennzahlen, die in einem Zeitraum gegenständen ist eher als Ausnahmefall anzuse-
von fünf bis zehn Jahren vor dem Jahresbericht hen, da die handelsrechtlichen Bewertungsvor-
erfasst worden sind. Der Mehrjahresüberblick schriften nach dem Niederstwertprinzip ohnehin
dient dazu, die Entwicklung von Kennzahlen zur den Ansatz eines niedrigeren beizulegenden Wer-
Finanz-, Vermögens- und Ertragslage aufzuzei- tes für den Bilanzausweis vorschreiben. Bei den
gen, um Chancen und Risiken von einzelnen Ge- Passivpositionen können sich Rückstellungen als
schäfts- und Tätigkeitsbereichen zu bewerten. korrekturbedürftig erweisen. Bei dem Versuch,
die Bilanzansätze für Aktiva und Passiva an die
tatsächlichen Wertverhältnisse anzupassen, bietet
3.9 Bilanzanalyse die Berichterstattung im Anhang über die ange-
wandten Bilanzierungs- und Bewertungsmetho-
Die Ziele der Bilanzanalyse bestehen in der Infor- den sowie deren Änderung wertvolle Hinweise
mationsverbesserung durch bedarfsgerechte Un- auf die vom Unternehmen verfolgte bilanzpoliti-
terrichtung externer Bilanzadressaten. Ausgangs- sche Strategie, stille Rücklagen zu bilden oder
daten sind der Jahresabschluss mit Anhang und aufzulösen.
68 C. J. Diederichs et al.
Abb. 35 Arbeitsschritte
der Bilanzanalyse. (Quelle:
Wöhe et al. 2016, S. 825)
Fremdkapital. Dem Eigenkapital wird der Sta- gebnis, das Ergebnis vor Ertragsteuern und
tus der langfristigen Verfügbarkeit zugeschrie- schließlich der Jahresüberschuss (plus) oder der
ben. Das Fremdkapital wird aufgeteilt in die Jahresfehlbetrag (minus) ableiten.
Kategorien langfristig (länger als 5 Jahre), mit- Die Erfolgsspaltung verfolgt das Ziel, mit dem
telfristig (1 bis 5 Jahre) und kurzfristig (weni- korrigierten Ergebnis aus der gewöhnlichen Ge-
ger als 1 Jahr). schäftstätigkeit den nachhaltig erzielbaren Perio-
• Der Bilanzgewinn wird dem kurzfristigen denerfolg auszuweisen. Eine betriebswirtschaft-
Fremdkapital zugeordnet, da schon wenige lich orientierte Erfolgsspaltung wird durch die
Monate nach dem Bilanzstichtag mit einem GuV-Gliederung gem. § 275 HGB allerdings
Mittelabfluss in Form von Dividendenzahlun- nicht gewährleistet (vgl. Wöhe et al. 2016,
gen zu rechnen ist. S. 828 f.).
• Rückstellungen sind dem kurzfristigen Fremd-
kapital zuzuordnen mit Ausnahme von evtl. Ermittlung und Auswertung von Kennzahlen
Pensionsrückstellungen. Nach der Aufbereitung der Jahresabschlussdaten
werden diese zu Kennzahlen verdichtet. Sie lassen
Erfolgsspaltung sich in finanzwirtschaftliche und erfolgswirt-
Die Gewinn- und Verlustrechnung informiert die schaftliche Kennzahlen einteilen (Abb. 36).
Bilanzadressaten über die Ertragslage des abge- Zur Ermittlung und Auswertung finanzwirt-
laufenen Geschäftsjahres, jedoch fehlen in diesem schaftlicher Kennzahlen zählen die Investitions-,
Zusammenhang Informationen über die Qualität die Finanzierungs- und die Liquiditätsanalyse.
der Ertragslage. Der Jahresertrag setzt sich aus
den regelmäßig und unregelmäßig bzw. aufgrund Investitionsanalyse
von besonderen Ereignissen einmalig anfallenden Gegenstand der Investitionsanalyse ist die Durch-
Komponenten zusammen. Um die Anteilseigner leuchtung des Vermögenspotenzials eines Unter-
über die Qualität der Erträge im Jahresabschluss nehmens. Zielsetzung ist es, aus der Ver-
zu unterrichten, erfolgt eine Korrekturrechnung, mögensstruktur Aussagen über die künftige
in der die unregelmäßigen Komponenten aus dem Zahlungsfähigkeit abzuleiten. Dabei sind insbe-
Betriebs- und Finanzergebnis getrennt ausgewie- sondere die Selbstliquidationsperioden zu beach-
sen werden. Diese Korrekturrechnung wird Er- ten, während derer die Vermögensgegenstände bei
folgsspaltung genannt. normalem Geschäftsablauf wieder zu liquiden
In der Gliederung der GuV nach dem Schema Mitteln werden. Eine hohe Anlagenintensität wird
des HGB gem. § 275 Abs. 2 lassen sich durch von Kreditgebern kritisch gesehen, da der erwar-
eine Umgliederung das bereinigte Betriebs- und tete Mittelrückfluss erst langfristig zu erwarten ist
Finanzergebnis, das bereinigte Ergebnis aus ge- (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 830). Wichtige Kenn-
wöhnlicher Geschäftstätigkeit, das neutrale Er- zahlen zur Investitionsanalyse zeigt Abb. 37.
Abb. 36 Kennzahlen-
orientierte Bilanzanalyse.
(Quelle: Wöhe et al. 2016,
S. 829)
70 C. J. Diederichs et al.
Abb. 37 Wichtige
Kennzahlen zur
Investitionsanalyse.
(Quelle: Wöhe et al. 2016,
S. 830)
Abb. 38 Wichtige
Kennzahlen zur
Finanzierungsanalyse.
(Quelle: Wöhe et al. 2016,
S. 831)
Abb. 39 Wichtige
Kennzahlen zur
Liquiditätsanalyse. (Quelle:
Wöhe et al. 2016, S. 832)
Abb. 40 Wichtige
Kennzahlen zur
Ergebnisanalyse. (Quelle:
Wöhe et al. 2016, S. 834)
gen herangezogen (Finanzplan). Durch Ermittlung Ergänzend soll die Analyse der Aufwands- und
des operativen Cashflows (Jahresüberschuss + Ertragsstruktur zeigen, welchen Beitrag die einzel-
Abschreibungen + Zuführung zu langfristigen nen Aufwands- und Ertragskomponenten zur Erzie-
Rückstellungen) wird deutlich, welches Innenfinan- lung des Gesamtergebnisses leisten (Abb. 40).
zierungsvolumen eines Unternehmens zur Finanzie- Die Aufwand-Ertrag-Relationen geben Aus-
rung von Investitionen oder zur Rückzahlung von kunft über die Wirtschaftlichkeit des Unterneh-
Fremdkapital eingesetzt werden kann. Dabei wird mens. Die Kennzahlen dürfen jedoch nicht iso-
unterstellt, dass der Cashflow des abgelaufenen Jah- liert, sondern müssen im gegenseitigen Verhältnis
res in Zukunft in gleicher Höhe erwirtschaftet wer- sowie im Zeitreihen- und im Branchenvergleich
den kann (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 832–833). Die betrachtet werden.
Ermittlung und Auswertung erfolgswirtschaftlicher Die Ertrag-Ertrag-Relationen zeigen die Stär-
Kennzahlen umfasst die Ergebnis-, Rentabilitäts- ken und Schwächen des Unternehmens in den
und Break-Even-Analyse. einzelnen Geschäftsfeldern bzw. in den einzelnen
Regionen (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 833–834).
Ergebnisanalyse
Die Ergebnisquellenanalyse soll zeigen, welche Rentabilitätsanalyse
Teile des Jahreserfolgs dem bereinigten Betriebs- Rentabilitätskennzahlen werden aus dem Verhält-
ergebnis, dem bereinigten Finanzergebnis und nis einer Ergebnisgröße (Gewinn, Jahresüber-
dem neutralen Ergebnis im Sinne einer Erfolgs- schuss, ordentliches Betriebsergebnis, Cashflow
spaltung zuzuordnen sind. oder Bruttogewinn) zu einer Kapital- oder Ver-
72 C. J. Diederichs et al.
Abb. 41 Wichtige
Kennzahlen zur
Rentabilitätsanalyse.
(Quelle: Wöhe et al. 2016,
S. 835)
mögensgröße (Eigenkapital, Gesamtkapital oder Aktien mit einem niedrigen KGV kaufenswerter
betriebsnotwendiges Vermögen) oder auch zum als Aktien mit einem hohen KGV. Diese Vermu-
Umsatz gebildet (Abb. 41). tung ist jedoch nicht zwingend, da das KGV auf
Zur Beurteilung der Ertragskraft ist die Ei- Grundlage von Gewinnerwartungen des laufen-
genkapitalrentabilität mit dem Vorjahr der bran- den Geschäftsjahres gebildet wird. In der Regel
chenüblichen Eigenkapitalrentabilität oder der kann davon ausgegangen werden, dass in Kri-
marktüblichen Verzinsung risikoadäquater Kapi- senbranchen die Gewinne zukünftig sinken und
talanlagen zu vergleichen. Dabei sollte von einem in Wachstumsbranchen die Gewinne zukünftig
nachhaltig erzielbaren Gewinn vor (Ertrag-) steigen (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 837).
Steuern ausgegangen werden. Beim Return-On-Investment (ROI) bilden der
Im zwischenbetrieblichen Vergleich ist die Gewinn (vor Steuern) und die Fremdkapitalzinsen
Gesamtkapitalrentabilität ein zuverlässigerer Indi- (FKZ) im Verhältnis zum Gesamtkapital eine adä-
kator, da sie die Ertragskraft des Unternehmens quate Ergebnisgröße für die Gesamtkapitalrenta-
unabhängig von der Höhe des Verschuldungs- bilität:
grads zeigt. Maßgebliche Größe für die Höhe der
Eigenkapital-, Gesamtkapital- und Umsatzren-
Gewinn þ FKZ
tabilität ist daher der Gewinn. Die Verwendung ROI ¼ 100
Gesamtkapital
des Cashflows ist dagegen wegen seiner wesent-
lichen Aufwandsbestandteile problematisch, wenn-
gleich er zur Quantifizierung des Innenfinanzie- Erweitert man diesen Quotienten im Zähler
rungsvolumens unverzichtbar ist. und im Nenner um den Umsatz, dann erhält man
Der Gewinn je Aktie ist für Anleger eine wich-
tige Erfolgskennziffer, jedoch weniger für die Gewinn þ FKZ Umsatz
abgelaufene, sondern vielmehr für die laufende ROI ¼
Umsatz Gesamtkapital
Periode. Änderungen der Gewinnprognosen der # #
Bilanzanalysten haben daher entsprechende Kurs- ROI ¼ Umsatzrentabilität Kapitalumschlag
änderungen an der Börse zur Folge.
Bei den Anlageempfehlungen (Kaufen, Hal- Diese Kennzahlenerweiterung verdeutlicht,
ten, Verkaufen) hat die Price-Earnings-Ratio dass eine Steigerung der Gesamtkapitalrentabilität
bzw. das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) eine sowohl durch Erhöhung der Umsatzrentabilität
große Bedeutung. Ein KGV von z. B. 25 ent- als auch durch Erhöhung der Häufigkeit des Ka-
spricht einer erwarteten Kapitalverzinsung von pitalumschlags erreicht werden kann (vgl. Wöhe
4 %. Bei vordergründiger Betrachtung sind et al. 2016, S. 837).
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 73
ples“ (US-GAAP) vom Financial Accounting law“. Das bedeutet, dass die Vorschriften allge-
Standard Board (FASB). Die US-GAAP wurden meingültig formuliert sind, wodurch eine hohe
im Auftrag von der „Securities and Exchange gesetzliche Regelungsdichte besteht. Die IFRS
Commission“ (SEC) entwickelt, um den Wertpa- folgen dem fallspezifischen Prinzip des angel-
pierhandel in den USA zu schützen. Ein Grund, sächsischen „case law“. Das bedeutet, dass die
warum das Normensystem in der Fachliteratur IFRS auf einer Vielzahl von Einzelfallregelungen
ebenfalls als internationales Rechnungslegungs- basieren.
system klassifiziert wird, liegt in der internationa- Die nationale und internationale Rechnungs-
len Bedeutung der US-Börse. Da die US-GAAP legung verfolgen dementsprechend auch einen
jedoch nationale Normen sind, wird nachfolgend unterschiedlichen Grundsatz. Durch das Gläu-
die Rechnungslegung nach IFRS vorgestellt (vgl. bigerschutzprinzip berücksichtigt die HGB-
Wöhe et al. 2016, S. 755 f.). Rechnungslegung ein Vorsichtsprinzip, die IFRS
hingegen verfolgen mit dem Anleger- und Inves-
Hauptunterschiede zwischen nationaler und torenschutz den Grundsatz der „fair presenta-
internationaler Rechnungslegung tion“. Demnach sind auch Abweichungen von
Wichtige Unterscheidungsmerkmale der nationa- den Einzelvorschriften nicht möglich.
len Rechnungslegung nach HGB und der interna-
tionalen Rechnungslegung nach IFRS sind (Wölt-
je 2016, S. 18–19): Geltungsbereich der IFRS
Zum Verständnis des Geltungsbereichs der IFRS
• Rechnungslegungszweck muss zunächst der Unterschied zwischen einem
• Hauptadressat Einzelabschluss und einem Konzernabschluss
• Normgeber dargestellt werden.
• Normfindung Der Einzelabschluss nach HGB gilt in
• Grundsatz bzw. Grundprinzip Deutschland nur für ein rechtlich selbstständiges
Unternehmen. Ein Konzern bezeichnet einen
Zunächst unterscheiden sich die unterschiedli- gesamten Unternehmensverbund, sodass ein Kon-
chen Rechnungslegungssysteme im Rechnungs- zernabschluss die Einzelabschlüsse aller Unter-
legungszweck. Während die deutsche Rech- nehmen umfasst, die der wirtschaftlichen Einheit
nungslegung nach HGB dem Gläubigerschutz „Konzern“ zugehörig sind, wobei die sogenann-
und der Kapitalerhaltung dient, verfolgt die ten internen Leistungsbeziehungen aus dem
internationale Rechnungslegung nach IFRS den Abschluss herauszurechnen sind (vgl. Thommen
Zweck, Anleger und Investoren zu schützen. et al. 2017, S. 220).
Die Adressaten des HGB-Abschlusses sind Der Konzernabschluss hat wie der Einzelab-
hauptsächlich die Fremdkapitalgeber, weshalb die- schluss eine Informationsfunktion gegenüber den
ser Abschluss auch als kreditorientierte Rechnungs- Adressaten. Der Einzelabschluss hat hingegen
legung betitelt wird. Die IFRS haben als Haupt- gegenüber dem Konzernabschluss zusätzlich eine
adressaten die Eigenkapitalgeber, daher wird die Zahlungsbemessungsfunktion. Das bedeutet, dass
internationale Rechnungslegung nach IFRS als kapi- der Einzelabschluss die Grundlage für die Steuer-
talmarktorientierte Rechnungslegung bezeichnet. und Ausschüttungsbemessung bildet. In diesem
Weiteres Unterscheidungskriterium ist der Zusammenhang sind alle deutschen Kapitalgesell-
Normgeber. Während das HGB vom nationalen schaften dazu verpflichtet, einen Einzelabschluss
Gesetzgeber beschlossen wird, werden die IFRS nach HGB zu erstellen. Zusätzlich zu diesem Jah-
von Fachleuten der IASB, mit Sitz in London, resabschluss dürfen sie zu Informationszwecken
entwickelt. einen IFRS-Einzelabschluss erstellen (vgl. Wöhe
Ferner unterscheidet sich auch die Normfin- et al. 2016, S. 758–759).
dung. Die Rechnungslegungsvorschriften des Abschlussbedingungen für den Konzernab-
HGB folgen dem kontinentaleuropäischen „code schluss liegen in der Kapitalmarktorientierung.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 75
Nach § 264d HGB ist eine Kapitalgesellschaft zelner Positionen der Bilanz und der Gewinn- und
kapitalmarktorientiert, wenn sie Verlustrechnung als auch die Normen für ausge-
wählte Bestandteile des Jahresabschlusses. Zur
• einen organisierten Markt im Sinn des § 2 Vermeidung von Lücken innerhalb der Regelun-
Absatz 11 des Wertpapierhandelsgesetzes durch gen werden Interpretationen beigefügt. Wesentli-
von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinn des che Komponenten der IFRS-Standards sind (vgl.
§ 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Wöhe et al. 2016, S. 759):
Anspruch nimmt oder
• die Zulassung solcher Wertpapiere zum Han- • spezielle Regelungen zu den Jahresabschluss-
del an einem organisierten Markt beantragt hat. bestandteilen
• spezielle Regelungen für einzelne Aktiva, Pas-
Das bedeutet, dass jede Muttergesellschaft, die siva, Aufwendungen und Erträge
in Deutschland ansässig ist, einen Konzernab-
schluss nach den IFRS erstellen muss, wenn sie Die wichtigsten IFRS-Standards und kurzge-
als kapitalmarktorientiertes Unternehmen einge- fassten Inhalte werden in der Tab. 10 dargestellt.
stuft ist. Während kapitalmarktorientierte Unter-
nehmen der IFRS-Pflicht unterliegen, haben nicht Aufbau und Inhalte der Rechenwerke nach
kapitalmarktorientierte Unternehmen ein IFRS- IFRS
Wahlrecht gemäß § 315a HGB, sodass diese sich Der Aufbau zum Jahresabschluss nach IFRS umfasst
zwischen einem Jahresabschluss nach HGB oder für Einzel- und Konzernabschlüsse gem. IAS 1.10
IFRS entscheiden können (vgl. Wöltje 2016,
S. 16–17). • die Bilanz („statement of financial position“),
• die Gesamtergebnisrechnung („statement of
Grundkonzeption der IFRS comprehensive income“),
Die Rechnungslegung nach IFRS besteht aus dem • die Eigenkapitalveränderungsrechnung („state-
Rahmenkonzept („Conceptual Framework for ment of changes in equity“),
Financial Reporting“) sowie aus einer Vielzahl • die Kapitalflussrechnung („statement of cash
von Standards. flows“) und
Das Rahmenkonzept bildet im Allgemeinen • den Anhang („notes“).
die Grundsätze und Leitlinien der Rechnungsle-
gung nach den IFRS ab und bietet eine Grundlage Die Bilanz hat die Aufgabe dem Adressaten,
zur Ableitung neuer Standards als auch zur Über- einen Überblick über die Vermögens- und Finanz-
arbeitung bestehender Standards. Wichtige Kom- lage des Unternehmens zu geben. In der Bilanz
ponenten des „Conceptual Framework for Finan- werden die Vermögenswerte („assets“), Schulden
cial Reporting“ sind (vgl. Wöhe et al. 2016, („liabilities“) und das Eigenkapital („equity“)
S. 759): erfasst. Gegenüber dem Jahresabschluss nach
HGB hat die IFRS-Bilanz nach IAS 1 eine gerin-
• die Inhalte über Ziele und Grundsätze der gere Detaillierungstiefe. Sie gliedert die einzelnen
Rechnungslegung, Positionen nach ihrer Fristigkeit. Innerhalb der
• die Definition, Erfassung und Bewertungs- Bilanz werden die einzelnen Posten nach kurzfris-
grundsätze zu Abschlussposten (Aktiva, Pas- tigen („current“) und langfristigen („non current“)
siva, Aufwendungen und Erträge) und Vermögenswerten und Schulden differenziert. Im
• die Konzeption der Kapitelerhaltung. Einzelfall werden anstelle der Fristigkeit die Posi-
tionen nach der Liquidität gegliedert. Dieser Aus-
Die wichtigsten Komponenten der IFRS wer- nahmefall ist jedoch nur dann zulässig, wenn
den durch die einzelnen Standards abgebildet. Die durch diese Gliederungsform ein besserer Ein-
Standards beinhalten unter anderem die konkreten blick in die Vermögens- und Finanzlage gewähr-
Vorschriften zum Ansatz und der Bewertung ein- leistet (vgl. Thommen et al. 2017, S. 230 f.).
76 C. J. Diederichs et al.
Die Gesamtergebnisrechnung bietet einen Ein- sondern weist auch auf Posten hin, die keinen direk-
blick in die Ertragslage des Unternehmens. Darin ten Bezug auf die Geschäftstätigkeit haben. Als
wird der Gewinn in der Periode durch Gegenüber- Beispiel lässt sich in diesem Kontext die Ausschüt-
stellung der Erträge („income“) und Aufwendun- tung von Dividenden oder die Kapitalerhöhung nen-
gen („expenses“) erfasst. Der Rechenweg des nen (vgl. Thommen et al. 2017, S. 231). Nach IAS
Gesamtergebnisses muss anschließend die Dif- 1106 ist die Entwicklung jeder Komponente darzu-
ferenzierung zwischen dem Periodenergebnis stellen, die innerhalb der Berichtsperiode einen
(„profit or loss“) und dem sonstigen Ergebnis Bezug zum Eigenkapital aufweist.
(„other comprehensive income“) aufweisen. Die Darstellung der Vermögens- und Finanz-
Während das Periodenergebnis alle erfolgswirk- struktur wird im IFRS-Abschluss durch die
samen Erträge und Aufwendungen darstellt, wird Kapitalflussrechnung abgebildet. In diesem Zu-
das sonstige Ergebnis aus der Gegenüberstellung sammenhang soll der Adressat nach IAS 7.4
von erfolgsneutralen Erträgen und Aufwendun- zusätzlich zur Gewinn- und Verlustrechnung
gen erfasst. Beide Ergebnisse fließen in das Eigen- Informationen zur Liquidität und Solvenz des
kapital ein. Hierbei kann der Anwender wie nach Unternehmens erhalten. Hierbei soll unter dem
dem HGB zwischen dem Umsatzkosten- und Einfluss des Wechselkurses die Finanzmittelver-
Gesamtkostenverfahren wählen (vgl. Thommen änderung über die Periode hinweg aufgezeigt
et al. 2017, S. 231). werden (vgl. Thommen et al. 2017, S. 231). Die
Die Eigenkapitalveränderungsrechnung erfasst Kapitalflussrechnung muss in Staffelform aufge-
im Hinblick auf die Gesamtergebnisrechnung nicht stellt werden und besteht gem. IAS 7 aus den
nur das Periodenergebnis und das sonstige Ergebnis, Cashflows
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 77
Für die Passivseite ist eine „liability“ anzuset- Im Folgenden werden einzelne Bilanzposten
zen, wenn ein künftiger Mittelabfluss zu erwarten kurz charakterisiert und vorgestellt (vgl. Wöhe
ist. Als „liability“ gelten alle sicheren sowie unge- et al. 2016, S. 768):
wissen, aber wahrscheinlichen Verpflichtungen Bei den „intangible assets“ handelt es sich um
gegenüber Dritten (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 767). immaterielle Vermögensgegenstände („goodwill“,
„development costs“, „patents“, „licences“). Der
Gliederung der Bilanz Posten „property, plant and equipment“ entspricht
Aufgabe der Bilanzgliederung ist ein klarer und den Sachanlagen nach HGB (land and buildings,
übersichtlicher Einblick in die Vermögens-, plant, equipment). Der Aktivposten „investment
Schulden- und Liquiditätslage des Unternehmens. property“ enthält alle vermieteten Grundstücke
Die Bilanzgliederung nach IAS folgt der gleichen und Gebäude, z. B. von Versicherungen, zu Anla-
Grundstruktur wie das HGB. genzwecken. Die „non-current financial assets“
Es werden jedoch keine Rechnungsabgren- entsprechen den Finanzanlagen (investments in
zungsposten ausgewiesen. Sie gehören zu den subsidiaries, investments in associates, other
„current assets“ oder den „current liabilities“. Fer- investments). „Deferred taxes/Deffered tax liabili-
ner werden auch keine Rückstellungen ausgewie- ties“ sind als aktive oder passive latente Steuern
sen. Je nach Fristigkeit gehören sie zu den „non- gesondert als „non-current asset“ oder „non-current
current liabilities“ oder den „current liabilities“. liability“ auszuweisen.
Im Gegensatz zur HGB-Bilanz gibt es für die Der Posten „inventories“ entspricht den Vor-
IFRS-Bilanz kein verbindliches Mindestgliede- räten nach der Gliederungsstruktur des HGB (raw
rungsschema und keine Vorschriften bezüglich materials and supplies, work in progress, finished
Konto- oder Staffelform. goods and merchandises). Zu „trade and other
Ein vereinfachtes Bilanzgliederungsschema receivables“ gehören die Forderungen. Bei „cur-
für den Einzelabschluss einer Kapitalgesellschaft rent financial assets“ handelt es sich um Wertpa-
zeigt Abb. 43. piere des Umlaufvermögens, die zum kurzfristi-
Abb. 43 Vereinfachtes Gliederungsschema zur IFRS-Bilanz. (Quelle: Wöhe et al. 2016, S. 768)
80 C. J. Diederichs et al.
gen Verkauf bestimmt sind. „Cash and cash equi- die fortgeführten Anschaffungs- und Herstel-
valents“ entsprechen dem Posten „Kassenbe- lungskosten nicht dem Wert am Bilanzstichtag
stand, Sichtguthaben u. Ä.“ nach HGB. entsprechen. Wesentlich hierbei sind also die
„Issued capital“ und „reserves“ werden als Wertveränderungen im Laufe des Berichtsjahres.
gezeichnetes Kapital und als Rücklagen gesondert Anders als nach dem HGB verschreiben sich die
ausgewiesen. IFRS einem Bewertungsprinzip-Pluralismus. In-
Der Posten „non-current financial liabilities“ wieweit unrealisierte Wertveränderungen im
umfasst langfristige verzinsliche Verbindlichkei- Jahresabschluss auszuweisen sind, wird in den
ten. „Retirement benefit obligations“ sind Pen- IFRS undogmatisch geregelt. In abstrakter Form
sionsrückstellungen nach HGB. lassen sich drei Prinzipien unterscheiden (vgl.
„Trade and other payables“ sind Verbindlich- Wöhe et al. 2016, S. 771–772):
keiten aus Lieferungen und Leistungen sowie
sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten. Bei der • Das „totale Fair-Value-Prinzip“ gilt für Vermö-
Position „current financial liabilities“ handelt es genswerte, die unproblematisch zum „fair
sich um verzinsliche Verbindlichkeiten. Letzte value“ veräußert werden können.
Position auf der Passiv-Seite sind die „current • Das „partielle Fair-Value-Prinzip“ fordert in
provisions“, zu denen alle kurzfristigen Rückstel- allen Fällen den Ansatz des „fair value“ auf
lungen zählen, wie beispielsweise Garantie- und der Aktivseite der Bilanz
Steuerrückstellungen. • Das „Imparitätsprinzip“ wird angewendet,
wenn der „fair value“ bei Vermögenswerten
Bewertungsmaßstäbe und Bewertungsprinzi- nicht klar bestimmt werden kann oder der Ver-
pien kauf nicht ohne weiteres möglich ist.
Die wesentlichen Bewertungsmaßstäbe im IFRS-
Abschluss sind in der Zugangs- und Folgebewer- Ansatz und Bewertung ausgewählter Aktiva
tung zu finden. Grundsätzliche Unterschiede zum Der Ansatz und die Bewertung innerhalb des
HGB sind in den Herstellungskosten festzustellen Abschlusses nach IFRS werden hierbei für die
(„costs of conversion“). Durch die Aktivierungs- wichtigsten Posten auf der Aktivseite in kurzer
pflicht für produktionsbezogene Gemeinkosten Form vorgestellt:
gelangen die IFRS zu einem Vermögensausweis Die Sachanlagen werden gem. IAS 16 nach
ohne stille Rücklagenbildung. Vermögenswerte, dem Anschaffungskostenmodell, gefolgt vom Im-
die zeitlich begrenzt nutzbar sind, müssen plan- paritätsprinzip, bewertet. Dies entspricht dem
mäßig abgeschrieben werden. Im Anschluss Abschluss nach HGB. Die Bilanzierung von
gelangt man in den folgenden Perioden zu fortge- immateriellen Vermögenswerten wird in dem
führten Anschaffungs- und Herstellkosten („car- IFRS-Standard der IAS 38 geregelt. Die Bilanzie-
rying amount“). In der Folgebewertung spielt der rung und Bewertung der Vorräte („inventories“)
beizulegende Zeitwert („fair value“) eine große sind in IAS 2 geregelt, die Bilanzierung langfris-
Rolle. Des Weiteren sind der erzielbare Nettover- tiger Fertigungsaufträge („construction con-
äußerungswert („net realisable value“) sowie der tracts“) dagegen in IAS 11. Diese haben für die
fiktive Veräußerungs- oder Nutzungswert („reco- Bauwirtschaft besondere Bedeutung, insbeson-
verable amount“) im IFRS-Abschluss wiederzu- dere, wenn sie sich über mehrere Geschäftsperio-
finden (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 770). den erstrecken. Nach HGB werden diese Aufträge
Im Grunde wird zwischen einer Zugangsbe- bis zum Jahr der Fertigstellung zu Herstellungs-
wertung und einer Folgebewertung unterschie- kosten bilanziert. Der Gesamterfolg = Erlös ./.
den. In der Zugangsbewertung wird zum An- Herstellungskosten wird in dem Geschäftsjahr
schaffungszeitpunkt der Anschaffungspreis mit der Abnahme und Schlussabrechnung ausgewie-
dem „fair value“ gleichgesetzt. In der Folgebe- sen. In den vorangegangenen Geschäftsjahren/
wertung wird die Frage des „richtigen“ Wertan- Bauperioden werden keine Erfolge ausgewiesen.
satzes zum Stichtag beantwortet. Hierbei gilt, dass Damit wird das Prinzip der Vergleichbarkeit der
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 81
Abb. 44 „Income statement“ nach dem Gesamtkostenverfahren. (Quelle: Wöhe et al. 2016, S. 786)
Abb. 46 Grundstruktur der Eigenkapitalveränderungsrechnung nach IFRS. (Quelle: Wöhe et al. 2016, S. 790)
84 C. J. Diederichs et al.
• zur Herstellung und Verwertung der betriebli- Ausgabewirksame und nicht ausgabewirksa-
chen Leistung, me Kosten
• zur Aufrechterhaltung der hierfür notwendigen Ausgabewirksame Kosten sind solche, die inner-
Betriebsbereitschaft und halb der Abrechnungsperiode zu Ausgaben füh-
• zur Vorhaltung der hierfür notwendigen Kapa- ren (z. B. Löhne und Gehälter, Baustoff- und Be-
zitäten. triebsstoffkosten).
Nicht ausgabewirksame Kosten sind solche, die
Für Zwecke der Kalkulation empfiehlt es sich, außerhalb der Abrechnungsperiode oder auch nie-
Kosten nach weiteren Kriterien einzuteilen. mals zu Ausgaben führen (z. B. die kalkulatori-
schen Kostenarten für Abschreibung, Verzinsung,
Variable und fixe Kosten Wagnis, Unternehmerlohn sowie Rückstellungen).
Variable und fixe Kosten beschreiben das Kosten- Tilgungszahlungen sind Ausgaben, die keine
verhalten bei Änderungen der Ausbringungs- Kosten darstellen, sondern lediglich den Ersatz
menge bzw. des Beschäftigungsgrades. Variable von Fremdkapital durch Eigenkapital.
Kosten verändern sich dabei entweder
Ist- und Soll-Kosten
• im gleichen Verhältnis (proportionale Kosten), Hierbei handelt es sich um die Unterscheidung
• schneller (progressive Kosten) oder nach dem Genauigkeitsgrad der Kostenfaktoren.
• langsamer (degressive Kosten). Bei den Sollkosten der Sollmengen werden die
bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geplanten
Fixe Kosten ändern sich bei Veränderung der Faktormengen (gemäß Sollbaufortschritt) mit
Ausbringungsmenge bzw. des Beschäftigungs- geplanten (kalkulierten) Faktorpreisen bewertet.
grades nicht (Bereitschaftskosten). Bei den Sollkosten der Ist-Mengen werden die
Ist-Mengen mit geplanten Preisen bewertet. Die
Ist-Kosten der Ist-Mengen bewerten die effektiv
Zeitabhängige und zeitunabhängige Kosten
erreichten Mengen zu einem Stichtag mit effektiv
Zeitabhängige Kosten verändern sich mit der
entstandenen Faktorpreisen. Die Trendkosten der
Bauzeit, d. h. erhöhen sich bei einer Verlängerung
Sollmengen, bewertet zum Kontrollzeitpunkt, las-
bzw. vermindern sich bei einer Verkürzung
sen den Trend der Abweichungen zwischen Soll-
(z. B. Vorhaltekosten der Geräte). Zeitunabhängi-
und Ist-Kosten erkennen, sofern keine Anpas-
ge Kosten entstehen dagegen unabhängig von der
sungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Bauzeit (z. B. Materialkosten).
Diese Unterscheidungen werden in Abb. 48
Einzel- und Gemeinkosten veranschaulicht.
Einzel- und Gemeinkosten werden nach der Kos-
tenzurechenbarkeit unterschieden. Aufwands- und Leistungswerte
Einzelkosten oder auch direkte Kosten können Aufwandswerte benennen die erforderlichen (Soll)
einem Erzeugnis verursachungsgemäß unmittel- oder tatsächlichen (Ist) Arbeits- bzw. Lohnstun-
bar zugerechnet werden; sie sind meistens varia- den, die für die Herstellung einer Mengeneinheit
ble Kosten (z. B. bauleistungsbezogene Arbeits- einer bestimmten Bauleistung benötigt werden.
löhne und Stoffkosten). Für Zwecke der Kalkulation interessieren nur
Gemeinkosten sind solche Kosten, die einem die zu bezahlenden Lohnstunden, ggf. einschließ-
Erzeugnis nicht direkt, sondern nur mit Hilfe von lich aller Überverdienste aus Leistungslohn- oder
Umlageschlüsseln zugerechnet werden können. Prämienvereinbarungen. Für die Arbeitsvorberei-
Für die Kalkulation bedeutet dies, dass sie nicht tung und Kapazitätseinsatzplanung interessieren
bei den einzelnen Teilleistungen erfasst, sondern dagegen die zu leistenden Arbeitsstunden vor
getrennt kalkuliert und als Zuschlag (Umlage) Ort in der Vorfertigung, beim Transport und auf
zugerechnet werden müssen. der Baustelle.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 87
Beispiele: (nach Berner et al. 2014, S. 35) Leistungswerte benennen die je Kolonnen-
• Einbauen und Verdichten von Beton oder Gerätestunde zu erbringenden (Soll) oder
! 0,5 bis 1,5 h/m3 tatsächlich erbrachten (Ist) Mengeneinheiten.
• Schalen von Wänden
! 0,4 bis 1,0 h/m3 Leistungswert
• Verlegen von Bewehrungsstahl geleistete Gesamtmenge Einheit
¼
! 8 bis 20 h/t Arbeitsstunden h
und Leistungswerten aus der Fachliteratur ist stets 4.2 Elemente und Ablauf der
zu prüfen, ob und inwieweit die jeweils angenom- Kalkulation
menen Voraussetzungen und Randbedingungen
gegeben sind. Aufwands- und Leistungswerte Zur Erläuterung der Elemente der Kalkulation
sind ein wichtiger Erfahrungsschatz der bauaus- dienen Abb. 49 und 50.
führenden Unternehmen. Sie unterscheiden sich
jedoch zwischen Firmen gleicher Personalstruktur Einzelkosten der Teilleistungen (EKT)
und gleichen Mechanisierungsgrades nicht we- In der KLR Bau werden die Einzelkosten der
sentlich, sondern unterliegen vielmehr einer dyna- Teilleistungen in eine empfohlene Mindestgliede-
mischen Veränderung im Zeitablauf durch den rung von fünf Kostenartengruppen (Lohn- und
Produktivitätsfortschritt. Zum Zeitpunkt einer Gehaltskosten, Materialkosten, Gerätekosten,
Ablaufplanung bietet es sich an, die verwendeten Nachunternehmerleistungen und Sonstige Kos-
Aufwands- und Leistungswerte mit eigenen ten) eingeteilt.
Erfahrungs- und Literaturwerten zu vergleichen
(vgl. Siebers et al. 2018, S. 102). Lohn- und Gehaltskosten
Bei den Aufwands- und Leistungswerten ist Die Lohnkosten umfassen die Löhne der gewerb-
eine möglichst realistische auftragsspezifische lichen Arbeitnehmer (Arbeiter) im Sinne des
Ermittlung in Abhängigkeit von den aufwands- Manteltarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV)
oder leistungsbestimmenden Einflussfaktoren so- und der Entgelttarifverträge (TV Lohn/West bzw.
wie die auftragsbegleitende Überprüfung dieser Ost) sowie die Gehälter der Poliere nach den Ent-
Werte auf Einhaltung und die Aktualisierung/ gelttarifverträgen (TV Gehalt/West bzw. Ost).
Fortschreibung der Vorgabewerte aufgrund der Hierzu gehören die Tariflöhne einschließlich
gewonnenen Erfahrungen vorzunehmen. Bauzuschlag, Leistungs- und Prämienlöhne, über-
Umsatzsteuer
Gewinn
Brutto-Angebotssumme
Schlüssel-
Netto-Angebotssumme
Allgemeine Geschäftskosten
nach Skonto und Nachlass
Netto-Angebotssumme
Nach
z= monatlicher Anteil für Verzinsung vom r = monatlicher Anteil vom mittleren Neu-
mittleren Neuwert wert für Reparatur in %
p= kalkulatorischer Zinssatz i.H.v. 6,5 % R = monatlicher Reparaturkostenbetrag.
92 C. J. Diederichs et al.
Die Reparaturkosten R gliedern sich in 30 % ladungen, Transporte, Auf-, Um- und Abbau den
Instandhaltung und 70 % Instandsetzung. Bei der Sonstigen Kosten (SoKo) zugeschrieben (vgl.
Aufteilung nach Kostenarten werden 60 % für Kattenbusch et al. 2017, S. 39).
Lohnkosten (ohne Lohnnebenkosten und lohn- Für die Gerätebedienung wird für die War-
stundenbezogene Zuschläge) und 40 % für Stoff- tungs- und Pflegearbeiten außerhalb der baustel-
kosten angenommen (vgl. Leimböck et al. 2015, lenüblichen Arbeitszeit ein Überstundenanteil
S. 21). von etwa 10 % der baustellenüblichen Arbeitszeit
Da Gerätekosten zeitabhängig sind, kommen angenommen. Für die Gerätekosten bestehen je
für ihre Ermittlung die Vorhalte-, Einsatz-, Be- nach Art der Ausschreibung im Leistungsver-
triebs- und Stillliegezeit in Betracht. Nach BGL zeichnis drei Zuordnungsmöglichkeiten:
2015 entspricht ein Vorhaltetag 8 Vorhaltestunden
und ein Vorhaltemonat 30 Kalendertagen bzw. • in den Einzelkosten der Teilleistungen als
170 Vorhaltestunden bzw. 170/8 Vorhaltetagen. eigene Positionen, z. B. Einrichten, Vorhalten
Gerätekostenermittlungen für die Vorhaltezeit und Räumen der Baustelle,
werden überwiegend für solche Geräte ange- • als Bestandteil der Einzelkosten der Teilleis-
wandt, die während längerer Zeit auf der Baustelle tungen, z. B. Baggerkosten im Einheitspreis
vorgehalten werden müssen, ohne jedoch immer für den Erdaushub oder
in Betrieb zu sein (Hebezeuge und Baustellen- • in den Gemeinkosten der Baustelle wegen fehlen-
ausstattungen im Hoch- und Ingenieurbau). der direkter Zurechnungsmöglichkeit, z. B. Turm-
Gerätekostenermittlungen über die Einsatz- drehkrane für die gesamten Rohbauarbeiten.
oder Betriebszeit werden v. a. für Leistungsgeräte
durchgeführt, die bestimmten Teilleistungen zuge- Kosten für Nachunternehmerleistungen
ordnet werden können (Erdbaugeräte, Geräte für Der Nachunternehmer unterscheidet sich vom
Straßen- und Gleisoberbau). Fremdunternehmer dadurch, dass der Nachunter-
Bei Stilliegezeiten innerhalb einer Vorhaltezeit nehmer eine abgeschlossene Leistung inkl. der Ge-
von mehr als 10 aufeinanderfolgenden Arbeitsta- währleistung übernimmt, d. h. sowohl das Material
gen gelten und die Ausführung z. B. bei der Mauerwerkser-
stellung, während ein Fremdunternehmer nur Teil-
• für die ersten 10 Kalendertage die volle leistungen z. B. als Werklohnunternehmer ohne
Abschreibung und Verzinsung sowie die vol- Gewährleistungsverpflichtungen übernimmt. In
len Reparaturkosten, die Angebotskalkulation werden die Kosten der
• vom 11. Kalendertag an 75 % der Abschrei- Nachunternehmer und der Fremdarbeit als Einzel-
bung und Verzinsung sowie 8 % der Abschrei- kosten der Teilleistungen aus der Anfrage des
bung und Verzinsung für Wartung und Pflege; Hauptunternehmers an potentielle Nachunterneh-
Reparaturkosten entfallen. mer „in der ersten Runde“ eingesetzt. Erhält dann
der Hauptunternehmer den Auftrag, so wird i. d. R.
Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass für „in der zweiten Runde“ nachverhandelt.
die Höhe der Gerätekosten der Ausnutzungs- oder
Beschäftigungsgrad von entscheidender Bedeu- Sonstige Kosten
tung ist, d. h. das Verhältnis zwischen Vorhalte- Zu den Sonstigen Kosten werden gemäß KLR Bau
monaten und Nutzungsjahren. 2016 Kosten zugerechnet, die nicht direkt den
Weitere gerätebezogenen Kosten werden meist anderen Kostenartengruppen (Lohn- und Gehalts-
anderen Kostenartengruppen zugewiesen. So kosten, Materialkosten, Gerätekosten, Nachunter-
werden Kosten, die dem Betrieb und der Bedie- nehmerleistungen) zugewiesen werden können.
nung der Geräte zugeordnet werden, wie bei-
spielsweise die Lohnkosten des Baugeräteführers, Gemeinkosten (GK) der Baustelle
der Kostenartengruppe Lohn und die Betriebs- Gemeinkosten (GK) der Baustelle sind solche
stoffkosten des Baugerätes sowie Kosten für Ver- Kosten, die durch das Betreiben der Baustelle als
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 93
Ganzes entstehen und sich keiner Teilleistung reitung, Vermessung und Abrechnung sowie
direkt zuordnen lassen. Sie werden gesondert die Kosten für notwendige Baustoffprüfungen
berechnet und bei der Bildung der Einheitspreise und Bodenuntersuchungen.
den Teilleistungen als Bestandteil der Kalkula- • Zeitunabhängige Sonderkosten:
tionszuschläge zugerechnet. Zeitunabhängige Sonderkosten entstehen aus
Sind im Leistungsverzeichnis für Teile der Sonderwagnissen der Bauausführung und be-
Gemeinkosten besondere Positionen vorhanden, sonderen Bauversicherungen. Sonderwagnis-
z. B. für das Einrichten und Räumen der Baustelle se der Bauausführung bergen z. B. noch nicht
sowie das Vorhalten der Baustelleneinrichtung, so erprobte Bauverfahren, drohende Vertrags-
sind die Kosten hierfür wie Einzelkosten der Teil- strafen aus Terminüberschreitungen und Ge-
leistungen zu behandeln. fährdungen durch Hochwasser. Besondere
Voraussetzung für die Ermittlung der Gemein- Bauversicherungen werden speziell für ein
kosten der Baustelle ist ein genaues Durchdenken Bauprojekt abgeschlossen, wie z. B. Bauleis-
des gesamten Bauauftrags. Die zeitliche Abfolge tungsversicherungen. Zu zeitunabhängigen
der verschiedenen Teilleistungen ist mit Hilfe Sonderkosten gehören auch Lizenzgebühren,
eines Bauzeitenplanes zu ermitteln, der auch als die infolge eines patentgeschützten
Grundlage zur Bestimmung der Kapazitäten dient Bauverfahrens entstehen, und Winterbaukos-
(Belegschaftsstärke und Geräteausstattung). Die ten, die für Winterbauschutzmaßnahmen
Auswirkungen von Bauzeitveränderungen auf anzusetzen sind.
die Gemeinkosten werden deutlich sichtbar, wenn
man eine Trennung in zeitabhängige und zeitun- Zeitabhängige Gemeinkosten der Baustelle
abhängige Anteile vornimmt (Tab. 11). Dazu zählen:
Zeitunabhängige Zeitabhängige
Kosten Kosten
1. Kosten für das Einrichten und Räumen der Baustelle x
An- und Abtransport sowie Verladen der
o
Baustelleneinrichtung einschließlich Geräte
Auf-, Um- und Abbau der Baustelleneinrichtung
o
einschließlich Geräte
Erstellen, Instandhalten und Beseitigen von Zufahrten,
o
Wegen, Zäunen und Plätzen
Erstausstattung für Büros, Unterkünfte und Sanitäranlagen o
2. Vorhaltekosten x
Geräte o
Besondere Anlagen o
Container o
Fahrzeuge o
Einrichtungsgegenstände, Büroausstattung o
IT-Ausstattung o
Rüst-, Schal- und Verbaumaterial o
3. Betriebs- und Bedienungskosten x
Geräte o
Besondere Anlagen o
Container o
Fahrzeuge o
4. Kosten der örtlichen Bauleitung x
Gehaltskosten (TK/P) einschließlich gehaltsgebundene
o
Kosten und Gehaltsnebenkosten
Aufsichtskosten, soweit nicht im Mittellohn enthalten o
Porto, Telefon, Büromaterial, IT-Ausstattung o
PKW- und Reisekosten o
Bewirtung und Werbung o
5. Kosten der technischen Bearbeitung, Konstruktion und
x
Kontrolle
Konstruktive Bearbeitung o
Arbeitsvorbereitung o
Baustoff- und Bodenuntersuchungen o
Vermessung und Abrechnung o
6. keine einheitliche
Allgemeine Baukosten
Zuordnung
Hilfslöhne o
Transportkosten zur Versorgung der Baustelle o
Pachten und Mieten o
Kleingeräte, Werkzeuge und sonstige Verbrauchsstoffe o
Bauzinsen o
Avalkosten o
7. keine einheitliche
Sonderkosten
Zuordnung
Sonderwagnisse der Bauausführung o
Besondere Bauversicherungen o
Besondere Finanzierungskosten o
Lizenzgebühren o
Winterbaukosten o
8. Lohngebundene Kosten sowie Lohnnebenkosten (AP), keine einheitliche
wenn nicht im Mittellohn enthalten Zuordnung
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 95
soll aber auch eine angemessene Vergütung für anderen periodischen Druckschriften (mit Aus-
die Leistung des Unternehmens in wirtschaftli- nahmen),
cher, technischer und organisatorischer Hinsicht • Beförderung im öffentlichen Personennahver-
sein. In einer Marktwirtschaft mit Wettbewerbs- kehr innerhalb von Gemeinden und auf Stre-
preisen entscheidet jedoch der Markt und damit cken < 50 km.
die Intensität der Nachfrage und des Angebots
über den möglichen Gewinnzuschlag. Der Markt Steuerbefreit sind Umsätze aus Lieferungen
interessiert sich nicht für die Selbstkosten des und sonstigen Leistungen (Auszug aus § 4
Unternehmers. UStG):
Nach der KLR Bau 2016 ist der Wagnisanteil
kein Preisbestandteil, da das Wagnis als Teil des • Ausfuhrlieferungen,
Unternehmensrisikos zu bewerten ist. Das bisher • Universaldienstleistungen der Deutschen Post,
gesondert ausgewiesene Wagnis ist daher ein • der Seeschifffahrt und Luftfahrt,
Bestandteil des Gewinns und kein selbstständiger • der Eisenbahnen des Bundes auf Gemein-
Begriff (vgl. KLR Bau 2016, S. 40). Trotzdem schaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen,
wird dieser Begriff verwendet, so zum Beispiel Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstre-
im Bauvertragsrecht gemäß BGB nach aktueller cken an Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im
Fassung (§ 650c Abs. 1 BGB). Ausland,
• für die Personenbeförderungen im Passagier-
Skonto und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die
Der Skonto ist ein Preisnachlass bei Zahlung inner- Seeschifffahrt zwischen inländischen Seehäfen
halb einer bestimmten Frist. Mit Hilfe des Skontos und der Insel Helgoland,
bekommt der Auftraggeber einen Rabatt auf den • für die meisten Bank- und Finanzdienstleistun-
Forderungsbetrag, wenn er die Rechnung inner- gen für Privatpersonen,
halb einer gekürzten Zahlungsfrist tatsächlich • die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen,
bezahlt. Durch das Skonto sichert sich der Auftrag- • die unter das Versicherungsgesetz fallen.
nehmer eine schnelle Bezahlung der Rechnung
und einen frühzeitigen Liquiditätszufluss. Kalkulationsverfahren
Im Baugewerbe werden wegen der Unikat- und
Nachlass Einzelfertigung auf immer wieder neuen Bau-
Ein Nachlass führt zur Verringerung des vom stellen mit jeweils auftragsspezifischen Produk-
Auftraggeber zu zahlenden Preises und wird übli- tionsbedingungen Verfahren der Zuschlagskal-
cherweise im Rahmen der Vertragsverhandlungen kulation angewandt im Gegensatz zu in der
vereinbart. stationären Industrie üblichen anderen Verfah-
ren wie der Divisionskalkulation. Dazu ist aller-
Umsatzsteuer dings festzustellen, dass sich die „Kalkulation“
Die Umsatzsteuer ist eine Mehrwertsteuer. Der bei kleinen, aber auch mittleren Bauunterneh-
Regelsteuersatz für jeden steuerpflichtigen Um- men vielfach noch darauf beschränkt, Einheits-
satz beträgt seit dem 01.01.2007 19 % auf die preise in die Blankette der Leistungsverzeich-
Nettoabrechnungswerte (§ 12 Abs. 1 UStG). Sie nisse aus der Erfahrung hineinzuschreiben,
gilt auch für Abschlagsrechnungen (§ 16 Nr. 1 ohne sie durch vorkalkulatorische Kostener-
Abs. 1 VOB/B). mittlungen zu untermauern. Größere Bauunter-
Für bestimmte Umsätze gilt gemäß § 12 Abs. 2 nehmen neigen andererseits vermehrt dazu, die
UStG und Anlage 2 ein ermäßigter Steuersatz in Kalkulation auf das Einholen von Nachunter-
Höhe von 7 % (Auszug): nehmerangeboten zu beschränken, da der Ei-
genleistungsanteil zunehmend reduziert wird.
• Lieferung von Lebensmitteln, Beide Vorgehensweisen sind abzulehnen, da
• Lieferung von Büchern, Broschüren und ähn- die Fähigkeit zu eigenständiger Kalkulation
lichen Druckeerzeugnissen, Zeitungen und fehlt oder verloren geht.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 97
Bei der Zuschlagskalkulation ist das Verfahren gen. Infolge der auftragsspezifischen Ermittlung
mit vorbestimmten Zuschlägen vom Verfahren der Gemeinkosten der Baustelle engt dieses Kal-
über die Angebotsendsumme, d. h. mit auftrags- kulationsverfahren das Risiko von Kalkulations-
spezifischer Gemeinkostenermittlung, zu unter- fehlern erheblich ein. Daher sollte es für alle
scheiden. größeren Rohbauaufträge gewählt werden, insbe-
sondere für solche des konstruktiven Ingenieur-
Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen hoch- und -tiefbaus (Abb. 53).
Sie kommt nur für solche Aufträge in Betracht,
deren Kostenartenstruktur im Wesentlichen mit Ablauf der Kalkulation
der anderer Aufträge vergleichbar ist. Dabei wer- Die Maßnahmen zur Bearbeitung einer Angebots-
den die aus der Baubetriebsrechnung oder aus kalkulation gliedern sich in Vorarbeiten, die
vergleichbaren Aufträgen ermittelten Zuschläge eigentliche Angebotsbearbeitung und firmenpoli-
für die Kalkulation verwendet (Abb. 52). tische Abschlussarbeiten.
Dieses Verfahren wird überwiegend für Roh-
bauangebote einfachen und mittleren Schwierig- Vorarbeiten
keitsgrades sowie für sämtliche Technik- und Zunächst ist anhand der vorliegenden Ausschrei-
Ausbauangebote angewandt, sofern die Einheits- bungsunterlagen zu entscheiden, ob die anzubie-
preise nicht aus dem Gedächtnis heraus eingesetzt tende Leistung fachlich, kapazitiv und von der
werden. Konkurrenzsituation her so attraktiv ist, dass der
mit der Angebotsbearbeitung verbundene Ar-
Kalkulation über die Angebotsendsumme beitsaufwand gerechtfertigt ist (Prozesshürde
Bei der Kalkulation über die Endsumme werden Start Angebotsbearbeitung).
die Gemeinkosten der Baustelle für jeden Bau-
auftrag gesondert ermittelt. Daher ergeben sich
jeweils unterschiedlich hohe Zuschläge auf die
Einzelkosten der Teilleistungen. Die Allgemeinen
Geschäftskosten sowie der Zuschlag für Wagnis
und Gewinn werden auch hier mit vorberechneten
Zuschlagssätzen den Herstellkosten zugeschla-
Abb. 52 Ablauf der Kalkulation mit vorbestimmten Abb. 53 Ablauf der Kalkulation über die Angebotsend-
Zuschlägen summe
98 C. J. Diederichs et al.
Sodann sind die in den Vergabeunterlagen enthal- Zuschlägen für eine Stützwand gezeigt werden
tenen kostenwirksamen Vorgaben zu ermitteln, z. B.: (Tab. 12).
Die Kalkulation wird in folgenden Schritten
• Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten, durchgeführt (KLR Bau 2016, S. 42–51):
• Vertragsstrafen,
• Sicherheitseinbehalte, • Ermittlung des Mittellohns:
• Aufhebung von Bedingungen der VOB/B, Im Beispielprojekt „Stützwand“ wird der Mit-
• Einschluss von Besonderen Leistungen gemäß tellohn 34,07 €/h (ASL) angenommen.
VOB/C in die vertraglichen Leistungen, • Ermittlung der Gemeinkostenzuschläge:
• Lieferung von Ausführungsunterlagen, Im Beispielprojekt „Stützwand“ wird ein
• örtliche Verhältnisse. Zuschlagssatz i.H.v. 18,65 % auf die Kosten-
arten Material und Geräte angesetzt. Auf die
Anschließend ist die Angebotsbearbeitung Lohnkosten wird ein Prozentsatz von 40,12 %,
zeitlich und personell einzuplanen und zu prüfen, die Sonstigen Kosten von 17,60 % und die
ob Änderungsvorschläge oder Nebenangebote in Kosten für Nachunternehmerleistungen von
Betracht kommen. 15,50 % übernommen.
Bei Unklarheiten oder Lücken in den Vergabeun- • Ermittlung der Einzelkosten:
terlagen sind in Wahrnehmung der Prüfungspflicht In diesem Schritt werden die Einzelkosten
des Bieters Auskünfte beim Auslober einzuholen. je Einheit der LV-Position ohne Zuschlag,
Leistungspositionen, für die Pauschalpreise getrennt nach den Kostenartengruppen (Lohn,
angegeben werden sollen, erfordern die Ermitt- Material, Geräte, NU und SoKo) ermittelt.
lung der fehlenden Mengenangaben. Einzelne • Preisfindung:
Bauteile sind ggf. konstruktiv zu bearbeiten wie Hier werden die Einheitspreise mit den zuvor
die Bemessung von Lehrgerüsten oder von Bau- angesetzten vorbestimmten Zuschlägen für
grubenverbaukonstruktionen. Gemeinkosten und Gewinn ermittelt.
Ferner sind seitens der Arbeitsvorbereitung • Aufsummierung:
Angaben zu liefern über Art, Anzahl und Einsatz- Im letzten Schritt werden durch Multiplikation
dauer der benötigten Arbeitskräfte, Betriebsmittel der Einheitspreise mit den Mengen, die jewei-
und Geräte. Gemeinsam mit der Arbeitsvorberei- ligen Positionspreise ermittelt und anschlie-
tung sind Bauablaufpläne mit zeitlicher Abfolge ßend zur Nettoangebotssumme aufsummiert.
der Arbeiten aufgrund der vorgegebenen Ver- Für die Stützmauer ergibt sich eine Nettoange-
tragstermine unter Berücksichtigung wirtschaftli- botssumme i.H.v. 126.130,48 €.
cher Arbeitsverfahren sowie der technologischen,
betrieblichen und äußeren Abhängigkeiten zu ent- Beispielhaft setzt sich der Einheitspreis der
wickeln. Ferner ist ein Baustelleneinrichtungsplan Fundamentschalung (Pos. 2.03) von 47,56 €/m2
für den Einsatz der erforderlichen Großgeräte zu wie folgt zusammen:
entwerfen. In der Praxis wird die Arbeitsvorberei-
tung häufig erst nach Auftragserteilung einge- Einzelkosten der Teilleistungen (EKT)
Löhne 0,75 h 34,07 €/h 25,55 €/m2
schaltet. Dadurch entstehen jedoch oft vermeid-
SoKo 10,00 €/m2
bare Kalkulationsfehler.
35,55 €/m2
Für Leistungen, die nicht vom eigenen Unter- Gemeinkosten-/Schlüsselkostenzuschlag
nehmen erbracht werden sollen oder können, sind auf Löhne 25,55 €/m2 40,12 % 10,25 €/m2
Subunternehmerangebote einzuholen. auf SoKo 10,00 €/m2 17,60 % 1,76 €/m2
12,01 €/m2
Ermittlung der Einheitspreise für die LV-Posi- Einheitspreis 47,56 €/m2
tionen
Das Kalkulationsverfahren soll zunächst am In der Pos. 2.05 „Wandbeton C20/25 ein-
Beispiel einer Kalkulation mit vorbestimmten schließlich Schalung und Bewehrung“ sind in
Tab. 12 Ermittlung der Einheitspreise über die Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen
EKT (ohne Zuschlag) EKT (mit Zuschlag) Angebotspreise
Stunden Lohn Material Geräte SoKo NU Lohn Material Geräte SoKo NU EP GP
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen
die Ermittlung der Einzelkosten das Einrichten, Gesamtzuschlag in % auf die Herstellkosten
Vorhalten und Räumen der Baustelleneinrichtung (von unten), Zeile 8 die Ausmultiplikation und
sowie Betriebskosten hinzugerechnet worden. Zeile 9 die Angebotssumme ohne Mehrwertsteuer
Infolgedessen ergibt sich hier der gegenüber dem durch Addition von Herstellkosten sowie AGK
Fundamentbeton mit 112,86 €/m3 ein wesentlich und Gewinn (inkl. Wagnis).
höherer Einheitspreis von 623,01 €/m3. Würden Zur Ermittlung der Zuschlagssätze und des
diese Anteile den Gemeinkosten der Baustelle Angebotslohnes werden zunächst in Zeile 10 die
zugerechnet, so müssten der Kalkulationslohn Einzelkosten der Teilleistungen aus Zeile 1 von
und der Zuschlag auf sonstige Kosten entspre- der Angebotssumme in Zeile 9 abgezogen. Damit
chend erhöht werden, der Einheitspreis für den ergeben sich in Zeile 11 die umzulegenden
Wandbeton würde entsprechend sinken. Schlüsselkosten. In Zeile 12 werden die für die
Beim Verfahren über die Angebotsendsumme Vorabumlage auf alle Kostenarten außer Löhne
sind folgende Schritte durchzuführen (KLR Bau gewählten Zuschläge aufgeführt. Daraus ergeben
2016, S. 52–58): sich die Vorabumlagen in Zeile 13, die als Summe
von den Schlüsselkosten abgezogen werden.
• Ermittlung der Einzelkosten je Einheit der Damit verbleibt in Zeile 14 eine Restumlage als
LV-Position ohne Zuschlag, getrennt nach den zu verrechnender Zuschlag auf die Lohnkosten in
gewählten fünf Kostenarten (Lohn, Material, Zeile 16. Daraus ergibt sich in Zeile 17 ein Kal-
Geräte, NU und SoKo) und Summierung je kulationslohn (Angebotslohn) in Höhe von
Kostenart; 63,80 €/h.
• Ermittlung der Gemeinkosten der Baustelle Anschließend werden die gewählten Vorabum-
(Tab. 14); lagen aus Zeile 13 als Zuschlagsfaktoren und der
• Ermittlung der Selbstkosten: In diesem Schritt Angebotslohn aus Zeile 17 in die Kopfzeile der
wird zu den Herstellkosten (EKT+BGK) ein Tab. 13 übernommen. Damit ergeben sich die
Zuschlag addiert, um die Allgemeinen Ge- Einheitspreise und durch Multiplikation mit den
schäftskosten (AGK) zu decken (Tab. 15). Mengen aus Spalte 2 die Gesamtpreise sowie eine
• Gewinnzuschlag: Zur Ermittlung der Ange- Angebotssumme von netto 146.859,10 €.
botssumme wird den Selbstkosten der Gewinn Für die Wahl der Zuschlagssätze, nach denen
in Form eines prozentualen Zuschlagssatzes die Schlüsselkosten auf die Einzelkosten der Teil-
hinzugerechnet (Tab. 15). leistungen umgelegt werden, besteht die Möglich-
• Ermittlung des Gesamtumlagebetrages als keit der Vorabumlagen und Restumlagen oder
Gesamtsumme der Baustellengemeinkosten aber eines einheitlichen Zuschlagssatzes für alle
(BGK), Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) Kostenarten. Diese Art der gleichmäßigen Vertei-
und des Gewinns (Tab. 15). lung der Schlüsselkosten ist bei Auslandsaufträ-
• Ermittlung der Einheitspreise zur anschließenden gen wegen des hohen Schlüsselkostenanteils
Berechnung der Angebotssumme (Tab. 13). durchaus gebräuchlich, in Deutschland jedoch
nicht üblich. Sie hat den Vorteil, dass Mengen-
Im Kalkulationsschlussblatt (Tab. 15) werden minderungen in einzelnen Positionen keine Min-
in Zeile 1 die Summen der Einzelkosten der Teil- derung der Schlüsselkosten bewirken, solange die
leistungen ohne Zuschlag übernommen. In Zeile Angebotssumme durch Mengenmehrungen in
2 werden die Gemeinkosten der Baustelle als anderen Positionen oder Zusatzleistungen per
Summenzeile aus Tab. 14 eingetragen. Die Addi- Saldo nicht unterschritten wird. Dieser einheitli-
tion von Zeile 1 und Zeile 2 ergibt in Zeile 3 die che Zuschlagssatz für alle Kostenarten ist auf
Herstellkosten. Stoffe, Geräte und Nachunternehmerleistungen
In den Zeilen 4 bis 6 werden die vorbestimm- deutlich höher und auf Löhne deutlich niedriger
ten Zuschläge für AGK sowie Gewinn (inkl. Wag- als bei den in Deutschland gewohnten Vorabum-
nis) in % der Angebotssumme (von oben) aufge- lagen und den sich danach einstellenden Restum-
führt. Zeile 7 enthält nach Umrechnung den lagen auf Löhne.
Tab. 13 Ermittlung der Einheitspreise über die Angebotsendsumme
EKT (mit Angebots-
EKT Zuschlag) preise
Stunden Lohn Material Geräte SoKo NU EKT Lohn Material Geräte SoKo NU EP GP
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen
Abb. 54 Deckungsbeitrag
sowie Kosten- und
Erlösverlauf
fixen Kosten ermittelt. Bei sinkender Beschäfti- Abschreibung und Verzinsung der Maschinen
gung bzw. rückläufigem Umsatz führt dies und Geräte verzichtet werden.
zur Notwendigkeit einer Erhöhung der Zur Ermittlung der Preisuntergrenze bei vollstän-
Schlüsselkostenumlage. Hierdurch erhöhen digem Verzicht auf Deckung der Fixkosten werden
sich entsprechend die Angebotspreise des dagegen von der auf Vollkostenbasis errechneten
Unternehmens und verringern sich in marktwirt- Angebotssumme zusätzlich abgezogen:
schaftlichen Systemen seine Auftragschancen.
• Hat das Unternehmen jedoch bereits seine • Allgemeine Geschäftskosten sowie
Gewinnschwelle erreicht und die Fixkosten • Baustellengehaltskosten (örtliche Bauleitung,
gedeckt, so kann es zusätzliche Aufträge mit Poliere und technische Bearbeitung).
kurzen Durchführungszeiten unter teilwei-
sem oder völligem Verzicht auf Deckung
4.3 Baubetriebsrechnung (Kosten-,
weiterer Fixkosten hereinnehmen, um seine
Leistungs- und
Beschäftigungslage zu stabilisieren. Dies gilt
Ergebnisrechnung)
jedoch nur für solche Bauaufträge, die nach
Erreichen der Gewinnschwelle (z. B. im
Die Baubetriebsrechnung hat folgende Aufgaben:
September oder Oktober eines Geschäftsjah-
res) noch bis zum Jahresende abgewickelt wer-
• kostenstellenbezogene Ermittlungen für ei-
den können, da sonst das neue Geschäftsjahr mit
gene Baustellen und Gemeinschaftsbaustellen,
Aufträgen belastet wird, die keine Fixkosten
für Verwaltungsstellen sowie für Hilfsbetriebe
erwirtschaften.
und Verrechnungskostenstellen mit der Ziel-
setzung der Abgrenzung und Kontrolle von
Die Gefahr bei Anwendung der Deckungsbei- Verantwortungsbereichen, der Ermittlung der
tragsrechnung besteht darin, dass man sich über Kostenartenstruktur je Kostenstelle, der Ana-
eine nicht erreichte Fixkostendeckung hinweg- lyse der Ergebnisse nach Bausparten und der
setzt und diese von einer unbestimmten Zukunft Bildung innerbetrieblicher Verrechnungssätze
erhofft. Die Ermittlung der Preisuntergrenze bei und Kalkulationsvorgabewerte,
Aufrechterhaltung der Liquidität bietet sich u. U. • bereichsbezogene Ermittlungen für zusam-
dann an, wenn man die Liquidität des Unterneh- mengefasste Kostenstellen,
mens kurzfristig nicht verschlechtern will. Es • gesamtbetriebliche Ermittlungen zur Darstel-
kann dann für bis zum Jahresende abgeschlossene lung der Kostenarten-, Leistungsarten- und
Aufträge auf Gewinn (inkl. Wagnis) sowie Ergebnisstruktur,
106 C. J. Diederichs et al.
Wesentlichen der Kontenklasse 5 des BKR in der gen Preisnachlässen oder aus Mängeln zu berück-
Unternehmensrechnung. Die wesentliche Leis- sichtigen. Nur teilweise ausgeführte Positionen
tungsart sind Bauleistungen, bestehend aus sind entsprechend ihrem Fertigstellungsgrad zu
Hauptauftrag, Zusatz- und Nachtragsaufträgen. bewerten. Angelieferte, aber noch nicht einge-
Um zu einem bestimmten Stichtag eine Ab- baute Stoffe sind mit den um das Einbauen redu-
schlagsrechnung an den Auftraggeber stellen zu zierten Preisen in die Leistungsmeldung aufzu-
können, müssen alle Leistungen, die bis zum nehmen.
Stichtag erbracht wurden, in einer Leistungsmel-
dung erfasst werden. Dazu werden zunächst pro Leistungsstellenrechnung
Position des Leistungsverzeichnisses aus Ausfüh- In der Baubetriebsrechnung sind Leistungsstellen
rungsplänen oder durch Aufmaß die zum Stichtag identisch mit Kostenstellen und deren Gliederung.
erbrachten Mengen ermittelt. Diese werden mit
den im Einheitspreisvertrag festgelegten Einheits- Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen
preisen multipliziert. Anschließend werden die Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung be-
Nachtragsarbeiten und evtl. Stundenlohnarbeiten wertet den Tatbestand, dass zwischen den ver-
in gleicher Weise bewertet. Gegebenenfalls sind schiedenen Stellen des Baubetriebs ein ständiger
Leistungsberichtigungen aus Minderungen we- Leistungsaustausch stattfindet. Diese Leistungen
108 C. J. Diederichs et al.
müssen zunächst ermittelt und dann der empfan- • die einzelnen Baustellen oder alle Baustellen
genden Kostenstelle mit Hilfe von Verrechnungs- einer Sparte als Kostenstellen sowie
sätzen belastet und der abgebenden Stelle als • das Bauunternehmen als Ganzes als Kosten-
innerbetriebliche Leistung anhand interner Ver- stelle.
rechnungssätze gutgeschrieben werden.
Bei den Perioden, auf die Ergebnisse bezogen
Ergebnisrechnung werden können, unterscheidet man
Die Ergebnisrechnung ermittelt die Differenz zwi-
schen den erbrachten Bauleistungen und den • Abrechnungsperioden (z. B. Monat),
dadurch verursachten Kosten. Dabei ist zu unter- • Zeit vom Baubeginn bis zum vorherigen Stich-
scheiden zwischen Einzel- und Gesamtergebnis- tag,
sen für einzelne Aufträge (kostenstellen- und peri- • Zeit vom Beginn der Baustelle bis zum jewei-
odenbezogene Ergebnisse), für einzelne Bereiche ligen Stichtag,
(z. B. Abteilung Hochbau) oder für das gesamte • Zeit vom Beginn des Geschäftsjahres bis zum
Unternehmen. vorherigen Stichtag sowie
Die Objekte, auf die Kosten und Leistungen • Zeit vom Beginn des Geschäftsjahres bis zum
bezogen und für die damit Ergebnisse ermittelt jeweiligen Stichtag.
werden, können sein:
Das Beispiel einer gestuften Ergebnisrechnung
• die Teilleistungen eines Bauauftrags als Kos- eines Beispielunternehmens zeigt Tab. 16. Wich-
tenträger, tig ist, das Ergebnis vom Stichtag bis zum Auf-
tragsende in der Prognose fortzuschreiben, dann – z. B. abgerechnete Löhne und Gehälter für
monatlich mit dem Ist-Ergebnis zu vergleichen Baustellen oder gestellte Schlussrechnun-
und die Abweichungen zu begründen. Dadurch gen an den Auftraggeber;
können rechtzeitig ggf. erforderliche ergebnis- • Geschäftsvorfälle, die in der Unternehmens-
verbessernde Anpassungsmaßnahmen eingeleitet rechnung anders bewertet werden als in der
werden. Baubetriebsrechnung
– z. B. bilanzielle oder kalkulatorische Ab-
schreibung.
4.4 Abgrenzungsrechnung als
Bindeglied zwischen Es entspricht den Anforderungen an eine leis-
Unternehmensrechnung und tungsfähige Baubetriebsrechnung, jederzeit und
Baubetriebsrechnung unabhängig von der handels- und steuerrechtlichen
Bilanzierung die Kosten, Leistungen und Ergeb-
Die Ermittlung des Ergebnisses für das gesamte nisse der Baustellen ermitteln zu können. Voraus-
Unternehmen kann entweder mittels eines setzung hierfür ist eine Trennung der Unterneh-
Betriebsabrechnungsbogens (BAB) oder mit Hilfe mensrechnung von der Baubetriebsrechnung.
von zwei Abstimmkreisen vorgenommen werden. Diese Trennung lässt sich mit einem sog. Übernah-
Bei Verwendung eines Betriebsabrechnungs- mekonto erreichen. Die Buchhaltung beider Ab-
bogens werden zunächst die Kosten und Leistun- rechnungskreise lässt sich mit Hilfe von Zuord-
gen der Kostenstellen ermittelt und direkt oder nungsziffern steuern, die angeben, ob nur die
indirekt den empfangenden und abgebenden Stel- Unternehmensrechnung, nur die Baubetriebsrech-
len zugeordnet. Anschließend werden die inner- nung oder beide betroffen sind.
betrieblichen Kosten und Leistungen entweder
mit festgelegten Verrechnungssätzen oder durch
Umlage der Ist-Kosten verrechnet. Nach Verrech- 4.5 Soll/Ist-Vergleichsrechnung
nung der Verwaltungskosten auf die Baustellen
lassen sich die Selbstkosten der Baustellen ermit- Im Rahmen von Soll/Ist-Vergleichen werden Soll-
teln. Die Subtraktion der Selbstkosten von den und Ist-Zahlen einander gegenübergestellt, um
Leistungen ergibt die Baustellenergebnisse. ihre Abweichungen zu ermitteln und zu analysie-
Das Betriebsergebnis erhält man dann durch ren (vgl. KLR Bau 2016, S. 128–129). Sie dienen
Addition der summierten Baustellenergebnisse
unter Berücksichtigung der im Bereich Verwal- • der Kontrolle der Aufwands- und Leistungs-
tung, Hilfsbetriebe und Verrechnungskostenstel- werte sowie der Faktorpreise der Vorkalkula-
len entstandenen Über- und Unterdeckungen (vgl. tion mittels Nachkalkulation zur Verbesserung
KLR Bau 2016, S. 107–108). künftiger Vorkalkulationen,
Wird eine mit der Unternehmensrechnung ver- • der Kontrolle und Steuerung des baubetriebli-
bundene Baubetriebsrechnung aufgebaut, so sind chen Geschehens sowie
vier Gruppen von Geschäftsvorfällen zu unter- • der Bildung von Kennzahlen.
scheiden (Hauptverband der Deutschen Bauin-
dustrie und Zentralverband Deutsches Bauge- Ferner werden im Rahmen der Projektsteuerung
werbe 2016, S. 29): Soll/Ist-Vergleiche durchgeführt, z. B. zur Ermitt-
lung von Zeitabweichungen zwischen der Bauab-
• nur die Unternehmensrechnung betreffend laufplanung und dem tatsächlichen Bauablauf
– z. B. eingegangene Dividenden-Erträge aus sowie von Abweichungen zwischen ausgeführten
Finanzanlagen oder gezahlte Spenden; Mengen und ausgeschriebenen LV-Mengen.
• nur die Baubetriebsrechnung betreffend Soll/Ist-Vergleiche können sich auf die Ge-
– z. B. kalkulatorische Miete; samtbaustelle, einzelne Bauabschnitte, Arbeits-
• sowohl die Unternehmensrechnung als auch vorgänge gemäß BAS (Bauarbeitsschlüssel) oder
die Baubetriebsrechnung betreffend einzelne LV-Positionen beziehen. Als Men-
110 C. J. Diederichs et al.
gen sind Arbeits- und Gerätestunden, -tage bzw. • Lohnberichte für die tägliche Berichterstattung
-monate sowie Stoffe zu erfassen. Als Werte sind der Arbeitsstunden, ggf. nach BAS,
Kosten, Leistungen und Ergebnisse zu ermitteln. • Baugeräteberichte für die Berichterstattung der
Die Vergleiche sind zweckmäßigerweise peri- Gerätestunden und der vom Gerät erbrachten
odisch während der gesamten Dauer der Leis- Bauleistungen,
tungserstellung anzustellen, um bei Abweichun- • Lieferscheine bzw. Rechnungen für die Stoffe sowie
gen noch steuernd eingreifen zu können. Nach • Leistungsmeldungen mit den tatsächlich
abgeschlossener Leistung dienen sie lediglich erbrachten Leistungsmengen.
zur Gewinnung von Kennzahlen.
Die Ermittlung von Ist-Zahlen setzt ein ent- Abb. 56 zeigt einen Lohnkostenvergleich für
sprechendes Berichtswesen voraus. Dazu gehören Schalarbeiten mit Ursachenanalyse.
z. B.
Abb. 56 Soll-Ist-
Vergleich der Lohnkosten
für Schalarbeiten und
Ursachenanalyse
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 111
in die Gewinn- und Verlustrechnung übernommen eines Unternehmens muss diesem zunächst von
werden. Droht eine Schlussrechnungskürzung außen Kapital zur Verfügung gestellt werden, um
durch den Auftraggeber aus Minderung wegen die Unternehmensprozesse in Gang zu setzen.
Mängeln, ist diese bei den Umsatzerlösen als Er- Der Begriff Finanzierung umfasst alle Maß-
lösminderung abzusetzen. Ein vom Bauleiter als nahmen der Mittelbeschaffung und Rückzahlung
„sicher“ beurteilter Nachtrag kann in der GuV nur und damit der Gestaltung der Zahlungs-, Informa-
dann als Umsatzerlös verbucht werden, wenn tions-, Kontroll- und Sicherungsbeziehungen zwi-
vom Auftraggeber eine schriftliche Bestätigung schen Unternehmen und Kapitalgebern.
der gestellten Nachtragsrechnung vorliegt. Kapital (Passiva der Bilanz) bezeichnet alle
Außerdem ist das Unternehmen verpflichtet, einem Unternehmen zur Verfügung stehenden
bei Verbuchung eines Gewinnauftrags Rückstel- Finanzmittel zur Finanzierung der Vermögens-
lungen für die noch zu erwartenden Kosten wie werte (Aktiva der Bilanz). Das Kapital ist grund-
Baustellenräumung und Gewährleistungsrisiken sätzlich nach Eigen- und Fremdkapital zu unter-
zu bilden. scheiden. Eigenkapital sind die im Unternehmen
Beispiel eines abgerechneten Gewinnauftrags, eingesetzten finanziellen Mittel, die vom Unter-
der im Bilanzjahr begonnen, beendet und abge- nehmer oder Gesellschaftern des Unternehmens
rechnet wurde (vgl. Leimböck 1997, S. 40–41): selbst eingebracht worden sind. Fremdkapital sind
Zahlen der Baubetriebsrechnung: die dem Unternehmen von Dritten, d. h. von
Nichteigentümern und damit Gläubigern, zur Ver-
Bauleistung 4 800 T€
fügung gestellten Mittel.
Kosten 4 484 T€
Gewinn +316 T€
Zahlen des Jahresabschlusses: 5.1 Finanzierungsziele
aktivierungspflichtige Herstellkosten 4 100 T€
aktivierungsfähige Kosten 384 T€ Die strategischen Finanzierungsziele jedes Unter-
Summe der Aufwendungen 4 484 T€ nehmens sind i. d. R. auf die Bewahrung der
Bilanzwerte: Unabhängigkeit und Flexibilität ausgerichtet.
Forderungen an den Bauherrn 4 800 T€ Die taktischen und operativen Finanzierungsziele
Rückstellungen 2 % v. 4800 € 96 T€ bestehen in der Bewahrung der Liquidität und
Gewinn- und Verlustrechnung:
Finanzierungssicherheit sowie der Rentabilität.
Umsatzerlöse 4 800 T€
Die Sicherstellung der erforderlichen Liquidi-
Aufwendungen 4 484 T€
tät bezeichnet die Fähigkeit eines Unternehmens,
Rückstellungen 96 T€
aktuellen und zukünftigen Zahlungsverpflichtun-
Gewinn +220 T€ gen im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs
fristgerecht und betragsgenau nachkommen zu
können. Durch eine im jeweiligen Planungszeit-
5 Unternehmensfinanzierung raum ausreichende Liquidität steht dem Unterneh-
men nicht weniger, aber auch nicht mehr als
Wirtschaftlicher Zweck jedes Unternehmens ist das erforderliche Kapital zur Verfügung, um die
es, durch Kombination von Produktionsfaktoren Unternehmens- und Betriebsprozesse zu finanzie-
Waren oder Dienstleistungen zu erzeugen und ren. Eine betragsmäßige und zeitliche Koordinie-
diese gewinnbringend am Markt zu verwerten. rung der Einzahlungs- und Auszahlungsströme ist
Den Ausgaben für die Beschaffung der Produkti- für den störungsfreien Ablauf der Prozesse durch
onsfaktoren stehen Einnahmen aus der Leistungs- ständig gegebene Zahlungsfähigkeit des Unter-
verwertung gegenüber. Da die Ausgaben i. d. R. nehmens unerlässlich.
vor den Einnahmen anfallen, ist im Unternehmen Die Rentabilität wird ermittelt aus dem Wert-
ständig eine Geldmenge gebunden, die von der verhältnis von erzieltem Jahresüberschuss und
Kapitalbindungsdauer (Zeitspanne zwischen Aus- eingesetztem Kapital. Dabei lassen sich unter-
gaben und Einnahmen) abhängt. Bei Gründung scheiden:
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 113
Deutschland die Preise für Leistungen des Angebot nur ein sehr geringes Differenzie-
Bauhauptgewerbes um 27 %, hingegen für rungspotenzial für den einzelnen Anbieter rea-
das Ausbaugewerbe um 46 % (vgl. Hauptver- lisierbar ist. Es besteht lediglich meistens die
band der Deutschen Bauindustrie 2018). Möglichkeit von Sondervorschlägen. Auf-
Diese Preissteigerungen sind ein Zeichen für grund der hohen Kapazitätsauslastung in vie-
die hohe Nachfrage insbesondere nach Aus- len Bereich der Bauindustrie im Jahre 2018 ist
bauleistungen. Die aktuell im Jahr 2018 hohe diese allerdings zu einem solchen Engpassfak-
Nachfrage nach Bauleistungen führt zu einer tor geworden, dass die Wettbewerbsintensität
komfortablen Verhandlungsposition der Bau- in dieser Zeit gibt es sich deutlich abgenom-
unternehmen gegenüber den Abnehmern bzw. men hat.
Auftraggebern.
• Bedrohung durch neue Wettbewerber: Neben den branchenspezifischen Einflussfak-
Strukturell ist für die Bauindustrie insbeson- toren beeinflussen auch unternehmensspezifische
dere für Standardbauten die Bedrohung durch Faktoren die Finanzierungs- und Liquiditätsposi-
neue Wettbewerber als hoch anzusehen, da für tion eines Unternehmens, wie z. B.:
die Gründung eines Baugeschäftes nur relativ
wenig Kapital erforderlich ist. Zusätzlich sind • die Rechtsform und Größe des Unternehmens
weitere Konkurrenten durch die EU-Erweite- mit dem für die Bauwirtschaft typischen Anteil
rung, insbesondere durch die Osterweiterung der überwiegend kleinen Unternehmen,
der Staaten der sogenannten Luxemburg- • mangelnde Geschäftsfeldflexibilität bei Nach-
Gruppe (Estland, Lettland, Litauen, Malta, frageschwankungen, da die Entwicklung neuer
Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Geschäftsfelder, die als Marktnischen angese-
Ungarn und Zypern) im Jahr 2004 sowie durch hen werden, Vorinvestitionen und damit ent-
den Eintritt der Länder Bulgarien und Rumä- sprechende Finanzmittel erfordert, sowie
nien im Jahr 2007 auf den Baumarkt entstan- • der Unternehmensstandort, da der Markt der
den. Allerdings war die Auswirkung dieser kleinen Unternehmen häufig auf einen Akti-
neuen Konkurrenten auf die deutsche Bauwirt- onsradius von ca. 50 km räumlich begrenzt ist.
schaft nur punktuell festzustellen, da auch die
Nachfrage in den Beitrittsländern recht hoch Des Weiteren sind auftragsspezifische Ein-
war. Deutsche Bauunternehmen sehen den- flussfaktoren relevant, diese ergeben sich aus
noch ein hohes Risiko durch neue Wettbewer-
ber. • dem Auslastungsrisiko durch erteilte Aufträge
• Bedrohung durch Ersatzprodukte: und vorhandene Kapazitäten mit zeitlicher
Im Gegensatz zur Bedrohung durch neue Wett- Oszillation zwischen Unter- und Überauslas-
bewerber hat die Bedrohung durch Ersatzpro- tung sowie
dukte einen geringen Stellwert in der Bauwirt- • dem Kalkulations- und Ausführungsrisiko
schaft, da zum ausgeschriebenen Bauwerk durch Abweichungen zwischen vorkalkulato-
i. d. R. kein Ersatzprodukt existiert. Es beste- rischer Aufwandserwartung und durch die tat-
hen jedoch Substitutionsgefahren auf der sächlichen Produktionsbedingungen erforder-
Baustoffebene für die Baustoffunternehmen lichen Aufwänden mit der Schwierigkeit der
(z. B. bei Mauerwerksteinen: Ziegel, Kalk- Durchsetzung von Vergütungsänderungen aus
sandstein, Porenbeton, . . .) wie auch bei Bau- Leistungsänderungen und Zusatzleistungen
teilen der jeweiligen Zulieferbranchen. oder Schadensersatzansprüchen aus Behinde-
• Wettbewerbsintensität zwischen den deutschen rungen und dem daraus erwachsenden Liqui-
Bauunternehmen: ditätsrisiko der Vorfinanzierung erbrachter,
Die Wettbewerbsintensität ist in vielen Teil- aber (noch) nicht vergüteter Planungs- und
märkten strukturell recht hoch, da aufgrund Bauleistungen bzw. durch Mehrkosten entstan-
des Geschäftsmodells mit Ausschreibung und dener Schäden.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 115
die Bilanzierung dieser Risiken kann der Gewinn- Finanzierung aus Rückstellungen
ausweis des Unternehmens über mehrere Ge- Rückstellungen sind dem Grunde und der Höhe
schäftsjahre hinweg durch Bildung oder Auflö- nach sowie hinsichtlich des Zeitpunkts ihrer Fällig-
sung stiller Reserven verstetigt werden. keit ungewisse Verbindlichkeiten aus Rechtsbezie-
hungen mit Dritten. Rückstellungen müssen jährlich
Finanzierung aus Abschreibungen im Rahmen der Bilanzerstellung bewertet, verändert
Die Finanzierung aus Abschreibungsrückflüs- oder nach Wegfall eines etwaigen Anspruchs dem
sen wird durch Umschichtung der in absetzba- Grunde nach aufgelöst werden. Zu unterscheiden
ren Investitionen gebundenen Abschreibungs- sind vor allem Urlaubsrückstellungen aus noch
gegenwerte ermöglicht. Der wirtschaftliche nicht abgegoltenen Urlaubsansprüchen der Mitar-
Zweck von Abschreibungen besteht darin, beiter, Gewährleistungsrückstellungen aus abge-
Wertminderungen des Anlagevermögens peri- schlossenen Aufträgen während der Dauer der
odenbezogen als Aufwand zu erfassen und Gewährleistungsfristen, Rückstellungen für unter-
damit den Werteverzehr über die Nutzungs- lassene Instandhaltungen von Objekten, für Pro-
phase nach den Vorgaben des Steuerrechts zess- und Nachtragsrisiken, Pensionszahlungen
(degressiv oder linear) mit den Abschreibungs- und Steuerverbindlichkeiten. Die gebildeten Rück-
dauern nach den AfA-Tabellen (Absetzung für stellungen stehen dem Unternehmen als liquide
Abnutzung) zu verteilen. Abschreibungen des Mittel zur Verfügung, solange die entsprechenden
Anlagevermögens führen in der Bilanz zur Min- Verbindlichkeiten nicht eingetreten sind. Die Un-
derung der Aktiva. Sie sind in der Gewinn- und sicherheit über die Höhe der Rückstellungen
Verlustrechnung als Kosten auf der Aufwands- schafft einen gewissen Bewertungsspielraum.
seite zu verbuchen. Der Wert der Abschreibun- Überhöhte Ansätze führen daher zur stillen Selbst-
gen geht in die Preiskalkulationen für Waren finanzierung. Seitens der Finanzämter werden
und Dienstleistungen ein. Damit entspricht jedoch strenge Prüfmaßstäbe angelegt. So werden
ein Teil des Preises dem Wert des Nut- z. B. bei pauschalem Ansatz nur 0,5 % p. a. der
zleistungsabgangs in Höhe der gebildeten Ab- Schlussabrechnungssumme als Gewährleistungs-
schreibung. Werden diese Waren und Dienst- rückstellung anerkannt. Voraussetzung der Finan-
leistungen nun verkauft und fließen dem zierung aus Rückstellungen ist auch, dass mit den
Unternehmen dafür Zahlungen zu, so stehen Investitionen aus Rückstellungen ein zumindest
diese Abschreibungsgegenwerte dem Unterneh- ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaftet wird.
men als aus dem Umsatzprozess resultierende
Forderungen nach Zahlungseingang zur Verfü- Finanzierung durch Kapitalfreisetzung
gung. Da diese liquiden Mittel bis zum Ersatz- Die Finanzierung durch Kapitalfreisetzung oder
zeitpunkt des jeweiligen Anlagegegenstands an- auch Vermögensumschichtung umfasst alle Maß-
stelle der Erhöhung des Bankguthabens auch nahmen, die darauf ausgerichtet sind, einen ur-
anderweitig investiert werden können, entsteht sprünglich notwendigen Kapitalbedarf in Höhe
auf diese Weise ein Kapazitätserweiterungseffekt der Bilanzsumme für das betriebsnotwendige
(Lohmann-Ruchti-Effekt). Je nach gewähltem Ab- Kapital zu senken. Kapitalfreisetzungen ent-
schreibungsverfahren hat die Unternehmensführung stehen aus der planmäßigen oder außerplanmäßigen
daher die Möglichkeit, entweder Finanzierungsreser- Desinvestition von Vermögensgegenständen, z. B.
ven durch Erhöhung des Bankguthabens bis zum Verkauf von Grundstücken, Reduzierung der
Ersatzzeitpunkt zu bilden, oder aber das Unterneh- Lagerhaltung oder Auflösung von Finanzanlagen.
menswachstum zwischenzeitlich aus laufend zufließ- Außerplanmäßige Desinvestitionen stellen bei Auf-
enden Abschreibungsgegenwerten zu finanzieren, zehrung sämtlicher anderen Liquiditätsreserven
sofern eine entsprechende Nachfragesteigerung die- eine letzte Alternative dar, wobei es wegen des
ses sinnvoll erscheinen lässt und mit den Abschrei- erheblichen Zeitdrucks häufig zu Verkäufen unter
bungen ein zumindest ausgeglichenes Ergebnis Wert kommt. Durch das „Sale-and-Lease-Back-
erzielt wird. Verfahren“ kann in derartigen Situationen die Wei-
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 117
Beispiel zum Unternehmensrating und zur Mit diesen Zahlen wird in Tab. 19 ein Bilanz-
Kreditzinsberechnung Rating vorgenommen. Als Ergebnis für das
Ein Unternehmen beantragt einen Kredit in Höhe Bilanz-Rating ergibt sich auf einer Skala von
von 8,5 Mio. € mit einer Laufzeit von 10 Jahren, 1 (sehr gut) bis 10 (sehr schlecht) der Wert 4,0
jährlicher Tilgung durch gleichbleibende Raten in durch Messung und Bewertung von Kennzahlen
Höhe von 0,85 Mio. € bei Stellung einer Sicher- aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlust-
heit von 0,3 Mio. €. Die Bilanz und die Gewinn- rechnung.
und Verlustrechnung des Beispielunternehmens Das Management-Rating ergibt sich aus der
zeigen die Tab. 17 und 18. Bewertung nicht monetär messbarer Größen (in-
tangibler Effekte). Ein Beispiel dafür zeigt Tab. 20.
Ergebnis des Management-Ratings ist 4,65. In
Tab. 21 wird in Abhängigkeit vom Bilanz-Rating
Tab. 17 Bilanz des Beispielunternehmens eine Gewichtung zwischen den Ratingergebnissen
Aktiva € für die Bilanz und das Management vorgenom-
Anlagevermögen men. Damit ergibt sich ein Gesamt-Ratingergeb-
Immaterielle Vermögensgegenstände 0 nis aus Bilanz- und Management-Rating von
Sachanlagen 802.970 4,0 0,6 + 4,65 0,4 = 4,26.
Finanzanlagen 4399 Zur Berechnung des Kreditzinses sind die von
Summe Anlagevermögen 807.369 der Rating-Klasse abhängigen Sach- und Perso-
Umlaufvermögen
Vorräte
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, 36.631
Erzeugnisse, Waren Tab. 18 Gewinn- und Verlustrechnung des Beispielunter-
Nicht abgerechnete (unfertige) 317.692 nehmens
Bauleistungen Gewinn- und Verlustrechnung €
Forderungen und sonstige
Betriebliche Gesamtleistung 7.888.546
Vermögensgegenstände
./. Materialaufwendungen (Roh-, Hilfs- 2.102.290
Forderungen aus Lieferungen und 807.963
und Betriebsstoffe, Waren)
Leistungen
./. Nachunternehmerleistungen u. Ä. 1.401.529
Sonstige Vermögensgegenstände (einschl. 159.292
Rechnungsabgrenzungsposten) = Rohergebnis 1 4.384.727
Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und 359.228 ./. Personalaufwendungen 3.159.490
Postbankguthaben, Guthaben bei = Rohergebnis 2 1.225.237
Kreditinstituten ./. Aufwendungen für Baugeräte 96.966
Summe Umlaufvermögen 1.681.006 ./. Aufwendungen für Fahrzeuge 123.510
Summe Aktiva 2.488.375 ./. Aufwendungen für Baustellen- und 67.013
Passiva € Betriebsausstattung
Wirtschaftliches Eigenkapital 648.503 ./. Diverse betriebliche Aufwendungen 171.079
Rückstellungen (um 10.000,- höher als 326.604 ./. Steuern (Gewerbesteuer) 44.624
im Vorjahr) ./. Abschreibungen 195.807
Verbindlichkeiten + Zinsen und ähnliche Erträge inkl. 2450
Langfristige Verbindlichkeiten gegenüber 392.648 Lieferantenskonti
Kreditinstituten = Betriebsergebnis 528.688
Sonstige Verbindlichkeiten gegenüber 171.795 ./. Sonstige und außerordentliche 28.653
Kreditinstituten Aufwendungen
Erhaltene Anzahlungen 0 + Sonstige und außerordentliche Erträge 30.120
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und 495.059 = Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag 530.155
Leistungen Betriebsergebnis 528.688
Sonstige Verbindlichkeiten 453.766 ./. Kalkulatorischer Unternehmerlohn 124.675
Summe Verbindlichkeiten 1.513.268 = Betriebswirtschaftliches Ergebnis aus 404.013
Summe Passiva 2.488.375 Bauleistung
Tab. 19 Bilanz-Rating (modellhafte Bewertung)
IST-
Gewichtung Werte
Nr. Kennzahl in % in % Ratingklassen
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
1 Anlagenintensität = (Anlagevermögen/ 10 32,45 >0 >15 >20 >25 >30 >35 >40 >45 >50 >60
Bilanzsumme) 100
2 Eigenkapitalquote = (wirtschaftliches Eigenkapital/ 20 26,06 >30 >25 >20 >15 >11 >8 >6 >4 >2 <2
Bilanzsumme) 100
3 Anlagendeckung (Deckungsgrad 1) = 10 80,32 >120 >110 >100 >95 >90 >85 >80 >75 >70 70
(wirtschaftliches Eigenkapital/Anlagevermögen) 100
4 Anlagendeckung (Deckungsgrad 2) = 10 128,96 >130 >120 >110 >95 >90 >85 >80 >75 >70 70
(wirtschaftliches Eigenkapital + langfristiges
Fremdkapital/Anlagevermögen) 100
5 Liquiditätsgrad= ((flüssige Mittel + kurzfristige 20 118,37 >140 >130 >120 >110 >100 >90 >80 >70 >60 60
Forderungen)/kurzfristige Verbindlichkeiten) 100
6 Eigenkapitalrentabilität = (betriebswirtschaftliches 20 62,3 >90 >80 >70 >60 >50 >40 >30 >20 >10 <10
Ergebnis aus Bauleistung/wirtschaftliches
Eigenkapital) 100
7 Cashflow-Verschuldungsrate = (Cashflow/ 10 33,23 >80 >70 >60 >50 >40 >30 >25 >20 >15 >10
Fremdkapital) 100
=100
Bilanz-Rating-Ergebnis 4,00
121
122 C. J. Diederichs et al.
nalkosten sowie die Gewinnmarge der Bank anzu- ferner die Ausfallwahrscheinlichkeit in Abhän-
setzen (Tab 22). Hinzu kommen Refinanzierungs- gigkeit von der Ratingklasse. Eine Einteilung
kosten der Bank von 4,25 %. Zu beachten ist hierzu bietet Tab. 23.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 123
Im vorliegenden Fall ergibt sich für das Ge- Satz 2 BGB 5,0 % p. a. über dem Basiszinssatz,
samtrating von 4,26 eine Ausfallrate von 0,30. sofern ein Verbraucher beteiligt ist. Der Basiszins-
Die Eigenkapitalverzinsung der Bank errechnet satz nach § 247 BGB wird regelmäßig am
sich aus dem nicht gesicherten Kreditvolumen 1. Januar sowie 01. Juli von der Deutschen Bun-
von 8,2 Mio. € bei einer Eigenkapitalhinterlegung desbank festgesetzt. Der Basiszinssatz beträgt seit
von 8 % zu 656 000 €. Bei einem Refinanzie- dem 01.01.2016 unverändert 0,88 %. Wenn
rungszins von 4,25 % ergeben sich 27 880 € und beim Rechtsgeschäft kein Verbraucher „beteiligt
damit, bezogen auf das Kreditvolumen von 8,5 ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen
Mio. €, eine Eigenkapitalverzinsung von 0,33 %. 9,0 % über dem Basiszinssatz“ (§ 288 Abs. 2
Insgesamt errechnet sich ein Kreditzins von BGB). Der Lieferantenkredit ist im Vergleich zu
7,01 % p. a. (Tab. 24). einem Bankkredit vorteilhaft, da er formlos, ohne
Kreditwürdigkeitsprüfung und ohne Sicherheits-
Lieferantenkredit leistung gewährt wird. Dabei ist zu beachten, dass
Dem Lieferanten- oder auch Auftragnehmerkredit die Nichtausnutzung eines vom Lieferanten ge-
liegt ein Auftragsverhältnis zwischen einem Auf- währten Skontos extrem teuer ist. 3 % Skonto
traggeber und einem Auftragnehmer zu Grunde. bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen anstatt von
Er entsteht dadurch, dass der Auftragnehmer 30 Tagen ergeben einen Jahreszinssatz von
dem Auftraggeber eine bestimmte Zahlungsfrist 3 % 360/(30 10) = 54 %.
einräumt, im Allgemeinen zwischen 10 und
30 Kalendertagen. Dabei ist zu beachten, dass Kundenkredit
der Schuldner einer Entgeltforderung nach dem Kundenkredite sind Vorauszahlungen bzw. An-
Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen zahlungen von Kunden bereits vor endgültiger
gemäß § 286 Abs. 3 BGB spätestens in Verzug Leistungserfüllung. Der Kunde zahlt entweder
kommt, wenn er nicht innerhalb von 30 Kalender- bei Bestellung oder bei Leistungsbeginn einen
tagen nach Zugang und Fälligkeit einer Rechnung Teil des Vertragspreises. Damit kann das Unter-
oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet. nehmen einen Teil der Vorfinanzierung aus der
Der Verzugszinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 1 Zeitdifferenz zwischen Leistungserbringung und
124 C. J. Diederichs et al.
Zahlungseingang und die daraus entstehenden über die Kreditlinie hinaus werden mit weit höhe-
Zinskosten auf den Kunden überwälzen, da solche ren Zinsen belegt. Eine mit der Bank unabge-
Vorauszahlungen teilweise zinslos – in Abhängig- stimmte und häufige Kreditlinienüberschreitung
keit von der Stärke der Marktstellung des Unter- hat auch einen stark negativen Einfluss auf das
nehmens und seiner Auftraggeber – zur Verfü- Unternehmensrating und somit auf die Ausgestal-
gung gestellt werden. Sofern Vorauszahlungen tung (z. B. Kreditzinshöhe) zukünftiger Kredite.
den kurzfristig benötigten Kapitalbedarf für die Bei Kontokorrentkrediten handelt es sich
Leistungserbringung übersteigen, können sie i. d. R. um Blankokredite, d. h. sie werden ohne
befristet angelegt werden und dadurch einen Zins- Sicherheiten gewährt, die im Insolvenzfall heran-
ertrag abwerfen. gezogen werden können.
Kontokorrentkredit Darlehen
Kontokorrentkredite gelten als klassische kurz- Das Darlehen stellt die Grundform der langfristigen
fristige Kreditfinanzierung durch Banken (Lauf- Fremdfinanzierung dar (Laufzeit über 12 Monate).
zeit bis zu 12 Monaten). Sie sind jedoch der Höhe Der Darlehensvertrag wird durch die §§ 488–505e
nach durch eine Kontokorrentkreditlinie je nach BGB geregelt. Gemäß § 488 Abs. 1 BGB wird der
Bonität des Kreditnehmers begrenzt. Der Konto- Darlehensgeber durch den Darlehensvertrag ver-
korrentkredit eignet sich deshalb besonders bei pflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in
sich wiederholendem, aber in seiner Höhe wech- der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der
selndem Kapitalbedarf. Mit einem Durchschnitts- Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten
zinssatz von ca. 4 bis 10 Prozentpunkten über der Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung
Spitzenrefinanzierungsfazilität (SRF) der Europä- gestellte Darlehen zurückzuerstatten. Darlehensgeber
ischen Zentralbank (0,25 % p. a. seit dem sind primär Kreditinstitute. Im Darlehensvertrag sind
16.03.2016) ist er relativ teuer. Kapitalentnahmen u. a. gemäß Artikel 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Ein-
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 125
Gläubiger eine bestimmte Leistung verspricht. rungen an einen Factor abgetreten hat. Bei einem
Unter Anleihen bzw. Obligationen werden lang- stillen oder verdeckten Factoring bleibt dem Kun-
fristige Schuldverschreibungen zur Aufnahme den die Abtretung der Forderungen verborgen.
von Großkrediten verstanden. Die Anleihe wird Beim echten Factoring trägt der Factor das
durch Einschaltung von Banken an Kreditgeber Bonitätsrisiko des Schuldners und damit das Kre-
platziert und nach ihrer Emission am Effekten- ditrisiko, beim unechten Factoring verbleibt die-
markt gehandelt. Dabei wird der meist hohe ses beim Unternehmer. Der Hauptvorteil des Fac-
Gesamtbetrag in standardisierte Teilbeträge (Teil- torings besteht in der schnellen Umwandlung von
schuldverschreibungen) aufgeteilt. Der Anleihe- Forderungen des Unternehmers in liquide Mittel
schuldner verpflichtet sich, dem Inhaber einer durch Zahlungen des Factors (Bank).
Obligation (Obligationär) den auf dem Titel ein-
getragenen Geldbetrag zu schulden, darauf einen Leasing
Zins zu bezahlen (meist jährlich) und den Geld- Leasing bedeutet gewerbsmäßige Vermietung von
betrag nach Ablauf einer festgesetzten Frist oder Anlagegegenständen durch Leasinggeber (Finan-
nach vorausgegangener Kündigung in Überein- zierungsinstitut) an den Leasingnehmer. Im Lea-
stimmung mit den Anleihebedingungen zurück- singvertrag werden gleichbleibende periodische
zuzahlen. Die Höhe des Zinssatzes ist abhängig Mietzahlungen des Leasingnehmers an den Lea-
von der Bonität des Schuldners, der Laufzeit der singgeber vereinbart. Es entspricht daher einer
Obligation und den Kapitalmarktverhältnissen im 100 %igen Fremdfinanzierung. Der Leasingneh-
Zeitpunkt der Emission einer Anleihe. Er ist ent- mer zahlt die Leasingraten anstelle von Zins und
weder für die ganze Laufzeit fest oder wird an den Tilgung, wobei die in der Leasingrate enthaltene
jeweiligen Zinsterminen neu festgesetzt. Der Vor- Tilgung auch zum Betriebsaufwand zählt, und bei
teil einer Anleihe besteht darin, dass aufgrund der Vertragsabschluss eine Leasinggebühr.
Aufteilung eines großen Kapitalbetrages in viele Nach der Art des Leasingobjektes ist beim
kleine Teilschuldverschreibungen auch kleinere Investitionsgüterleasing zwischen Equipment-
Kapitalbeträge verschiedenartiger Kapitalanleger Leasing (bewegliche Sachen) und Immobilien-
zur langfristigen Finanzierung herangezogen wer- Leasing zu unterscheiden.
den können. Sonderformen der Schuldverschrei- Im Hinblick auf die Dauer des Leasingvertra-
bungen sind Wandelschuldverschreibungen und ges unterscheidet man zwischen Operating-
Optionsschuldverschreibungen. Leasing und Financial-Leasing. Beim Operating-
Leasing erwirbt der Leasingnehmer ein kurzfristiges,
Factoring i. d. R. jederzeit kündbares Nutzungsrecht an
Factoring bedeutet den Ankauf von Forderungen einem Mietobjekt. Der Leasinggeber trägt das
aus Waren oder Dienstleistungen mit einem Zah- Investitionsrisiko, da dem Leasingnehmer ein
lungsziel von max. 90 bis 120 Tagen durch eine vertragliches Kündigungsrecht eingeräumt wird.
Factoringgesellschaft (Factor). Der Factor über- Damit können Planungs- und Bauunternehmen
nimmt i. d. R. auch die Verwaltung des Forde- bei steigender Nachfrage ihre Anlagenkapazitä-
rungsbestandes des Verkäufers. Dieser erhält ten mittelfristig erhöhen, ohne dauerhaft Kapital
einen Vorschuss von ca. 80 bis 90 % der Forde- binden zu müssen.
rung. Der Einbehalt wird nach Abzug der Zwi- Beim Financial-Leasing wird zwischen Lea-
schenfinanzierungszinsen ausgezahlt, wenn die singgeber und Leasingnehmer eine langfristige
Forderung seitens des Schuldners eingezahlt wird. Nutzung z. B. von Gebäuden vereinbart. Der Lea-
Mit dem Abkauf der Forderungen übernimmt der singnehmer trägt das Investitionsrisiko im Hin-
Factor (Finanzinstitut) die Überwachung der Zah- blick auf die Instandhaltung und den zufälligen
lungseingänge, das Forderungsmanagement und Untergang des Mietobjekts. Das Zinsänderungs-
ggf. auch das Forderungsausfallrisiko. risiko liegt beim Leasinggeber.
Bei einem offenen Factoring ist es für den Kun- Nach dem Kriterium des Rückzahlungsumfan-
den ersichtlich, dass der Unternehmer die Forde- ges existieren Voll- oder Teilamortisationsverträge.
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 127
Bei der Vollamortisation werden während der Lea- sich jedoch nachteilig auf den geringeren Sicher-
singperiode durch die in den Leasingraten enthalte- heitsrahmen für Bankkredite aus. Ferner achten
nen Tilgungsbeiträge die Anschaffungs- oder Her- Leasinggeber stets auf die Drittverwendungsfä-
stellkosten, die Beschaffungs-, Vertriebs- und higkeit ihrer Leasingobjekte.
Finanzierungskosten, die Steuern sowie ein ange- In die Prüfung und Bewertung der Finanzie-
messener Gewinn vollständig amortisiert. Bei der rungsalternative Leasing sind stets auch die
Teilamortisation wird das Leasingobjekt während Geschäftskosten und Gewinnmargen des Leasing-
der unkündbaren Leasingdauer nur teilweise amor- gebers sowie die steuerlichen Aspekte einzube-
tisiert. Am Ende der Laufzeit hat der Leasingnehmer ziehen.
die Möglichkeit, das Leasingobjekt zum Restwert
zu erwerben, zu einer stark reduzierten Leasingrate Sicherheiten
weiter anzumieten oder aber an den Leasinggeber Bei der Gewährung von Krediten werden vom
zurückzugeben. Leasing bietet als Finanzierungsal- Kreditgeber i. d. R. Sicherheiten verlangt. Grund-
ternative folgende Vorteile: sätzlich ist zwischen persönlichen Sicherheiten und
Realsicherheiten zu unterschieden. Zu beachten ist
• Leasing vermeidet eine Belastung der Liquidi- ferner bei Werkverträgen der Sicherheitseinbehalt
tät zum Investitionszeitpunkt und erfordert des Auftraggebers, der auch bei Planer- und Bau-
keine Bereitstellung von Sicherheiten. verträgen regelmäßig geltend gemacht wird.
• Die monatlichen Leasingraten stellen in vol-
lem Umfang (d. h. inkl. des Tilgungsanteils) Persönliche Sicherheiten
Betriebsaufwand dar. Als persönliche Sicherheit kommen vor allem
• Die Leasingraten werden i. d. R. für die die Bürgschaft und die Patronatserklärung in
gesamte Grundmietzeit fest vereinbart und bil- Betracht. Für die Vereinbarung einer Bürgschaft
den daher eine klare Kalkulationsgrundlage. gelten die §§ 765–778 BGB. Durch einen Bürg-
• Leasing bietet im Gegensatz zu starren Til- schaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gemäß
gungsregeln bei Krediten die Möglichkeit, § 765 Abs. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger
Investitionskosten nutzungskongruent zu til- eines Dritten (dem Kreditgeber eines Kreditneh-
gen. Es trägt damit den betriebsindividuellen mers), für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des
und objektbezogenen Gegebenheiten Rech- Dritten einzustehen. Bei der selbstschuldneri-
nung. schen Bürgschaft verzichtet er auf die Einrede
• Die Alternativen eines Leasing-Vertrages am der Vorausklage, d. h. der Bürge kann in Anspruch
Ende der Grundmietzeit (Erwerb zum Rest- genommen werden, ohne dass die Zahlungsunfä-
wert, weitere Anmietung mit reduzierter Lea- higkeit des Hauptschuldners feststehen muss
singrate oder Rückgabe des Leasingobjektes) (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
erleichtern den Entschluss für Modernisie- Durch Übernahme einer Ausfallbürgschaft
rungsinvestitionen. verpflichtet sich der Bürge, dem Gläubiger nur
für den Fall eines endgültigen Ausfalls einzuste-
Eine Sonderform des Leasings stellt das Sale- hen. Der Gläubiger kann den Ausfallbürgen erst
and-lease-back-Verfahren dar. Bei diesem Verfah- dann in Anspruch nehmen, wenn er die Zwangs-
ren befindet sich das gerade erstellte oder bereits vollstreckung in die beweglichen Sachen des
vorhandene Objekt zunächst im Eigentum des Hauptschuldners versucht hat (§ 772 Abs. 1
Leasingnehmers. Dieser verkauft das Objekt an BGB).
eine Leasinggesellschaft und mietet es anschlie- Bei Bankbürgschaften spricht man i. d. R. von
ßend von dieser an. Vorteile sind die vollständige Avalen bzw. Avalkrediten. Hier bürgt eine Bank
Fremdfinanzierung und damit die Schaffung von einem Dritten gegenüber dafür, dass ihr Kunde
Liquidität in Höhe des Eigenkapitalanteils und die seine Schulden bezahlen wird. Die Avalprovision
Liquidation des Objektbuchwertes aus dem Anla- beträgt üblicherweise zwischen 0,5 und 1,0 % der
gevermögen der Bilanz. Dieser Bilanzeffekt wirkt Bürgschaftssumme. Avalkredite werden auf den
128 C. J. Diederichs et al.
ausnutzbaren Kreditrahmen des Avalkreditneh- und evtl. dritten Ranges. Der Rang bestimmt die
mers angerechnet, der sich aus der Differenz zwi- Reihenfolge, in der die Gläubiger bei einer
schen der von der Bank vorgegebenen Kreditlinie Zwangsversteigerung am Erlös beteiligt werden.
und den vom Kreditnehmer bereits in Anspruch Während die Realkreditinstitute i. d. R. nur erst-
genommenen Krediten ergibt, und vermindern rangig gesicherte Darlehen gewähren, begnügen
somit den verfügbaren Kreditspielraum. sich Geschäftsbanken, Sparkassen und Bauspar-
Patronatserklärungen sind Zusagen einer kassen oft mit einer zweit- und ggf. drittrangigen
(Mutter-)Gesellschaft gegenüber den Kreditge- Eintragung der Grundschuld.
bern von Tochtergesellschaften. Sie stärken deren Die Hypothek ist akzessorisch, d. h. sie setzt
Kreditwürdigkeit, weil die Muttergesellschaft zwingend eine schuldrechtlich bedingte und
z. B. erklärt, genau festgelegte Darlehensforderung voraus.
Gemäß § 1153 Abs. 2 BGB kann die Forderung
• die Tochtergesellschaft bei der Begleichung nicht ohne die Hypothek und die Hypothek nicht
von Verbindlichkeiten zu unterstützen, ohne die Forderung übertragen werden. Die
• den Unternehmensvertrag (das Konzernver- Grundschuld ist dagegen nicht von einer
hältnis) mit der Tochtergesellschaft während bestehenden Kreditforderung abhängig. Sie wird
der Kreditdauer nicht abzuändern oder daher wegen der größeren Beweglichkeit bei der
• eine bestimmte Kapitalversorgung der Toch- Absicherung von Bankkrediten bevorzugt. Aller-
tergesellschaft sicherzustellen. dings muss mit der Bestellung der Grundschuld
geklärt werden, welcher Kreis von Forderungen
Realsicherheiten abgesichert und welche Bedingungen für die Gel-
Realsicherheiten entstehen durch Pfandrechte. tendmachung vorausgesetzt werden. Diese Rege-
Pfandrechte sind zur Sicherung einer Forderung lungen werden in einem Sicherungsvertrag nie-
des Pfandgläubigers bestellte dingliche Rechte. dergeschrieben.
Der Pfandgläubiger ist berechtigt, sich durch Ver- Nach der einwandfreien Rückzahlung der Ver-
wertung des Pfands aus dem Erlös zu befriedigen. bindlichkeiten wird die Hypothek zu einer Eigen-
Es ist zu unterscheiden zwischen Grundpfand- tümergrundschuld und kann für andere Verbind-
rechten (Hypotheken, Grundschulden und Ren- lichkeiten genutzt werden. Die Grundschuld
tenschulden) gemäß den §§ 1113–1203 BGB, hingegen bleibt eine Fremdgrundschuld, bis der
dem Pfandrecht an beweglichen Sachen gemäß Sicherungsgeber (Eigentümer) die Löschung
den §§ 1204–1259 BGB und dem Pfandrecht an beantragt.
Rechten nach den §§ 1273–1296 BGB. Eine Rentenschuld entsteht gemäß § 1199
Für die Belastung eines bebauten oder unbe- Abs. 1 BGB dadurch, dass eine Grundschuld in
bauten Grundstücks mit einem Pfandrecht eignet der Weise bestellt wird, dass in regelmäßig wie-
sich die Hypothek oder die Grundschuld. Sie wer- derkehrenden Terminen eine bestimmte Geld-
den in das bei den Amtsgerichten geführte Grund- summe aus dem Grundstück zu zahlen ist. Gemäß
buch eingetragen und dienen zur Absicherung Abs. 2 muss bei der Bestellung der Rentenschuld
langfristiger Kredite, häufig von Bauprojekten. der Betrag bestimmt werden, durch dessen Zah-
Die Kreditgeber – Banken, Sparkassen sowie lung die Rentenschuld abgelöst werden kann. Die
Bausparkassen und Versicherungen – erhalten Ablösungssumme muss im Grundbuch angege-
damit das Recht, das Grundstück versteigern zu ben werden. Gemäß § 1203 BGB kann eine Ren-
lassen, wenn die Zinsen oder die Tilgung für das tenschuld in eine gewöhnliche Grundschuld und
Darlehen (Realkredit) nicht fristgerecht gezahlt eine gewöhnliche Grundschuld in eine Renten-
werden. Anstelle einer Versteigerung können die schuld umgewandelt werden.
Kreditgeber das Grundstück auch unter Zwangs- In Einzelfällen kann ein Kredit zur Unterneh-
verwaltung stellen, um die Miet- oder Pachtzinsen mensfinanzierung auch durch ein Pfandrecht an
zu vereinnahmen. Zu unterscheiden ist zwischen beweglichen Sachen (z. B. einen Straßendecken-
Hypotheken und Grundschulden ersten, zweiten fertiger) nach den §§ 1204 ff BGB oder durch ein
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 129
Pfandrecht an Rechten (z. B. einer Forderung) kürzen, bis die vereinbarte Sicherheitssumme
nach den §§ 1273 ff BGB gesichert werden. erreicht ist. Den jeweils einbehaltenen Betrag hat
Eine bauauftragstypische Form der Hypothek er dem Auftragnehmer mitzuteilen und binnen
ist die Sicherungshypothek des Bauunternehmers 18 Werktagen nach dieser Mitteilung auf ein
gemäß § 650e BGB. Danach kann der Unterneh- Sperrkonto bei dem vereinbarten Geldinstitut ein-
mer „für seine Forderungen aus dem Vertrag die zuzahlen. Etwaige Zinsen stehen dem Auftrag-
Einräumung einer Sicherungshypothek an dem nehmer zu. Gemäß § 9c Abs. 2 VOB/A soll die
Baugrundstück des Bestellers verlangen. Ist das Sicherheit für die Vertragserfüllung 5 v. H. der
Werk noch nicht vollendet, so kann er die Ein- Auftragssumme und für Mängelansprüche 3 v. H.
räumung der Sicherungshypothek für einen der der Abrechnungssumme nicht überschreiten.
geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergü-
tung und für die in der Vergütung nicht inbegriffen
Auslagen verlangen.“ 5.4 Finanzplanung und
Alternativ kann der Unternehmer für seine Ver- Insolvenzvermeidung
gütungsansprüche eine Bauhandwerkersicherung
nach § 650f BGB dadurch verlangen, dass er dem Zum Finanzwesen einer Unternehmung gehört
Auftraggeber zur Leistung der Sicherheit eine der gesamte Komplex, der mit Einnahmen/Aus-
angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt, gaben, Forderungen/Verbindlichkeiten, Kreditli-
dass er nach dem Ablauf der Frist seine Leistung nien und verfügbaren Zahlungsmitteln zu tun
verweigere. Sicherheit kann bis zur Höhe des hat. Es ist wichtig, über alle finanziellen Vorgänge
voraussichtlichen Vergütungsanspruchs, wie er der Finanzplanung, -kontrolle und -steuerung eine
sich aus dem Vertrag oder einem nachträglichen exakte Berichterstattung aufzubauen, die für den
Zusatzauftrag ergibt, sowie wegen Nebenforde- Planungszeitraum von mindestens einem und bes-
rungen verlangt werden. Die Nebenforderungen ser drei bis fünf Jahren stets die Zahlungsfähigkeit
sind mit 10 v. H. des zu sichernden Vergütungs- des Unternehmens und damit die Liquidität
anspruchs anzusetzen. Die Geltendmachung der sichert.
Bauhandwerkersicherung ist nur gegenüber
gewerblichen Auftraggebern, nicht aber gegen- Finanzplanung
über öffentlichen Auftraggebern und Verbrau- Grundlage der Finanzplanung ist der Wirtschafts-
chern möglich (§ 650f Abs. 6 BGB). In der Praxis bzw. Liquiditätsplan für die Planungsperiode. Er
werden sowohl die Sicherungshypothek als enthält die voraussichtlichen (Soll) und tatsäch-
auch die Bauhandwerkersicherung selten verein- lichen (Ist) Einnahmen aus laufenden und erwar-
bart, da das Fordern derartiger Sicherheiten teten künftigen Aufträgen sowie die voraussicht-
von den Auftraggebern als Misstrauensbeweis lichen (Soll) und tatsächlichen (Ist) Ausgaben aus
verstanden wird. den betrieblichen Leistungserstellungsprozessen
und aus der Aufrechterhaltung der dafür notwen-
Sicherheitseinbehalt des Auftraggebers digen Betriebsbereitschaft inklusive erforderli-
Ein Sicherheitseinbehalt des Auftraggebers dient cher Ersatz- und Neuinvestitionen. Aus der zeitli-
dazu, die vertragsgemäße Ausführung der Leis- chen Gegenüberstellung von Einnahmen und
tung und die Gewährleistung sicherzustellen. Der Ausgaben zeigt sich die Möglichkeit zur Rück-
Sicherheitseinbehalt wird dadurch vorgenommen, zahlung vorhandener Kredite oder die Notwen-
dass Zahlungen aufgrund von Abschlagsrechnun- digkeit zur Aufnahme neuer Kredite. Die Finanz-
gen des Auftragnehmers vom Auftraggeber um planung muss nicht nur die Liquidität des
einen bestimmten, meist prozentualen Abschlag Unternehmens sichern, sondern auch die Finan-
gekürzt werden. Die rechtliche Grundlage bilden zierungsstrukturen und deren Auswirkungen auf
§ 17 VOB/B in Verbindung mit den §§ 232–240 die Bilanz aufzeigen.
BGB. Gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB/A soll der Die Sicherung der Liquidität ist durch eine
Auftraggeber die Zahlung um höchstens 10 v. H. systematische Erfassung möglichst aller liquidi-
130 C. J. Diederichs et al.
Maßnahmen durch Beschleunigung und Erhö- nach Zugang). Durch vertragliche Vereinbarung
hung von Einzahlungen sowie Streckung und der Geltung der VOB/B vor dem BGB wird ein
Senkung von Auszahlungen eingeleitet werden Konflikt mit der Verzugsregelung nach § 286
(Tab. 26). Abs. 3 BGB (Verzug 30 Tage nach Zugang und
In größeren Unternehmen ist es notwendig, Fälligkeit einer Rechnung) vermieden. Teil-
einen täglichen Status über die Einnahmen und schlusszahlungen sind Vergütungen für abgenom-
Ausgaben des Unternehmens und des sich daraus mene Teilleistungen (§ 16 Abs. 4 VOB/B).
ergebenden Liquiditätsstandes zu erstellen. Diese Zahlungsarten und damit verbundenen
Die Überwachung ausstehender Forderungen Zahlungsmodalitäten müssen vertraglich verein-
ist auftragsorientiert nach Kunden (Debitoren) bart und während der Projektlaufzeit durch
vorzunehmen. Dabei sind die verschiedenen Zah- das Forderungsmanagement vollzogen werden.
lungsarten zu unterscheiden. Die Vorauszahlung Durch monatliche Zahlungskontrollblätter und
nach § 16 Abs. 2 VOB/B ist eine Vergütung für Außenstandsübersichten mit Höhe und Dauer
noch nicht erbrachte Leistungen. Sie wird der Außenstände, Kosten, Leistung, Ergebnis
u. a. vom Auftraggeber gewährt, wenn für die und Cashflow werden die notwendigen Informa-
vereinbarten Leistungen hohe Vorlaufkosten aus tionen für die Kontrolle und Steuerung der Liqui-
Materialbeschaffungen und -anfertigungen entste- ditätspläne geliefert.
hen, bevor die eigentliche Montage vor Ort vor- Ein Unternehmen muss täglich in der Lage sein,
genommen werden kann. Die Abschlagszahlung die Bankbestände und Forderungen sowie die Ver-
nach § 16 Abs. 1 VOB/B ist eine Vergütung für bindlichkeiten gegenüber Banken und Lieferanten
erbrachte, aber noch nicht abgenommene Teilleis- durch Überwachung des Zahlungsverkehrs darzu-
tungen. Nach BGB werden Abschlagszahlungen stellen. Ferner müssen die gewährten und erhalte-
für erbrachte Leistungen im § 632a geregelt. Die nen Sicherheiten sowie die damit verbundenen
Fälligkeit der Schlussrechnung nach § 14 Abs. 3 Kosten dargelegt und die Finanzierungsspielräume
VOB/B setzt gemäß § 641 Abs. 1 BGB die erfolg- bis zur Ausschöpfung der Kreditlinien dargelegt
reiche rechtsgeschäftliche Abnahme der vertrag- werden. Noch verbleibende Sicherheiten sind auf
lichen Leistungen voraus. Die Zahlungsfrist für ihre Werthaltigkeit zu überprüfen.
die Schlusszahlung richtet sich nach § 16 Abs. 3 Auswertungshilfsmittel zur Finanzplanung ist
Nr. 1 VOB/B (spätestens innerhalb von 60 Tagen die Finanzbewegungsrechnung, die nicht nur die
132 C. J. Diederichs et al.
Mittelherkunft und -verwendung aufzeigt, son- • die Finanzplanung die Einzahlungs- und Aus-
dern auch unterscheidet sowohl in lang-, mittel- zahlungsströme falsch prognostiziert hat oder
und kurzfristige Finanzmittel als auch in Innenfi- • die Finanzkontrolle unterlassen hat, rechtzeitig
nanzierung und Außenfinanzierung. Fehlbeträge festzustellen und Maßnahmen zu
ergreifen, um diese Lücken zu schließen.
Kapitalstruktur
Sobald das Unternehmen den für den güterwirt- Daraus wird deutlich, dass einer sorgfältigen
schaftlichen Prozess notwendigen Kapitalbedarf Ermittlung des Kapitalbedarfs und seiner De-
aus der Finanzplanung ermittelt hat, geht es in ckung unter Berücksichtigung des unternehmeri-
der nächsten Phase um die Bestimmung der Ka- schen Risikos (Unsicherheit) im Rahmen der
pitalart, die zur Deckung dieses Kapitalbedarfs Finanzplanung und -kontrolle eine hohe Bedeu-
herangezogen werden soll. Bei der optimalen tung zukommt.
Vermögens- und Kapitalstruktur geht es um das
Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital, Finanzierungsregeln
die Bestimmung der konkreten Kapitalformen Für die Finanzplanung, -analyse und -prognose
sowie die Verwendung dieses Kapitals zur Bil- haben sich im Zusammenhang mit den Finanzie-
dung von Vermögenswerten. Kapitalentschei- rungszielen der Unabhängigkeit und Sicherheit
dungen und damit die Gestaltung der Kapital- Finanzierungsregeln herausgebildet, deren Ein-
struktur haben sich an den Unternehmenszielen haltung durch Bilanzkennziffern auf Basis hori-
auszurichten. Dies sind im Rahmen der Finanzpla- zontaler und vertikaler Kapitalstrukturregeln zu
nung vor allem die Erzielung von Gewinnen, die überprüfen ist.
Sicherung der Liquidität sowie die langfristige Zu den horizontalen Kapitalstrukturregeln ge-
Existenzsicherung des Unternehmens. Jedes hören die „Goldene Finanzierungsregel“ und die
Unternehmen hat daher seinen Kapitalbedarf derart „Goldene Bilanzregel“. Die „Goldene Finanzie-
zu decken, dass rungsregel“ verlangt, dass sich die Fristen zwi-
schen Kapitalbeschaffung und -rückzahlung
• durch die finanzwirtschaftlichen Entscheidun- einerseits und Kapitalverwendung zur Finanzie-
gen die Gewinnerzielung unterstützt wird rung von Investitionen andererseits entsprechen.
(Rentabilität), Die „Goldene Bilanzregel“ fordert ebenfalls in
• es jederzeit seinen finanziellen Verpflichtun- Anwendung der Fristenkongruenzregel die De-
gen betragsgenau nachkommen kann (Liquidi- ckung des Anlagevermögens durch die Summe
tät) und aus Eigen- und langfristigem Fremdkapital.
• das Unternehmensvermögen ausreicht, die Obwohl diese beiden horizontalen Kapital-
Ansprüche der Fremd- und Eigenkapitalgeber strukturregeln die Sicherung der Liquidität allein
zu erfüllen (Sicherheit). nicht gewährleisten, stützen Fremdkapitalgeber
ihre Bonitätsprüfung u. a. auf die Analyse dieser
Solange die Gesamtkapitalrentabilität höher ist Kennziffern im Perioden- oder Branchenver-
als der Fremdkapitalzinssatz, kann durch eine Er- gleich.
höhung des Fremdkapitals eine höhere Eigenka- Die vertikale Kapitalstrukturregel bezieht sich
pitalrentabilität erzielt werden (Leverage-Effekt). auf das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital,
Allerdings wird in der Praxis das Ausmaß der um den Verschuldungsgrad zu messen. Kennzah-
Kreditwürdigkeit sehr stark von der Höhe des len sind die Eigenkapitalquote (Eigenkapital/
Eigenkapitals beeinflusst. Gesamtkapital) und der Verschuldungskoeffizient
Liquiditätsprobleme können in der Praxis (Fremdkapital/Eigenkapital). Der Verschuldungs-
u. a. dann auftreten, wenn koeffizient (FK/EK) von deutschen Unternehmen
aller Wirtschaftsbereiche liegt bei einem Verhält-
• die notwendigen finanziellen Mittel nicht nis von < 2:1 (2015), wobei Bauunternehmen
beschafft werden können, allerdings durchschnittlich ein Verhältnis von
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 133
Tab. 27 Bilanzstrukturkennzahlen von Unternehmen aller Wirtschaftszweige gegenüber Bauunternehmen für das
Jahr 2015
Alle Wirtschaftszweige Baugewerbe
Aktiva in % der Bilanzsumme
Immaterielle Vermögensgegenstände 1,9 0,3
Geschäfts- oder Firmenwert 0,5 0,1
Sachanlagen 22,6 10,9
Grundstücke und Gebäude 8,2 4,8
Vorräte 13,2 51,3
Erzeugnisse und Waren 5,9 3,4
Kassenmittel 5,6 11,2
Forderungen 32,2 22,1
kurzfristige 29,1 20,8
langfristige 3,1 1,3
Wertpapiere 3,0 0,6
Beteiligungen 21,2 3,4
Passiva in % der Bilanzsumme
Eigenmittel 32,1 17,6
Verbindlichkeiten 48,1 70,8
kurzfristige 34,7 65,5
langfristige 13,4 5,3
Rückstellungen 19,2 11,5
Pensionsrückstellungen 6,4 2,6
Jahresergebnis (inkl. Zinsaufwend.) in % der Bilanzsumme
4,6 4,9
Quelle: Deutsche Bundesbank 2018b, S. 16 und 162
> 4:1 (2015) aufweisen (vgl. Deutsche Bundes- unternehmensgefährdende Entwicklungen zu er-
bank 2018b, S. 16 und 162) (Tab. 27). kennen und zu beseitigen.
Das Insolvenzrecht in Deutschland ist ein Teil-
Insolvenzvermeidung gebiet des Zivilrechts und befasst sich auf materi-
Im Mittel wurden in den Jahren 2000 bis 2017 in ell- und verfahrensrechtlichem Gebiet mit den
Deutschland jährlich 30.218 Unternehmen insol- Rechten des Gläubigers bei Zahlungsunfähigkeit
vent (eröffnete und mangels Masse abgelehnte des Schuldners. Das gesamte Insolvenzrecht
Insolvenzverfahren zuzüglich eröffneter Ver- beruht primär auf der Insolvenzordnung (InsO).
gleichsverfahren abzüglich Anschlussinsolven- Weitere rechtliche Festsetzungen sind das Ein-
zen). Im Jahr 2017 meldeten deutsche Amtsge- führungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO),
richte eine Anzahl von insgesamt 20 093 die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates der
Unternehmensinsolvenzen, was einem Rückgang Europäischen Union sowie die Paragrafen
von etwa 6,6 % gegenüber dem Vorjahr ent- §§ 1975 ff. des BGB.
spricht. Dieser Wert liegt dabei über 30 % unter Die wichtigste Rechtsquelle ist die Insolvenz-
dem Durchschnittswert der Jahre 2000. Dieser ordnung (InsO 2017). Sie verfolgt gem. § 1 InsO
Rückgang der Insolvenzen zeigt sich auch im das Ziel, die Gläubiger eines Schuldners im Insol-
Baugewerbe seit dem Jahr 2009. Trotz dieses venzverfahren gemeinschaftlich zu befriedigen.
Rückgangs ist das Baugewerbe der Wirtschafts- Dieses Ziel wird erreicht, „indem das Vermögen
bereich mit der drittgrößten Anzahl an Insolven- des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt
zen (vgl. Statistisches Bundesamt 2018e, S. 3). Es oder in einem Insolvenzplan eine abweichende
gilt daher, Erfolgsfaktoren zu finden, die den Füh- Regelung insbesondere zum Erhalt des Unterneh-
rungskräften ermöglichen, möglichst frühzeitig mens getroffen wird“ (§ 1 InsO). Im Insolvenz-
134 C. J. Diederichs et al.
verfahren hat der Schuldner demnach die • Änderung des Nachfrageverhaltens der Kunden
Möglichkeit, sich von seinen restlichen Verbind- und dadurch bedingter Strukturwandel sowie
lichkeiten zu befreien. Grundlegend zu unter- • das Entscheidungsverhalten von Banken.
scheiden ist das Regelinsolvenzverfahren und
das Verbraucherinsolvenzverfahren. Wesentlich Der Krisenverlauf eines Unternehmens kann in
ist hierbei das Regelinsolvenzverfahren für juris- 4 Phasen eingeteilt werden:
tische Personen oder natürliche Personen, die
mehr als 20 Gläubiger haben. Das Verbraucher- • Die strategische Krise ist nur schwer zu dia-
insolvenzverfahren ist für natürliche Personen gnostizieren. Die Kundenorientierung ver-
bestimmt, die gem. § 304 Abs. 1 InsO keine schlechtert sich. Die Qualifikation der Mitar-
selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. beiter hält nicht Schritt mit derjenigen der
Die Eröffnungsvoraussetzungen und das Eröff- Konkurrenz. Das Know-how und die techni-
nungsverfahren selbst regeln die §§ 11–34 sche Ausstattung veralten.
InsO. Beteiligte am Verfahren sind die Schuldner, • In der Rentabilitätskrise sind erste Gewinn-
gegen die sich das Verfahren richtet, die Gläubiger, rückgänge zu verzeichnen. Die Liquidität ist
das Insolvenzgericht sowie der Insolvenzverwalter. jedoch noch ausreichend.
Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag • Die Schieflage des Unternehmens wird von der
eröffnet. Neben dem Schuldner ist jeder Gläubi- Geschäftsleitung häufig erst in der Ertragskrise
ger berechtigt, den Antrag auf Eröffnung des erkannt, wobei Verluste häufig noch nicht auf-
Insolvenzverfahrens zu stellen (§ 13 Abs. 1 InsO). gedeckt werden. Die Geschäftspartner sind
Bei einer Analyse der Insolvenzursachen ist noch unwissend.
durch Vergleich von Forschungsergebnissen • In der Liquiditätskrise werden die Auskünfte
immer wieder festzustellen, dass vorrangig interne, von Banken und Auskunfteien schlechter. Das
von den Unternehmen selbst zu steuernde Faktoren Zahlungsverhalten der Kunden verschlechtert
die Insolvenz verursachen und in der Mehrheit der sich, Bankkredite werden nicht mehr gewährt.
Fälle ausschlaggebend für eine Unternehmenskrise Das Unternehmen kann seinen Zahlungsver-
sind. Vorrangige interne Insolvenzursachen sind: pflichtungen nicht mehr fristgerecht und
betragsgenau nachkommen.
• Qualifikationsmängel in der Unternehmens-
führung, Durch Insolvenzprophylaxe sind rechtzeitig
• unzureichendes Unternehmens- und Auftrags- vorbeugende Maßnahmen einzuleiten, um dro-
controlling, hende Unternehmenskrisen bzw. Insolvenzen zu
• zu geringe Eigenkapitalausstattung und man- vermeiden. Quantitative Warnsignale sind Kenn-
gelhafte Finanzierung, zahlen, mit denen die Situation des Unternehmens
• unzureichende Arbeitsvorbereitung und Ab- beschrieben werden kann und für deren Beurtei-
lauforganisation und unzureichendes Personal- lung Vergleichsmaßstäbe vorhanden sind.
management, Kennzahlen früherer Perioden führen zu einem
• zu geringe Kundenorientierung und fehlendes Zeitreihenvergleich, durch den das dynamische
Marketing sowie Betriebsgeschehen und Entwicklungstendenzen
• unzulängliche Nachfolgeregelungen. verdeutlicht werden können. Durch den Soll-/Ist-
Vergleich werden aktuelle Kennzahlen mit Soll-
Externe Ursachen, die nur in einer Minderheit Vorgaben verglichen. Aus den Abweichungen
der Fälle zu Insolvenzen führen, sind vor allem sind die Notwendigkeit und der Umfang erforder-
licher Anpassungsmaßnahmen abzuleiten.
• Forderungsausfälle und schlechte Zahlungs- Der Betriebsvergleich mit den Kennzahlen
moral der Auftraggeber, ähnlich strukturierter Betriebe der gleichen Bran-
Bauwirtschaftslehre – Grundlagen 135
che ermöglicht die Erkennung eigener Schwach- Die in Abb. 58 dargestellte Früherkennungstrep-
stellen und besserer Markteinschätzung. Aus dem pe des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Betriebsvergleich sind durch das Benchmarking Energie bietet eine Hilfestellung, interne Schwächen
Verbesserungsprozesse und -methoden zu entde- frühzeitig zu erkennen. Das BMWi empfiehlt:
cken, nachzuvollziehen und in geeigneter Weise
„Wenn Sie in den Bereichen 1 bis 3 ‚nein‘ sagen
im Unternehmen zu implementieren.
müssen, ist das Thema wichtig, aber Sie haben noch
Qualitative Warnsignale deuten ebenfalls auf genügend Zeit zu überlegen und zu handeln.
eine Krise hin, sind jedoch weitaus schwieriger zu Wenn Sie in den Bereichen 4 bis 6 ‚nein‘ sagen
erkennen als quantitative Warnsignale. Der Unter- müssen, ist das Thema sehr wichtig. Sie müssen
rasch handeln und Verbesserungen durchführen.
nehmer muss ein „Gespür“ dafür entwickeln, sol-
Wenn Sie bereits in den Bereichen 7 bis 9 ‚nein‘
che Warnsignale, die auf interne und externe Pro- sagen müssen, ist das Thema äußerst kritisch. Der
bleme schließen lassen, frühzeitig zu erkennen. Fortbestand Ihres Unternehmens ist gefährdet!“
Die Beobachtung der Konkurrenz trägt dazu bei,
neue Trends in diesen Unternehmen frühzeitig zu Erfolgsfaktoren zur Insolvenzprophylaxe sind
erkennen und Auskünfte über die Geschäftsfähig- darauf ausgerichtet, durch kontinuierliche, strate-
keit, die Auftragsstruktur und den Kundenstamm gische, taktische und operative Verbesserungspro-
zu erhalten. zesse (KVP) interne Insolvenzursachen zu ver-
Durch Beobachtung der Bonität und des Zah- meiden und externe Insolvenzrisiken so weit wie
lungsverhaltens der Kunden können frühzeitig möglich zu reduzieren. Abb. 59 zeigt die mög-
Schwierigkeiten erkannt und Forderungsausfälle liche Beeinflussung von Insolvenzursachen durch
vermieden werden. unternehmerische Erfolgsfaktoren.
DrittelbG (2004/2015) Gesetz über die Drittelbeteiligung stimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und
der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungs- Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der
gesetz) Eisen und Stahl erzeugenden Industrie)
EBRG (2011/2017) Gesetz über Europäische Betriebsräte MoMiG (2008) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-
(Europäische Betriebsräte-Gesetz) Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (BGBl.
EGBGB (1994/2019) Einführungsgesetz zum Bürgerli- I S. 2008, S. 2026)
chen Gesetzbuche MontanMitbestG (1951/2015) Gesetz über die Mitbestim-
Entgelttarifverträge für Angestellte und Poliere mung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vor-
Entgelttarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer ständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen
EntgFG (1994/2015) Gesetz über die Zahlung des Arbeits- und Stahl erzeugenden Industrie
entgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgelt- MuSchG (2017/2018) Gesetz zum Schutze der erwerbs-
fortzahlungsgesetz) tätigen Mutter (Mutterschutzgesetz)
Entsenderichtlinie (1996) NachwG (1995/2014) Gesetz über den Nachweis der für
EStG (2009/2018) Einkommensteuergesetz ein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (Nach-
EU-Vertrag (2009/2013) Vertrag über die Europäische weisgesetz)
Union PartGG (1995/2015) Gesetz über Partnerschaftsgesell-
Gemeinsame Erklärung zur Durchsetzung und Kontrolle schaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsge-
der Mindestlöhne im Baugewerbe (29.10.2003) sellschaftsgesetz)
GenG (2006/2017) Gesetz betreffend die Erwerbs- und PflegeZG (2008/2016) Gesetz über die Pflegezeit (Pflege-
Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) zeitgesetz)
Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Bauge- Rahmentarifvertrag für Leistungslohn im Baugewerbe
werbe (2001) (2015)
GewO (1999/2018) Gewerbeordnung (BGBl. I 2018 Rahmentarifverträge für Angestellte und Poliere
S. 2666) Rahmentarifverträge für Auszubildende
GewStG (2002/2018) Gewerbesteuergesetz Rahmentarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer
GG (1949/2017) Grundgesetz für die Bundesrepublik RVO (1964/2012) Reichsversicherungsordnung
Deutschland Schlichtungsabkommen für das Baugewerbe in der BRD
GKG (2004/2018) Gerichtskostengesetz (1979/1993)
GmbHG (1892/2017) Gesetz betreffend die Gesellschaften SchwarzArbG (2004/2017) Gesetz zur Bekämpfung der
mit beschränkter Haftung Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarz-
GWB (1998/2018) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän- arbeitsbekämpfungsgesetz)
kungen Haushaltsordnungen des Bundes, der Länder SGB I bis XII Sozialgesetzbücher
und der Kommunen zu Wirtschaftlichkeitsberechnun- SprAuG (1989/2006) Gesetz über Sprecherausschüsse der
gen und Nutzen-Kosten-Untersuchungen (i. d. R. § 7) leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz)
HAG (1964/2018) Heimarbeitsgesetz StabG (1967/2015) Gesetz zur Förderung der Stabilität und
HGB (1897/2018) Handelsgesetzbuch des Wachstums der Wirtschaft
HGBEG Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Tarifsammlung für die Bauwirtschaft 2018/2019 (2018),
HOAI (2013) Honorarordnung für Architekten und Inge- Hrsg. Brettschneider S, Wulf N, Otto Elsner Verlags-
nieure gesellschaft, Berlin
IAS, IFRS (2018) International Accounting Standards und Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Bauge-
International Financial Reporting Standards werbe (VTV 2013/2014)
InsO (1994/2017) Insolvenzordnung Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Bauge-
JArbSchG (1976/2018) Gesetz zum Schutz der arbeiten- werbe (2013)
den Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) TVG (1969/2018) Tarifvertragsgesetz
KAG Kommunalabgabengesetze der Länder TzBfG (2001/2019) Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete
KindArbSchV (1998) Verordnung über den Kinderarbeits- Arbeitsverhältnisse (Teilzeit- und Befristungsgesetz)
schutz (Kinderarbeitsschutzverordnung) UmwG (1995/2019) Umwandlungsgesetz
KonTraG (1998) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im UstG (2005/2019) Umsatzsteuergesetz
Unternehmensbereich UWG (2004/2016) Gesetz gegen den unlauteren Wettbe-
KSchG (1951/2017) Kündigungsschutzgesetz werb
KWG (1961/2018) Gesetz über das Kreditwesen (Kredit- VgV (2016/2018) Verordnung über die Vergabe öffentli-
wesengesetz) cher Aufträge
LadSchlG (2003/2015) Gesetz über den Ladenschluss VOB (2016) Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleis-
LHO Landeshaushaltsordnungen der Länder tungen
Materielle Sozialkassen- und Verfahrenstarifverträge Winterbauförderung, Saison-Kurzarbeitergeld
MiLoG (2014/2017) Gesetz zur Regelung eines allgemei- WissZeitVG (2007/2017) Gesetz über befristete Arbeits-
nen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) verträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitver-
MitbestG (1976/2015) Gesetz über die Mitbestimmung der tragsgesetz)
Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) WO (2001/2004) Erste Verordnung zur Durchführung des
MMitBestG (1951/2015) Montan-Mitbestimmungsgesetz Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung)
(Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbe- ZPO (2005/2018) Zivilprozessordnung
138 C. J. Diederichs et al.
Weitz BO, Eckstein A (2015) VWL Grundwissen, 4. Aufl. European International Contractors (2018) International
Haufe-Lexware, Planegg/München contracts statistics. https://www.eic-federation.eu/servi
Wildmann L (2016) Wirtschaftspolitik – Module der Volks- ces/statistics. Zugegriffen am 03.09.2018
wirtschaftslehre, 3. Aufl. Walter de Gruyter, Berlin Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung
Wöhe G, Kußmaul H (2012) Grundzüge der Buchführung (2017) Wirtschaftsfaktor Immobilien 2017. https://
und Bilanztechnik, 8. Aufl. Vahlen, München www.gif-ev.de/dms/_file/view,125/DV%20Gutachten
Wöhe G, Döring U, Brösel G (2016) Einführung in die %20Immobilienwirtschaft%202017.pdf. Zugegriffen
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 26. Aufl. Vahlen, am 01.12.2018
München Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2017) Bau-
Woll A (2011) Volkswirtschaftslehre, 16. Aufl. Vahlen, investitionen. https://www.bauindustrie.de/zahlen-fak
München ten/statistik-anschaulich/international/bauinvestitionen/.
Wöltje J (2016) IFRS, 7. Aufl. Haufe-Lexware, Planegg/ Zugegriffen am 24.11.2018
München Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2018) Preis-
entwicklung im Baugewerbe. https://www.bauindust
rie.de/zahlen-fakten/bauwirtschaft-im-zahlenbild/preis
entwicklung-im-baugewerbe_bwz/. Zugegriffen am
Online-Dokumente 01.12.2018
Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2018
Bundesministerium der Finanzen (2010) Was ist Basel III? Statistisches Bundesamt (2018a) GENESIS-Online Daten-
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/ bank. https://www-genesis.destatis.de/genesis/online.
Standardartikel/Service/Einfach_erklaert/2010-11-04- Zugegriffen am 01.12.2018
einfach-erklaert-basel-III-flash-infografik.html. Zuge- Statistisches Bundesamt (2018b) Volkswirtschaftliche
griffen am 05.09.2018 Gesamtrechnungen – Wichtige Zusammenhänge im
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. (o. J.) Überblick. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/
Die „Früherkennungstreppe“. https://www.existenzgru Thematisch/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/
ender.de/SharedDocs/Downloads/DE/Checklisten-Ue ZusammenhaengePDF_0310100.pdf?__blob=publicati
bersichten/Krisenvorbeugung-Krisenmanagement/01_ onFile. Zugegriffen am 13.11.2018
uebersicht-Frueherkennungstreppe.pdf?__blob=publi Statistisches Bundesamt (2018c) Volkswirtschaftliche
cationFile. Zugegriffen am 05.09.2018 Gesamtrechnungen – Inlandsproduktberechnung –
Deutsche Bundesbank (2018a) Die deutsche Zahlungsbi- Lange Reihen ab 1970. https://www.destatis.de/DE/
lanz für das Jahr 2017. https://www.bundesbank.de/ Publikationen/Thematisch/VolkswirtschaftlicheGesam
resource/blob/723250/8d34f1eb5c2d097cce99e24b753 trechnungen/Inlandsprodukt/Inlandsproduktsberechnung
46358/mL/2018-03-zahlungsbilanz-data.pdf. Zugegrif- LangeReihenPDF_2180150.pdf?__blob=publicationFile.
fen am 01.11.2018 Zugegriffen am 15.11.2018
Deutsche Bundesbank (2018b) Verhältniszahlen aus Statistisches Bundesamt (2018d) Arten der Arbeitslosig-
Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2014 keit. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Gesamt
bis 2015. https://www.bundesbank.de/resource/blob/ wirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/Methoden/Begriffe/Arb
739434/c5c83e4d6690db3b6d7dbf0b1b257517/mL/ eitslosigkeitArten.html. Zugegriffen am 17.11.2018
statso-6-2018-05-2014-2015-data.pdf. Zugegriffen am Statistisches Bundesamt (2018e) Konjunkturindikatoren.
01.08.2018 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/
DIW Berlin (2017) Strukturdaten zur Produktion und Be- Konjunkturindikatoren/Konjunkturindikatoren.html.
schäftigung im Baugewerbe – Berechnungen für das Zugegriffen am 01.11.2018
Jahr 2016. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Vero Statistisches Bundesamt (2018f) Finanzen und Steuern –
effentlichungen/BBSROnline/2017/bbsr-online-15-2017- Umsatzsteuerstatistik (Voranmeldungen). https://www.
neu-dl.pdf;jsessionid=EB16D2A9B26E729091978A98C destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSte
904D5AA.live11292?__blob=publicationFile&v=3. Zuge- uern/Steuern/Umsatzsteuer/Umsatzsteuer2140810167004.
griffen am 03.08.2018 pdf?__blob=publicationFile. Zugegriffen am 01.11.2018
DIW Berlin (2018) Publikationsverzeichnis. https://www. WISO-Net (2018) Literaturdatenbank für Hochschulen.
diw.de/de/diw_01.c.100308.de/publikationen_veransta https://www.wiso-net.de/dosearch. Zugegriffen am
ltungen/publikationen/publikationen.html. Zugegriffen 14.03.2018
am 01.10.2018
Unternehmensführung
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
2 Vision, Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
3 Unternehmensziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
4 Shareholder-Value-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
5 Produkt-Markt-Segmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
6 Strategische Optionen und Wettbewerbsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
7 Operative Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8 Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
Abkürzungen
DCFA Discounted-Cash-Flow-Methode
DVFA/ Deutsche Gesellschaft für
Ä Änderung SG Betriebswirtschaft (Schmalen-
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz bach-Gesellschaft)
ARGE Arbeitsgemeinschaft EDV Elektronische Datenverarbeitung
BaustellV Baustellenverordnung EG Europäische Gemeinschaft
BewG Bewertungsgesetz EMAS- Environmental Management
BGBI Bundesgesetzblatt VO Audit Scheme-Verordnung
BWI-Bau Institut der Bauwirtschaft ErwV Erweiterungsverordnung
EStG Einkommenssteuergesetz
EU Europäische Union
C. J. Diederichs (*) EWG Europäische Wirtschaftsgemein-
Bauwirtschaft und Baumanagement, Universität schaft
Wuppertal, München, Deutschland
E-Mail: diederichs@dsb-iqbau.de F+E Forschung und Entwicklung
FH Fachhochschule
A. Malkwitz · D. Schlüter
Institut für Baubetrieb und Baumanagement, Universität GU Generalunternehmer
Duisburg-Essen, Essen, Deutschland HDB Hauptverband der Deutschen
E-Mail: alexander.malkwitz@uni-due.de; dirk. Bauindustrie
schlueter@uni-due.de
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 141
C. J. Diederichs, A. Malkwitz (Hrsg.), Bauwirtschaft und Baubetrieb, Handbuch für Bauingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-27916-5_8
142 C. J. Diederichs et al.
Abb. 1 Handlungsberei-
che der Unternehmens-
führung. (Quelle: Institut
für Baubetrieb und Bauma-
nagement 2018, Universität
Essen)
Unternehmensführung 143
Vision
Mission
und dem strategischen Management. Durch die Wie einleitend beschrieben, können Unterneh-
Formulierung einer Mission sollen die in der mensziele, entsprechend Ihrer Systematik, in
Vision formulierten Ziele und Normen sichtbar Leistungsziele, monetäre Ziele sowie Sozial- und
werden, so dass ein eindeutiges Bild über den Umweltziele unterteilt werden (Carl 2008, S. 4).
eigentlichen Unternehmenszweck entsteht. Wird Leistungsziele beziehen sich auf das Leis-
durch die Formulierung der Vision zumeist der tungsangebot sowie die beabsichtigte Qualität
eigentliche Kundennutzen noch nicht direkt sicht- und die Mengen der angebotenen Produkte. Somit
bar, so ändert sich dies nun. Durch die Formulie- sollen die Leistungsziele die Bedarfe der Ziel-
rung der Unternehmensgrundsätze und -leitlinien gruppen in den jeweiligen Geschäftsfeldern de-
wird auch für den Kunden transparent, welche cken und so zur Umsetzung der Mission beitra-
seiner spezifischen Problemstellungen durch das gen. Sie leisten somit einen wesentlichen Beitrag
Unternehmen gelöst werden können. zur Zielerreichung externer Interessensgruppen
Die Mission soll definieren, in welchem Ge- (Stakeholder) der Unternehmen, wie z. B. Kunden,
schäft das Unternehmen tätig werden will (wo Lieferanten und regulatorische Gruppen (Behör-
wollen wir arbeiten?) und somit das Spektrum den und andere staatliche, wirtschaftliche und
der strategischen Planung einschränken. Zudem gesellschaftliche Institutionen). Diese haben
sollen die Kompetenzen des Unternehmens he- zumeist die Erwartung eines guten Preis-Leis-
rausgestellt werden (wie wollen wir arbeiten?), tungsverhältnisses und häufig umfangreicher
so dass potenzielle Kunden einen direkten Nutzen Nebenleistungen bzw. günstiger Lieferkonditio-
erkennen können. Des Weiteren sind durch die nen und rascher Zahlung der Rechnungen.
Mission die Werte eines Unternehmens (warum Monetäre Ziele beziehen sich auf Ertrags-,
wollen wir arbeiten?) zu beschreiben, da auf die- Markt- und Wettbewerbsziele. Ertragsziele, häu-
ser ethischen Basis und der Unternehmensphilo- fig auch ökonomische Ziele genannt, können sich
sophie die eigentliche unternehmerische Tätigkeit auf Kennzahlen wie den Gewinn, die Rentabilität
aufbauen sollte. Die Mission beschreibt unterneh- oder den Cash- Flow beziehen. Sie sind zumeist
merische Zielstellungen im Allgemeinen und ist eine bestimmte Zielgröße für die Kapitalgeber
somit die Basis für die Formulierung der spezifi- (Shareholder) der Unternehmen, die das Verhält-
schen Unternehmensziele. nis zwischen beabsichtigtem Ertrag bei gegebe-
nem Risikogehalt determinieren. Marktziele kön-
nen sich sowohl auf ökonomische als auch
3 Unternehmensziele nichtökonomische Ziele beziehen. Ökonomische
Marktziele, wie z. B. die Steigerung der jährlichen
Die Unternehmensziele beschreiben konkrete Bauleistung um einen definierten Prozentsatz,
Vorgaben, worauf sich das Handeln des Unterneh- sind dabei eindeutig quantifizierbar, wohingegen
mens in den einzelnen Geschäftsfeldern, ausrich- nichtökonomische Ziele, wie z. B. Prestige, qua-
ten soll (Girmscheid 2010, S. 24). Unternehmens- litative Zielgrößen darstellen. Wettbewerbsziele,
ziele müssen konkret formuliert sein, einen wie z. B. die Steigerung der Kundenzufriedenheit,
Sachbezug aufweisen, wie z. B. die Steigerung beziehen sich auf die Positionierung des Unter-
des Umsatzes oder die Senkung der Stückkosten, nehmens im Vergleich zur Konkurrenz.
und quantitativ bestimmt werden (Diederichs Sozial- und Umweltziele lassen sich prinzipiell
2012, S. 569–575). Die Unternehmensziele kön- in Ziele interner Interessensgruppen sowie Ziele
nen zur Orientierung bei der Auswahl von Steue- der mit dem Unternehmen in Kontakt stehenden
rungsmaßnahmen dienen und somit das Handeln Gesellschaft unterteilen. Interne Interessensgrup-
unterschiedlicher Instanzen hinsichtlich der pen (z. B. Manager, Arbeitnehmer, Eigenkapital-
Vision und Mission des Unternehmens synchro- geber) verfolgen vorrangig Sicherheitsziele, wie
nisieren. Damit haben sie eine Legitimationsfunk- z. B. Existenzsicherung durch Einkommenser-
tion für interne und externe Maßnahmen zur Ziel- werb oder gute Arbeitsbedingungen. Gesell-
erreichung (Macharzina und Wolf 2017, S. 205). schaftsbezogene Ziele können sich auf den Res-
Unternehmensführung 145
sourcenschutz oder ökologisch unbedenkliche Ziele, die sicherstellen, dass die laufenden Dinge
Arbeitsplätze beziehen. richtig getan werden, auf etwa 1–2 Jahre. Anhand
Bei der Formulierung der Zieldimension jedes der Beziehungen im Zielsystem und der zeitlichen
einzelnen Elements im Zielsystem sind die Bezie- Planung lassen sich Teilziele herleiten, die zur
hungen zwischen den Elementen zu berücksichti- Zielerfüllung erreicht werden sollen.
gen. Die Zielbeziehungen beschreiben die Tatsa- Zur Steuerungseignung und Kontrollierbarkeit
che, dass verschiedene Unternehmensziele in der Bestimmungselemente der definierten Teil-
unterschiedlichen Beziehungen zueinander auf- ziele sind Zieldimensionen zu definieren, welche
treten: Zielkomplementarität, Zielneutralität und aus Bestimmungselementen bestehen (Töpfer
Zielkonkurrenz (Zielkonflikt) (Girmscheid 2010, 2007, S. 434). Diese Bestimmungselemente sind
S. 25). Die Zielkomplementarität meint, dass die als Balanced Score Card im Pentagon der Teilziele
Förderung eines Ziels im Zielsystem in geringe- nachfolgend dargestellt und gelten im Sinne stra-
rem, gleichem oder höherem Maße andere Ziele tegischer Unternehmensziele auch für Bauherren,
fördert. Zielneutralität bedeutet, die Förderung Bauunternehmen und Planungsbüros (Abb. 3).
eines Ziels lässt die anderen Ziele unbeeinflusst, Zur Operationalisierung der Ziele soll für jede
und Zielkonkurrenz bedeutet, die Zielförderung Zielkategorie ein Katalog von Unterzielen auf einer
eines Ziels reduziert die Erreichbarkeit eines oder mehreren Ebenen definiert werden, die erst
anderen Ziels und umgekehrt. aufgrund ihrer Konkretisierung eine Messung des
Auf Grundlage der Zielbeziehungen werden jeweiligen Erfüllungsgrades (Ist-Kennzahlen), den
die Ziele der Unternehmen geplant. Bei der Pla- Vergleich mit Soll-Vorgaben und aus den Abwei-
nung der Ziele wird in der Literatur eine zeitliche chungen die Ableitung von Maßnahmen zur Teil-
Gliederung vorgenommen (Carl 2017, S. 7). Die zielerreichung erlauben. Einen vereinfachten Ziel-
strategisch langfristigen Ziele, die dafür sorgen katalog zeigt Tab. 1.
sollen, dass die richtigen Dinge getan werden, Die Finanzperspektive umfasst die ökonomi-
beziehen sich auf einen Zeithorizont von 5–10 schen Ertragsziele angemessenen Gewinns und
Jahren, taktisch-mittelfristige Ziele, um in naher Cash-Flows in % der Bauleistung und der Rendite
Zukunft zu erfüllende Aufgaben sorgfältig und in % des eingesetzten Eigen- und Fremdkapitals
rechtzeitig vorzubereiten, auf einen Planungsho- zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Innenfi-
rizont von 2–5 Jahren und operative, kurzfristige nanzierung. Sie dient v. a. den internen Interes-
Mitarbeiter-/
Kundenperspektive
Potentialperspektive
Marktorientierte
Unternehmensentwicklung
- Vision und Strategie
Prozessperspektive Umweltperspektive
Tab. 1 Zielkatalog einer BSC mit Gewichtungsvorschlag. (Quelle: Diederichs 2012, S. 572)
Ist- Soll-
Nr. Elemente der Zielperspektiven der BSC Einheit Gewicht Kennzahl Vorgabe Maßnahmen
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)
1 Finanzperspektive 40
1.1 Umsatz-/Leistungsrendite % der Gesamtleistung p.a. 10
1.2 Cash-flow % der Gesamtleistung p.a. 10
1.3 Rendite % des eingesetzten Kapitals 15
(EK und FK)
1.4 Liquidität 1., 2. und 3. Grades % der kurzfristigen 5
Verbindlichkeiten
2 Kundenperspektive 20
2.1 Kundenzufriedenheit (Kundenbefragung) Note 1 bis 5 10
2.2 Leistung für Altkunden % der Gesamtleistung p.a. 4
2.3 Marktanteile % der Branchen-/ Regionsleistung 4
p.a.
2.4 Mängelbeseitigungs-/Gewährleistungsaufwand % der Gesamtleistung p.a. 2
3 Mitarbeiter-/Potenzialperspektive 20
3.1 Mitarbeiterzufriedenheit (Mitarbeiterbefragung) Note 1 bis 5 5
3.2 Schulungs-/Weiterbildungsstunden % der Gesamtstunden p.a. 5
3.3 Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter Jahre 2
3.4 Altersstruktur Jahre 2
3.5 Ausfallstunden durch Krankheit davon Ausfallstunden durch % der Gesamtstunden p.a. 2
3.6 Betriebsunfälle % der Gesamtstunden p.a. 2
3.7 Kündigungen % der Mitarbeiter p.a. 2
C. J. Diederichs et al.
4 Prozessperspektive 10
4.1 Innovation durch neue Geschäftsfelder % der Gesamtleistung p.a. 4
4.2 Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001 ff mit aktuellem Note 1 bis 5 2
Zertifikat
4.3 Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001 ff mit aktuellem Note 1 bis 5 2
Zertifikat
4.4 Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutzmanagementsystem mit Note 1 bis 5 2
Unternehmensführung
aktuellem Zertifikat
5 Umweltperspektive 10
5.1 Umweltzertifizierung von Bauwerken/Gebäuden nach LEED1 oder % der Gesamtleistung p.a. 4
DGNB2
5.2 Bauwerke/Anlagen zur Energieeinsparung % der Gesamtleistung p.a. 2
5.3 Bauwerke/Anlagen zur Senkung des CO2-Austoßes % der Gesamtleistung p.a. 2
5.4 Abfallbehandlung nach Landes-Abfallwirtschaftsgesetz Gebührenersparnis € 2
1
LEED Leadership in Energy and Environmental Design Rating System
2
DGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V.
147
148 C. J. Diederichs et al.
sengruppen, aber auch der Gesellschaft durch ent- Jedes bewusste, zielgerichtete menschliche
sprechendes Steueraufkommen. Die laufende Handeln vollzieht sich in einem Regelkreis der
Beachtung der Liquidität stellt eine der unterneh- Planung, Entscheidung, Durchführung und Kon-
merischen Nebenpflichten dar. trolle, der dann in weiteren Durchläufen wiede-
Die Kundenperspektive dient der Erfassung rum die Anpassungsplanung zur Minimierung
von Kennzahlen zum Erreichen der Kundenziele, aufgetretener Soll/Ist-Abweichungen mit der Ent-
d. h. Erhebung der Kundenzufriedenheit durch scheidung über entsprechende Maßnahmen folgt.
Kundenbefragungen, die Messung des Altkun-
denanteils und der Marktanteile in der Branche, Erfüllung und Bewertung der Zielerreichung
differenziert nach Regionen, zur Feststellung der Bei der Messung der Erfüllung der Unterneh-
Positionierung gegenüber den Wettbewerbern. mensziele ist darauf zu achten, dass die multidi-
Eine wichtige Kennzahl ist auch der Mängelbe- mensionalen Elemente des Zielkatalogs quantifi-
seitigungs-/Gewährleistungsaufwand als Maßstab ziert werden. In Abhängigkeit von der Art des
für die Qualität der Leistung einerseits mit Aus- jeweiligen Teilziels bieten sich die kardinale, ordi-
wirkungen auf die Kundenzufriedenheit anderer- nale oder nominale Skalierung zur Quantifizie-
seits. rung der Zielerreichungsgrade an (Diederichs
Die Mitarbeiter-/Potenzialperspektive folgt 2005, S. 243 ff.). Die auszuwählende Messskala
dem Grundsatz, dass das Personal jedes Unterneh- richtet sich insbesondere nach der Operationalität
mens das wichtigste „Kapital“ darstellt. Das Mit- des jeweiligen Teilziels und der Qualität der vor-
arbeiterpotential wird deutlich aus Erkenntnissen handenen Daten. Daher sind allgemein formu-
über die Mitarbeiterzufriedenheit, deren Qualifi- lierte Teilziele weiter in konkret messbare Unter-
zierung durch Schulungs- und Weiterbildungs- ziele aufzuspalten.
maßnahmen sowie Informationen über die So ist die Veränderung der Bauleistung, des
Betriebszugehörigkeit, die Altersstruktur, Aus- Auftragseingangs oder der Mitarbeiterzahl gegen-
fallstunden durch Krankheit und davon durch Be- über dem Vorjahr sehr einfach den Daten der
triebsunfälle sowie über Fluktuationsquoten. Buchhaltung, der Akquisition und der Personal-
Die Prozessperspektive findet Ausdruck in den statistik zu entnehmen. Dagegen ist z. B. das
bestehenden Managementsystemen für Qualität, Ansehen in der Öffentlichkeit und seine Verände-
Umwelt, Sicherheit/Gesundheit/Umweltschutz und rung gegenüber dem Vorjahr bzw. der Vergleich
deren Beurteilung in den jährlichen externen Audits. mit der Konkurrenz schon erheblich schwieriger
Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen wird auch festzustellen. Hier sind geeignete Vergleichsmaß-
maßgeblich bestimmt durch Kreativität und Innova- stäbe z. B. durch Kundenumfragen oder das Zäh-
tion zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder und len der Bewerberanfragen von Nachwuchskräften
damit neuer Marktanteile. zu schaffen. Zielsetzung der regelmäßigen Mes-
Die Umweltperspektive findet Ausdruck in der sung, inwieweit die Unternehmensziele erfüllt sind,
Umweltzertifizierung von Bauwerken/Gebäuden, ist der Zeitreihen- und Branchenvergleich bzw. der
z. B. nach dem Leadership in Energy und Envi- Vergleich mit den schärfsten Konkurrenten.
ronmental Design Rating System (LEED) oder Nach Messung der Erfüllung der Unterneh-
nach den Ansätzen der Deutschen Gesellschaft mensziele ist die Bedeutung der jeweiligen Mess-
für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB). Beiträge größen zu bewerten. Dazu ist es erforderlich, Ver-
zu Nachhaltigem Bauen leisten ferner Bauwerke gleichsmaßstäbe mit Norm- oder Sollwerten oder
bzw. Anlagen zur Energieeinsparung und zur Sen- auch oberen und unteren Schwellenwerten festzu-
kung des CO2-Austoßes. Die Behandlung von legen. Im Rahmen einer empirischen Erhebung
Abfällen mit dem Ziel der Vermeidung vor der erfragte Malkwitz (1995, S. 51–54) für 88 ergeb-
Verwertung vor der Beseitigung ist in Deutschland nisrelevante Einflussfaktoren Normwerte sowie
seit vielen Jahren gesetzlich geregelt, z. B. nach kritische und positive Schwellenwerte bei Füh-
den Lan-des-Abfallwirtschaftsgesetzen. rungskräften in den Niederlassungen einer großen
Unternehmensführung 149
deutschen Bauaktiengesellschaft und schuf damit geschaffen die in der Literatur als Corporate
Bezugsgrößen für die Bewertung der Messergeb- Governance bezeichnet wird. Die Corporate
nisse ergebnisorientierter Teilziele. Governance kennzeichnet die grundsätzliche
Damit wurde bereits für einige Elemente des Ausgestaltung sowie die speziellen Rahmenbe-
mehrdimensionalen Zielsystems die Basis für eine dingungen für die Strukturen und Prozesse der
gleichnamige Bewertung mit Nutzenpunkten Führung, Verwaltung und Überwachung von
z. B. zwischen 1 für die kritische Schwelle, Unternehmen. Gegenstand ist die Organisation
10 für die positive Schwelle und 5 für den der Leitung und Kontrolle eines Unternehmens
Normalwert bei linearer Abhängigkeit geschaf- mit dem Ziel, Interessenskonflikte der Stakehol-
fen. Für die Messergebnisse der übrigen Teilziele der abzumildern und vor allem Informations-
sind ebenfalls Transformationsfunktionen zwi- asymmetrien abzubauen (Töpfer 2007, S. 213).
schen Nutzenpunkten und Messskalen zu schaf- Corporate Governance ist in Deutschland eine
fen, damit eine durchgängige Bewertung möglich Verpflichtung der Unternehmensführung, welche
wird. Somit ist die Voraussetzung zur Anwendung im Wesentlichen die drei folgenden Hauptziele
der Nutzwertanalyse unter Einbeziehung der verfolgt (Töpfer 2007, S. 213):
Zielgewichte gegeben.
Nach Multiplikation der Zielgewichte mit • Aussagefähige Aufbereitung und zeitnahe
den jeweils erreichten Nutzenpunkten und deren Weitergabe von Informationen zu allen wichti-
Addition erhält man eine Summe gewichteter gen Geschäftsvorgängen im Unternehmen.
Nutzenpunkte, die für sich allein noch keine Ent- • Transparenz in allen wesentlichen Prozessen,
scheidungshilfe bieten. Erst mittels Zeitreihenver- Entscheidungen und Ergebnissen, so dass alle
gleich oder Vergleich mit konkurrierenden Unter- Interessensgruppen Beschlüsse der Unterneh-
nehmen ist eine Interpretation des Ergebnisses mensleitung nachvollziehen können.
hinsichtlich der Erfüllung des Zielkatalogs • Kontrolle, so dass die Unternehmen nicht
möglich. Dabei bietet auch die Betrachtung der gegen das kodifizierte Recht verstoßen.
Abweichungen zwischen erreichten und den
Normwerten entsprechenden Nutzenpunkten der Durch die Corporate Governance werden
einzelnen Unterziele Hinweise auf Entschei- somit Richtlinien einer guten Unternehmensfüh-
dungs- und Handlungserfordernisse. rung aufgestellt, häufig auch als Unternehmens-
Bei Sortierung nach der Größe der gewichteten leitbild bezeichnet. Für ein Bauunternehmen
Abweichungen können dann Prioritäten für Ent- könnte dieses z. B. Ausdruck in den folgenden
scheidungen und Maßnahmenkataloge oder Ak- Leitsätzen finden:
tionspläne abgeleitet werden, die wiederum zu
Veränderungen der Unternehmenskonzeption • Wir wollen mit der Erfüllung der Kundenbe-
führen können. Damit wird der Regelkreis der dürfnisse zufriedene Auftraggeber erhalten
unternehmerischen Zielplanung, -verfolgung und und bewahren.
-umsetzung geschlossen. • Wir achten sorgfältig auf die Erfüllung der
Qualitätsanforderungen.
Corporate Governance Modelle und Grund- • Die Förderung unserer Mitarbeiter und die
sätze guter Unternehmensführung Sicherung ihrer Arbeitsplätze sind gleichran-
Für die Zusammenarbeit der internen und exter- gige Ziele neben dem wirtschaftlichen Erfolg.
nen Interessensgruppen im Wirkungskreis einer • Wir wollen unsere Unabhängigkeit bewahren.
Unternehmung sollten Regeln und Richtlinien • Wir fördern den Umweltschutz durch umwelt-
definiert werden, welche die Art des Umgangs freundliche Bauweisen und Baustoffe sowie
mit den Mitarbeitern, Auftraggebern, Nachunter- den Einsatz von Recyclingmaterial.
nehmern und Mitbewerbern konkret ausgestal- • Wir sind auf ein hohes Ansehen in der Öffent-
ten. Somit wird eine Unternehmensverfassung lichkeit bedacht, u. a. durch Corporate Identity.
150 C. J. Diederichs et al.
Wenn ein solches Unternehmensleitbild veröf- Unternehmens, aus Merkmalen zur Soll-Identität
fentlicht wird, dient es der Stärkung des Ansehens des Unternehmens, aus einer Motivationsfunktion
nach innen und nach außen, sofern die Unterneh- zur Identifikation der Mitarbeiter sowie einer
mensführung ihre Handlungen zielkonform da- Legitimationsfunktion zur Aufklärung über be-
rauf abstimmt. stimmte unternehmerische Handlungen (Gabler
Unternehmen sind Interessenszentren ver- Wirtschaftslexikon 2014, T-Z, S. 3260).
schiedenster Aktivitäten von Eigen- und Fremd- Dabei adressiert ein Unternehmen sein Leitbild
kapitalgebern (Shareholder), Unternehmenslei- an unterschiedliche Menschenbilder. Charakteris-
tern, Arbeitnehmern, Kunden, Lieferanten, tische Exponenten sind
Staat und Gewerkschaften (Stakeholder). Der
wirksame Einfluss auf Zielsetzungen und Stra- • der Leistungsmensch, der in einer Unterneh-
tegien der Zielerreichung ist nach Maßgabe der mung Karriere machen will, und
Rechtsordnung und der faktischen Einfluss- • der Privatmensch, der infolge der Dominanz sei-
möglichkeiten bestimmten Personen oder Per- ner persönlichen Lebensinteressen sowohl an
sonengruppen vorbehalten. Über diese können langfristig hohem Einkommen als auch an der
ethische Werte zum Tragen gebracht werden, Sicherheit des Arbeitsplatzes interessiert ist.
die wiederum gruppenspezifischen Wertungen
unterliegen. Ob der einzelne Mitarbeiter das gewählte Leit-
Der Sinn von Unternehmensleitbildern besteht bild fördernd bejaht, nur akzeptiert oder gar
nun darin, die Konkretisierung von Werten zu offe- ablehnt, ist eine Frage seiner persönlichen Wer-
rieren, z. B. in Organisationsmodellen oder Erfolgs- tung der mit dem Unternehmensleitbild offerier-
verwendungsmaßnahmen. Das Unternehmensleit- ten Werte, da der Mensch im Mittelpunkt des von
bild ist dann als effizient zu bezeichnen, wenn es ihm zu wertenden Geschehens steht.
ein ethisches Gleichgewicht zwischen Wertofferte Die Unternehmenskonzeption ist die schriftli-
der Unternehmensführung und Wertakzeptanz bei che Fixierung der mittel- und langfristigen Unter-
den Interessengruppen einstellt. nehmensziele sowie der Gestaltungs- und Ent-
Bei jedem Unternehmen handelt es sich um scheidungsgrundsätze. Sie dient als Grundlage
eine Wirtschaftseinheit, die nach Maßgabe selbst- für eine zielorientierte Unternehmenspolitik. Die
ständiger und auf Erfolg bedachter Entscheidun- Unternehmenskonzeption soll die tatsächlichen
gen Marktbedarf zu decken sucht und die damit individuellen Ziele des Unternehmens enthalten.
verbundenen Risiken eingeht. Sie muss ihren An ihrer Gestaltung sind nicht nur der Unterneh-
Bestand wahren, stets liquide sein und mit den mer, sondern auch die Gesellschafter und die lei-
Innovationen der Technik und der Märkte Schritt tenden Mitarbeiter unter Einbeziehung ihrer indi-
halten. Von den wirtschaftenden Menschen wird viduellen Lebens- und Berufsziele zu beteiligen,
sie nicht nur als Einkommensquelle empfunden. um Zielkomplementaritäten oder -konkurrenzen
Sicherheit des Arbeitsplatzes, Status und Auf- erkennen zu können.
stiegsmöglichkeiten sowie Selbstverwirklichungs- Aus der Unternehmenskonzeption können die
freiräume genießen einen hohen Stellenwert. Regeln der Geschäftspolitik abgeleitet und Mit-
Die Gestaltungsbereiche der Unternehmens- arbeitern und Kunden zugänglich gemacht wer-
leitbilder bewegen sich somit im Spannungsfeld den. Sie dienen dann der Stärkung des Ansehens
der Wertkonkretisierung durch Ziele und Zieler- des Unternehmens nach innen und nach außen.
reichungsmaßnahmen der Entscheidungsträger Die Unternehmenskonzeption soll dazu dienen,
sowie deren Wertung durch die beteiligten Inte- Übereinstimmung, Sicherheit und Vertrauen
ressengruppen. Daraus ergibt sich die Forderung innerhalb des Unternehmens und nach außen zu
nach einer Philosophie der gegenseitigen Akzep- festigen und damit das Unternehmen frei von
tanz. inneren Spannungen und Reibungen zu einer
Jedes Unternehmensleitbild besteht aus der möglichst hohen Leistungsfähigkeit zu entwi-
Beschreibung des normativen Rahmens eines ckeln.
Unternehmensführung 151
Die Unternehmenskonzeption ist damit Basis ständig akzeptiert wurde der Shareholder-Value
einer zielorientierten Unternehmenspolitik. Sie Ansatz erst durch Veröffentlichung von Creating
gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen sich alle Shareholder-Value im Jahr 1986 (Rappaport
Entscheidungen, Handlungen und Maßnahmen 1986, S. 13). Shareholder-Value bedeutet dabei
des Managements vollziehen, und macht dadurch den Wert, der für die Eigentümer des Unterneh-
den Mitarbeitern auch die Freiräume deutlich, mens erzeugt wird. Diese Werterzeugung ist defi-
innerhalb derer sie selbstständig agieren können niert als derjenige Ertrag, der die erforderlichen
und sollen. Hierin zeigt sich die Verwandtschaft Kapitalkosten deckt oder überschreitet. Bei der
mit den Zielen des Qualitätsmanagements und der klassischen Gewinnberechnung werden zwar
Qualitätspolitik, die durch die Regelwerke der Zinszahlungen berücksichtigt, die für Fremdkapi-
Normenreihe DIN EN ISO 9001:2015 eine bran- tal gezahlt werden (also die Kosten des Fremdka-
chenneutrale formale Ausgestaltung erfahren pitals), aber keine Kosten des Eigenkapitals. Es
haben. wird also stillschweigend so getan, als wären mit
dem Eigenkapitaleinsatz gar keine Kosten ver-
bunden. Da im Shareholder-Value Ansatz nun
4 Shareholder-Value-Ansatz dem Eigenkapital Kosten zugerechnet werden,
müssen also aus dem Gewinn auch die Eigenka-
Die Entwicklung des Shareholder-Value Ansatzes pitalkosten gedeckt werden. Dies bedeutet wiede-
stammt aus den frühen 80er-Jahren und wurde rum, dass ein Wert nicht schon erzielt wird, wenn
maßgeblich in den Vereinigten Staaten geprägt ein Gewinn erwirtschaftet wurde, sondern erst
(Rappaport 1999, S. 1). Viele Unternehmen ver- dann, wenn dieser Gewinn höher ist als die
wendeten in dieser Zeit Teilausschnitte des Share- gesamten Kapitalkosten (Abb. 4).
holder-Value Ansatzes, wie z. B. die diskontierte Der Shareholder-Value beschreibt also die
Cash-flow Analyse, und richteten somit den Werterzeugung einer Unternehmung für seine Ei-
Fokus bei der Festlegung der Zielgröße für unter- gentümer. Damit wird auch klar, dass neben der
nehmerischen Erfolg einzig auf den Gewinn. Voll- Erzielung eines möglichst hohen Gewinnes der
effiziente und minimierte Kapitaleinsatz ein flows nicht zahlungswirksame Posten der Ge-
ebenso wichtiges Ziel der Unternehmensführung winn- und Verlustrechnung der Unternehmen,
darstellt. Denn ein Shareholder-Value kann auch wie z. B. Rückstellungen oder Abschreibungen,
dadurch verbessert werden, dass der Kapitaleinsatz nicht berücksichtigt werden. Eine vergleichende
und damit die Kapitalkosten reduziert werden. Gegenüberstellung zur Ermittlung von Jahres-
Die Wirkungsbeziehungen der Wertsteigerung des überschuss und Cashflow ist in Abb. 6 dargestellt.
Shareholder-Values sind in der nachfolgenden Wie vorangehend beschrieben, weichen die
Abb. 5 dargestellt. Rechnungen bei den nicht zahlungswirksamen
Der Shareholder-Value ist somit eine aus der Positionen (Rückstellungen und Abschreibungen)
beschriebenen Zielformulierung abgeleitete Un- voneinander ab. Der Cashflow beinhaltet somit
ternehmenskennzahl, bei der das Management zunächst keine Positionen, die nicht mit einem
den Unternehmenswert für die Eigentümer stei- direkten Zahlungsvorgang zusammenhängen.
gern soll. Dem Shareholder-Value Ansatz liegt Daher wird in der Praxis zur Cashflow-Ermittlung
dabei die Überlegung zugrunde, dass bei Verbleib der Jahresüberschuss vielfach um die nicht zah-
einer positiven Summe über alle abgezinsten lungswirksamen Positionen korrigiert.
Cashflows ein positiver Unternehmenswert und Zur Berechnung des Shareholder-Value wird
somit auch ein Eigentümerwert vorliegt. dieser Cashflow dann um zu leistende Zinszah-
Daraus ergibt sich der Cashflow als die Ba- lungen korrigiert, woraus der sogenannte freie
sis für den Shareholder-Value. Der Cashflow Cashflow berechnet werden kann, der zur Aus-
beschreibt die (prognostizierte) Differenz zwi- schüttung an die Anteilseigner der Unternehmung
schen zukünftigen Ein- und Auszahlungen (Rap- zur Verfügung steht. Die Höhe der Zinszahlungen
paport 1999, S. 40) der Unternehmen und wird ergibt sich aus der Kapitalstruktur der Unterneh-
häufig mit dem Jahresüberschuss eines Unterneh- men. Die Kapitalstruktur von Unternehmen setzt
mens verwechselt. Der Unterschied hierbei liegt sich aus dem Eigen- und dem Fremdanteil zusam-
jedoch darin, dass bei der Berechnung des Cash- men. Das Eigenkapital ist als Vermögen den Ei-
Abb. 5 Wirkungsbeziehungen der Wertsteigerung im Shareholder-Value. (Quelle: vgl. Rappaport 1995, S. 39 ff.)
Unternehmensführung 153
gentümern des Unternehmens zuzurechnen und verhandelt werden. Die Höhe des Zinssatzes wird
steht dem Unternehmen unbefristet zur Verfügung dabei im Wesentlichen vom Verschuldungsgrad
(Jung 2016, S. 715). Das Fremdkapital oder „Kre- des Unternehmens und dem damit verbundenen
ditkapital“ ist das Kapital, das Dritte dem Unter- Risiko der Fremdkapitalgeber, ihr eingesetztes
nehmen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung Geld zurück zu erhalten, beeinflusst. Zur Beurtei-
stellen. Fremdkapital kann z. B. in Form von lung dieses Risikos werden von unabhängigen
Anleihen oder Krediten in ein Unternehmen ein- Agenturen Unternehmensratings durchgeführt,
gebracht werden. Die Kapitalkosten bestehen welche die Beurteilung von Finanztiteln zur Auf-
somit aus einem Eigen- und einem Fremdkapital- gabe haben und sich dabei auf die Bonität der
kostenanteil (Töpfer 2005, S. 1024). Unternehmen fokussieren. Unter Finanztiteln
Die Eigenkapitalkosten, also die Kosten für das wird in diesem Zusammenhang zwischen lang-
Kapital von Eigenkapitalanlegern, erfordern neben fristigen (z. B. in-/ausländische Bank-
dem risikolosen Mindestzinssatz noch einen Auf- schuldverschreibungen, private und öffentliche
schlag für ihr unternehmerisches Risiko. Pfandbriefe, kommunale Schuldverschreibungen,
Die Eigenkapitalkosten können somit auch Industrieobligationen, Staatspapiere, . . .) und
durch die Addition von risikofreiem Zinssatz und kurzfristigen (z. B. Commercial Papers, Einlagen-
der Risikoprämie des Eigenkapitals definiert wer- zertifikate, usw.) Finanztiteln unterschieden. Zu
den. Der risikofreie Zinssatz ergibt sich in der Regel den wichtigsten Ratingagenturen zählen Moo-
aus den Zinssätzen von Staatsanleihen mit bester dy’s, Standard & Poor’s und Fitch. Eine beispiel-
Bonität bei langfristigen Laufzeiten. Die Ermittlung hafte Rating-Bewertung ist in der nachfolgenden
der Risikoprämie ergibt sich aus dem Produkt eines Abb. 7 dargestellt.
beta-Faktors mit der Differenz aus erwarteter Die Höhe der Kapitalkosten wird aus dem
Marktrendite und risikofreiem Zinssatz. Eingeteilt gewichteten Mittel der Kosten aus Eigen- und
wird der beta-Faktor in 1,0 (Risiko des Unterneh- Fremdkapital ermittelt. Eigenkapital hat den Vor-
mens entspricht dem Gesamtmarkt), <1,0 (Risiko teil, dass es den Unternehmen unbefristet zur Ver-
des Unternehmens ist geringer als auf dem Gesamt- fügung steht und somit die Liquidität eines Unter-
markt) und >1,0 (Risiko des Unternehmens ist nehmens absichert (Jung 2016, S. 715). Hingegen
höher als auf dem Gesamtmarkt). sind die „Kosten“ des Eigenkapitals (risikofreier
Fremdkapitalkosten entstehen durch Zinskos- Zins + Risikoprämie) häufig höher als die verhan-
ten für Kredite, Anleihen oder Bürgschaften von delbaren Zinsen für das Fremdkapital. In der
Fremdkapitalgebern (z. B. Banken). Die Höhe der Unternehmensfinanzierung sind somit die Eigen-
Fremdkapitalkosten (bzw. des Zinssatzes) kann und Fremdkapitalanteile genau auszutarieren und
zwischen Kapitalgebern und -nutzern individuell daraus die Gesamtkapitalkosten zu ermitteln.
154 C. J. Diederichs et al.
Ein hierzu genutztes Instrument ist die Ermitt- eignerwert lässt sich ermitteln, indem vom Unter-
lung der „Weighted Average Cost of Capital nehmenswert der Marktwert des Fremdkapitals
(WACC)“, welches den gewichteten Kapitalkos- abgezogen wird. Damit die Unternehmen den
tensatz in Prozent für das investierte Kapital eines Anteilseignern einen langfristigen Shareholder-
Unternehmens ermittelt. Eine beispielhafte Er- Value gewährleisten können, ist die Dauer der
mittlung des gewichteten Kapitalkostensatzes ist Kapitalbindung zu planen. Hierzu ist zunächst
in der nachfolgenden Abb. 8 dargestellt. die Höhe des betriebsnotwendigen Kapitals zu
Danach besteht der gewichtete Kapitalkosten- ermitteln, welches zur Erreichung des Betriebs-
satz aus den Eigenkapital- und den Fremdkapi- zwecks zwingend erforderlich ist. Das betriebs-
talkosten. Die Fremdkapitalkosten entsprechen notwendige Kapital setzt sich in aller Regel aus
dem verhandelten Zinssatz und sind steuerlich einem Eigen- und Fremdkapitalanteil zusammen
abzugsfähig. Dies ist u. a. einer der Gründe da- und bildet die Basis für die Ermittlung der lang-
für, dass Fremdkapitalkosten häufig geringer fristigen gewichteten Kapitalkosten. Dem gegen-
sind als Eigenkapitalkosten. Im nachfolgenden über unterscheidet sich das für den Betrieb nicht
Berechnungsbeispiel ist die Ermittlung der benötigte Kapital, häufig auch betriebsfremdes
gewichteten Kapitalkosten nach Steuern darge- Kapital, da es Aufwendungen abdeckt, die nicht
stellt (Abb. 9). unmittelbar dem Betriebszweck dienen. Hierunter
Der Wert eines Unternehmens setzt sich somit können z. B. Anlagen in Wertpapiere oder Immo-
zusammen aus dem Wert der Anteilseigner und bilien verstanden werden. Der Shareholder-Value
dem Marktwert des Fremdkapitals. Der Anteils- ergibt sich schließlich aus dem der Kapitalstruktur
Unternehmensführung 155
Kostensatz
(%)
Schritt 3:
Rendite für risikolose Anlagen 6,00
Eigenkapital-
+ Risikoprämie des Eigenkapitals 10,00
= Eigenkapitalkosten 16,00
kosten
Kostensatz
(%)
Schritt 2:
unternehmensspezifischer Risikofaktor 1,50
x durchschnittliche Marktrisikoprämie
Eigenkapital-
6,67
= Risikoprämie des Eigenkapitals 10,00 risikoprämie
Faktor
Schritt 1:
Schwankung der Aktienrendite 1,50
: Schwankung der Marktrendite
spezifischer
1,00
= unternehmensspezifischer Risikofaktor 1,50 Risikofaktor “ß”
Abb. 9 Ermittlung der gewichteten Kapitalkosten nach Steuern. (Quelle: Rappaport 1999, S. 44 ff.)
entsprechenden Anteil am Unternehmenswert und Europa. Dabei bieten die Unternehmen den
(Prangenberg et al. 2005, S. 25). Kunden in den Zielmärkten unterschiedliche
Dienstleistungen und Produkte an, wie z. B. die
Bautätigkeit oder das Projektmanagement, und
5 Produkt-Markt-Segmentierung beabsichtigen somit, Unternehmensziele zu errei-
chen. Um nun Strategien zu erarbeiten, damit die
Unternehmen sind in der Bauindustrie üblicherwei- Zielerreichung gelingt, sind die Produkte und Ziel-
se in unterschiedlichen Geschäftsbereichen tätig, märkte zu bewerten und zu segmentieren. Dies
z. B. im Hochbau und Tiefbau, oder in Deutschland erfolgt durch die Produkt-Markt-Segmentierung.
156 C. J. Diederichs et al.
Durch die Produkt-Markt-Segmentierung wer- sen. Ein Geschäftsfeld bietet ein bestimmtes Pro-
den die Funktionen und Eigenschaften der Pro- dukt oder eine Gruppe relativ homogener Pro-
dukte, je Geschäftsfeld eines Unternehmens, auf dukte an, mit deren Hilfe die Bedürfnisse der
die Erfüllung der unternehmerischen Messgrößen bedienten Kundengruppe befriedigt werden kön-
untersucht (Macharzina und Wolf 2015, S. 359). nen. Ein Geschäftsfeld steht in Konkurrenz zu
Mit Funktionen der Produkte wird der Nutzen für einer Anzahl von identifizierbaren Wettbewer-
den Endkunden beschrieben, z. B. Terminplanung bern, die aus Sicht der Kunden vergleichbare (aus-
durch Projektmanagement, und die Eigenschaften tauschare) Produkte anbieten.
beziehen sich primär auf den Anspruch und die Durch die Produkt-Markt-Segmentierung wird
Komplexität der Durchführbarkeit, z. B. Einsatz das Unternehmen somit in einzelne Teile zerlegt,
von geläufiger Terminplanungssoftware. welche in der Unternehmensorganisation schließ-
Abgegrenzt werden Produkt-Markt-Segmente, lich als sog. Profit-Center ausgestaltet werden.
die jeweils eine andere Wertschöpfungskette Diese einzelnen Teile werden nachfolgend als
erfordern, also andere Märkte oder andere strategische Geschäftsfelder (SGF) bezeichnet.
Kunden bedienen. Der richtigen Segmentierung Diese lassen sich unterteilen in Produkte (Aktivi-
kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da täten auf der Wertschöpfungskette), Kunden (Seg-
eine zu enge Segmentierung mögliche Kunden- mente) oder Regionen (geografische Ausrichtung)
gruppen und Wettbewerber unberücksichtigt las- und sind nachfolgend exemplarisch dargestellt
sen kann, wohingegen eine zu weite Fassung dazu (Abb. 10).
führen kann, dass Teilmärkte mit heterogenen Bei der Strukturierung nach Produkten wird
Anforderungen zusammengefasst werden (Hun- die Einteilung nach den Produkt- und Leistungs-
genberg und Wulf 2011, S. 112–113). Bei der merkmalen vorgenommen, welche die Bedürfnis-
Produkt-Markt-Segmentierung soll somit eine se einer Kundengruppe erfüllen. Die Strukturie-
Kunden- und Wettbewerbsperspektive eingenom- rung erfolgt dabei unabhängig von geografischen,
men werden, die durch die folgenden Kriterien demografischen und psychografischen Kriterien.
operationalisiert wird: Bei der Einteilung nach Kundengruppen werden
Ein Geschäftsfeld bedient eine oder mehrere die angebotenen Produkte und Leistungen nach
Kundengruppen mit genau definierten Bedürfnis- sinnvollem Nutzerverhalten segmentiert. Hierbei
Abb. 10 Vielfalt der Markteinteilung von Unternehmen der Bauindustrie. (Quelle: Berger 2016, S. 16)
Unternehmensführung 157
stehen demografische und psychografische Krite- Kunden zu beurteilen. Auch die Lebensdauern
rien im Mittelpunkt. Bei der Einteilung nach der Produkte spielen eine Rolle, da bei Produkten,
Regionen werden das Produkt- und Nutzerverhal- die schnell entwickelt und an den Markt gebracht
ten anhand geografischer Strukturen analysiert werden können (kurze Lebensdauer), häufig ein
und in einzelne SGF eingeteilt. schnelleres Marktwachstum zu beobachten ist als
bei Produkten mit langen Lebensdauern. Die
Marktreife der Produkte soll bewertet werden, um
5.1 Marktattraktivität festzustellen, ob ein Produkt soweit entwickelt ist,
dass es im Zielmarkt auf Nachfrage stößt. Im Zuge
Zur Bewertung der Position eines Unternehmens der Bewertung des Marktwachstums wird dabei
ist zunächst die Attraktivität der SGF, in denen das festgestellt, ob mögliche Neuerungen des entwi-
Unternehmen tätig ist, relevant. Daher startet die ckelten Produktes zu einem gesteigerten Absatz
strategische Ausrichtung von Unternehmen in der führen können und ob ggf. die Möglichkeit besteht,
Regel mit der Analyse der Attraktivität der relevan- vollkommen neue Produkte im Markt zu platzieren
ten Märkte. Hierdurch wird es möglich, dynamische (Nischen).
Entwicklungen in den spezifischen Produkt-Markt- Als Beispiel lag das Marktwachstum der Deut-
Segmenten, wie z. B. Einflussfaktoren aus der schen Bauindustrie in den Jahren 2010–2015 bei
Unternehmensumwelt oder der Produktion, zu beur- durchschnittlich 1,3 % und wird für die Jahre
teilen. Die Marktattraktivität wird durch die Bewer- 2015–2020 auf durchschnittlich 1,5 % prognosti-
tung des Marktwachstums und der Marktgröße ziert (Berger 2016, S. 9). Unter Analysten gelten
beschrieben. Maßgebliche Bewertungskriterien sind Branchen mit einem durchschnittlich jährlichen
in der nachfolgenden Abb. 11 dargestellt. Marktwachstum unter 10 % als nicht profitabel
Das Marktwachstum als Steigerungspotenzial (Kearney 2013, S. 8). Die deutsche Bauindustrie
der mengenmäßigen Nachfrage ist der am häufigs- ist hier auf den ersten Blick zwar einzuordnen,
ten verwendete Maßstab der Marktattraktivität, der jedoch können einzelne Marktsegmente mit einer
stets im Zusammenhang mit der Marktgröße zu sehr hohen Profitabilität die Gesamtposition opti-
sehen ist. Das Marktwachstum wird für jedes im mieren. Die Kennzahl, um das Marktwachstum zu
Rahmen der erfolgten Produkt-Markt-Segmentie- bestimmen, ist die durchschnittliche jährliche
rung ermittelte Marktsegment gesondert festge- Wachstumsrate (Compound Annual Growth
stellt. Seine Chancen und Risiken werden definiert. Rate CAGR).
Dabei sind insbesondere die Entwicklungen in den Die Marktgröße beschreibt primär den Bestand
Zielmärkten sowie das Nachfrageverhalten der und den Absatz der Produkte in den Märkten der
Unternehmen. Damit gemeint sind sämtliche Pro-
dukte, die weltweit in dem jeweiligen Markt ver-
fügbar sind, z. B. die weltweite Hochbauleistung
von Bauunternehmen. Entwicklungen in der vor-
und nachgelagerten Wertschöpfungskette sollen
analysiert werden, um daraus die zukünftige
Nachfrage der bestehenden Produkte zu ermitteln.
Ein Beispiel hierzu können steigende Absatzzah-
len eines Produktionsbetriebs sein, der daraus
resultierend vermutlich zukünftig einen steigenden
Bedarf an zu bauenden Produktionsstätten hat.
Die Attraktivität eines Marktes hängt direkt mit
seinen Wettbewerbskräften zusammen. Zur Bewer-
tung der Wettbewerbskräfte ist das 5-Forces
Abb. 11 Bewertungsfaktoren und -kriterien der Markt-
attraktivität. (Quelle: Institut für Baubetrieb und Bauma- Modell nach Porter (2008, S. 36) üblich. Diese
nagement 2018, Universität Essen) 5 Kräfte sind nach Porter die Bedrohung durch
158 C. J. Diederichs et al.
neue Konkurrenten, Verhandlungsmacht der Ab- Einflussfaktoren auf die Rentabilität (Porter
nehmer, Bedrohung durch Ersatzprodukte und 2008, S. 36 ff.). Je höher die Kapazitäten durch
-dienste, die Verhandlungsmacht der Lieferanten neue Unternehmen in einem Markt werden, desto
sowie die Rivalität unter den bestehenden Unter- mehr sinken das Preisniveau und die Rentabilität.
nehmen. Je ausgeprägter die Wettbewerbskräfte Eine Verhandlungsmacht der Abnehmer ist
sind, desto höher ist die Wettbewerbsintensität gegeben, wenn sich Unternehmen in einem Markt
eines Marktes zu bewerten. Branchen mit einer stark über Produkte differenzieren und Umstel-
hohen Wettbewerbsintensität sind gekennzeichnet lungen auf alternative Produkte nur über hohe
durch einen hohen Innovationsdruck, um bestehen- Umstellungskosten realisiert werden können.
den Wettbewerbern Marktanteile wegzunehmen Zudem wirkt sich eine starke Abnehmerkonzen-
und sich selbst vor Ersatzprodukten zu schützen. tration, z. B. regional oder funktional, auf die
Zudem herrscht oft ein harter Preiskampf, welcher Rentabilität eines Marktes aus, da hierdurch das
vielfach aus einer hohen Verhandlungsmacht von Verlangen nach niedrigen Preisen oder höherer
Abnehmern und Lieferanten resultiert. Die Bauin- Qualität steigt.
dustrie kann somit als ein Markt mit hoher Wett- Die Bedrohung durch Ersatzprodukte und
bewerbsintensität bezeichnet werden (Abb. 12). -dienste ist abhängig vom Preis-/Leistungsver-
Der Einstieg in einen neuen Markt und somit hältnis im Markt, Umstellungskosten sowie auch
die Bedrohung durch neue Konkurrenten ist zu- von der Kundentreue gegenüber etablierten Pro-
nächst abhängig vom dazu notwendigen Kapital- dukten. Je höher die Substitutionsgefahr durch
bedarf sowie durch evtl. staatliche Regulierungen. Ersatzprodukte und -dienste ist, desto mehr ist
Bei der Produktion spielen dann insbesondere die ein mögliches Gewinnpotenzial begrenzt.
Möglichkeit, sich durch eigene Produkte zu diffe- Lieferanten haben immer dann eine starke Ver-
renzieren und durch Betriebsgrößenersparnisse handlungsmacht, wenn ein Markt durch eine hohe
Kosten zu sparen, eine bedeutende Rolle. Zudem Produktdifferenzierung und eine hohe Bedeutung
sind mögliche Umstellungskosten auf alternative des Einkaufs gekennzeichnet ist. Dies ist z. B. in
Produkte und der Zugang zu Vertriebskanälen der Bauindustrie dann der Fall, wenn ein Bauun-
Potentielle
neue Konkurrenten
Bedrohung durch
neue Konkurrenten
Wettbewerber
in der Branche
Verhandlungsmacht Verhandlungsmacht
der Lieferanten der Abnehmer
Lieferanten Abnehmer
Ersatzprodukte
Schlüssel- Senioren-
feldver-
fertigbau wohnungen Wettbewerbsvorteile durch Akquisition entste-
besserung
33 hen einerseits bei Kunden- und Geschäftsfelddif-
öffentl.
öffentl. Ver- ferenzierung, andererseits durch die Organisation
gering
Abb. 14 Vorgehensweise Bestimmung der Ressourcenposition. (Quelle: Institut für Baubetrieb und Baumanagement
2018, Universität Essen)
Akquisition ist eine der Kernfragen der strategi- Folgenden die Normstrategien des Portfolioma-
schen Unternehmensführung. nagements zusammengeführt. In Abhängigkeit
Durch die Bewertung von Marktattraktivität von der Marktattraktivität der Geschäftsfelder der
und Ressourcenposition ergibt sich die Wettbe- Branche und den relativen Wettbewerbsvorteilen
werbsposition des Unternehmens. Aus der Wett- der Geschäftsfelder des Unternehmens in Bezug
bewerbsposition können im darauf folgenden auf seine Konkurrenten werden i. allg. drei Norm-
Schritt konkrete strategische Optionen erarbeitet strategien unterschieden (Diederichs 2012, S. 579):
werden.
• die Investitions- und Wachstumsstrategie,
• die Abschöpfungs- und Desinvestitionsstrate-
6 Strategische Optionen und gie sowie
Wettbewerbsposition • die selektive Strategie der Offensive, des Über-
gangs oder der Defensive (Abb. 15).
Die strategischen Optionen sind für die einzelnen
SGF spezifisch zu erarbeiten und auf die Gesamt-
unternehmensstrategie abzustimmen. Hierdurch Für SGF mit hoher Marktattraktivität und auch
wird die grundsätzliche Positionierung des Unter- großen relativen Wettbewerbsvorteilen kommen
nehmens und seiner Einzelgeschäfte im Markt Investitions- und Wachstumsstrategien in Betracht.
(Hungenberg und Wolf 2011, S. 105) sowie zu In der Regel handelt es sich um expandierende
den Wettbewerbern (Wettbewerbsposition) be- Marktsegmente, in denen die herausragende
stimmt. Wettbewerbsposition mittels autonomer Innovati-
Das Instrument der Strategiegestaltung auf onsstrategien errungen wurde (Matrixfelder der
Unternehmensebene ist die Portfolioplanung. Mittelbindung). Die strategischen Maßnahmen
In der Portfolioplanung werden die Geschäfts- müssen darauf ausgerichtet sein, die solide Wettbe-
felder der Unternehmen als Anlagemöglichkei- werbsposition weiter zu stärken und auszubauen,
ten betrachtet, die es hinsichtlich der unterneh- um Konkurrenten davon abzuhalten, den erzielten
merischen Zielvorgaben zu bewerten gilt, so Marktvorsprung zu mindern.
dass eine für Anleger und Mitarbeiter möglichst SGF mit niedriger Marktattraktivität und
optimale Zusammenstellung entsteht (Hungen- geringen relativen Wettbewerbsvorteilen erfor-
berg und Wolf 2011, S. 114). Diese Bewertung dern Abschöpfungs- und Desinvestitionsstrate-
entsteht bei der Erarbeitung der strategischen gien, da sie keine hohen Gewinnchancen haben.
Optionen. Sie sind daher so rasch wie möglich abzustoßen
In der Zusammenfassung zahlreicher Versuche, (Matrixfelder der Mittelfreisetzung) und die frei-
strategische Optionen zu strukturieren, werden im gesetzten finanziellen, personellen und materiel-
Unternehmensführung 161
Portfoliomatrix
100
1 Investitions- und Wachstumsstrategie Invest- und Invest- und
• Expansion Wachstumsstr. Wachstumsstr.
hoch
Offensivstr.
2 Abschöpfungs- und Desinvestionsstrategie
3.1 1
• Abschöpfung, Rückzug, Desinvestition
Marktattraktivität
3 Selektive Strategien 67
Abschöpfstr. Übergangsstr. Invest- und
3.1 Offensive Strategien Wachtums-
mittel
• Wachstum 3.2 str.
3.2 Übergangsstrategien
• Expansion 33
• Konsolidierung
3.3 Defensivstrategien
gering
• Kostenführerschaft 2 3.3
• Konzentration auf Schwerpunkte
• Preispolitik Desinveststr. Abschöpfstr. Defensivstr.
0
• Rückzug 0 gering 33 mittel 67 hoch 100
Relative Wettbewerbsvorteile
Abb. 16 Wettbewerbsstra-
tegien im Kontext der
Marktsegmente. (Quelle:
Institut für Baubetrieb und
Baumanagement 2018,
Universität Essen)
mierung der Produktivität ein unerlässlicher Fak- Die vorgestellten Komponenten beeinflussen
tor. Dies wird erzielt, indem kontinuierlich an der die Marktattraktivität bzw. die Wettbewerbsvor-
Verbesserung der Arbeitsabläufe und an innovati- teile unterschiedlich stark. Zur Veranschaulichung
ven Verfahren gearbeitet wird. Ein Beispiel hierzu der Auswirkungen wird im nun folgenden Beispiel
kann die Methode des Building Information die Positionsbestimmung der strategischen Ge-
Modelling sein. Dabei besteht jedoch die Gefahr, schäftsfelder in einer Portfoliomatrix berücksich-
dass durch Implementierung der Innovationen tigt. Hierzu werden die einzelnen Komponenten
Kostenvorteile egalisiert werden. Da die Bauin- wie bei einer Nutzwertanalyse zunächst gewichtet,
dustrie ein stark fragmentierter Markt ist und die sodann hinsichtlich ihrer Erfüllung gemessen und
eingesetzten Bauverfahren und Herstellungsme- anschließend mit Hilfe von Transformationsfunk-
thoden sich oft ähneln, ist auch die Kostenführer- tionen bewertet (Diederichs 2005, S. 243–246).
schaft schwer zu erreichen. Zudem erschwert eine Die Einstufung der SGF in einer Portfoliomatrix
geringe Markttransparenz sowie die Tatsache, soll am Beispiel eines Stahlbauunternehmens und
dass durch Ausschreibungen die Preisbildung unter Einbeziehung der Ergebnisse einer empirischen
punktuell beeinflusst wird, die Möglichkeit, sich Untersuchung gezeigt werden (Bäumler 1996,
über den Preis vom Wettbewerb zu differenzieren. S. 160–165). Das Stahlbauunternehmen habe 2018
Konzentration auf Schwerpunkte meint die eine Jahresbauleistung von 50 Mio. € erzielt. Davon
Fokussierung auf wenige Zielmarktsegmente, seien 80 % auf die drei umsatzstärksten strategischen
um in diesen Bereichen die Kostenführerschaft Geschäftsfelder (SGF) entfallen:
und Differenzierung zu erreichen. Hierzu müssen
jedoch die vorangehend genannten Anforderun- • SGF-1 Industriehallenbauten für gewerbliche
gen zur Differenzierung und Kostenführerschaft Investoren, 25 Mio. €;
kombiniert betrachtet werden. Das Ziel dieser • SGF-2 Stahlskelettbauten für Verwaltungsge-
Wettbewerbsstrategie ist es, durch Spezialisierung bäude, 10 Mio. €;
Effizienzvorteile gegenüber Wettbewerbern mit • SGF-3 Verbundbauten für gemischt genutzte
einem breitem Leistungsangebot zu erzielen. Für Gebäude, 5 Mio. €.
die Bauwirtschaft stellt diese Wettbewerbsstrate-
gie einen vielversprechenden Ansatz dar. Sie kann Ferner wird als künftig geplantes Geschäfts-
ihre individuellen Kernkompetenzen und Markt- feld aufgenommen:
aktivitäten gezielt einsetzen und zur Kundenori-
entierung nutzen. • SGF-4 Fassadenbau, 0 Mio. €.
Unternehmensführung 163
Das Ergebnis der durchgeführten Nutzwert- • der vollen Entfaltung des Handlungsspiel-
analysen für die vier Geschäftsfelder in gewichte- raums der Führungskräfte, die das Recht und
ten Nutzenpunkten von max. jeweils 1000 zeigt die Pflicht haben, innerhalb ihres Verantwor-
der obere Teil der nachfolgenden Abbildung. Bei tungsbereichs Entscheidungen zu treffen, und
SGF-4 Fassadenbau kann es sich naturgemäß nur • der Koordination zwischen den Führungskräf-
um vermutete relative Wettbewerbsvorteile han- ten im Hinblick auf die zu erreichenden Unter-
deln, da dessen Einführung noch bevorsteht. nehmensziele.
Die Schwerpunktbestimmung aus den drei Ge-
schäftsfeldern SGF-1 bis 3 in Abb. 17 ermöglicht Den Zusammenhang zwischen Teilzielen des
die Positionierung des Gesamtunternehmens. Es Unternehmens, Normstrategien der Portfolioma-
ergibt sich eine Marktattraktivität von 556 bei trix für die einzelnen Geschäftsfelder und strate-
einem Wettbewerbsvorteil von 705 Punkten. gischen Maßnahmen in den einzelnen Funktions-
Auf der Basis der gewählten Wettbewerbsstra- bereichen zeigt Abb. 18.
tegie sind für die ausgewählten strategischen
Alternativen spezifische strategische Maßnahmen Marketing
und Direktiven für die Funktionsbereiche des Unter Marketing ist die konsequente Ausrichtung
Unternehmens zu veranlassen und durchzusetzen. der Unternehmensaktivitäten auf aktuelle und
Ziel des Abstimmungsprozesses zwischen der potenzielle Märkte zu verstehen (Meffert et al.
Unternehmensführung und den Leitern innerhalb 2018). Der Marketingmix aus Produkt-, Kommu-
der Funktionsbereiche muss es sein, ein Gleich- nikations-, Distributions- sowie Preis- und Kon-
gewicht herzustellen zwischen ditionspolitik hat die Aufgabe, die gesetzten Ziele
100
hoch
4X
2
Marktattraktivität
67
5
mittel
33
gering
0
0 gering 33 mittel 67 hoch 100
Relative Wettbewerbsvorteile
Abb. 17 Positionierung der strategischen Geschäftsfelder SGF 1 bis 4 in der Portfoliomatrix. (Quelle: Diederichs 2012,
S. 578)
164 C. J. Diederichs et al.
Abb. 18 Teilziele des Unternehmens, Normstrategien und relevante Funktionsbereiche. (Quelle: Diederichs 2012,
S. 581)
Normstrategien
Investitions- und Selektive Strategien Abschöpfungs- und
Wachstumsstrategien Desinvestitionsstrategien
Marketingmix Vergrößern Wachstum in Teilmärkten/ Rückzug
Erweitern Position sichern
1 Produktpolitik • Diversifikation • Schwerpunktbildung • Produktbegrenzung
• Innovation • Bereinigung • Aufgabe von Produkten
• Marktareal (Wo?). Die Frage, in welcher dann beantworten, wenn zuvor die strategischen
regionalen Ausdehnung ein Unternehmen Stoßrichtungen festgelegt wurden. F+E-Tätigkeit
seine Produkte oder Dienstleistungen anbieten gewinnt in dem Maß an Bedeutung, in dem sie zu
will, muss im Spannungsfeld des Wunsches strategisch gewollten Aktionsleistungen führt.
nach flächendeckender Präsenz einerseits und Die Prioritäten der F+E-Felder lassen sich eben-
begrenzten finanziellen Möglichkeiten ande- falls in einer Portfoliomatrix ordnen (Hirschfeld
rerseits, der jeweiligen Marktattraktivität so- 1996, S. 445–462; Diederichs 1988, S. 91–95,
wie der vorhandenen bzw. zu erwartenden 1989, S. 304–310).
Markteintrittsbarrieren beantwortet werden.
• Strategische Allianzen (Mit wem?). Die Frage Maßnahmen im Produktionsbereich
der Auswahl von Kooperationspartnern ist von Der Wert eines Unternehmens besteht maßgeblich
hoher Bedeutung für die Wahl der Geschäfts- in der Gesamtheit seiner Produktionskenntnisse
felder, die horizontale Integration bei ange- und -fähigkeiten, d. h. dem durch Fachkunde,
strebter Marktausweitung in bestehenden Ge- Erfahrung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässig-
schäftsfeldern und bei vertikaler Integration keit bewiesenen Leistungspotenzial. Strategische
durch Hinzunahme neuer Geschäftsfelder aus Fragestellungen für alternative Maßnahmen im
vor- und nachgelagerten Bereichen der bishe- Produktionsbereich enthält auszugsweise Abb. 20.
rigen Produkt- oder Dienstleistungspalette.
Konkurrenten, die nicht auf diese Übereinstim- Mit der strategischen Geschäftsfeldplanung
mung achten. Das aus dieser These abzuleitende sind sorgfältige Abschätzungen des Kapitalbe-
Ziel setzt ein konsequentes Personalmanagement darfs, die Überprüfung von Alternativen zur
und darin eine sorgfältige Personalentwicklung Finanzierung und Liquiditätssicherung sowie zur
auf allen hierarchischen Ebenen voraus. Absicherung von Liquiditätsrisiken eng ver-
Bei gleichem Entgeltniveau ist die Effektivität knüpft.
und Effizienz der menschlichen Arbeitsleistung
dennoch sehr verschieden. Eine dem Prinzip der Maßnahmen zur Kooperation, Fusion und
Lohn- und Gehaltsgerechtigkeit folgende Lohn- Akquisition
und Gehaltspolitik des Unternehmens ist maßgeb- In allen industriellen Unternehmen, deren Größe
liches Kriterium seiner Attraktivität für die besten eine bestimmte Schwelle übersteigt, besteht die
Fach- und Führungskräfte. Der Spielraum für die Notwendigkeit der internationalen Ausdehnung.
Unternehmensführung ist jedoch eng begrenzt Internationalisierung bedeutet nicht nur Aufbau
durch die Ertragssituation sowie die Bindung an von Produktionsstandorten und Vertriebssyste-
Lohn- und Gehaltstarife einerseits sowie die Kon- men im In- und Ausland, sondern auch Joint-
kurrenz aus Niedriglohnländern der EU und Ost- Ventures, Kooperationsabkommen und die Bil-
europas andererseits. dung von internationalen Konsortien. Das Ziel
der Internationalisierung ist nicht vorrangig der
Maßnahmen zum Finanz- und Rechnungswe- Absatz von Gütern und Dienstleistungen im Aus-
sen land, für die der Inlandsmarkt zu klein geworden
Zu den Aufgaben des Rechnungswesens gehört die ist, sondern v. a. der Zugang zu neuen herausfor-
Gestaltung des Jahresabschlusses im Rahmen der dernden Aufgabenstellungen, technologischen
steuerrechtlich zulässigen Möglichkeiten zur För- und organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten
derung der verfolgten Unternehmensstrategien. sowie die Einbindung in ein flexibleres Koopera-
Rechtfertigen Cash-flow-Erwartungen langfristige tions- und Informationssystem.
Investitions- und Wachstumsstrategien eines oder
mehrerer Geschäftsfelder, so wird das Unterneh- Strategische Maßnahmen bei Investitions-,
men tendenziell versuchen, seine Bilanzierungs- Wachstums- und Offensivstrategien
wahlrechte zu einem Vorziehen von Liquidität Das Spektrum möglicher Verhaltensweisen der
zwecks Finanzierung dieser Strategien zu nutzen. Unternehmensführung wird von der Lage der
Unternehmensführung 167
Abb. 21 Strategische Maßnahmen der Funktionsbereiche bei Investitions-, Wachstums- und Offensivstrategien.
(Quelle: Diederichs 2012, S. 584)
168 C. J. Diederichs et al.
len Potenziale dar, die keineswegs verschleudert mehr die Angebotskosten verlorener Projekte
werden dürfen, sondern unter den marktwirt- und Fixkosten tragen müssen, erscheint eine ver-
schaftlichen Gesetzen des Ausgleichs von Ange- breiterte Risikostreuung als sinnvoll. Daher ver-
bot und Nachfrage ihren Marktwert haben. Ziel suchen einige Bauunternehmen, in angrenzenden
muss es daher stets sein, das ganze Unternehmen Branchen neue Geschäftsmodelle zu etablieren,
oder zusammenhängende Unternehmensteile in um so zu vermeiden, vom Markt zu verschwinden.
solche Organisationen einzubinden, deren Ge- Prinzipiell können die Bauunternehmen intern
schäftsfeldpositionierung in der Portfoliomatrix oder extern in drei Richtungen wachsen: horizon-
Investitions- und Wachstumsstrategien rechtfertigt. tal, vertikal und diagonal (Abb. 22).
Wachstum in horizontaler Richtung bedeutet,
Wachstumsmotive und Wachstumsmöglich- dass versucht wird, den Umsatz zu steigern mit
keiten in der Bauindustrie gleichen oder ähnlichen Produkten, z. B. indem
Das Hauptmotiv für Wachstum eines Unterneh- der Architekt neben dem eigentlichen architektoni-
mens ist die Sicherung des langfristigen Unter- schen Entwurf auch die Planung der Haustechnik
nehmenserfolgs durch Vergrößerung der eigenen mit anbietet. Beim vertikalen Wachstum werden
Marktmacht. Aus diesem allgemein gültigen vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen mit
Motiv können einige weitere Wachstumsmotive in das eigene Leistungsbild integriert, wie im vo-
abgeleitet werden, die jedoch von der jeweiligen rangehende Beispiel bei der Kombination von Pla-
unternehmensspezifischen Situation abhängig nung und Bauausführung. Diagonales Wachstum
sind. In der Literatur ist z. B. die Rede von ei- gilt als sehr schwierig, da neue Märkte mit neuen
ner besseren Nutzung von Economies-of-Scale- Produkten erobert werden. Insbesondere bei der
Effekten, der allgemeinen Stabilisierung und aktuell stark thematisierten Digitalisierung der Bau-
Überlebenssicherung, leichterem Kapitalmarkt- branche sind aber auch solche Entwicklungen zu
zugang, mehr unternehmerischer Flexibilität, Ver- betrachten. So bauen z. B. Anlagenbauunternehmen
ringerung des Substitutionsrisikos von Produkten Digitalisierungssparten auf, um Apps zu entwi-
und Dienstleistungen, Sicherung von Arbeitsplät- ckeln, die bei der anschließenden Montage den
zen, Prestige- und Selbstverwirklichungsbedürf- Handwerkern auf der Baustelle als Hilfe bzw. Kom-
nis von Managern oder der Steigerung des ver- munikationstool zur Verfügung stehen.
teilungsfähigen Unternehmenswerts (Macharzina Untersuchungen haben gezeigt, dass erfolgreiche
und Wolf 2015, S. 270). Unternehmen insbesondere immer dann schnell und
Die bessere Nutzung der Economies-of-Scale- trotzdem nachhaltig wachsen, wenn diese über inno-
Effekte bedeutet die Vergrößerung der Ausbrin- vative Produkte verfügen (Pleschak 2003, S. 2 ff.).
gungsmenge bei konstanten Fixkosten (nach Gab-
ler, online-Abruf). Ein Bauunternehmen könnte
hierzu z. B. überlegen, ob es vor- oder nachgela-
gerte Leistungen in der Wertschöpfungskette Bau
zur eigentlichen Bauausführung (Planung, Faci-
lity Management) mit anbietet, ohne die AGK zu
erhöhen.
Die Motive Stabilisierung und Überlebenssi-
cherung, unternehmerische Flexibilität und die
Verringerung des Substitutionsrisikos beziehen
sich auf das dynamische Verhalten in den Ziel-
märkten. Besonders in der Bauindustrie, in der
zum Teil hoch spezialisierte Anbieter einen
begrenzten Nachfragemarkt bedienen (Voigt
2010, S. 24) und somit die Renditen aus dem Abb. 22 Prinzipielle Wachstumsmöglichkeiten. (Quelle:
Kerngeschäft, also der Bauausführung, immer Macharzina und Wolf 2015, S. 277)
Unternehmensführung 169
Dabei konzentrieren sich die Unternehmen primär fig ein erheblicher Marketingaufwand zu betrei-
auf ihr Kerngeschäft. Für die Unternehmen der ben, der den Kundennutzen (z. B. durch Preissen-
Bauindustrie erscheint dabei das Prinzip von virtu- kungen) eindeutig herausstellt und kommuniziert.
ellen Unternehmen als erfolgsversprechend. Bei Wachstum durch Markterschließung wird
gleichbleibender Fokussierung auf das Kernge- erzielt, indem mit bestehenden Produkten neue
schäft ist es denkbar, temporäre Partnerschaften in Märkte erschlossen werden. Die Erschließung
perspektivisch lukrativen Märkten einzugehen und neuer Märkte kann sich dabei sowohl auf Techno-
so das Unternehmenswachstum zu steigern. Die logien und Dienstleistungen (z. B. Projektmanage-
konkrete Ausgestaltung wird dabei durch die spezi- mentleistungen neben dem Infrastrukturbau nun
fischen Wachstumsstrategien geplant. auch für den Anlagenbau anzubieten) als auch für
regionale Märkte (Ausweitung des Hochbauge-
Wachstumsstrategien schäfts von Deutschland auf die USA) beziehen.
Für die Unternehmen der Bauindustrie besteht prin- Das Risiko beim Wachstum durch Markterschlie-
zipiell die Möglichkeit des internen oder externen ßung liegt zunächst in den höheren Investitions-
Wachstums. Dabei können sie mit bestehenden oder kosten (z. B. für neuen Bürostandort in den USA)
neu entwickelten Produkten entweder in bestehen- als bei der Strategie der Marktdurchdringung. Das
den oder neuen Märkten wachsen. Das konkrete Management muss hier das langfristige Wachstums-
Wachstum in den jeweiligen Märkten ist zunächst potenzial des neuen Zielmarktes genau bewerten
vom Management genau zu durchzuplanen und in und dies den bestehenden Risiken sowie dem nöti-
konkrete Zielvorgaben bzw. Strategieformulierun- gen Umsetzungsaufwand gegenüberstellen.
gen zu übersetzen. Die unterschiedlichen strategi- Marktentwicklung meint die Entwicklung
schen Alternativen sind in Abb. 23 dargestellt eines neuen Produktes oder einer neuen Dienst-
Marktdurchdringung meint eine intensive leistung in einem bestehenden Markt. Hier wird
Bearbeitung der bestehenden Märkte mit den ge- durch das Management in aller Regel die Strategie
genwärtigen Leistungen und Produkten. Für ein verfolgt, das bisherige Technologie- und Dienst-
Bauunternehmen kann dies z. B. die Erweiterung leistungsangebot zu erweitern oder bestehende
des Kundenstamms durch gezielte Neukundenan- Produkte zu verbessern.
sprache bedeuten, anstatt die Geschäfte haupt- Diversifikation bedeutet Wachstum mit neuen
sächlich mit Stammkunden durchzuführen. Für Produkten in neue Märkte. Unterschieden werden
die Stammkunden bieten sich hingegen häufig muss hierbei zwischen fokussiert, relational und
Preissenkungen oder Mengenrabatte an, um bei konglomerat diversifizierten Unternehmen (Hun-
diesen den Absatz zu steigern. genberg und Wolf 2015, S. 274). Fokussiert diver-
Beim Wachstum durch Marktdurchdringung sifizierte Unternehmen konzentrieren sich auf
haben die Unternehmen den Vorteil, dass sie sehr ähnliche Marktleistungen mit dem Ziel, hie-
Chancen und Risiken kennen und gut einschätzen raus Effizienz- und Know-how Vorsprünge zu
können. Bei dieser Form des Wachstums ist häu- erarbeiten und sich so eine verbesserte Wettbe-
werbsposition zu verschaffen.
Bei relational diversifizierten Unternehmen
bestehen zwischen den Produkten und Märkten
zwar Unterschiede, jedoch weisen die eigentlichen
Leistungserstellungsprozesse Ähnlichkeiten auf. Ein
Beispiel hierfür kann z. B. ein Baustofflieferant sein,
der zwar unterschiedliche Bauunternehmen (Hoch-,
Tief-, Anlagenbau) beliefert, dessen Kernkompetenz
jedoch weiterhin der Handel mit Baumaterialien
bleibt. Das Ziel hierbei ist, bestehende Kernkompe-
Abb. 23 Marktstrategien nach Ansoff. (Quelle: Machar- tenzen in neue Märkte zu übertragen und sich somit
zina und Wolf 2015, S. 270 f.) einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten.
170 C. J. Diederichs et al.
Abb. 24 Handlungsfelder
der operativen
Unternehmensführung
33%
41% 42% 44%
8% 5% 6% 6%
2000 2011 2012 2013
sen. Die Abb. 25 zeigt dazu exemplarisch, dass im • die Personalkapazitätsstrategie, die auf De-
Jahr 2013 44 % der Bauingenieure 50 Jahre oder ckung des qualitativen und quantitativen Per-
älter waren. sonalbedarfs abzielt.
Die Zukunft der Arbeit steht auch im Bauwe-
sen ganz im Zeichen der Digitalisierung. Heutzu- Die Personalentwicklungsstrategie will den
tage nutzt ein Großteil der Menschen moderne Personalbedarf durch Steuerung der Personalqua-
IKT, wie z. B. Smart Phones. Durch das Internet lität bei gegebener Personalkapazität realisieren.
ist es möglich, nahezu überall auf der Welt zu Damit soll der Personalbedarf mittels unterneh-
arbeiten und zu kommunizieren. Diese Flexibilität mensinterner Mitarbeiterpotenziale gedeckt und
ist es, die es Mitarbeitern ermöglicht, Beruf, Pri- die externe Personalbeschaffung minimiert wer-
vatleben und Weiterbildung besser miteinander den.
kombinieren zu können. Unter Beachtung der zu gewährleistenden
Die Digitalisierung im Bauwesen stellt aber Kongruenz zwischen Unternehmenszielen und
auch Herausforderungen an das Personalmanage- individuellen Mitarbeiterzielen bekommen die
ment, welche insbesondere in der Rekrutierung von Festigung sowie das Erlangen jener Qualifikatio-
Mitarbeitern mit digitalem Fachwissen sowie in der nen oberste Priorität, die die Mitarbeiter benöti-
Aus- und Weiterbildung des Stammpersonals lie- gen, um gegenwärtige und zukünftige Leistungs-
gen. Nach heutigen Erkenntnissen bezieht sich dies anforderungen zu bewältigen.
insbesondere auf Komplexitäts-, Abstraktions- und Der Zusammenhang zwischen Personal- und
Problemlösungskompetenzen sowie Anforderun- Organisationsentwicklung ist zunächst dadurch
gen nach selbstgesteuertem Handeln, kommunika- gegeben, dass die Personalentwicklung vorrangig
tiven Kompetenzen und Fähigkeiten zur Selbstor- individuelle Faktoren wie Qualifikation und
ganisation (Botthof und Hartmann 2015, S. 27). Mitarbeiterverhalten fördern will, während die
Organisationsentwicklung unternehmerische und
Personalstrategien betriebliche Strukturen der Aufbau- und Ablauf-
Unter der Zielsetzung einer branchenweiten Pro- organisation verbessern will. Personalentwick-
fessionalisierung der unternehmerischen Perso- lungsergebnisse lösen jedoch Impulse für die
nalarbeit wurden von Möller (1998) zwei Perso- Weiterentwicklung von Organisationen und um-
nalstrategien entwickelt, die einander ergänzen: gekehrt Organisationsänderungen Verhaltensän-
derungen der betroffenen Mitarbeiter aus. Die
• die Personalentwicklungsstrategie, bei der der optimale Synergie von Personal- und Organisati-
Aspekt der Personalqualität im Vordergrund onsentwicklung führt zum Idealzustand der lernen-
steht, und den Organisation, die eigenständig organisatorische
Unternehmensführung 173
Nachwuchskraft Spitzenkraft
(Fragezeichen) (Star) Spitzenkraft Ausbauen: Beförderung einplanen und Erfah-
rungshintergrund verbreitern durch
„Unkraft“ Job Rotation
gering
Fachkraft
(Problem- Fachkraft Ernten: Vorhandene Fähigkeiten voll aus-
(Routinier)
mitarbeiter) nutzen und überlegen, ob Führungs-
gering hoch schulung angebracht ist
Gegen-
wärtige „Unkraft“ Abbauen: Arbeitsplatzwechsel einleiten, ggf.
Leistung Kündigung veranlassen
die Korrektur ihrer eigenen Arbeit lernen. Dabei faktoren wird verwiesen auf die anforderungs-
werden sie aktiv in die Entscheidungsprozesse mit und leistungsabhängige Entgeltdifferenzierung
einbezogen, um durch das Entscheidenlassen zu und die allseits zu beobachtende Förderung der
lernen, richtige Entscheidungen zu treffen. Leistungsentlohnung anstelle der Vergütung nach
Das Traineeprogramm in den einzelnen Aus- Zeitaufwand.
bildungsstationen wird ergänzt um Seminare, u. a. In Ergänzung zur Personalentwicklungsstrate-
über Grundlagenwissen für Projekt-/Bauleiter, gie verfolgt die Personalkapazitätsstrategie das
Abwicklung von Rohbau- und schlüsselfertigen Ziel, Erfolge aus hoher Kapazitätsauslastung bei
Bauvorhaben, Mitarbeiterführung und Kommu- gegebener Personalqualität zu realisieren, indem
nikations-/Argumentationstraining sowie EDV- Personalbedarf und -bestand zu möglichst großer
Anwendung in der Bauunternehmung. dauerhafter Deckungsgleichheit gebracht werden.
Weitere Formen der Personalentwicklung bieten Dabei sind drei Alternativen zu unterscheiden:
gebührenbasierte WeiterbildungsMasterstudiengän-
ge an Universitäten, Hochschulen und Instituten, • die Auslastungsstrategie,
u. a. in Augsburg, Berlin, Bochum, München, Nür- • die Arbeitszeitstrategie und
tingen, Regensburg, Stuttgart, Weimar und Wupper- • die Strategie der Mindestkapazitäten.
tal (z. B. www.rem-cpm.de und www.baubetrieb.de).
Ein wesentliches Element der Personalentwick- Bei der Auslastungsstrategie ist es Aufgabe der
lung ist die Mitarbeitermotivation. Scholz (2014, Auftragsakquisition, den vorhandenen Personalbe-
S. 5 ff.) hat in seinem Grundlagenwerk u. a. auch stand bestmöglich auszulasten. Dies ist die im Bau-
die Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation gewerbe „klassische“ Strategie der Personalarbeit.
untersucht. Bei einer Gegenüberstellung der Bedürf- Bei der Arbeitszeitstrategie werden Bedarfs-
nishierarchie von Maslo, der Satisfaktoren (Motiva- schwankungen durch kurz-, mittel- oder langfris-
toren) und Dissatisfaktoren (Hygienefaktoren) von tige Anpassung der individuellen Arbeitszeiten
Herzberg sowie der vier Grundmotive von McClel- der Mitarbeiter ausgeglichen. In der stationären
land gelangt Scholz (2014) zu der Bewertung Industrie entwickelte Arbeitszeitmodelle haben
(Abb. 28), dass die Bedürfnisse nach Maslo sukzes- einen mehrjährigen Zeithorizont mit einer Durch-
sive von der Basis der Bedürfnispyramide zur Pyra- schnittsdauer von 40 Std./Woche, wobei je nach
midenspitze abgearbeitet, nach Herzberg gleichzei- Bedarf z. B. 30 Wochenstunden nicht unterschrit-
tig berücksichtigt und nach McClelland als ständig ten und 50 Wochenstunden nicht überschritten
wechselndes Zusammenspiel der vier Grundbedürf- werden dürfen. Die Ausgestaltung derartiger
nisse zu interpretieren sind. Modelle muss die Unternehmensbedürfnisse nach
Stellvertretend für die zahlreichen Methoden Kapazitätsflexibilität mit den Mitarbeiterbedürf-
und Instrumente zur Förderung der Motivations- nissen nach mittelfristiger Arbeitszeitdisposition
Unternehmensführung 175
Selbst-
verwirk- Arbeit selbst, Leistungsstreben
lichung Verantwortung,
gleichzeitig
wechselnd
Anerkennungs- Beförderung
Machtstreben
bedürfnis
Beziehungen zu Vorgesetzten,
soziale Bedürfnisse Zugehörigkeitsstreben
Untergebenen u. Mitarbeitern
Sicherheitsbedürfnisse Sicherheit
Vermeidungsstreben
physiologische Bedürfnisse Arbeitsbedingungen, Gehalt
miteinander kombinieren. Modelle der langfristi- und der Integrationsfelder. Die Summe der abzu-
gen Arbeitszeitflexibilisierung können nur zwi- wickelnden Projekte erzeugt den Personalbedarf
schen den Vertragspartnern vereinbart werden. zum Zeitpunkt t. Hier wird das Personalziel defi-
Die Strategie der Mindestkapazitäten dient der niert. Die Personalmanagementfunktionen de-
Konsolidierung bei minimiertem Personalbestand. cken den geweckten Bedarf durch die jeweiligen
Mit der eigenen Mindestkapazität sollen die Leitungsebenen des Unternehmens. Je nach Un-
Grundleistungen abgedeckt werden, die als Auf- ternehmensgröße und Geschäftsfeld sind die Zeit-
tragseingänge sicher prognostiziert werden kön- räume über die kurz-, mittel- und langfristige Pla-
nen. Bedarfsspitzen werden durch Zukauf von nung individuell zu definieren. Die eigenen
externen Leistungen über Werkverträge abgedeckt. personellen Kapazitäten bilden den Schwerpunkt
Bei einer Reduzierung der eigenen Produktions- der Modellanwendung. Ziel ist eine prozessorien-
kapazitäten auf Null (Extremfall der Strategie der tierte Personalstruktur.
Mindestkapazitäten) wird der Bauunternehmer
zum Generalübernehmer, da er keine eigenen Bau- Organisationsentwicklung
leistungen mehr erbringt. Damit geht jedoch auch Die Organisationsentwicklung von Unternehmen
die Möglichkeit der Personalentwicklung auf den dient der Verbesserung der organisatorischen
Gebieten verloren, die Kernkompetenzen der Bau- Leistungsfähigkeit zur Erreichung der strategi-
unternehmen darstellen. schen Ziele des Unternehmens und der Verbesse-
Möller (1998, S. 135) entwickelte ein Modell rung der Qualität des Arbeitslebens für die Mitar-
für bedarfsdeckendes Personalmanagement in beiter. Dieses Ziel wird mit einer Strategie des
Bauunternehmen, in dem er ein dreidimensionales geplanten und systematischen Wandels erreicht,
Koordinatensystem definierte mit einer Prozess- der durch die Beeinflussung der Organisations-
achse für die Planungs- und Bauabwicklung (von struktur, der Unternehmenskultur und des indivi-
t0 = Start über t1 = Vergabe bis t2 = Abnahme), duellen Verhaltens zustande kommt im Sinne
einer Institutionenachse für die Leitungsebenen einer selbstlernenden Organisation.
der Unternehmung und einer Funktionenachse
für die Personalmanagementaufgaben, die er wei- Traditionelle Organisationsstrukturen der Bau-
ter nach operativen, taktischen und strategischen unternehmen
Maßnahmen differenzierte (Abb. 29). Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich
Dieses Koordinatensystem bildet den Rahmen auf die Aufbauorganisationen von Bauunterneh-
zur Behandlung aller Personalmanagementfunk- men, die nach Kleinunternehmen (bis 49 Mitarbei-
tionen der Personalbestandsanalyse, -bedarfsbe- ter), mittelständischen Unternehmen (50 bis
stimmung, -beschaffung, -entwicklung, -freiset- 499 Mitarbeiter) und Großunternehmen (500 und
zung, des Personaleinsatzes, der Personalführung mehr Mitarbeiter) unterschieden werden.
176 C. J. Diederichs et al.
strategisch
1 Personalbestandsanalyse
2 Personalbedarfsbestimmung
3 Personalbeschaffung
4 Personalentwicklung
t = t1
5 Personalfreisetzung
6 Personaleinsatzmanagement
taktisch 7 Personalführung
Betrachtungs-
8 Personalkostenmanagement
zeitpunkt
t = t0
operativ
Abb. 29 Modell für bedarfsgerechtes Personalmanagement in Bauunternehmen. (Quelle: Möller 1998, S. 135)
ist i. d. R. geprägt durch gleichrangige Anwen- den nur von einer Person getroffen, nachdem man
dung des Verrichtungs- und Objektprinzips. Die vorher im Team darüber diskutiert hat.
Auftragsbeschaffung ist organisatorisch häufig Die Geschäftsführung besteht aus einem Bau-
ein Gebilde eigener Art, da neben der Unterneh- ingenieur und einem Baukaufmann mit entspre-
mensleitung und dem Kalkulator häufig die Bau- chender direkter Weisungsbefugnis an die techni-
leitung und die Arbeitsvorbereitung mitwirken. schen Leiter und den kaufmännischen Leiter.
Die Leitung von Großaufträgen wird vielfach Die Geschäftsführung richtet Anweisungen aus-
Führungskräften gleichrangig neben technischen schließlich an die Abteilungsleiter, um den Weg
und kaufmännischen Leitungsaufgaben zugeord- der Linienorganisation strikt einzuhalten.
net. Dies kann zu komplizierten und unübersicht- In erster Instanz ist die Unternehmung nach dem
lichen Organisationsstrukturen führen mit Aufga- Verrichtungsprinzip (technische und kaufmänni-
ben- und Kompetenzüberschneidungen wegen sche Seite) und weiter nach dem Raumprinzip
der fließenden Abgrenzung der Verantwortungs- (Stammsitz und zwei Niederlassungen) gegliedert.
bereiche. Die Arbeitsergebnisse z. B. der Arbeitsvorberei-
Mittelständische Unternehmen haben daher tung werden nur über die Oberbauleiter an die
häufig den Nachteil, dass sie für die einfache Bauleiter übermittelt, um auch hier die Linienorga-
und betriebssichere Organisation des Kleinunter- nisation zu wahren. Die Vertretungsfrage ist im
nehmens schon zu groß und für die systematisch firmenspezifischen Organigramm festgelegt. Der
eindeutige und detaillierte Gliederung der Aufga- Vorteil eindeutiger Zuständigkeiten für den Regel-
ben und deren Übertragung auf einzelne Stellen- fall muss um Sonderregelungen für den Ausnahme-
inhaber der Großunternehmen noch zu klein sind. fall ergänzt werden, um die notwendige Flexibilität
Abb. 31 zeigt das Organigramm eines mittel- zur Wahrnehmung der Chancen zur Weiterentwick-
ständischen Bauunternehmens mit 250 Mitarbei- lung zu schaffen.
tern, davon 190 Gewerblichen und 60 Angestell- Die gleichrangige Anwendung des Verrichtungs-,
ten. 2016 erwirtschafteten diese mittelständischen Raum- und Objektprinzips kennzeichnet die tradi-
Bauunternehmen einen Umsatz in Höhe von tionelle Organisationsstruktur der etwa 45 (2016)
12.594 Mio. EUR (Die Deutsche Bauindustrie, Großunternehmen des Bauhauptgewerbes in
Baudatenkarte 2017, online-Abruf). Der Aktions- Deutschland mit 500 Mitarbeitern. Nach dem
radius um den Stammsitz sowie eine Niederlas- Verrichtungsprinzip stehen technische und kauf-
sung West und eine Niederlassung Ost beträgt männische Aufgaben, das Technische Büro und
jeweils rund 80 km. die Kalkulation, nach dem Objektprinzip Großauf-
Die Aufbauorganisation ist streng nach dem träge und Fertigteilbau sowie nach dem Raumprin-
Liniensystem organisiert. Jede Stelle innerhalb zip Niederlassungen und Auslandstätigkeiten rang-
der Unternehmung erhält nur von jeweils einem mäßig auf einer Ebene. Dabei kann es Aufgaben-,
Vorgesetzten Anweisungen. Entscheidungen wer- Kompetenz- und Verantwortungsbereichsüberschnei-
178 C. J. Diederichs et al.
Niederlassung Rechnungs-
Kalkulation
1 wesen
Bauhof Arbeitsvorbe-
Personal
reitung Rohbau
Bauleiter 1.1
Oberbauleiter Bauauftrag 1.1 Arbeitsvorbe- Bauhof-
1 reitung SF-Bau verwaltung
Bauleiter 1.2
Bauauftrag 1.2
EDV Einkauf
Bauleiter 2.1
Bauauftrag 2.1
Oberbauleiter
2 Argen
Bauleiter 2.2
Bauauftrag 2.2
Bauleiter 3.1
Oberbauleiter Bauauftrag 3.1
3
Bauleiter 3.2
Bauauftrag 3.2
dungen geben, wenn z. B. der Bauleiter eines Groß- men, die am Ergebnis beteiligt wird, sofern sie
auftrags sowohl von der Unternehmens- als auch der akquisitorisch oder durch Personalbereitstellung
Niederlassungsleitung, der Projektleitung des Groß- zur erfolgreichen Auftragsbeschaffung oder Bau-
auftrags und der Oberbauleitung Weisungen erhält. durchführung beiträgt. Der operative Bereich des
Die Hauptniederlassungen der großen deut- Unternehmens hat wieder die klassische hierarchi-
schen Bauaktiengesellschaften werden in der sche Ordnung über den Oberbauleiter, der mehrere
2. Ebene nach dem Raumprinzip in Niederlassun- Baustellen betreut, zum Bauleiter, der je nach Auf-
gen, Zweigniederlassungen und z. T. auch Ge- tragsgröße eine oder mehrere Baustellen leitet, bis
schäftsstellen und nach dem Spartenprinzip auch zum Polier und Vorarbeiter.
in Sparten-Niederlassungen (z. B. Projektentwick- Innerhalb der Sparten eines Unternehmens
lung, Spezialtiefbau) gegliedert. Verschiedene kann es im Zusammenwirken mit den regionalen
Funktionen sind aus den Zweigniederlassungen Niederlassungen zu Bereichsegoismen mit hefti-
und Niederlassungen ausgegliedert und als Stabs- ger Konkurrenz um personelle und materielle
stellen bei den Hauptniederlassungen oder auch in Ressourcen kommen. Die Unternehmensleitung
der Zentrale zusammengefasst. sowie in den Unternehmen eingerichtete Len-
Wachsenden Märkten in einzelnen Regionen kungskreise müssen diesen Egoismustendenzen
passt sich das Unternehmen an, indem es sein Nie- entgegenwirken.
derlassungsnetz verdichtet. Die Spartenniederlas- In der Realität sind Sollstrukturen für die Auf-
sungen haben für die Gesamtregion der Hauptnie- bauorganisation von Bauunternehmen nicht auf-
derlassung volle Kompetenz und Verantwortung findbar, sondern lediglich Handlungssysteme als
im Rahmen der übertragenen Aufgaben. Sie müs- Resultat aus konzipierten Sollstrukturen und
sen aber bei der Verfolgung ihrer Ziele die Hilfe der realem menschlichen Verhalten. Daher können
regionalen Zweigniederlassung in Anspruch neh- keineswegs Patentrezepte empfohlen werden,
Unternehmensführung 179
sondern nur ausbaufähige organisatorische Kon- Raumprinzip in Niederlassungen gliedert, auf der
zepte, die modellhaft die wesentlichen Elemente nächsten Ebene in Sparten aufteilt – z. B. Hochbau,
beinhalten. Schlüsselfertigbau, Ingenieurbau, Straßenbau und
Kleinunternehmen lassen sich organisatorisch Umwelttechnik (divisionale Gliederung) – mit dem
nach dem Verrichtungsprinzip gliedern, wobei die entsprechenden Zentrierungsprozess der jeweils
Führungsaufgaben auf ein bis zwei Personen kon- erforderlichen Ressourcen. Unterhalb der Raum-
zentriert werden. Diese übernehmen i. d. R. auch und Spartengliederung werden die verrichtungsori-
die Leitung der Bauausführung, indem sie mit den entierten und an dem Stablinienprinzip orientierten
Bauführern direkt zusammenarbeiten. Gliederungsformen als Subsysteme integriert.
Die Inhaber bzw. Geschäftsführer kleiner Bau- Dadurch entsteht auch in größeren Bauunterneh-
unternehmen sind grundsätzlich als „Universalma- men eine obere, mittlere und untere Leitungsebene.
nagergenies“ zu bezeichnen, da sie die Aufgaben Die formale Gliederung nach Niederlassungen
der Unternehmensführung (planen, entscheiden, und Sparten mit der Gefahr überzogenen Profit-
kontrollieren, anpassen) für alle Verrichtungen Center-Denkens reicht allerdings nicht aus, um
(technische und kaufmännische Leitung, Auftrags- alle gesamtunternehmerischen Zusammenhänge
beschaffung, Kalkulation, Arbeitsvorbereitung, ganzheitlich einzuordnen und die Existenz der
Oberbauleitung, Abrechnung, Personalführung einzelnen Bereiche angemessen zu fördern. So
und Administration) in Personalunion von ein bis lässt sich eine Aufbauorganisation mit Koordina-
max. zwei Inhabern bzw. Geschäftsführern verei- tionsgruppen als neuem Typus eines Leitungssta-
nen. In der Flexibilität dieses unternehmerischen bes entwickeln. Diese Stabsstellen haben i.allg.
Einsatzes liegen einerseits die Chancen, in der gro- informierende und beratende Funktion. Aufgrund
ßen Lücke bei Ausfall durch Krankheit oder sons- ihrer Fachkompetenz erhalten sie jedoch häufig
tige Umstände die großen Risiken. eine ihnen von den Linienpositionen zugespro-
Für mittelständische Unternehmen ist eine funk- chene Leitungsautorität, die sich aus der personal-
tionsorientierte Organisationsstruktur mit Einfüh- räumlichen Nähe zur Unternehmensleitung ablei-
rung einer mittleren Leitungsebene angebracht, um ten lässt. Damit treten Leitungsstäbe zwischen
damit die oberste Leitungsebene von unnötig vielen Unternehmensleitung und nachgeordnete Instanzen.
Einzelfällen zu entlasten. Um den Projekt- bzw. Koordinationsgruppen, die für übergeordnete
Bauleitern an Ort und Stelle einen direkten Projekte zuständig sind, können auch als reine
Ansprechpartner zu bieten, kann je nach Unterneh- Projektorganisation agieren. Sie werden auch als
mensgröße der technische Leiter die Oberbauleitung „Task Force“ bezeichnet. Dabei werden die Mit-
mit übernehmen, oder aber es werden Oberbaulei- arbeiter für die Dauer des Projekts aus den wei-
terstellen besetzt, die der technischen Leitung direkt terhin innerhalb der Sparte bestehenden Funkti-
unterstellt und den Projekt- bzw. Bauleitern gegen- onsabteilungen vollkommen herausgelöst und in
über weisungsberechtigt sind. einem Projektteam zusammengefasst, wobei die
Als formale Organisationsstruktur empfiehlt bisherige disziplinarische Unterstellung erhalten
sich die Linienorganisation mit informalen Infor- bleibt. Die bisherigen Rangunterschiede der Mit-
mationswegen zur Abkürzung der Hierarchiewe- arbeiter sind während der Projektdauer aufgeho-
ge. Diese informale Struktur wird mitbestimmt ben. Nach dem Projektabschluss wird den Mitar-
vom Netzwerk zwischenmenschlicher Beziehun- beitern im Unternehmen wiederum ein anderes
gen der Mitarbeiter und entsteht meist spontan, so Aufgabengebiet übertragen. Der Projektleiter
dass seitens der Geschäftsführung vorrangig nur besitzt außerordentliche Kompetenz und die allei-
auf das zielkonforme Funktionieren geachtet wer- nige Verantwortung für das Projekt und dessen
den muss. Je nach Größe des Unternehmens emp- Durchführung. Alle am Projekt beteiligten Mitar-
fiehlt sich auch die Einrichtung von Koordinati- beiter werden unter seiner Leitung zu einer Pro-
ons- oder Projektgruppen. jektgruppe als Subsystem zusammengefasst.
Für die Großunternehmen ist eine Organisati- Personalstrategien und Organisationsentwick-
onsstruktur zu empfehlen, die zunächst nach dem lungen rütteln in erheblichem Maße an traditio-
180 C. J. Diederichs et al.
Abb. 32 Relevanz der Beschaffung für Bauunternehmen. (Quelle: Institut für Baubetrieb und Baumanagement,
Universität Essen, 2018)
unterscheiden zwischen operativen und strategi- gewisses Budget frei verfügen kann. Der Projekt-
schen Tätigkeiten sowie dem Projekteinkauf. einkauf soll prinzipiell alle Einkaufsaktivitäten im
In der operativen Beschaffung werden die klas- Rahmen eines Projektes koordinieren und somit
sischen Funktionen für das Tagesgeschäft, also Ansprechpartner sowohl für den unternehmensin-
das Bauen, durchgeführt. Aufgaben können ternen operativen Einkauf als auch für die Liefe-
z. B. routinierte Bestellvorgänge oder die Termin- ranten sein.
verfolgung von Lieferungen sein. Die strategische Dadurch soll erreicht werden, dass Nachunter-
Beschaffung gibt dabei zumeist konkrete Vorga- nehmer sich im Rahmen eines Projektes und auch
ben, wie z. B. Kosteneinsparpotenziale, die durch darüber hinaus möglichst in die Organisation inte-
die operative Beschaffung innerhalb eines Ge- grieren und sich langfristige Kooperationen ein-
schäftsjahres generiert werden sollen. stellen. Mögliche positive Effekte sind z. B., dass
Im Rahmen des strategischen Einkaufs finden Innovationen und Verbesserungen von Nachun-
zumeist vorgelagerte Überlegungen statt, wie ternehmern genutzt werden können. Zudem kann
z. B. die Festlegung der Beschaffungsprinzipien durch eine strategische Auswahl der Nachunter-
des Unternehmens in Form von Lieferanten-, nehmer der Zutritt zu bestimmten, schwer er-
Warengruppen und Risikostrategien. Des Weite- schließbaren Märkten gelingen. Beabsichtigt wird
ren werden in aller Regel durch den strategischen hierdurch, dass der Generalunternehmer seine
Einkauf Rahmenverträge mit Lieferanten ausge- Wettbewerbsfähigkeit erhöht und die Nachunter-
handelt und auch die Erschließung neuer Märkte nehmer ihr Leistungspotenzial verbessern, z. B.
mit geplant, wie z. B. das Servicegeschäft für durch Mitarbeit an großen und komplexen Pro-
Bauunternehmen. Die Vorgaben für den strategi- jekten. Mögliche Ansatzpunkte der strategischen
schen Einkauf werden von der Unternehmensstra- Beschaffung sind in Abb. 33 aufgeführt:
tegie abgeleitet. Unabhängig davon, welcher der strategischen
Der Projekteinkauf wird für jedes Bauprojekt Ansatzpunkte ausgeführt werden soll, ist eine
individuell gestaltet und kann z. B. auch vom transparente Datenbasis unerlässlich. Insbeson-
Projektleiter ausgeführt werden, der über ein dere sind Daten über Lieferanten, Einkaufspreise,
182 C. J. Diederichs et al.
Lieferkonditionen und -modalitäten, Produktspe- Sind konkrete Ansatzpunkte gefunden, gilt es,
zifikationen und Einkaufsvolumina zu erheben. den eigentlichen Beschaffungsprozess zu gestal-
Besondere Bedeutung hat bei den nachfolgend ten. Der prinzipielle Beschaffungsprozess ist
genannten Initiativen die Festigung der Kunden- dabei der Abb. 34 zu entnehmen:
beziehung.
Eine Volumenkonzentration ist im Rahmen des Beschaffungsstrategien
strategischen Einkaufs dann geboten, wenn unter- Damit Bauunternehmen auch zukünftig erfolg-
schiedliche Tätigkeiten gleichartige Beschaf- reich Dienstleistungen und Güter beschaffen kön-
fungsprinzipien vorweisen und es sich empfiehlt, nen, müssen konkrete strategische Handlungsop-
die Leistungen projektübergreifend über einen tionen geplant werden. Bei der Gestaltung der
Lieferanten oder Nachunternehmer zu beziehen. Beschaffung sind interne und externe Einflussfak-
Ein Beispiel dafür ist die vielfach getätigte Vergabe toren zu berücksichtigen. Zu den internen Ein-
der Rohbauleistung an einen Nachunternehmer. flussfaktoren zählen u. a. die Bedeutung einer
Bei der Prozessverbesserung geht es maßgeb- Leistung zur Erfüllung der gemeinsamen Zielvor-
lich darum, divisions- und regionenübergreifende gabe, die Verfügbarkeit über eigene Kapazitäten
Synergien zu identifizieren und zu nutzen. Ein im Unternehmen sowie das zur Verfügung ste-
bekanntes Beispiel dafür ist die Implementierung hende Kapital. Externe Einflussfaktoren sind die
einer Global Sourcing Abteilung. Hierdurch sol- Verfügbarkeit benötigter Kapazitäten in den jewei-
len die von der Unternehmensführung vorgegebe- ligen Beschaffungsmärkten sowie das Preis-/Leis-
nen Beschaffungsrichtlinien global und fachbe- tungsverhältnis durch Fremdvergabe (Leinz 2004,
reichsübergreifend umgesetzt werden. S. 32 ff.).
Markt-/Preisauswertungen dienen dazu, eine Die internen und externen Einflussfaktoren
solide Datenbasis, z. B. über Lieferanten oder beeinflussen die Entscheidung, ob eine Leistung
Beschaffungsmärkte, zu generieren und diese für selbst erbracht oder eingekauft wird.
Prognosen über zukünftige Entwicklungen in den Dabei hat die Entscheidung, Leistungen an
jeweiligen Zielmärkten zu nutzen. Diese Daten- Nachunternehmer zu vergeben, einige prinzipielle
basis ist als Grundlage für die strategische Aus- Vor- und Nachteile. Vorteile sind z. B. der flexible
richtung der Einkaufaktivitäten essenziell, denn Ausgleich von Leistungsschwankungen und die
nur so können frühzeitig kurz-, mittel- und lang- damit verbundene Ressourcenauslastung, die
fristige Initiativen geplant und umgesetzt werden. Nutzung des Marktpreis-Wettbewerbs sowie die
Unternehmensführung 183
Beschaffungsprozess
Abb. 35 Make-or-buy-
Portfolio. (Quelle: Institut
für Baubetrieb und
Baumanagement,
Universität Essen, in
Anlehnung an Leinz 2004,
S. 63)
eigene Konzentration auf Geschäfte mit einer hö- vielfach durch Standardisierung bzw. Modularisie-
heren eigenen Wertschöpfung. Allerdings beste- rung der Beschaffungsobjekte angestrebt. Dabei
hen durch die Vergabe von Leistungen an Nach- befinden sich die Bauunternehmen immer im
unternehmer auch Nachteile, wie z. B. keine Spannungsfeld zwischen einer vollständigen indi-
direkten Zugriffsrechte auf die ausführenden Res- viduellen Einzelfertigung und dem Wunsch, durch
sourcen, sowie eine nur indirekte Steuerungs- und Beschaffung von Leistungen Skalen-Effekte zu
Kontrollmöglichkeit (Girmscheid 2010, S. 854). generieren, z. B. für das Baumaterial.
Gemäß Abb. 35 sollen die Unternehmen bei Ziele der Standardisierung können sowohl die
einer hohen internen und externen Komplexität Verbesserung der Produktivität und der Qualität
die Leistung nach Möglichkeit selbst durchführen. als auch die Reduzierung der Baukosten und der
Leistungen mit einer geringen Komplexität sollen Bauzeit sein. Dies soll durch Standardisierung
eher an Nachunternehmer vergeben werden. Diese von Komponenten und Baugruppen, von Prozes-
Verringerung der Komplexität wird im Bauwesen sen in der Projektabwicklung, durch Vorfertigung
184 C. J. Diederichs et al.
oder Modularisierung erreicht werden. Vorteile nander gesetzt, dass Kompetenzen und Kommu-
der Standardisierung sind, neben den positiven nikationswege zwischen den Aufgabenträgern
Zeit- und Kosteneffekten, eine Verbesserung der effizient und innovativ gestaltet werden. In klei-
Risikokontrolle durch Verringerung der Schnitt- neren Unternehmen mit lediglich einer produzie-
stellen in der Wertschöpfung, sowie ein geringerer renden Einheit wird oft der Ansatz des zentral
Planungsaufwand. Ein hohes Maß an Standardi- organisierten Einkaufs verfolgt, bei größeren
sierung eignet sich nur bedingt für komplexe Unternehmen bzw. Konzernstrukturen ist eher
Gewerke, wie z. B. den Tiefbau. Mit der Standardi- eine Dezentralisation des Einkaufs ratsam.
sierung steigt die Abhängigkeit von Lieferanten. Innerhalb der zentralen Einkauforganisation
Besonders bei internationalen Projekten erge- eines Bauunternehmens werden für alle notwen-
ben sich weitere strategische Handlungsoptionen digen Beschaffungsbedarfe (z. B. Nachunterneh-
hinsichtlich der Beschaffungsmärkte. So kann mer, Materialien, . . .) die Kompetenzen gebün-
prinzipiell zwischen lokaler (Local Sourcing), delt. Durch diese Art der Organisation dürfen
nationaler (National Sourcing) und globaler (Glo- nur durch die zentrale Einkaufsorganisation Ein-
bal Sourcing) Beschaffung differenziert werden. kaufsaktivitäten durchgeführt werden. Jedoch
Neben den verfügbaren Kapazitäten im Beschaf- kann auch bei einer zentralen Einkaufsorganisa-
fungsmarkt können auch länderspezifische Vorga- tion z. B. ein Projektleiter über ein gewisses Bud-
ben das Vorgehen beeinflussen. So kann es sein, get verfügen, mit dem er ohne Hinzuziehung des
dass in bestimmten Entwicklungsländern eine Einkaufs Materialien oder Leistungen einkaufen
bestimmte Vergabequote an heimische Nachun- kann. Mögliche positive Effekte, die sich durch
ternehmer zu beachten ist. eine zentral organisierte Beschaffung ergeben,
Mit der lokalen Beschaffung ist der Einkauf von können der nachfolgenden Übersicht entnommen
Materialien und Leistungen bei Anbietern in der werden (Tab. 2):
unmittelbaren Nähe der Baustelle gemeint. Die Neben den genannten positiven Effekten können
nationale Beschaffung kauft Leistungen im eige- durch die Zentralisation der Beschaffung jedoch
nen Land ein, wohingegen die globale Beschaf- auch einige negative Effekte entstehen (Tab. 3):
fung den weltweiten Vergleich und Einkauf von Die einzelnen Vor- und Nachteile eines dezen-
Nachunternehmerleistungen forciert. Mit der Aus- tralen Einkaufs lassen sich aus dem Gegenteil der
weitung der Beschaffungsaktivitäten auf eine glo- vorgenannten Merkmale ableiten. Eine beispiel-
bale Ebene beabsichtigen die Bauunternehmen die hafte Aufbauorganisation der dezentralen und der
Generierung von Kostenvorteilen und Risikore- zentralen Beschaffung kann Abb. 36 entnommen
duktion, z. B. durch niedrigere Löhne, durch gerin- werden.
gere Standards beim Umweltschutz oder durch die Eine weitere Art der organisatorischen Ausge-
Steigerung des Wettbewerbs. staltung der Beschaffung kann die Gliederung
nach Beschaffungsobjekten, Regionen oder Tä-
Gestaltung der Beschaffungsstruktur im Un- tigkeiten darstellen (Leinz 2004, S. 57 ff.). Be-
ternehmen schaffungsobjekte können nach Gewerkegruppen
Nachfolgend wird auf die unterschiedlichen Orga- oder Material, nach der Art der Verwendung, nach
nisationsformen der Beschaffung im Unterneh- Bedarfsträgern, nach dem Wert der eingekauften
men eingegangen. In vielen Unternehmen ist der Leistung oder nach der jeweiligen Sparte im
Einkauf bereits in der ersten, mindestens aber in Unternehmen gegliedert werden. Hierdurch soll
der zweiten Führungsebene positioniert (Weigel ein hoher Wissenstand im jeweiligen Spezialge-
und Rücker 2015, S. 31–33). Strukturen und Ver- biet entstehen.
antwortlichkeiten der Beschaffung werden durch Die Gliederung ausschließlich nach Regionen
die unternehmensweit geltende Aufbauorganisa- macht immer dann Sinn, wenn Rohstoffvorkom-
tion geregelt. In der Aufbauorganisation werden men, Nachunternehmer und Lieferanten eine
Stellen der Beschaffung als einzelne organisatori- lokale Rolle spielen. Hierdurch verspricht sich
sche Einheiten gebildet und so in Beziehung zuei- das einkaufende Unternehmen in aller Regel eine
Unternehmensführung 185
Tab. 2 Positive Effekte einer zentral organisierten Beschaffung. (Quelle: Weigel und Rücker 2015, S. 33–35)
Volumenbündelung ● Bessere Konditionen mit Lieferanten durch Bündelungseffekte
● Steigerung der Machtposition und Akzeptanz des Einkaufs im Unternehmen
Steigerung der ● Durchführung der Einkaufsaktivitäten von Fachleuten
Professionalität
Homogene ● Verhindert, dass gleichartige Leistungen im Unternehmen von unterschiedlichen
Lieferantenstruktur Lieferanten bezogen werden
Klare ● Eindeutige, unternehmensweite Verantwortlichkeiten
Verantwortlichkeiten ● Einhaltung von Prozessen und Richtlinien
● Eindeutige und schnellere Kommunikation
Effiziente ● Zentrale Abwicklung kann Standardisierung in den Prozessen bewirken
Beschaffungsprozesse
Einheitliche Kontrolle ● NUtzung von unternehmensübergreifenden Kennzahlen
Tab. 3 Negative Effekte einer zentral organisierten Beschaffung. (Quelle: Weigel und Rücker 2015, S. 34–35)
Bürokratie ● Abhängig von der Unternehmensgröße, da Bedarfe über viele Stellen vom Bedarfsträger an
den Einkauf gelangen
Räumliche Distanz ● Betriebsferne durch große Distanz zwischen Bedarfsträger und Einkauf
● Nachteile in Bezug auf den Informationsfluss und die Flexibilität
Zielkonflikte ● Durch mangelnde Zurechenbarkeit von Erfolgen und Misserfolgen zwischen der
Beschaffung und der ausführenden Einheit
Mangelnde ● Einkauf als Fremdkörper
Akzeptanz
Kulturelle ● Unterschiede zwischen Einkauf und ausführenden Einheiten in Kultur, Mentalität und
Besonderheiten Sprache können schnell zu Missverständnissen führen
Geschäfts- Geschäfts-
leitung leitung
Abb. 36 Vergleich zentraler und dezentraler Einkauf. (Quelle: Weigel und Rücker 2015, S. 35)
Reduktion der Kosten und eine schnelle, effizi- können z. B. die Beschaffungsmarktforschung,
ente Kommunikation am Ort der Baustelle. Anfragen, Bestellungen, Terminkontrollen oder
Die Gliederung der Beschaffung nach Tätigkei- Qualitätsprüfungen sein. Hierdurch soll sich die
ten beinhaltet eine aufgabenbezogene Zuordnung Qualität der beschafften Leistungen und Materialien
der unterschiedlichen Beschaffungsaktivitäten. Dies verbessern.
186 C. J. Diederichs et al.
wurden. Anhang IV und das Nutzerhandbuch sol- der Bauwirtschaft. Diese Gesetze haben für die
len 2018 veröffentlicht werden. Im Anhang I sind Einrichtung eines Managementsystems jedoch
dazu Maßgaben zur Umweltprüfung überarbeitet nicht den Praxisbezug wie die zuvor beschriebe-
worden, die sich aus der Novellierung der DIN nen Normen für Qualitäts- und Umweltmanage-
EN ISO 14001:2015-11 ergeben. Sie betreffen ment.
insbesondere den Kontext der Organisation, die Ausgelöst durch die Mineralölindustrie, be-
Erfassung der interessierten Parteien und ihrer gann in den Niederlanden die Entwicklung eines
Erfordernisse und Erwartungen, die Ermittlung Zertifzierungssystems nach SCC (Sicherheits-
von Chancen und Risiken sowie die stärkere Certifikat-Contraktoren), das 1993 durch den
Berücksichtigung von Umweltaspekten entlang dortigen Akkreditierungsrat zugelassen wurde
des Lifecycle. Die Umweltprüfung kann als die (aktuelle Version 2011). Nach der Übertragung
erstmalige Bestandsaufnahme und Bewertung und Anpassung an die deutschen Verhältnisse in
der Umweltaspekte angesehen werden (EMAS Form eines SCC-Fragenkatalogs fordern die
Novelle 2017/2019). deutsche Mineralöl- und die petrochemische
Anhang II, das Umweltmanagementsystem, stellt Industrie zunehmend ein sog. „Sicherheits-,
den Anforderungen der ISO 14001 (Spalte A) die Gesundheits- und Umweltschutz-Managementsys-
darüber hinausgehenden Anforderungen der EMAS tem“ (SGU-Managementsystem). Die Anforderun-
gegenüber, wie z. B. die Pflicht zur Benennung eines gen sind in jenem SCC-Fragenkatalog definiert.
Managementbeauftragten oder das Erfordernis der Unternehmen, die ein SGU-Managementsystem
Rechtskonformität, Umweltleistungsverbesserung eingeführt haben, können sich dieses von einer
und Umweltberichterstattung. akkreditierten Zertifizierungsgesellschaft zertifizie-
Anhang III, die Umweltbetriebsprüfung, meint ren lassen.
die systematische, dokumentierte, regelmäßige Die SCC-Zertifizierung ist keine Konkurrenz
und objektive Bewertung der Umweltleistung zu den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften.
einer Organisation, des Managementsystems und Sie soll vielmehr helfen, die Umsetzung der Vor-
der Verfahren zum Schutz der Umwelt. Außerdem schriften und das Prüfen der Umsetzung zu
wird die Überprüfung der Rechtskonformität und erleichtern. Unternehmen, die die Forderungen
die Berichterstattung interner Auditergebnisse an der Berufsgenossenschaften einhalten und dies
die Leitungsebene der Organisation stärker be- dokumentieren können, erfüllen bereits wesentli-
tont. che Voraussetzungen für eine Zertifizierung nach
dem SCC-Fragenkatalog.
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Derartige sektorale Zertifikate bergen die
Am 12. März 2018 wurde die neue Norm für Gefahr in sich, dass andere Wirtschaftsbereiche,
Arbeits- und Gesundheitsschutz ISO 45001:2018 die als Auftraggeber auftreten, wiederum andere
veröffentlicht. Anforderungen an ein Arbeitsschutzmanagement-
Bereits 1989 wurde die Richtlinie zur Verbes- system stellen und damit die Unternehmen einem
serung der Sicherheit und des Gesundheitsschut- regelrechten Zertifizierungsdruck ausgesetzt wer-
zes für Arbeitnehmer bei der Arbeit (89/391/ den. Dies kann zur Folge haben, dass die Anfor-
EWG) erlassen. Sie wurde für Deutschland durch derungen unübersichtlich werden und damit die
das 1996 verabschiedete Arbeitsschutzgesetz Akzeptanz bei den Mitarbeitern infolge immer
(ArbSchG vom 07.08.1996, l. Ä. 31.08.2015, neuer Regeln sinkt.
BGBl I S. 1474) in nationales Recht umgesetzt.
Zusammen mit der sog. „Baustellenrichtlinie“ Einführung prozessorientierter Management-
(92/57/ EWG), die mit der Baustellenverordnung systeme
1998 in nationales Recht umgesetzt wurde (Baus- Managementsysteme sollen sich an den betriebli-
tellV vom 10.06.1998, l. Ä. 27.06.2017 BGBl I chen Erfordernissen orientieren. Für ein Unterneh-
S. 1966), regelt das Arbeitsschutzgesetz die men ist eine prozessorientierte Vorgehensweise
Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz in sinnvoll. Prozesse sind abteilungsübergreifende
188 C. J. Diederichs et al.
Abläufe, die einen wesentlichen Beitrag zum Errei- dieser elementbezogenen Vorgehensweise sind
chen der Unternehmensziele leisten. Sie lassen sich allerdings die Bezeichnungen, die durch diese
mit Hilfe von Regeln beschreiben. Das alleinige Normenreihen für die Prozesse eingeführt wer-
Beschreiben der Ablauforganisation in einem Orga- den. Designlenkung, Prozesslenkung, interne
nisationshandbuch ergibt allerdings noch kein Audits und Verantwortung der Leitung sind
Managementsystem. Erst wenn alle Prozesse auf Begriffe, mit denen sich viele Mitarbeiter nicht
die Unternehmensziele ausgerichtet sind, kann von identifizieren können. Jedes Bauunternehmen hat
einem Managementsystem gesprochen werden. jedoch die Möglichkeit, eigene Bezeichnungen
Die Festlegung, was als eigenständiger Prozess für diese Prozesse zu verwenden.
gilt, ist subjektiv und von den Unternehmenszielen Alternativ können Prozesse mit Hilfe der
abhängig. Bauunternehmen, die für öffentliche Auf- Unternehmensziele ausgesucht und gewichtet
traggeber arbeiten, werden z. B. dem Marketing und werden. Ein Prozess ist umso bedeutender für
auch der Beratung vor Auftragserteilung nur geringe ein Unternehmen, je mehr er zum Erreichen der
Aufmerksamkeit schenken. In Bauunternehmen, die Unternehmensziele beiträgt. Ausgehend von die-
hauptsächlich für Kunden aus der Industrie tätig sind, ser Definition, lassen sich die wichtigen Prozesse
haben dagegen beide Prozesse große Bedeutung. im Unternehmen identifizieren, indem die Ge-
Grundlage eines prozessorientierten Manage- schäftsleitung den Beitrag jedes einzelnen Prozes-
mentsystems ist der Gedanke, dass standardisierte ses zur Verwirklichung der Unternehmensziele
Prozesse zu wiederholbaren Ergebnissen führen. analysiert. Um diese Analyse zu erleichtern, wird
Wenn es gelingt, Ziele und Regeln von erfahrenen ein prozessorientiertes Modell eines Bauunter-
Mitarbeitern für die wichtigen Prozesse transparent nehmens vorgestellt (Abb. 37).
zu machen und sie verbindlich im Unternehmen Prozesse in Bauunternehmen gliedern sich in
einzuführen, ist die Grundlage für eine Leistungs- Managementprozesse, Kern- bzw. Leistungser-
steigerung des gesamten Unternehmens geschaffen. stellungsprozesse und Dienstleistungs- bzw. Sup-
Die Kundenorientierung ist ein weiterer bedeu- portprozesse. Kernprozesse sind einerseits auf
tender Grundsatz in der Theorie prozessorientier- externe Kunden (Bauherren oder potenzielle Auf-
ter Managementsysteme. Jeder Prozess hat einen traggeber), andererseits auf interne Kunden, das
Lieferanten und einen Kunden. Der Lieferant sind die Abnehmer der Prozessergebnisse, ausge-
erzeugt eine Leistung, die ein Kunde für seine richtet. Dienstleistungsprozesse stehen wiederum
Arbeit benötigt. Der Begriff „Kunde“ wird aller- im Kundenverhältnis zu den Kernprozessen, d. h.,
dings um eine innerbetriebliche Dimension erwei- Dienstleistungsprozesse dienen im Sinne von
tert: Kunden sind nicht nur externe, sondern auch Kundenaufträgen den Kernprozessen. Die Dienst-
interne Abnehmer von Prozessleistungen. In leistungsprozesse gewährleisten damit die Funk-
einem prozessorientierten Managementsystem tionsfähigkeit der Kernprozesse und haben aus-
betrachtet jeder den Mitarbeiter, der die Arbeits- schließlich interne Stellen als Kunden. Für die
ergebnisse für den folgenden Prozessschritt benö- Steuerung der Kern- und Dienstleistungsprozesse
tigt, als seinen Kunden, den er zufriedenzustellen ist ein Zielfindungs- und Umsetzungsprozess
hat mit allen relevanten Parametern, der richtigen notwendig, dieser wird zumeist innerhalb der
Materie und Information zum richtigen Zeitpunkt Managementprozesse erarbeitet Innerhalb dieses
in der gewünschten Qualität. Prozesses wird die strategische Bauunterneh-
Es gibt mehrere Möglichkeiten, relevante Pro- mensplanung vorgenommen.
zesse für den Aufbau des Managementsystems im Ein Bauunternehmen im Hochbau besitzt
eigenen Bauunternehmen auszusuchen. Die Nor- z. B. die folgenden Kernprozesse mit direktem
men zum Qualitätsmanagement (DIN EN ISO Kundenkontakt:
9001: 2015) und Umweltmanagement (DIN EN
ISO 14001: 2015) enthalten Elemente, die von • Akquisition: Ankündigung und Anbieten von
vielen Bauunternehmen zum Aufbau ihrer Ma- Dienstleistungen und Produkten des Bauunter-
nagementsysteme genutzt werden. Nachteilig an nehmens potenziellen Kunden gegenüber,
Unternehmensführung 189
Abb. 37 Prozessmodell der Wertschöpfungskette eines Bauunternehmens. (Quelle: Girmscheid 2016, S. 33)
Abb. 39 Zwei
Controllingkreisläufe zum
Controlling der
Strategieumsetzung.
(Quelle: Girmscheid 2010,
S. 813)
Unternehmensführung 191
lungsprozess ist maßgeblich für den Erfolg eines die Bauleitung neben den Aufgaben des täglichen
Bauunternehmens verantwortlich. Die Abb. 40 Bauablaufes auch für die Ermittlung/Abschätzung
zeigt das Projektcontrolling in allen Phasen der des Leistungsstandes und die Übereinstimmung
Leistungserstellung. der ermittelten Kosten mit der Buchhaltung zu-
Projektcontrolling, als Teilgebiet des Projekt- ständig ist. Hierbei liegt der Fokus auf den Kos-
managements umfasst die Bereiche Planung, tenarten Löhne, Stoffe, Geräte, Nachunterneh-
Überwachung und Steuerung. Zu dem Bereich merleistungen und Baustellengemeinkosten. Die
Projektplanung gehören die Leistungs-, Quali- ermittelten Ist-Werte sind tabellarisch für die
täts-, Kosten- und Terminplanung sowie auch die Intervalle:
Koordination der Verträge. Zu dem Bereich Pro-
jektsteuerung gehören alle Maßnahmen, die im • von Baubeginn bis Vormonat,
Projektverlauf in Bezug auf Leistungen, Qualität, • von Beginn des Geschäftsjahres bis Vormonat,
Kosten, Termine und Verträge zum Korrigieren • im Berichtsmonat,
von Plan- und Zielabweichungen getroffen wer- • von Baubeginn bis Stichtag und
den. • von Beginn des Geschäftsjahres bis Stichtag
nisrechnungen für die von ihm betreuten Baustel- Das Interne Überwachungssystem soll aus
len zusammenzufassen und zu prüfen. Werden bei organisatorischen Sicherungsmaßnahmen, inter-
der Überprüfung Risiken erkannt, ergänzt der nen Kontrollen und der internen Revision beste-
Oberbauleiter seinen Bericht mit zu veranlassen- hen, um die Zuverlässigkeit der betrieblichen
den Gegenmaßnahmen. Der Bericht des Oberbau- Prozesse zu gewährleisten.
leiters wird an den Niederlassungsleiter weiterge- Controlling soll die zielorientierte Koordi-
reicht. Dieser fasst ebenfalls die Berichte aller nation von Planung, Informationsversorgung,
Oberbauleiter zusammen, überprüft diese und leitet Kontrolle und Steuerung umfassen.
in Absprache mit den zuständigen Oberbauleitern Mit Hilfe von Frühwarnsystemen sollen Risi-
Gegenmaßnahmen ein. Die Berichte des Nieder- ken so rechtzeitig erkannt werden, dass Reaktio-
lassungsleiters werden an die Hauptverwaltung nen des Unternehmens zur Abwehr der Risiken
weitergereicht. Es ist sicherzustellen, dass Berichte möglich sind. Die Frühwarnsysteme sollen daher
des Bauleiters bis zum 5., des Oberbauleiters bis neben der Erkennung von Risiken auch geeignete
zum 10. und des Niederlassungsleiters bis zum 15. Maßnahmen zur Risikobewältigung bereitstellen.
des Folgemonats vorliegen. Die aus dem Berichts- In gut geführten Bauunternehmen werden die
wesen gewonnenen Daten dienen als Grundlage Anforderungen des neu eingeführten § 91 Abs. 2
für die Kalkulation von zukünftigen Projekten AktG seit langem erfüllt, u. a. durch
und geben Aufschluss über den zu erwartenden
Gewinn oder Verlust der erfassten Baustellen. • monatliche Kosten-, Leistungs- und Ergebnis-
rechnung (KLER)
• 12 bis 36-monatige Ergebnisvorausschau
7.5 Risikomanagement • Bonitätsprüfung der Auftraggeber
• Prüfung der Fachkunde, Erfahrung, Leistungs-
Durch Erweiterung des § 91 AktG durch einen fähigkeit und Zuverlässigkeit der Nachunter-
neuen Abs. 2 wurde mit Wirkung vom 01.05.1998 nehmer (FELZ)
ein „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im • Vertragsprüfung unter Hinzuziehung von
Unternehmensbereich“ (KonTraG) geschaffen. Fachanwälten für Baurecht
§ 91 AktG lautet nunmehr: • Vorgabe von Vergabegrenzwerten auf der
Basis von Arbeitskalkulationen
„§ 91. Organisation; Buchführung • monatliche Überprüfung der Terminpläne
(1) Der Vorstand hat dafür zu sorgen, dass die sämtlicher Baustellen mit Soll-/Ist-Vergleich,
erforderlichen Handelsbücher geführt werden. Abweichungsanalyse und ggf. Einleitung von
(2) Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu
treffen, insbesondere ein Überwachungssystem Anpassungsmaßnahmen
einzurichten, damit den Fortbestand der Ge- • Debitoren- und Kreditorenüberwachung.
sellschaft gefährdende Entwicklungen früh er-
kannt werden.“ Allerdings wird dem Druck von Auftraggeber-
seite, klassische Auftraggeberrisiken zu überneh-
Damit werden nicht nur Aktiengesellschaften men, von den Bauunternehmen zunehmend nach-
verpflichtet, Risikomanagementsysteme einzu- gegeben. Die Begründung dafür ist einerseits in
führen im Sinne von Risikofrüherkennungssyste- einer gezielten Erweiterung des Dienstleistungs-
men. angebots der Bauunternehmen, andererseits aber
Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Be- in einer verstärkten Konkurrenzsituation zu
gründung geben Aufschluss darüber, wie die ge- sehen, wenn sich die Nachfrage auf dem Bau-
forderten Risiko-Erkennungsmaßnahmen konkret sektor abschwächt.
auszugestalten sind. Lück (1998) schlug daher vor, Der Generalunternehmer (GU) – und mehr
das Risikomanagementsystem aus einem internen noch der Totalunternehmer (TU) – ist für die
Überwachungssystem, einem Controlling und Planung, Steuerung und Ausführung der übertra-
einem Frühwarnsystem zusammenzusetzen. genen Pauschalvertragsleistungen verantwortlich.
Unternehmensführung 193
Bauunternehmen wagen sich dabei in Leistungs- können sowohl unternehmens- als auch projekt-
bereiche vor, die nicht zu ihrem originären Leis- spezifische Risiken rechtzeitig erkannt und in
tungsspektrum gehören und in denen sie daher nur angemessener Weise behandelt werden.
auf wenige eigene Erfahrungen zurückgreifen Die Aufbau- und Ablauforganisation, d. h. die
können. Die Komplexität der Aufgaben birgt Unternehmensstruktur und die Prozesse zum
erhebliche Risiken und erfordert deren systemati- Erreichen der Unternehmensziele, sind in vielen
sche Analyse vor Vertragsunterzeichnung. Viele Bauunternehmen durch ein Qualitätsmanage-
Unternehmen haben dies erkannt und mit der Ein- mentsystem (QMS) geregelt und dokumentiert.
führung von Risikomanagementsystemen (RMS) Handlungsbedarf ist in diesen Fällen besonders
reagiert. dann gegeben, wenn wesentliche Abweichungen
Risiken stehen jedoch stets auch Chancen zwischen der Dokumentation im QMS und der
(z. B. mögliche Vergabegewinne) gegenüber, die tatsächlich vorhandenen Aufbau- und Ablaufor-
der GU und der TU zu verwirklichen suchen ganisation bestehen und dadurch die Qualität der
(Busch 2003, S. 54). Prozessergebnisse und das Erreichen der Unter-
Aufgabe des Risikomanagements (RM) ist es, nehmensziele gefährdet sind. In Abstimmung mit
die Effizienz der Aufbau- und Ablauforganisation dem QM-Beauftragten sind dann Maßnahmen zu
zu durchleuchten und auf etwaige Defizite hin zu veranlassen, um die Einhaltung und ggf. Verbes-
untersuchen. Eine projekt- bzw. auftragsspezifi- serung der QM-Regeln zu gewährleisten.
sche Risikobegrenzung verlangt Methoden, die In Abb. 41 sind die Prozesse einer Projekt-
eine rechtzeitige Erkennung und Vermeidung dro- bzw. Auftragsabwicklung dargestellt. Darin sind
hender bzw. eine Behandlung aufgetretener Risi- die für das RMS signifikanten Dokumentationen
ken ermöglicht. Da zwischen dem Qualitätsma-
nagement (QM) und dem Risikomanagement
(RM) enge Verzahnungen bestehen, empfiehlt Angebotsauswahl
sich eine integrative Implementierung.
Angebotsbearbeitung Σ
Einführung eines Risikomanagementsystems
(RMS)
Grundsätzlich wird ein ganzheitlicher Ansatz zur Vertragsprüfung
Einführung eines RMS empfohlen. „Ganzheit-
lich“ bedeutet, dass dabei einerseits den individu-
ellen Anforderungen des Unternehmens mit Vertragsabschluss Σ
seiner Personalsituation und andererseits den
Anforderungen des jeweiligen Auftrags Rech- Arbeitsvorbereitung
nung getragen wird. Mit der Einführung eines
RMS sind Bedingungen zu schaffen, die das
rechtzeitige Erkennen und den Umgang mit den Bauausführung
Risiken ermöglichen. Gegenstand des RMS sind
vorrangig die Aufbau- und Ablauforganisation Bauende
mit ihren Schnittstellen sowie das Informations-
und Kommunikationssystem.
Erster Schritt der Einführung eines RMS ist Gewährleistung
die Durchführung einer unternehmensinternen
Σ Resumé
Risikoanalyse, ggf. unter Einbeziehung externer Risikoplan
Berater. Je transparenter und nachvollziehbarer Rückführung
die innerbetriebliche Aufbau- und Ablauforgani-
sation allgemein zugänglich installiert und von Abb. 41 Dokumentationen zum Risikomanagement.
den Mitarbeitern „gelebt“ werden, desto besser (Quelle: Diederichs 2012, S. 610)
194 C. J. Diederichs et al.
den relevanten Prozessen zugeordnet. Diese sind Im fünften Schritt ist am Ende der Auftragsab-
Grundlage der Risikominimierung, z. B. durch wicklung ein Abschlussgespräch über die einge-
Einführung von „Prozesshürden“. Diese dürfen tretenen Risiken und deren Folgen sowie die ver-
erst dann als überwunden gelten, wenn gezielte miedenen Risiken und die daraus gewonnenen
Fragen zu den möglichen Risiken und Chancen so Einsichten zu führen. Diese Erkenntnisse sind
beantwortet werden können, dass die Chancen systematisch aufzubereiten und für eine Verwer-
höher als die Risiken eingestuft werden. Solche tung in später folgenden Projekten bzw. Aufträgen
Prozesshürden sind mindestens vor Angebots- zu dokumentieren.
bearbeitung, vor Vertragsunterzeichnung, vor Erkenntnisse aus Gewährleistungsrisiken sind
Abschluss der Arbeitsvorbereitung und vor dem ggf. anschließend einzubeziehen. Diese Rückfüh-
Ende des Projektabschlussgesprächs zur Siche- rung von Erfahrungen und deren Nutzung bei
rung der Erkenntnisse aus abgeschlossenen Auf- künftigen Aufträgen sind wichtige Bestandteile
trägen aufzustellen. Für die einzelnen Doku- eines RMS im Rahmen einer „lernenden Organi-
mentationen werden i. Allg. Formblätter und sation“. Damit sind die Erfahrungen und Erkennt-
Checklisten zur Arbeitserleichterung und zur nisse aus Fehlern durchgeführter Projekte für
Sicherstellung der Weitergabe von Informationen künftige Aufträge Nutzen stiftend. Darüber hi-
verwendet. naus erlaubt die durchgängige Dokumentation
Im zweiten Schritt der Einführung eines RMS die Analyse von Bauaufträgen auch zu einem
ist ein zuverlässiges Informations- und Kommu- späteren Zeitpunkt, z. B. im Rahmen der Erstel-
nikationssystem zu schaffen. Es muss den Aus- lung einer Erfahrungsdatenbank. Die Dokumen-
tausch und die Weitergabe von Informationen an tation ist ferner Grundlage für kontinuierliche
allen Schnittstellen gewährleisten. Diese Schnittstel- Prozessverbesserungen (Kontinuierlicher Verbes-
len sind in enger Zusammenarbeit mit den prozess- serungsprozess KVP).
verantwortlichen Mitarbeitern abzustimmen.
Im dritten Schritt sind im Rahmen der Ver-
tragsverhandlungen erkannte Risiken zu bewerten 8 Unternehmensbewertung
und als „Resumé“ zu dokumentieren. Je nach
Bedeutung der einzelnen Risiken ist der Auftrag Das Ziel der Unternehmensbewertung ist die Ermitt-
ggf. nachzuverhandeln oder aber auch abzuleh- lung des Wertes eines „Unternehmens als Ganzes“,
nen. Im Fall der Auftragsannahme sind die d. h. die Bewertung der wirtschaftlichen Unterneh-
bewusst eingegangenen Risiken deutlich darzu- menseinheit als Zusammenfassung von Personen,
stellen und in geeigneter Form den für die Auf- Sachen und Rechten mit der wirtschaftlichen Ziel-
tragsabwicklung verantwortlichen Stellen un- setzung, Gewinne zu erzielen. Gründe für eine
missverständlich und mit Vorgaben für die Unternehmensbewertung entstehen in aller Regel
Risikobehandlung mitzuteilen. Projektbezogene aus einer Änderung der Eigentumsverhältnisse, wie
Anforderungen sind festzuhalten und den prozess- z. B. beim Kauf oder Verkauf von Unternehmen/
verantwortlichen Führungskräften zu vermitteln. Unternehmenseinheiten oder bei der Fusion zweier
Im vierten Schritt ist im Rahmen der Arbeits- Unternehmen. Weitere Gründe für Unternehmensbe-
vorbereitung ein „Risikoplan“ zu erarbeiten, um wertungen können Abb. 42 entnommen werden.
die eingegangenen Risiken beherrschbar zu Bei der Definition des Begriffs „Unterneh-
machen. Dieser muss für die jeweils risikorele- menswert“ geht die Theorie von der entschei-
vanten Vorgänge oder Ereignisse des Ablauf- dungsorientierten Preisbildung aus, wobei die
plans der Ausführung Handlungsvorschläge oder subjektiven Interessen der an einer Unterneh-
-anweisungen zur Risikovermeidung bzw. -be- menstransaktion interessierten Parteien (Käufer
grenzung beinhalten. Ein derart gekoppelter Risi- und Verkäufer) die Wertargumentation für die
koplan ermöglicht damit ein Risikocontrolling Entscheidung liefern (Dörner 1981, S. 1245 ff.).
während der Auftragsabwicklung, u. a. im Rah- Der objektivierte Unternehmenswert drückt
men der Baubesprechungen. den Wert des im Rahmen des vorhandenen Unter-
Unternehmensführung 195
will nicht die einzelnen Vermögensgegenstände, • Es sind auch diejenigen Werte aufzunehmen,
sondern das Unternehmen als wirtschaftliche Ein- die z. B. aufgrund eines Aktivierungsverbots
heit erwerben, um v. a. Gewinne zu erzielen. Der (wie selbst hergestellte immaterielle Wirt-
Substanzwert kann dagegen nur als der Ausgabe- schaftsgüter) oder eines Aktivierungswahl-
numfang definiert werden, der dem Erwerber des rechts (wie entgeltlich erworbene immaterielle
Unternehmens erspart bleibt, wenn er dieses kauft Wirtschaftsgüter) nicht in der Bilanz auf-
anstatt ein gleichartiges Unternehmen aufzu- geführt sind.
bauen. • In den Substanzwert sind auch die stillen
Reserven aufzunehmen, die in den bilanziellen
Substanz- und Firmenwert Vermögenswerten nicht enthalten sind. Dies
Der Substanz- oder auch Reproduktionswert gilt analog mit umgekehrtem Vorzeichen auch
ergibt sich aus der Addition der einzelnen bilan- für überhöht angesetzte Positionen mit Wert-
zierungsfähigen Vermögensteile nach Abzug der berichtigungsbedarf.
Schulden, bewertet zu Tageswerten.
Der Gesamtwert eines Unternehmens wird Die Hilfswertfunktionen des Substanzwertes
nicht allein durch den Substanzwert dargestellt, sind wie folgt definiert:
weil außer den bilanzmäßig erfassten Werten auch
die Werte aus der Kombination von einzelnen • den Zeitwert des eingesetzten Kapitals zu
Vermögensgegenständen oder nicht aktivierbaren bestimmen,
Fähigkeiten, z. B. des Personals, zum Unterneh- • den Finanzbedarf für die Zukunftsertragsrech-
menswert gehören, die den über den Substanzwert nung zu liefern,
hinausgehenden Firmenwert ausmachen. • den Rentabilitätsmaßstab für den Ertragswert
Der Firmenwert ist damit der Betrag, den ein zu liefern,
Käufer bei Übernahme eines Unternehmens als • die Konkurrenzrisiken erkennen zu helfen und
Ganzes unter Berücksichtigung künftiger Ertrags- • die rechnerischen Grundlagen für die Daten
erwartungen über den Substanzwert hinaus zu der Ertragswertrechnung zu liefern, die vom
zahlen bereit ist (Unternehmensmehrwert). Damit Substanzwert abhängen wie Abschreibungen
entspricht der Firmenwert der Differenz von und Zinsen.
Ertrags- und Substanzwert. Firmenwertbildende
Faktoren sind u. a. hoher Auftragsbestand, gutes Bei Schlussfolgerungen aus dem Verhältnis
Management, qualifizierter Mitarbeiterstab, gute zwischen Substanz- und Ertragswert muss beach-
Betriebsorganisation und rationelle Produktions- tet werden, dass der Substanzwert stichtagsbezo-
verfahren. gen ist und im Anlagevermögen Vermögensteile
Bei der Ermittlung des Substanzwertes geht mit unterschiedlicher Abnutzungsdauer enthält,
man davon aus, dass das Unternehmen weiterge- während der Ertragswert eine zeitraumbezogene
führt werden soll. Diese Annahme impliziert, dass dynamische Größe ist.
der Substanzwert auch als Zeit- oder Verkehrswert
im Sinne des steuerlichen Teilwertes verstan- Ertragswert
den wird. Der Ertragswert wird bei der Bewertung einer
Nach § 10 Satz 2 BewG ist der Teilwert der Unternehmung als Ganzes in der Fachwelt seit
Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unterneh- vielen Jahren als alleiniger Wertmaßstab aner-
mens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das kannt. Der Ertragswert stellt durch Abzinsung
einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde unter der der Überschüsse zum Bewertungsstichtag den ge-
Voraussetzung, dass der Erwerber das Unterneh- genwärtigen Wert eines Unternehmens dar (Kuh-
men fortführt. ner und Maltry 2017, S. 52).
Bei der Ermittlung des Substanzwertes sind Bei der Ermittlung des Ertragswertes eines
gegenüber den bilanziellen Vermögenswerten fol- Unternehmens ist zu unterscheiden, ob die jähr-
gende Korrekturen vorzunehmen: lichen Einnahmenüberschüsse für einen endlichen
Unternehmensführung 197
oder unendlichen Prognosezeitraum mit wech- maßgeblicher Bestimmungsfaktor für die Ein-
selnden oder konstanten Werten angesetzt wer- nahmenüberschüsse. Bei Unterbeschäftigung
den. Ferner ist der für die Renditeerwartungen entstehen durch hohe Personalfixkosten rasch
maßgebliche Zinssatz festzulegen. Daraus erge- hohe Verluste.
ben sich drei sog. „Schwierigkeitskomplexe“ • Der Umsatz eines Bauunternehmens setzt sich
nach Leimböck (2001, S. 147–149): aus einer begrenzten Anzahl parallel zu bear-
beitender Aufträge zusammen. Bei jedem ein-
Schwierigkeitskomplex I. zelnen Auftrag können die Gewinnsituation
Er beinhaltet das praktische Problem, ob und und das Risiko von Verlusten nicht eindeutig
inwieweit aus dem Rechnungswesen des Unter- prognostiziert werden.
nehmens die für die Errechnung des Unterneh- • Jede Baustelle ist eine neu zu installierende
menswertes relevanten Einnahmenüberschüsse „Fabrik“, deren Wirtschaftlichkeit maßgeblich
ermittelt werden können. Dazu sind bei Bauunter- abhängig ist von der Qualifikation des Bauma-
nehmen folgende Korrekturposten zu beachten: nagers.
• Die Globalisierung des Baumarktes im zusam-
• Gewinnreserven in unabgerechneten eigenen menwachsenden Europa hat für das einzelne
Bauten, Bauunternehmen z. T. unvorhersehbare Folgen
• künftige Verluste im Auftragsbestand, für die Gewinn- bzw. Verlustentwicklung.
• Abgrenzung anteiliger ARGE-Ergebnisse,
• Gewinnreserven bei unabgerechneten ARGE- Die Prognoseunsicherheit erstreckt sich auch auf
Baustellen, den Planungshorizont. Bei begrenztem Betrach-
• Abgrenzung der Erträge aus dem Abgang von tungszeitraum sind die Einnahmenüberschüsse nur
Gegenständen des Anlagevermögens, für die betrachteten Jahre abzuschätzen. Am Ende
• Abgrenzung der Erträge aus Auflösungen von des Betrachtungszeitraums hat das Unternehmen
Rückstellungen, jedoch mindestens noch einen Liquidationswert,
• Berichtigung der Rückstellungen für Gewähr- der als Barwert in die Rechnung einbezogen werden
leistungen, muss. Berücksichtigt man die Veräußerbarkeit nicht
• steueraufschiebende Gewinnzuweisung in den betriebsnotwendiger Vermögensteile, so ergibt sich
Sonderposten gemäß § 6b EStG, der Unternehmenswert bei begrenztem Betrach-
• Bildung oder Auflösung von Bewertungsreser- tungszeitraum zu
ven, Unternehmenswert
• Abgrenzung des außerordentlichen Ergebnis- = Barwert der zukünftigen Einnahmenüberschüs-
ses. se aus laufendem Betrieb
+ Barwert der Nettoveräußerungserlöse des nicht
Schwierigkeitskomplex II. betriebsnotwendigen Vermögens
Er umfasst das Prognoseproblem bei unsicheren + Barwert der Liquidationserlöse
Erwartungen über die Einnahmen- und Ausga- ./. Barwert der Liquidationsausgaben.
benströme. Dieses Problem ist für Bauunterneh-
men aus folgenden Gründen besonders gravie- Gemäß IDW S 1 i. d. F. 2008 mit Stand vom
rend: 04.07.2016, erschienen Mai 2017, Ziff. 5.3, wird
vorgeschlagen, die Prognoseunsicherheit durch eine
• Der Baumarkt ist in hohem Maße konjunktur- Phasenmethode einzuengen, d. h. den Planungszeit-
empfindlich und steht im 21. Jahrhundert vor raum in mehrere Phasen zu zerlegen, z. B.:
außerordentlichen Strukturanpassungsproble-
men. 1. Detailplanungsphase von 3 bis 5 Jahren mit
• Bauleistungen sind im Gegensatz zu Leistun- detaillierten Einzelplanansätzen
gen der stationären Industrie nach wie vor per- 2. Grobplanungsphase ab 6. Jahr mit langfristi-
sonalintensiv. Die Personalkosten sind damit gen Fortschreibungen von Trendentwicklun-
198 C. J. Diederichs et al.
Abb. 43 Bewertungsverfahren. (Quelle: Institut für Baubetrieb und Baumanagement in Anlehnung an Kuhner und
Maltry 2017, S. 56)
ihm bei der Ermittlung des Unternehmenswerts welche besonderen Einflüsse bei der Umsatzpro-
keine eigenständige Bedeutung zu (IDW S 1 i. d. gnose berücksichtigt werden müssen.
F. 2008, Ziff. 8.4). Die Substanzwert-Methode Analog sind die einzelnen Aufwandsarten wie
wird vielfach bei der Bewertung von kleineren Personal- und Sachaufwand zu prognostizieren
Unternehmen mit einer einfachen Produktion ange- und sowohl die Ertrags- als auch Aufwandspro-
wandt. gnosen durch Plausibilitätsüberlegungen und
Sensitivitätsanalysen kritisch zu hinterfragen.
Ertragswertverfahren Bei schwankendem Finanzierungsvolumen
Das Ertragswertverfahren ermittelt den Unterneh- des Unternehmens sind die künftigen Zinsauf-
menswert durch Diskontierung der den Unterneh- wendungen und -erträge zu prognostizieren.
menseignern künftig zufließenden finanziellen Dabei kann das Zinsergebnis aus einer saldierten
Überschüsse, die aus dem für die Zukunft geplan- Netto-Finanzposition und einem durchschnittli-
ten Jahresergebnis der zugrunde liegenden Pla- chen langfristigen Zinssatz abgeleitet werden.
nungsrechnung abgeleitet werden (IDW S 1 i. d. Vorhandenes nicht betriebsnotwendiges Ver-
F. 2008, Ziff. 7.2). Basis des Ertragswertverfah- mögen erfordert ggf. gesonderte Beachtung.
rens ist damit der jährliche Gewinn. Die prognostizierten finanziellen Überschüsse aus
Nach Bereinigung der Vergangenheitserfolgs- dem Unternehmen sind mit dem Kapitalisierungs-
rechnung sind die künftigen finanziellen Über- zinssatz auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen, um
schüsse, ausgehend von den Aufwands- und Er- sie mit der dem Investor zur Verfügung stehenden
tragsplanungen zu prognostizieren. Anlagealternative vergleichbar zu machen.
Die künftigen Erträge umfassen vorrangig die Der Kapitalisierungszinssatz repräsentiert die
Umsatzerlöse nach der betrieblichen Umsatzpla- Rendite aus einer zur Investitionen des zu bewerten-
nung des Unternehmens. Dabei ist auch abzuschät- den Unternehmens adäquaten Alternativanlage.
zen, wie die branchenbezogene konjunkturelle Ent- Ausgangsgrößen für die Bestimmung von Alter-
wicklung in der Zukunft voraussichtlich sein wird, nativrenditen sind insbesondere Kapitalmarktrendi-
ob Anzeichen für eine vom Branchentrend abwei- ten für Unternehmensbeteiligungen. Diese Renditen
chende Unternehmensentwicklung bestehen und für Unternehmensanteile setzen sich aus einem
200 C. J. Diederichs et al.
Basiszinssatz und einer von den Anteilseignern Regelung der Unternehmensnachfolge der Unter-
geforderten Risikoprämie wegen der Übernahme nehmenswert zu bestimmen.
unternehmerischen Risikos zusammen. Die Ermittlung der prognostizierten Erträge
Für den objektivierten Unternehmenswert ist und Aufwendungen über einen 10-jährigen Pro-
bei der Bestimmung des Basiszinssatzes von dem gnosezeitraum zeigt Abb. 44:
landesüblichen Zinssatz für eine risikofreie Kapi- Der Kapitalisierungszinssatz ergibt sich aus
talmarktanlage auszugehen, z. B. einer 30-jähri- folgenden Ansätzen:
gen Bundesanleihe.
Basiszinsatz (30-jährige 3,7 %
Der Risikozuschlag trägt der Tatsache Rech-
Bundesanleihe)
nung, dass der Kapitaleinsatz in einem Unterneh-
(am 19.06.2018 nur 1,174 %)
men grundsätzlich mit einer geringeren Sicherheit
Risikozuschlag aus Branchen- und 10,0 %
verbunden ist als die Anlage in einer Anleihe der
Unternehmensrisiken
öffentlichen Hand. Das zu berücksichtigende Risiko Risikoadjustierter Zinssatz 13,7 %
lässt sich in das allgemeine und spezielle Risiko Steuerbelastung der Gesellschafter ./. 3,5 %
aufteilen. Das allgemeine Risiko umfasst nach herr- (24,5 %)
schender Meinung die nicht unternehmensbezoge- Kapitalisierungszinssatz 10,2 %
nen generellen Risiken, die sich u. a. aus der Bran- Gerundet 10,5 %
che, dem Marktumfeld und der Konjunktur ergeben.
Die speziellen Risiken entstehen aus unternehmens-
spezifischen Unsicherheitsfaktoren, die sich jeweils Der Ertragswert des Unternehmens errechnet
auf das individuelle Bewertungsobjekt beziehen. sich durch Anwendung folgender Formel:
n
Allgemeine Risikofaktoren für die Immobi-
X Pt P
lien- und Baubranche waren z. B. die Immobilien- E¼ t þ
marktkrise im Jahre 2009 sowie die durch die t¼1 ð1 þ i Þ i ð1 þ iÞnþ1
globale Finanzmarktkrise ausgelösten Kreditres-
triktionen der Banken. Spezielle Risiken bestehen
z. B. in der Geschäftsfeldausrichtung und dem E = Ertragswert
Stand der Entwicklung neuer Geschäftsfelder, Pt = Periodenerfolg nach persönlicher Ertrag-
Abhängigkeiten aus der Kundenstruktur und den steuerbelastung der Jahre 2018 bis 2027
Akquisitionskontakten der Alteigentümer. P = nachhaltiger Periodenerfolg der Jahre ab
2028
Beispiel i = Kapitalisierungszinssatz, hier 10,5 %
Für ein im Bundesgebiet seit drei Jahrzehnten gut n = Dauer der Detailplanungsphase, hier
etabliertes Consultingbüro ist für Zwecke der 10 Jahre
Unternehmensführung 201
Unter Verwendung der Ergebnisse aus Spalte • WACC-Ansatz (Weighted Average Cost of Capital)
11 der Abb. 44 errechnet sich ein Unternehmens- • APV-Ansatz (Adjusted Present Value)
wert von 5 493 T€. • TCF-Ansatz (Total Cash Flow)
Dieser Wert ist auch vor dem Hintergrund von • FTE-Ansatz (Flow to Equity)
für Consultingunternehmen erzielbaren und reali-
sierten Kaufpreisen in Höhe von 80 % bis 120 % Nach dem WACC-Ansatz und dem APV-Ansatz
des aktuellen Jahresumsatzes plausibel. wird der Marktwert des Eigenkapitals indirekt als
Bei der Veräußerung von Consultingunterneh- Differenz aus dem Gesamtkapitalwert und dem
men werden Kaufpreise zwischen € 0,80 bis € 1,20 Marktwert des Fremdkapitals ermittelt.
je 1,00 € Umsatz gezahlt. Der sich hier ergebende Nach dem Konzept der direkten Ermittlung des
Kaufpreis von € 1,10 je 1,00 € Umsatz bestätigt die Wertes des Eigenkapitals (FTE-Ansatz) wird der
Plausibilität der Unternehmenswertermittlung. Marktwert des Eigenkapitals durch Abzinsung der
Da der im Jahresabschluss ausgewiesene Bilanz- um die Fremdkapitalkosten vermehrten Cash-Flows
gewinn nur in Ausnahmefällen zugleich auch das mit der Rendite des Eigenkapitals (Eigenkapitalkos-
erzielte Jahresergebnis ist – die Unternehmen sind ten) berechnet (IDW S 1 i. d. F. 2008, Ziff. 7.3.1).
im Rahmen steuerrechtlicher Möglichkeiten in der Das Konzept des WACC-Ansatzes wird unter
Lage, den Bilanzgewinn zu steuern –, bedeutet dies, Ziff. 7.3.2 der IDW S 1 i. d. F. 2008 beschrieben.
dass sie im Jahresabschluss i. d. R. einen geringeren Der Gesamtkapitalwert ergibt sich nach dem
als den erzielten Gewinn ausweisen. WACC-Ansatz durch Diskontierung der Free Cash
Bei Bauunternehmen wird ein unmittelbarer Flows (vor Zinsen). Dabei werden die Free Cash
Vergleich zwischen dem im Jahresabschluss aus- Flows der Detailplanungsphase detailliert prognos-
gewiesenen und dem tatsächlich erwirtschafteten tiziert. Für die sich daran anschließende zweite
Gewinn durch folgende Punkte erschwert: Phase wird ein Residualwert angesetzt. Die Diskon-
tierung erfolgt mit den gewogenen Kapitalkosten.
• Der Jahresabschluss weist nur einen Gewinn Zu dem Gesamtkapitalwert wird der Wert des nicht
aus abgerechneten Bauleistungen aus. Es gilt betriebsnotwendigen Vermögens hinzugerechnet.
das Imparitätsprinzip aus unabgerechneten Der WACC-Ansatz unterstellt, dass der Ge-
Bauleistungen. samtkapitalwert unabhängig ist von der Art der
• Im Gewinn des Jahresabschlusses sind aperi- Finanzierung, abgesehen von Steuereinflüssen. In
odisch anfallende und aus bilanzpolitischen einem zweiten Schritt ist der Gesamtkapitalwert
Gründen gewählte Positionen enthalten wie auf das Eigen- und auf das Fremdkapital aufzu-
die Bildung bzw. Auflösung von Rückstellun- teilen. Den Marktwert des Fremdkapitals erhält
gen und passiven Rechnungsabgrenzungen man, indem die Free Cash Flows an die Fremd-
sowie Erträge aus dem Abgang von Gegen- kapitalgeber mit einem das Risikopotenzial dieser
ständen des Anlagevermögens. Zahlungsströme widerspiegelnden Zinssatz dis-
• Es bestehen zahlreiche Wahlrechte bei der kontiert werden. Die Differenz aus Gesamtkapi-
Bewertung von Bilanzposten. talwert und Marktwert des Fremdkapitals ent-
spricht dem Marktwert des Eigenkapitals und
Daher sind die vorgenannten Korrekturposten damit dem Unternehmenswert.
in den Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre zu Die künftigen Free Cash Flows sind jene finan-
berücksichtigen, um zu einem sachgerechten ziellen Überschüsse, die unter Berücksichtigung
Ergebnis zu gelangen. gesellschaftsrechtlicher Ausschüttungsgrenzen allen
Kapitalgebern des Unternehmens zur Verfügung
Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF- stehen nach Investitionen und Unternehmenssteu-
Verfahren) ern, jedoch vor Zinsen sowie nach Veränderungen
DCF-Verfahren bestimmen den Unternehmens- des Nettoumlaufvermögens.
wert durch Diskontierung von Cash-Flows. Diese Bei indirekter Ermittlung ergeben sich die Free
stellen erwartete Zahlungen an die Kapitalgeber dar. Cash Flows aus Plan-Gewinn- und Verlustrech-
Dabei werden verschiedene Verfahren unterschieden: nungen wie folgt:
202 C. J. Diederichs et al.
Bühner R (1994) Unternehmerische Führung mit Share- Leinz J (2004) Strategisches Beschaffungsmanagement in
holder Value. In: Der Shareholder-Value-Report: Erfah- der Bauindustrie. Gabler, Wiesbaden
rungen, Ergebnisse, Entwicklungen, Landsberg/Lech. Macharzina K, Wolf J (2015) Unternehmensführung, Das
Springer, Berlin/Heidelberg internationale Managementwissen Konzepte – Metho-
Busch TA (2003) Risikomanagement in Generalunterneh- den – Praxis, 9. Aufl. Springer-Gabler, Wiesbaden
mungen, Diss. ETH Zürich, Schweiz Macharzina K, Wolf J (2017) Unternehmensführung, Das
Carl N (2008) BWL kompakt und verständlich: Für Stu- internationale Managementwissen – Konzepte – Metho-
dierende von Ingenieur- und IT-Studiengängen sowie den – Praxis, 10. Aufl. Springer-Gabler, Wiesbaden
für Fach- und Führungskräfte ohne BWL-Studium, Malkwitz A (1995) Frühindikatoren für die Ergebnissteue-
3. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg rung in Bauunternehmen. Dissertation Bergische Uni-
Carl N (2017) BWL kompakt und verständlich: Für Stu- versität Wuppertal, DVP-Verlag, Wuppertal
dierende von Ingenieur- und IT-Studiengängen sowie Marhold K (1992) Marketing-Management für mittelstän-
für Fach- und Führungskräfte ohne BWL-Studium, dische Bauunternehmen. Dissertation Bergische Uni-
4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg versität Wuppertal, DVP-Verlag, Wuppertal
Diederichs CJ (1996) Handbuch der strategischen und tak- Meffert H (1988) Strategische Unternehmensführung und
tischen Bauunternehmensführung. Bauverlag, Wies- Marketing, Beiträge zur marktorientierten Unterneh-
baden/Berlin menspolitik, 2. Aufl. Gabler, Wiesbaden
Diederichs CJ (2005) Führungswissen für Bau- und Immo- Meffert H et al (2018) Mookhup linger. Gabler, Wiesbaden
bilienfachleute, 2. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg Möller T (1998) Personalmanagement in Bauunterneh-
Diederichs CJ (2012) Bauwirtschaft und Baubetrieb in: Hand- men. Dissertation Bergische Universität Wuppertal,
buch für Bauingenieure, 2. Aufl. Springer, Berlin/Heidel- DVP-Verlag, Wuppertal
berg Peemöller VH (2015) Praxishandbuch der Unternehmens-
Dörner W (1981) Die Unternehmensbewertung. In: Institut bewertung, 3. Aufl. Verlag Neue Wirtschafts-Briefe
der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (Hrsg) Wirt- Pleschak F (2003) Wachstum durch Investition: Strategien,
schaftsprüfer-Handbuch 1981. IDW-Verlag, Düsseldorf Probleme und Erfahrungen F und E intensiver Unter-
Girmscheid G (2010) Strategisches Bauunternehmensma- nehmen. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden
nagement: Prozessorientiertes integriertes Manage- Porter ME (1990) Wettbewerbsstrategien, 5. Aufl. Cam-
ment für Unternehmen in der Bauwirtschaft, 2. Aufl. pus, Frankfurt am Main
Springer VDI, Heidelberg Porter ME (2008) Wettbewerbsstrategien: Methoden zur
Girmscheid G (2016) Projektabwicklung in der Bauwirt- Analyse von Branchen und Konkurrenten, 11. Aufl.
schaft – prozessorientiert: Wege zur Win-Win-Situation Campus, Frankfurt am Main
für Auftraggeber und Auftragnehmer, 5. Aufl. Springer Prangenberg A et al (2005) In: Böckler-Stiftung H (Hrsg)
VDI, Heidelberg Der Shareholder-Value-Ansatz (2005). Arbeitshilfe für
HDB – Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Aufsichtsräte, 4., überarb. Aufl. Düsseldorf
e.V./ZDB – Zentralverband Deutsches Baugewerbe Rappaport A (1986) Creating Shareholder Value: the new
e.V. (2016) Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung standard for business performance. Simon & Schuster
der Bauunternehmen (KLR Bau), 8. Aufl. Verlagsge- Rappaport A (1995) Shareholder Value: Wertsteigerung als
sellschaft Rudolf Müller, Köln Maßstab für die Unternehmensführung. Schäffer Poe-
Hirschfeld M (1996) Forschung und Entwicklung (F + E). schel Verlag, Stuttgart
In: Diederichs CJ (Hrsg) Handbuch der strategischen Rappaport A (1999) Shareholder Value: Ein Handbuch für
und taktischen Bauunternehmensführung. Bauverlag, Manager und Investoren, 2. Aufl. Schäffer Poeschel
Wiesbaden/Berlin Verlag, Stuttgart
Hungenberg H, Wulf T (2011) Grundlagen der Unterneh- Scholz C (2014) Personalmanagement – Informationsorien-
mensführung: Einführung für Bachelorstudierende, tierte und verhaltenstheoretische Grundlagen, 6. Aufl.
4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg Verlag Franz Vahlen, München
Hungenberg H, Wulf T (2015) Grundlagen der Unterneh- Töpfer A (2005) Betriebswirtschaftslehre: Anwendungs-
mensführung: Einführung für Bachelorstudierende, und prozessorientierte Grundlagen, 1. Aufl. Springer,
5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg Berlin/Heidelberg
Institut für Baubetrieb und Baumanagement (2018) Vorlesung Töpfer A (2007) Betriebswirtschaftslehre: Anwendungs-
Unternehmensführung, Malkwitz A, Universität Essen und prozessorientierte Grundlagen, 2. Aufl. Springer,
Jung H (2016) Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Berlin/Heidelberg
13. Aufl. Oldenbourg, Berlin Voigt K-I (2010) Risikomanagement im Anlagenbau,
Kappeller W, Mittenhuber R (2003) Management- 1. Aufl. Erich Schmidt Verlag, Berlin
Konzepte von A-Z: bewährte Strategien für den Erfolg Weigel U, Rücker M (2015) Praxisguide Strategischer
Ihres Unternehmens, 1. Aufl. Gabler, Wiesbaden Einkauf: Know-how, Tools und Techniken für den glo-
Kuhner C, Maltry H (2017) Unternehmensbewertung, balen Beschaffer, 2. Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden
2. Aufl. Springer Gabler, Berlin Weng E R (1995) Entwicklung von Strategien für zielgrup-
Leimböck E (2001) Bilanzen und Besteuerung der Bauun- penorientiertes Absatzmarktverhalten mittelständi-
ternehmen. Mit einem durchgängigen Beispiel. Bau- scher Bauunternehmen. Dissertation Bergische Univer-
verlag BV, Gütersloh sität Wuppertal, DVP-Verlag, Wuppertal
204 C. J. Diederichs et al.
Zilch K, Diederichs CJ, Katzenbach R, Beckmann KJ Dummert S (2014) Der Arbeitsmarkt im Bausektor, Bran-
(Hrsg) (2012) Handbuch für Bauingenieure, 2. Aufl. chenbericht der Bundesagentur für. Arbeit und Institut
Springer, Berlin/Heidelberg für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Kearney A T (2013) Optimales Wachstum – Was ist das?
Was bringt es? Wie kann man es erreichen?
Lück W (1998) Elemente eines Risikomanagements – Die
Notwendigkeit eines Risikomanagementsystems durch
Aufsätze in Zeitschriften den Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Trans-
parenz im Unternehmensbereich (KonTraG) –, Der
Berger R (2016) Hypo Vereinsbank, Bauwirtschaft im Betrieb (DB), Heft 1/2
Wandel
Diederichs CJ (1988) Expertensysteme zur Lösung bau-
wirtschaftlicher und baubetrieblicher Probleme. Bau- Links
wirtschaft (2):91–95
Diederichs CJ (1989) Die Bedeutung von Forschung und Baudatenkarte 2017. http://www.bauindustrie.de/media/
Entwicklung für die Bauunternehmensführung. Bau- documents/Baudatenkarte_2017.pdf. Zugegriffen am
wirtschaft (4):304–310 23.04.2018
Projektentwicklung und
Immobilienmanagement
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
2 Projektentwicklungs-
modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
3 Aufgabenfelder/Module der Projektentwicklung i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
4 Wirtschaftlichkeitsberechnungen (WB) und Nutzen-Kosten-
Untersuchungen (NKU) ................................................................. 225
5 Real Estate Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
6 Immobilienbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 205
C. J. Diederichs, A. Malkwitz (Hrsg.), Bauwirtschaft und Baubetrieb, Handbuch für Bauingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-27916-5_9
206 C. J. Diederichs und N. Preuß
nahme auf die Mieterstruktur und die Verbes- der Projektidee durch Erteilung von Planungsauf-
serung der städtischen und auch regionalen trägen oder über die Einstellung aller weiteren
Umweltbedingungen (Diederichs 2006, S. 5) Aktivitäten aufgrund zu hoher Projektrisiken.
Nach der Projektentwicklung (i. e. S.) und der
Entscheidung über die Fortführung des Projektes,
2 Projektentwicklungs- z. B. durch einen Planungsauftrag für mindestens
modelle die Leistungsphase 2 (Vorplanung) gemäß HOAI,
beginnt das Projektmanagement, das die Phasen
Nachfolgende auf die Produktionsfaktoren des der Planung und Ausführung der Immobilie bis
Projektentwicklungsprozesses sowie auf die Ziel- zur Abnahme/Übergabe umfasst.
stellung der Funktionalität der Immobilie abstel- Teilweise noch überlappend mit der Planung
lende Definition hat im deutschsprachigen Raum und in höherem Maße mit der Bauausführung
weite Verbreitung erlangt und ist aus diesem setzt für die Betreuung des Gebäudebestandes
Grund Basis der nachfolgenden Ausführungen: ein komplexes Aufgabenfeld ein, das Facility
Management. Übereinstimmende Aussage der
„Durch Projektentwicklungen (im weiteren Sinne)
verschiedenen Definitionen zum Facility Manage-
sind die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital
so miteinander zu kombinieren, dass einzelwirt- ment ist die Forderung nach Erfüllung einer effek-
schaftlich wettbewerbsfähige, Arbeitsplatz schaf- tiven (tatsächlichen) und effizienten (wirtschaft-
fende und sichernde sowie gesamtwirtschaftlich lichen) Bewirtschaftung von Gebäuden und
sozial- und umweltverträgliche Immobilienobjekte
Anlagen zur Unterstützung der Kernkompetenzen
geschaffen und dauerhaft rentabel genutzt werden
können“ (Diederichs 1994, S. 43). und Wertschöpfungsprozesse der Nutzer.
Gemäß Abb. 2 sind grundsätzlich drei verschie-
Projektentwicklung im weiteren Sinne dene Ausgangssituationen zu unterscheiden, die den
(PE i. w. S.) umfasst den gesamten Lebenszyklus Anlass und Auslöser für Projektentwicklungen dar-
der Immobilie vom Projektanstoß bis hin zur stellen:
Umwidmung oder dem Abriss am Ende der wirt-
schaftlich vertretbaren Nutzungsdauer (Abb. 1).
Projektentwicklung im engeren Sinne (PE i. e. S.) • vorhandener Standort mit zu entwickelnder
umfasst die Phase vom Projektanstoß bis zur Ent- Projektidee und zu beschaffendem Kapital
scheidung entweder über die weitere Verfolgung (Start A), ggf. auch Kapital vor Projektidee,
Abb. 1 Ganzheitliches
Immobilienmanagement
Projektentwicklung im weiteren Sinn PE i. w. S.
rt C
F Vorplanungskonzept
ee
S ta
G Kostenrahmen für
ti d
ek
Investition und Nutzung
vo
ro j
rt
Pr
do
al
rha
eP
H Ertragsrahmen
o je
p it
t an
nd
en
Ka
k ti
I Terminrahmen
rS
en
nd
de
ne
es
rh a
St
J Rentabilitäts- mit
e
St apital
de
an
rt A
Ka
vo
Sensitivitätsanalyse (Exit 3) Projekt
an
do
rt B
rh
rt
K Risikoanalyse, -prognose
S ta
vo
(Exit 4)
L Vermarktung
M Steuern Standort Standort
Kapital
N Projektfinanzierung Kapital
(Exit 5)
O Entscheidungs- Projektidee
vorbereitung (Exit 6)
Zeit
• vorhandenes Kapital mit zu entwickelnder Pro- lung sind die Projektentwicklungen von Shopping-
jektidee und zu beschaffendem Standort (Start Centern, die nach der Wiedervereinigung „auf der
B), ggf. auch Standort vor Projektidee, grünen Wiese“ in Ostdeutschland entstanden.
• vorhandene Projektidee oder Vorhandensein Unter wirtschaftlicher Betrachtung des Faktors
eines konkreten Nutzerbedarfs mit zu beschaf- „Zeit“ ist die Projektentwicklung auch „als Pro-
fendem Standort und Kapital (Start C), ggf. duktion von Raum-Zeit-Einheiten zu begreifen,
auch Kapital vor Standort. die in Geld-Zeit-Einheiten transferiert werden
können“ (Bone-Winkel et al. 2016, S. 175).
Der erste Fall A (Projektidee für vorhandenen Grundsätzlich ist bei der Abstimmung der Fakto-
Standort, Start A siehe Abb. 2) stellt eine häufige ren davon auszugehen, dass diese nur zeitlich
und zugleich schwierige Aufgabe dar. So ist davon begrenzt verfügbar sind, da beispielsweise Kapital-
auszugehen, dass in der Immobilienpraxis mehr als geber Alternativinvestitionen tätigen können oder das
2/3 der Projektentwicklungen vom Grundstück Grundstück anderweitig veräußert oder genutzt wird,
ausgehen, z. B. bei allen Unternehmen, die für ihre sofern seitens des Entwicklers keine Absicherung
nicht mehr betriebsnotwendigen Grundstücke ad- erfolgt ist. Auch die Projektidee ist für das individu-
äquate Nutzungsmöglichkeiten suchen. elle Projekt theoretisch nur zeitlich begrenzt verfüg-
Der zweite Fall B (Projektidee für vorhandenes bar. In diesem Sinne hat die Zeit, in welcher die
Kapital und zu beschaffenden Standort) ist Auf- Faktoren aufeinander abgestimmt werden und das
gabenstellung institutioneller Investoren und Projekt realisiert wird, eine besondere Bedeutung.
Kapitalsammelstellen wie Versicherungen und Pen- Die zuvor dargestellten Ausgangssituationen
sionskassen, Offener und Geschlossener Immo- der Projektentwicklung sind in diesem Zusammen-
bilienfonds, Leasinggesellschaften und ausländi- hang unter dem Einfluss des Faktors Zeit zu
scher Investoren. betrachten. Baugrundstücke haben theoretisch eine
Der dritte Fall C (Projektidee noch ohne Standort unbefristete Nutzungsdauer, solange keine Risiken
und Kapital) fordert vom Projektentwickler, einen entstehen, z. B. aus Altlasten, Gesetzgebung oder
konkreten Nutzerbedarf an einem geeigneten Standort politischen Wirren, die eine wirtschaftliche Nut-
zu decken. Typische Beispiele dieser Aufgabenstel- zung des Baugrundstücks nicht mehr zulassen. Im
208 C. J. Diederichs und N. Preuß
Nutzung
rt
do
Ka
an
pi
ng
ta
St
ut
ls
zu
t
ch
zu
uc
ut
au
ng
N
ht
br
su
N
ch
ut
g
ch
su
n
zu
zu
tK
rt
ng
do
ut
ap
N
an
ita
St
l
Immobilien-
Standort Kapital
Projekt
St
a
nd
en e
or
ng eu
te
du t n
rfo
en ch
rd
rw l su
er
tV
Ve ita
er
p
Ka
än
de
ru
Zeit
ng
Abb. 3 Projektentwicklungsmodell der Dynamischen Projektentwicklung. (Quelle: Schulte und Bone-Winkel et al.
2016, S. 176)
Zeitablauf kann sich durch externe Veränderungen Im Rahmen einer Projektentwicklung i. e. S. ist
auch der nachhaltig Ertrag bringende Nutzen für es Aufgabe des interdisziplinär zu besetzenden Pro-
ein Grundstück ändern. jektentwicklerteams aus den verschiedenen Fach-
In welcher Reihenfolge in den drei Fällen, disziplinen (u. a. Architekten, Bauingenieure, Mar-
ausgehend vom jeweils vorhandenen Faktor, die ketingfachleute, Kaufleute, Steuerberater, Juristen),
anderen Faktoren beschafft und eingebunden wer- Projektentwicklungen zu konzipieren und zur Ent-
den, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab (Diede- scheidung zu bringen. Wird das Ergebnis akzeptiert,
richs 2006, S. 8). so folgen mit der Projektstufe 2 die Planungsauf-
Der Faktor Zeit ist für Projektentwicklungen träge an Architekten und Fachplaner. Anderenfalls
derart ausschlaggebend, dass er gleichbedeutend wird die Projektentwicklung zur Überarbeitung zu-
mit den Faktoren „Standort“, „Kapital“ und „Pro- rückgegeben oder aber gänzlich gestoppt.
jektidee“ anzusehen ist. Damit können die Zusam- Die wichtigsten 15 Aufgabenfelder oder
menhänge zwischen den Faktoren aus Abb. 2 Module in der Projektentwicklung i. e. S. werden
erweitert werden (Abb. 3). nachfolgend als Teilleistungen definiert und an-
schließend in knapper Form kommentiert. In der
Abb. 4 wird die zeitliche und inhaltliche Reihen-
3 Aufgabenfelder/Module der folge der Teilleistungen deutlich.
Projektentwicklung i. e. S.
Das Raumprogramm enthält die Zusammenstel- 1.3 Erarbeiten und Darstellen der Vorgaben
lung der erforderlichen Nutzungsflächen und -räume des Nutzers/Investors
für die unterzubringenden Unternehmensbereiche. 2. Nutzerbedarfsprogramm nach DIN 18205:
Planungsziele sind u. a. die Optimierung der Flächen- 2016-11
proportionen durch möglichst hohe Anteile der 2.1 Definition der Projektziele
Hauptnutzflächen an der Bruttogrundfläche und An- 2.2 Überprüfen von Bedarfsdeckungsalterna-
passungsfähigkeit durch Flexibilität und Variabilität. tiven (z. B. durch Umbau, Erweiterung,
Durch das Ausstattungsprogramm wird die Neubau oder Umzug)
Ausrüstung mit Betriebs- und Gebäudetechnik 2.3 Organisationsuntersuchung aus der Sicht
sowie die Einrichtung mit Maschinen, Geräten des künftigen Nutzers
und Inventar im Einzelnen festgelegt. 2.4 Bedarfsplanung nach DIN 18205: 2016-11
Zur Erstellung einer wirtschaftlich tragfähigen 3. Funktions-, Raum- und Ausstattungspro-
Nutzungskonzeption mit zugehörigem Nutzerbe- gramm zur Umsetzung der Bedarfsanforderun-
darfsprogramm nach DIN 18205: 2016-11 inkl. gen und zur Schaffung von Grundlagen für die
Funktions-, Raum- und Ausstattungsprogramm Planungskonzeption.
sind im Wesentlichen folgende Teilleistungen
erforderlich: Die Zielstellung der Bedarfsplanung gem. DIN
1. Nutzungskonzeption 18205: 2016-11 besteht darin, Bedürfnisse,
1.1 Generieren von Projektideen für eine sach- Anforderungen und Ziele des Bedarfsträgers,
und zeitgerechte Nutzung wie Bauherr, Betreiber oder Nutzer, frühestmög-
1.2 Beschaffen der erforderlichen Basisinfor- lich zu identifizieren und in einem Lösungsrah-
mationen men des Projektes zusammenzuführen. Die ein-
zelnen Prozessschritte sind grafisch im Kontext
zum Gebäudelebenszyklus in Abb. 5 dargestellt tiges Aufgabenfeld für die weitere Projektent-
(DIN 18205: 2016-11, S. 7). Diesbezüglich wird wicklung.
die Bedarfsplanung als Planungsdisziplin noch
vor der HOAI-Leistungsphase 1 angeordnet (Ho- 3.5.1 Stakeholderanalyse
dulak und Schramm 2011, S. 15). Auf dem Projektentwicklermarkt steht jede ein-
Bedarfsplanung ist eine Bauherrenaufgabe. zelne Projektentwicklung im Spannungsfeld zwi-
Die Ermittlung und Vermittlung seiner eigenen schen Nachfragern nach Projektentwicklungen
Bedürfnisse dient seinem eigenen Interesse, da einerseits und Anbietern andererseits. Aus Abb. 6
hierdurch das Soll der Planung definiert wird, wird deutlich, dass der Erfolg des Projektentwick-
bevor Planungsaufgaben durch externe Parteien lers stets in Abhängigkeit von den jeweiligen Teil-
übernommen werden. Für den Bauherrn als Auf- märkten der Nachfrager und den konkurrierenden
traggeber von Planern und anderen Projektbetei- Kundenbeziehungen gesehen werden muss. Es
ligten stellt eine durchdachte Bedarfsplanung eine kommt daher maßgeblich darauf an, die relative
optimale Voraussetzung für eine erfolgreiche Pro- Wettbewerbsfähigkeit des Projektentwicklungs-
jektbearbeitung dar (Kalusche 2009, S. 172). unternehmens durch Benchmarks zu vergleichen
und durch kontinuierliche Verbesserungsprozesse
(KVP) Spitzenleistungen zu erzielen.
3.5 E Stakeholderanalyse und Stakeholder sind:
Projektorganisation (Exit 2)
1. alle am Projekt beteiligten Shareholder (An-
Bei positivem Ergebnis der Stakeholderanalyse ist spruch auf Rendite),
die Konzeption der Projektorganisation ein wich-
Abb. 6 Projektentwicklung im Spannungsfeld zwischen Nachfragern und Anbietern. (Quelle: Diederichs 2012, S. 630)
214 C. J. Diederichs und N. Preuß
2. die Nutzer (Anspruch auf Erfüllung des Nut- tur soll eine hierarchische Aufgliederung des
zerbedarfsprogramms), Gesamtprojektes in Teilprojekte und Teilprojekt-
3. die Auftraggeber (Anspruch auf Qualitäts-, abschnitte erreicht werden, um eine Grundlage für
Kosten- und Terminsicherheit), Planungs- und Bauabschnitte, für Kosten und Ter-
4. die Mitarbeiter (Anspruch auf Beschäftigung mine und damit für Budgets und Nutzungszeit-
und Sicherheit des Arbeitsplatzes) punkte sowie für Kosten- und Termingliederun-
5. die Lieferanten (Anspruch auf fristgerechte gen zu schaffen.
und betragsgenaue Erfüllung der Zahlungsver- Zielsetzung der Aufbauorganisation ist es,
pflichtungen), Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen
6. die Kreditgeber (Anspruch auf fristgerechte der Projektbeteiligten so festzulegen, dass weder
und betragsgenaue Zins- und Tilgungszahlun- Leistungsüberschneidungen noch Leistungslü-
gen), cken entstehen, sondern eine reibungslose Pro-
7. der Staat (Anspruch auf Steuergelder sowie auf jektabwicklung gewährleistet wird. Grundsätze
Konformität mit dem geltenden Bauplanungs- sind eine eindeutige Aufgabenzuordnung mit
und Bauordnungsrecht, Wahrung der Belange Definition der Verknüpfungspunkte (Schnittstel-
der Allgemeinheit gegenüber den Interessen len), die Festlegung von Weisungs-, Entschei-
Einzelner). dungs- und Zeichnungsbefugnissen sowie In-
8. die Natur als Standort, Rohstofflieferant und formationspflichten, die Ausgewogenheit von
Aufnahmemedium für Abfälle (Anspruch auf Leistung und Vergütung und die Bestimmung
Umweltschutz) und von Haftungs- und Gewährleistungsansprüchen.
9. die Öffentlichkeit, vertreten durch politi- Zielsetzung der Ablauforganisation ist die
sche Organisationen, Parteien, Verbände, Ge- Erreichung der Termin- und Kapazitätsziele durch
werkschaften, Bürgerinitiativen und Medien Maßnahmen zur Regelung der Arbeitsabläufe im
(Anspruch auf Wahrung der Interessen der Öf- Sinne von Regelkreisen mit den Prozessen Pla-
fentlichkeit, der Nachbarn und der Arbeit- nung, Abstimmung, Entscheidung, Soll-Ist-Ver-
nehmer). gleich, Abweichungsanalyse, Anpassungsmaß-
nahmen und Steuerung.
Die Ergebnisse der Stakeholderanalyse müs- Eine typische Aufbauorganisation mit Einzel-
sen den Projektentwickler befähigen, eindeutig leistungsträgern d. h. jeweils einzeln vom Bau-
die Frage zu beantworten, ob er mit ausreichender herrn/Auftraggeber beauftragten Architekten,
Unterstützung für sein Projekt durch alle Stake- Fachplanern und ausführenden Firmen zeigt
holder rechnen kann oder ob seitens einzelner Abb. 7.
Interessengruppen große Widerstände zu erwarten
sind, die sogar zum Scheitern des Projektes führen
können.
In Abhängigkeit von diesem Ergebnis kommt 3.6 F Vorplanungskonzept
es gegebenenfalls bereits zu einem Stopp aller
weiteren Aktivitäten und damit zu einem Abbruch Durch das Vorplanungskonzept gemäß Anlage
der Projektentwicklung (Exit 2) bzw. zu einer 10 § 34 Abs. 1 HOAI (2013), Leistungsphasen
Iterationsschleife in den Aufgabenfeldern A bis (Lph.) 1 und 2, soll durch den Lageplan M 1:1000,
E. Bei positivem Ergebnis ist die Projektorganisa- Grundrisspläne, Ansichten und Schnitte M 1:200
tion für die weitere Planung und Abwicklung zu sowie einen Erläuterungsbericht die Umsetzbar-
konzipieren. keit der Nutzungskonzeption auf dem vorgesehe-
nen Grundstück nachgewiesen werden.
3.5.2 Projektorganisation Dieser Nachweis erstreckt sich einerseits auf
Gegenstand und Zielsetzung der Projektorganisa- die Unterbringung des Raum- und Funktionspro-
tion sind eine eindeutige Projektstruktur, Aufbau- gramms und die damit verbundene Gebäude- und
und Ablauforganisation. Durch die Projektstruk- Geschossbelegung sowie auf die Zulässigkeit der
Projektentwicklung und Immobilienmanagement 215
Abb. 7 Aufbauorganisation der Projektbeteiligten mit Einzelleistungsträgern. (Quelle: Diederichs 2012, S. 631)
Bebauung nach den §§ 12, 30, 33, 34 und Mit dem Vorplanungskonzept und dem zuge-
35 BauGB i. V. m. § 9 BauGB und der BauNVO. hörigen Erläuterungsbericht müssen folgende
Zur konzeptionellen planerischen Umsetzung Fragen eindeutig beantwortet werden:
des Nutzerbedarfsprogramms durch das Vorpla- 1. Werden die Vorgaben des Nutzerbedarfspro-
nungskonzept gehören folgende Teilleistungen: gramms sowie des Raum-, Funktions- und
1. Erarbeiten eines Vorplanungskonzeptes zur Ausstattungsprogramms erfüllt?
Nutzungskonzeption zum Nachweis der plane- 2. Besteht Konformität zwischen den Vorplanungs-
rischen Umsetzbarkeit des Nutzerbedarfspro- unterlagen, dem Erläuterungsbericht und dem
gramms auf dem vorgesehenen Grundstück Kostenrahmen für die Gesamtinvestition?
und der Erfüllung des Funktions- und Raum- 3. Ist das Projekt auf dem vorgesehenen Bau-
programms durch eine Gebäude- und Ge- grundstück nach geltendem Baurecht ohne
schossbelegung besondere Anforderungen im Hinblick auf
2. Darstellung der Ergebnisse durch Art und Maß der baulichen Nutzung zu reali-
2.1 Lageplan M 1:1000 oder M 1:500 sieren?
2.2 Grundrisse, Schnitte und Ansichten M 4. Ist die Grundkonzeption des Tragwerks geklärt
1:200 oder M 1:100 (Bezug auf Tiefgaragenraster, ausreichende
2.3 Erläuterungsbericht zu den wesentlichen Unterstützung tragender Wände im jeweils
städtebaulichen, gestalterischen, funktio- darunter liegenden Geschoss, Gründung, erfor-
nalen, technischen, wirtschaftlichen, bau- derlicher Verbau, Wasserhaltung etc.)?
physikalischen, energiewirtschaftlichen, 5. Ist die Grundkonzeption der TA geklärt (Ver-
sozialen und öffentlich-rechtlichen Zu- sorgungsträger, Medientrassen, Notwendigkeit
sammenhängen sowie Nachweis der bau- von Raumlufttechnik mit Auswirkungen auf
rechtlichen Umsetzbarkeit des Projektes Geschosshöhen, Flächen für TA-Zentralen,
auf dem vorgesehenen Grundstück Maschinenaufstellungsflächen etc.)?
216 C. J. Diederichs und N. Preuß
jektes. Er steckt mit nur wenigen Vorgängen und Eröffnung zum Weihnachtsgeschäft) sind – sofern
Ereignissen/Meilensteinen ( 15) die Dauern der realistisch erreichbar – zwingend zu beachten.
5 Projektstufen Projektvorbereitung, Planung,
Ausführungsvorbereitung, Ausführung und Nut-
zung sowie die Entscheidungszeitpunkte bzw. 3.10 J Steuern
Meilensteine für das Projekt ab.
Ausgehend vom aktuellen Zeitpunkt werden Die Rentabilität und Finanzierung von Projektent-
für jedes Projekt oder Teilprojekt mindestens fol- wicklungen wird maßgeblich durch fällige und
gende Meilensteine fixiert: gestundete Steuern beeinflusst. Zielsetzung der
• Beginn der Projektentwicklung, steuerlichen Untersuchungen ist es, die Auswir-
• Entscheidung zum Planungsauftrag, kungen der verschiedenen Steuerarten auf die
• Baueingabe, Rentabilität von Projektentwicklungen zu über-
• Baugenehmigung, prüfen und mögliche Steuervorteile durch Sonder-
• Baubeginn, abschreibungen zu nutzen.
• Fertigstellung des Rohbaus und der wetterfes- Dieser Komplex beinhaltet damit auch die
ten Gebäudehülle und damit der Möglichkeit Untersuchung und Darlegung der Auswirkungen
zum Beginn der Bauheizung, von Steuereffekten auf die Projektfinanzierung,
• Fertigstellung Technische Ausrüstung, wobei im konkreten Einzelfall stets im Immo-
• Fertigstellung Innenausbau, bilien-, Unternehmens- und Gesellschaftersteu-
• Baufertigstellung, errecht erfahrene Berater einzubinden sind.
• Beginn der Abnahme-, Inbetriebnahme- und Bei den Steuerarten im Immobilienbereich ist
Übergabephase und gemäß Abb. 8 hauptsächlich zwischen Besitz-
• Nutzungsbeginn. und Verkehrsteuern zu unterscheiden.
Wesentliche Aufgaben der steuerlichen Unter-
Als Ergebnis ist ein grafisch ansprechend suchungen sind:
gestalteter Meilensteinplan zu liefern und durch 1. Überprüfen der für die Projektfinanzierung in
einen Erläuterungsbericht zu ergänzen. Darin Abhängigkeit von der Finanzierungsform rele-
sind die getroffenen Annahmen, die gewählten vanten Steuerarten
Bezugsdaten, Planungs- und Baufortschrittskenn- 2. Untersuchen und Darlegen der Veränderung
werte sowie die Ergebnisse der Risiko-/Sensitivi- der Projektfinanzierung und der Projektrenta-
tätsanalyse zu den ausgewiesenen Abwicklungs- bilität durch Steuereffekte
zeiträumen zu beschreiben.
Vorgegebene Fertigstellungs- bzw. Eröffnungs-
termine (z. B. Messetermine, Produktionsstart,
Abb. 8 Überblick über die Steuerarten im Immobilienbereich. (Quelle: Brauer 2018, S. 325)
218 C. J. Diederichs und N. Preuß
3.11 K Rentabilitäts- mit tition) und aus dem Kehrwert der anfänglichen
Sensitivitätsanalyse und Ausschüttungsrendite der Vervielfältiger oder
-prognose (Exit 3) auch Mietenmultiplikator bestimmt.
Dynamische Wirtschaftlichkeitsberechnungen
Zielsetzung der Investoren in Projektentwicklun- untersuchen durch Berücksichtigung von Zeitrei-
gen ist die Maximierung der Rentabilität bei hen für die Zahlungsströme der Ein- und Ausga-
Wahrung der Liquidität und Minimierung des ben sowie Ab- oder Aufzinsung auf einen festen
Risikos. Die operative „Performance“ besteht in Bezugszeitpunkt die Vorteilhaftigkeit von Inves-
der jährlich erzielten Ausschüttungsrendite und titionen für die gesamte Nutzungsdauer bzw. bis
der jährlichen Wertveränderung der Immobilie. zu einem bestimmten Planungshorizont. Kriterien
Die Liquidität wird durch die Marktgängigkeit der Vorteilhaftigkeit sind die Höhe der Kapital-
(Fungibilität) und die Sicherheit durch das Wert- werte, der internen Zinsfüße und der Annuitäten
änderungsrisiko der Immobilie bestimmt. (Diederichs 2005, S. 233–239).
Zur Erstellung der Rentabilitätsanalyse und Im Beispiel 1 zur einfachen Developerrech-
-prognose mit Sensitivitätsanalyse sind im Wesent- nung wird die Gesamtinvestitionssumme durch
lichen folgende Teilleistungen erforderlich: die jährlichen Mieterträge dividiert und daraus
1. Erstellen einer Rentabilitätsanalyse nach der der Vervielfältiger oder auch Mietenmultiplikator
einfachen Developer-Rechnung und Bewertung bestimmt (Abb. 9).
2. Erstellen einer Rentabilitätsprognose für den Erwartet ein Investor einer Gewerbeimmobi-
erwarteten Nutzungszeitraum mit Hilfe dyna- lie z. B. eine Rendite von über 5 %, so lässt sich
mischer Wirtschaftlichkeitsberechnungen ein Verkauf des Projektes mit einem Vervielfäl-
3. Durchführen einer Sensitivitätsanalyse durch tiger von 19 realisieren (100/19 = 5,26 %). Der
Veränderung von Mieterträgen bzw. Verkaufs- Projektentwicklergewinn (Trading Profit) ergibt
preis, Gesamtinvestitions- und Nutzungskosten sich als Differenz aus dem Verkaufserlös und der
Investitionssumme. Dabei ist allerdings zu
Die einfache Developer-Rechnung ist ein in beachten, dass sich der ausgewiesene Wert von
der Immobilienpraxis häufig angewandtes Verfah- 15,59 % der Gesamtinvestition auf die gesamte
ren zur Ermittlung der Rendite eines Projektes. Projektdauer verteilt (in diesem Fall etwa
Dabei werden die jährlichen Mieterträge der 3 Jahre).
Gesamtinvestitionssumme gegenübergestellt (Quo- Es ist jedoch kritisch darauf hinzuweisen, dass
tient von Jahresmieteinnahmen und Anfangsinves- die einfache Developerrechnung die Investitions-
Abb. 9 Beispiel 1 –
Einfache Developerrechnung
einer Gewerbeimmobilie.
(Quelle: Diederichs 2012,
S. 635)
Projektentwicklung und Immobilienmanagement 219
phase zwar zutreffend abbildet, die Schwächen lung und insbesondere die Rentabilitäts- sowie
des Ansatzes jedoch in der Ermittlung des erzielba- Sensitivitätsanalyse und -prognose kritisch hinter-
ren Verkaufserlöses liegen. Solange Investoren fragt werden.
bereit sind, auf der Basis von Mietenmultiplikatoren Der Begriff „Risiko“ bedeutet in der Projektent-
Objekte zu erwerben, stellt dies kein Problem dar. wicklung die Möglichkeit der Abweichung von
Wenn die Investoren allerdings mit detaillierten erwarteten Projektzielgrößen aus den behandelten
Wirtschaftlichkeitsberechnungen arbeiten, dann Aufgabenfeldern A bis L der Projektentwicklung.
reicht diese Betrachtungsweise nicht aus. Statt- Dabei stellen positive Abweichungen Chancen und
dessen sind dynamische Wirtschaftlichkeitsbe- negative Abweichungen Risiken dar. Dabei ist zu
rechnungen zu empfehlen. beachten, dass die Risiken aus den einzelnen Auf-
Im Beispiel 2 zur einfachen Developerrech- gabenfeldern zahlreiche gegenseitige Abhängigkei-
nung (Abb. 10 und 11) für ein Bürogebäude mit ten aufweisen. Im Ergebnis wirken sie sich letztlich
Sensitivitätsanalyse geht es darum, aus den vor- stets auf die Unterschreitung der erwarteten Renta-
gegebenen Eckdaten für den Neubau eines inner- bilität und Werthaltigkeit aus.
städtischen Bürogebäudes mit 8500 m2 Mietflä- Risiken entstehen aus der Unsicherheit über
che, den Kosten der Gesamtinvestition von Entscheidungsprämissen bzw. über den Eintritt zu-
28 Mio. € und einem angestrebten Entwicklungs- künftiger Ereignisse mit der Folge einer negativen
gewinn von 4,2 Mio. € den Brutto- und Nettoer- Abweichung von einer festgelegten Zielgröße
trag des Projektentwicklers sowie die Verzinsung (Ertrag, Rendite, Investitionssumme etc.).
des Eigenkapitals (Internal Rate of Return IIR) zu Zur Erzielung der erwarteten Rendite muss das
ermitteln. Anschließend wird in einer Sensitivi- Projekt durch die Vermarktung ab dem geplanten
tätsanalyse u. a. gezeigt, dass: Nutzungsbeginn die vorausgesetzten Erträge er-
wirtschaften, ohne dass es zu Kostensteigerun-
• eine Veränderung der Mieteinnahmen um gen gekommen ist, die das vorgegebene Kosten-
10 % zu einer Erhöhung/Verminderung des budget überschreiten. Zusätzlich müssen auch die
Entwicklungsgewinns um 1.998.000 € 10 % erwarteten Konditionen der Projektfinanzierung
16,12 = 3.220.800 € führt, realisiert werden.
• eine Erhöhung/Verminderung des Vervielfäl- Zu beachten ist, dass Risiken auch stets Chan-
tigers von 16,12 um 1 den Projektentwick- cen gegenüberstehen. Im Zusammenhang mit den
lergewinn bei gleichbleibender Miete um mittel- und langfristigen Chancen und Risiken der
1.998.000 € erhöht bzw. vermindert und Projektentwicklung ist die Qualität des Immobi-
• der Projektentwicklergewinn von erwarteten lienstandortes Bundesrepublik Deutschland von
15 % der Gesamtinvestition im worst case auf zentraler Bedeutung.
2,92 % sinken kann. Dabei ist zu beachten, Das unternehmerische Hauptmotiv der Pro-
dass eine Erhöhung der Gesamtinvestition jektentwicklung im weiteren Sinne besteht darin,
(GI) den Gewinn ebenfalls verringert. durch Vereinigung der Immobilienmanagement-
Aktivitäten in einer Hand, preiswerten Einkauf
Der interne Zinsfuß für das Eigenkapital, das der Immobilie vor der Projektentwicklung sowie
am Anfang mit 5,6 Mio. € zur Verfügung gestellt günstigen Verkauf der Immobilie nach deren
wird und nach 24 Monaten inklusive Projektent- Erstellung oder während der Nutzungsphase die
wicklergewinn von 4,2 Mio. € mit 9,8 Mio. € zu- Handelsspannen in den einzelnen Stadien vor und
rückfließt, beträgt 32,29 % p. a. (1,32292 = 1,75). nach der eigentlichen Bauausführung einzubezie-
hen und als Development-Gewinne abzuschöpfen
(Diederichs 1994, S. 55).
3.12 L Risiko- und Chancenanalyse Damit bietet die Projektentwicklung erhebli-
und -prognose (Exit 4) che Chancen mit einzel- und gesamtwirtschaftli-
cher Bedeutung, aber auch Risiken, die nicht
Durch die Risiko- und Chancenanalyse und -pro- übersehen werden dürfen und denen mit geeigne-
gnose sollen die Ergebnisse der Projektentwick- ten Risikotherapien zu begegnen ist.
220 C. J. Diederichs und N. Preuß
Abb. 10 Beispiel 2 – Einfache Developerrechnung mit Sensivitätsanalyse. (Quelle: Diederichs 2012, S. 636)
Projektentwicklung und Immobilienmanagement 221
Abb. 11 Beispiel 2 – Einfache Developerrechnung mit Sensivitätsanalyse (Fortsetzung). (Quelle: Diederichs 2012,
S. 637)
Die Wahrnehmung von Chancen und die abzielen, häufig auch in Kombination, ein mög-
Beherrschung von Risiken erfordern die Etablie- lichst geringes Restrisiko zu erreichen:
rung eines systematischen Chancen- und Risiko-
managementsystems mit einem Regelkreis aus • Eliminieren, Vermeiden
den Prozessen Risikoidentifikation, -bewertung, • Vermindern
-klassifizierung, -bewältigung, -kostenermittlung • Übertragen, Transferieren
und -controlling. • Versichern
Im Rahmen der Risikobewältigung ist zu unter- • Akzeptieren, Übernehmen
suchen und zu entscheiden, wie mit identifizierten,
bewerteten und klassifizierten Risiken umzugehen Zielsetzung der Risikovermeidung ist es, die
ist, d. h. welche aktiven und passiven Maßnahmen Tragweite oder die Eintrittswahrscheinlichkeit
geplant und umgesetzt werden sollen (Busch 2003, auf den Nullpunkt zu bringen. Sie bietet von
S. 63 ff.). Grundsätzlich kommen 5 Strategien zur allen Handlungsalternativen die größte Sicher-
Risikobewältigung in Betracht, die sämtlich darauf heit, ist aber auch mit sehr hohen Kosten ver-
222 C. J. Diederichs und N. Preuß
bunden. Daher ist darauf zu achten, dass die zierung andererseits eine attraktive Verzinsung für
Kosten der Risikovermeidung deutlich unter- das von ihm eingesetzte Eigenkapital erhalten
halb der Kosten eines möglichen Schadensein- (leverage effect). Dabei ist zu beachten, dass der
tritts bleiben. Gewinn des Projektentwicklers i. w. S. komplett
Zielsetzung der Risikoverminderung ist es, im Verkauf steckt.
durch organisatorische, technische oder betriebli- Zu den Aufgaben der Vermarktung gehören
che Maßnahmen das Risiko auf ein akzeptables damit die Konzeption des Immobilienmarketings
Restrisiko zu reduzieren. Dabei ist wiederum das sowie die Auswahl externer Dienstleister für Mar-
Ausmaß der Risikoverminderung gegen die Kos- keting- und PR-Maßnahmen, das Management
ten der Verminderungsmaßnahmen abzuwägen. der Vermietung und des Mieterausbaus, die Mieter-
Bei der Risikoübertragung versucht der Projekt- betreuung unter Einbindung externer Makler sowie
entwickler, das eigene Risiko durch Verträge auf die Organisation des Verkaufs durch Direktvertrieb
andere Projektbeteiligte ganz oder teilweise abzu- oder auch Einbindung externer Makler.
wälzen, z. B. auf den Investor, den Construction
Manager, den Anteilseigner in der Projektentwick-
lungsgesellschaft oder den Finanzierungspartner. 3.14 N Projektfinanzierung (Exit 5)
Anstelle der Risikoübertragung auf Dritte
kommt auch die Risikoübertragung auf Versiche- Immobilieninvestitionen binden langfristig hohe
rungsunternehmen in Betracht, sofern das ent- Kapitalbeträge, die nur selten voll aus Eigenkapi-
sprechende Risiko versicherbar ist. Dabei geht es tal finanziert werden können.
vor allem um Risiken mit hoher Tragweite im Es gilt daher folgender Kernsatz der Immobili-
Falle des Risikoeintritts. enfinanzierung (Follak und Leopoldsberger 2016),
wonach die Erträge aus der Immobilie den Kapital-
dienst und der Wert der Immobilie die Besicherung
3.13 M Vermarktung gewährleisten müssen. Unternehmenskredite wer-
den dagegen i. d. R. aus anderen Quellen als der
Immobilienmarketing bezeichnet die Gesamtheit Investition selbst bedient und besichert.
aller zielgerichteten und systematischen Maßnah- Gegenstand und Zielsetzung des Aufgabenpake-
men, die der Entwicklung, Preisfindung und Ver- tes Projektfinanzierung ist es, die für den Investor
marktung von Immobilien oder auch immobi- bestgeeignete Finanzierungsform herauszufinden,
lienabhängigen Dienstleistungen dienen, um zu möglichen Anbietern der Projektfinanzierung
Austauschprozesse zwischen Mietern/Käufern Kontakt aufzunehmen, Finanzierungsangebote
einerseits und Vermietern/Verkäufern andererseits von Kreditgebern einzuholen, Verhandlungen
herbeizuführen. Typische Immobilienmarketing- mit ausgewählten Anbietern vorzubereiten und
Elemente sind: diese bis zur Unterschriftsreife zu führen.
Unter dem Begriff der klassischen Immobilien-
• Grundsteinlegung, Richtfest, Einweihung, Tag finanzierung wird die Finanzierung über grund-
der offenen Tür pfandrechtlich gesicherte Darlehen verstanden. In
• Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) der prozentualen Höhe der Beleihungsgrenze unter-
• Kontakte zur regionalen und überregionalen scheiden sich die Finanzierungsinstitute deutlich.
Presse, zu Rundfunk und Fernsehen Für die Beurteilung der Schuldendienstfähigkeit
und damit die Bewilligung eines Kreditantrags ist
Durch Vermietung vor Baubeginn soll das Inves- bei der Projektfinanzierung der voraussichtliche
titionsrisiko minimiert werden. Daher wird eine Vor- wirtschaftliche Erfolg des zu finanzierenden Pro-
vermietungsquote von 40 % bis 60 % angestrebt. jektes entscheidend. Es wird erwartet, dass sich
Bei einem Verkauf soll der Käufer durch eine Zins und Tilgung aus dem prognostizierten Cash-
Kombination von Rendite, Wertsteigerung und flow des finanzierten Projektes erwirtschaften las-
Steuervorteilen einerseits mit einer guten Finan- sen und darüber hinaus zusätzlich ein Überschuss
Projektentwicklung und Immobilienmanagement 223
für den Investor erzielt wird. Durch Sensitivitäts- Entscheidung zur Fortführung der Projektent-
analysen wird der Einfluss der Renditefaktoren wicklung durch Erteilung von Planungsaufträgen
Mieterträge, Projektkosten, Zins- und Tilgungs- für die Leistungsphasen 2 ff. nach HOAI (Vorpla-
sätze etc. auf die Cashflow-Entwicklung im bes- nung, Entwurfsplanung etc.) wegen nachhaltiger
ten, wahrscheinlichsten und schlechtesten Fall Erfolgsaussichten oder aber über den Abbruch der
durchgespielt. Kreditgeber orientieren ihre Ent- Projektentwicklung wegen zu hoher Risiken vor-
scheidung i. d. R. am wahrscheinlichsten oder zubereiten. Dabei ist auch zu beachten, dass die
schlechtesten Ergebnis. Projektentwicklung häufig zeitparallel für ver-
Für die Projekt- und Immobilienfinanzierung schiedene Projektentwicklungsideen in Form
existieren zahlreiche klassische Finanzierungsfor- unterschiedlicher Nutzungsalternativen (Büro,
men. In jüngerer Zeit werden zunehmend neue Gewerbe, Hotel, Wohnen etc.) durchgeführt wird.
Finanzierungsprodukte angeboten, die von den Es ist daher ein konsekutives, zeitlich gestaffeltes
Prinzipien des Eigenkapitaleinsatzes, der Misch- Entscheidungsmodell mit Iterationsschleifen für
finanzierung, der Gesellschaftsanteile und der Projektentwicklungsalternativen zu schaffen.
Risikoverteilung bestimmt werden (Abb. 12). Im chronologischen Ablauf ergeben sich die Ent-
Durch Analyse und Bewertung der vielfältigen scheidungszäsuren für die Fortsetzung (Go) oder den
Finanzierungsformen ist das für die konkret erfor- Abbruch (Exit) der Projektentwicklung (Abb. 14).
derliche Projektfinanzierung bestgeeignete Maß- Abb. 15 zeigt den K.O.-Barren der Projektent-
nahmenbündel auszuwählen, das sowohl den wicklung, dessen „Raum“ P3 nicht „betreten“
Projektentwickler als auch Eigen- und Fremdka- werden darf. Weiterhin zeigt das Beispiel den
pitalgeber zufrieden stellt und gleichzeitig der Raum P2 der erwarteten Werte (expected case)
Transaktionsstruktur Rechnung trägt. Der Fi- (x = 7, y = 5, z = 10) und den Raum P1 der
nanzierungsformen-Mix ist daher stets für die Be- optimistischen Werte (best case) (x = 10; y = 4,
dürfnisse der konkreten Projektfinanzierung maß- z = 12). Schließlich ist analog Abb. 13 der Ent-
zuschneidern. scheidungsrahmen durch eine Nutzwertanalyse
Zur Erleichterung der Auswahlentscheidung zur Beurteilung der nicht monetär bewertbaren
ist daher eine Bewertungsmatrix zu erstellen. Faktoren von Projektentwicklungsalternativen zu
Diese soll den beteiligten Institutionen ermögli- ergänzen. Einen Vorschlag dazu enthält Abb. 16.
chen, eine ihren Interessen möglichst nahekom- Es ist dann derjenigen Projektentwicklungsalter-
mende Finanzierungsstruktur auszuwählen. native der Vorzug zu geben, die bei gleicher oder
Abb. 13 zeigt das Schema einer Bewertungs- ähnlicher Positionierung im Koordinatensystem der
matrix der Finanzierungsformen aus der Sicht des Rentabilitäts- und Risikoanalyse den höchsten Wert
Investors bei Beschränkung auf die Finanzie- der gewichteten Nutzenpunkte erhält und dabei
rungsformen Eigenkapital, Realkredit, Leasing auch einen vorgegebenen Mindestwert von z. B.
und Convertible Mortgage. Im Ergebnis zeigt 667 von 1000 möglichen Punkten überschreitet.
sich, dass aus den ausgewählten Finanzierungs- Wird der Mindestwert nicht erreicht, ist die Projekt-
formen mit den vorgegebenen Zielkriterien die entwicklung zu überarbeiten (Iterationsschleife 6)
Alternative Leasing mit 345 gewichteten Nutzen- oder aber endgültig abzubrechen.
punkten Rang 1 erreicht, dicht gefolgt von der Wird der Mindestwert erreicht, so ist die Projekt-
Alternative Eigenkapital mit 335 gewichteten entwicklung i. e. S. durch einen Erläuterungsbericht
Nutzenpunkten auf Rang 2. mit den Ergebnissen aus den 15 Aufgabenfeldern
A bis O abzuschließen und eine positive Fort-
führungsempfehlung an das Entscheidergremium
3.15 O Entscheidungsvorlage (Exit 6) auszusprechen.
Ergänzend empfiehlt es sich, das Vorplanungs-
Die Untersuchungsergebnisse aus der Projektent- konzept im Hinblick auf die ökonomische, öko-
wicklung i. e. S. müssen in einem Entschei- logische und soziokulturelle Qualität zu untersu-
dungsmodell zusammengefasst werden, um die chen. Dazu stehen die Ansätze der Deutschen
224 C. J. Diederichs und N. Preuß
Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB), (Leadership in Energy and Environmental Design)
das Bewertungssystem BREEAM (Building und auch die Bewertungssysteme für den Neubau
Research Establishment Environmental Assess- von Hochbauten (Getto 2002) und für die Moder-
ment Methodology), das Rating System LEED nisierung von Hochbauten (Streck 2004) an.
Projektentwicklung und Immobilienmanagement 225
Abb. 13 Nutzwertanalyse der Finanzierungsformen aus Sicht eines Investors für ein Bürogebäude (Auszug). (Quelle:
Diederichs 2012, S. 641)
Dabei handelt es sich um Systeme zur Über- der vorzeitige Abbruch der Projektentwicklung
prüfung der Frage, die Projektziele im Hinblick i. e. S. zu empfehlen ist. Am Ende muss mit der
auf Nutzeranforderungen, Investition, Nutzungs- Entscheidungsvorlage stets entschieden werden, ob
kosten, Umwelt und damit im Hinblick auf die das Ergebnis der Untersuchungen eine Fortführung
Nachhaltigkeit eingehalten werden. Die Systeme der weiteren Planung und anschließenden Ausfüh-
sind so angelegt, dass bereits das Vorplanungs- rung rechtfertigt oder ob eine Schadensbegrenzung
konzept bewertet werden kann, um zu entschei- durch Wahrnehmung der letzten aufgezeigten Exit-
den, ob die Planung weiter fortgeführt werden Möglichkeit die bessere Alternative darstellt.
soll. Weitere Bewertungsschritte sind jeweils vor- Aus einzelwirtschaftlicher Sicht tragen Pro-
gesehen am Ende der Genehmigungsplanung vor jektentwicklungen auf operativer Ebene zur Sta-
Einreichung der Bauvorlagen an das Bauord- bilis