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Dampfmaschine
(3,967 words)
1. Allgemeines
Article Table of Contents
Die kontinuierlich genutzte Expansionskraft des
1. Allgemeines
Wasserdampfes erlangte erst mit James Watts
Weiterentwicklung der Newcomen-Maschine in der 2. Denis Papins und Thomas
zweiten Hälfte des 18. Jh.s, nach 1800 dann mit der Saverys Pumpe
Hochdruck-D. erhebliche Bedeutung; die Verwendung der 3. Die Feuermaschine
Dampfturbine setzte erst gegen Ende des 19. Jh.s ein; Newcomens
dennoch besaß die D. eine Initialfunktion für die 4. James Watt und die
Industrialisierung. Sie wurde zuerst im Bergbau Dampfmaschine
verwendet (Montanwesen; Bergbautechnik), dann bald 5. Entwicklung und
auch im Verkehrswesen (Dampfschi f und Eisenbahn). In Verbreitung
einem langfristigen historischen Prozess des technischen
Wandels drängte sie andere Antriebsformen zurück bzw.
löste sie ab.
Die wichtigsten Antriebskräfte neben der tierischen und menschlichen Muskelkraft blieben
nach der Renaissance zunächst der Druck von Wasser (Wasserkraft) und Wind (Windenergie),
deren Umsetzung seit Jahrhunderten durch Mühlensysteme bewirkt wurde. Für stärkere
Druckwirkungen stand seit dem frühen 14. Jh. Sprengpulver zur Verfügung. Zur Entfaltung des
komplexen Artefakts D. trugen unterschiedliche Vorüberlegungen in Theorie und Praxis bei,
die mit neuen experimentell beweisbaren Erkenntnissen (Experiment) und zugleich mit der
Ablösung der überkommenen aristotelischen Interpretation der Natur in Zusammenhang
standen; sie führten zu Vorstellungen von einer berechenbaren, quantitativ verstehbaren Natur
und Welt mit materialistisch gedachter Struktur [20] (Materialismus).
Im Streit um den Charakter des leeren Raumes ( Vakuum) bot sich mit der Entdeckung des
Luftdrucks und seiner Materialität (u. a. durch Evangelista Torricelli im 17. Jh.) eine ubiquitär
verfügbare Kraft an, die – in geeigneter Weise als Unterdruck genutzt – eine unerschöp iche
Energiequelle zur Befriedigung herrschaftlicher und gesellschaftlicher Bedürfnisse zu sein
schien ( Pneumatik). Es fehlte allerdings ein Weg, auf dem in regelmäßigen Abständen ein
/
Unterdruck erzeugt und damit diese Kraft genutzt werden konnte: Zum Auspumpen der aus
zwei Hälften bestehenden Kugeln benötigte Otto von Guericke vier Stunden die Arbeitskraft
zweier kräftiger Männer.
Hilfe bei der Lösung der vielen anstehenden Fragen boten im Meinungs- und
Erkenntnisaustausch des 17. Jh.s der intensive Schriftwechsel von Gelehrten (z. B. Marin
Mersennes) und Institutionen (z. B. die Pariser Akademie der Wissenschaften, gegr. 1666, und
die Londoner Royal Society, gegr. 1662), welche die Ergebnisse etwa von Christiaan Huygens
und Denis Papin lebhaft diskutierten und auch auf die Ergebnisse Isaac Beeckmans von 1614/16
zurückgreifen konnten [8] (Gelehrtenkorrespondenz).
Der niederl. Physiker Christiaan Huygens schlug 1681 vor, die Luft unter dem Kolben einer
Pumpe durch Sprengsto f aus dem Zylinder zu treiben, den Kolben dabei zu xieren und nach
Schließung der Auspu öcher den mit der Abkühlung der Luft in das Rohr eintretenden
Kolben zu beobachten. Der franz. Forscher Denis Papin, der seit 1675 ebenfalls bei Robert Boyle
in London experimentierte, verfolgte dabei zwei andere Wege: Zum einen gri f er die Lösung
auf, mit Dampf Druck auf das Wasser in einer mit Ventilklappen ausgestatteten Pumpe (Saug-
Druckpumpe) zu erzeugen.
Sein engl. Konkurrent Thomas Savery (seit 1705 Mitglied der Royal Society) ließ diesen Druck
direkt wirken und erregte mit dieser »Konstruktion Savery« in einem sehr weit gefassten Patent
(1698, 1699–1731) großes Aufsehen: »New invention for raising of water and occasioning motion to
all sorts of mill work by the impellent force of re which will be of great use and advantage for
draining mines, serving towns with water, and for the working of all sorts of mills where they have
not the bene t of water nor of constant winds« (»Neue Er ndung zum Heben von Wasser und
Erzeugen aller Arten von Bewegung für Mühlen, durch die Triebkraft des Feuers, die von
großem Nutzen und Vorteil für das Auspumpen von Bergwerken, für die Versorgung von
Städten mit Wasser und für den Betrieb aller Arten von Mühlen sein wird, wo Wasser oder
ständiger Wind nicht zur Verfügung stehen.«) [11]. Saverys 1702 erschienene Werbeschrift trug
den Titel The miners's friend or an engine to raise water by re (»Bergmanns Freund, oder: eine
Maschine, um Wasser mit Hilfe von Feuer zu heben«; vgl. Abb. 1).
Papin entwickelte die von Savery entworfene Pumpe weiter, indem er einen Kolben zwischen
Dampf und Pumpwasser einsetzte (1707); doch erfüllte diese Verbesserung, die ohne die
Wirkung atmosphärischen Drucks auskam, keine großtechnischen Ansprüche, auch wenn die
Maschine – wie heute nachgewiesen ist – arbeitsfähig war (vgl. Abb. 2).
Papin, seit 1710 wieder in England, gri f daher auf einen schon 1690 von ihm empfohlenen
Mechanismus zur Nutzung des atmosphärischen Drucks zurück. Er ließ diesen in einem
o fenen Zylinder mit Kolben wirksam werden; dies war ein Schritt von einer komplexen und
eleganten (1707) hin zu einer einfachen und erfolgreichen Lösung (vgl. Abb. 3).
/
Diese Idee gri f der mit Savery und Papin bekannte
Thomas Newcomen auf; der Weg des Transfers ist
umstritten.
/
Henry Beighton hatte schon 1717, Thomas Barney dann
1719 detaillierte Zeichnungen der Newcomen-Maschinen
erstellt und vertrieben (u. a. an Mårten Triewald aus
Schweden), die in ganz Europa großes Interesse erregten.
Jacob Leupold publizierte 1725 sogar eine Hochdruck-D.,
Desaguliers und Triewald folgten (nach Ablauf des
Patents) 1734 mit Verö fentlichungen über diese
Maschinen; schon wesentlich früher, ab 1720, waren
jedoch erste Nachbauten auf dem Kontinent erfolgt [4];
[7]; [23]. John O'Kelly, der bei der Arbeit mit Potters
Ne fen Isaac Potter und Henry Beighton Erfahrungen
beim Bau der Maschine gesammelt hatte, errichtete
1721/23 eine Maschine für ein Bergwerk bei Lüttich.
Erst als die Watt'schen Patente 1800 abgelaufen waren, bot sich einer großen Zahl von
Konstrukteuren die Möglichkeit der Weiterentwicklung. Die von Watt erbauten Maschinen
wurden zunächst – wie auch die Newcomens – im Wesentlichen an ihrem Standort selbst
erbaut, Steuerung (von Watt) und Zylinder (von Wilkinson) wurden separat gefertigt.
Schließlich errichteten Boulton und Watt in Soho bei Birmingham 1794 eine eigene Fabrik für
D. Zur Ausbreitung der Watt-Maschinen vgl. [5]; [7]; [12]; [18]; [24].
In der weiteren Entwicklung der D. fällt zunächst die Vielzahl der denkbaren Anordnungen
von Funktionselementen auf: Kessel (Feuerrohrkessel durch Richard Trevithick 1811,
Wasserrohrkessel durch Ernst Alban 1840/50, Feuerungsroste), Zylinder, Kurbelwelle, Balancier
(und seine Umgehung), Gestell, Schwungrad, Kraftübertragung vom Kolben auf die
Arbeitsmaschine (darunter Kurbel und Kreuzkopf) – all diese Zuordnungen wurden den
Bedürfnissen angepasst und mussten technisch in Form und Werksto f optimiert werden
(äußere Verbesserungen); so entstanden die Bügel-, Block-, Turm- und Hammermaschinen
sowie im Jahrzehnt vor 1840 die liegenden (mit Kreuzkop führung für die Geradführung der
Kolbenstange) und die oszillierenden Zylindermaschinen. Dabei konnte die Übertragung auch
fortfallen und die Kolbenstange in einem umgedreht aufgebauten Zylinder direkt auf das
Pumpengestänge wirken, wie Watt schon 1765/6 überlegt hatte (Cornwallmaschine) [22].
Der andere Pfad der Weiterentwicklung lag auf dem Weg der »inneren Optimierung« der
Hochdruckmaschine zur besseren thermischen Nutzung, der genaueren Steuerung (erst mit
der Schiebersteuerung durch G. H. Corliss 1848 begann das Zeitalter der Präzisions-D., die bei
gleicher Leistung die Hälfte des Dampfverbrauches ersparte) und
/
Mehrfachexpansionsmaschinen: Schon Watts Konkurrent Jonathan Hornblower hatte 1781 ein
Patent dafür erhalten (1790/91 erbaut, 1793 wieder aberkannt), den Restdampf des ersten
Zylinders in einen zweiten, breiteren zu leiten, um die noch vorhandene Expansionskraft zu
nutzen. Dessen Mitarbeitern Arthur Woolf und Richard Trevithick gelang es dann 1804/06,
höheren Dampfdruck in zwei Zylindern nacheinander wirken zu lassen. Für Schi fsmaschinen
( Dampfschi f) gri fen die Kolbenstangen in um 90 ° versetzte Kurbeln ein, um ein besseres
Drehmoment zu erhalten; so schufen sie eine ganze »Familie« von sparsamen Mehrzylinder
Maschinen, die – sobald ein Behälter (receiver) für den Übergang dazwischen geschaltet wurde
– Compound-Maschinen genannt wurden. In Deutschland baute G. M. Roentgen eine solche
Maschine 1829 in das Dampfschi f »Hercules« ein.
Die technischen Neuerungen erzielten viele konkrete Verbesserungen: sowohl bei der Größe
der Maschinen und bei ihrer Fertigung als auch bei den Kesseln, die bei Hochdruckmaschinen
druckfester gemacht werden mussten, bei der Feuerung (Roste) sowie bei der Umsteuerung
(im Verkehr). Aufgrund dieser Folgeinnovationen erweiterte sich das Anwendungsgebiet der D.
über den Bergbau hinaus bes. auf das Verkehrswesen (Transport und Verkehr) und auf die
gewerbliche Produktion; hier setzte sich, ausgehend von Großbritannien, die Damp raft im
ersten Drittel des 19. Jh.s bei der Mechanisierung zunehmend durch. So hatte die engl.
Textilindustrie 1838 bereits 3 000 D. mit ca. 34 000 PS in Betrieb, aber nur mehr 2 330
Wasserräder mit 28 000 PS installiert (Wasserkraft) [15. 168].
Wenn man die Mechanisierung sowohl als alleinige materielle (und konzeptuelle)
Voraussetzung als auch als alleiniges Paradigma für den industriellen Produktionsvorgang
betrachtet, so fehlt der Blick auf die nur begrenzt zur Verfügung stehenden natürlichen
/
Ressourcen, die zum Antrieb von Technik und Verkehr notwendig sind. Der mit der Nutzung
der Steinkohle fortschreitende Maschinenbau aus Eisen und Stahl, der die technischen
Erkenntnisse der Naturwissenschaften nutzte, gehört (als Paradigma des
Schwermaschinenbaus) mit zu den Grundlagen, auf denen sich bis in die zweite Hälfte des 19.
Jh.s die industriellen Gesellschaften Europas und der USA entwickelten.
Bibliography
Quellen
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Sekundärliteratur
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Practice, in: C . B / M. A. D (Hrsg.), Konjunkturen im europ. Bergbau in
vorindustrieller Zeit (FS E. Westermann), 2000, 211–236
[10] F. K , Der Weg von Guericke zu Watt, in: F. K , Zur Kulturgeschichte der Technik.
Aufsätze und Vorträge 1954–1978, 1982, 182–193
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[13] W. M , The Energy Basis of the British Industrial Revolution, in: G. B
(Hrsg.), Wind- und Wasserkraft. Die Nutzung regenerierbarer Energiequellen in der Geschichte,
1989, 342–362
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[18] E. R , The Early Di fusion of Steam Power, in: The Journal of Economic History 34,
1974, 91–107
[20] S . S / S. S , Leviathan and the Air Pump: Hobbes, Boyle and the
Experimantal Life, 1985
[21] M. T , The Early History of the Newcomen Engine at Nova Bana (Königsberg). Isaac
Potter's Negotiations with the Kunstkammer and the Signing of the Agreement of 19 August
1921, in: East-Central Europe (L'Europe du Centre-Est), Special Volume 9, Teil 1 und 2, 1982, 24–
38
Weber, Wol ard, “Dampfmaschine”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in
Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst
Poeschel Verlag GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-0248_edn_COM_252711>
First published online: 2019
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