Junge Studentinnen wechseln erstaunte Blicke, wenn ihnen an der Universität unter den Kommilitoninnen ein Gesicht begegnet, auf dem sich Lebenslinien ihren Weg ins fortgeschrittene Alter bahnen. Graue und weisse Köpfe mischen das Bild der Studierenden auf für Eingeweihte längst ein gewohnter Anblick an den Hochschulen, die das Seniorinnenstudium eingeführt haben. Ungewöhnlich jedoch ist die zahlenmässig grosse Überlegenden weiblicher Teilnehmerinnen,wie beispielweise an der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal. Auffalend viele Frauen, die schon dem Rentenalter entgegengehen, aber auch jene um die 50, widmen sich diesem Studiengang: “Frauen spielen hier von Beginn an eine prominente Rolle“, so die Leiterin des wissenschaftlichen Sekretariats des Seniorinnenstudiums, Dr. Felizitas Sagebiel, “ihr Anteil liegt zwischen 70 und 80 Prozent“. Ein Grund dafür liegt möglicherweise darin, dass die Seniorinnen nicht, wie an den meisten Universitäten, den Status unverbindlicher Gasthörerinnen einnehmen, sondern die Wuppertaler Gesamthochschule ihren Altstudentinnen ein zielgerichtetes Studium unter Federführungen des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften anbietet. Nach fünf Semestern ein Abschlusszertifikat erworben werde. Die Voraussetzungen für dieses Zertifikat schreibt die Studienordnung vor. Warum sind es überwiegend Frauen, die diesen späten Lerneifer noch einmal entwickeln? Es ist der messbare Erfolg, der den Reiz ausübt, sich selbst und anderen zu beweisen, dass Frau fähig ist, auch im Alter geistige Arbeit zu leisten. Mehrheitlich sind es Frauen, die das klassische Rollenbild der Geschlechter ihrer Generation widerspiegeln, in der Beruf und Familienarbeit ein anderes Konkurrenzverhältnis bildeten als heute. Die meisten von ihnen hängten bei Familiengründung den Beruf an den Nagel und nahmen ihren Platz im Privaten ein, während der Mann den seinen weterhin im Öffentlichen durch Erwerbsarbeit sicherte und für das materielle Wohl seiner Familie sorgt. Im Seniorinnenstudium nehmen also diese Frauen den Faden erneut auf, der im Zuge von Mutterschaft und des Sorgens um andere nicht wetergesponnen werden konnte. Das ergebnissorientierte Seniorinnenstudium stärkt das Selbstvertrauen dieser Frauen, wenn mit der wohlverdienten Ruhe aber auch eine Leere einzukehren droht.