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Rote Schönheit

Titelthema

Eine genügsame Garnele aus dem Brackwasser


Birgit Gaube
Die Rote Hawaiigarnele (Halocaridina rubra) ist wohl eine
der interessantesten Garnelen überhaupt. Die attraktiv ge-
färbten Tiere können sehr alt werden, unter den widrigsten
Umständen überleben und ernähren sich ausschließlich von
Algen und Kleinstlebewesen.

Männliche Hawaii-
garnele (links) und
ein Weibchen mit
Eiern (rechts).
Oben:
Auf einem Algen- und
Bakterienrasen finden
H. rubra ihr Futter.

Unten:
Ein voll besetztes Aqua-
rium mit vielen Halocari­
dina rubra.

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Titelthema

Auf einen Blick


Deutscher Name:
Rote Hawaiigarnele
Wissenschaftlicher Name:
Halocaridina rubra
Größe: 15 Millimeter
Färbung: Rot, Weibchen mit
rötlichem Eifleck im Nacken
Futter: Algenpulver, Garnelen-
futter und Kelppellets
Aquarium: ab 20 Liter

Oben: Eine schön ge-


färbte Hawaiigarnele
auf Lavastein, im Hin-
tergrund ein Knäuel
Drahtalgen.

Rechts: Eine Gruppe auf


einer Muschelschale beim
Abweiden von Algen.

Unten: Ein Weibchen


mit zwei roten Eiern
und eines mit Eifleck
im Nacken.

Als ich die kleinen Roten Hawaiigarnelen


zum ersten Mal in einem Ecosphere-Glas
schwimmen sah, war ich gleich von
diesen pflegeleichten Garnelen faszi-
niert. Ich machte mich im Internet auf die
Suche nach Haltungstipps. Viel habe ich
leider damals nicht erfahren können, Erst
eine Anbieterin von Halocaridina rubra in
einem Online-Wirbellosenauktionshaus
konnte mir weiterhelfen.

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Haltungsbedingungen
Da ich die schönen Tiere nicht in einem
geschlossenen Ecosphere-Glas halten
wollte, richtete ich erst einmal ein kleines
20-l-Aquarium mit einer Salzdichte von
1,012 g/cm³ (ca. 190 g Meersalz auf 10 l
Umkehrosmosewasser) ein, was Brack-
wasser mit einem Salzgehalt zwischen
Süß- und Meerwasser entspricht. Dazu
stellte ich die Temperatur um die 24 °C
ein. Einen Hamburger Mattenfilter ein-
gesetzt, als Dekoration mehrere Lava-
steine und Lavahöhlen übereinander ge-
stellt sowie ein paar Muschelschalen und

Richtet man das Aquarium mit


Bodengrund und löchrigen Steinen,
die kleine Verstecke bilden, ein
und sind auch noch Algen
vorhanden, fühlen sich die
Garnelen gleich wohl

leere Schneckenhäuschen als Deko rein


– schon konnte das Becken einlaufen.
Nachdem sich ein leichter Algenrasen
auf den Aquarienscheiben breit gemacht
hatte, konnten acht Wochen später die Wasserwechsel
ersten zartrosa bis kräftig rot gefärbten Einen Wasserwechsel mit entsprechender Salzdichte von ungefähr
Hawaii­garnelen einziehen. einem Drittel des Aquarienvolumens mache ich etwa alle acht Wo-
Algen an den Scheiben und der Dekora- chen. Verdunstetes Wasser fülle ich bei Bedarf alle zwei Wochen
tion sind durchaus erwünscht, denn diese mit Umkehrosmosewasser wieder auf. Diese regelmäßige Ände-
werden gerne abgeweidet, und so macht rung im Salzgehalt des Aquarienwassers scheint wichtig zu sein,
es auch nichts, wenn mal ein paar Tage, da es die Hawaiigarnelen dazu animiert, Eier anzusetzen.
eine Woche oder sogar länger nicht zuge-
füttert wird. Als Beleuchtung verwende
ich eine kleine Aufsetzleuchte, da das
Aquarium etwas dunkel steht. Bei aus-
reichend Tageslicht kann vermutlich auf
eine Zusatzbeleuchtung ganz verzichtet

Oben: Weibchen mit deutlichem Eifleck


im Nacken.

Mitte: Ein Weibchen mit vielen Eiern,


darüber schwimmt ein Männchen.

Unten: Gruppe auf Napfschneckenschale.

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Titelthema

Vermehrung und Fütterung


Obwohl ich in den nächsten Monaten
alles daran setzte, den Salzgehalt kon­
stant zu halten und mich an den kleinen
Garnelen erfreute, blieben eiertragende
Weibchen oder Larven leider aus. Dann
kam ich auf die Idee, mal einen starken
Regen zu simulieren und habe einfach
fünf Liter Wasser tröpfchenweise durch
Umkehrosmosewasser mit etwas Diskus-
mineralsalz ersetzt. Diese Idee wurde
kurze Zeit später durch das erste eiertra-
gende Weibchen belohnt und einmal in
Gang gesetzt, wurden immer mal wieder

Fotos: A. Kobus
Weibchen eiertragend.
Die weiblichen Hawaiigarnelen, gut
am rötlichen Eifleck im Nacken zu er-
kennen, tragen zu Beginn zwei bis fünf
rote Eier, später dann etwa zehn. Nach
Hawaiigarnelen sind werden. Zur Orientierung der Larven bei einer Tragezeit von vier bis fünf Wochen
meist den ganzen Tag
Nacht steht auf dem Aquarium in der Be- schlüpfen rote, circa zwei Millimeter
auf Achse .
ckenmitte noch eine kleine, blaue Mond- große Larven, die in der Strömung und
licht-LED. immer an der hellsten Stelle im Becken
Eine Bepflanzung ist nicht nötig, aber treiben. Die Larven wandeln sich inner-
Drahtalgen und Meersalat sowie man- halb von zwei bis vier Wochen in Minigar-
che Rotalgen lassen sich nach Gewöh- nelchen um, die dann nur noch schlecht
nung gut an Brackwasserbedingungen zu finden sind, da sie etwas kleiner als
anpassen. die Larven sind.
Die Larven füttere ich je nach Anzahl
täglich mit ein bis zwei Messerspitzen
Hobby Mikrozell (Algenpulver). Die er-
wachsenen Garnelen bekommen fein
gemörsertes Garnelenfutter oder auch
ganze Kelppellets.
Da die Lebenserwartung der maximal
e
15 mm großen Hawaiigarnelen im Ver-
Vermutlich erst wenig
Lar ven . gleich zu den bekannten Süßwasser-
Tage alte
Zwerggarnelen sehr hoch sein soll und
ich meine schon seit vier Jahren habe,
kann von langer Freude an diesen pro­
Vergesellschaftung blemlos zu haltenden Tieren ausge-
Man kann die Hawaiigarnelen gut mit indischen Turmdeckelschnecken gangen werden. Inzwischen ist das
halten. Dazu keschert man einfach frisch geschlüpfte Babyschnecken von Aquarium voller sehr schwimmfreudiger
der Wasseroberfläche aus einem Süßwasseraquarium, denn diese eignen Hawaiigarnelen, bei deren Betrachtung
sich am besten für die Umstellung auf Brackwasser. Rennschnecken keine Langeweile aufkommt, und es
(z. B. Orange Track) fühlen sich nach entsprechender Gewöhnung bei findet sich in regelmäßigen Abständen
mir sogar bis zur Meerwasserdichte schon seit Jahren sehr wohl. eine kleine Gruppe Larven, so dass es sich
wirklich lohnt, diese Tiere zu pflegen.

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Hawaii-
Foto: K. A. Quante

Die Rote
Garnele
Erkenntnisse über Halocaridina rubra aus der Natur
Kai A. Quante & Scott R. Santos

Die Hawaii-Garnele (Halocaridina rubra) bewohnt auf Hawaii ex­


treme Biotope, was sie für die Forschung und Aquaristik interessant
macht. Sie ist langsamwüchsig, kann über 15 Jahre alt werden und
ist in der Aquaristik selten zu erhalten.

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Fotos: S. R. Santos
das poröse Lavagestein mit Meerwasser
gespeist werden und von oben durch
Regen Süßwasser erhalten. Durch einen
schwankenden Meerwasserspiegel, un-
terschiedliche Regenmengen und Ver-
dunstung kann der Salzgehalt stark
schwanken. Die Garnelen sind in der
Lage, ihre Osmoseregulation bei 0 bis
56 ‰ Salzgehalt aufrechtzuerhalten.
Unter solch extremen Bedingungen
überleben keine höheren Pflanzen, so
dass sich die Garnelen von Bakterien
und niederen Algen ernähren. Da sie
bis in Höhlen mit einer sehr niedrigen
Nahrungsmenge vorkommen, haben sie
einen langsamen Stoffwechsel und kön-
nen annähernd 20 Jahre alt werden, was
für derart kleine Garnelen unglaublich er-
scheint. Die Wassertemperaturen können
ebenfalls stark schwanken, so dass 15 bis
30 °C vertragen werden.
Zu Besuch im Kalaeloa Gänzlich geschlossene Systeme wie die Besonders zahlreich findet man sie al-
Reserve (Barbers Point), Ecosphere (vgl. Bericht in diesem Heft) lerdings in Höhlen und Teichen, in die
Oahu, mit dem Forscher
wurden aufgrund ihrer Eigenschaften ent- Sonnenlicht gelangt. Dort fressen die
S.R. Santos.
wickelt: Opae-ula, wie die bis 15 mm groß Garnelen Bakterienbeläge und Einzeller,
werdende Halocaridina rubra auch ge- die auf der Lava wachsen.
nannt wird, lebt in anchialinen Küstenge- Aufgrund der Bedrohung durch in-
wässern auf Hawaii und einigen benach- vasive Fischarten wie Gambusia affinis
barten Inseln des Südpazifiks, die durch haben die Garnelen dort ihre Verhaltens-

Massenansammlung
von H. rubra am
Teichrand im Kalaeloa
Reserve (Barbers Point),
Oahu.

Wasserwerte
im Aquarium
Temperatur:
20 bis 27 °C
Dichte: 1,0145 bis
1,0168 kg/l
Nitrat: < 20 mg/l
pH-Wert: 8,2 - 8,4

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Titelthema

Fotos: S. R. Santos

weise umgestellt. Bei Feinddruck durch Abgeleitet von den natürlichen Bio- Halocaridina rubra (links)
aus der Waianapanapa-Höhle
tagaktive Fische werden die H. rubra topen sollte das Aquarium mit porösen
(rechts), Hana, Maui.
nachtaktiv und verstecken sich tagsüber. Steinen wie Spaghettisteinen oder Lava-
Eine bedrohliche Ausrottung in derar- steinen eingerichtet sein. Brackwasser
tigen Gewässern konnte wissenschaftlich mit schwankendem Salzgehalt bei Tem-
nicht festgestellt werden und ist dadurch peraturen um 23 °C sind für die Haltung
nicht zu erwarten. am besten geeignet.

Krebse bei den Garnelen

Zusammen mit H. rubra


kommt in der Natur der
etwa drei Zentimeter
groß werdende Knall-
krebs Metabetaeus lo­
hena in einem Verhältnis
von etwa 1:100 vor. Er
Foto: K. A. Quante

ernährt sich wohl von


den Garnelen, schafft Fotos: K. A. Quante

es aber aufgrund seiner


Größe und Trägheit
nicht, einen Garnelenbe-
stand zu stark zu dezimieren. Die Zeichnung ist ähnlich, wobei die kräftigen
Scheren die Krebse leicht von den Garnelen unterscheiden lassen. Daher ist Oben: Ähnlich zur Natur mit
eine Haltung zusammen im Aquarium möglich, wenn der Krebs mit prote- Lavagestein kann man Spaghetti-
steine nutzen, in denen sich die
inhaltigem Futter zugefüttert wird. Allerdings wird er nur durch Zufall mit
Garnelen verstecken können.
Wildfängen von Hawaii-Garnelen importiert. Das Klimahaus Bremerhaven
hatte aus einem Nachlass Tiere erhalten und hinter den Kulissen erfolgreich Unten: Altes Korallengestein aus
vermehrt. einem Meerwasser-Aquarium
kann für die Einrichtung genutzt
werden.

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Titelthema

Glas
Eine Welt im
Halocaridina rubra
im geschlossenen System Melanie Ried & Tina Benneker

In zahlreichen Onlineshops kann man sie kaufen: Ecosphere,


kleine geschlossene Ökosysteme in unterschiedlich großen Glas-
kugeln. Sie werden mit Salzwasser, Kunstkies, Muschelschalen,
Korallen oder Moosbällen und wahlweise auch mit Garnelen be-
füllt und versiegelt.

Bei zu viel Licht nehmen die


Algen überhand. Der mitgelie-
ferte Magnet in Button-Form
dient der Scheibenreinigung.

Die Lebensdauer ...


… einer solchen Ecosphere
liegt laut Hersteller Ecosphe-
re Europe GmbH, www.eco-
Fotos: M. Ried, T. Benneker

sphere-europe.com, bei zwei


bis drei Jahren. Einige Besit-
zer berichten jedoch von we-
sentlich länger funktionie-
renden Systemen, auch mit
Garnelen.
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Foto: K. A. Quante
Die Ecosphere werden gut gepolstert im Halocaridina rubra sind recht anspruchslos, wachsen langsam und fressen wenig, so dass sie
Styroporkarton geliefert. auch in dem geschlossenen System lange überleben.

Der Inhalt der Kugeln ist auf eine Sym- Kreislauf gefüllt. Vor dem Verschließen und Ver-
biose ausgelegt und ahmt das natürliche Pflanzen, in diesem Fall Algen oder Al- siegeln wird reiner Sauerstoff hinzuge-
Ökosystem nach. Die richtige Menge genbälle, nehmen Nährstoffe aus dem fügt. Der Sauerstoff ist wichtig, da dem
Licht ist wichtig, um das Gleichgewicht zu Wasser auf und wandeln diese durch Fo- System auf dem Transportweg kein Licht
erhalten. Ohne Licht würde das System tosynthese zu Sauerstoff um. Den Sauer- zur Verfügung steht und ein Gleichge-
nicht funktionieren. Ob es sich hierbei um stoff benötigen die in der Kugel befind- wicht bzw. die Fotosynthese der Algen
Kunst- oder Tageslicht handelt, ist laut lichen Garnelen, sie geben Kohlendioxid sich erst entwickeln muss.
Hersteller unwichtig, empfohlen werden und Ausscheidungen an das Wasser ab.
6-12 Stunden, direkte Sonneneinstrah- Algen wachsen und dienen den Garnelen Tierbesatz
lung ist aufgrund der Erwärmung der klei- als Nahrung. Bakterien sind ein wichtiger Für Ecosphere werden nur Halocaridina
nen Wassermenge ungeeignet. Bestandteil eines jeden Lebensraums, so rubra verwendet, da diese Garnelen sehr
schließen sie auch hier den Kreis. Sie be- klein bleiben, eine schöne rote Färbung
nötigen ebenfalls Sauerstoff und wan- aufweisen und auch in ihrer natürlichen
deln die Ausscheidungen der Garnelen Umgebung teilweise in sauerstoff- und
und totes organisches Material in Nähr- nahrungsarmen Gewässern vorkommen.
stoffe um, die wiederum die Pflanzen Außerdem sind sie bezüglich des Futters
zum Wachstum benötigen. sehr genügsam und wachsen langsam.
Die verwendeten Korallen sind getrock- Die Tiere sind Wildfänge, so dass keine
nete Gorgonien aus Südostasien. Sie und Angaben zum Alter der Garnelen ge-
die im Kies befindlichen Muschelschalen macht werden können. Ein Versterben
dienen den Algen als Ansiedlungsfläche. einer Garnele lässt das System nicht kip-
Die Kugel wird zu drei Viertel mit einem pen, auch die Überreste werden verstoff-
Gemisch aus Umkehrosmosewasser, Salz, wechselt.
Mineralien und einem Bakterienansatz Die von uns beobachteten Ecosphere
laufen seit fast einem Jahr, wobei die
„Jungle Collection“, die Algenbälle be-
inhaltet, aktuell optisch am reizvollsten
Zwei verschiedene Modelle: das Ecosphere-
Ei „White Line“ mit Koralle und die Kugel ist, hier haben sich weniger Grünalgen
„Jungle Collection“ mit Moosbällen. gebildet.

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