GETRENNT ERZIEHEN
Zitierempfehlung:
Walper, S., Kreyenfeld, M., Beblo, M., Hahlweg, K., Nebe, K., Schuler-Harms, M., Fegert, J. M. und der Wis-
senschaftliche Beirat für Familienfragen (2021). Gemeinsam getrennt erziehen. Gutachten des Wissen-
schaftlichen Beirats für Familienfragen beim BMFSFJ. Berlin: Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen
beim BMFSFJ.
INHALT
1 Einleitung 8
2.1 Das elterliche Sorgerecht in der Partnerschaft und nach der Trennung 11
2.2 Aktueller juristischer Diskurs zum Wechselmodell: erste Klärungen 13
2.3 Unterhalt 15
2.3.1 Kindesunterhalt bei geteilter Betreuung in Deutschland
und im internationalen Vergleich 15
2.3.2 Nachehelicher Unterhalt und Betreuungsunterhalt 16
2.4 Familienbezogene Leistungen bei geteilter Betreuung 16
2.4.1 Ein Überblick über betroffene Rechtsbereiche 16
2.4.2 Kinderfreibetrag und Kindergeld 18
2.4.3 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG 20
2.4.4 Unterhaltsvorschuss 22
2.4.5 Kinderzuschlag 23
2.4.6 Leistungen für Bildung und Teilhabe 24
2.4.7 Wohngeld und soziale Wohnungsförderung 24
2.4.8 Leistungen nach SGB II 25
2.5 Zwischenfazit 26
3.1 Die Instabilität von Ehen und Partnerschaften und deren Bedeutung für Elternschaft 28
3.1.1 Trennungswahrscheinlichkeit nach Alter des (ersten) Kindes 30
3.1.2 Betroffenheit von Kindern von Trennung und Scheidung 32
3.2 Betreuungsmodelle und Kontakt zum getrennt lebenden Elternteil 32
3.2.1 Bestimmung und Verbreitung von „Residenz“ 32
3.2.2 Bestimmung und Verbreitung von geteilter Betreuung/Wechselmodell 34
3.2.3 Bestimmung und Verbreitung von „Kontakt“ 35
3.3 Alleinerziehende Väter und Mütter 36
3.4 Unterhaltszahlungen 37
3.4.1 Barunterhalt für die Kinder 37
3.4.2 Nachehelicher Unterhalt 39
3.4.3 Unterhaltsvorschuss 39
3.5 Zwischenfazit 41
Inhalt
5.1 Risiken und Chancen einer elterlichen Trennung für die Kinder: ein erster Einblick 49
5.2 Was zählt für das Wohlergehen der Kinder? 52
5.2.1 Die Häufigkeit der Kontakte zum getrennten Vater 52
5.2.2 Destruktive Konflikte der Eltern 53
5.2.3 Belastungen des Wohlbefindens und der seelischen Gesundheit der Eltern 56
5.2.4 Dysfunktionale Erziehung und Probleme in der Eltern-Kind-Beziehung 58
5.2.5 Probleme in der Zusammenarbeit der Eltern bei der Betreuung und
Erziehung der Kinder 59
5.2.6 Familiäre Gewalt 60
5.2.7 Zur Kumulation von B elastungsfaktoren 62
5.3 Geteilte Betreuung und ihre Bedeutung für Eltern-Kind-Beziehungen und
das Wohlergehen von Kindern 63
5.3.1 Befunde zur Eltern-Kind-Beziehung 64
5.3.2 Zur Entwicklung der Kinder 64
5.3.3 Mögliche vermittelnde und m oderierende Faktoren 66
5.3.4 Besonders vulnerable Kinder 69
5.4 Zwischenfazit 70
8 Literatur 104
9 Anhang 118
1 EINLEITUNG
Wenn sich Eltern zu einer Trennung entscheiden und getrennten Eltern auch die Aufteilung der alltäglichen
überlegen, wie sie zukünftig ihre Aufgaben als Eltern Betreuung und Erziehung der Kinder zur Disposition.
aufteilen und wahrnehmen wollen, stehen ihre Pla- Insbesondere zeigt dies die intensive Diskussion über
nungen vielfach unter anderen Vorzeichen als noch das sogenannte Wechselmodell beziehungsweise die
vor 20 Jahren. Zwar wurde schon in der Kindschafts- geteilte Betreuung von Kindern durch ihre getrennten
rechtsreform aus dem Jahr 1998 die geteilte Verant- Eltern. Diese Diskussion wollen wir hier aufgreifen und
wortung beider Elternteile gestärkt, indem das ge- nutzen, um die veränderten Anforderungen an die
meinsame Sorgerecht zum Regelfall bei einer Unterstützung von Trennungsfamilien sowie hiermit
Scheidung der Eltern gemacht wurde. Heute steht verbundene politische Bedarfe herauszuarbeiten.
jedoch weitaus stärker als in der Vergangenheit unter
Die Bezeichnungen „Wechselmodell“ und „geteilte Betreuung“ werden im Folgenden weitgehend, aber
nicht gänzlich gleichbedeutend verwendet. Wir lehnen uns an die von Schumann (2018) vorgeschlagene
Begrifflichkeit an, nach der geteilte Betreuung unterschiedliche Formen der von beiden Eltern gemeinsam
getragenen Betreuung und Elternverantwortung für ihre Kinder umfasst, ohne dass die Eltern eine ge-
meinsame Partnerschaft (mehr) führen. Hierzu gehören das Wechselmodell, der erweiterte Umgang und
das Nestmodell (ibid., B10). Die Bezeichnung „geteilte Betreuung“ ist also weiter gefasst als das Wechsel-
modell, bei dem das Kind beziehungsweise die Kinder abwechselnd ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt
des einen und des anderen Elternteils einnehmen. Je nach dem Betreuungsanteil beider Eltern wird unter-
schieden zwischen symmetrisch geteilter Betreuung, bei der die Kinder zu annähernd gleichen Teilen bei
jedem Elternteil leben, und asymmetrisch geteilter Betreuung, bei der ein Elternteil die Hauptbetreuung
übernimmt und der andere substanziell mitbetreut. Das Nestmodell, bei dem die Kinder ihren Lebensmit-
telpunkt in einer Wohnung behalten und die Eltern sich regelmäßig im Zusammenleben mit dem Kind
ablösen, kommt in der Praxis nur selten vor.
Bislang unterscheidet das deutsche Familienrecht Unterhalts zuständig war. Auch heute noch überwiegt
bei gemeinsamem Sorgerecht zwischen einem in (West-)Deutschland eine geschlechtstypische Ar
hauptbetreuenden Elternteil und einem Besuchs- beitsteilung in Familien, nun im Ernährer-Zuverdiener-
oder Umgangselternteil (Kinderrechtekommission Modell (Dechant, Rost & Schulz, 2014; Hipp & Leuze,
des Deutschen Familiengerichtstags e. V., 2014). Die- 2015; OECD, 2017). Gleichwohl haben sich Rollen-
se Aufgabenteilung im sogenannten Residenzmodell normen und das Selbstverständnis von Vätern merk-
entsprach lange der familialen Arbeitsteilung in Kern- lich geändert. Das Ideal einer egalitären Arbeitstei-
beziehungsweise Zwei-Eltern-Familien, bei der ein El- lung, bei der auch Väter einen vergleichbaren Anteil
ternteil – ganz überwiegend die Mutter – die Betreu- der Familienarbeit übernehmen, hat auf breiter Ebene
ung und Erziehung der Kinder übernahm, während der Fuß gefasst (Blohm & Walter, 2016).
Vater als Ernährer der Familie für die Sicherung des
8
1 Einleitung
Als Alternative zum Residenzmodell steht das soge- Im Folgenden wird die durchaus kontrovers geführte
nannte Wechselmodell beziehungsweise Doppelresi- Diskussion über das Wechselmodell beziehungsweise
denzmodell oder geteilte Betreuung im Mittelpunkt geteilte Betreuung aufgegriffen. Zunächst betrachten
aktueller Diskussionen (Schumann, 2018; Sünder wir Trennungsfamilien aus juristischer Perspektive, um
hauf, 2013; Wissenschaftliche Dienste, 2015, 2018). zentrale Aspekte des aktuellen Regelungsbedarfs he-
Es ist vielfach mit hohen Erwartungen verbunden, soll rauszuarbeiten (Abschnitt 2). Besonderes Augenmerk
es doch in Trennungsfamilien eine bessere Gleichstel- gilt dem Kindesunterhalt bei geteilter Betreuung, der
lung beider Eltern ermöglichen, durch bessere Er- bislang nur bei streng paritätischer Aufteilung der Be-
werbsmöglichkeiten das Armutsrisiko für Mütter redu- treuungszeiten beider Eltern angepasst werden muss.
zieren, die Vater-Kind-Beziehung stärken, Konflikte um Hier besteht deutlicher Reformbedarf, wenn zukünftig
den Umgang überflüssig machen und damit gleichzei- auch mehr oder minder geringfügige Abweichungen
tig eine kindgerechtere Lösung bieten (Sünderhauf, von einer 50 :
50-Verteilung in der Unterhaltsbe
2013). Bei geteilter Betreuung im Wechselmodell le- messung berücksichtigt werden sollen. Darüber
ben die Kinder abwechselnd bei beiden Eltern und hinaus werden aber auch in anderen Rechtsbereichen
werden von diesen zu (annähernd) gleichen Teilen erforderliche Anpassungen aufgezeigt. Im Anschluss
(symmetrisches Wechselmodell) oder mit zwar unter- liefern wir eine Zustandsbeschreibung zur Instabilität
schiedlichen, aber für beide Eltern substanziellen An- von ehelichen und nicht ehelichen Paarbeziehungen
teilen (asymmetrisches Wechselmodell) betreut. Be- und gehen auf die Verbreitung „geteilter Betreuung“
sondere Bedeutung wird hierbei den Übernachtungen ein (Abschnitt 3). Auch die Fragen nach der Kontakt-
der Kinder bei beiden Eltern zugeschrieben, da Über- häufigkeit beziehungsweise nach Kontaktabbrüchen
nachtungen – anders als stundenweise Besuche – ein und Unterhaltszahlungen werden anhand aktueller
stärkeres Gefühl von „Zuhause-Sein“ vermitteln sollen Daten aufgegriffen. Anschließend stellen wir empiri-
(Altenhofen et al., 2010). Mitunter kommt auch das so- sche Erkenntnisse zu Faktoren dar, die den Kontakt
genannte Nestmodell zur Sprache, bei dem die Kinder getrennt lebender Väter zu ihren Kindern und die Wahl
einen festen Lebensmittelpunkt behalten und die El- des Betreuungsmodells beeinflussen (Abschnitt 4),
tern abwechselnd in den Haushalt des Kindes pendeln und wenden uns der Frage zu, wie sich die Befundlage
(vergleiche zum Beispiel Barth-Richtarz, 2012; Fritz, zum Wohlergehen der Kinder und Eltern in Trennungs-
2014). Allerdings nimmt das Nestmodell in der aktuel- familien und speziell in unterschiedlichen Betreuungs-
len Diskussion keinen prominenten Platz ein, da es modellen darstellt (Abschnitt 5). Auch wenn die ver-
auch international nur selten realisiert wird. fügbaren Befunde keine Ursache-Wirkungs-Aussagen
erlauben, sind diese Erkenntnisse für Eltern wie Bera-
Auf dem Deutschen Juristentag wurde im September tungsdienste doch von zentraler Bedeutung, da sie für
2018 in der Abteilung Familienrecht zum Thema „Ge- die Entscheidungsfindung im Einzelfall wichtige Orien-
meinsam getragene Elternverantwortung nach Tren- tierungspunkte bieten.
nung und Scheidung – Reformbedarf im Sorge-, Um-
gangs- und Unterhaltsrecht?“ referiert und das von Es ist davon auszugehen, dass mit der steigenden
Schumann erstellte Gutachten (Schumann, 2018) dis- Vielfalt von Optionen in der Gestaltung von Betreu-
kutiert (DJT, 2018). Die Beschlüsse zeigen eine breite ungsarrangements der Beratungsbedarf von Tren-
Zustimmung zur rechtlichen Verankerung geteilter Be- nungsfamilien steigt. Auch das Profil der Beratungs-
treuung, die rechtssystematisch als Ausübung ge- leistungen ist zu überdenken. Vor diesem Hintergrund
meinsamer Sorge eingeordnet wird. Eher knapp fielen fasst Abschnitt 6 bisherige Erkenntnisse zur Bedeu-
die Beschlüsse zur genaueren Bestimmung geteilter tung von Elternbildung, Beratung und Mediation im
Betreuung in Abgrenzung vom Residenzmodell aus. Scheidungs- und Trennungsprozess zusammen und
Deutlich befürwortet wurde jedoch, dass eine eigene zeigt mögliche Weiterentwicklungen auf. Im letzten
Rechtsgrundlage für die gerichtliche Anordnung ge- Abschnitt werden Empfehlungen ausgesprochen. Aus
teilter Betreuung zu schaffen ist. Auch die vorgeschla- der geteilten Betreuung ergeben sich Regelungsbe-
genen Kriterien, an denen sich die Kindeswohlprü- darfe in unterschiedlichen Rechtsgebieten, die hier
fung bei gerichtlichen Entscheidungen über geteilte nur partiell angesprochen werden können. Auch wenn
Betreuung orientieren soll, fanden breite Zustimmung. die Regelungen unterschiedlicher Rechtsbereiche be-
gründet unterschiedlichen Logiken folgen, ist in einer
umfassenderen Reform auf eine bessere Abstimmung
9
1 Einleitung
und möglichst weitgehende Vereinheitlichung der je- eine Stärkung der Elternautonomie durch verbindli-
weiligen Regelungen zu achten. Spezifischere Emp- che Elternvereinbarungen, die alle Regelungsbereiche
fehlungen beschränken sich aus pragmatischen (Sorgerecht, Betreuungsarrangement und Unterhalt)
Gründen auf Empfehlungen zum juristischen Rege- gemeinsam in den Blick nehmen. Der unterstützen-
lungsbedarf im Bereich des Kindesunterhalts. Zudem den Beratung oder Mediation kommt hierbei ent-
zeigen wir Anforderungen an die zukünftige Ausrich- scheidende Bedeutung zu. Nicht zuletzt weisen wir
tung unterstützender Beratungs- und Mediationsan- auf dringende Forschungs- und Datenbedarfe hin,
gebote für Trennungsfamilien auf und argumentie- um besseren Aufschluss über Trennungsfamilien in
ren – im Einklang mit dem Deutschen Juristentag – für Deutschland zu gewinnen.
Positionen der politischen Parteien und Verbände In der politischen Diskussion werden die
folgenden Positionen vertreten:
Die SPD sieht es für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter als notwendig an, eine gesetzliche
Grundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu schaffen, sodass das Wechselmodell im Sinne des Kin-
deswohls gerichtlich angeordnet werden kann (Positionspapier 2017) (SPD, 2017).
Die FDP sprach sich in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 für die Einführung des
Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall aus (FDP, 2017). Die Justizministerkonferenz 2017 be-
schloss zu prüfen, welche gesetzlichen Regelungen zum Wechselmodell als Alternative zum Residenz-
modell geboten seien.
Die Linke hat sich in ihrem Antrag an den Bundestag gegen die Festlegung des Wechselmodells als Regel-
fall ausgesprochen und die Bundesregierung vor allem aufgefordert, bei der Gestaltung von Sozialleistun-
gen stärker die Mehrkosten, die das Wechselmodell verursacht, zu berücksichtigen (DIE LINKE, 2018).1
Der Deutsche Kinderschutzbund, die Deutsche Liga für das Kind und der Verband alleinstehender
Väter und Mütter halten ebenfalls die Einführung des Wechselmodells als Regelmodell für ungeeignet
(Kinderschutzbund, Deutsche Liga für das Kind & VAMV, 2017). Die paritätische Teilung sei sehr an-
spruchsvoll und müsse sich jeweils am Kindeswohl orientieren. Zudem seien mehrere Faktoren, wie das
Alter des Kindes, für das Gelingen dieses Modells zu beachten.
1 Online: https://dserver.bundestag.de/btd/19/011/1901172.pdf
2 Siehe https://vaeteraufbruch.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/FlyerPDR-201506.pdf.
10
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
2 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
EINER TRENNUNG MIT KIND: SORGERECHT,
UMGANG, BETREUUNG UND UNTERHALT
2.1 Das elterliche Sorgerecht Die Sorgeberechtigten haben sich bei der Ausübung
in der Partnerschaft und nach ihres Rechts stets am Kindeswohl zu orientieren (ver-
gleiche §§ 1627, 1697a BGB). Das Kindeswohl be-
der Trennung inhaltet auch das Recht auf kontinuierliche und stabile
Beziehungen zu den Sorgeberechtigten. Bei der Tren-
Durch Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes wird den nung der Sorgeberechtigten können Schwierigkeiten
Eltern das Recht auf die Pflege und Erziehung des bei der bestmöglichen Gewährleistung der Kindes-
Kindes und zugleich ein Abwehrrecht gegen unzuläs- wohlinteressen entstehen, denn Kontakte müssen
sige staatliche Eingriffe in diesen Bereich eingeräumt haushaltsübergreifend organisiert werden, können
und garantiert.3 Dadurch wird den Sorgeberechtigten durch Konflikte überschattet werden und aus vielen
trotz gewisser Grenzen (vergleiche §§ 1666, 1666a, Gründen abbrechen. Dies gilt vor allem auch dann,
1667 BGB) ein großer Gestaltungsspielraum für die wenn nie eine partnerschaftliche Beziehung zwischen
Erziehung und Betreuung ihrer Kinder gegeben (Wel- den Elternteilen bestanden hat. Selbst wenn (werden-
lenhofer, 2017, § 32 Rn. 1). Gemäß § 1626 Absatz 1 de) Eltern vor der Geburt des Kindes zwar eine Part-
BGB haben grundsätzlich die Eltern die Pflicht und nerschaft führen, aber nicht zusammenleben, wird
das Recht, für das minderjährige Kind hinsichtlich der seltener das gemeinsame Sorgerecht etabliert, weil
Person und des Vermögens zu sorgen. Ziel der elter- häufiger Bedenken hinsichtlich des Kindeswohls
lichen Sorge ist es, das Kind zu eigenständigem Han- bestehen (Langmeyer & Walper, 2013). Das gemein-
deln zu befähigen (vergleiche § 1626 Absatz 2 BGB). same Sorgerecht bleibt seit der Kindschaftsrechtsre-
Zudem kommt den Eltern die Vertretung des Kindes form 1998 von der Scheidung oder dem Getrenntle-
im Rahmen der elterlichen Sorge als Vertretungsmacht ben4 der Eltern unberührt bestehen.5 Eine Änderung
nach außen zu (§ 1629 Absatz 1 BGB) (Wellenhofer, des gemeinsamen Sorgerechts ist nur auf Antrag
2017, § 33 Rn. 11). Danach sind die Sorgeberechtigten möglich (vergleiche § 1671 BGB).
befugt, rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnli-
che Willenserklärungen mit Wirkung für und gegen ihr Wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern getrennt le-
Kind (§§ 164 f. BGB) abzugeben, insoweit das Gesetz ben, stellen sich Fragen elterlicher Kompetenzvertei-
keine Teilmündigkeiten für dieses vorsieht. lung anders als bei bestehender Lebensgemein-
schaft, unter anderem da oftmals eine geringere
Kooperations- und Konsensbereitschaft besteht.
Konflikthafte Situationen, die regelmäßig auch in einer
praktizierten Lebensgemeinschaft auftreten können,
bergen bei getrennten Lebenswirklichkeiten der Eltern
11
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
und damit verbunden erhöhtem Kommunikations- legenheiten des täglichen Lebens betreffen (dann
und Abstimmungsaufwand häufiger die Gefahr, zur Alleinentscheidungsbefugnis der- oder desjenigen,
Belastung zu werden, vor allem für das Kind. Deswe- die oder der überwiegend betreut, vergleiche § 1687
gen hat der Gesetzgeber versucht, in der Kompetenz- Absatz 1 Satz 2 BGB) oder ob es sich nur um solche
verteilung der Eltern den besonderen Anforderungen der tatsächlichen Betreuung handelt (dann Alleinent-
der Trennungssituation gerecht zu werden. Bliebe es scheidung der oder des tatsächlich Betreuenden, ver-
auch bei getrennt Lebenden bei § 1627 BGB, würde gleiche § 1687 Absatz 1 Satz 4 BGB), wirft in der Pra-
dies die gemeinsame Sorgerechtsausübung in All- xis typische Abgrenzungsfragen auf, die längst auch
tagsfragen deutlich erschweren. Der Gesetzgeber hat die Gerichte erreicht haben. Ist beispielsweise die
daher für die trotz Trennung der Eltern fortbestehende Urlaubsreise in die Türkei angesichts der aktuell insta-
gemeinsame Sorge mit § 1687 BGB eine Norm ge- bilen politischen Lage eine Angelegenheit von erheb-
schaffen, die Konflikte reduzieren soll. Damit wollte er licher Bedeutung oder bleibt sie als Ausgestaltung
seiner staatlichen Verantwortung für das Kindeswohl von Freizeit eine Angelegenheit des täglichen Lebens
und für eine kindgerecht funktionierende Elternauto- (vergleiche exemplarisch dazu Oberlandesgericht
nomie gerecht werden (Bundestag, 1996).6 (OLG) Frankfurt, 21. Juli 2016, 5 UF 206/16)? Kann
der nicht überwiegend betreuende Elternteil wegen
Gemäß § 1687 BGB obliegt dem Elternteil, bei dem grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 1628 BGB ver-
das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die al- langen, die Entscheidung über Impfungen auf ihn zu
leinige Entscheidungsbefugnis für Angelegenheiten übertragen, wenn die Eltern über deren Vornahme un-
des täglichen Lebens (Satz 2). Als Entscheidungen einig sind (vergleiche dazu exemplarisch OLG Thürin-
des täglichen Lebens bezeichnet das Gesetz in der gen, 7. März 2016, 4 UF 686/15, FamRZ 16, 1175)?
Regel solche, die häufig vorkommen und keine schwer
abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung Die Anwendung des § 1687 BGB verkompliziert sich
des Kindes haben (Satz 3) (Schilling, 2007). Dem an- dann, wenn die Betreuungsverantwortung zwischen
deren Elternteil verbleiben die Entscheidungen in An beiden Elternteilen weitgehend gleich verteilt ist und
gelegenheiten der tatsächlichen Betreuung wäh- regelmäßig wechselt. Für § 1687 BGB stand das so-
rend des Umgangs (Satz 4). Dabei stellt dieses Recht genannte Residenzmodell als Leitbild parat, dessen
keine Alleinvertretungsbefugnis, sondern lediglich ein Unterscheidung zwischen einem „Elternteil, bei dem
Entscheidungsrecht unter anderem bezüglich der Er- sich das Kind … gewöhnlich aufhält“ (hauptbetreuen-
nährung oder Schlafenszeit dar. Ihm obliegt lediglich der Elternteil), und einem „anderen Elternteil“ in Fällen
die Notvertretungsmacht gemäß § 1629 Absatz 1 Satz 4 geteilter Betreuung nicht greift. Für die Ausgestaltung
BGB. Bezüglich der Angelegenheiten, die für das eines Modells mit wechselnder Betreuung – der Bun-
Kind von erheblicher Bedeutung sind, ist ein gegen- desgerichtshof (BGH) spricht im Fall einer Gleichver-
seitiges Einvernehmen notwendig (Satz 1).7 Wenn kei- teilung der Betreuungszeiten beider Eltern in ihrem
ne Einigung erzielt werden kann, steht der Weg einer jeweiligen Haushalt von einem paritätischen Wechsel-
gerichtlichen Entscheidung offen (vergleiche § 1628 modell8 (grundlegend dazu BGH vom 1. Februar 2017,
BGB). XII 7 B 601/15, NJW 2017, 1815) – stellen sich somit
weitere Fragen in der Anwendung von § 1687 BGB
Diese Aufteilung der elterlichen Kompetenzen je (dazu nur Hennemann, 2017, Seite 1787 f.; Wellen-
nachdem, ob die Regelungen für das Kind von erheb- hofer, 2018, Seite 2758, 2760).
licher Bedeutung sind (dann Einvernehmen, verglei-
che § 1687 Absatz 1 Satz 1 BGB), ob sie bloße Ange-
6 Staudinger/Salgo (2019) § 1687 Rn. 2. Daneben spielen verfahrensrechtliche Regelungen wie § 156 FamFG und § 17 Absatz 2 Sozialge-
setzbuch (SGB) VIII eine wichtige Rolle. Das Gericht soll hiernach in Kindschaftssachen, welche die elterliche Sorge bei Trennung und
Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, in jeder Lage des Verfahrens auf
ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Kinder- und jugendhilferechtlich sind die Eltern
im Fall der Trennung und Scheidung bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge
und Verantwortung zu unterstützen. An der Entwicklung des Konzepts, das auch als Grundlage für einen Vergleich oder eine gerichtliche
Einigung im familiengerichtlichen Verfahren dienen kann, ist auch das Kind beziehungsweise der oder die Jugendliche zu beteiligen.
7 Dazu zählt unter anderem auch die Verabreichung einer Routineimpfung: BGH, Beschluss vom 03.05.2017, XII ZB 157/16, NZFam 2017,
561 (561); weitere Beispiele für Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung in: Schilling, NJW 2007, 3233, 3234.
8 BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15, NZFam 2017, 206 (207).
12
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
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2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
Die Literatur (vergleiche Ruetten, 2016) und Recht- die Bestimmung eines Betreuungsmodells durch das
sprechung haben sich breit mit einzelnen Problem- Gericht wie eine Umgangsregelung lediglich die Aus-
stellungen zum Wechselmodell befasst. Im Folgenden übung des Sorgerechts betreffe, ohne das Sorgerecht
greifen wir zentrale Punkte auf. einzuschränken oder zu entziehen.13 Der BGH stellt
lediglich fest, dass die Anordnung des Wechselmo-
Verfassungsmäßigkeit der Gesetzeslage zur dells über § 1684 BGB bei Eltern, die nicht das ge-
gerichtlichen Anordnung des Wechselmodells meinsame Sorgerecht innehaben, zu sachlichen Wi-
In einigen Ländern wie Kanada und Australien wurde dersprüchen führen könne.14
geteilte Betreuung als zu präferierende Lösung für
Trennungsfamilien gesetzlich verankert, unter ande- Teilweise wird vorgebracht, dass gegen die Anord-
rem indem bei Konflikten der Eltern über Umgang nung über die Umgangsregelung spreche, dass die
und Betreuung seitens der Gerichte dem Wechsel- Norm lediglich den Umgang und gerade nicht die Be-
modell der Vorzug gegeben werden soll. Andere Län- treuung beziehungsweise das Aufenthaltsbestim-
der (wie die Niederlande) haben eine häufigere Nut- mungsrecht betreffe. Das Umgangsrecht berechtige
zung geteilter Betreuung durch Gesetzesreformen gerade nur zu einem Recht der tatsächlichen Betreu-
angeregt, ohne geteilte Betreuung beziehungsweise ung gemäß § 1687 Absatz 1 Satz 4 BGB (Fritz, 2014).
das Wechselmodell zur verpflichtenden Lösung zu Das Umgangsrecht solle dem nicht Betreuenden er-
machen. Auch in Deutschland wurde geprüft, inwie- möglichen, die Bindung zu seinem Kind durch regel-
weit das Grundgesetz und/oder die UN-Kinderrechts mäßige Aufenthalte zu pflegen. Das paritätische
konvention entsprechend weitreichende Reformen Wechselmodell gehe jedoch über die reine Umgangs-
nahelegen. Nach Rechtsprechung des BVerfG ist der regelung hinaus, weil das Kind seinen gewöhnlichen
Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, das Wechsel- Aufenthalt in diesem Fall gerade bei beiden Sorgebe-
modell als Regelfall im Gesetz zu verankern.9 Aus Ar- rechtigten habe (Hennemann, 2017). Zum Teil wird die
tikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes ergebe sich Anordnung des Wechselmodells daher als sorge-
nicht, dass der Gesetzgeber den Gerichten eine Re- rechtliche Regelung im Sinne des § 1671 BGB be-
gelung für paritätische Betreuungsmodelle vorgeben trachtet (Fritz, 2014).
müsse.10 Auch eine völkerrechtskonforme Auslegung
im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention ergebe Verteilung der elterlichen Entscheidungs
nichts Gegenteiliges.11 Damit belässt das BVerfG der kompetenzen beim Wechselmodell
Gesetzgebung einen weiten Gestaltungsspielraum. Streitig ist zudem, wie sich die Verteilung der elterli-
chen Entscheidungskompetenzen nach § 1687 BGB
Familienrechtliche Einordnung auf das Wechselmodell übertragen lässt. Zum Teil
des Wechselmodells wird vorgebracht, dass die Alleinentscheidungsbe-
Bei entsprechenden Spielräumen für die Wahl eines fugnis in Fragen der Alltagssorge mit der jeweiligen
Betreuungsmodells stellt sich die Frage, wie auf Basis Hauptbetreuung wechseln solle (Fritz, 2014; Schmid,
der aktuell gültigen Gesetzeslage bei Uneinigkeit der 2016). § 1687 Absatz 1 Satz 2 und 3 BGB sei analog
Eltern zu entscheiden ist. Kann im gerichtlichen Kon- anzuwenden (Schmid, 2016). Der BGH äußert sich in
flikt das Wechselmodell angeordnet werden? Einer seiner jüngsten Rechtsprechung lediglich dahin ge-
Auslegung des BGH zufolge stellt die Anordnung des hend,, dass sich die sorgerechtlichen Folgen aus
Wechselmodells gegen den Willen des mitsorgebe- § 1687 BGB entnehmen ließen.15
rechtigten Elternteils eine Umgangsregelung dar und
könne gemäß § 1684 Absatz 3 BGB angeordnet wer-
den.12 Dafür spricht nach Auffassung des BGH, dass
9 BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015, 1 BvR 486/14, NJW 2015, 3366 (3366)
10 BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015, 1 BvR 486/14, NJW 2015, 3366 (3367)
11 BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015, 1 BvR 486/14, NJW 2015, 3366 (3366)
12 BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15, NZFam 2017, 206 (206)
13 BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15, NZFam 2017, 206 (208)
14 BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15, NZFam 2017, 206 (208)
15 BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15, NZFam 2017, 206 (209)
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2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
Gegen die Anwendung des Grundkonzepts des haltspflichtig, wobei sich die Höhe des Unterhalts an
§ 1687 BGB wird allerdings vorgetragen, dass der Be- seinem Einkommen orientiert und anhand der Düssel-
reich der Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, dorfer Tabelle berechnet wird. Die Unterhaltsregelung
die ein Einvernehmen der Eltern erfordern, beim Wech- des § 1606 BGB stellt somit ebenfalls auf das Resi-
selmodell weiter gefasst werden müsste, um konträ- denzmodell als Standard ab. Erhält der betreuende El-
ren Entscheidungen entgegenzuwirken (Finke, 2014). ternteil keinen Kindesunterhalt vom anderen Elternteil,
Damit soll gewährleistet werden, dass betroffene Kin- ist er berechtigt, Unterhaltsvorschuss zu beantragen.
der bei geteilter Betreuung der Eltern nicht disparaten Unterhaltsvorschuss sichert allerdings weniger als den
Lebenswelten mit widersprüchlichen elterlichen Vor- Mindestunterhalt, da im Unterhaltsvorschuss für das
gaben ausgesetzt sind. Auch die im BGH-Beschluss erste Kind das volle Kindergeld angerechnet wird, im
formulierte Voraussetzung einer bestehenden Kom- Mindestunterhalt demgegenüber nur das halbe Kin-
munikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ist dergeld. Bis 2017 war der Unterhaltsvorschuss zudem
in diesem Kontext zu sehen. Hinzu kommt, dass bei auf eine Bezugsdauer von 72 Monaten und auf Kinder
geteilter Betreuung de facto mehr Belange der Kinder bis zwölf Jahre begrenzt. Ab 2017 ist die zeitliche Be-
im Konsens der Eltern gelöst werden müssen. Dies grenzung für Kinder bis zwölf Jahre aufgehoben wor-
betrifft nicht zuletzt die Ausgaben für Bedarfe der Kin- den und die Möglichkeit, Unterhaltsvorschuss für äl-
der, die nun nicht mehr in der Hand eines Elternteils tere Kinder zu beantragen, erweitert worden. Allerdings
liegen, sondern von beiden Eltern (weitgehend) glei- ist der Bezug von Unterhaltsvorschuss für Kinder ab
chermaßen oder zumindest entsprechend ihren finan- zwölf Jahren abhängig vom Einkommen des allein-
ziellen Möglichkeiten gedeckt werden müssen (siehe erziehenden Elternteils. Bei ALG-II-Bezug entfällt der
Abschnitt 2.3 zum Unterhalt bei geteilter Betreuung). Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, es sei denn, mit
Während beim Residenzmodell der Erwerb des Win- ihm kann der ALG-II-Bezug vermieden werden. Eine
termantels und der Schulmaterialien für die Kinder weitere Ausnahme stellen Eltern mit einem Einkom-
durch den hauptbetreuenden Elternteil organisiert und men von mindestens 600 Euro dar, die Arbeitslosen-
durch die Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils geld (ALG) II als sogenannt Aufstocker beziehen.17
mitgetragen wurde, müssen sich bei geteilter Betreu-
ung die Eltern darüber einigen, wer den Wintermantel Fraglich ist, wie die Unterhaltsansprüche im Wechsel-
und wer die Schulmaterialien bezahlt. Schon dies setzt modell geregelt werden. Liegt der Schwerpunkt der
eine erhöhte Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit Betreuung deutlich bei einem Elternteil, ist den Grund-
der Eltern voraus. sätzen des Residenzmodells (§ 1606 Absatz 3 BGB)
zu folgen.18 Beim paritätischen Wechselmodell (circa
50/50 der Betreuung und Erziehung) seien beide El-
2.3 Unterhalt ternteile zum Barunterhalt verpflichtet19 (Dethloff,
2018). Bei einer nicht gänzlich paritätischen Teilung
2.3.1 Kindesunterhalt bei geteilter sei der Barunterhaltspflichtige zumindest berechtigt,
Betreuung in Deutschland und im inter seine Unterhaltspflicht zu mindern (Fritz, 2014).
nationalen Vergleich
15
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
16
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
Im Melderecht ist es zwar möglich, an einen Haupt- ausgegangen. Im Rentenrecht wird de facto ein –
und Nebenwohnsitz registriert zu sein. Allerdings ist allerdings auf die Ehe beschränktes – Paritätsmodell
es nicht möglich, gleichzeitig zwei Hauptwohnsitze in angewandt, da Rentenentgeltpunkte, die während der
unterschiedlichen Wohnungen anzugeben. Vom Resi- Ehe durch Betreuung und Pflege erzielt wurden, im
denzmodell wird zudem bei der Berechnung und Ge- Rahmen des Versorgungsausgleichs zwischen den
währung von Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, der Eheleuten geteilt werden. Der einzige Rechtsbereich,
Freitage für die Betreuung kranker Kinder, dem nach- in dem derzeit eine tagesgenaue Abrechnung stattfin-
ehelichen Unterhalt und dem Betreuungsunterhalt det, ist der Regelbedarf im ALG II.
BMG: Melderecht X
BKGG: Kinderzuschlag X
BGB: Kindesunterhalt X X
UVG: Unterhaltsvorschuss X
BGB: Betreuungsunterhalt X
WoGG: Wohngeld X X X
Legende: BMG: Bundesmeldegesetz, EStG: Einkommensteuergesetz, BKGG: Bundeskindergeldgesetz, BGB: Bürgerliches Gesetzbuch;
SGB: Sozialgesetzbuch, UVG: Unterhaltsvorschussgesetz, WoGG: Wohngeldgesetz
20 Bei Wechsel in mindestens einwöchigen Intervallen, Bundessozialgericht (BSG) vom 03.03.2009 – B 4 AS 50/07 R, BSGE 102, 290; Simon
in: Schlegel & Voelzke, jurisPK SGB XII, 3. Auflage Stand 01.02.2020, § 30 SGB XII Rn. 80 f. mit weiteren Nachweisen.
17
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
Das Einkommensteuerrecht berücksichtigt Familien- Kinder in Trennungsfamilien haben zwar den gleichen
zugehörigkeit oder Familienangelegenheiten mit un Bedarf an bestimmten Gütern und Leistungen. In
terschiedlichen Merkmalen. Im Folgenden werden Trennungsfamilien erfordert die Deckung dieses Be-
mit dem Kindergeld, den Freibeträgen für Kinder und darfs allerdings meist höhere finanzielle Aufwendun-
dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sowie gen (zum Beispiel Kinderzimmer in zwei Wohnungen).
der Berücksichtigung von Betreuungsmehrbedarf bei Dies wird bei den familienpolitischen Leistungen bis-
Leistungen nach SGB II die wichtigsten für das Wech- lang noch wenig systematisch und typisierend be-
selmodell relevanten Leistungen beziehungsweise rücksichtigt. Lediglich für Alleinerziehende gibt es so-
Steuerkomponenten im Detail diskutiert. wohl im EStG als auch im SGB II Sonderregelungen.
Eltern im SGB-II-Bezug haben ein Anrecht, Mehrkos-
Eine zentrale Rolle spielt für alle Leistungen das Exis- ten für Umgangskontakte (Fahrtkosten, Unterkunft,
tenzminimum des Kindes, das auch in der Situation Heizkosten) geltend zu machen. Weitere Regelungen
von Trennungsfamilien von Verfassungs wegen zu ge- des existenziellen Mehrbedarfs im Falle geteilter Be-
währleisten ist. Das Existenzminimum wird in den treuung stehen allerdings noch aus.
verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich be-
messen (vergleiche ausführlich Ott et al., 2020, Kapi- 2.4.2 Kinderfreibetrag und Kindergeld
tel 3.1). Als Referenzsystem für den notwendigen
Sachbedarf eines Kindes – das sächliche Existenzmini- Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkom-
mum – dienen die altersgewichteten Regelbedarfs mens bei der Einkommensteuer kommen Freibeträge
sätze, die der Sozialhilfe nach SGB XII zugrunde für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kin-
liegen und in die Grundsicherung nach SGB II über- derfreibetrag) und für seinen BEA zur Anrechnung
nommen wurden. Das einkommensteuerrechtliche (§ 32 Absatz 1 und 6 EStG). Sie stehen beiden Eltern
Existenzminimum wird auf ihrer Basis regelmäßig als zu und können folglich nach der Trennung von jedem
fixer monetärer Bedarf ermittelt (Existenzminimumbe- Elternteil geltend gemacht werden. § 32 Absatz 6
richt der Bundesregierung), der für alle Kinder gleich sieht eine Verdoppelung des Freibetrags vor, wenn die
hoch ist und die Grundlage für den Kinderfreibetrag Ehegatten nach §§ 26, 26b EStG gemeinsam veran-
bildet.21 Zusätzlich werden im Einkommensteuerrecht lagt werden, wenn der andere Elternteil verstorben
normierte Wohnkosten und Leistungen aus dem Bil- oder nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist oder wenn
dungs- und Teilhabepaket berücksichtigt. Anders als der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat
im Sozialrecht wird das Existenzminimum bezüglich oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegeverhältnis
des Alters der Kinder und der Wohnkosten typisiert. steht. Nur ein Freibetrag kann daher beansprucht wer-
Darüber hinaus wird ein Freibetrag für den Betreu- den, wenn der/die alleinstehende Steuerpflichtige
ungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA) nicht gemeinsam mit dem Ehegatten veranlagt wird.
berücksichtigt. Nach dem so bemessenen steuerrecht Die Haushaltszugehörigkeit des Kindes spielt in die-
lichen Existenzminimum wird die Höhe des Kinder- sem Fall keine Rolle.
gelds für das erste Kind abgeleitet. Das sächliche
Existenzminimum ist wiederum Richtgröße für den Kindergeld und Kinderfreibetrag sind nach aktueller
Mindestunterhalt nach BGB und damit auch für den Rechtslage zu einem dualen Kinderlastenausgleich
Unterhaltsvorschuss. Besondere Aufwendungen zum (nach § 31 „Familienleistungsausgleich“) verbunden.
Beispiel im Krankheitsfall werden gesondert und je- Eine sogenannte Günstigerprüfung des Finanzamts
weils auf Antrag berücksichtigt. nach § 31 Satz 4 EStG gewährleistet, dass ein Kind
nicht durch Kindergeld und Kinderfreibeträge doppelt
berücksichtigt wird. Vier Gruppen von Eltern sind da-
bei idealiter zu unterscheiden:
21 Im EStG wird gelegentlich ein leicht über diesem sächlichen Existenzminimum liegender Freibetrag festgelegt.
18
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
■ Die erste Gruppe erhält Kindergeld genau in dem Während allerdings pro Elternteil zwei Steuerfreibeträ-
Umfang, in dem sich bei Abzug der Kinderfreibe- ge vorgesehen sind, wird das Kindergeld auf die gan-
träge die Steuerpflicht für den Veranlagungszeit- ze Familie bezogen und nur an eine Person gezahlt.
raum mindert. Das Kindergeld hat bei dieser Kindergeld ist nicht teilbar. Eine Gesamtgläubiger-
Gruppe die Funktion einer vorweggenommenen schaft der Eltern gegenüber der Familienkasse
Steuervergütung (vergleiche § 31 Satz 3 EStG). Die schließt die höchstrichterliche Rechtsprechung nach
Familie erhält in der Logik dieses Lastenausgleichs geltender Rechtslage aus (BGH, Urteil vom 20. April
keine finanzielle Förderung, sondern wird lediglich 2016 – XII ZB 45/15). Zum Bezug ist nach § 64 Ab-
in dem Umfang, in dem die (das steuerliche Kin- satz 2 Satz 1 EStG, § 3 Absatz 1 BKGG berechtigt,
desexistenzminimum abbildenden) Kinderfreibe- wer das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat
träge die Steuerschuld tatsächlich mindern, von (Obhutsprinzip). Das Kind ist dort aufgenommen, wo
der Steuerpflicht entlastet. es versorgt und unterhalten wird sowie Fürsorge und
Betreuung erhält (vergleiche Bundesfinanzhof [BFH],
■ In der zweiten Gruppe liegt das Einkommen so Beschluss vom 9. Dezember 2011 – III B 25/11 – juris
niedrig, dass die Kinderfreibeträge gar nicht oder Rn. 13 mit weiteren Nachweisen). Bei Aufnahme in
nicht in der Höhe die Steuerschuld mindern kön- zwei Haushalten der Eltern ist zu ermitteln, in welchem
nen, in der das Kindergeld im Veranlagungszeit- Haushalt sich das Kind überwiegend aufhält. Bei
raum gezahlt wurde. Das Kindergeld fungiert dann gleichwertiger Aufnahme in zwei Haushalten der Eltern
in Höhe des (Rest-)Kinderfreibetrags ebenfalls als (paritätisches Wechselmodell) kommt § 64 Absatz 2
vorweggenommene Steuervergütung. Den Rest Satz 2–4 EStG zur Anwendung. Danach wird der oder
des „zu viel“ gezahlten Kindergelds dürfen die die Berechtigte durch die Eltern oder, wenn diese kei-
Eltern behalten: In dieser Höhe dient das Kinder- ne Bestimmung vornehmen, auf Antrag durch das
geld „der Förderung der Familie“ und ist damit eine Familiengericht bestimmt (BFH vom 23. März 2005,
echte Sozialleistung. III R 91/03, BStBl. II 2008, Seite 572 mit weiteren
Nachweisen).
■ In der dritten Gruppe liegt das Einkommen so hoch,
dass die Entlastungswirkung des Kinderfreibetrags Da Einkommensteuer- und Sozialrecht eine reale Auf-
höher ausfällt als das Kindergeld, das heißt, das teilung des Kindergelds nicht ermöglichen, ist das
Kindergeld kann als vorweggenommene Steuerver- Kindergeld unter der geltenden Rechtslage nach fa-
gütung die mit dem Einkommen steigende Entlas- milienrechtlichen Regeln zu teilen. Der BGH hat in der
tungswirkung des Kinderfreibetrags nicht mehr voll genannten Entscheidung entschieden, dass das Kin-
kompensieren. Die Eltern werden im Rahmen der dergeld isolierter Gegenstand eines familienrechtli-
Steuervergütung umfangreicher als durch das Kin- chen Ausgleichsanspruchs sein kann. Der BGH diffe-
dergeld entlastet. renziert dabei zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt.
Die auf den Betreuungsunterhalt entfallende Hälfte
■ Bei der vierten Gruppe wird Kindergeld (oder eine des Kindergelds wird zwischen den Eltern im paritäti-
vergleichbare Leistung) nach ausländischem Recht schen Wechselmodell paritätisch aufgeteilt. Die auf
gezahlt, und der Zahlbetrag übersteigt das inländi- den Barunterhalt entfallende andere Hälfte steht den
sche Kindergeld. Dann fällt nur der Anteil des ge- Eltern jeweils nach den prozentualen, aus den jeweili-
zahlten Geldes in den dualen Kinderlastenaus- gen Einkommensverhältnissen abgeleiteten Anteilen
gleich, der der Höhe des deutschen Kindergelds zu. Nur bei gleichen Einkommen oder für den Fall,
entspricht. Der übersteigende Anteil verbleibt den dass die Eltern zum Barunterhalt beide nicht imstande
Eltern als echte Förderleistung. sind, hat nach dieser Entscheidung der nicht kinder-
geldberechtigte Elternteil gegen den anderen einen
Anspruch auf hälftigen Ausgleich. Eine Vollanrechnung
des Kindergelds auf den Barunterhalt des Kindes hat
19
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
der BGH mit dieser Entscheidung abgelehnt und dies Das Wechselmodell mit seinen Konsequenzen für eine
damit begründet, dass der Kindergeldausgleich im gerechte Aufteilung der Unterhaltspflichten unter Ein-
Hinblick auf die Betreuungsleistungen dann zuguns- beziehung des Kindergelds erhellt eine in der rechts-
ten des besser verdienenden Elternteils verzerrt wür- wissenschaftlichen Literatur bereits erkannte und be-
de. Die Frage einer hälftigen Teilung des Kindergelds nannte Schwäche des dualen Kinderlastenausgleichs
mit Bezug allein auf den Betreuungsunterhalt hat der- (Felix, 2006, Seite 152 f. mit weiteren Nachweisen;
selbe Senat in einer späteren Entscheidung, welche Seiler, 2008, Seite 111 f.: „politisch missglückt“; Seiler,
die vom 20. April 2016 bestätigt, ebenfalls verneint, 2020, § 31 Rn. 1). Das BVerfG fordert selbst in seiner
unter anderem mit Hinweis auf den unter Umständen Entscheidung zum Kindesexistenzminimum die be-
bestehenden Anspruch des Kindes auf Barunterhalt stehende Koppelung von Freibeträgen und Kindergeld
gegen den besser verdienenden Elternteil (BGH vom zu einem einheitlichen Kinderlastenausgleich nicht.22
11. Januar 2017, XII ZB 565/15, NZFam 2017, 171). Zur gegenwärtigen Lösung merkt es vielmehr kritisch
an, die das Kindergeld betreffenden Regelungen ge-
Im Einkommensteuerrecht erfordert die Koppelung nügten in ihrer sozialrechtlichen, steu errechtlichen
von Freibeträgen und Kindergeld bei getrennten Eltern und familienrechtlichen Verflechtung „immer weniger“
die Berücksichtigung des bereits gezahlten Kinder- dem Grundsatz der Normenklarheit (BVerfG vom
gelds bei der Steuerschuld. Auf die Einkommensteuer 9. April 2003 – 1 BvL 1/01, BVerfGE 108, 52, 75 – Kin-
wird in allen beschriebenen Gruppen nach § 31 Satz 4 desunterhalt – zu § 1612b BGB).
2. Halbsatz EStG bei getrennt veranlagten Eltern das
Kindergeld jeweils hälftig angerechnet. Die hälftige 2.4.3 Entlastungsbetrag für
Anrechnung erfolgt unabhängig davon, wer das Kin- Alleinerziehende nach § 24b EStG
dergeld erhalten hat und in welchem Verhältnis das
Kindergeld im familienrechtlichen Ausgleich aufgeteilt Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zielt dar-
wird. Unterhaltsrecht und Einkommensteuerrecht auf ab, „die höheren Kosten für die eigene Lebens-
sieht die Literatur insoweit hinreichend aufeinander beziehungsweise Haushaltsführung der Alleinerzie-
abgestimmt (Helmke & Bauer, 2016). henden abzugelten, die einen gemeinsamen Haushalt
nur mit ihren Kindern und keiner anderen erwachse-
Auch wenn tragfähige Zahlen bislang fehlen, spricht nen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zum
jedoch einiges dafür, dass im Fall des paritätischen Haushalt beiträgt“,23 und berücksichtigt so die fehlen-
Wechselmodells der steuerrechtliche Familienleis- den Synergien bei der Einkommensverwendung im
tungsausgleich und der familienrechtliche Kindergeld- Vergleich zu Paarhaushalten. § 24b EStG regelt die-
ausgleich nicht für jede Einkommensgruppe optimal sen Entlastungsbetrag. In seinen Voraussetzungen
koordiniert sind. Insbesondere kann die Förderung knüpft der Steuerentlastungstatbestand des § 24b
beider Eltern je nach deren Einkommen sehr unter- EStG erstens an das „Alleinstehen“ des/der Steuer-
schiedlich ausfallen. Schon jetzt dürfte vielfach die Si- pflichtigen und zweitens an die Zugehörigkeit eines
tuation bestehen, dass ein Elternteil (zumeist die Mut- Kindes zum Haushalt an. Das Merkmal „alleinstehend“
ter) das hälftige Kindergeld als Sozialleistung erhält, wird in Abgrenzung zu den Voraussetzungen für das
weil die Entlastung durch den Kinderfreibetrag gerin- Splitting-Verfahren und zur „Haushaltsgemeinschaft“
ger ausfallen würde, während der andere Elternteil (zu- definiert. Die Möglichkeit des Ehegattensplittings
meist der Vater) aufgrund seines höheren Einkommens setzt voraus, dass Ehegatten „nicht dauernd getrennt
durch den Kinderfreibetrag umfangreicher entlastet leben“ (§ 26 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2). Mit dem Be-
wird. Werden aber beim familienrechtlichen Kinder- griff des „Getrenntlebens“ knüpft § 26 EStG an § 1567
geldausgleich auch die Betreuungsanteile berücksich- BGB an, wonach Ehegatten getrennt leben, wenn
tigt, spiegelt sich dieser Vorteil in den Unterhaltsbe- zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft be-
rechnungen nicht vollständig wider. steht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen
22 Das BVerfG leitet in seiner Grundsatzentscheidung von 1998 (BVerfG vom 10.11.1998 – 2 BvR 1057/91, BVerfGE 99, 246 (267) – Kindes-
existenzminimum – aus dem Familienschutzgebot des Artikels 6 Absatz 1 des Grundgesetzes zwar die Berücksichtigung der elterlichen
Unterhaltspflichten in Höhe des Kindesexistenzminimums, nicht aber diese Koppelung von Freibeträgen und Kindergeld ab. Vielmehr stellt
es dem Gesetzgeber ausdrücklich frei, „die verfassungsrechtlich gebotene Änderung durch eine Anhebung des einkommensteuerlichen
Kinderfreibetrages, durch eine Anhebung des Kindergelds oder durch eine anderweitige Ausgleichsregelung vorzunehmen“.
23 Siehe Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (2017): https://www.finanzamt.bayern.de/Informationen/Steuerinfos/Zielgruppen/
Familien/2017-10-23-entlastungsbetrag-fuer-alleinerziehende.pdf
20
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. in diesem Fall geltend machen, dass sie mit den ande-
Ein Leben in derselben ehelichen Wohnung schließt ren Personen nicht gemeinsam wirtschaftet. Ist sie in
nach dieser Vorschrift das Getrenntleben aber nicht der Wohnung ihrer Lebensgefährtin gemeldet (oder
aus, ebenso kann eine eheliche Gemeinschaft ohne diese bei ihr), mit der sie in eheähnlicher Gemeinschaft
häusliche Gemeinschaft bestehen (vergleiche MüKo- verbunden ist, steht ihr der Freibetrag auch dann nicht
Weber, § 1565 Rn. 23, § 1567 Rn. 20). In beiden – zu, wenn sie und die Lebensgefährtin nicht in einem
eher atypischen – Fällen wird das „dauernde Ge- Haushalt gemeinsam wirtschaften.
trenntleben“ erst durch ein subjektives Element, das
Erkennbar-nicht-mehr-herstellen-Wollen der häusli- Mit dem Merkmal „Meldung in einer Wohnung“ nimmt
chen Gemeinschaft wegen Ablehnung der ehelichen das EStG Bezug auf das Melderecht, das mittlerweile
Lebensgemeinschaft, hergestellt oder – bei Fehlen – bundesgesetzlich geregelt ist. Die Meldung erfolgt bei
ausgeschlossen. der Meldebehörde und dient der Registrierung der in
ihrem Zuständigkeitsbereich wohnenden Personen zu
Hieraus lässt sich schließen, dass auch im Einkom- dem Zweck, deren Identität und Wohnungen feststel-
mensteuerrecht ein Getrenntleben der Eltern nicht len und nachweisen zu können. Zur Erfüllung ihrer
zwei Haushalte der Eltern voraussetzt, auch wenn dies Aufgaben führen die Meldebehörden Melderegister,
der Regelfall sein dürfte. Umgekehrt ist auch die – aty- auf welche andere Behörden zugreifen können. Die
pische – Konstellation denkbar, dass ein Kind von El- Meldung einer anderen Person in der Wohnung des/
tern aufgezogen wird, die nicht dauernd getrennt le- der Steuerpflichtigen bildet jedoch nicht unmittelbar
ben, aber auch keine häusliche Gemeinschaft bilden ein Ausschlusskriterium für den Entlastungsbetrag,
und folglich das Kind in zwei Haushalten beheimaten. sondern begründet eine Vermutung für eine Wirt-
Nur im ersten atypischen Fall kann der Entlastungsbe- schaftsgemeinschaft, die im Falle der ehe- oder part-
trag für Alleinerziehende geltend gemacht werden, nerschaftsähnlichen Gemeinschaft unwiderleglich, in
denn die Bezugsvoraussetzungen sind so ausgestal- anderen Fällen widerleglich (siehe oben) ist.
tet, dass sich Ehegattensplitting und Entlastungsbe-
trag für Alleinerziehende wechselseitig ausschließen. Alleinerziehen wird in zweiter Komponente durch die
Zugehörigkeit eines Kindes zum Haushalt des/der al-
Alleinstehend ist im Übrigen nur, wer auch nicht mit leinstehenden Steuerpflichtigen geprägt. Die Haus-
einer anderen Person, die nicht zum Abzug eines Kin- haltszugehörigkeit „ist anzunehmen“, wenn das Kind
derfreibetrags berechtigt, in Haushaltsgemeinschaft in der Wohnung des/der Steuerpflichtigen gemeldet
lebt. Die Haushaltsgemeinschaft wird definiert als ge- ist. (Das Kind muss außerdem durch eine an es nach
meinsames Wirtschaften in einem Haushalt. Ist eine § 139b Abgabenordnung vergebene Identifikations-
andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der nummer oder, wenn es an einer solchen fehlt, in ande-
Wohnung des/der Steuerpflichtigen gemeldet, wird rer Weise zu identifizieren sein.) Den Fall, dass ein Kind
vermutet, dass sie mit dem/der Steuerpflichtigen ge- bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet ist, sieht und
meinsam wirtschaftet. Die Vermutung ist widerlegbar, regelt § 24b Absatz 1 EStG ebenfalls. In diesen Fällen
es sei denn, der Steuerpflichtige und die andere Per- steht der Entlastungsbetrag „demjenigen Alleinste-
son leben in einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähn- henden zu, der die Voraussetzungen auf Auszahlung
lichen Gemeinschaft. Lebt also die 20-jährige Mutter des Kindergelds nach § 64 Absatz 2 Satz 1 erfüllt oder
bei ihren Eltern oder in einer Wohngemeinschaft, wird erfüllen würde in Fällen, in denen nur ein Anspruch auf
vermutet, dass sie nicht alleinstehend ist; will die Mut- einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 besteht“.
ter den Freibetrag beanspruchen, kann (und muss) sie
21
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
§ 64 Absatz 2 Satz 1 EStG regelt den Fall, dass ein ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (Oberverwal-
Kindergeldberechtigter das Kind in seinen Haushalt tungsgericht [OVG] NRW, Beschluss vom 22. Ap-
aufgenommen hat (zur Kindergeldberechtigung siehe ril 2013 – 12 A 1973/12; Hessischer Verwaltungsge-
Abschnitt 2.4.2). Ist das Kind in beiden Haushalten richtshof, FamRZ 2005, 483; Verwaltungsgerichtshof
der Eltern paritätisch aufgenommen, kann dennoch [VGH] Baden-Württemberg, NVwZ 1996, 61).
auch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nur
von einem Elternteil beansprucht werden und ist nicht Dem Zweck des UVG entsprechend ist das gesetzli-
teilbar. Im paritätischen Wechselmodell können die che Merkmal „Leben des Kindes bei einem seiner El-
Eltern den Abzugsberechtigten unter sich bestimmen. ternteile“ nur dann erfüllt, wenn ein Elternteil wegen
Die Möglichkeit einer familiengerichtlichen Entschei- des Ausfalls des anderen Elternteils mit Erziehung und
dung nach § 64 Absatz 2 Satz 3 EStG lehnt der BFH Unterhaltsgewährung doppelt belastet ist. Für die Fra-
ab (BFH vom 28. April 2010, III R 79/08, NJW 2010, ge, ob das Kind bei einem Elternteil trotz zeitweiligen
1263), der Streit muss zwischen den Eltern folglich Aufenthalts beim anderen Elternteil lebt, hebt die
um die Kindergeldberechtigung geführt werden (ver- Rechtsprechung deshalb ab auf die persönliche Be-
gleiche Lettmaier & Dürbek, 2019, Seite 89, und treuung und Versorgung, die ein Kind beim anderen
Abschnitt 2.4.2). Ob auch die aus dem Entlastungs- Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlas-
betrag für Alleinerziehende folgenden finanziellen Vor- tung des den Unterhaltsvorschuss begehrenden El-
teile Gegenstand eines familienrechtlichen Aus- ternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes. Hat
gleichsanspruchs sein können, ist höchstrichterlich die Betreuung durch den anderen Elternteil eine we-
noch nicht entschieden (ebenso Lettmaier & Dürbek, sentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss be-
2019). anspruchenden Elternteils zur Folge, sieht die Recht-
sprechung das „Leben des Kindes bei einem seiner
2.4.4 Unterhaltsvorschuss Elternteile“ nicht gegeben (BVerwGE 144, 306 =
FamRZ 2013, 353 mit Nachweisen zur älteren Recht-
Der Unterhaltsvorschuss bezweckt, alleinerziehen- sprechung). Die Erziehungs- und Betreuungsanteile
den Eltern bei Ausfall des Unterhalts für das Kind müssen dabei nicht in quantitativer und qualitativer
finanzielle Erleichterung zu verschaffen, und zugleich Hinsicht gleich sein; im Hinblick auf den Zweck des
kommt er dem Kind zugute (vergleiche Koppenfels- § 1 UVG sollen sich die Erschwernisse, die eine finan-
Spies, 2019, mit Bezug auf Bundestag, Bundestags- zielle Besserstellung durch den Unterhaltsvorschuss
drucksache 8/1952, Seite 6). Der Anspruch auf erfordern, schon dann nicht mehr feststellen lassen,
Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr (seit wenn der andere Elternteil in wesentlichem Umfang –
dem 1. Juli 2017, vorher bis zum zwölften Lebens- wenn auch nicht völlig gleichwertig – an der erzieheri-
jahr) setzt voraus, dass das Kind bei „einem seiner schen Leistung mitwirkt (OVG Berlin-Brandenburg,
Elternteile“ lebt, der ledig, verwitwet oder geschie- Urteil vom 13. Dezember 2018 – OVG 6 B 9.17 – juris
den ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspart- Rn. 21; OVG Münster, FamRZ 2016, 143 f., juris
ner dauernd getrennt lebt (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 Rn. 29; VGH München, Beschluss vom 14. Janu-
UVG) und dass dieser Elternteil vom anderen (noch ar 2013 – 12 C 12.2737 – juris Rn. 10). Das OVG Bran-
lebenden) Elternteil nicht oder nicht regelmäßig denburg (OVG Berlin-Brandenburg vom 13. Dezem-
Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts erhält.24 ber 2018, juris Rn. 22) geht so weit, eine Orientierung
Entfällt eine (Bar-)Unterhaltspflicht durch Vereinba- am Merkmal der „Aufnahme in den Haushalt“ in § 64
rung (zum Beispiel für den Fall, dass zwei Kinder Absatz 2 Satz 1 EStG (vergleiche dazu Abschnitt
nach der Trennung unter den Eltern aufgeteilt und je 2.4.2) nahezulegen, bleibt mit dieser Auffassung aber
vollständig versorgt werden und die Eltern sich ver- bislang allein.
ständigt haben, dass vom jeweils nicht betreuenden
Elternteil kein Unterhalt gezahlt wird), so entfällt auch
24 Für Kinder ab zwölf Jahren setzt der Anspruch voraus, dass sich entweder das Kind nicht im SGB-II-Bezug befindet oder dieser durch den
Unterhaltsvorschuss vermieden wird oder dass der alleinerziehende Elternteil über ein Einkommen von mehr als 600 Euro monatlich
verfügt, § 1 Absatz 1a UVG und Begründung in Bundestagsdrucksache 18/12589 zu Artikel 23.
22
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
Die seit dem 1. Januar 2020 gültigen Richtlinien kon- unterhalt nicht angemessen berücksichtigt. Im Ver
kretisieren das Merkmal „Leben des Kindes bei einem hältnis der Eltern wird überdies aufseiten des
seiner Elternteile“ nunmehr wie folgt: Es setzt voraus, hauptbetreuenden Elternteils ein negativer Anreiz
dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt im Haushalt für eine substanzielle Beteiligung des barunterhalts
des Elternteils hat, der ganz überwiegend die Erzie- pflichtigen Elternteils an der Betreuung gesetzt, der
hungsverantwortung trägt. Bei geteilter Personensor- geeignet ist, finanzielle Konflikte um die Kinderbetreu-
ge und nahezu gleichmäßiger Betreuung (und damit ung zu schüren (verfassungsrechtliche Bedenken bei
für das symmetrische Wechselmodell) wird dies ver- Schmidt, 2018, Seite 145 [146]).
neint. Umgekehrt würde bei einer exakten Aufteilung
der Betreuung 1/3 : 2/3 das Kind noch „bei einem sei- 2.4.5 Kinderzuschlag
ner Elternteile leben“. Trägt der Elternteil, bei dem das
Kind nicht den Lebensmittelpunkt hat, Erziehungsver- Der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG soll die Bedürf-
antwortung zu mehr als einem Drittel und/oder hat tigkeit eines Kindes und seiner Familie vermeiden hel-
das Kind seinen Lebensmittelpunkt zu mehr als einem fen und sicherstellen, dass sich zusätzliches Einkom-
Drittel bei ihm, wird nach den Richtlinien geteilte Be- men immer lohnt oder jedenfalls nicht nachteilig
treuung vermutet; bei entsprechenden vom antrag- auswirkt. Nach der Reform durch das Starke-Fami-
stellenden Elternteil vorgebrachten Anhaltspunkten lien-Gesetz vom 29. April 2019 (BGBl. I, Seite 530) be-
wird jedoch die Erziehungssituation im Einzelfall an- misst sich der Höchstbetrag des Kinderzuschlags mit
hand präziser Kriterien ermittelt und gegebenenfalls Wirkung vom 1. Juli 2019 so, dass er zusammen mit
Alleinerziehen dennoch bejaht. dem Kindergeld für ein erstes Kind und den Leistun-
gen für Bildung und Teilhabe (BuT) nach § 6b BKGG
Nach diesen Grundsätzen entfällt der Unterhaltsvor- das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum
schuss bei geteilter Betreuung auch dann, wenn noch des Kindes (abzüglich des dort ausgewiesenen Be-
Barunterhalt geschuldet wird. Eine gezielte Unterstüt- trags für BuT-Leistungen) deckt. Können Eltern ihren
zung des Kindes wird in dieser Höhe verfehlt. Für eine eigenen Bedarf mit eigenem Einkommen decken, ver-
zwischen den Eltern geteilte Betreuung des Kindes ist mindert sich der Kinderzuschlag mit zusätzlichem Ein-
der Unterhaltsvorschuss sichtlich nicht konzipiert und kommen, bis er vollständig abgeschmolzen ist. Die
auf diese Situation damit auch nicht gut abgestimmt. Bezugsberechtigung für den Kinderzuschlag folgt im
Der Gesetzgeber begründete die Einführung des Wesentlichen26 derjenigen des Kindergelds, das heißt,
Unterhaltsvorschusses 1978 mit einer besonderen, der Kinderzuschlag steht nach geltendem Recht mit
über die Unterhaltsleistung hinausgehenden und sich wenigen Ausnahmen nur demjenigen Elternteil zu, der
durch das Ausbleiben des Barunterhalts noch ver- für das Kind Anspruch auf Kindergeld hat (siehe Ab-
schärfenden Belastung alleinerziehender Elternteile schnitt 2.4.2).
kleiner Kinder (Bundestagsdrucksache 8/1952, Seite 6,
aufgenommen in BVerfG NJW-RR 2004, 1154). Der
Sozialleistung und ihrer Ausgestaltung für Kinder bis
zum zwölften Lebensjahr25 liegt damit ein Bild der Fa-
milie zugrunde, in der auch nach der Trennung ein El-
ternteil erwerbstätig ist und der andere Elternteil unter
Verzicht auf Erwerbstätigkeit erzieht und betreut. Auf
diesem überkommenen Bild der Familie und des Al-
leinerziehens beruht auch der Wegfall des Anspruchs
bei Wiederheirat des betreuenden Elternteils ohne
Rücksicht darauf, dass der Stiefelternteil nicht zum
Unterhalt des Kindes verpflichtet ist. In beiden Kons-
tellationen wird der Anspruch des Kindes auf Bar
25 Der seit Juli 2017 gezahlte Unterhaltsvorschuss für ältere Kinder setzt nach § 1 Absatz 1a UVG nun unter anderem ein Mindesteinkommen
voraus. Der Gesetzgeber versteht dies als Anreiz für die alleinerziehenden Eltern, „perspektivisch, mit Hilfe eines weiteren Ausbaus ihrer
Erwerbstätigkeit die Hilfebedürftigkeit zu überwinden“, Bundestagsdrucksache 18/11135, Seite 160.
26 Bezugsberechtigt ist auch die wesentlich kleinere Gruppe von Personen, die Leistungen nach § 4 BKGG, das heißt vor allem Kinderzula-
gen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung, erhalten.
23
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
Auch die Rechtsprechung27 (vergleiche Sächsisches 2.4.6 Leistungen für Bildung und Teilhabe
Landessozialgericht [LSG] vom 14. Januar 2016 – L 3
BK 8/13 – juris Rn. 26 mit weiteren Nachweisen; ver- § 6b BKGG und § 28 SGB II ermöglichen laufende
gleiche ferner BSG vom 11. Mai 2019 – B 14 AS 23/18 Leistungen für freies Schulmittagessen oder als mo-
R – juris Rn. 22) hält daran fest, dass der Kinderzu- natlichen Zuschuss für musische und sportliche Be-
schlag wie das Kindergeld nur an einen berechtigten tätigung oder zur Schülerbeförderung sowie – in § 28
Elternteil gezahlt wird. Diese Verknüpfung des Kinder- SGB II genauer benannte – Unterstützungsleistungen
zuschlags mit der Bezugsberechtigung für das Kin- für den laufenden oder einmaligen Mehrbedarf eines
dergeld beruht auf der Annahme, dass ein Kind ge- Kindes im Sinne von § 1610 Absatz 1 und 2 BGB.
trennt lebender Eltern typischerweise von einem Nach der Begründung des Starke-Familien-Gesetzes
Elternteil überwiegend betreut wird. Der Kinderzu- sollen die Leistungen der Familie zugutekommen, „in
schlag soll dabei eine finanzielle Bedarfslage des der das Kind lebt“. Eine Anrechnung auf den An-
Elternteils abfedern, die infolge der Versorgung des spruch auf Barunterhalt gegen den Elternteil, bei dem
Kindes entsteht. Bei geteilter Betreuung ist aber un- ein Kind nicht lebt, scheidet hiernach aus. Ob und in-
sicherer als im Residenzmodell, welcher Elternteil in wiefern auf den Fall der wechselweisen Betreuung
die typische Lage kommt, die den Anspruch auf Kin- die Grundsätze der temporären Bedarfsgemeinschaft
derzuschlag auslöst, und in welcher Höhe diese So- (siehe Abschnitt 2.4.8) anzuwenden sind oder ob
zialleistung jeweils zu gewähren ist. Denkbar ist nach den Grundsätzen für das Kindergeld nur ein El-
außerdem, dass bei geteilter Betreuung beide Eltern- ternteil die Leistungen beanspruchen kann, ist offen.
haushalte eine Einkommenssituation aufweisen, die Spätestens im familienrechtlichen Innenverhältnis
der Kinderzuschlag berücksichtigen will. Dann ent- sind auch diese Leistungen gegebenenfalls zwischen
scheidet nach geltender Rechtslage allein die Berech- den Eltern aufzuteilen.
tigung für den Bezug des – ganz anders gelagerten –
Kindergelds darüber, welcher Elternteil den 2.4.7 Wohngeld und soziale
Kinderzuschlag erhalten kann und welcher zur Be- Wohnungsförderung
darfsgemeinschaft nach SGB II wird.
§ 4 WoGG bindet den Anspruch auf Wohngeld an die
Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch des ande- Haushaltsmitgliedschaft. Haushaltsmitglieder sind
ren Elternteils ist weder in §§ 1612a und 1612b BGB auch Kinder der wohngeldberechtigten Person, wenn
noch in den Leitlinien der OLGs angesprochen. Ob der sie mit diesem Elternteil die Wohnung gemeinsam be-
Kinderzuschlag in Fällen geteilter Betreuung vergleich- wohnen und dieser Wohnraum der jeweilige Mittel-
bar dem Kindergeld familienrechtlich auszugleichen punkt der Lebensbeziehungen ist (§ 5 Absatz 1 Num-
ist, ist angesichts der unterschiedlichen Funktionen mer 4 WoGG). Die Frage des gemeinsamen getrennten
von Kindergeld und Kinderzuschlag höchst unsicher. Erziehens regelt das WoGG bereits in einer Fassung
Die Änderung des § 6a BKGG durch das Starke-Fami- von 2008, die im WoGG 2016 nochmals verändert
lien-Gesetz zum 1. Juli 2019, die unter anderem eine wurde. § 5 Absatz 6 WoGG lautet wie folgt:
„zielgenaue Stärkung von Familien und ihren Kindern“
bezweckt, hat diese Unsicherheiten noch verstärkt „Betreuen nicht nur vorübergehend getrennt lebende
(vergleiche Borth, 2019, Seite 855). Eltern ein Kind oder mehrere Kinder zu annähernd
gleichen Teilen, ist jedes dieser Kinder bei beiden El-
ternteilen Haushaltsmitglied. Gleiches gilt bei einer
Aufteilung der Betreuung bis zu einem Verhältnis von
mindestens einem Drittel zu zwei Dritteln je Kind. Be-
treuen die Eltern mindestens zwei dieser Kinder nicht
paritätisch und nicht im Verhältnis 1 : 2, ist bei dem El-
27 Das Bayerische LSG (21.03.2013 – L 7 BK 5/12 – juris; teilweise – ohne Sachverhalt – abgedruckt in NZS 2013, 432) will auf den
Kinderzuschlag die Grundsätze der temporären Bedarfsgemeinschaft (siehe Abschnitt 2.4.8) anwenden. Im konkreten Fall lebte das Kind
zeitweise in einem Internat und während der übrigen Zeit bei einem alleinerziehenden Elternteil, weshalb diese Entscheidung für die Frage
einer zwischen den Eltern geteilten Betreuung keine Berücksichtigung finden soll. Vergleiche aber zustimmend Kühl, in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK SGB II, § 6a BKGG Rn. 32, ohne Bezug auf die konkrete Fallgestaltung.
24
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
ternteil mit dem geringeren Betreuungsanteil nur das 2.4.8 Leistungen nach SGB II
jüngste dieser Kinder Haushaltsmitglied.“
Der Regel- und Mehrbedarf eines Kindes wird gemäß
Die Zeitanteile der Betreuung werden hier zwar ma- § 7 SGB II im Bedarf derjenigen Bedarfsgemeinschaft
thematisch genau geregelt, der Begriff der Betreuung berücksichtigt, in der das Kind lebt. Wächst das Kind
aber nicht präzisiert. § 5 Absatz 6 WoGG 2008 hatte in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem alleinerzie-
anstelle der heutigen „Betreuung“ noch ein gemein- henden Elternteil auf, kann dieser zusätzlich zum Re-
sames Sorgerecht und das Bereithalten zusätzlichen gelbedarf einen Mehrbedarf nach § 21 Absatz 3
Wohnraums für ein Kind oder mehrere Kinder gefor- SGB II geltend machen. Explizite Regelungen für den
dert. Die Neuregelung ist nun stärker auf das tatsäch- Umgang eines Kindes mit dem anderen Elternteil oder
liche gemeinsame Erziehen abgestimmt, flexibilisiert für die gemeinsame Erziehung des Kindes in getrenn-
und um die Drittelregelung ergänzt worden. Die Neu- ten Haushalten enthält das SGB II nicht; dass dem
regelung nimmt eine schon unter der alten Rechts Gesetzgeber das Phänomen bekannt ist, zeigt die Re-
lage bestehende Verwaltungspraxis auf (vergleiche gelung in § 36 Absatz 1 Satz 3 SGB II zur örtlichen
Begründung zu WoGRefG, Bundestagsdrucksache Zuständigkeit der Jobcenter. Die Auffangregelung
18/4897). des § 21 Absatz 6 SGB II ermöglicht außerdem die
Anerkennung eines im Einzelfall unabweisbaren, lau-
Die Verwaltungsvorschrift zum WoGG präzisiert die fenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs.
Regelung des § 5 Absatz 4 WoGG für Kinder getrennt Die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache
lebender Eltern, die Kinder zu annähernd gleichen Tei- 17/1465, Seite 9) bezeichnet als Anwendungsfall unter
len betreuen, und gleichgestellte Fälle. Betreuung in anderem die Wahrnehmung des Umgangsrechts bei
diesem Sinne liegt vor, wenn sich das Kind abwech- getrennt lebenden Eltern (Lettmeier & Dürbeck 2019,
selnd und regelmäßig bei beiden Elternteilen aufhält. Seite 86; Schmidt 2020, Seite 812–816). Besteht we-
Die Betreuung ist durch die antragstellenden Eltern gen der Wahrnehmung des Umgangsrechts ein zu-
glaubhaft zu machen und eine gerichtliche Regelung sätzlicher Wohnraumbedarf, kann dieser im Rahmen
beziehungsweise eine schriftliche Vereinbarung der El- angemessener Unterkunfts- und Heizaufwendungen
tern oder sonstige Unterlagen „sind gegebenenfalls nach § 22 Absatz 1 SGB II als Anspruch des Kindes
beizufügen“ (Nummer 5.41 WoGVwV). berücksichtigungsfähig sein (BSG vom 17. Februar
2016 – B 4 AS 2/15 R – juris Rn. 21 sowie ausdrücklich
Zum Haushalt zählende Kinder haben auch Einfluss auf § 22b Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 SGB II für die Aus-
die Höhe der Förderung sozialen Wohnraums. Nach gestaltung von Satzungen).
§ 18 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförde-
rung (WoFG) zählen als Haushaltsangehörige auch Kin- Grundsätze für die Bedarfsdeckung bei geteilter Be-
der, die mit den Eltern eine Wohn- und Wirtschaftsge- treuung ergeben sich aus der Rechtsprechung des
meinschaft führen. Mittelbar nimmt der BFH für die BSG sowie aus den fachlichen Weisungen der Bun-
Prüfung der Voraussetzungen für die Eigenheimzulage desagentur für Arbeit zu den Besonderheiten der
nach § 9 Absatz 5 Satz 5 Eigenheimzulagengesetz temporären Bedarfsgemeinschaft (Fassung vom
auch Bezug auf den für die konkrete Entscheidung 20. September 2017). Danach gilt: Wird ein Kind in
nicht erheblichen § 18 WoFG. Zum Verständnis der in zwei Haushalten betreut, deren einer als Bedarfsge-
beiden Vorschriften genannten „Haushaltszugehörig- meinschaft Leistungen nach SGB II in Anspruch
keit“ verweist der BFH wiederum auf den Begriff der nimmt, so verbleiben diesem der Regel- und Mehr
Haushaltsaufnahme in § 64 Absatz 2 Satz 1 EStG für bedarf des Kindes auch bei geteilter Betreuung. Sind
das Kindergeld (siehe Abschnitt 4.2.2) (BFH vom beide Familien Bedarfsgemeinschaften nach § 7
10. Dezember 2004 – III B 162/03 – juris Rn. 12 f.). Die SGB II oder werden es durch die Aufnahme oder Be-
Zwecke der Wohngeld- und Wohnraumförderung spre- treuung des Kindes, so bemisst sich der Bedarf nach
chen allerdings gegen eine solche Anknüpfung unter der Zahl der Tage, die sich das Kind beim einen oder
der neuen Rechtslage des WoGG 2016: Hiernach ha- beim anderen Elternteil aufhält, sofern sich die Eltern
ben, anders als beim Kindergeld, beide gemeinsam nicht auf eine andere Aufteilung der Leistungen eini-
getrennt betreuenden Eltern Anspruch auf Wohngeld gen. Die Höhe des Bedarfs, einschließlich des Mehr-
und einen Wohnberechtigungsschein. bedarfs nach § 21 Absatz 3 SGB II, ist für die jeweilige
Bedarfsgemeinschaft gesondert zu ermitteln. Der Be-
25
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
darf wird aber insgesamt nur einmal gedeckt (BSG 2.5 Zwischenfazit
vom 11. Juli 2019 – 14 AS 23/18 R, Rn. 14 f.). Diese
vom BSG im Jahr 2006 (BSG vom 7. November Zusammenfassend lässt sich sagen, dass getrennt le-
2006 – B 7 b AS 14/06 R, BSGE 97, 242) für den Um- benden oder geschiedenen Eltern grundsätzlich ein
gang des Kindes entwickelte Lösung (daher der gemeinsames Sorgerecht für ihre Kinder zusteht, bei
Begriff „temporäre Bedarfsgemeinschaft“) wurde dessen Ausübung sie sich am Kindeswohl orientieren
2013 (BSG vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 50/12 R, sollen. Die Eltern müssen im Residenzmodell bislang
SozR 4-4200 § 7 Nummer 35) auf die gemeinsame untereinander festlegen, welcher Elternteil als haupt-
Betreuung des Kindes in zwei Haushalten erweitert. betreuender Elternteil fungiert, wie der Umgang des
Eine Kodifikation dieser Rechtsprechung im SGB II ist anderen Elternteils ausgestaltet wird und wie hoch
2017 gescheitert. dessen Unterhaltsverpflichtung ist. In diesem Rechts-
rahmen gilt das jeweils gewählte Betreuungsmodell
Ein spezifischer, sich aus der gemeinsamen getrenn- als Regelung des Umgangs, und Anpassungen des
ten Betreuung ergebender, unabweisbarer besonde- Unterhalts beschränken sich auf Fälle einer exakt pa-
rer Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II ist für die ritätisch geteilten Betreuung (50 : 50).
Fahrtkosten anerkannt. Ein aus der Wohnsituation
(etwa durch Verdoppelung der vorzuhaltenden Schlaf- Neben dem Residenzmodell gewinnt die geteilte Be-
und Wohngelegenheiten) sich ergebender Bedarf des treuung durch beide Elternteile empirisch und in der
Kindes für Unterkunft und Heizung ist im Rahmen des politischen Diskussion immer mehr an Bedeutung.
Wechselmodells nach § 22 Absatz 1 SGB II in Höhe Insbesondere das Wechselmodell als Form der geteil-
der tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigungs- ten Betreuung bewegt den aktuellen juristischen Dis-
fähig. Andere aus der Alltagssituation resultierende kurs. Nach einer Entscheidung des BGH muss das
erhöhte Bedarfe des Kindes (etwa für Bekleidung, Bil- Wechselmodell zwar nicht als Regelfall im Gesetz ver-
dung und so weiter) erkennt die Rechtsprechung ankert werden, es könnte aber im Sinne des Kindes-
auch im Zusammenhang der Härteklausel aus § 21 wohls gerichtlich angeordnet werden.
Absatz 6 SGB II bislang nicht an. Schlüssig ist diese
Rechtslage nicht, denn zum einen wird der sich aus Gleichzeitig wirft das Wechselmodell viele Fragen auf,
Wegekosten für den Umgang ergebende Mehrbedarf unter anderem bezüglich der Kompetenzverteilung
eines Kindes bereits heute anerkannt, zum andern zwischen den betreuenden Elternteilen zu Angelegen-
mindert der Aufenthalt eines Kindes bei einer Klas- heiten der Alltagssorge und Angelegenheiten von er-
senfahrt oder in einer Klinik den Anspruch eines El- heblicher Bedeutung sowie bezüglich der Berech-
ternteils auf Leistungen nach SGB II für das Kind nung von Unterhaltsansprüchen. Ein Blick über die
nicht. Die tagesgenaue Anknüpfung der Leistungen Landesgrenzen zeigt, dass international drei Modelle
an die Betreuung verursacht außerdem hohen Auf- zur Bemessung des Kindesunterhalts angewendet
wand für die Eltern beim Nachweis ihres Bedarfs so- werden: das Stufenmodell, das Prozentmodell und
wie für die Jobcenter bei dessen Bemessung (verglei- das Schwellenmodell. Die Modelle ziehen unter-
che Oberdiek, 2019, Seite 56). In der Literatur wird schiedliche Grenzen, ab derer die elterliche Betreu-
deshalb als Alternativlösung die Berücksichtigung ung gegen den Barunterhalt aufgerechnet werden
des Umgangs- und Betreuungsmehrbedarfs empfoh- kann, und treffen unterschiedliche Vorgaben, welche
len (Dern & Fuchsloch, 2017, Seite 61–68). Einkommen jeweils bei der Unterhaltspflicht berück-
sichtigt werden. Das aktuell in Deutschland praktizier-
te Modell entspricht dem Schwellenmodell. Sein
Nachteil ist, dass es nur zwei Formen der Betreuung
und daraus abgeleiteter Unterhaltsberechnung kennt
26
2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Trennung mit Kind
und somit sehr unflexibel bezüglich davon abweichen- Die Frage des Betreuungsmodells und der daraus re-
der Betreuungsarrangements der Eltern aufgestellt ist. sultierenden Unterhaltsansprüche berührt auch zahl-
Das Stufenmodell dagegen scheint den unterschiedli- reiche andere Rechtsbereiche – vom Melderecht
chen Lebensmodellen von Trennungsfamilien in über das Steuerrecht bis zu den existenzsichernden
Deutschland am ehesten gerecht zu werden und Leistungen. Viele Leistungen oder Begünstigungen
gleichzeitig eine praktikable Unterhaltsbemessung zu gehen implizit vom Residenzmodell aus oder sie sind
ermöglichen. Von ihm gehen zudem die geringsten sogar darauf beschränkt. Die Wahl eines anderen Be-
Anreizwirkungen bezüglich einer bestimmten Arbeits- treuungsmodells kann deshalb mit Schnittstellenpro-
teilung der Eltern während (und nach) der Ehe aus. blemen einhergehen beziehungsweise einen oder
beide Elternteile schlechter als im Residenzmodell
Die aus den unterschiedlichen Modellen abgeleiteten stellen. Unter dem geltenden, keineswegs einheitli-
Unterhaltsansprüche gehen mit unterschiedlichen chen Steuer- und Sozialrecht erfordert die Wahl des
Anreizeffekten für die Eltern einher. Ökonomische Betreuungsmodells erhebliche Kompetenzen der El-
Anreize bestehen sowohl nach der Trennung der El- tern auch bei der Abschätzung von Implikationen für
tern – und betreffen den Umfang der Betreuungszei- die Inanspruchnahme der einzelnen Leistungen, auch
ten, Anreize zur Aufnahme oder Ausweitung einer Be- dann, wenn die Eltern sich über die Ausgestaltung
schäftigung oder andere Möglichkeiten der der Betreuung einig sind.
Einkommenserzielung – als auch vor einer Trennung,
da die Arbeitsteilung und Erwerbskonstellation der El-
tern während der gemeinsamen Familienphase die
späteren Sorgeansprüche (nach Scheidung einer Ehe)
und Nach-Trennungs-Einkommen beeinflussen. Nach
dem Prinzip der Kontinuität übernimmt im Residenz-
modell derjenige Elternteil nach der Trennung die
Hauptbetreuung, der auch während der Ehe bezie-
hungsweise Partnerschaft hauptbetreuender Eltern-
teil war. Dies gewährleistet eine Kontinuität der Be-
zugsperson für das Kind, verfestigt aber gleichzeitig
die Rollenverteilung der Eltern über die Ehe hinaus,
die in den allermeisten Fällen der traditionellen Rol-
lenverteilung von Müttern und Vätern in Hauptbetreu-
ende und Hauptgeldverdienende entsprechen wird.
In der Folge besteht auch schon während der Ehe
weniger Anreiz für geringer verdienende Frauen, einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen und die Kinderbetreu-
ung und -erziehung dem Vater zu überlassen. Bei ge-
teilter Betreuung erbringen beide Elternteile sowohl
Betreuungsleistungen als auch finanzielle Leistungen.
Die Aufteilung im „Tauschverhältnis“ – Betreuung
gegen Barunterhalt – ist möglicherweise noch asym-
metrisch, aber nicht absolut (asymmetrisches Wech-
selmodell) oder nicht existent (symmetrisches Wech-
selmodell). Gewinnt die geteilte Betreuung in
Trennungsfamilien an Bedeutung beziehungsweise
wird sie häufiger praktiziert, so sind auch Rückwirkun-
gen auf nicht getrennte Paare zu erwarten: Eine asym-
metrische Arbeitsteilung während der Ehe erscheint
nun möglicherweise weniger attraktiv.
27
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
3 TRENNUNGSFAMILIEN IM SPIEGEL
DER AMTLICHEN STATISTIK UND SOZIAL
WISSENSCHAFTLICHER BEFRAGUNGEN
Nachdem mit Blick auf eine geteilte Betreuung der wiedergibt, ist dabei die zusammengefasste Schei-
Kinder durch beide getrennten Eltern die zentralen Be- dungsziffer. Die Scheidungsziffer zeigt im Wesentli-
reiche eines rechtlichen Regelungsbedarfs angespro- chen an, wie hoch der Anteil an Ehen ist, die nach
chen wurden, bietet dieses Kapitel einen Überblick 25 Jahren Ehedauer geschieden werden.28 Seit den
über die demografischen Eckdaten zur Situation von 1970er-Jahren bis zu ihrem Höchststand im Jahr 2004
Trennungsfamilien. Wie die Ausführungen zeigen wer- ist die Scheidungsziffer in Westdeutschland kontinu-
den, geht es hierbei nicht nur um eine Bestandsauf- ierlich gestiegen. Eine Ausnahme stellt hier allein der
nahme verfügbarer Statistiken, sondern auch um eine Einbruch der Werte infolge der großen Scheidungsre-
Einschätzung, inwieweit diese Daten die für Politik und form Ende der 1970er und der damit verbundenen
Fachpraxis relevanten Informationen bereithalten. Einführung des Trennungsjahres dar. In Ostdeutsch-
land erklärt sich der massive Rückgang der Schei-
dungsziffer nach der Wende ebenfalls in erster Linie
3.1 Die Instabilität von Ehen durch die Übernahme des westdeutschen Schei-
und Partnerschaften und deren dungsrechts und die Einführung der Regelungen zum
Trennungsjahr. Seit ihrem Höchststand im Jahr 2004
Bedeutung für Elternschaft ist die Scheidungsziffer leicht rückläufig. Im Jahr 2018
lag sie bei etwa 32 Prozent in West- und 30 Prozent in
Steigende und hohe Trennungs- und Scheidungsra- Ostdeutschland (siehe Abbildung 1). Mit anderen
ten prägen die Familienstrukturen in Deutschland und Worten: Etwa jede dritte Ehe eines Heiratsjahrgangs
in anderen europäischen Ländern. Ein wichtiger Indi- wird geschieden.
kator, der das Scheidungsgeschehen in einem Land
in Prozent
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020
Ostdeutschland Westdeutschland
Quelle: BiB (2020). Anmerkung: Bis 1994 wurde Westberlin Westdeutschland zugeordnet. Seit 1995 zählt Berlin insgesamt zu Ostdeutschland.
28 Die Scheidungsziffer ist eine Periodenkennziffer und kann, ähnlich wie dies bei anderen periodenspezifischen Indikatoren der Fall ist,
durch Tempoeffekte verzerrt sein (Bongaarts & Feeney, 1998). Derzeit steigt die durchschnittliche Ehedauer leicht an, sodass davon
auszugehen ist, dass die Scheidungsziffer leicht durch Tempoeffekte verzerrt wird. Entsprechend liegt die Scheidungsintensität etwas
höher, als dies durch die Scheidungsziffer angezeigt wird.
28
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
In der amtlichen Statistik wird ebenfalls erfasst, ob fasst. Ebenfalls nicht erfasst ist das Trennungsver
minderjährige Kinder von einer Scheidung betroffen halten von Eltern in nicht ehelichen Lebensgemein
sind (siehe Abbildung 2). Demnach sind bei etwa schaften mit mindestens einem gemeinsamen
50 Prozent aller Scheidungen minderjährige Kinder Kind be ziehungsweise der Anteil an Personen, die
involviert. Dieser Wert ist seit den 1990er-Jahren rela- nicht mit einem Partner zusammenleben, wenn sie El-
tiv stabil. Nicht erfasst wird in der Statistik, ob Paare tern werden. Damit bleibt die amtliche Statistik in ihrer
bereits Kinder haben, die mittlerweile volljährig sind. Aussagekraft zur Instabilität von Paarbeziehungen –
Erfasst werden nur „leibliche Kinder“. Stiefkinder, die auch jenen mit Kindern – deutlich lückenhaft.
von einer Scheidung betroffen sind, werden nicht er-
in Prozent
100
50
Quelle: Grafik erstellt basierend auf den Daten des Statistisches Bundesamts (2018a).
29
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
29 Dieses Arrangement wird als "Co-Parenting" bezeichnet und bezieht sich auf eine intentionale Begründung gemeinsamer Elternschaft
ohne Partnerschaft. Wir verwenden "Coparenting" jedoch im weiteren Sinne als Bezeichnung für die Kooperation und Probleme in der
gemeinsamen Ausübung der Elternrolle, unabhängig vom Bestand einer Partnerschaft.
30 Zusätzliche Verzerrungen können sich dadurch ergeben, dass ein gewisser Teil der Befragten nur lückenhaft oder überhaupt keine
Angaben zur Partnerschaftsbiografie gemacht hat. Analysen zur Trennungswahrscheinlichkeit nach Alter des Kindes (siehe Tabelle 2)
werden zudem durch die Selektion von Personen mit Kindern beeinflusst. Da Männer später im Lebenslauf Kinder bekommen als Frauen,
sind Männer derselben Kohorte „selektiver“ als Frauen. Es handelt sich dabei eher um Männer, die früh im Lebenslauf Kinder bekommen
haben und somit ein höheres Trennungsrisiko aufweisen als ältere Väter. Berücksichtigt man diese Schieflage, würden sich die in Tabelle 3
dargestellten Geschlechterunterschiede verschärfen. Angemerkt sei zudem, dass in Tabelle 2 die Trennungswahrscheinlichkeiten von
Paarbeziehungen abgebildet sind. Da in den meisten Befragungen nur die Co-Residenz mit einem Partner, nicht jedoch das Vorliegen
einer Partnerschaft erhoben wird, wird zumeist das Trennungsrisiko durch den Auszug des Partners operationalisiert. Personen, die nicht
mit einem Partner zusammenleben, werden dabei als partnerlos klassifiziert. Derartige Studien kommen zu höheren Trennungswahrschein-
lichkeiten (Kreyenfeld et al., 2017).
30
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
Aus den genannten Gründen können die für Männer nicht über die Geburt ihres Kindes informiert sind. In
und Frauen berechneten Trennungswahrscheinlichkei- Westdeutschland fallen die Geschlechterunterschiede
ten variieren. Dies zeigt sich auch in den in Tabelle 2 weniger stark aus, auch für Trennungen im ersten Le-
dargestellten Analysen, die die Trennungswahrschein- bensjahr des Kindes. So geben in Ostdeutschland mit
lichkeit nach Alter des ersten Kindes für die Kohorten 14 Prozent wesentlich mehr Frauen als Männer (sie-
1971–1973 abbilden. Sieben Prozent der ostdeut- ben Prozent) an, vom anderen Elternteil ihres einjähri-
schen Frauen haben demnach bei der Geburt des ers- gen Kindes getrennt zu sein. Ab dem Kindergartenalter
ten Kindes keinen Partner (mehr). Betrachtet man je- haben sich die Angaben von Müttern und Vätern auch
doch die Männer derselben Geburtskohorten, ergibt im Osten angeglichen, liegen aber insgesamt deutlich
sich ein deutlich geringerer Wert von nur zwei Prozent. über den Vergleichswerten aus Westdeutschland.
Dieser Unterschied könnte darauf verweisen, dass Demnach hat jeder dritte (erstgeborene) Zehnjährige in
früh getrennte Väter weniger an entsprechenden Be- Ostdeutschland getrennte Eltern, während dies im
fragungen teilnehmen, dass sie eine Offenlegung ihrer Westen für jedes vierte bis fünfte zehnjährige Kind gilt.
Vaterschaft vermeiden oder dass ein Teil der Väter
Tabelle 2: Anteile der Personen, die vom anderen Elternteil des ersten Kindes getrennt sind,
nach Alter des Kindes, in Prozent
Westdeutschland Ostdeutschland
Geburt 4 5 2 7
1 Jahr 6 8 7 14
5 Jahre 14 16 24 26
10 Jahre 22 25 33 35
Anmerkung: Geburtskohorten der befragten Eltern 1971–1973, Ergebnisse auf Basis von Kaplan-Meier-Survival-Funktionen. Die Personen
wurden im Schnitt im Alter von 40 zensiert. Das heißt, dass Personen, die relativ spät das erste Kind bekommen haben und zumeist ein
niedriges Trennungsrisiko aufweisen, hier nicht berücksichtigt wurden.
31 Diese Expertise nutzt Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam, welches von Josef Brüderl, Sonja Drobnič, Karsten Hank,
Bernhard Nauck, Franz J. Neyer und Sabine Walper geleitet wird. Die Studie wird als Langfristvorhaben durch die Deutsche Forschungs-
gemeinschaft (DFG) gefördert (siehe Huinink et al., 2011).
31
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
3.1.2 Betroffenheit von Kindern von & Hess, 1993). In diesem Zusammenhang sind zahl-
Trennung und Scheidung reiche Studien vorgelegt worden, in denen ausgewer-
tet wird, wie häufig Kinder ihre Väter nach Trennung
Statt aus der Perspektive der elterlichen Partner- und Scheidung persönlich sehen. Mütter, die von
schaftsverläufe (nach Alter des ersten Kindes) kann ihren Kindern räumlich getrennt leben, sind bis-
das Trennungsgeschehen aus Sicht der Kinder abge- lang nur selten Forschungsgegenstand (zum Beispiel
bildet werden. Beide Perspektiven weichen voneinan- Kielty, 2005).
der ab, da die Rangfolge (das heißt, ob es beispiels-
weise ein erstes, zweites oder drittes Kind ist) einen Auch das deutsche Familienrecht unterscheidet für die
Einfluss darauf hat, ob und wann ein Kind von der Ausgestaltung der Elternrolle nach einer Trennung zwi-
Trennung seiner Eltern betroffen ist. Dazu kommt, schen einem hauptbetreuenden Elternteil und einem
dass Trennungswahrscheinlichkeit und Kinderzahl zu- Besuchs- oder Umgangselternteil. Analog dazu sieht
sammenhängen. das Melderecht vor, dass eine Person nur an einem
Hauptwohnsitz gemeldet sein kann. Mehrere (gleich-
In der pairfam-Befragung 2018/2019 wurden Jugend- rangige) Wohnsitze eines Kindes sind nicht vorgese-
liche der Geburtsjahre 2001 bis 2003 befragt, ob ihre hen. Dies ist nicht nur von symbolischer Bedeutung,
Eltern jemals getrennt waren. Zudem wurde erfragt, denn zahlreiche gesetzliche Regelungen und finanziel-
ob die Eltern jemals zusammengelebt haben. Aus die- le Anspruchsberechtigungen sind an die (eindeutige)
sen Angaben lässt sich ermitteln, dass 25 Prozent der Haushaltszugehörigkeit von Kindern geknüpft (siehe
westdeutschen Jugendlichen und 32 Prozent der ost- Abschnitt 2.4). Entsprechend bedeutsam ist die Zu-
deutschen Jugendlichen angeben, dass sich ihre El- ordnung des Kindes zu einem Haushalt, die dem so-
tern bis zum Befragungszeitpunkt jemals getrennt ha- genannten Residenzmodell in der Betreuung von Kin-
ben. Damit bestätigen sich in diesen Analysen die dern getrennter Eltern entspricht.
bereits oben aufgezeigten Ost-West-Unterschiede.
Für Deutschland (gesamt) ergibt sich ein Wert von In der Praxis und Forschung ergeben sich beim Ver-
29 Prozent. such einer Unterscheidung zwischen Wechselmodell
und Residenzmodell zunehmend Abgrenzungsprob-
leme (siehe auch Waller & Jones 2014). So entspricht
3.2 Betreuungsmodelle und der erweiterte Umgang mit einer Verteilung der Be-
Kontakt zum getrennt lebenden treuungsanteile beider Eltern im Verhältnis 70 : 30 in
anderen Ländern durchaus einer (asymmetrisch) ge-
Elternteil teilten Betreuung, in Deutschland jedoch (noch) dem
Residenzmodell. Auf damit verbundene Unschärfen in
3.2.1 Bestimmung und Verbreitung der subjektiven Einschätzung einer geteilten Betreu-
von „Residenz“ ung gehen wir im nächsten Abschnitt ein. Hier steht
zunächst die Haushaltszugehörigkeit der Kinder im
Selbst in Ländern wie den USA, wo geteilte Betreuung Vordergrund. Prinzipiell kann in Deutschland bislang
schon lange etabliert ist, zumal die Unterscheidung nur ein Hauptwohnsitz angemeldet werden. Dennoch
zwischen Sorgerecht und Betreuungsarrangement liegt es nahe, dass Väter in Befragungen angeben,
„legal versus physical custody“ weniger prominent dass sie mit ihrem Kind zusammenleben, wenn sie
ausfällt als im deutschen Familienrecht, bleiben die das Wechselmodell praktizieren, selbst dann, wenn
Kinder mehrheitlich bei der Mutter, während die über- das Kind seinen Hauptwohnsitz nicht beim Vater hat.
wiegende Mehrzahl der Väter nach der Trennung oder Tabelle 3 gibt die Ergebnisse des Beziehungs- und
Scheidung nicht mehr zusammen mit dem Kind in Familienpanels wieder, die diese Einschätzung bestä-
einem Haushalt lebt. Entsprechend hat sich die inter- tigen. In die Analysen gingen Personen ein, die (nach
nationale Forschung intensiv mit der Rolle der „non- Angaben in der Partnerschaftsbiografie) nicht mehr
residential fathers“ befasst (Ermisch, 2008; Natalier & mit dem Vater beziehungsweise der Mutter des ersten
Hewitt, 2010; Poole et al., 2016; Stephen, Freedman Kindes eine Beziehung führten. Die Analysen zeigen
32
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Angaben Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass die selektive
von getrennten Vätern und Müttern zur Residenz des Teilnahme engagierter Trennungsväter an Familienbe-
ersten Kindes. Getrennte Väter geben in 17 Prozent fragungen zu solchen Unterschieden in den Angaben
aller Fälle an, dass das Kind nur bei ihnen wohnt. Dies von Müttern und Vätern beiträgt. Die Geschlechter-
übertrifft geringfügig die Daten der amtlichen Statis- unterschiede sind aber sehr wahrscheinlich zumindest
tik, die zwölf Prozent alleinerziehende Väter ausweist teilweise darauf zurückzuführen, dass die „Residenz“
(Statistisches Bundesamt, 2018b).32 Entsprechend in Befragungen nicht klar definiert wird beziehungs-
müssten auch zwölf bis 17 Prozent der Mütter ange- weise Befragte eine unterschiedliche Wahrnehmung
ben, dass das Kind beim Vater lebt, lässt man den Tod davon haben, ob Kinder im eigenen Haushalt oder im
des anderen Elternteils unberücksichtigt.33 Dies ist je- Haushalt des Partners beziehungsweise der Partnerin
doch, laut den Aussagen der weiblichen Befragten, wohnen. Für andere Länder ist darauf verwiesen wor-
nur in Ausnahmefällen (ein Prozent) der Fall. Immerhin den, dass durch die unklare Definition von Residenz
93 Prozent der Mütter, aber nur 64 Prozent der Väter die amtlichen Haushaltsstatistiken verzerrt werden, da
aus Trennungsfamilien berichten, dass das Kind (aus- es zu Doppelzählungen von Kindern kommt (Toule-
schließlich) bei der Mutter wohnt. mon & Pennec, 2010). Für Deutschland gibt es bislang
keine Studie, die der Frage nachgegangen ist, inwie-
fern der Mikrozensus durch derartige Doppelzählun-
gen verzerrt wird.
Tabelle 3: Verteilung der Angaben von Vätern und Müttern zur Residenz des erstgeborenen Kindes im Fall einer
elterlichen Trennung oder Scheidung (in Spaltenprozent)
Männer Frauen
Anmerkung: Nur valide Angaben zu ersten Kindern, die zum Befragungszeitpunkt unter 16 Jahre alt waren. Eltern, deren erstes Kind zum
Befragungszeitpunkt bei Verwandten oder in einem Heim wohnte, wurden ausgeschlossen. Fallzahlen Mütter: 222; Fallzahlen Väter: 102.
32 Höhere Zahlen sind in pairfam insofern zu erwarten, als die amtliche Statistik hauptbetreuende Trennungsväter in neuer Partnerschaft
unberücksichtigt lässt, pairfam diese jedoch mit einbezieht.
33 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um die Ex-Partnerinnen oder Ex-Partner handelt, sondern um unabhängige Stichproben
von Männern und Frauen.
33
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
3.2.2 Bestimmung und Verbreitung von treuung beigetragen sowie zu einer stärkeren Hetero-
geteilter Betreuung/Wechselmodell genität der Bedingungen, unter denen getrennte
Eltern das Wechselmodell realisieren (siehe Ab-
Die Bestimmung geteilter Betreuung anhand amtlicher schnitt 4.2). Allerdings haben entsprechende Geset-
Daten ist nicht möglich. Insofern sind empirische fun- zesänderungen nicht immer zu einem längerfristigen
dierte Aussagen zur Verbreitung geteilter Betreuung Anstieg der Verbreitung geteilter Betreuung geführt. In
beziehungsweise des Wechselmodells auf andere den Niederlanden war geteilte Betreuung unter den
Daten angewiesen. Im Idealfall weisen sie die Anzahl Scheidungskohorten in den 1980er-Jahren mit nur
der Übernachtungen des Kindes bei jedem Elternteil fünf Prozent noch wenig verbreitet, stieg jedoch im
aus, da den Übernachtungen wesentliche Bedeutung Verlauf der 1990er-Jahre und in der ersten Dekade
für die Zugehörigkeit des Kindes zu den Haushalten des neuen Jahrtausends an und wurde im Jahr 2009,
beider Eltern beigemessen wird (vergleiche zum Bei- als das Wechselmodell gesetzlich verankert wurde
spiel Baude, Pearson & Drapeau, 2016; Sünderhauf, und eingeklagt werden konnte, von 33 Prozent der
2013). Mitunter beruhen die Daten lediglich auf Ein- neu geschiedenen Eltern gewählt. Bis 2013 war es al-
schätzungen der Eltern oder Kinder, dass das Kind zu lerdings wieder rückläufig und wurde nur noch von
gleichen Teilen bei beiden getrennten Eltern lebt. 22 Prozent der neu geschiedenen Eltern realisiert
(Poortman & van Gaalen, 2017).
Ein streng paritätisches Wechselmodell ist gegeben,
wenn das Kind die gleiche Anzahl der Nächte bei der Daten zu geteilter Betreuung in Deutschland sind äu-
Mutter und dem Vater verbringt, etwa bei einem wö- ßerst begrenzt. Eine Ländervergleichsstudie auf Basis
chentlichen oder monatlichen Wechsel zwischen den der EU-SILC-Daten aus dem Jahr 2010/2011, die An-
Haushalten. Allerdings wird das Wechselmodell in gaben von 14-Jährigen aus Trennungs- und Schei-
einer Vielfalt von Formen praktiziert, die nicht immer dungsfamilien in Schweden, Vereinigtes Königreich,
eine exakte Parität der Betreuungszeiten realisieren. den Niederlanden und Deutschland gegenüberstellte,
Schon wenn das Kind drei Nächte pro Woche bei erbrachte für Deutschland mit 9,8 Prozent die ge-
einem Elternteil und vier Nächte beim anderen ver- ringste Häufigkeit geteilter Betreuung, während
bringt, entspricht dies nicht der 50 : 50-Aufteilung, die Schweden mit 36,0 Prozent den höchsten Anteil auf-
das deutsche Familienrecht bislang auch in der Unter- wies. Auch im Vereinigten Königreich war das Wech-
haltsbemessung anerkennt, sondern fällt in den Be- selmodell mit 10,8 Prozent eher selten vertreten, wäh-
reich einer 60 : 40-Aufteilung. Anders als Deutschland rend die Niederlande mit 17,6 Prozent geteilter
beziehen viele Länder auch asymmetrische Formen Betreuung eine Mittelstellung einnahmen. Noch ältere
geteilter Betreuung ein bis hin zu Betreuungsarrange- Daten aus 2005/2006 der Studie „Health Behaviour in
ments, die im deutschen Recht dem erweiterten Um- School-Aged Childen“ (HBSC) mit Kindern im Alter
gang (70 : 30) entsprechen (für einen Überblick siehe von elf, 13 und 15 Jahren erbrachte für Deutschland
Sünderhauf, 2013). Allerdings ist die internationale nur einen Anteil von 4,2 Prozent geteilter Betreuung
Rechtslage keineswegs einheitlich. unter allen Kindern, die nicht in Kernfamilien lebten
(Bjarnason & Arnarsson, 2011). Wenngleich dies auf
Internationale Vergleichsdaten (zum Beispiel Kalmijn, den ersten Blick einen Anstieg geteilter Betreuung in
2015) zeigen, dass geteilte Betreuung vor allem in Deutschland nahelegen mag, ist doch zu bedenken,
Schweden weitverbreitet ist, wo eine egalitäre Rollen- dass die Daten kaum vergleichbar sind, weder hin-
verteilung in der Familie stark unterstützt wird und das sichtlich der einbezogenen Altersgruppen der Kinder
Familiengericht geteilte Betreuung bei Konflikten der noch hinsichtlich der Eingrenzung von Familienfor-
Eltern anordnen kann. Nach Surveydaten aus dem men. Während bei EU-SILC nur Trennungsfamilien
Jahr 2011 wurden in Schweden 42 Prozent der vier- betrachtet wurden, bei denen die Eltern ursprünglich
bis 18-jährigen Kinder, die nicht in einer Kernfamilie zusammengelebt hatten, waren bei HBSC alle For-
aufwuchsen, im Wechselmodell betreut (Hakovirta & men von Nicht-Kernfamilien einbezogen.
Rantalaiho, 2011). Reformen des Familienrechts in
Australien und Belgien (Sodermans, Matthijs & Swice- Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach
good, 2013) im Jahr 2006 haben dort ebenfalls das (2017) hat speziell das Thema geteilter Betreuung auf-
Wechselmodell als gesetzliche Norm gestärkt. In bei- gegriffen. Befragt wurden 603 Mütter und Väter in
den Ländern hat dies zu einem Anstieg geteilter Be- Trennungsfamilien. Im Unterschied zu den bislang be-
34
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
richteten Daten gaben 22 Prozent der Eltern an, ihre 3.2.3 Bestimmung und Verbreitung
Kinder zu annähernd gleichen Teilen gemeinsam zu von „Kontakt“
betreuen. Allerdings erbrachten spezifischere Erläute-
rungen und Nachfragen, dass nur 15 Prozent der Be- Die Probleme, die sich bei der Erfassung der Resi-
fragten bestätigten, das Wechselmodell zu praktizie- denz und der geteilten Betreuung (Wechselmodell) er-
ren, und nur in der Hälfte dieser Fälle war das Kriterium geben, beeinflussen auch die Untersuchungen zum
einer gleichen Anzahl von Übernachtungen gegeben Kontakt zwischen getrennt lebendem Elternteil und
(Institut für Demoskopie Allensbach, 2017). Die so er- Kind, da nur diejenigen Personen Fragen zum Kontakt
mittelten rund sieben Prozent entsprechen eher den vorgelegt bekommen, die nicht mit dem Kind zusam-
Daten, die sich auf Basis des Surveys „Aufwachsen in menleben. Dazu kommt, dass getrennte Väter und
Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) aus dem Jahr Mütter die Kontakthäufigkeit des getrennten Eltern-
2014 ermitteln ließen (Walper, Entleitner-Phleps & teils anders einschätzen als dieser selbst. Prinzipiell
Langmeyer, 2020). Nach diesen Daten, die die Anzahl würde man erwarten, dass Mütter, die mit ihren Kin-
der Übernachtungen pro Monat bei jedem Elternteil dern zusammenleben, die Häufigkeit des Kontakts
(Angaben der Mütter) berücksichtigten, waren es so- zum getrennt lebenden Vater eher unterschätzen. Tat-
gar weniger als fünf Prozent der Trennungsfamilien, die sächlich zeigt sich jedoch, dass 38 Prozent der Müt-
das Wechselmodell im Verhältnis 60 : 40 realisierten. ter einen regelmäßigen Kontakt (mindestens einmal
pro Woche) zum getrennt lebenden Vater angeben,
bei den Trennungsvätern sind es mit 36 Prozent et-
was weniger. Der niedrigere Anteil der Väter, die häu-
fige Kontakte angeben, erklärt sich wahrscheinlich
damit, dass Väter mit einem sehr engen Kontakt die
Frage zum Kontakt nicht vorgelegt bekommen, da sie
davon ausgehen, dass das Kind bei ihnen wohnt.
Während es entsprechende Unschärfen hinsichtlich
der Kontakthäufigkeit von Trennungsvätern gibt, zeigt
sich relativ eindeutig, dass ein beträchtlicher Teil der
Väter keinen Kontakt mehr zum Kind hat (Tabelle 4).
Vater Mutter
(wohnt nicht mit Kind zusammen) (wohnt mit Kind zusammen)
Seltener Kontakt/Kontakt 28 36
abgebrochen/nie bestanden
Anmerkung: nur valide Angaben zu ersten Kindern, die zum Befragungszeitpunkt unter 16 Jahren sind. Fallzahlen Mütter: 219;
Fallzahlen Väter: 97.
35
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
Die Häufigkeit des persönlichen Kontakts gehört Diese Befunde bestätigen sich im Wesentlichen auch
mittlerweile zu den standardmäßig verwendeten Fra- für Deutschland (Hubert, Neuberger & Sommer, 2020).
gen, um das väterliche Engagement nach Trennung Im Unterschied zu den Ergebnissen in anderen Län-
und Scheidung abzubilden. Kontaktmöglichkeiten, dern ist der Anteil alleinerziehender Väter (definiert als
die sich über neue Medien ergeben (wie beispielswei- Väter, die mit einem minderjährigen Kind, aber ohne
se über Skype, WhatsApp et cetera), sind hingegen Partner/Partnerin im Haushalt leben) an allen Allein-
seltener Teil des Untersuchungsgegenstands (siehe erziehenden jedoch mit etwa zehn Prozent relativ sta-
jedoch Schier & Schlinzig, 2016). Zudem ließe sich bil über die Zeit (Statistisches Bundesamt, 2017).
einwenden, dass mittlerweile zahlreiche Datensätze
zur Verfügung stehen, um Zeitverwendung in Kernfa- Alleinerziehende Väter und Mütter können im Mikro-
milien abzubilden. Über die Zeitverwendung von Per- zensus, auf dem Abbildung 3 beruht, relativ eindeutig
sonen, die räumlich getrennt von ihren Kindern leben, erfasst werden, da in den Interviewanweisungen Be-
ist hingegen wenig bekannt. Auch die in Deutschland fragte darauf hingewiesen werden, nur solche Perso-
im Jahr 2013 durchgeführte Zeitverwendungsstudie nen als Haushaltsmitglieder zu nennen, die am Wohn-
kon nte diese Forschungslücke nicht schließen, da sitz gemeldet sind. Inwiefern Kinder – etwa im Rahmen
Eltern, die räumlich von ihren Kindern getrennt leben eines erweiterten Umgangs oder bei geteilter Betreu-
und/oder das Wechselmodell praktizieren, nicht in ung – auch beim anderen Elternteil leben, wird nicht
den Daten abgegrenzt werden können. Zudem kon- erfragt. Allerdings wird der Nebenwohnsitz erhoben,
zentrierte sich diese Befragung auf die Zeitverwen- der möglicherweise ein Indiz für einen erweiterten
dung von Personen, die im selben Haushalt leben. Umgang darstellt. Insgesamt sind es etwa fünf Pro-
Inwiefern Trennungseltern, die räumlich von ihren zent der Kinder von Alleinerziehenden, für die im Mik-
Kindern getrennt leben, die Erziehung und Betreuung rozensus ein weiterer Wohnsitz angeben wird, was im
von Kindern begleiten, konnte entsprechend nicht Wesentlichen dem Anteil der Personen entspricht, die
ausgewertet werden. das Wechselmodell laut Befragungsdaten praktizieren
(Walper, 2016; Kindler & Walper, 2016). Interessant ist
vor allem, dass ein weiterer Wohnsitz des Kindes ne-
3.3 Alleinerziehende gativ mit dem Bezug von ALG II korreliert (Geisler &
Väter und Mütter Kreyenfeld, 2019). Diese Ergebnisse entsprechen
dem vielfach bestätigten Befund, dass vor allem El-
tern mit höherer Bildung das Wechselmodell prakti-
Neben dem Forschungsstrang, der sich vor allem mit zieren (Steinbach, 2019). Sie könnten sich zudem an
Trennungsvätern beschäftigt, die nicht mit dem Kind die Befunde aus anderen Ländern anschließen, die
zusammenleben, existieren zudem vereinzelte Stu- aufzeigen, dass das Wechselmodell mit dem Er-
dien zu alleinerziehender Vaterschaft. In entsprechen- werbsverhalten von Alleinerziehenden positiv zusam-
den Untersuchungen, die überwiegend aus dem menhängt (Bonnet, Garbinti & Solaz, 2018).
angelsächsischen Raum stammen, wird zumeist dar-
auf verwiesen, dass der Anteil alleinerziehender Väter Die verfügbaren Zahlen des Mikrozensus geben kei-
mit dem wachsenden väterlichen Engagement über nen Aufschluss darüber, wie „alleinerziehend“ diejeni-
die Zeit hinweg angestiegen ist (Bures, 2009; Coles, gen Eltern sind, die ihre Kinder ohne Partner im Haus-
2015). Vergleiche mit alleinerziehenden Müttern ver- halt betreuen. So wird gelegentlich angemahnt, der
weisen auf einige Besonderheiten alleinerziehender Begriff „getrennt erziehend“ sei angemessener, da in
Väter. So zeigen Daten aus Europa und den USA, der Regel der andere Elternteil noch lebe und verfüg-
dass alleinerziehende Väter eher ältere und weniger bar sei. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass das
Kinder haben, höher gebildet und häufiger erwerbstä- Konzept „getrennt erziehend“ quer zur Unterschei-
tig sind als alleinerziehende Mütter (Chzhen & Brad dung zwischen Ein-Eltern-Haushalten und Zwei-El-
shaw, 2012; Härkönen, Lappalainen & Jalovaara, tern-Haushalten liegt: Auch Eltern, die (verheiratet
2017; Lewis, 1997; Maldonado & Nieuwenhuis, 2015). oder unverheiratet) mit einem Partner im Haushalt
36
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
zusammenleben, können getrennt erziehend sein, Befund der Studie war zudem, dass etwa ein Drittel
wenn sie zum Beispiel mit Kindern aus einer früheren der Berechtigten, die keinen Unterhalt erhielten, ihre
Beziehung zusammenleben, deren anderer, getrennt Forderungen nicht geltend gemacht hatten. Unklar ist,
lebender Elternteil in die Betreuung und Erziehung der inwiefern hier eine gewisse „Resignation“ (Andreß et
Kinder involviert ist. Insofern wäre es zu kurz gegriffen, al., 2003, Seite 174) zum Ausdruck kommt oder ob
die Bezeichnung „alleinerziehend“ durch „getrennt er- Befragte aus anderen Gründen die Unterhaltsansprü-
ziehend“ zu ersetzen, da damit nur ein Teil der getrennt che ihrer Kinder nicht geltend machen. Als mögliche
Erziehenden und auch nur ein Teil der Alleinerziehen- Gründe nennen Andreß et al. (2003) vor allem den
den – nicht die Verwitweten – angesprochen wäre. Wunsch, den Kontakt mit dem Ex-Partner zu vermei-
den, Schuldgefühle wegen der Trennung sowie eine
„generelle Scheu vor rechtlichen Instanzen“ (ibid.,
3.4 Unterhaltszahlungen Seite 213–214).
Unterhaltszahlungen und speziell der Kindesunterhalt Eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren,
sollten für die empirische Familienforschung von be- Frauen und Jugend beauftragte FORSA-Studie, die
sonderem Interesse sein. Fehlende Unterhaltszahlun- im Unterschied zur Studie von Andreß et al. (2003)
gen verweisen auf ungedeckte Ansprüche der Kinder, nicht nur geschiedene, sondern auch getrennte Per-
können zu erhöhten Armutsrisiken von Alleinerziehen- sonen umfasste, ermittelte, dass 30 Prozent der al-
den beitragen und machen staatliche Investitionen zu leinerziehenden Mütter keinen ausreichenden Kindes-
deren Kompensation notwendig. Erstaunlicherweise unterhalt erhielten (FORSA, 2002, Seite 102). Zu
ist die Erkenntnislage hierzu jedoch äußerst begrenzt. einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie aus
Bremen aus dem Jahr 2016, in der erwerbsfähige
3.4.1 Barunterhalt für die Kinder Leistungsberechtigte nach SGB II befragt wurden
(Schröder, 2017). In der Studie wurde vor allem darauf
Der Kindesunterhalt wurde in allgemeinen Befragun- verwiesen, dass unterhaltsberechtigte Alleinerziehen-
gen (beispielsweise SOEP oder pairfam) sowie in auf de zumeist darauf verzichten, ihre Rechte geltend zu
Trennungseltern fokussierten Surveys erhoben, wobei machen, da sie im Alltag derart eingebunden sind,
sich allerdings die Frageformulierungen wie auch die dass sie keine zeitlichen Ressourcen zur Verfügung
Untersuchungspopulationen, die den einzelnen Stu- haben, um ihre Rechte einzuklagen. Eine von Proksch
dien zugrunde lagen, zum Teil deutlich voneinander (2000) im Auftrag des Bundesministeriums der Finan-
unterscheiden. Besonders detaillierte Einblicke in die zen durchgeführte Elternbefragung fokussierte die
Zahlung und den Erhalt von Kindesunterhalt liefert die Bedeutung des Sorgerechts für die Zahlung von Kin-
Erhebung „Wirtschaftliche Folgen von Trennung und desunterhalt. In dieser Studie gaben 35 Prozent der
Scheidung (WTS)“ aus den Jahren 2000/2001. Andreß alleinerziehenden Mütter mit gemeinsamem und
et al. (2003) zeigten auf Basis dieser Daten, dass le- 47 Prozent der Mütter mit alleinigem Sorgerecht an,
diglich 64 Prozent der kindesunterhaltsberechtigten keinen oder nicht in vollem Umfang Kindesunterhalt
geschiedenen Frauen regelmäßig und vollständigen zu beziehen. Eine vom Bundesministerium für Familie,
Kindesunterhalt erhielten, weitere zwölf Prozent ga- Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebene Al-
ben an, zwar Unterhalt zu beziehen, dass die Zahlun- lensbach-Befragung aus dem Jahr 2008 zeigte, dass
gen jedoch unzureichend und unregelmäßig erfolgten. nur jede zweite Alleinerziehende den vollen Kindes-
Etwa jede vierte Alleinerziehende berichtete, über- unterhalt erhielt (BMFSFJ 2008).34 Zu einem ähnlichen
haupt keinen Kindesunterhalt vom anderen Elternteil Ergebnis kommt Hartmann (2015, 2018) in seinen
zu erhalten, wobei dieser Anteil in Ostdeutschland Analysen auf Basis des SOEP aus dem Jahr 2015. Er
deutlich höher als in Westdeutschland ausfiel. Erho- gibt an, dass nur 44 Prozent der alleinerziehenden
ben wurden zudem die Gründe für die ausbleibenden Frauen den Mindestunterhalt oder mehr erhalten, wo-
Zahlungen, wonach mangelnde Zahlungsbereitschaft bei unter Müttern mit drei oder mehr Kindern der An-
(33 Prozent) und zu geringes Einkommen (25 Prozent) teil auf elf Prozent sinkt (Hartmann, 2015, 2018). An-
am häufigsten angegeben wurden. Ein wesentlicher hand einer aktuellen Befragung von Alleinerziehenden,
34 Siehe https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/studien/7373_Alleinerziehende.pdf.
37
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
die im Auftrag des Deutschen Jugendinstituts (DJI) desunterhalt, um das Verhältnis zum anderen Eltern-
durchgeführt wurde, berichten Hubert, Neuberger teil nicht zu belasten (siehe auch Andreß et al., 2003).
und Sommer (2020), dass 20 Prozent der alleiner
ziehenden Mütter und sogar 50 Prozent der allein- Die erheblichen Unterschiede in den einzelnen Stu-
erziehenden Väter angaben, keinen Anspruch auf dien sind nicht nur auf die unterschiedlichen Befra-
Kindesunterhalt zu haben. Nur 61 Prozent der Allein- gungszeitpunkte zurückzuführen, sondern auch auf
erziehenden mit Unterhaltsanspruch erhalten Kindes- unterschiedliche Eingrenzungen der Untersuchungs-
unterhalt, wobei sich alleinerziehende Mütter und Vä- population (nur Geschiedene versus alle Getrennten)
ter nicht unterscheiden, aber bei mehr als der Hälfte und die unterschiedliche Art und Weise, wie Kindes-
dieser Fälle liegen die Unterhaltszahlungen unter dem unterhalt erfragt wurde (FORSA, 2002). Verschiedene
Mindestunterhalt. Als Grund für mangelnde Unter- Studien haben zudem auf gravierende Diskrepanzen
haltszahlungen gaben 64 Prozent der Alleinerziehen- zwischen den Angaben von Befragten, die berechtigt
den an, dass der andere Elternteil nicht zahlungsfähig sind, Kindesunterhalt zu beziehen, und jenen, die Kin-
sei. 48 Prozent berichteten, dass der andere Elternteil desunterhaltszahlungen leisten müssen, hingewiesen
sich weigere zu zahlen. In jedem dritten Fall (35 Pro- (Andreß et al., 2003; FORSA, 2002).
zent) verzichten die Alleinerziehenden auf den Kin-
Im Kontext der Fragen zum Kindesunterhalt soll auf die Bestrebungen zur Einführung einer Kindergrund-
sicherung hingewiesen werden. Eine länderoffene Arbeitsgruppe hat im Auftrag der Konferenz der Arbeits-
und Sozialminister (ASKM)35 umfangreiche Prüfungen der verschiedenen diskutierten Grundsicherungs-
modelle vorgenommen und prüft deren Umsetzungsmöglichkeiten. Gemeinsam ist allen Ansätzen, dass
der Mindestbedarf von Kindern durch einen Anspruch auf ein ihnen zustehendes Grundeinkommen ge-
deckt wird mit der Folge, dass Eltern von Unterhaltspflichten für das Existenzminimum zumindest teilweise
entlastet würden36, was in Trennungsfamilien zu einer Reduzierung der Barunterhaltspflicht führen würde.
Damit wäre eine Neujustierung der Lastenteilung zwischen Barunterhalt und Betreuung erforderlich, denn
selbst in Trennungsfamilien mit reinen Residenzmodell könnte die Rollenverteilung „Einer betreut, der an-
dere zahlt“ im Kontext einer Kindergrundsicherung nicht mehr als angemessen angesehen werden. Hier
müssten Regelungen gefunden werden, die für alle Familien unabhängig von der Betreuungs- und Einkom-
menskonstellation der Eltern gelten. Dabei wären verschiedene Aspekte, die bereits hier im Gutachten
mehrfach angesprochen wurden, zu beachten wie Schnittstellen zu sozial- und steuerrechtlichen Regelun-
gen und vor allem die Berücksichtigung von Mehraufwand bei geteilter Betreuung. Im Gutachten von Ott
et al. (2020) für die ASKM wird hierfür ein Wechsel der Blickrichtung vorgeschlagen – Kinder aus Tren-
nungsfamilien nicht als „Ausnahme“ zu betrachten, sondern bei der Gestaltung von Regelungen grund-
sätzlich von diesen Fällen auszugehen.
35 https://www.ms.niedersachsen.de/download/150960/Bericht_der_laenderoffenen_Arbeitsgruppe_zur_96._Arbeits-_und_Sozialministerkon-
ferenz_2019_am_27._28._November_2019.pdf.
36 Hierin unterscheiden sich verschiedene Ansätze.
38
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
Nur wenige Studien haben sich mit der Zahlung von Die Höhe und Prävalenz der Zahlung des Unterhalts-
nachehelichem Unterhalt befasst. Andreß et al. (2003) vorschusses werden in der Unterhaltsvorschussstatis-
zeigen, dass nachehelicher Unterhalt deutlich seltener tik geführt (UVG-Statistik). Abbildung 3 gibt den Anteil
gezahlt wird als Kindesunterhalt. Demnach erhalten der Kinder, die UVG-leistungsberechtigt sind, nach
nur 40 Prozent der anspruchsberechtigten geschiede- Bundesländern wieder. Die Abbildung offenbart starke
nen Frauen nachehelichen Unterhalt (ibid., Seite 189), regionale Unterschiede, vor allem zwischen Ost- und
wobei sich besonders große Unterschiede zwischen Westdeutschland. In den ostdeutschen Bundeslän-
Ost- und Westdeutschland zeigen (zehn Prozent in dern liegt die Quote zwischen acht und zwölf Prozent.
Ost, 45 Prozent in West). Sozialwissenschaftliche Nur die westdeutschen Stadtstaaten Bremen, Berlin
Studien zum Betreuungsunterhalt (Unterhaltszahlun- und Hamburg erreichen ähnlich hohe Werte. In den an-
gen für unverheiratete Personen) und zu Veränderun- deren westlichen Bundesländern liegen die Anteile bei
gen in nachehelichen Unterhaltszahlungen, die mit nur drei bis sieben Prozent. Die Anteile variieren zu-
der Unterhaltsrechtsreform 2008 in Verbindung ste- dem stark mit dem Alter des Kindes. Mit zunehmen-
hen, sind uns nicht bekannt. In der bereits oben er- dem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder
wähnten DJI-Alleinerziehendenstudie mit Daten aus eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erfahren
dem Jahr 2016 wurden Alleinerziehende gefragt, ob haben. Analog dazu nimmt die Wahrscheinlichkeit zu,
sie Anspruch auf nachehelichen Unterhalt oder Be- dass Unterhaltsvorschuss bezogen wird. Dies gilt je-
treuungsunterhalt haben. Die große Mehrzahl (89 Pro- doch nur bis zu einem Alter von elf Jahren, danach sin-
zent) gab an, keinen Anspruch zu haben, weitere vier ken die Anteile rapide, besonders für die Stadtstaaten
Prozent wussten nicht, ob Anspruch bestand, und nur Bremen, Berlin und Hamburg, die zusammen mit dem
in sieben Prozent der Fälle bestätigten die Befragten, Bundesdurchschnitt in Abbildung 4 dargestellt sind.
dass sie einen Anspruch auf Unterhaltszahlungen hat- Hier spiegeln sich noch die überkommenen Regelun-
ten (Hubert et al., 2020). gen wider, nach denen nur Kinder bis zum Alter von elf
Jahren Anspruch auf Unterhaltsvorschuss hatten. Ob-
Prinzipiell liefert die Gerichtsstatistik zwar Anhalts- wohl seit dem 1. Juli 2017 ein Anspruch bis zur Voll-
punkte, dass auch nach der Unterhaltsrechtsreform endung des 18. Lebensjahrs besteht, werden diese
nachehelichen Unterhaltszahlungen weiterhin eine Leistungen von Personen mit älteren Kindern nicht in
Bedeutung zukommt. So werden in der Gerichtssta- gleicher Weise in Anspruch genommen. Eine nahelie-
tistik für das Jahr 2017 60.866 Kindesunterhaltsver- gende Erklärung ist, dass der Anspruch auf Unter-
fahren und 36.212 Verfahren zum nachehelichen haltsvorschuss für Kinder über zwölf Jahre an zusätz-
Unterhalt ausgewiesen (Statistisches Bundesamt, liche Voraussetzungen geknüpft ist (kein Bezug von
2018c). Allerdings müssen Unterhaltszahlungen nicht ALG II beziehungsweise ein Einkommen von mindes-
im Scheidungsverbund geregelt werden, sodass es tens 600 Euro bei ALG-II-Bezug; vergleiche Ab-
sich hier um anhängige Verfahren handeln kann. Zu- schnitt 2.4.4).
dem sind in der Gerichtsstatistik nur Unterhaltsfälle
enthalten, die gerichtlich beschieden wurden, und
nicht jene, die notariell oder im Rahmen von außerge-
richtlichen Vereinbarungen geregelt wurden, sodass
die Gerichtsstatistik nur einen sehr punktuellen und
unvollständigen Einblick in die Bedeutung von Kin-
desunterhalt und nachehelichem Unterhalt liefert.
Dazu kommt, dass es schwierig ist, eine passende
Bezugsgröße zu finden, um die Anzahl der Verfahren
zu standardisieren, da sich anhängige Verfahren auf
Scheidungen beziehen, die schon mehrere Jahre zu-
rückliegen können.
39
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
in Prozent
Mecklenburg-Vorp. 12
Sachsen-Anhalt 11
Bremen 11
Brandenburg 9
Thüringen 9
Sachsen 8
Hamburg 8
Berlin 8
Schleswig-Holstein 7
Saarland 7
Niedersachsen 6
Nordrhein-Westfalen 6
Rheinland-Pfalz 6
Hessen 5
Bayern 4
Baden-Württemberg 4
0 2 4 6 8 10 12 14
Anmerkung: Die Bezugsgröße sind die mittleren Bevölkerungszahlen (Mittel aus dem Bestandswert zum Jahresende 2018 und 2019)
der Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren nach Bundesländern.
Quelle: Grafik erstellt basierend auf den Daten von BMFSFJ (2019) und Statistisches Bundesamt (2020).
40
3 Trennungsfamilien im Spiegel der amtlichen Statistik
in Prozent
16
14
12
10
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Alter
Alle Bundesländer Bremen Berlin Hamburg
Anmerkung: Die Bezugsgröße sind die mittleren Bevölkerungszahlen (Mittel aus dem Bestandswert zum Jahresende 2018 und 2019)
der Kinder nach Einzelalter nach Bundesländern.
Quelle: Grafik erstellt basierend auf den Daten von BMFSFJ (2020) und Statistisches Bundesamt (2020).
3.5 Zwischenfazit
Das Scheidungsrisiko liegt in Deutschland im mittleren Informationen zu Umgangskontakten und Betreu-
Bereich der europäischen Länder und ist seit einigen ungsarrangements in Familien mit getrennten Eltern
Jahren leicht rückläufig. Rund jede dritte Ehe wird ge- fehlen in der amtlichen Statistik und Surveydaten lie-
schieden, und bei jeder zweiten Scheidung sind ge- fern teils widersprüchliche oder lückenhafte Informa-
meinsame minderjährige Kinder der Partner involviert. tionen. Eine geteilte Betreuung von Trennungskindern
Während die Scheidungsstatistik Aufschluss über die durch beide Eltern – festgemacht an der Anzahl der
Entwicklung der jährlichen Scheidungsraten gibt, sind Übernachtungen des Kindes bei beiden Elternteilen –
Informationen über die Instabilität von unverheirateten scheint in Deutschland nur in fünf Prozent aller Tren-
Paaren sehr lückenhaft. Diese sollten jedoch von be- nungsfamilien praktiziert zu werden, wobei andere
sonderem Interesse sein, da sich die Partnerschaften Kriterien, vor allem subjektive Einschätzungen der
unverheirateter Paare – auch jener mit gemeinsamem Betreuungsanteile, höhere Werte erbringen. Im Ver-
Kind – vor allem in Westdeutschland als weniger stabil gleich zu anderen europäischen Ländern ist damit ge-
erweisen. Wie der nächste Abschnitt ansprechen wird, teilte Betreuung in Deutschland sehr selten.
scheint die Eheschließung auf den ersten Blick eine
höhere Selbstverpflichtung gegenüber dem Partner
und auch gegenüber gemeinsamen Kindern zu indi-
zieren. Allerdings scheinen hierbei Unterschiede in
den Bildungsressourcen eine wichtigere Rolle zu spie-
len (Köppen, Kreyenfeld & Trappe, 2018).
41
4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
Obwohl im überwiegend praktizierten Residenzmodell genen Jahren verweist nicht auf eine gestiegene Zah-
dem hauptbetreuenden Elternteil minderjähriger Kin- lungsmoral getrennt lebender Eltern. Umso wichtiger
der Kindesunterhalt überwiegend zusteht, wird Unter- ist der Unterhaltsvorschuss, der seit 2017 einem grö-
halt in rund der Hälfte der Fälle nur unregelmäßig oder ßeren Kreis von Trennungskindern zusteht. Trenddaten
gar nicht gezahlt (Hartmann, 2015, 2018; Hubert, Neu- zu Unterhaltszahlungen und Unterhaltsvorschuss wä-
berger & Sommer, 2020). Ein erster, oberflächlicher ren wichtige Indikatoren für die Entwicklung der finan-
Vergleich unterschiedlicher Befunde aus den vergan- ziellen Situation von Trennungsfamilien.
42
4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
Wie zu erwarten, geht eine große geografische Dis- Klarer ist hingegen der positive Zusammengang zwi-
tanz zwischen dem Haushalt des Vaters und dem der schen dem gemeinsamen Sorgerecht und dem Vater-
Kinder mit selteneren Kontakten und einem erhöhten Kind-Kontakt (Köppen et al., 2018), wobei vor allem
Risiko für Kontaktabbrüche einher, erhöht doch der Kontaktabbrüche bei gemeinsamem Sorgerecht sel-
räumliche Abstand den finanziellen und organisatori- tener sind, während die Kontakthäufigkeit nicht vom
schen Aufwand für häufige Kontakte (zum Beispiel Sorgerecht tangiert zu sein scheint (Keil & Langmey-
Cheadle, Amato & King, 2010). er, 2020, in Druck). Dies finden die Studien auch unter
Kontrolle zahlreicher anderer Faktoren heraus. Köp-
Ein klarer Zusammenhang zwischen ökonomischer pen, Kreyenfeld und Trappe (2018) zeigen zudem,
Benachteiligung und geringem Vater-Kind-Kontakt dass sich mit zunehmender Dauer seit Trennung die
nach Trennung und Scheidung wurde darüber hinaus Unterschiede zwischen Vätern mit und ohne Sorge-
mehrfach aufgezeigt, sowohl in internationalen Stu- recht vergrößern. Dieser Befund ist relativ stabil, auch
dien (Bradshaw et al., 1999; Swiss & Le Bourdais, wenn die sozioökonomischen Merkmale der Väter
2009) als auch in Daten aus Deutschland (Keil & Lang- mitberücksichtigt werden.
meyer, 2020; Walper et al., 2020). Niedrige Bildung,
eine frühe Vaterschaft und Erwerbslosigkeit sind da- Obwohl diese Ergebnisse prinzipiell die Bedeutung
bei die wichtigsten Faktoren, die den Vater-Kind-Kon- des Sorgerechts für das väterliche Engagement nach
takt negativ beeinflussen. Trennung oder Scheidung herausstellen, ist unklar, in-
wiefern die Befunde durch Selektionsprozesse ver-
Die bisherigen Studien zeigen zudem, dass die regel- zerrt werden. So sind es in erster Linie engagierte Vä-
mäßige Zahlung von Unterhalt wie auch ein gemein- ter, die sich für ein gemeinsames Sorgerecht einsetzen.
sames Sorgerecht positiv mit dem Vater-Kind-Kontakt Verheiratete Väter behalten nach der Scheidung in al-
korrelieren (Cheadle et al., 2010; Hofferth, Forry & Pe- ler Regel das gemeinsame Sorgerecht, und nur in Aus-
ters, 2010; Seltzer, 1998). Auch für Deutschland ist nahmefällen (Hochkonfliktfälle oder Fehlverhalten)
der Zusammenhang von Unterhaltszahlungen und wird von dieser Praxis abgewichen. Das gemeinsame
Vater-Kind-Kontakt untersucht worden. Allerdings Sorgerecht wird auch von nicht ehelichen Lebensge-
konnten hier im Gegensatz zu den angloamerikani- meinschaften zumeist bei der Geburt des Kindes be-
schen Studien keine klaren Zusammenhänge zwi- gründet und ändert sich nur in Ausnahmefällen bei
schen der regelmäßigen Zahlung von Unterhalt und einer Trennung. Angesichts dieser hohen Stabilität des
Kontakt aufgezeigt werden (Köppen et al., 2018). Sorgerechts können kausalanalytische Verfahren, in
Während die Daten einer älteren Internetbefragung denen untersucht wird, wie Veränderungen in den Sor-
von Vätern dafür sprechen, dass Unterhaltszahlungen gerechtsregelungen zu Veränderungen im Kontakt
mit mehr Kontakt von Scheidungsvätern zu ihren Kin- beitragen (wie Fixed-Effects-Modelle dies ermögli-
dern einhergehen (Amendt, 2004), findet sich in neu- chen), nicht angewandt werden. Schlussfolgerungen
eren Daten kein Zusammenhang (Keil & Langmeyer, können somit nur auf Basis von Subgruppenverglei-
2020; Köppen et al., 2018). Die Analysen auf Basis der chen, das heißt von Vätern mit und ohne Sorgerecht,
pairfam-Daten legen sogar nahe, dass bei fehlenden gezogen werden, die nur bedingt geeignet sind, kau-
Unterhaltszahlungen tendenziell häufigere Vater-Kind- sale Schlüsse zu ziehen.
Kontakte stattfinden (Walper, Entleitner-Phleps &
Langmeyer, 2020). Ob in dem letztgenannten Fall
Unterhaltszahlungen durch mehr Zeit mit dem Kind
ersetzt werden und notwendige Investitionen, zum
Beispiel für die Kleidung der Kinder, von den Vätern
direkt geleistet werden, ist unbekannt.
43
4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
Die Qualität der Beziehung zwischen den getrennten Interessanterweise zeigten Konflikte in der Erziehung
Eltern und deren Allianz in der Elternrolle (Coparent- keine vergleichbaren Effekte auf die Vater-Kind-Kon-
ing) haben sich als wesentliche Einflussfaktoren er- takte. Daten des pairfam-Panels aus Deutschland be-
wiesen, sowohl für die Kontakthäufigkeit und Qualität stätigen diesen Befund, wobei allerdings der Vorteil
der Beziehung des getrennt lebenden Elternteils zu eines kooperativen Coparenting für die Häufigkeit von
den Kindern als auch für die Entwicklung der Kinder in Vater-Kind-Kontakten im Folgejahr unbedeutend wur-
Trennungsfamilien (Dunn, 2004; Kelly, 2000; Walper & de, sobald die frühere Kontakthäufigkeit kontrolliert
Langmeyer, 2014; Whiteside & Becker, 2000). Insbe- wurde (Walper et al., 2020, in Druck). Dies könnte
sondere anhaltende, destruktive Konflikte zwischen einerseits bedeuten, dass schon die frühere Kontakt-
den Eltern stellen einen deutlichen Risikofaktor dar, häufigkeit längerfristig eingespielte Kooperations-
der sowohl mit selteneren Kontakten zwischen ge- muster reflektiert, legt andererseits aber die Frage
trennt lebenden Vätern und ihren Kindern verbunden nahe, ob kooperatives Coparenting überhaupt als
ist als auch die Qualität deren Beziehung belastet eigenständiger „Wirkfaktor“ zu sehen ist. Die damit
(Dunn, 2004; Whiteside & Becker, 2000). Allerdings lei- aufgeworfene Frage der Kausalität konnten Sobolew-
det bei anhaltenden Konflikten nicht nur die Beziehung ski und King (2005) anhand längsschnittlicher Daten
der Kinder zum Vater, sondern auch die Mutter-Kind- beleuchten. Demnach trägt eine gute Coparenting-
Beziehung (Walper & Beckh, 2006), und insgesamt ist Allianz zu mehr Vater-Kind-Kontakten bei, während
die emotionale Sicherheit der Kinder in der Familie umgekehrt häufige Vater-Kind-Kontakte nicht ein bes-
beeinträchtigt (Coe, Davies & Sturge-Apple, 2017; seres Coparenting bewirken.
Davies et al., 2016). Dies zeigt sich auch in einer ver-
minderten Bindungssicherheit der Kinder (Brock & Auch Merkmale der Kinder beeinflussen das Engage-
Kochanska, 2016). ment von getrennt lebenden Vätern. Wie schon er-
wähnt, nehmen Vater-Kind-Kontakte mit steigendem
Aus Kernfamilien ist bekannt, dass mangelnde Fähig- Alter der Kinder ab (Amato, Meyers & Emery, 2009;
keiten der Eltern in der gemeinsamen Problembewäl- Kalmijn, 2015). Vor allem im Jugendalter erweitert sich
tigung auch zu vermehrten Konflikten speziell in Erzie- der Aktionsradius der Kinder, und die gemeinsame
hungsfragen beitragen (Gabriel & Bodenmann, 2006). Zeit mit Gleichaltrigen gewinnt an Bedeutung. Wäh-
Solche Probleme in der Zusammenarbeit bei der Be- rend einige Daten auf häufigere Kontakte der Väter zu
treuung und Erziehung der Kinder sprechen das elter- ihren Söhnen verweisen (Kalmijn, 2015), erwies sich
liche Coparenting an (Langmeyer, 2015; Teubert & das Geschlecht des Kindes im Spiegel deutscher Be-
Pinquart, 2009). Schon frühzeitig wurde die Qualität funde als unbedeutend, das heißt, Väter halten nach
des Coparenting beider Eltern in der Scheidungsfor- einer Trennung nicht häufiger den Kontakt zu Söhnen
schung thematisiert (zum Beispiel Ahrons & Wallisch, als zu Töchtern (zum Beispiel Keil & Langmeyer, 2020;
1987; Maccoby, Depner & Mnookin, 1990). So ist Walper et al., 2020). Einflussreicher könnten – zumin-
auch für die Vater-Kind-Beziehung in Trennungsfami- dest nach Befunden aus den USA – Verhaltensmerk-
lien relevant, wie gut getrennte Eltern in der Betreu- male der Kinder sein. Dass internalisierendes oder ex-
ung und Erziehung der Kinder zusammenarbeiten: ternalisierendes Problemverhalten der Kinder die
Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigt, Vater-Kind-Beziehung belastet und das Engagement
dass Väter häufigere Kontakte zu ihren getrennt le- der Väter gegenüber den Kindern vermindert, ist aus
benden Kindern hatten, wenn sie die Mütter mehr in Kernfamilien durchaus bekannt (Gault-Sherman,
der Erziehung der Kinder unterstützten (Dunn et al., 2012; Jia, Kotila & Schoppe-Sullivan, 2012). Dies
2003). Auch nach Befunden aus den USA haben ge- zeigt sich auch in Trennungsfamilien. Eine umfangrei
trennte Väter bei guter elterlicher Kooperation häufi- che Längsschnittstudie zu Trennungsfamilien erbrach
gere Kontakte zu ihren Kindern und hierüber vermittelt te, dass ein erhöhtes internalisierendes oder externa-
auch eine bessere Beziehung zu den Kindern (Sobo- lisierendes Problemverhalten von Jugendlichen eine
lewski & King, 2005).
44
4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
geringere Involviertheit ihres getrennt lebenden Vaters dass teilweise unterschiedliche Bezugsgruppen zu-
im Folgejahr vorhersagte (Hawkins, Amato & King, grunde gelegt werden (zum Beispiel nur Scheidungs-
2007). Demgegenüber erwies sich der umgekehrte kinder versus Kinder aus allen Trennungsfamilien,
Einfluss als statistisch unbedeutend, das heißt, eine unterschiedliche Altersgruppen et cetera). In der so-
hohe Involviertheit des getrennt lebenden Vaters trug zialwissenschaftlichen Forschung werden Arrange-
nicht zu einem geringeren Problemverhalten der Ju- ments von über 30 Prozent der Übernachtungen bei
gendlichen im Folgejahr bei. Hierbei ist in Rechnung jedem Elternteil bereits als (asymmetrisches) Wechsel-
zu stellen, dass Jugendliche in höherem Maße die modell betrachtet, während in einigen Ländern und
Kontakte zu ihrem getrennt lebenden Elternteil beein- auch in der Rechtsprechung zum Unterhalt in Deutsch-
flussen können als jüngere Kinder und belastete Ju- land erst bei einem genau hälftigen Betreuungsver-
gendliche vielleicht weniger den Kontakt zum Vater hältnis von einem echten Wechselmodell ausgegan-
suchen als Jugendliche mit positivem Wohlbefinden. gen wird (Kinderrechtekommission des Deutschen
Allerdings ist die Befundlage hierzu nicht eindeutig. Familiengerichts e. V., 2014).
Andere Längsschnittdaten können solche Effekte des
Problemverhaltens von Kindern und Jugendlichen auf Insgesamt zeigen internationale Daten, dass paritäti-
das Engagement ihrer getrennt lebenden Väter nicht sche Betreuungsmodelle an Bedeutung gewonnen
bestätigen, sondern sprechen umgekehrt durchaus für haben, wobei ihre Verbreitung mit Entwicklungen des
positive Effekte eines vermehrten Engagements der jeweiligen Familienrechts variiert (siehe Abschnitt
Väter auf ihre Kinder (Coley & Medeiros, 2007). Befun- 3.2.2). Neben solchen kontextuellen Faktoren spielen
de zu dieser Frage fehlen für Deutschland bislang. jedoch auch Merkmale der Kinder, Ressourcen der El-
tern und erleichternde Bedingungen des Familiensys-
tems eine wesentliche Rolle.
4.2 Was beeinflusst die Wahl
des Betreuungsmodells? Betrachten wir zunächst jene Faktoren, die eine ge-
teilte Betreuung mehr oder weniger wahrscheinlich
machen. Entsprechende Befunde sind in mehrfacher
Vor allem international kann mittlerweile auf eine Hinsicht aufschlussreich: Sie informieren nicht nur
beträchtliche Zahl von Studien zurückgegriffen wer- darüber, welche Rahmenbedingungen die Präferen-
den, die zu geteilter Betreuung („shared parenting“, zen der Eltern bei der Wahl eines geeigneten Betreu-
„shared care“ oder „joint physical custody“) veröffent- ungsmodells beeinflussen, sondern gleichzeitig zei-
licht wurden (zum Beispiel Bausermann, 2002; gen sie auf, welche Faktoren in Rechnung gestellt
Bjarnason & Arnarsson, 2011; Fehlberg et al., 2011; werden müssen, wenn mögliche Auswirkungen des
Folberg, 1991; Nielsen, 2013, 2018a, 2018b). Weit jeweiligen Betreuungsmodells untersucht werden.
überwiegend steht hierbei die Frage nach dem Wohl- Denn möglicherweise beeinflussen die jeweiligen
ergehen der Kinder im Vordergrund (siehe Ab- Rahmenbedingungen nicht nur die selektive Nutzung
schnitt 5.4), aber einige Studien geben auch gezielt geteilter Betreuung, sondern gleichzeitig auch die
Aufschluss darüber, unter welchen Bedingungen eine Entwicklung der Kinder.
geteilte Betreuung häufiger praktiziert wird. Teilweise
lassen sich diese Informationen aus deskriptiven
Daten der Studien ablesen. Die jeweiligen Definitio-
nen beziehungsweise Abgrenzungen gegenüber dem
Residenzmodell sind allerdings nicht einheitlich, so-
dass Ländervergleiche meist nur bedingt möglich sind
(für eine ausführliche Übersicht siehe Sünderhauf,
2013; Walper, 2016). Zudem ist die Vergleichbarkeit
von Studienbefunden auch dadurch eingeschränkt,
45
4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
Ressourcen und erleichternde Je größer die räumliche Distanz der Eltern, desto hö-
Bedingungen für Eltern her ist der Aufwand, regelmäßige Kontakte des Kin-
In vielen Ländern zeigt sich, dass die Wahrscheinlich- des zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten und zu
keit für geteilte Betreuung mit den sozioökonomi- gewährleisten, dass das Kind seine Einbindung in
schen Ressourcen – also dem Bildungsgrad und Ein- Kita, Schule und Freundeskreis in beiden Haushalten
kommen der Eltern – steigt (für einen Überblick siehe wahrnehmen kann. Verfügbare Daten legen nahe,
Nielsen, 2013). Dies bestätigen auch Prospektivana- dass das Wechselmodell ab einer gewissen Entfer-
lysen aus den Niederlanden, nach denen allerdings nung nur schwer praktikabel ist (zum Beispiel Kaspiew
nur ein höheres Bildungsniveau der Eltern, nicht auch et al., 2009). Nach Daten aus Australien wurde das
darüber hinaus ein höheres Einkommen der Eltern vor Wechselmodell am häufigsten bei einer Entfernung
der Trennung für die Wahl geteilter Betreuung aus- unter 20 Kilometern gewählt und war ab 50 Kilome-
schlaggebend war (Poortman & van Gaalen, 2017). tern Distanz zwischen beiden Haushalten kaum noch
Auch bei höherem Erwerbsumfang der Mütter wurde vertreten (Cashmore et al., 2010). Auch Daten des
nach dieser Untersuchung häufiger geteilte Betreu- AID:A-Surveys 2014 aus Deutschland bestätigen
ung gewählt, während lange Wege des Vaters zur dies: Leben die Eltern mehr als eine Stunde Wegzeit
Arbeitsstätte eine geteilte Betreuung eher unwahr- auseinander, so finden sich kaum noch Kinder mit ge-
scheinlicher machten. Befunde aus Kanada zeigen teilter Betreuung, während ein Kontaktabbruch zum
ebenso, dass bei einer Erwerbsbeteiligung der Mütter getrennten Elternteil umso wahrscheinlicher wird
vor der Trennung häufiger das Wechselmodell ge- (Walper, Entleitner-Phleps & Langmeyer, in Druck).
wählt wurde (Juby, Le Bourdais & Marcil-Gratton, Darüber hinaus sprechen Befunde von Poortman und
2005). Befunde aus Deutschland bestätigen ein höhe- van Gaalen (2017) dafür, dass Eltern bei größerer Dis-
res Bildungsniveau von Müttern, die geteilte Betreu- tanz zwischen den Wohnungen häufiger vom Wech-
ung praktizieren, während sich unter Einschluss wei- selmodell zum Residenzmodell umschwenken.
terer Prädiktoren keine Unterschiede hinsichtlich der
Erwerbsbeteiligung der Mütter ergaben (Walper, 2016; Schließlich verweist der geringere Anteil geteilter Be-
Walper, Entleitner-Phleps & Langmeyer, in Druck; treuung unter Zugewanderten darauf, dass vermutlich
Walper et al., in Druck). auch rollenbezogene Einstellungen relevant sind (zum
Beispiel Bergström et al., 2013). Daten hierzu aus
Internationalen Befunden zufolge spielen auch flexib- Deutschland fehlen bislang. Die Kinderzahl scheint
lere beziehungsweise familienfreundlichere Arbeitsbe- demgegenüber für die Wahl des Wechselmodells un-
dingungen bei der Wahl des Wechselmodells eine Rol- bedeutend zu sein (Kalmijn, 2015; Poortman & van
le (vergleiche Nielsen, 2013). Zudem ist nach Befunden Gaalen, 2017).
aus Kanada die Lage der Arbeitszeiten bedeutsam:
Wenn der Vater oder beide Eltern an Wochenenden Merkmale der Kinder
oder Abenden arbeiten müssen, ist die Wahl des Zahlreiche Befunde zeigen, dass das Alter der Kinder
Wechselmodells weniger wahrscheinlich (Juby et al., einen deutlichen Einfluss auf die Wahl des Betreu-
2005). Daten hierzu aus Deutschland fehlen. ungsmodells hat. Während Eltern mit Kindern im
Säuglings- und Kleinkindalter relativ selten eine ge-
teilte Betreuung realisieren (Hyest, 2007, Seite 8) und
Studien zum Wechselmodell in dieser Altersgruppe
oft auf weniger strenge Kriterien zurückgreifen müs-
sen (Nielsen, 2014a), wird das Wechselmodell am
häufigsten im Alter zwischen drei und zwölf Jahren
gewählt, insbesondere im Grundschulalter. Dies zei-
gen auch Daten aus Deutschland (Walper et al., in
Druck). Danach nimmt ihre Verbreitung wieder ab,
wohl vor allem, weil für Jugendliche der Kontakt zu
Gleichaltrigen wichtiger wird und sie seltener bereit
sind, ihren Wohnort regelmäßig zu wechseln (Juby,
Marcil-Gratton & Le Bourdais, 2005, Seite 30). So
sank in einer schwedischen Repräsentativstudie der
46
4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
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4 Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von Umgangskontakten und die Wahl des Betreuungsmodells
Allerdings ist die Befundlage zum Zusammenhang Auch Merkmale der Kinder spielen für die Realisie-
zwischen Konflikten der Eltern und dem jeweiligen rung geteilter Betreuung eine Rolle. Besonders deut-
Betreuungsmodell nicht einheitlich (Nielsen 2013). In- lich zeigt sich dies hinsichtlich des Alters der Kinder.
teressanterweise verweisen Daten aus Belgien, wo Das Wechselmodell wird vor allem für Kinder im
geteilte Betreuung gesetzlich stark verankert ist, dies- Grundschulalter gewählt. Befunde zu Geschlechts-
bezüglich auf einen Zeitwandeleffekt, wobei sich der unterschieden sind weniger konsistent und weisen in
ursprüngliche Vorteil geringer Konflikte bei geteilter Deutschland nicht auf Vorteile von Söhnen hin. Ob
Betreuung im Zeitverlauf verlor (Sodermans et al., und wie Eltern die Gesundheit und mögliche Belas-
2013). Im Zuge der größeren Verbreitung des Wech- tungen des Wohlergehens ihrer Kinder in die Ent-
selmodells scheinen also auch stärker konfliktbelas- scheidung über das Betreuungsmodell einbeziehen,
tete Eltern auf dieses Modell zurückzugreifen. So ist bislang kaum bekannt.
weist auch eine qualitative Studie aus Schweden dar-
auf hin, dass Eltern mit Kleinkindern geteilte Betreu-
ung auch dann für das Kindeswohl als förderlich be-
trachten, wenn ihre Beziehung konfliktbelastet ist
(Fransson et al., 2016).
48
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
49
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
■ Vielfach führt die elterliche Trennung oder Schei- ■ Auch eine schwere psychische Erkrankung bezie-
dung zu finanziellen Einbußen der Familie, da mit hungsweise Suchterkrankung eines Elternteils er-
dem verfügbaren Einkommen nun zwei Haushalte höht das Risiko für eine Scheidung (Metsä-Simola,
finanziert werden müssen und/oder Unterhaltszah- Martikainen & Monden, 2018), sodass in manchen
lungen nur unvollständig, unregelmäßig oder gar Fällen das Familienleben schon längere Zeit vor der
nicht geleistet werden (Andreß et al., 2006; Bröckel Trennung durch entsprechende psychische Beein-
& Andreß, 2015; Hartmann, 2018). Die geringeren trächtigungen eines oder beider Elternteile belastet
sozioökonomischen Ressourcen und vor allem das ist. Mit einem psychisch kranken Elternteil aufzu-
erhöhte Armutsrisiko alleinerziehender Eltern sind wachsen ist für Kinder oft sehr belastend und birgt
ein Risikofaktor für die weitere Entwicklung der Kin- Risiken für deren Gesundheit und Entwicklung
der (McLanahan & Sandefur, 1994). (Lenz, 2018).
■ Der Verlust der Partnerschaft, juristischer Rege- Damit ist angedeutet, dass eine Trennung der Eltern
lungsbedarf und verminderte ökonomische Res- mit vielfältigen Belastungen einhergehen kann, die
sourcen können auch die Eltern belasten. Aufgrund durch die Trennung entstehen, ihr aber auch voraus-
eines erhöhten Risikos von Beeinträchtigungen gehen können. Beides findet sich in grundlegenden
des Wohlbefindens und der seelischen Gesund- Perspektiven der Forschung zu Scheidungsfolgen.
heit der Eltern können auch deren Zuwendung und Während die Scheidungs-Stress-Bewältigungs-Pers-
Aufmerksamkeit gegenüber den Kindern leiden. pektive das Augenmerk auf nachfolgende Belastun-
Nicht selten ist das Erziehungsverhalten zumin- gen legt, die durch eine Trennung entstehen und Be-
dest vorübergehend beeinträchtigt (Hetherington, wältigungsressourcen der Familienmitglieder binden,
2014; Hetherington & Stanley-Hagan, 2002; Sand- fokussiert die Selektionsperspektive vorangehende
ler et al., 2012). Beeinträchtigungen des Familiensystems und seiner
Mitglieder, die das Trennungsrisiko erhöhen, gleich-
■ Vor allem bei konflikthaften Trennungen geraten zeitig aber auch anhaltende, später beobachtbare Be-
Kinder oftmals in einen Loyalitätskonflikt, der lastungen der Eltern und Kinder erklären können
durch regelmäßige Probleme bei der Übergabe (Amato, 2010). Trennungsfamilien variieren beträcht-
des Kindes und Streitigkeiten vor den Kindern ver- lich hinsichtlich der Lebensumstände im Vorfeld und
schärft werden kann und zu beträchtlichen Belas- in der Folge der Trennung, und beide Perspektiven
tungen der Kinder beiträgt (zum Beispiel Verroc- bieten sich wechselseitig ergänzende Zugänge zum
chio & Baker, 2015). Verständnis der Unterschiede, die sich zwischen
Trennungskindern und Kindern in Kernfamilien aus-
■ Nicht selten ist die Trennung der letzte Schritt, dem machen lassen.
eine längere Phase von Konflikten oder sogar psy-
chischer, mitunter auch körperlicher Gewalt zwi-
schen den Eltern vorangeht. Häusliche Gewalt und
fortgesetzte Konflikte zwischen den Eltern belas-
ten Kinder auch in Kernfamilien beträchtlich (Ha-
rold & Sellers, 2018; Henry, 2018; Lawson, 2019;
Walper & Kindler, 2014).
50
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
Deutlich wird unter Berücksichtigung der Selektions- Durchschnittlich benötigen Kinder und Jugendliche
perspektive, dass Zusammenhänge zwischen der Fa- ein bis zwei Jahre, um die Trennung ihrer Eltern zu be-
milienform und Besonderheiten des kindlichen Wohl- wältigen und eine gute Anpassung an die neue Situa-
ergehens keinesfalls kausal interpretiert werden tion zu erlangen. Teilweise ziehen sich Schwierigkei-
können, denn erhöhte Belastungen von Kindern aus ten jedoch bis in die Adoleszenz hinein (zum Beispiel
Trennungsfamilien können auch schon vor der Tren- Amato, 2000; Wolfinger, 2000) und finden sich – etwa
nung bestanden haben (zum Beispiel Cherlin et al., in Form häufigerer Belastungen der psychischen Ge-
1991; Peris & Emery, 2004; Sun & Li, 2001). In diesem sundheit – noch bei Erwachsenen, die als Kind eine
Kontext sollte zudem nicht außer Acht gelassen wer- Trennung der Eltern erlebten (Clemens et al., 2018;
den, dass elterliche Trennungen häufiger in Familien Lindström & Rosvall, 2016). Die Reaktionen und An-
mit niedrigem sozioökonomischem Status vorkom- passungsverläufe sind jedoch sehr heterogen. Die
men. So wachsen die Kinder Alleinerziehender deut- Bewältigung der elterlichen Trennung hängt ab von
lich häufiger in einer Familie mit geringen elterlichen den Persönlichkeitseigenschaften, Ressourcen, Be-
Bildungsressourcen auf, als dies für Kinder in Paarfa- wältigungsstrategien und Vorbelastungen des Kindes
milien gilt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, sowie der Unterstützung durch die Eltern, vor allem –
2020, Seite 41). Ein niedriger sozioökonomischer Sta- beim Residenzmodell – des Elternteils, der anschlie-
tus und der vielfach resultierende finanzielle Stress ßend die Hauptbezugsperson für das Kind darstellt.
sind jedoch ohnehin mit erhöhten Belastungen und Neben sozialer Unterstützung innerhalb und außer-
Risiken verbunden, etwa einer erhöhten Wahrschein- halb der Familie begünstigt ein kooperatives Copa-
lichkeit für psychische und somatische Erkrankungen renting der Eltern eine positive Entwicklung der Kin-
(Adler et al., 1994; Kuntz et al., 2018), für Beeinträch- der (Lamela et al., 2016). Gerade wenn sich Eltern
tigungen der Partnerschaftsbeziehung und des Erzie- dafür entscheiden, gemeinsam getrennt zu erziehen,
hungsverhaltens (Conger, Conger & Martin, 2010; Fal- dürfte eine Einigung über einen konsistenten gemein-
conier & Jackson, 2020) bis hin zu allen Formen von samen Erziehungsstil erforderlich und hilfreich sein.
Kindesmisshandlung (Stith et al., 2009). Ein Teil der
gezeigten Zusammenhänge könnte daher durch den Im Folgenden greifen wir ausführlicher jene Faktoren
sozioökonomischen Status vermittelt worden sein. auf, die sich für das Wohlergehen von Kindern und Ju-
gendlichen als besonders maßgeblich erwiesen ha-
Einige der genannten Belastungsfaktoren haben auch ben. Die Kenntnis dieser Faktoren ist auch im Kontext
Einfluss auf die Sorgerechts- und Umgangsregelung der Diskussion über geteilte Betreuung von hoher Re-
nach der Trennung. Unter problematischen Erzie- levanz, da sicherzustellen ist, dass die Wirkung dieser
hungs- und Beziehungsbedingungen kommt es im Faktoren sich bei einer geteilten Betreuung nicht ver-
Nachgang zur Trennung häufiger zur Übertragung des schärft. Besonders intensiv wurde dies mit Blick auf
alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil, während die Bedeutung elterlicher Konflikte diskutiert (siehe
der Regelfall die gemeinsame elterliche Sorge ist. Ge- hierzu Abschnitt 5.2.2), aber auch individuelle Beson-
rade in Fällen alleiniger elterlicher Sorge mit hoch pro- derheiten der Kinder sind in diesem Kontext zu be-
blembelasteten Eltern ergibt sich mitunter ein heftiger achten (Abschnitt 5.4.3).
Umgangsstreit, der die Kinder massiv beeinträchtigen
kann. Aber auch bei gemeinsamem Sorgerecht kön-
nen hoch eskalierte Konflikte und anhaltende gericht-
liche Auseinandersetzungen der Eltern entstehen, die
selbst durch Beratung oft nicht befriedet werden kön-
nen (zum Beispiel de Ballón, 2018; siehe Ab-
schnitt 6.5). Solche Situationen können Schutzmaß-
nahmen für die Kinder erforderlich machen, zum
Beispiel durch begleiteten Umgang, zum Beispiel
wenn eine Kindesentführung oder eine Kindeswohl-
gefährdung durch den umgangsberechtigten Eltern-
teil zu befürchten ist (siehe Abschnitt 6.6).
51
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
5.2 Was zählt für das 5.2.1 Die Häufigkeit der Kontakte zum
Wohlergehen der Kinder? getrennten Vater
37 Im Rahmen der BELLA-Studie des Robert Koch-Instituts, in der die Prävalenz psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter anhand
einer Stichprobe von n = 2.863 Familien untersucht wurde, zeigten sich folgende signifikante familiäre Risikofaktoren (Wille et al., 2008):
aktuelle Familienkonflikte (OR: 5.0), Unzufriedenheit in der Partnerschaft (OR: 2,8), elterliche psychische Störungen (OR: 2.5) und
alleinerziehend (OR: 2,1). Das Risiko für psychische Erkrankung stieg mit der Anzahl der Belastungen: bei drei Risiken auf 31 Prozent und
bei vier Risiken auf 48 Prozent aller betroffener Kinder.
52
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
Dies unterstreicht, dass weniger die Quantität als viel- Zudem scheint das Engagement der Väter vor der
mehr die Qualität der gemeinsamen Zeit ausschlag- Trennung eine Rolle zu spielen. So zeigt eine Studie
gebend für eine positive Entwicklung der Kinder in al- aus den Niederlanden (Poortman, 2018), dass jene
len Altersgruppen ist (Amato & Gilbreth, 1999; Dunn, Kinder stärker von häufigen Kontakten profitieren, de-
2004). Wenn überhaupt, nimmt die Kontakthäufigkeit ren Vater sich vor der Trennung intensiv um sie ge-
eher indirekten Einfluss auf das Wohlbefinden der Kin- kümmert hat, also Aufgaben übernommen hat wie
der, da häufige Kontakte den Erhalt einer positiven Be- das Windelwechseln, das Baden des Kindes, das Zu-
ziehungsqualität zum Vater erleichtern. Dabei ist auch Bett-Bringen oder Fahrdienste, und die mehr mit dem
das Engagement der Väter vor der Trennung ein be- Kind gespielt und gesprochen haben.
deutsamer Faktor: Je stärker sie vor der Trennung in
die Betreuung und Erziehung der Kinder involviert wa- Demnach ist also die Quantität der Kontakte per se
ren, desto häufiger haben sie auch nach der Trennung wenig bedeutsam, sondern ihr Einfluss wird moderiert
Kontakt zu ihrem Kind und desto besser ist die späte- durch das Verhalten des Vaters, sein Engagement vor
re Beziehungsqualität (Whiteside & Becker, 2000). der Trennung und die Beziehung zwischen den Eltern.
Insgesamt ist die Qualität der gemeinsamen Zeit stär-
Der insgesamt geringe Zusammenhang zwischen der ker ausschlaggebend für eine positive Entwicklung
Kontakthäufigkeit und dem Wohlergehen der Kinder der Kinder in allen Altersgruppen. Unter ungünstigen
muss nicht für alle Kinder gelten, sondern kann Rahmenbedingungen (zum Beispiel bei einem hohen
gegenläufigen Effekten geschuldet sein, die unter- Konfliktniveau der Eltern) können sich häufige Kon-
schiedliche Gruppen von Kindern betreffen und sich takte sogar nachteilig auswirken.
in der Summe aufheben. Bislang beleuchten nur we-
nige Daten solche divergierenden Effekte der Kon- 5.2.2 Destruktive Konflikte der Eltern
takthäufigkeit. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass
Kontakt zum getrennt lebenden Vater neben positiven Konflikte zwischen Eltern sind Teil des normalen Fa-
Erfahrungen auch belastende Erfahrungen vermitteln milienlebens. Konflikte kommen in jeder Familie vor
kann. Wenn die Vater-Kind-Kontakte überschattet und dienen dazu, unterschiedliche Bedürfnisse, Wün-
werden von Gewalterfahrungen und Persönlichkeits- sche und Ziele auszuhandeln (Hahlweg & Boden-
problemen der Väter, sind eher reduzierte Vater-Kind- mann, 2020). Sie können jedoch ein Ausmaß und eine
Kontakte zum Vorteil für die Entwicklung der Kinder Form erreichen, die als destruktiv anzusehen sind
(Jaffee et al., 2003). Dies gilt ebenso bei starken Kon- und – wie zahlreiche Studien zeigen – mit deutlichen
flikten zwischen den Eltern, die zu Loyalitätskonflikten Belastungen für die Kinder verbunden sind (vergleiche
seitens der Kinder führen: Sind Kinder trotz solcher Bodenmann, 2016; Kitzmann et al., 2003; Walper &
Schwierigkeiten in häufige Kontakte zum getrennt Beckh, 2006). Eine Trennung der Eltern kann zwar
lebenden Elternteil eingebunden, liegt es nahe, dass dazu beitragen, Konflikte zu entschärfen oder auch zu
sie eher unter den Kontakten leiden, als von ihnen beenden. Ein substanzieller Anteil der Trennungsfami-
profitieren zu können. Dies bestätigen einige Befunde lien ist jedoch auch weiterhin mit fortgesetzten Kon-
zur nachteiligen Wirkung häufiger Kontakte im Kon- flikten konfrontiert. Im Bereich der elterlichen Zusam-
text starker Konflikte der Eltern (Amato & Rezac, menarbeit (Coparenting, siehe Abschnitt 5.2.5) betrifft
1994; Kalmijn, 2016). Auch wenn die Eltern einen ho- dies vermutlich rund ein Drittel der Trennungsfamilien.
hen „Koalitionsdruck“ auf die Kinder ausüben, also Berücksichtigt man allerdings auch verdeckte Konflik-
versuchen, die Kinder in eine Allianz gegen den ande- te, die nicht offen ausgetragen werden, aber als Res-
ren Elternteil einzubinden, wirken sich häufige Kon- sentiments zwischen den Eltern stehen, so ist min-
takte negativ auf das Wohlbefinden der Kinder aus. Im destens die Hälfte aller Trennungsfamilien durch
Gegensatz dazu zeigen sich positive Effekte häufiger entsprechende Probleme belastet.
Kontakte bei geringem Koalitionsdruck (Walper &
Gerhard, 2003b).
53
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
Konflikte sind für Kinder dann besonders schädigend, Für Kinder jeden Alters sind Konflikte der Eltern nicht
wenn sie lange andauern oder chronisch auftreten, zuletzt deshalb ein erheblicher Stressfaktor, weil die
eine hohe Intensität haben, etwa mit physischer und/ Eltern wegen ihrer häufigen, eskalierenden, lange an-
oder verbaler Gewalt verbunden sind, und einen des- haltenden, verbal und nonverbal aggressiven Ausein-
truktiven Ausgang ohne anschließende Versöhnung andersetzungen nicht in der Lage sind, angemessen
nehmen (vergleiche Bodenmann, 2016). Vor allem hat auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen (Zemp &
es sich für Kinder als belastend erwiesen, wenn die Bodenmann, 2015). Drei weitere Metaanalysen geben
Konflikte vor ihnen oder in ihrer Hörweite ausgetragen Aufschluss über die Zusammenhänge zwischen der
werden oder wenn sie selbst zum Konfliktinhalt ge- Partnerschaftsqualität, der Qualität der Eltern-Kind-
macht werden und als Koalitionspartner von den Beziehung und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder
Eltern missbraucht werden. Eine Metaanalyse von (Abbildung 5). Hierbei zeigte sich, dass Konflikte der
Kitzmann et al. (2003) anhand von 118 Studien bestä- Eltern besonders eng mit einer verminderten Qualität
tigt, dass Kinder, die gewalttätigen Konflikten der El- der Eltern-Kind-Beziehung verbunden sind (d = –.62,
tern ausgesetzt sind, schlechtere schulische Leistun- 39 Studien; Krishnakumar & Buehler, 2000). Zudem
gen (d = –.52), mehr internalisierende (d = .50) und fällt der Zusammenhang zwischen elterlichen Konflik-
externalisierende Verhaltensprobleme (d = .43) sowie ten und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder (d = .32)
stärkere Beeinträchtigungen ihrer Sozialentwicklung kaum geringer aus als der Zusammenhang zwischen
(d = .38) aufweisen als Kinder ohne Gewaltexposition. der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und kindli-
chen Verhaltensauffälligkeiten (d = .46; Buehler et al.,
Bodenmann (2016) fasst die Befundlage zu den Aus- 1997; Gershoff, 2002). Diese Ergebnisse unterstrei-
wirkungen von destruktiven elterlichen Konflikten wie chen, wie stark der Einfluss von Konflikten der Eltern
folgt zusammen: „50 Prozent der Kinder, die destruk- auf das Wohlergehen der Kinder ist.
tiven Konflikten zwischen ihren Eltern ausgesetzt
sind, zeigen gravierende Verhaltensprobleme, bei
25–70 Prozent finden sich klinische Auffälligkeiten.
Negative Effekte partnerschaftlicher Konflikte sind
bereits intrauterin, im Säuglingsalter, jedoch manifest
im Alter von vier bis fünf Jahren nachweisbar. Inner-
halb der Paarkonflikte sind Gewaltäußerungen für
kindliches Verhalten und Erleben besonders destruk-
tiv. Diese gehen vielfach mit externalisierenden Stö-
rungen beim Kind einher (ungehorsames, trotziges,
oppositionelles, aggressives oder antisoziales Verhal-
ten). Weiterhin zeigen sich vermehrt psychosomati-
sche Erkrankungen, Schlafstörungen, schlechtere
Schulleistungen und soziale Anpassungsschwierig-
keiten. Die negativen Effekte von Partnerschaftskon-
flikten auf die Kinder werden weder durch Alter, Ge-
schlecht noch sozialen Status moderiert. Sie sind für
alle Kinder belastend und stellen für alle einen Risiko-
faktor dar“ (ibid., Seite 169).
54
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
d = .322 d = .463
(68 Studien) (77 Studien)
Verhaltensauffällig
keiten der Kinder
1
Krishnakumar & Buehler (2000) 2
Buehler et al. (1997) 3
Gershoff (2002)
Die Theorie der emotionalen Sicherheit gehört zu den die Konflikte. Sie erhöhen dadurch ihre Aufmerksam-
wichtigsten aktuellen Erklärungsmodellen für die ne- keit für potenzielle Bedrohungen, erwarten Konflikte
gativen Auswirkungen von Partnerschaftskonflikten und negative Ausgänge, erleben Kontrollverlust und
auf Kinder (Cummings & Davies, 2010). Danach unter- schreiben sich die Schuld an den elterlichen Konflikten
minieren chronische destruktive Konflikte die kindli- zu, da die Eltern häufig wegen ihnen streiten oder weil
che emotionale Sicherheit in der Familie, da die Kin- die Kinder den Grund für den Streit darin vermuten,
der ihre Familie nicht als sicheres Gefüge erleben und dass sie nicht artig und gehorsam waren. Vor allem bei
befürchten, dass sie jederzeit auseinanderbrechen geringen personalen und sozialen Ressourcen bezie-
kann. Die elterlichen destruktiven Konflikte zerstören hungsweise Schutzfaktoren sind destruktive Konflikte
das Sicherheitsgefühl der Kinder und lösen Angst, Är- der Eltern ein Nährboden für Beeinträchtigungen der
ger, Traurigkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit aus. Je kindlichen Entwicklung. Allerdings sind auch umge-
stärker sich das Kind in seiner emotionalen Sicherheit kehrte Effekte in Rechnung zu stellen, denn schwierige
bedroht fühlt, desto stärker ist seine allgemeine psy- Kinder können mehr Konfliktpotenzial in die Familien
chologische und physiologische Erregung, wobei die tragen und somit ungünstige Voraussetzungen für ein
Autoren annehmen, dass die Kinder durch die Strei- harmonisches Zusammenspiel der Eltern schaffen
tigkeiten ihrer Eltern zusehends sensibilisiert werden (Zemp, Johnson & Bodenmann, 2018).
und sich gerade nicht an die destruktiven Auseinan-
dersetzungen ihrer Eltern gewöhnen. Mit jeder erneu-
ten Konfliktexposition reagieren die Kinder stärker auf
55
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
5.2.3 Belastungen des Wohlbefindens als die allgemeine Lebenszufriedenheit, geht aber –
und der seelischen Gesundheit der Eltern bei Vätern deutlicher als bei Müttern – zurück. Im Ver-
gleich zu zwei Jahren vor der Trennung sinkt die
Eine Trennung beziehungsweise Scheidung ist für durchschnittliche Lebenszufriedenheit bei Vätern von
Mütter wie Väter in aller Regel sehr belastend. Die acht auf sechs und damit um mehr als 50 Prozent. Bei
durchschnittliche Lebenszufriedenheit geht für Frau- Müttern ist der Rückgang kaum ausgeprägt. Eher
en und Männer gleichermaßen um den Scheidungs- zeigt sich bereits vier Jahre vor der Trennung ein leich-
und Trennungszeitpunkt herum zurück (Andreß & Brö- ter Abwärtstrend in der Familienzufriedenheit, der sich
ckel, 2007; Diener, 2009; Kalmijn & Poortman, 2006; ab dem Zeitpunkt der Trennung umkehrt.
Luhmann et al., 2011; Zimmermann & Easterlin, 2006).
Allerdings sind für Männer und Frauen unterschiedli- Bisherige Studien haben zudem aufgezeigt, dass eine
che Lebensbereiche betroffen (Leopold, 2018). Für Trennung häufig von Frauen initiiert wird, sodass
Frauen tangiert eine Scheidung oder Trennung vor al- Männer sich im geringeren Maße auf die Trennung
lem die ökonomische Situation, was sich in einem einstellen konnten und diese häufiger als Kontrollver-
deutlichen Rückgang des verfügbaren Einkommens lust wahrnehmen (Kalmijn & Poortman, 2006; Leopold
und in einem Einbruch in der Zufriedenheit mit der & Kalmijn, 2016). Die räumliche Trennung vom Kind
ökonomischen Situation äußert (Andreß et al., 2006; bringt für Väter oft eine schmerzliche Neudefinition
Leopold & Kalmijn, 2016). Für Männer zeigen sich hin- ihrer Vaterrolle (Umberson & Willimas, 1993), Belas-
gegen besonders starke Einbrüche in der Zufrieden- tungen ihrer Gesundheit und eine verminderte Le-
heit mit dem Familienleben (Leopold, 2018). Abbil- benszufriedenheit mit sich (Evenson & Simon, 2005;
dung 6 illustriert diesen Sachverhalt für Mütter und Hughes, 1989; Yuan, 2016). Bisherige Studien konn-
Väter minderjähriger Kinder (Daten des deutschen Fa- ten jedoch keinen klaren Zusammenhang von Vater-
milienpanels). Abgebildet sind die Zufriedenheit mit Kind-Kontakt und väterlicher Lebenszufriedenheit
dem Familienleben sowie die Lebenszufriedenheit feststellen. Während einige Studien aufzeigen, dass
vor, bei und nach der Trennung vom anderen Elternteil sich eine enge Vater-Kind-Beziehung nach der Tren-
des ersten Kindes. Die jeweilige Zufriedenheit wurde nung positiv auf das väterliche Wohlbefinden auswirkt
auf einer Skala von null („sehr unzufrieden“) bis zehn (Yuan, 2016), konnten andere Studien keine Zusam-
(„sehr zufrieden“) angegeben. Wie aus der rechten menhänge nachweisen (Rusten et al., 2019).
Abbildung ersichtlich ist, beginnt die allgemeine Le-
benszufriedenheit für Frauen und Männer gleicherma-
ßen etwa zwei Jahre vor der Trennung zurückzugehen
und erreicht im Trennungsjahr ihren Tiefpunkt. Die Zu-
friedenheit mit dem Familienleben ist generell höher
56
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
10 10
9 9
8 8
7 7
6 6
5 5
4 4
3 3
2 2
1 1
0 0
−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4
Zeit seit Trennung (Jahre) Zeit seit Trennung (Jahre)
Quelle: Grafik erstellt basierend auf den Daten von pairfam 2008/09–2016/17.
Nicht nur die Lebenszufriedenheit, sondern auch die Es ist davon auszugehen, dass Psychosen und Stö-
körperliche und seelische Gesundheit von Eltern kann rungen aufgrund psychotroper Substanzen der Eltern
im Vorfeld, gehäuft aber auch als Folge der Trennung oder Persönlichkeitsstörungen des Clusters A (schi-
oder Scheidung beeinträchtigt sein (Kiecolt-Glaser, zophrenienahe Störungen) oder B (Borderline-, nar-
2018; Leopold, 2018; Metsä-Simola, Martikainen & zisstische, antisoziale Störung) besonders gravierend
Monden, 2018). Beeinträchtigungen der seelischen für Kinder sein dürften. International übereinstimmend
Gesundheit bis hin zu psychischen Störungen sind im wird auch auf die negativen Auswirkungen von De-
Erwachsenenalter ohnehin keine Seltenheit. Die Ein- pressionen, vor allem der Mutter, hingewiesen, wobei
Jahres-Prävalenz für Erwachsene, eine psychische frühere Depressionen ebenso wie eine aktuelle De-
Störung zu entwickeln, liegt in Deutschland bei pression mit einem niedrigeren familiären Funktions-
28 Prozent, wobei vor allem Angststörungen (15 Pro- niveau und einer ungünstigeren Eltern-Kind-Bezie-
zent), unipolare Depressionen (acht Prozent) und hung assoziiert sind (Hahlweg & Bodenmann, 2020).
Substanzmissbrauch (sechs Prozent; ohne Nikotinab- So findet sich bei depressiven Eltern ein krankheits-
hängigkeit) sehr häufig sind (Jacobi et al., 2014). Psy- bedingt geringeres Interesse am Kind, da möglicher-
chisch erkrankte Menschen haben im Durchschnitt weise die Kraft fehlt, sich angemessen um dessen
genauso häufig Kinder wie psychisch Gesunde, so- Bedürfnisse zu kümmern. Dies kann mit weniger ge-
dass etwa 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen in meinsam verbrachter Zeit einhergehen, aber auch mit
Deutschland mit einem psychisch erkrankten Eltern- Einschränkungen im Erziehungsverhalten wie einer
teil zusammenleben (circa drei Millionen Kinder). Die reduzierten Responsivität gegenüber Bedürfnissen
elterlichen Erkrankungen variieren in ihren Auswirkun- des Kindes, einer geringeren Informiertheit über des-
gen auf Kinder, gehen aber oft mit erhöhten Entwick- sen Belange und nachgiebigerem oder harscherem
lungsrisiken für die Kinder einher. Zwischen 15 und sowie häufiger inkonsistentem Erziehungsverhalten.
38 Prozent der Kinder psychisch erkrankter Eltern ha- Das Risiko für eine Vernachlässigung des Kindes ist
ben bereits selbst eine psychische Auffälligkeit. Ins- entsprechend erhöht.
gesamt ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung das
Risiko einer psychischen Erkrankung für diese Kinder
vierfach erhöht (Lenz & Wiegand-Grefe, 2017).
57
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
5.2.4 Dysfunktionale Erziehung und et al., 1994). Hierbei ist auch die Art elterlicher Kontrol-
Probleme in der Eltern-Kind-Beziehung le maßgeblich: Während Kontrolle durch Zwang auto-
ritäres Erziehungsverhalten charakterisiert, gehört
Zahlreiche Studien zeigen, dass das Erziehungsver- konfrontative Kontrolle, die Auseinandersetzungen
halten der Eltern für die Entwicklung der Kinder von mit den Kindern nicht scheut, zu einem autoritativen
besonderer Bedeutung ist (vergleiche Sanders & Mo- Erziehungsstil (Baumrind, 2013). Auch die Überwa-
rawska, 2018; Schneewind, 2010; Walper, Wendt & chung kindlicher Aktivitäten und das Erklären von un-
Langmeyer-Tornier, 2016). Das Erziehungsverhalten erwünschten Folgen des eigenen Fehlverhaltens (In-
der Eltern und die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung duktion) sind Aspekte autoritativer Kontrolle.
sind eingebettet in die Lebensbedingungen der Fami-
lie und hängen – wie oben erläutert – eng mit der Be- Die Vorteile autoritativer Erziehung gegenüber autori-
ziehung zwischen den Eltern zusammen (Wissen- tärer, verwöhnender und vor allem vernachlässigen-
schaftlicher Beirat für Familienfragen, 2005). der Erziehung zeigen sich quer durch unterschiedli-
che soziale Gruppen (Steinberg et al., 1995, 1991)
Dysfunktionales Erziehungsverhalten kann sich in und gelten für Kern- wie Trennungsfamilien gleicher-
unterschiedlichen Formen äußern (Bodenmann, 2016; maßen (Amato & Fowler, 2002). Gleichzeitig ist ein
Job & Hahlweg, 2019): Es umfasst zu strenge und kör- solcher liebevoll-konsequenter Erziehungsstil durch-
perlich strafende Erziehungspraktiken, zu lasches, aus anspruchsvoll und gelingt nur einer Minderheit.
nachgiebiges oder verwöhnendes Verhalten, zu enga-
giertes, überbehütendes, überforderndes Verhalten, Eine Trennung der Eltern ist nicht nur ein Risikofaktor
zu wenig engagiertes, unterforderndes, vernachlässi- für deren Gesundheit und emotionale Stabilität,
gendes Verhalten mit mangelnder Überwachung der sondern kann auch das Erziehungsverhalten und die
kindlichen Aktivitäten und Aufenthaltsorte (Monitoring) Eltern-Kind-Interaktion in Mitleidenschaft ziehen
und zu wenig positives Verhalten (zu geringe Sensitivi- (Hetherington, 2014; Hetherington & Stanley-Hagan,
tät, zu wenig emotionale Wärme, zu seltenes Lob, zu 2002; Sandler et al., 2012), sowohl im Vorfeld einer
geringe Aufmerksamkeit, mangelnde Zärtlichkeit und elterlichen Trennung (zum Beispiel Block, Block &
so weiter). Auch inkonsistente Erziehung gehört zu Gjerde, 1988) als auch in der Folgezeit (zum Beispiel
den ungünstigen Formen des Erziehungsverhaltens. Sun & Li, 2001). Auch wenn viele Eltern sich darum
Intrapersonell inkonsistente Erziehung liegt dann vor, bemühen, ihren Kindern die Trennungssituation zu er-
wenn ein Elternteil angekündigte Konsequenzen eines leichtern, bindet die erforderliche Neuorientierung der
Verhaltens nicht umsetzt oder es zu einem häufigen Eltern oft in hohem Maße deren Aufmerksamkeit und
Wechsel zwischen Strafe und Verwöhnung, also unter- Ressourcen, sodass die Responsivität gegenüber
schiedlichen Erziehungspraktiken in vergleichbaren kindlichen Bedürfnissen und die Überwachung von
Situationen, kommt. Das Kind erfährt dadurch keine Aktivitäten der Kinder leiden. Zudem begünstigt
Regelhaftigkeiten im elterlichen Verhalten und keine Stress überreagierendes Verhalten mit harten Strafen
klaren Konsequenzen des eigenen Verhaltens. für Vergehen, die in anderen Situationen ungeahndet
blieben. Zudem können auch längerfristig chronische
Nach Befunden der Erziehungsstilforschung wird eine Stressoren in Trennungsfamilien zu mehr oder minder
positive Entwicklung der Kinder vor allem durch einen beträchtlichen Belastungen der Eltern-Kind-Interak-
autoritativen (liebevoll-konsequenten) Erziehungsstil tion und des Erziehungsverhaltens von Müttern und
begünstigt, der sich durch ein hohes Maß an Wärme Vätern führen. Dies zeigt sich auch, wenn man gravie-
beziehungsweise Responsivität gegenüber Bedürfnis- rendere Belastungen der Eltern-Kind-Interaktion wie
sen der Kinder auszeichnet, gleichzeitig aber auch kla- Misshandlung und Vernachlässigung in den Blick
re und verbindliche Anforderungen an ein angemesse- nimmt (siehe Abschnitt 5.2.6).
nes Verhalten der Kinder stellt beziehungsweise einen
mittleren bis hohen Grad der Kontrolle umfasst (zum
Beispiel Baumrind, 2013; Steinberg, 2001; Steinberg
58
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
5.2.5 Probleme in der Zusammenarbeit Einige Studien haben Typen des Coparenting nach
der Eltern bei der Betreuung und Erziehung Trennung und Scheidung untersucht und hierbei
der Kinder unterschiedliche Gruppen herausgestellt. Die Typolo-
gien beschreiben (mindestens) einen Typ des koope-
Coparenting bezieht sich auf das Zusammenwirken rativen Coparenting, der sich durch viel Kommunika-
beider Eltern in der Erziehung, also die Frage, inwie- tion und Abstimmung, wenig Konflikte und wenig
weit die Eltern als Einheit auftreten, sich als Allianz Missstimmung auszeichnet (zum Beispiel Amato,
definieren, gemeinsam die Erziehungsverantwortung Kane & James, 2011; Lamela et al., 2016; Maccoby &
wahrnehmen und die Erziehungsaufgabe dyadisch Mnookin, 1992). Oftmals findet sich ein Typ des kon-
bewältigen (Bodenmann, 2016). Coparenting umfasst flikthaften Coparenting, charakterisiert durch häufige
mehrere Aspekte: die Kooperation beziehungsweise Konflikte und wenig Kooperation (zum Beispiel Beck-
Solidarität und wechselseitige Unterstützung der El- meyer, Coleman & Ganong, 2014; Lamela et al., 2016;
tern in der Erziehung und Betreuung der Kinder, aber Maccoby & Mnookin, 1992). Auch ein Typ des paralle-
auch negative Aspekte wie das Ausmaß an Differen- len Coparenting wird öfters beschrieben, bei dem die
zen in den Erziehungsstilen beider Eltern, Konflikte beiden Eltern eher unabhängig voneinander erziehen,
über Erziehungsfragen und die problematische Trian- wenig kommunizieren und kooperieren, aber auch
gulation der Kinder durch Versuche, das Kind in eine wenig streiten (Amato et al., 2011; Maccoby & Mnoo-
Allianz gegen den anderen Elternteil einzubinden be- kin, 1992).
ziehungsweise die Erziehungsbemühungen des an-
deren Elternteils zu untergraben (Teubert & Pinquart, Paralleles Coparenting wurde lange als eine gute Lö-
2009). Ein gelingendes Coparenting zeichnet sich sung für jene Trennungsfamilien betrachtet, in denen
durch ein hohes Ausmaß an Kooperation, geringe noch starke Ressentiments zwischen den Eltern be-
Unterschiede im Erziehungsverhalten und in den Er- stehen. Obwohl bei diesem Typ offene Konflikte in
ziehungseinstellungen, wenig Konflikte über die Er- der gemeinsamen Erziehung eher selten vorkommen,
ziehung sowie wenig gegenseitige Untergrabung (Tri- lassen neuere Befunde auf ein unterschätztes Risiko-
angulation) zwischen den Eltern aus (Langmeyer & potenzial schließen. So legt eine neuere Studie nahe,
Entleitner-Phleps, 2018). Dabei erweist es sich als dass paralleles Coparenting vielfach verdeckte, über
sinnvoll, die beiden Aspekte Konflikt und Koopera- die Kinder ausgetragene Konflikte beinhaltet, die sich
tion als grundlegende Dimensionen getrennt vonein- in der gegenseitigen Untergrabung der Eltern in ihren
ander zu betrachten (Carlson & Högnäs, 2009), da El- Erziehungsbemühungen zeigen (Lamela et al., 2016).
tern einerseits eine hohe Kooperationsbereitschaft in Neben kooperativem und konflikthaftem Coparenting
der Kindererziehung haben können, allerdings auf- ergab sich als dritter Typ ein untergrabendes Copa-
grund des damit erhöhten Abstimmungsbedarfs renting, das durch wenig Kooperation und mäßigen
gleichzeitig vermehrte Konflikte auftreten können Konflikt, aber wechselseitige Untergrabung in der Er-
(Entleitner-Phleps & Langmeyer, 2015). In Kern- wie ziehung gekennzeichnet ist. Dieser Typ war in ver-
auch Trennungsfamilien hat sich eine positive Quali- gleichbarem Maße wie konflikthaftes Coparenting mit
tät des Coparenting als relevant für die Entwicklung mehr externalisierendem Problemverhalten der Kin-
der Kinder erwiesen (Teubert & Pinquart, 2010). Auch der verbunden. Demnach könnte sich hinter dem ver-
unter Kontrolle des elterlichen Erziehungsverhaltens meintlich parallelen Coparenting oftmals auch ein
zeigen sich eigenständige Effekte des Coparenting untergrabendes Coparenting verbergen. Insofern soll-
(Stallman & Ohan, 2016). ten zukünftig in stärkerem Maße verdeckte Konflikte
und wechselseitige Untergrabung berücksichtigt wer-
den, um „paralleles Coparenting“ angemessen ein-
schätzen zu können.
59
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
60
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
und Kollegen (2008; n = 480 Mütter von Kindern im Im Falle einer elterlichen Trennung ist das Risiko für
Kindergartenalter) circa 73 Prozent der Befragten den jede Form von Kindesmisshandlung signifikant er-
Gebrauch körperlicher Bestrafung an; über 13 Pro- höht (Clemens et al., 2019). Sind die Eltern getrennt,
zent verwandten körperliche Bestrafungen dabei oft ist das Risiko für emotionale und körperliche Miss-
oder sogar sehr oft. Die Prävalenzraten scheinen je- handlung um mehr als das Dreifache erhöht, ebenso
doch abzunehmen. So zeigen zum Beispiel Zahlen wie das Risiko für sexuellen Missbrauch und emotio-
des Kriminologischen Forschungsinstituts Nieder- nale Vernachlässigung. Das Risiko für körperliche
sachsen (KFN), dass im Jahr 2005/2006 noch etwa Vernachlässigung ist sogar um fast das Fünffache er-
48 Prozent der befragten Schüler von mindestens höht. Es konnte zudem gezeigt werden, dass die er-
„leichter“ Gewalt durch die Eltern berichteten, wäh- höhten Belastungen der psychischen Gesundheit Er-
rend dies im Jahr 2011 nur noch von etwa 37 Prozent wachsener, die in ihrer Kindheit oder Jugend eine
der Befragten angegeben wurde (Baier, Pfeiffer & elterliche Trennung erlebten, zumindest teilweise auf
Thoben, 2013). deren häufigere Erfahrungen von Kindesmisshand-
lung zurückzuführen sind (Clemens et al., 2019). Die
Mit Blick auf die unterschiedlichen Formen von Miss- Stärke des Zusammenhangs zwischen einer elterli-
handlung gaben in einer Studie mit bevölkerungsre- chen Trennung und einer verminderten psychischen
präsentativer Stichprobe in Deutschland ein Drittel der Gesundheit reduziert sich ungefähr um die Hälfte,
Teilnehmenden an, in der Kindheit mindestens eine wenn das Erleben von Kindesmisshandlung in Rech-
Form von Misshandlung erlebt zu haben. Die Präva- nung gestellt wird. Der negative Zusammenhang von
lenz für schwere Vernachlässigungen lag bei neun elterlicher Trennung und Lebenszufriedenheit im Er-
Prozent für körperliche und sieben Prozent für psychi- wachsenenalter ist sogar ganz allein durch das Erle-
sche Vernachlässigung, die Prävalenz für schweren ben von Kindesmisshandlung vermittelt – das heißt,
sexuellen Missbrauch bei 2,3 Prozent und für schwere wenn keine Form von Kindesmisshandlung berichtet
körperliche und psychische Misshandlungen bei wird, wiesen Erwachsene, die in der Kindheit eine
3,3 Prozent beziehungsweise 2,6 Prozent (Witt et al., elterliche Trennung erlebt hatten, keine geringere
2017). Die Prävalenzen für Kindesmisshandlung in Lebenszufriedenheit auf als Erwachsene, deren El-
Deutschland blieben dabei in den letzten Jahren relativ tern zusammenblieben (Clemens et al., 2019).
stabil (Witt et al., 2018).
Diese Daten weisen darauf hin, dass die Befunde zu
Die negativen Folgen vor allem von Züchtigung und Scheidungsfolgen nicht übergeneralisiert werden
Kindesmisshandlung für die kindliche Entwicklung dürfen, sondern manche Effekte auf besonders be-
sind unumstritten: Psychische Probleme wie Ängst- lastete Subgruppen von Kindern beschränkt sind.
lichkeit, Depressivität, posttraumatische Belastungs- Diese Kinder bedürfen aber auch einer speziellen
störung, geringes Selbstwertgefühl, Störungen des Berücksichtigung bei elterlichen und gerichtlichen
Sozialverhaltens, oppositionelles Trotzverhalten, Ag- Entscheidungen. Deutlich wird auch, dass die statis-
gression, Delinquenz und Schulprobleme sind häufig tische Verbindung von Trennungen und einer schlech-
(Gershoff, 2013; Hahlweg et al., 2008). Betroffene von teren psychischen Gesundheit im Lebenslauf verrin-
elterlicher Gewalt weisen ein erhöhtes Risiko auf, gert werden kann, wenn man betroffene Kinder
selbst gewalttätig zu werden oder andere deviante effektiv vor Kindesmisshandlung schützt. Ein wirksa-
Verhaltensweisen zu zeigen (Moffitt, 2013). mer Kinderschutz ist deshalb auch in diesem Kontext
von hoher Relevanz.
61
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
5.2.7 Zur Kumulation von che Gewalt, elterliche Trennung oder Scheidung und
Belastungsfaktoren das Aufwachsen in einem Haushalt, in dem Mitglie-
der im Gefängnis sind, an einer psychischen Erkran-
Wie schon mit Verweis auf die BELLA-Studie heraus- kung leiden oder substanzmittelabhängig sind (ver-
gestellt wurde, erschwert die Kumulation von Belas- gleiche Tabelle 5). Kindesmisshandlung, definiert als
tungsfaktoren deren konstruktive Bewältigung und willentliche Handlungen oder Unterlassungen, die
erhöht damit das Risiko für Beeinträchtigungen der Schaden verursachen oder das Kind/den Jugendli-
Gesundheit, Kompetenzentfaltung und des persönli- chen der Gefahr eines Schadens aussetzen – der
chen Wohlergehens (siehe Abschnitt 5.1). Dies zeigt Schaden selbst muss dabei nicht beabsichtigt sein
auch die Forschung zu belastenden Kindheitserleb- (Leeb et al., 2008) –, kann ebenfalls unterschiedliche
nissen (Adverse Childhood Experiences [ACEs]). Das Formen annehmen. Hierzu zählen psychische und
Konzept schädlicher Kindheitserlebnisse (ACEs) um- körperliche Misshandlung, sexueller Missbrauch so-
fasst neben allen Formen von Kindesmisshandlung wie psychische und körperliche Vernachlässigung.
zudem traumatische Kindheitserlebnisse wie häusli-
Haushaltsdysfunktion Misshandlung
Quelle: Darstellung basierend auf der englischen Version in Clemens et al., 2019, Fig. 1.
Belastende Kindheitserlebnisse stellen einen relevan- Erkrankungen kommen. So erhöht sich mit zuneh-
ten Risikofaktor für psychische und körperliche Er- mender Anzahl von erlebten ACEs das Risiko für Sui-
krankungen im Erwachsenenalter dar. Sie führen zu zidversuche, Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum
multiplen biologischen Veränderungen bei Betroffe- und viele somatische Erkrankungen bis auf das Zwölf-
nen, unter anderem Veränderungen in der physiologi- fache (Felitti et al., 1998).
schen Stressverarbeitung (Stressachse; Carpenter et
al., 2007), des entzündlichen Systems und der Neuro- Das erhöhte Risiko für eine Kumulation verschiedener
transmitter (Boeck et al., 2016). Zudem, und teilweise Formen von ACEs ist bekannt. Auch bei einer Tren-
vermutlich auch hierdurch vermittelt, kann es als Folge nung der Eltern sind die Risiken für andere belastende
von ACEs zu deutlichen sozialen, emotionalen und ko- Erfahrungen der mitbetroffenen Kinder und Jugendli-
gnitiven Einschränkungen, ungünstigem Gesundheits- chen erhöht. In einer US-amerikanischen Studie
verhalten sowie körperlichen und/oder seelischen konnte gezeigt werden, dass Personen, die in der
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5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
Kindheit die Trennung der Eltern erlebt haben, mit eingeschränkt sind. Allerdings bemühen sich immer
82-prozentiger Wahrscheinlichkeit noch mindestens mehr Studien um die Kontrolle möglicher konfundier-
ein zweites ACE, mit 60-prozentiger Wahrscheinlich- ter Faktoren wie des Einkommens und des Konflikt-
keit mindestens noch zwei weitere ACEs und mit niveaus (vergleiche Nielsen, 2018b). Zunehmend sind
30-prozentiger Wahrscheinlichkeit vier oder mehr wei- auch umfangreiche Studien mit großen Fallzahlen ver-
tere ACEs erlebt haben (Dong et al., 2004). Auch eine fügbar, oftmals aus Ländern, in denen geteilte Betreu-
vergleichbare Untersuchung aus Deutschland bestä- ung stärker verbreitet ist. Bislang kaum berücksichtigt
tigt dies (Clemens et al., 2019): Wer in der Kindheit die blieben jedoch Variationen in der Ausgestaltung ge-
Trennung der Eltern erlebt hatte, wies ein dreifach er- teilter Betreuung, die von täglichem Wechsel der Kin-
höhtes Risiko auf, auch Gewalt gegen die Mutter er- der bis zum Wechsel im Jahresrhythmus reichen kann
lebt zu haben; mit 3,6-fach erhöhter Wahrscheinlich- (Salzgeber, 2015).
keit litt in dem Haushalt, in dem man groß wurde,
jemand unter einer psychischen Erkrankung; und das Noch vergleichsweise begrenzt ist auch die Zahl der
Risiko, dass jemand Substanzmittelabusus betrieb, Studien zu geteilter Betreuung sehr junger Kinder, die
war um das Vierfache erhöht. Ob diese weiteren Be- nicht nur insgesamt seltener von einer Trennung der
lastungen Ursache für die Trennung oder deren Folge Eltern betroffen sind als ältere Kinder, sondern auch
waren oder eine unter vielen Belastungen, lässt sich nur selten von ihren getrennten Eltern im Wechsel be-
aus solchen korrelativen Daten nicht schließen. Wich- treut werden. Entsprechend sind belastbare Daten für
tig ist aber die Feststellung, dass eine Trennung oder diese kleine Gruppe von Kindern noch vergleichswei-
Scheidung der Eltern nur selten die einzige Belastung se rar, zumal diese Studien oftmals nur auf kleine
ist, der betroffene Kinder ausgesetzt sind. Weitere Be- Stichproben zurückgreifen können (vergleiche Niel-
lastungen müssen dann auch in Bezug auf Sorge- sen, 2014a; Walper & Lux, 2016). Gerade bei dieser
rechtsregelungen und Umgangsregelungen im Sinne Gruppe ist es wichtig, den Familienstand der Eltern
der Kindeswohlorientierung solcher Entscheidungen vor der Trennung zu berücksichtigen, finden sich doch
Berücksichtigung finden. in der internationalen Forschung vielfach Nachteile
unverheirateter Eltern, die bei frühen Trennungen zu-
meist überrepräsentiert sind (Nielsen, 2014b). Syste-
5.3 Geteilte Betreuung und matische Vergleiche hierzu fehlen bislang.
ihre Bedeutung für Eltern-Kind-
Insgesamt zeigen viele Studien Vorteile geteilter Be-
Beziehungen und das Wohl treuung gegenüber dem traditionellen Residenzmodell
ergehen von Kindern auf, sowohl im Hinblick auf die Beziehung zum Vater
(Bjarnason & Arnarsson, 2011; Fabricius et al., 2012)
Verschiedentlich wird vorgebracht, dass die geringen als auch hinsichtlich der Entwicklung der Kinder (ver-
Zusammenhänge zwischen Kontakthäufigkeit und gleiche Nielsen, 2018b). Allerdings sind die Befunde
Wohlergehen der Kinder der geringen „Dosis“ dieser nicht einheitlich, und den starken Pro-Argumenten, die
Kontakte geschuldet sind, da im Kontext zeitlich be- für geteilte Betreuung aus Forschungsübersichten ab-
grenzter Besuchskontakte die Ressourcen, die Väter geleitet werden, stehen eher schwächere Einschät-
für ihre Kinder bereitstellen, nicht angemessen zum zungen auf Basis einer stringenteren Metaanalyse ver-
Tragen kommen können. Geteilte Betreuung sei dem- fügbarer Befunde gegenüber (Baude et al., 2016).
gegenüber ein Betreuungsarrangement, in dessen
Rahmen sich die Vater-Kind-Beziehung stärker entfal-
ten und den Kindern zugutekommen könne. Entspre-
chend diskutieren wir im Folgenden Befunde zu der
hier zentralen Frage, welchen Einfluss unterschiedli-
che Betreuungsmodelle auf die Eltern-Kind-Bezie-
hung und das Wohlbefinden sowie die Entwicklung
der Kinder haben. Da sich Experimente in diesem Be-
reich verbieten und Prospektivstudien kaum verfüg-
bar sind, ist die Forschung auf korrelativ-querschnitt-
liche Befunde angewiesen, die in ihrer Aussagekraft
63
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
64
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
ungsmodellen deutlich abgeschwächt, sobald mate- 16 Jahren keine Unterschiede zwischen den Betreu-
rielle Ressourcen der Jugendlichen und ihre Beziehung ungsarrangements, sondern lediglich Vorteile von
zu den Eltern in Rechnung gestellt wurden. Kernfamilien.
Auch eine weitere schwedische Schulerhebung (mit Dies lässt erkennen, dass die Evidenz nicht einheitlich
164.580 Jugendlichen der beiden Klassenstufen be- ist. Eine Metaanalyse von 19 Studien, die eine Quanti-
ziehungsweise Altersgruppen zwölf und 15 Jahre) er- fizierung der Betreuungszeiten erlauben und über Ver-
brachte, dass Jugendliche mit geteilter Betreuung in gleichsgruppen mit nicht geteilter Betreuung verfü-
mehreren Bereichen geringere Nachteile gegenüber gen, zeigte zwar statistisch signifikante, aber nur
Gleichaltrigen in Kernfamilien aufwiesen als diejeni- geringe Vorteile geteilter Betreuung auf (Effektstärke
gen, die hauptsächlich oder ausschließlich von einem Cohen’s d = .11; Baude et al., 2016). Zudem waren die
Elternteil betreut wurden (Bergström et al., 2013). Bei Vorteile auf starke Parität der Betreuungszeiten be-
den älteren Jugendlichen (15 Jahre) fanden sich im schränkt (50 : 50 bis 60 : 40) und fanden sich nicht bei
Vergleich von Kernfamilien und Trennungsfamilien mit einer stärker asymmetrischen Verteilung der Betreu-
Wechselmodell sogar keine Unterschiede hinsichtlich ungszeiten (61 : 39 bis 70 : 30).
der selbstberichteten Autonomie, Peerbeziehungen
und sozialen Akzeptanz der Jugendlichen. Vergleich- Dem stehen Forschungsübersichten von engagierten
bare Befunde erbrachte eine norwegische Studie mit Befürworterinnen und Befürwortern geteilter Betreu-
2.550 Schülerinnen und Schülern der siebten bis ung gegenüber, die mit großem Nachdruck die Vor-
neunten Klassenstufe (Breivik & Olweus, 2006): Ju- teile herausstellen, auch unabhängig von relevanten
gendliche mit geteilter Betreuung unterschieden sich Randbedingungen, die solchen Vorteilen zugrunde
hinsichtlich ihres Problemverhaltens, insbesondere liegen könnten (zum Beispiel Nielsen, 2018a, 2018b).
bezüglich internalisierender Probleme (Depressivität, Dass hier versucht wird, naheliegende Einwände sys-
negatives Selbstkonzept), nicht von Gleichaltrigen in tematisch zu entkräften, ist generell positiv als ein
Kernfamilien. Lediglich der Gebrauch illegaler Drogen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit empi-
war bei Jugendlichen mit geteilter Betreuung erhöht. rischen Befunden zu werten. Allerdings werden nicht
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass trotz der ins- alle Befunde einer gleichermaßen kritischen Prüfung
gesamt sehr umfangreichen Stichprobe nur sehr we- unterzogen, sodass auch diese Übersichten und Be-
nige Jugendliche zu vergleichbaren Anteilen bei ihren wertungen der Befundlage nicht gänzlich frei von
getrennten Eltern lebten (n = 28). Da im Jugendalter subjektiven Einfärbungen sind.
eine geteilte Betreuung weniger verbreitet ist als bei
jüngeren Kindern, mögen die Befunde auf eine stärke- Zudem geben diese Übersichten nur wenig Aufschluss
re Positivselektion derjenigen 15-Jährigen hinweisen, über jene Prozesse, die für mögliche Vor-, aber auch
die noch an geteilter Betreuung festhalten. Dies könn- Nachteile einer Betreuung im Wechselmodell aus-
te zu den größeren Vorteilen beigetragen haben. schlaggebend sein können. Für eine realistische Ein-
schätzung ist es jedoch unabdingbar, nicht nur mit
Nicht alle Studien erbrachten Vorteile der im Wech- generalisierendem Blick mögliche Vorteile zu prüfen,
selmodell betreuten Kinder. So weist eine weitere sondern auch vermittelnde Prozesse und Randbedin-
schwedische Studie mit breiterem Altersbereich (vier gungen zu erkunden, die zu Unterschieden in den
bis 18 Jahre) keine deutlichen Vorteile von Kindern Effekten geteilter Betreuung beitragen können. Im
und Jugendlichen mit geteilter Betreuung gegenüber Folgenden sind einige relevante Faktoren ohne An-
Kindern aus nicht getrennten Familien aus (Berg spruch auf Vollständigkeit angesprochen.
ström et al., 2014). Minderjährige mit getrennten El-
tern zeigten unabhängig vom Betreuungsmodell hö-
here Belastungen der psychischen Gesundheit als
Gleichaltrige aus Kernfamilien, was wiederum wei-
testgehend durch die jeweils geringere Lebenszufrie-
denheit getrennter Eltern in beiden Betreuungsarran-
gements erklärt werden konnte. Auch Spruit und
Duindam (2009) fanden bei ihren Analysen zu 3.561
Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und
65
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
5.3.3 Mögliche vermittelnde und Das Engagement des Vaters vor der Trennung
moderierende Faktoren Schon weiter oben wurde im Hinblick auf die Bedeu-
tung häufiger Kontakte der Kinder zu ihrem getrennt
Qualität der Eltern-Kind-Beziehung lebenden Elternteil darauf hingewiesen, dass Tren-
Eine Studie aus Belgien ist der Hypothese nachge- nungskinder umso mehr von häufigen Kontakten zum
gangen, dass positive Effekte geteilter Betreuung Vater profitieren, je stärker die Väter auch zuvor in die
durch eine bessere Eltern-Kind-Beziehung erklärbar Betreuung und Erziehung der Kinder involviert waren
sind (Havermans et al., 2017). Tatsächlich konnten die (Poortman, 2018). Dieser Befund spricht sehr für die
Autoren aufzeigen, dass geteilte Betreuung wie auch Vorteile einer gewissen Kontinuität in der Rollenvertei-
die Betreuung durch den Vater an Wochenenden mit lung beziehungsweise Erziehungszuständigkeit der El-
positiveren Vater-Kind-Beziehungen verbunden war tern auch im Trennungskontext. Auch im Vergleich der
als die (fast) ausschließliche Betreuung durch die Betreuungsmodelle zeigt sich, dass die Kinder umso
Mutter, wobei das Wechselmodell interessanterweise mehr vom Wechselmodell oder – noch deutlicher – der
auch der Mutter-Kind-Beziehung keinen Abbruch ge- Hauptbetreuung durch den Vater profitierten, je stär-
tan hat. Weiter lassen die Befunde darauf schließen, ker der Vater zuvor in die Versorgung der Kinder invol-
dass das Wechselmodell indirekt – vermittelt über die viert war. Dies gilt unter Kontrolle zahlreicher Faktoren,
positivere Beziehung zum Vater – zu einem höheren die für die Wahl und Aufrechterhaltung des Wechsel-
Schulengagement derjenigen Jugendlichen beiträgt, modells ausschlaggebend sein könnten, wie zum Bei-
die in höherem Umfang auch vom Vater betreut wur- spiel die elterliche Bildung, deren Erwerbsumfang vor
den. Allerdings bestand gleichzeitig – unter Kontrolle der Trennung sowie Spannungen und starke Konflikte
der Beziehungsqualität und weiterer Kontrollvariab- der Eltern nach der Trennung. Das Kontinuitätsbedürf-
len – ein negativer direkter Effekt von Wechselmodell nis der Kinder sollte demnach auch bei der Wahl des
und Wochenendbetreuung durch den Vater auf das Betreuungsmodells beachtet werden.
Schulengagement, das heißt, jene Jugendlichen, die
bei geteilter Betreuung nicht eine positivere Bezie-
hung zum Vater erlebten, litten eher unter diesem Be-
treuungsarrangement. Insgesamt glichen sich diese
beiden gegenläufigen Effekte weitgehend aus. Ent-
sprechenden Hinweisen auf auch nachteilige Effekte
geteilter Betreuung ist laut Empfehlung der Autoren
dringend in weiterer Forschung nachzugehen (Haver-
mans et al., 2017, Seite 1118). Diese Befunde stehen
durchaus im Einklang mit anderen Daten, die die Qua-
lität des elterlichen Erziehungsverhaltens als mögli-
chen Moderator von Effekten des Betreuungsmodells
in den Blick nehmen. Demnach profitieren Kinder am
ehesten dann von vermehrten Übernachtungen bei
einem Elternteil, wenn dieser Elternteil positiv-
entwicklungsförderliches Erziehungsverhalten zeigt
(Sandler, Wheeler & Braver, 2013). Negatives Erzie-
hungsverhalten, das auch generell mit einem geringe-
ren Wohlbefinden der Kinder einherging, schien umso
stärker in die Waagschale zu fallen, je mehr Zeit die
Kinder bei diesem Elternteil verbrachten. Dies gilt für
Mütter und Väter gleichermaßen. Dies lässt darauf
schließen, dass bei starken Unterschieden in der Qua-
lität des Erziehungsverhaltens beider Eltern eher von
einer geteilten Betreuung abgesehen werden sollte,
während ein vergleichbar positives Erziehungsverhal-
ten beider Eltern günstige Bedingungen für eine geteil-
te Betreuung bietet.
66
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
Konflikte und Feindseligkeiten in der Nach diesen Befunden berichten Mütter die höchsten
Beziehung zwischen den Eltern Belastungen der Kinder, wenn diese bei hohem Koali-
Im Hinblick auf mögliche moderierende Faktoren, die tionsdruck beider Eltern in geteilter Betreuung lebten.
zu unterschiedlichen Effekten geteilter Betreuung bei- Umgekehrt profitierten nur jene Kinder von geteilter
tragen können, wurde dem Konfliktniveau in der Be- Betreuung, deren Eltern geringen Koalitionsdruck
ziehung zwischen den Eltern besondere Aufmerk- ausübten, das heißt, Mütter dieser Gruppe berichte-
samkeit geschenkt (vergleiche Kindler & Walper, ten die geringsten Belastungen der psychischen Ge-
2016). Wie im vorstehenden Abschnitt (5.3.1) geschil- sundheit ihrer Kinder – auch im Vergleich zu Kindern
dert, hatte eine Studie von Amato und Rezac (1994) im Residenzmodell. Dies legt nahe, dass subtile Pro-
schon früh darauf verwiesen, dass häufige Konflikte bleme in der Kooperation der Eltern durchaus Einfluss
die Kontakte von Kindern zum getrennt lebenden darauf nehmen können, ob sich geteilte Betreuung
Elternteil überschatten und zu einer Belastung ma- vorteilhaft oder belastend auf die Kinder auswirkt.
chen können. Auch andere Studien zu Jugendlichen
in Trennungsfamilien zeigen, dass eine konflikthafte Alter der Kinder
Beziehung der Eltern bei häufigen Kontakten zum ge- Auch die Frage, ob das Wechselmodell je nach Alter
trennt lebenden Elternteil besonders belastend wirken der Kinder anders zu bewerten ist, gehört zu den in-
und zu erhöhter Depressivität der Kinder beitragen tensiv diskutierten Themen der Forschung zum Wech-
kann (Kalmijn, 2016) beziehungsweise häufige Kon- selmodell, wobei Säuglinge und Kleinkinder im Mittel-
takte mit Nachteilen für die Gesundheit und das emo- punkt stehen (Nielsen, 2014a, 2014b; Walper & Lux,
tionale Wohlbefinden von Kindern verbunden sind, 2016; Warshak, 2017). Verständlicherweise ist es ge-
wenn sie im Kontext wechselhafter Abwertung und rade Vätern, die früh eine Trennung erleben, oftmals
konflikthafter Rivalitäten der Eltern stattfinden (Walper ein besonders intensives Anliegen, hinreichend Zeit
& Gerhard, 2003a, 2003b). So liegt es durchaus nahe, mit ihrem noch jungen Kind zu verbringen und dem
dass Kinder im Wechselmodell vermehrten Belastun- Kind auch ein Zuhause in der eigenen Wohnung zu
gen ausgesetzt sind, wenn ihre Eltern in Konflikte ver- geben, damit sich die Beziehung zum Kind überhaupt
strickt sind und entsprechend nur schwer miteinander erst entsprechend entwickeln kann. Gleichzeitig wur-
kooperieren können. den bei einer geteilten Betreuung sehr junger Kinder
im Wechselmodell Vorbehalte vorgebracht, die sich
Auch diese Frage nach der Rolle elterlicher Konflikte auf die erhöhten Anpassungserfordernisse bei noch
wird kontrovers diskutiert, und weit überwiegend wenig ausgeprägter Regulationsfähigkeit der Kinder
scheinen starke offene Konflikte der Eltern in allen Be- und die mangelnde Kontinuität der verfügbaren Bin-
treuungsarrangements negative Auswirkungen auf dungsperson beziehen.
die Kinder zu haben (Nielsen, 2017, 2018b). Allerdings
reflektiert die Häufigkeit offener Konflikte nur in be-
grenztem Maße die emotionale Atmosphäre zwischen
den Eltern, zumal Konflikte auch durch die Vermei-
dung jeglicher Kommunikation begrenzt werden kön-
nen. Für Kinder und Jugendliche sollten insbesondere
Loyalitätskonflikte in der Beziehung zu den Eltern die
Wechsel zwischen Mutter und Vater belasten. Eine
Studie aus Deutschland mit vielfach hochstrittigen
Trennungsfamilien betrachtete einen eng mit dem
Konfliktniveau und Loyalitätskonflikten verbundenen
Faktor, nämlich den Koalitionsdruck, den Eltern auf
ihre Kinder ausüben, um diese in eine Allianz gegen
den anderen Elternteil einzubinden (Walper, 2017).
67
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
Tatsächlich finden sich Hinweise darauf, dass die Insgesamt legen diese Daten durchaus Risiken für die
Emotionsregulation (McIntosh, Smyth & Kelaher, Bindungsentwicklung der Kinder in der Beziehung zur
2013) und die Bindung zur Mutter bei Säuglingen Mutter nahe, lassen jedoch die Bindung zum Vater
und Kleinkindern unter häufigen Übernachtungen außen vor. Beobachtungsstudien und Studien, die
beim Vater leiden können (Tornello et al., 2013). physiologische Stressmaße der Kinder berücksichti-
Untersuchungen zur Frage, inwieweit häufige Über- gen und damit vergleichsweise objektive Indikatoren
nachtungen beim Vater die Bindungsentwicklung heranziehen, statt auf das Urteil der Eltern zu vertrau-
sehr junger Kinder beeinflussen, stützen sich auf we- en, sind noch sehr begrenzt verfügbar. Vor allem fehlt
niger strenge Kriterien für geteilte Betreuung als Stu- es an Studien, die auch die Bindungsbeziehung zum
dien mit älteren Kindern, da in diesem frühen Alter Vater in den Blick nehmen.
selbst eine asymmetrisch geteilte Betreuung kaum
realisiert wird. Zudem ist der Fokus auf die Bindung Persönlichkeitsmerkmale der Kinder
zur Mutter gerichtet. Eine frühe Studie hierzu (Solo- Erstaunlicherweise wurden Persönlichkeitsmerkmale
mon & George, 1999) erbrachte, dass Kinder, die re- der Kinder bislang kaum beachtet, obwohl es nahe-
gelmäßig beim Vater übernachteten (mindestens ein- liegt, dass nicht alle Kinder gleichermaßen in der
mal pro Monat), seltener eine sichere und häufiger Lage sind, von geteilter Betreuung im Wechselmodell
eine desorganisierte Bindung aufwiesen als Kinder zu profitieren. Nach Befunden der einzigen hierzu
der Vergleichsgruppe mit verheirateten Eltern. Unter- verfügbaren Studie scheint dies für extravertierte so-
schiede zu Trennungskindern, die lediglich tagsüber wie für sehr gewissenhafte Kinder eher mit Belastun-
Kontakt zum Vater hatten, bestanden allerdings nicht. gen verbunden zu sein (Sodermans & Matthijs, 2014).
Ein Jahr später zeigten die Kleinkinder, die als Säug- Wie die Autoren vermuten, könnten extravertierte
linge häufig beim Vater übernachtet hatten, mehr Är- Kinder unter dem wechselhaften Zugang zu ihren
ger gegenüber der Mutter und waren schlechter zu Peers leiden, der in den beiden Haushalten beider El-
beruhigen. tern möglicherweise nicht gleichermaßen gewährleis-
tet ist, während bei hoher Gewissenhaftigkeit die ge-
Eine Studie mit Daten der Fragile Families Study, die steigerten Anforderungen an die Organisation der
eine umfangreiche Stichprobe vor allem nicht ehe Wechsel und die damit verbundenen Fehlermöglich-
licher Geburten in Großstädten in den USA umfasste keiten eher nachteilig erlebt werden könnten. In die-
und die Kinder längsschnittlich verfolgte, verglich ein- sem Bereich sind dringend noch weitere Forschungs-
und dreijährige Kinder mit getrennten Eltern auf Basis bemühungen erforderlich, um auch den jeweiligen
der Übernachtungshäufigkeit beim Vater (Tornello et Besonderheiten und Bedürfnissen der Kinder ange-
al., 2013). Hierbei wiesen die Kinder, die mindestens messen Rechnung tragen zu können.
einmal pro Woche beim Vater übernachteten, den
höchsten Anteil unsicherer Bindung auf, während Kin-
der mit selteneren Kontakten am seltensten eine unsi-
chere Bindung zeigten und Kinder, die lediglich tags-
über Kontakt zu ihrem Vater hatten, eine Mittelposition
einnahmen. Auch unter den Dreijährigen zeigten die
Kinder mit häufigen Übernachtungen beim Vater (128
bis 256 pro Jahr) den höchsten Anteil unsicherer Bin-
dungen, während Kinder, die lediglich tagsüber Kon-
takt zu ihrem Vater hatten, am seltensten eine unsi
chere Bindung aufwiesen. Allerdings war in dieser
Altersgruppe auch bei seltenen Übernachtungen beim
Vater (ein- bis zwölfmal pro Jahr) häufiger eine unsi-
chere Bindung zu finden.
68
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
69
5 Zum Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien: Was zählt?
70
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
6 UNTERSTÜTZUNGSANGEBOTE VOR,
WÄHREND UND NACH EINER TRENNUNG
BEZIEHUNGSWEISE SCHEIDUNG
Eine Scheidung bedeutet nicht unbedingt einen güns- konflikte mit den Eltern bringen können. Geeignete
tigen Neuanfang für die Kinder. Nur wenn die destruk- Verfahren und Interventionen – gerade auch im Inter-
tiven Konflikte der Eltern geringer werden und diese esse des Kindeswohls – sind daher notwendig, um
einen konstruktiven Umgang miteinander finden, eine Begrenzung oder bestenfalls Beilegung der elter-
schafft eine Scheidung die notwendige Veränderung lichen Konflikte zu ermöglichen (Petermann & Fegert,
für eine gesunde Entwicklung (Hetherington & Kelly, 2015). Die verschiedenen publizierten Interventionen
2003). Viele geschiedene Eltern – nach Johnston lassen sich einteilen in solche, die vor, während und
(2000) bis zu 30 Prozent – sind auch nach der Schei- nach der Scheidung zum Einsatz kommen können.
dung weiterhin miteinander feindselig verstrickt und
haben Auseinandersetzungen bezüglich der Kinder-
erziehung. Besonders schädlich für die Kinder sind 6.1 Prävention von
wiederholte gerichtliche Auseinandersetzungen der Partnerschaftsproblemen
Eltern, häufige Streitigkeiten der Eltern ohne effektive
Lösung (vor, während und nach der Scheidung) und
und Scheidung
die Verwicklung der Kinder in Loyalitätskonflikte (Brö-
ning, 2009; Walper & Beckh, 2006). Die in Abschnitt 5 geschilderte Sachlage begründet
die Notwendigkeit umfassender präventiver Maßnah-
Nach Figdor (2004) zeigt sich hier die Paradoxie in der men zur Verringerung von Partnerschaftsproblemen
Trennungs-/Scheidungskrise: „Um eine Scheidung und Trennung oder Scheidung. Frühzeitige Prävention
gut verarbeiten zu können, würden Kinder Eltern be- (wenn das Paar noch in einer zufriedenstellenden
nötigen, die nach der Trennung so einfühlsam, gedul- Partnerschaft lebt oder sich erst in einem frühen Kon-
dig, ausgeglichen, optimistisch und zuwendend sind, fliktstadium befindet) kann eine Möglichkeit sein, die-
wie sie es im bisherigen Leben (die ersten Lebensmo- sen ungünstigen Entwicklungen effektiv vorzubeugen.
nate ausgenommen) nie sein mussten. Zur selben Zeit Basierend auf den oben beschriebenen Ergebnissen
jedoch befinden sich die meisten Eltern in einer so aus der Risiko- und Schutzfaktorenforschung ist es
schwierigen psychischen Situation, dass sie Kinder das Ziel vieler Präventionsangebote, die Häufigkeit
brauchen würden, die so ruhig, anspruchslos, loyal, negativer Kommunikation während partnerschaftli-
seelisch gefestigt, vernünftig und selbstständig sind, cher Konfliktdiskussionen zu verringern und positive,
wie sie bisher noch nie sein mussten“ (ibid., Seite 25). wertschätzende und wechselseitig empathisch-unter-
stützende Interaktionen zu erhöhen, um eine für beide
Trennungs-/Scheidungsfamilien, in denen es den El- akzeptable Problemlösung zu erleichtern (für einen
tern nicht gelingt, ihre Konflikte durch gemeinsam ge- Überblick über verschiedene Programme siehe Job et
troffene Vereinbarungen beizulegen, und der Konflikt al., 2014). Da Partnerschaftskonflikte einen wichtigen
zusehends eskaliert (Kampf um jeden Preis!), stellen Bestandteil des Zusammenseins darstellen, geht es
für die betroffenen Kinder einen erheblich belasten- nicht darum, diese zu verhindern, sondern vielmehr
den Entwicklungskontext dar. Kinder geraten in die die Kompetenzen des Paares für den Umgang mit zu-
Auseinandersetzungen der Eltern hinein beziehungs- künftigen Konflikten zu steigern.
weise werden (bewusst) mit einbezogen. Sie müssen
sich – zum Teil mehrfachen – Begutachtungen unter-
ziehen, in deren Kontext sie mit der schwierigen Be-
ziehung zwischen ihren Eltern konfrontiert werden
und Aussagen machen müssen, die sie in Loyalitäts-
71
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
In der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem das Kontrollgruppe ohne Intervention zugeordnet. In
EPL – Ein Partnerschaftliches Lernprogramm (Job et einem Elf-Jahres-Follow-up zeigte sich, dass die
al., 2014) – verbreitet, das Ende der 1980er-Jahre ent- EPL-Paare eine Scheidungsrate von 26 Prozent auf-
wickelt wurde. Während des EPL-Trainings lernen wiesen, im Gegensatz zu 56 Prozent in der Vergleichs-
Paare aktiv anhand von Sprecher- und Zuhörer-Re- gruppe, die die Teilnahme am EPL aus verschiedenen
geln Gefühle offen anzusprechen, Erwartungen ver- Gründen abgelehnt hatten. Da die Paare der Interven-
ständlich auszudrücken, einander zuzuhören und sich tions- und Kontrollgruppe zufällig zugeordnet wurden,
zu verstehen. Ein weiteres Programm ist Paarlife (Bo- sind Selektionseffekte weitestgehend ausgeschlos-
denmann, 2016; vor allem in der Schweiz verbreitet), sen, das heißt, es ist nicht davon auszugehen, dass
das neben einer Förderung der partnerschaftlichen die EPL-Paare ein höheres Engagement für die Bezie-
Kommunikation und Problemlösung zum Ziel hat, das hung aufwiesen. Insofern sind die Befunde besonders
dyadische Coping der Partner zu verbessern. Diese aussagekräftig. Die Ergebnisse konnten in einer wei-
Programme können sowohl in der Gruppe als auch teren Studie repliziert werden (Hahlweg & Richter,
mit einem Paar einzeln in sechs zwei bis 2,5 Stunden 2010).
umfassenden wöchentlichen Sitzungen oder an einem
Wochenende durchgeführt werden. Die Gruppengrö- Diese Studien zeigen, dass kurze, auf aktivem Trai-
ßen variieren zwischen drei und sechs Paaren mit ning beruhende kognitiv-verhaltenstherapeutische
einem Trainer für je zwei Paare. Die theoretischen In- Präventionsprogramme sehr langfristige, nachhaltige
halte erarbeiten die Paare in der Großgruppe, um die Wirkungen auf die Partnerschaftsstabilität erzielen
vermittelten Fertigkeiten anschließend einzeln in se- können. Deshalb sollten solche Interventionen fester
paraten Räumen gemeinsam mit einer Trainerin oder Bestandteil von Public-Health-Strategien sein. Auf
einem Trainer einzuüben. diesem Weg könnte möglicherweise auch die hohe
Kinderarmutsrate verringert werden, bei der Kinder
In der Regel berichten Paare nach der Teilnahme über Alleinerziehender einen beträchtlichen Anteil haben
eine hohe Zufriedenheit mit dem Programm. In ver- (vergleiche Hübgen, 2017; BMFSFJ, 2021, im Er-
schiedenen Metaanalysen wurde die Wirksamkeit scheinen). Dass durch die breite Implementation part-
von Präventionsprogrammen auf die Partnerschafts- nerschaftsbezogener Präventionsprogramme das
qualität und die Kommunikation von Paaren in über Scheidungsrisiko gemindert werden kann, zeigt eine
117 Studien untersucht. Für randomisiert-kontrollierte erste Studie von Birch, Weed und Olson (2014). Die
Studien fanden sich Effektstärken zwischen d = .30 Autoren verglichen in einer quasiexperimentellen Stu-
und d = .44. Studien mit Nachkontrollen bestätigten die 122 Landkreise in den USA, in denen Präventions-
die Stabilität der Befunde (Engl, Thurmaier & Hahl- programme im Rahmen von „Community Marriage In-
weg, 2019). itiatives (CMIs)“ vor allem über religiöse Institutionen
eingeführt worden waren, mit ähnlichen Landkreisen
Langzeiteffekte präventiver Interventionen ohne CMIs, die unter anderem hinsichtlich der Schei-
Nur in Deutschland wurden bisher längere Katamne- dungsraten vor Einführung der CMIs parallelisiert wa-
sen an Paaren, die an dem EPL teilgenommen hatten, ren. Die Studie zeigte, dass in den CMI-Landkreisen
von bis zu 25 Jahren durchgeführt (Engl, Thurmaier & eine signifikant stärkere Reduktion der Scheidungsra-
Hahlweg, 2019). Die Analysen zeigten, dass die EPL- ten zu verzeichnen war als in den Vergleichsregionen:
Paare im Verlauf der Nacherhebungen mehr positive Über sieben Jahre hinweg wären nach Daten der Kon-
und weniger negative Kommunikation aufwiesen als trolllandkreise circa 700.000 Scheidungen zu erwar-
die jeweiligen Vergleichspaare, die entweder eine an- ten gewesen, aber in den CMI-Landkreisen ergaben
dere, zeitlich ähnlich aufwendige oder keine Interven- sich 30.000 Scheidungen weniger. Da das Präven-
tion erhielten. Darüber hinaus wiesen die EPL-Paare tionsprogramm keineswegs flächendeckend in den
nach 25 Jahren eine geringere Scheidungsrate auf CMI-Landkreisen implementiert wurde, sondern vor
(fünf Prozent versus 27 Prozent). In einer anderen Stu- allem in Städten angeboten wurde, unterschätzt dies
die im Sinne indizierter Prävention wurden Paare mit vermutlich sogar die Wirksamkeit des Programms.
einer mittleren Partnerschaftsdauer von zehn Jahren,
von denen 70 Prozent unzufrieden mit ihrer Bezie-
hung waren, zufällig der Teilnahme am EPL oder einer
72
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
73
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
Präventive Programme können insofern auch von Auch in Dänemark ist seit 2018 die Teilnahme an
Paaren genutzt werden, um im Sinne einer Ambiva- einem Elternkurs vor einer Scheidung verpflichtend,
lenzberatung eine Klärung zu unterstützen. Da die das heißt, ohne Teilnahme wird keine Scheidung aus-
Programme vielfach auf eine Stärkung der Kommuni- gesprochen.38 Der Kurs „Samarbejde Efter Skilsmisse“
kationsfähigkeit der Eltern abzielen, können sie auch („Kooperation nach der Scheidung“) dauert 30 Minu-
im Fall einer Trennung hilfreich sein. Wenn nach dem ten und bringt den Eltern nahe, wie die Scheidung ihre
Training eine Trennung gewünscht wird, sollte die Kinder beeinflussen kann. Zugleich werden Möglich-
Kursteilnahme zumindest die Grundlagen gemeinsa- keiten vorgeschlagen, wie Eltern am besten miteinan-
mer „Sprachfähigkeit“ vermittelt haben, sodass Kri- der kommunizieren können. Die verpflichtende Teil-
sen angemessener und lösungsorientierter bewältigt nahme steht nicht im Widerspruch zur Elternautonomie
werden können. In abgewandelter Form könnten auch in der Regelung ihrer Angelegenheiten bei einer Tren-
Kurse für bereits Geschiedene/Getrennte sinnvoll nung. Im Gegenteil fördert sie informierte Entschei-
sein, die es jedoch noch zu entwickeln und zu evalu- dungen der Eltern über die Ausgestaltung gemeinsa-
ieren gilt. Für den Einsatz von Präventionsprogram- mer Elternschaft nach der Trennung.
men als Ambivalenzberatung liegen bisher keine
Wirksamkeitsdaten vor. Einige der in den USA entwickelten Programme, die
sich an Eltern im Trennungs- beziehungsweise Schei-
dungsprozess wenden, gehen über reine Informa-
6.3 Psychoedukative Angebote tionsangebote hinaus und bemühen sich darum,
für getrennte Eltern Eltern darin zu unterstützen, ihr Wohlbefinden zu sta-
bilisieren, destruktive Konflikte zu vermeiden, den
Kindern ein förderliches Erziehungs- und Familienkli-
Vor allem in den USA wurden in den 1990er-Jahren ma zu bieten und so Belastungen der kindlichen Ent-
zahlreiche „Divorce-Education“-Programme entwi- wicklung zu vermeiden. Beispiele sind das Programm
ckelt, die darauf abzielen, Eltern über die juristischen „Parents Forever“, eine insgesamt achtstündige Inter-
Schritte im Zuge einer Scheidung zu informieren und vention, die positiv evaluiert wurde (Becher et al.,
mit den potenziell problematischen Auswirkungen 2018) und auch als Onlineangebot vorliegt, das eben-
der Scheidung auf die Kinder vertraut zu machen falls positive Ergebnisse brachte (Becher et al., 2015).
(Staub, 2018). Mit Hinweisen auf Belastungsfaktoren
für Kinder (zum Beispiel fortgesetzte Konflikte, Kon- Eine Metaanalyse (Fackrell, Hawkins & Kay, 2011) auf
taktabbruch) bieten sie den Eltern auch Orientierung der Basis von 19 Evaluationsstudien zu psychoedu-
für die Ausgestaltung gemeinsamer Elternschaft kativen Angeboten für Eltern in Scheidung (jeweils
nach der Trennung. Die Angebote sind meist als mit einer Interventionsgruppe und einer Kontrollgrup-
Gruppensitzungen konzipiert, werden teilweise aber pe ohne Angebot) erbrachte eine insgesamt mittlere
auch über Medien (Filme, Onlinekurse) vermittelt. In positive Effektstärke (d = .39). Teilnehmende Eltern
vielen US-Staaten ist für scheidungswillige Eltern die hatten einen 50-prozentigen Vorteil gegenüber Eltern,
Teilnahme an diesen zwei- bis vierstündigen Pro- die kein entsprechendes psychoedukatives Angebot
grammen vorgeschrieben. Vielfach sind die Angebo- nutzten. Wie die Autoren hervorheben, besteht durch-
te direkt an den Familiengerichten angesiedelt, um aus noch weiter gehender Forschungsbedarf, doch
den Eltern den Zugang zu erleichtern. Allerdings lie- sprechen die positiven Befunde für die Weiterverfol-
gen gerade für die sehr kurzzeitigen Angebote kaum gung der politischen Initiative zur breiten Implemen-
Wirksamkeitsnachweise aus randomisierten kontrol- tierung solcher präventiven psychoedukativen Ange-
lierten Studien vor. Dies gilt auch für Gruppenpro- bote für Eltern in Trennung.
gramme, die speziell für Kinder entwickelt wurden
(Poladian & Holtzworth-Munroe, 2019).
38 Siehe https://www.wiselaw.co.uk/international-divorce-lawyers/dk/.
74
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
In Deutschland wurde diese Entwicklung erst später Die Akzeptanz des Programms unter Trennungseltern
und bislang noch auf weniger breiter Basis aufgegrif- mit fortgesetzten gerichtlichen Streitigkeiten wie auch
fen. Seit 2008 liegt das Elternprogramm „Kinder im bei Eltern, die nicht freiwillig teilnahmen, unterschei-
Blick“ vor (https://www.kinder-im-blick.de/), das sich det sich in weiten Bereichen nicht von derjenigen der
an Eltern in Trennungs- und Scheidungsfamilien wen- Eltern, die auf eigene Initiative an dem Programm teil-
det und in Zusammenarbeit eines Forschungsteams nahmen (Retz & Walper, 2015). Lediglich der Erfolg
mit dem Familiennotruf München, einer spezialisierten bei der Verbesserung der Kommunikation mit dem
Trennungsberatungsstelle, entwickelt wurde (Walper anderen Elternteil der Kinder wurde von hochstrittigen
et al., 2009; Walper & Krey, 2011). Im Unterschied zu Eltern geringer eingeschätzt. Auch die Vorher-nach-
den psychoedukativen Scheidungsprogrammen in her-Vergleiche unterscheiden sich bei freiwilligen und
den USA wurde hier jedoch versucht, nicht nur Eltern beauflagten Teilnehmenden nicht. Im Gegenteil zei-
im Vorfeld einer Trennung, sondern auch hochstrittige gen sich bei Müttern, die mit gerichtlicher Auflage
Trennungseltern einzubeziehen. Entsprechend ist die- oder auf Anraten des Jugendamts teilnehmen, teil-
ses Programm als intensiveres Präventions- bezie- weise sogar stärker positive Effekte (Amberg & Wal-
hungsweise Interventionsprogramm konzipiert, das per, 2018). Dies legt nahe, dass verpflichtende Ange-
drei Themenbereiche fokussiert: die eigene Tren- bote für Trennungsfamilien sehr erfolgreich arbeiten
nungsbewältigung, die Stärkung der Eltern-Kind-Be- können, wenn sie entsprechend strukturiert sind.
ziehung und des Erziehungsverhaltens zur wirksamen
Unterstützung der Kinder sowie die Verbesserung der „Kinder im Blick“ wurde insbesondere in Bayern auf
Kommunikation und des Coparenting mit dem ande- breiter Basis in den Erziehungsberatungsstellen im-
ren Elternteil des Kindes. Das Angebot nutzt unter- plementiert, aber auch bundesweit wurden mittler-
schiedliche didaktische Elemente und umfasst neben weile mehr als 1.000 Kursleiterinnen und Kursleiter
der Vermittlung von Informationen auch Selbsterfah- ausgebildet. Ein ähnliches Angebot wurde inzwischen
rung und insbesondere Rollenspiele zum Einüben von in Rheinland-Pfalz entwickelt. Weiterhin wurde das El-
Interaktionsfertigkeiten, wobei der Kursleitung eine ternprogramm „Kess-erziehen“, das von den diözesa-
zentrale Rolle als wertschätzende Unterstützung und nen Fachstellen angeboten wird, für Trennungseltern
Vermittler positiver Lernerfahrungen zukommt. An adaptiert (https://www.kess-erziehen.de/elternkurse-
den ursprünglich sechs39 je dreistündigen Sitzungen kess/alleine-erziehen/). Mit Fokus auf Alleinerziehen-
nehmen die Eltern nicht als Paar, sondern in getrenn- de ist das bindungsorientierte Präventionsprogramm
ten Gruppen teil, wobei die Teilnahme beider Eltern „Wir2“ positiv evaluiert (Franz, 2014). Damit stehen
empfohlen wird, aber nicht Voraussetzung ist. Jede auch in Deutschland zunehmend strukturierte Ange-
Gruppe umfasst acht bis zwölf Eltern und wird von bote für Eltern in Trennung zur Verfügung, deren An-
zwei intensiv geschulten Personen – möglichst einem gebot und Verfügbarkeit jedoch starken regionalen
Mann und einer Frau – geleitet. Schwankungen unterliegen und die für die Eltern mit
unterschiedlichen Kosten verbunden sind. Eine Bun-
Das Programm wurde längsschnittlich im Vergleich zu desinitiative zur Stärkung der Implementation und
einer Kontrollgruppe ohne Intervention, aber auch im Weiterentwicklung solcher Angebote für unterschied-
Vergleich zu einer Gruppe mit herkömmlicher Bera- liche Zielgruppen würde entscheidend dazu beitra-
tung oder Mediation erfolgreich evaluiert (Krey, 2010). gen, Trennungsfamilien wirksam zu unterstützen.
Schon frühzeitig wurde es von Familiengerichten und
Jugendämtern zur Teilnahme empfohlen beziehungs-
weise beauflagt. Die Abbruchraten sind sehr gering.
39 Inzwischen wurde eine siebte Einheit ergänzt, die das Thema „Neue Partnerschaften“ anspricht und in diesem Kontext zuvor vermittelte
Inhalte zu Coparenting, Kommunikation und Emotionscoaching mit Kindern vertieft.
75
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
6.4 Individualisierte Unter Trotz ihrer zentralen Bedeutung ist wenig über Tren-
stützungsangebote für die nungsberatung bekannt. Angaben zum Aufkommen
von Trennungsberatung fehlen, da sie in der Kinder-
Scheidungs- beziehungsweise und Jugendhilfestatistik nicht gesondert ausgewiesen
Trennungsbewältigung wird, sondern unter die Kategorie „Beratung im Fami-
lienkonflikt“ subsumiert wird, die auch andere Kon-
6.4.1 Trennungsberatung fliktlagen (zum Beispiel Erbschaftskonflikt, Konflikte
mit Kindern im Jugendalter) umfasst. Auffällig ist,
In Deutschland am meisten verbreitet sind Angebote dass weit überwiegend Alleinerziehende entspre-
der Trennungsberatung, die von Jugendämtern, Er- chende Beratung in Anspruch nehmen (vergleiche
ziehungsberatungsstellen, Einrichtungen der Ehe-, BMFSFJ, 2021, im Erscheinen). Auch über den Bera-
Lebens- und Familienberatung (EFL) sowie speziali- tungsbedarf, den getrennte beziehungsweise ge-
sierten Beratungsstellen für Trennungsfamilien in öf- schiedene Eltern erleben, über ihre Zugänge zu Unter-
fentlicher und privater Trägerschaft erbracht werden. stützungsangeboten und über deren Erfolge ist kaum
Anders oder zumindest stärker als die meisten psy- etwas bekannt. Intensiv diskutiert wurden allerdings
choedukativen Angebote bietet Trennungsberatung in den vergangenen beiden Jahrzehnten die wach-
den Eltern eine auf die individuellen Anliegen bezoge- senden Anforderungen in der Beratung hochstrittiger
ne persönliche Beratung im geschützten Raum von Trennungseltern (siehe Abschnitt 6.5). In diesen Fällen
Einzelgesprächen oder Beratungsgesprächen mit ist die Beratung besonders anspruchsvoll, da die
beiden Eltern. Sie zielt darauf ab, individuelle Fragen, Konfliktlinien sehr verhärtet sind (vergleiche Walper,
Belastungen und Konfliktlagen aufgreifen zu können, Fichtner & Normann, 2013a; Weber, Alberstötter &
und will Eltern Orientierung und Unterstützung bei Schilling, 2013).
der Bewältigung von Konflikten und bei Entscheidun-
gen über die Ausgestaltung ihres Familienlebens und Clearing
der Kinderbetreuung im Rahmen der jeweiligen Sor- Auch wenn die Eltern vielfach ein großes Bedürfnis
gerechtsregelung geben. Die Orientierung am Kin- nach einer klaren Trennung haben, bleibt ihre Verbin-
deswohl ist hierbei grundlegend. Die direkte Einbe- dung als Eltern von gemeinsamen Kindern erhalten.
ziehung von Kindern in die Beratung ist jedoch Dieser Spagat ist häufig, gerade zu Beginn einer Tren-
vermutlich eher die Ausnahme (zu entsprechenden nung, schwer zu gestalten. Um angemessen auf die
Möglichkeiten siehe zum Beispiel Bernhardt, 2013; individuelle Ausgangslage eingehen zu können, hat es
Keil de Ballón, 2018, Seite 25 f.). sich bewährt, dass Trennungsberatung die Eltern zu-
nächst in einem Clearing dahin gehend berät, welcher
Nicht immer erfolgt die Inanspruchnahme von Tren- Lösungsweg zur Klärung möglicher Konflikte und zur
nungsberatung freiwillig. Das Familienrecht legt ho- Regelung der Angelegenheiten der für sie geeignete
hen Wert auf Konfliktlösungen, die im Konsens der El- ist. Hierbei sollen die Klienten darüber aufgeklärt wer-
tern erarbeitet werden (Krabbe, 2016). Hierbei spielen den, welche außergerichtlichen Wege der Konfliktlö-
außergerichtliche Wege zum Konsens – insbesondere sung es gibt. Da Paare in Trennungssituationen er-
begleitet durch Beratung – eine zentrale Rolle. Ent- heblichen Stressoren ausgesetzt sind, ist es in der
sprechend kann Beratung im Trennungskonflikt ge- Beratung besonders wichtig, gemeinsam zu prüfen,
richtlich beauflagt werden (§ 156 FamFG), wenn die welches Vorgehen am ehesten zur Beruhigung der
Eltern im Rechtsstreit keine Lösung finden. Bislang ist ehemaligen Partner beiträgt. Zugleich wird ausgelo-
im engeren Wortlaut des Gesetzes die Möglichkeit tet, inwieweit eine Beratung im vorliegenden Fall
einer Beauflagung beziehungsweise verpflichtenden möglich ist.
Inanspruchnahme von außergerichtlichen Mitteln der
Konfliktlösung auf die Beratung beschränkt. Ob diese
Beschränkung sachlich begründet ist oder ob auch
andere Verfahren (Mediation, psychoedukative Eltern-
kurse) vergleichbare Wirkung erzielen, müsste empi-
risch ermittelt werden, um eine sachliche Basis für
diese Beschränkung oder deren Revision zu erlangen.
76
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
Eine empirische Studie zu den Bedingungen erfolgrei- In diesem Kontext dient die Trennungsberatung auch
cher Beratung in der Clearingphase zeigt, dass inter- dazu, die Trennung zwischen Paar- und Elternebene
essanterweise die Eingangsmotivation der Klienten herauszuarbeiten, das heißt das Verhalten der ehema-
keinen Effekt darauf hatte, ob die Beratung abgebro- ligen Partner als Eltern in der Betreuung und Erzie-
chen oder erfolgreich beendet beziehungsweise nach hung ihres Kindes gegenüber Problemen auf der
dem Clearing weitergeführt wurde (Fichtner, 2018). Paarebene zu immunisieren. Hierbei ist es eine zent-
Wichtiger war das differenziert erfasste elterliche Kon- rale Aufgabe, Eltern in der Entwicklung eines für sie
fliktniveau. Zu starke Vorwürfe verbaler Aggression praktikablen Modells des Coparenting zu unterstüt-
und mangelnder Kompromissbereitschaft des Part- zen, bei dem bestehende Ressentiments und Konflik-
ners erhöhten das Risiko eines Abbruchs des Clea- te begrenzt werden können und in den Kontakten der
rings und damit die Wahrscheinlichkeit für gerichtli- Eltern möglichst wenig Raum erhalten, während die
chen Klärungsbedarf. Für ein erfolgreiches Clearing Potenziale für Kooperation gestärkt und ausgeschöpft
scheint es nach den Befunden dieser Studie wichtig werden. In konfliktbelasteten Fällen ist paralleles Co-
zu sein, eine gute Beratungsbeziehung vor allem zu parenting eine Option. Hierbei sind der Abbau von
den Vätern aufzubauen und deren Beratungsmotiva- Ressentiments und die Stärkung von Toleranz gegen-
tion zu stärken. Auch wenn es gelungen war, Konflikte über dem/der „Ex“ als anderem Elternteil der gemein-
abzubauen und vorläufige Regelungen zu finden, samen Kinder ebenso anforderungsreiche wie wichti-
konnte der Gerichtsweg häufiger vermieden werden. ge Aufgaben, um zu vermeiden, dass paralleles
Coparenting zu untergrabendem Coparenting wird
Informationen über das Angebot der Mediation (siehe (vergleiche Abschnitt 5.2.6). Für Eltern, die eine geteil-
Abschnitt 6.4.2) und dessen Unterschiede zur Tren- te Betreuung planen, ist es besonders wichtig, eine
nungsberatung gehören zu einem ersten Clearing in tragfähige Basis für ihre zukünftige Kooperation zu er-
der Trennungsberatung dazu. Stärker als die Media- arbeiten.
tion kann die Trennungsberatung die Psychodynamik
in der Beziehung zwischen den Betroffenen mit ein- Insbesondere dann, wenn die Positionen der ehema-
beziehen, während die Mediation Lösungen fokus- ligen Partner zu Rechtsfragen wie Sorgerecht oder
siert, ohne die Dynamik zwischen den Konfliktpartei- Unterhaltsansprüchen weit auseinanderliegen, kann
en explizit zum Gegenstand zu machen. Ist eine es für die Eltern sinnvoll oder sogar notwendig sein,
Trennung mit starken psychischen Verletzungen einer ergänzend zur Trennungsberatung anwaltliche Bera-
oder beider Parteien verbunden, besteht ein Macht- tung und Unterstützung zu holen. Das bedeutet nicht
ungleichgewicht oder war häusliche Gewalt im Spiel, zwangsläufig, dass es zu einer gerichtlichen Ausein-
ist eine Mediation nicht das geeignete Verfahren (zum andersetzung kommen muss.
Beispiel Normann & Loebel, 2011).
Erweiterte Anforderungen an Beratung
Konfliktbearbeitung Mit der Einführung geteilter Betreuung als Option für
Das Angebot einer Trennungsberatung ist besonders die Ausgestaltung gemeinsamer Elternverantwortung
sinnvoll, um an Verstrickungen der Paardynamik zu nach einer Trennung stellen sich in der Beratungspra-
arbeiten. Dies erfolgt nach einer Trennung passender- xis erweiterte Anforderungen. In stärkerem Maße als
weise im Einzelkontext, meist unter Einbeziehung bisher muss sie auch „logistische“ Gesichtspunkte in
beider Partner, teilweise auch in der individuellen den Blick nehmen, um Eltern bei der Findung eines all-
Beratung der einzelnen Partner. Nicht aufgelöste Paar- tagstauglichen Betreuungsarrangements zu unterstüt-
konflikte können zu toxischem Stress führen, der dann zen, muss mit strengeren Kriterien die Konsensfähig-
in hochkonflikthaften Auseinandersetzungen endet keit und wechselseitige Bindungstoleranz der Eltern
(Alberstötter, 2013). Umso wichtiger ist es, Konfliktfel- einschätzen, muss Voraussetzungen und Bedürfnisse
der frühzeitig zu erkennen und mit Unterstützung der der Kinder mit Blick auf die Anforderungen geteilter
Beratung zu bearbeiten. Betreuung gezielter in Erfahrung bringen und nicht zu-
letzt finanzielle Implikationen unterschiedlicher Be-
treuungsarrangements thematisieren.
77
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
In der Regel fokussiert die Trennungsberatung den zu stärken. Mediationsprinzipien sind Freiwilligkeit,
Bereich psychosozialer Fragen des Wohlergehens Neutralität, Allparteilichkeit und Vertraulichkeit.
von Eltern und Kindern, die Lösung von Beziehungs-
problemen und die gemeinsame Fürsorge für das Für den Ablauf einer Scheidungsmediation existieren
Kind beziehungsweise die Kinder, während finanzielle keine Standards, und es gibt eine große Anzahl von
Fragen des Unterhalts ausgeklammert werden. Die Modellen, die aus psychologischer oder juristischer
Expertise zur fach- und sachkundigen Beratung in Perspektive stammen. Meist werden sechs bis acht
Fragen des Unterhaltsrechts wird in der Ausbildung Sitzungen vereinbart und die Kosten hälftig von
der Beratungsfachkräfte nicht vermittelt, sodass dies- den Eltern getragen (Staub, 2018). Diese Verfahren
bezügliche Unsicherheiten verständlich sind. Mitunter werden teilweise auch mit Einbeziehung der Kinder
werden finanzielle Fragen jedoch auch als Hindernis durchgeführt. Eine Mediationsintervention könnte
für die Findung von Konfliktlösungen im interperso- folgendermaßen ablaufen: Im gemeinsamen Erstge-
nellen Bereich gesehen, sodass sie bewusst ausge- spräch werden die gegenseitigen Erwartungen ange-
klammert werden. Dies birgt im Gegenzug allerdings sprochen und geklärt, in welchen Bereichen die Eltern
das Risiko, dass gefundene Lösungen im interperso- noch Verantwortung für das Kind übernehmen kön-
nellen Bereich durch Probleme im finanziellen Bereich nen. Es wird versucht, dass die Eltern (minimale)
ausgehebelt beziehungsweise zunichtegemacht wer- Sofortmaßnahmen umsetzen, und ihnen wird ein Rat-
den. Systematische Vergleiche beider unterschiedli- geber zu möglichen Scheidungsfolgen für die Kinder
chen Vorgehensweisen – mit und ohne Einbezug fi- mit nach Hause gegeben. In der zweiten und dritten
nanzieller Fragen – fehlen, sodass die Beratungspraxis Sitzung werden Einzelgespräche geführt, in der
hier allenfalls auf individuelles Erfahrungswissen, eher vierten Sitzung ein gemeinsames Gespräch mit
noch Vermutungen angewiesen ist. Ob die Trennung dem Ziel, weitere Vereinbarungen zu treffen. In Sit-
zwischen psychosozialen und finanziellen Fragen zu- zung fünf – wenn die Eltern zugestimmt haben – wird
künftig möglich sein wird, wenn es um die Beratung eine Einzelsitzung mit dem Kind abgehalten, um die
zu geteilter Betreuung geht, ist mehr als fraglich, da Bedürfnisse des Kindes zu eruieren. In den folgenden
die Wahl des Betreuungsmodells auch Folgen für die drei Sitzungen werden die Aspekte des Kindes mit
Bemessung des Unterhalts hat. Integrierte und gege- einbezogen und weitere konkrete Schritte vereinbart
benenfalls interprofessionelle Beratungsangebote, (Staub, 2018).
die psychologische und unterhaltsrechtliche Experti-
se verbinden, dürften an Bedeutung gewinnen. Die empirische Basis hinsichtlich der Wirksamkeit
von Scheidungsmediation ist sehr begrenzt, vor al-
6.4.2 Scheidungsmediation lem wurden nur in einer US-Studie langfristige
Nachkon trollen durchgeführt. In den USA wurden
Scheidungsmediation wird häufig als Vermittlungs- drei randomisiert kontrollierte Studien publiziert, de-
verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von ren Ergebnisse nicht einheitlich sind (Poladian &
scheidungsbezogenen Konfliktthemen eingesetzt Holtzworth-Munroe, 2019; Sbarra, Bourassa & Man-
und hat das Ziel, den Partnern dabei zu helfen, für die velian, 2019). Hinsichtlich der Lebensqualität der El-
durch die Trennung beziehungsweise Scheidung ent- tern nach Mediation zeigten sich keine, hinsichtlich
standenen regelungsbedürftigen Themen Lösungen der Lebensqualität der Kinder widersprüchliche Er-
zu finden, die für alle Betroffenen akzeptabel sind gebnisse. Mediation scheint jedoch die Beziehung
und von ihnen getragen werden (Weinmann-Lutz & zwischen dem Kind und dem nicht residenten Eltern-
Lutz, 2006b). Themen sind vor allem die Aufteilung teil zu verbessern. In einer Studie von Emery et al.
finanzieller Ressourcen, die Sicherung des Lebens- (2001) zeigte sich nach zwölf Jahren, dass sich nach
unterhalts und die Klärung der elterlichen Verantwor- Mediation die Beziehung der Eltern hinsichtlich posi-
tung. Mediationen werden sowohl von privaten An- tiverer Kommunikation und Kooperation verbesserte.
bietern, wie Anwaltskanzleien und speziell geschulten Insgesamt ist die Datenbasis zur Wirksamkeit äu-
Mediatoren, als auch von größeren kirchlichen oder ßerst schmal und erlaubt kaum belastbare Schluss-
öffentlichen Trägern angeboten. Die Moderatorin folgerungen.
oder der Moderator versteht sich als neutrale Person
und versucht, die Selbstverantwortlichkeit der Eltern
78
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
Im Gegensatz zur Beratung kann Mediation bislang in evaluieren. Ein Rückgang von Hochstrittigkeit kann
Deutschland nicht von Gerichten als Auflage ange- hierfür kaum ausschlaggebend sein. Wenngleich ak-
ordnet werden. Andere Länder sind weniger restriktiv tuelle Zahlen fehlen, sprechen Berichte aus der Praxis
hinsichtlich des Prinzips der Freiwilligkeit und können doch für einen merklichen Anstieg der Zahl hochstrit-
Mediation anordnen (zum Beispiel Norwegen, USA) tiger Trennungen (Walper et al., 2013a).
beziehungsweise sehen Mediation als regulären
Schritt bei Scheidungen vor (zum Beispiel Australien). Seit 2009 fordert der Gesetzgeber nach § 156 FamFG
Allerdings wird mandatierte Mediation durchaus die Familiengerichte auf, Eltern bei Streitigkeiten um
kritisch diskutiert, wenn sie im Kontext häuslicher das Kind vermehrt an Beratungsstellen zu verweisen.
Gewalt eingesetzt wird (Geffner & Pagelow, 1990) In 35 Prozent der Fälle sind Streitigkeiten Gründe für
oder – wie in China – traditionelle Familienwerte der die Inanspruchnahme von Erziehungsberatung nach
Mediatoren zu deren Parteilichkeit beitragen. Wäh- § 28 SGB VIII (Serafin, 2017). Vor diesem Hintergrund
rend mandatierte Mediation für die meisten Tren- wird auch die Erziehungsberatung in hohem Maße
nungseltern eine gute Möglichkeit der Konfliktlösung durch die Anforderungen hochstrittiger Trennungs
bietet, hat sie sich für hochstrittige Paare als wenig beratung beansprucht. Gleichzeitig scheint diese
zielführend erwiesen (Tjersland, Gulbrandsen & Haa- Beratungsarbeit – möglicherweise aufgrund der
vind, 2015). Hier sind andere Angebote angezeigt. schwierigen Klientel und mangels passgenauer Inter-
ventionsstrategien – weniger erfolgreich zu sein als
6.4.3 Interventionen für Familien mit Beratungsformen bei anderer Klientel (zum Beispiel
hochkonflikthaften Trennungs- und Fichtner, 2010).
Scheidungsverläufen
Hochstrittige Trennungsfamilien sind keine homoge-
Circa 65 Prozent der Eltern gelangen eigenständig zur ne Gruppe, und bislang gibt es keine allgemein
Regelung des Umgangs, während das verbleibende anerkannte, empirisch basierte Definition für hoch-
Drittel Beratung, Mediation oder gerichtliche Konflikt- konflikthafte Trennungsfamilien. Vielfach wird Hoch-
klärung in Anspruch nimmt. Nicht immer gelingt hier- strittigkeit an der Anzahl der gerichtlichen Verfahren
bei jedoch eine dauerhafte Lösung. Älteren Schätzun- oder einer höheren Instanz der Verfahren festge-
gen zufolge nehmen etwa fünf bis zehn Prozent aller macht (Retz, 2015). Allerdings tragen nicht alle Tren-
Scheidungen und Trennungen einen hochkonflikthaf- nungsfamilien, die in der Beratungspraxis als hoch-
ten Verlauf (Dietrich et al., 2010), bei dem Konflikte strittig erlebt werden, ihre Konflikte vor Gericht aus.
über den Umgang mit den Kindern und das Sorge- Entsprechend komplex ist die Frage, was hochkon-
recht längerfristig bestehen bleiben, vielfach beson- flikthafte Familien kennzeichnet und was ihren Verlauf
ders heftig und unversöhnlich ausgetragen werden erklärt. Gleichzeitig ist sie entscheidend für die Ent-
und trotz üblicher Interventionen (Beratung, Media- wicklung geeigneter Interventions- und Beratungsan-
tion, Gerichtsentscheid) auch längerfristig nicht abge- gebote für betroffene Eltern und Kinder. Hierbei geht
mildert werden können (Kindler, 2019). Vielfach leiden es auch um die Frage nach den Bedingungen des
die Kinder erkennbar. Scheiterns von gerichtlichen Entscheidungen, Vermitt-
lungsversuchen und Beratungsangeboten.
Trotz ihrer geringen Zahl binden diese hochstrittigen
Trennungen den Großteil der Kapazitäten des juristi-
schen und psychosozialen Personals durch langjähri-
ge, hartnäckige Streitigkeiten, oftmals durch alle ge-
richtlichen Instanzen. Schon aus diesem Grund ist es
erstaunlich, wie wenig sich die empirische Forschung
in Deutschland mit dem Problem der Hochstrittigkeit
befasst hat, um die Entwicklung seiner Verbreitung zu
untersuchen und den Erfolg von Interventionen zu
79
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
Vielfach findet sich die Vermutung, dass Persönlich- zu dem die Sachverständigen nach § 163 Absatz 2
keitsstörungen der Eltern für die fortgesetzten Kon- FamFG auch beauftragt werden können. Gerade im
flikte ausschlaggebend sind. Die Befundlage hierzu Kontext hochstrittiger Trennungen bietet dies eine
ist jedoch nicht einheitlich (zum Beispiel Bröning, wichtige Möglichkeit der Lösungsfindung. Zudem
2009; Spindler, 2009). Auch die Schichtzugehörigkeit wurde die Qualitätskontrolle gestärkt, indem ein Peer-
beziehungsweise Bildungs- und ökonomische Res- Review-Verfahren entwickelt und erfolgreich erprobt
sourcen scheinen keine wesentliche Rolle zu spielen wurde (Kompetenzzentrum für Gutachten Recht Psy-
(Dietrich et al., 2010). Stärkeres Gewicht haben psy- chologie Medizin, 2020). Das Peer-Review hat sich als
chische und interpersonelle Faktoren in der Dynamik ein insgesamt gut geeignetes Instrument erwiesen,
zwischen den Eltern, insbesondere emotionale Verlet- das zur Qualitätsverbesserung von Gutachten einge-
zungen, unversöhnlicher Ärger über erlebte Unge- setzt werden kann und eine Qualitätssicherung so-
rechtigkeiten, Feindseligkeiten und einseitige Schuld- wohl „nach außen“ als auch „nach innen“ ermöglicht,
zuschreibungen gegenüber dem anderen Elternteil, wobei das Feedback den Sachverständigen eine
die charakteristisch sind für hochstrittige Trennungs- wichtige Lerngelegenheit bietet. Derzeit laufen Über-
eltern und eine positive Entwicklung blockieren (Brö- legungen, wie diese Fragebögen standardmäßig in
ning, 2009; Dietrich et al., 2010). Häufig wechseln die die Praxis der Rechtspsychologie implementiert wer-
Eltern auch ihre juristische Vertretung, sodass neben den können.
Vertretungen des Jugendamts, Gutachterinnen oder
Gutachtern und Fachkräften der Beratung auch wech- Die Bedingungen des Scheiterns von gerichtlichen
selnde Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Entscheidungen und Beratungsangeboten zu kennen
System der elterlichen Streitigkeiten involviert sind. ist ein wesentlicher Aspekt professioneller Arbeit mit
Durchschnittlich finden sich rund acht professionelle Hochkonfliktfamilien. Einige Orientierungshilfen hier-
Vertreterinnen und Vertreter des juristischen und so- zu wurden im Rahmen des Projekts „Kinderschutz bei
zialen Sektors im System hochstrittiger Familien. hochstrittiger Elternschaft“ entwickelt (Dietrich et al.,
2010). So konnten auf der Basis von Empfehlungen
Angesichts der oft kritischen Haltung konfliktbelaste- erfahrener Beraterinnen und Berater Leitlinien für die
ter Parteien gegenüber den beteiligten Professionen Beratungspraxis erarbeitet werden. Wichtig sind
verwundert es nicht, dass auch familiengerichtliche demnach eine zeitnahe Terminierung von Beratungen
Gutachten oft hinterfragt und Gegengutachten einge- zur Vermeidung weiterer Konflikteskalationen, die
holt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass in der Erarbeitung eines ausdrücklichen Beratungsauftrags
Vergangenheit in manchen Fällen auch die teilweise sowie Entlastung durch Co-Beratung und die zeitliche
mangelnde Qualität familienpsychologischer Gutach- Entzerrung solcher anspruchsvollen Beratungen. Al-
ten Anlass für hochkonflikthafte Auseinandersetzun- lerdings wird auch in diesem Kontext betont, dass es
gen gewesen sein mag, da problematische Gutachten keine definierte Technik und kein feststehendes Bera-
keine tragfähige Basis für familiengerichtliche Ent- tungsverfahren gibt, wie hoch eskalierte Konflikte
scheidungen liefern und den Konfliktparteien keine sicher gelöst werden können (Dietrich et al., 2010,
akzeptable Lösung anbieten. Lange Zeit wurde be- Seite 31). Allenfalls können Rahmenbedingungen
mängelt, dass die Qualität von Sachverständigengut- geschaffen werden, die destruktiven Konfliktverläufen
achten im Kontext familiengerichtlicher Verfahren oft entgegenwirken, aufseiten der Eltern die zumeist ge-
unzureichend ist (Werst & Hemminger, 1989; Klüber, ringe Motivation und Erfolgserwartung stärken und
1998; Terlinden-Arzt, 1998; Leitner, 2000; Salewski & auf der Seite der Beraterinnen und Berater für die
Stürmer, 2015). Inzwischen hat sich die Situation je- Aufrechterhaltung der nötigen emotionalen und men-
doch merklich geändert. Die 2015 erarbeiteten Min- talen Ressourcen sorgen (vergleiche die Beiträge in
destanforderungen an die Qualität von Sachverstän- Walper, Fichtner & Normann, 2013b).
digengutachten im Kindschaftsrecht (Arbeitsgruppe
Familienrechtliche Gutachten, 2015) wurden 2019
überarbeitet, insbesondere unter dem Aspekt des
Hinwirkens auf Einvernehmen zwischen den Parteien,
80
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
Auch wenn Eltern vom Gericht in die Beratung verwie- Insgesamt wird deutlich, dass der Prävention von
sen werden, mag Beratung nicht immer das geeigne- hochkonflikthaften Trennungen starkes Gewicht bei-
te Mittel der Wahl sein. Um einzuschätzen, ob Bera- gemessen werden muss, da diese Trennungen mit
tung für Eltern, die vom Gericht in die Beratung hohen emotionalen und gesundheitlichen Beeinträch-
verwiesen wurden, aktuell eine passende Unterstüt- tigungen aufseiten von Eltern und Kindern verbunden
zung sein kann und wenn ja, auf welche Weise und sind und zudem in hohem Maße die Ressourcen der
mit welchen Zielsetzungen, hat die Beratungsstel- Gerichte und Beratungsdienste binden. Die gezielte,
le der Stadt Oldenburg eine eigene Diagnostik ent auch empirische Forschung zur Wirksamkeit unter-
wickelt, mit der fünf Merkmale der Eltern erfasst schiedlicher Interventionsstrategien steht in Deutsch-
werden: das Ausmaß der emotionalen Steuerungs land noch aus.
fähigkeit, die Bindungstoleranz (Fähigkeit auf die
Beziehungswünsche des jeweils anderen Elternteils
gegenüber dem Kind eingehen zu können), das Kom- 6.5 Begleiteter Umgang:
munikationsverhalten mit dem anderen Elternteil, die Eltern-Kind-Kontakte im Beisein
Wahrnehmung kindlicher Bedürfnislagen und die
Möglichkeit, das Bindungsverhalten und die Bin-
einer dritten Person
dungswünsche des Kindes gegenüber dem anderen
Elternteil auszuhalten oder sogar zu unterstützen.40 Begleiteter Umgang dient als Unterstützungs- und
Die entsprechenden Einschätzungen werden mit den Schutzmaßnahme zur Anbahnung oder Aufrechterhal-
Eltern besprochen, wobei deren Reaktionen auch tung von Kontakten des Kindes zum getrennt leben-
Grundlage der Entscheidung über eine gemeinsame den Elternteil, etwa nach einer längeren Kontaktpau-
oder getrennte Beratung sind. Das Verfahren scheint se, bei der Gefahr einer Entführung des Kindes durch
nach bisherigen Erfahrungen geeignet zu sein, Eltern den getrennt lebenden Elternteil oder bei anderen Ge-
stärker für die Beratungsarbeit zu motivieren, Kon- fährdungslagen, zum Beispiel (dem Verdacht auf)
flikteskalationen zu vermeiden und die Fachkräfte zu Misshandlung oder Missbrauch. Mithilfe der dritten
entlasten. Person soll sichergestellt werden, dass das Recht des
Kindes auf Kontakt mit seinen Eltern auch dann ge-
Hochstrittige Trennungseltern können nicht nur durch währleistet ist, wenn ein Elternteil nicht in der Lage
intensive, spezialisierte Beratungsarbeit (Hötker-Po- oder nicht berechtigt ist, das Kind alleine zu sehen
nath, 2009; Weber & Schilling, 2006), sondern auch (vergleiche § 1684 Absatz 4 Satz 3 und 4 BGB). So-
durch strukturierte psychoedukative Angebote wie zialrechtlich unterstützt wird begleiteter Umgang
„Kinder im Blick“ erfolgreich unterstützt werden (ver- durch § 18 Absatz 3 SGB VIII. Bei fehlendem Einver-
gleiche Abschnitt 6.2). Als vorteilhaft erweist sich hier ständnis des umgangsberechtigten Elternteils mit der
die separate Teilnahme der Eltern an unterschiedli- Anwesenheit einer Begleitperson wird die das Um-
chen Kursen, da hochstrittige Eltern die Anwesenheit gangsrecht beschränkende Begleitung von den Fami-
des anderen Elternteils meist als hochaversiv erleben liengerichten angeordnet, wenn dies zum Schutz des
und entsprechend in ihrer Aufnahmebereitschaft blo- Kindes erforderlich ist. Begleitperson kann jede geeig-
ckiert sind. Auch die Strukturiertheit der Kursinhalte nete (Privat-)Person sein, aber auch eine von den Ju-
dürfte vorteilhaft sein, da zirkuläres Ruminieren über gendämtern beziehungsweise anderen Diensten be-
die eigenen Verletzungen und bestehenden Probleme stimmte Einzelperson. Die Familiengerichte haben
verhindert wird und lösungsorientiertes Arbeiten im keine Anordnungskompetenz gegenüber dem Ju-
Vordergrund steht. gendamt oder den Trägern beziehungsweise Diensten
der Kinder- und Jugendhilfe (BVerfG, FamRZ 2015,
1686). Besteht ein Anspruch gemäß § 18 Absatz 3
SGB VIII, trägt das Jugendamt die Kosten für den be-
gleiteten Umgang.
40 https://efa.oldenburg.de/fileadmin/oldenburg/Benutzer/PDF/51/Psychologische_Beratungsstelle/Artikel_bke_-_Endversion_2018-10-25.pdf
81
6 Unterstützungsangebote vor, während und nach einer Trennung beziehungsweise Scheidung
Zunehmend kommt begleiteter Umgang bei hochstrit- Entsprechende Forschung fehlt in Deutschland. An-
tigen Trennungsfamilien zum Einsatz, wobei er nicht gesichts der nicht unbeträchtlichen Kosten des
nur der ursprünglich intendierten Überwachung der begleiteten Umgangs für die Kommunen ist es drin-
Kontakte bei einer Kontaktanbahnung oder zur Ver- gend notwendig, im Zuge einer stärkeren Profilierung
meidung von Gefährdungen des Kindes dient, son- unterschiedlicher Formen des begleiteten Umgangs
dern auch lediglich die Übergabe des Kindes betref- Begleitforschung auf den Weg zu bringen, die die
fen kann. Sind die Eltern nicht gewillt oder in der Lage, Wirksamkeit dieser Angebote für unterschiedliche
die Übergabe des Kindes selbst zu organisieren und Zielgruppen untersucht.
zu leisten, soll begleiteter Umgang die sichere Über-
gabe des Kindes an den jeweils anderen Elternteil Auch wenn empirische Befunde fehlen, erscheint es
gewährleisten. Dabei kann begleiteter Umgang auch angesichts der erhöhten Kooperationserfordernisse
gemeinsam sorgeberechtigte Eltern betreffen. bei geteilter Betreuung ungeeignet, die Übergabe
von Kindern im Wechselmodell auf diese Weise zu or-
Begleiteter Umgang ist kein einheitliches Angebot, ganisieren. Ist die Beziehung der Eltern so stark be-
sondern kann durch mehr oder minder intensive Be- lastet, dass eine persönliche Übergabe des Kindes
ratung des umgangsbegleiteten Elternteils, teilweise nicht möglich ist, dann sind Absprachen über Belan-
aber auch des abgebenden Elternteils unterstützt ge des Kindes erst recht nicht zu erwarten. Ist beglei-
werden.41 Teilweise werden auch die Kinder durch die teter Umgang als Unterstützungsmaßnahme für den
Umgangsbegleitung auf die Kontakte vorbereitet. Wechsel der Kinder zwischen den Eltern erforderlich,
Eine Systematisierung dieser unterschiedlichen An- so sollte dies als Kontraindikation für das Wechsel-
sätze mit Blick auf unterschiedliche Problemlagen modell gelten.
und Ziele des begleiteten Umgangs steht noch aus.
41 Siehe hierzu die Dokumentation des Fachtags „Begleiteter Umgang im Wandel – veränderte Anforderungen, unterschiedliche Profile“ vom
07.12.2018.
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7 Fazit und Empfehlungen
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7 Fazit und Empfehlungen
In vielen Ländern praktiziert ein steigender Anteil ge- an Einvernehmen und Kommunikationsbereitschaft
trennter Eltern eine geteilte Betreuung der Kinder voraus, damit die Regelungen auch alltäglicher Ange-
(Sünderhauf, 2013). Im Zuge dieser Entwicklung hat legenheiten des Kindes nicht zum Konfliktanlass wer-
der Europarat im Jahr 2015 in seiner Resolution 2079 den. Nicht zuletzt sollte eine paritätische Betreuung
die Verankerung des sogenannten Wechselmodells als des Kindes durch beide Eltern nicht erst in der Tren-
künftiges Betreuungsmodell für Kinder getrennt leben- nungssituation beginnen, da Kinder umso mehr von
der Eltern als Gestaltungsauftrag für die Zukunft be- aktiver Vaterschaft nach der Trennung profitieren,
schlossen.42 Im Vergleich zu anderen Ländern kommt wenn diese auch in Kontinuität zum Engagement des
der geteilten Betreuung nach Trennung und Schei- Vaters vor der Trennung steht (Poortman, 2018).
dung in Deutschland noch eine eher geringe Bedeu-
tung zu, wobei jedoch – analog zu anderen Ländern – Die Zusammenhänge zwischen dem Betreuungsmo-
von einem positiven Trend und einer wachsenden dell und dem Wohlergehen der Kinder sind in
Bedeutung auszugehen ist (siehe Abschnitt 3.2). Um Deutschland kaum und international noch keines-
den Bedürfnissen der Eltern und den sich wandelnden wegs abschließend erforscht. Kausalitätsaussagen
Einstellungen und Verhaltensweisen gerecht zu wer- verbieten sich angesichts der weit überwiegend
den, ist es an der Zeit, auch in Deutschland die ge- querschnittlichen Anlage der Studien, die nur einen
setzlichen Grundlagen transparent und schlüssig zu Zeitpunkt beleuchten. Längsschnittstudien, die diffe-
gestalten, damit Paare nach Trennung und Scheidung renzielle Effekte in Abhängigkeit von Ausgangsbedin-
gemeinsam elterliche Erziehungs- und Betreuungsver- gungen der Eltern und Kinder analysieren, fehlen fast
antwortung übernehmen können. So schlussfolgert gänzlich. Auch eine eingehende Prüfung, inwieweit
auch Schumann (2018) in ihrem Gutachten für den Müttern mit geteilter Betreuung die Arbeitsmarktinte-
72. Deutschen Juristentag: „Zum Ausgestaltungsauf- gration gelingt und inwieweit hierdurch Armutsrisiken
trag des Gesetzgebers gehört es daher, neben den der Kinder im Haushalt der Mutter wirksam begegnet
Regelungen zum Residenzmodell auch zur geteilten werden kann, steht noch aus. Bisherige Befunde lie-
Betreuung ein normatives Angebot für interessierte fern hier kein einheitliches Bild (Geisler & Kreyenfeld,
Eltern zu machen.“ 2019; Walper, 2016).
Das Wechselmodell steht im Einklang mit der Idee, In Anbetracht dieser Herausforderungen muss der
dass die Erziehung und Betreuung von Kindern part- Gesetzgeber besondere Vorsicht walten lassen. Ge-
nerschaftlich geteilt werden sollten. Es ist nicht nur teilte Betreuung muss sich besonders am Wohl der
ein Instrument, um den Vater-Kind-Kontakt nach Tren- Kinder als einem vorrangig zu berücksichtigenden
nung und Scheidung zu stärken, sondern kann auch Gesichtspunkt orientieren und die Partizipations- und
für Kernfamilien wichtige Signale setzen und bereits Schutzrechte der Kinder gewährleisten. Sie muss
während der Partnerschaft die Erwerbsorientierung dem Grundgedanken des Familienrechts folgen, eine
der Mütter und die Betreuungszeiten der Väter erhö- differenzierte Prüfung des Einzelfalls zu ermöglichen.
hen und so zu einer egalitäreren Arbeitsteilung führen. Letztendlich muss es darum gehen, die geteilte Be-
Zudem ist es ein wichtiges Instrument zur Arbeits- treuung als Option besser im Rechtssystem zu integ-
marktintegration von Alleinerziehenden. Gleichzeitig rieren und gleichzeitig die wohlverstandenen Interes-
ist mit dem Wechselmodell jedoch ein Betreuungsar- sen der Kinder zu wahren.
rangement verbunden, das Kindern im Wechsel zwi-
schen den elterlichen Haushalten Anpassungsleistun-
gen auferlegt, die nicht unter allen Umständen und
von allen Kindern gleichermaßen bewältigt werden
können. Aufseiten der Eltern setzt es ein Mindestmaß
42 http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=22220
84
7 Fazit und Empfehlungen
7.2 Empfehlungen Auf der anderen Seite ist die geteilte Betreuung in
Deutschland noch nicht häufig verbreitet, sodass ent-
7.2.1 Prüfung des Einzelfalls sprechende Vorgaben einem radikalen Systemwech-
sel gleichkämen, der sich gravierend von den aktuel-
Am 13. Februar 2019 fand eine Anhörung zum Wech- len Lebenswirklichkeiten unterscheidet. Es lassen
selmodell im Bundestag statt (https://www.bundes- sich zwar relevante Veränderungen in den Frauener-
t a g . d e / d o k u m e n t e / t e x t a rc h i v / 2 0 1 9 / k w 0 7 - p a - werbstätigenquoten und den Geschlechterrollenvor-
recht-591622). Sie thematisierte vor allem die Frage, stellungen aufzeigen, dennoch unterscheiden sich die
ob das Wechselmodell als gesetzlich priorisiertes Be- Erwerbsmuster von Müttern und Vätern immer noch
treuungsmodell verankert oder (weiterhin) eine Einzel- deutlich voneinander. Obwohl von einer Trennung und
fallprüfung durchgeführt werden sollte. Für eine Prio- Scheidung ein Impuls für eine egalitäre Aufteilung von
risierung des Wechselmodells könnte sprechen, dass Erziehungs- und Sorgearbeit zwischen den Eltern
die Politik damit ein starkes Signal für eine zukunfts- ausgehen kann, stellt sich die Frage, ob Eltern, die
orientierte Familienpolitik senden und Eltern explizit vormals die Betreuung der Kinder sehr traditionell or-
auffordern würde, auch nach Trennung und Schei- ganisiert haben, in der Lage und beidseitig gewillt
dung gemeinsame Elternverantwortung zu überneh- sind, diesen Wandel im Sinne des Kindeswohls zu
men und die Betreuung der Kinder partnerschaftlich gestalten. Auch können äußere Umstände wie eine
zu organisieren. Die geteilte Betreuung würde zudem höhere Wohndistanz der Eltern der praktischen
ihre Entsprechung im gemeinsamen Sorgerecht fin- Durchführbarkeit einer geteilten Betreuung entgegen-
den, das seit 1998 für Geschiedene den Regelfall dar- stehen. Darüber hinaus muss die Gesetzespraxis be-
stellt. Darüber hinaus würde eine derartige Reform rücksichtigt werden, in der bei einer gesetzlichen
den empirischen Trend zu einer geteilten Betreuung Priorisierung des Wechselmodells Gerichte geneigt
beschleunigen und möglicherweise Impulse setzen, sein könnten, sich auch ohne hinreichende Prüfung
damit Paare bereits vor Trennung und Scheidung eine des Einzelfalls für das Wechselmodell auszusprechen,
partnerschaftliche Betreuung organisieren. Auch wür- auf die Gefahr hin, dass möglicherweise die Interes-
den entsprechende gesetzliche Vorgaben den Forde- sen des Kindes nicht hinreichend Berücksichtigung
rungen der Väterverbände entgegenkommen, die in finden. Die wohlverstandenen Interessen der Kinder
den aktuellen gesetzlichen Regelungen Barrieren se- und das Kindeswohl müssen jedoch – neben der
hen, dass Väter sich hinreichend im Leben ihrer Kin- praktischen Durchführbarkeit eines präferierten Be-
der nach Trennung und Scheidung einbringen kön- treuungsmodells – oberster Maßstab für die Auswahl
nen. eines geeigneten Betreuungsmodells sein.
dass die Betreuung und Erziehung der Kinder durch beide Eltern vor und nach einer Trennung und
Scheidung Ziel einer zukunftsorientierten Familienpolitik sein sollten. Dieses Ziel kann auf unter-
schiedliche Arten und Weisen durch die Politik kommuniziert und durch die Schaffung geeigneter Rah-
menbedingungen verfolgt werden. Allerdings sprechen wir uns gegen eine gesetzliche Verankerung
einer allgemeinen Priorisierung der geteilten Betreuung aus, da wir der Überzeugung sind, dass
eine differenzierte Prüfung des Einzelfalls den Interessen des Kindes in einer Trennungsfamilie am
ehesten gerecht wird. Es ist uns ein großes Anliegen, die geteilte Betreuung im Rechtssystem zu integ-
rieren. Eine Erhebung zur gesetzlichen Standardlösung würde jedoch nur ein starres Modell durch ein
anderes ersetzen. Zudem würde dies den gesellschaftlichen Bedingungen vorauseilen. Geteilte Betreu-
ung muss konkret durchführbar und mit dem Kindeswohl vereinbar sein.
85
7 Fazit und Empfehlungen
86
7 Fazit und Empfehlungen
In diesem Sinne bietet das Stufenmodell nach Auffas- ■ Modell 1 geht von einer durchgängigen Aufteilung
sung des Wissenschaftlichen Beirats eine praktikab- der Betreuungszeiten (Tage beziehungsweise
lere Lösung, da die Sorgearbeit im Rahmen eines Nächte) zwischen beiden Eltern aus, ohne Sonder-
breiten, vorher festgelegten Korridors ausgestaltet regelung für die Schulferien und Wochenenden.
werden kann und gleichzeitig Untergrenzen für eine Entsprechend ist die Anzahl der Tage pro Jahr, die
substanzielle Beteiligung beider Eltern definiert wer- dem jeweiligen Prozentwert entspricht [T], durch
den. Zentrales Ziel eines Stufenmodells ist es, auch 52 (Anzahl der Wochen) geteilt. [T:52]
nicht paritätische Betreuungsanteile eines Elternteils
anzuerkennen und damit Handlungsspielräume zu ■ Modell 2 sieht zusätzlich die genau hälftige Auf-
markieren, die angepasste Lösungen unter Berück- teilung der Schulferientage vor (52 Tage je Eltern-
sichtigung von Bedürfnissen und Interessen der teil) und berechnet für die verbleibende Zeit außer-
Kinder sowie der Möglichkeiten der Eltern eröffnen. halb der Ferien (37 Wochen) die wöchentlichen
Wie wir gezeigt haben, sind vielfältige Kontextbedin- Betreuungstage entsprechend dem jeweiligen An-
gungen zu bedenken, wenn Eltern über ihr Betreu- teil. [(T − 52) : 37]
ungsmodell entscheiden oder im Konfliktfall das
Familiengericht eine Entscheidung treffen muss. Das ■ Modell 3 sieht neben der genau hälftigen Auftei-
Wohlergehen der Kinder muss hierbei an erster Stelle lung der Ferientage vor, dass das Kind außerhalb
stehen. Darüber hinaus soll geteilte Betreuung so aus- der Ferientage jedes zweite Wochenende jeweils
gestaltet werden, dass die Erwerbstätigkeit beider El- zwei Tage/Nächte beim jeweiligen Elternteil ver-
tern unterstützt wird. Dies ist in der Regel nicht ge- bringt (37 Tage). [(T− 52 − 37):37]
währleistet, wenn ein Elternteil nur an Wochenenden
die Betreuung übernimmt. Umso wichtiger ist es, bei ■ Modell 4 sieht neben der genau hälftigen Auftei-
der Festlegung von Grenzen für symmetrische und lung der Ferientage vor, dass das Kind außerhalb
asymmetrische Formen geteilter Betreuung konkrete der Ferientage jedes zweite Wochenende jeweils
Ausgestaltungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. drei Tage/Nächte beim jeweiligen Elternteil ver-
bringt (55,5 Tage). [(T− 52− 55,5):37]
Um einen Überblick über die Bedeutung unterschied-
licher Abstufungen zu gewinnen, haben wir im Fol- Tabelle 6 zeigt, welche Anzahl der Tage/Nächte pro
genden die Anzahl der Wochentage beziehungsweise Woche das Kind bei einem Elternteil entsprechend
Nächte berechnet, die entsprechend dem jeweils vor- dem prozentualen Betreuungsanteil neben den Fe-
gesehenen prozentualen Betreuungsanteil bei einem rien- und Wochenendregelungen verbringt. Hierbei
Elternteil verbracht werden. Uns ist bewusst, dass ein wird ersichtlich, dass ein 30-prozentiger Anteil der
anderer Rhythmus für den Wechsel gewählt werden Betreuung schon durch die hälftige Betreuung wäh-
kann als der Wechsel innerhalb der Woche; wir neh- rend der Ferienzeiten einschließlich einer dreitägigen
men dies jedoch als anschauliche Grundlage für die Betreuung an jedem zweiten Wochenende (Freitag
Berechnungen. Als Betreuungsanteil betrachten wir bis Montag) erreicht wird. Die Betreuung während der
Abstufungen zwischen 30 und 70 Prozent, aus denen Wochentage und an jedem zweiten Wochenende
sich die Anzahl der Betreuungstage beziehungswei- würde bei dieser Regelung ausschließlich in der Ver-
se -nächte pro Jahr ergibt (siehe die Zeilen in Tabel- antwortung des anderen Elternteils liegen. Erst bei
le 6). Hierbei sind vier unterschiedliche Modelle zu- einem Betreuungsanteil von 45 Prozent müsste das
grunde gelegt, die mögliche Sonderregelungen für Kind an mehr als einem Wochentag neben der Hälfte
die Ferien und Wochenenden einbeziehen (siehe die der Ferien und einer dreitägigen Betreuung an jedem
Spalten in Tabelle 6): zweiten Wochenende betreut werden.
87
7 Fazit und Empfehlungen
Anmerkung: Angegeben ist für unterschiedliche Betreuungsanteile (in Prozent, linke Spalte) die jeweilige Anzahl der Tage pro Woche, an denen
im Durchschnitt neben den gesonderten Regelungen für Schulferien (Modell 2–4) und Wochenenden (Modell 3 und 4) die Betreuung des Kindes
beziehungsweise der Kinder übernommen wird. Modell 1 sieht keine Sonderregelung für Ferienzeiten und Wochenenden vor. Die Modelle 2–4
gehen von einer genau hälftigen Aufteilung der Betreuung während der 15 Wochen Schulferien aus (pro Elternteil: 52 Tage/Nächte). Modell 3
und 4 sehen eine abwechselnde Betreuung während der Wochenenden vor, wobei Modell 3 je zwei Tage/Nächte vorsieht (pro Elternteil:
37 Tage/Nächte im Jahr) und Modell 4 je drei Tage/Nächte annimmt (pro Elternteil: 55,5 Tage/Nächte im Jahr). Diese Betreuungszeiten während
der Ferien und Wochenenden sind den angegebenen wöchentlichen Betreuungstagen hinzuzurechnen, um den jeweiligen Betreuungsanteil
(linke Spalte) zu erreichen.
Diese Modellrechnungen sprechen für eine strenge (hälftige Aufteilung der Ferienzeiten und der Wochen-
Auslegung des symmetrischen Wechselmodells im enden mit jeweils zwei Übernachtungen) die Bedin-
Sinne einer 55 : 45-Regelung. Ein symmetrisches gungen für ein asymmetrisches Wechselmodell erfüllt,
Wechselmodell wäre demnach zum Beispiel auch ge- wenn der eine Elternteil unter der Woche einen Tag
geben, wenn sich beide Eltern die Ferienzeiten und die und der andere Elternteil vier Tage betreut. Wir be-
Wochenenden (zum Beispiel Freitag bis Sonntag mit trachten dies als Grenze für das asymmetrische
zwei Übernachtungen) hälftig teilen und ein Elternteil Wechselmodell, da bei dieser Aufteilung im Regelfall
zwei und der andere Elternteil drei der verbleibenden
Wochentage übernähme. Begrenzt man das asymme-
trische Wechselmodell auf eine 67 : 33-Regelung,
so wären unter den letztgenannten Bedingungen
88
7 Fazit und Empfehlungen
die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbstä- allerdings starre Regelungen, da Abweichungen, etwa
tigkeit für beide Eltern schon sehr ungleich ausfällt. bei einer Erkrankung des Kindes, die den Wechsel un-
Je nach Lage der Arbeitszeiten beider Eltern könnte möglich machen, rasch dazu führen können, dass die
dies einer Anerkennung als asymmetrisches Wechsel- asymmetrisch geteilte Betreuung nicht gewährleistet
modell entgegenstehen. Der Vorteil einer 67 : 33-Gren- ist. Flexibilität ist jedoch notwendig, um den Bedürf-
ze wäre auch, dass dies den Regelungen im WoGG nissen der Kinder gerecht zu werden. Am ausgewo-
entspricht, die Grenzen in diesen beiden Systemen gensten ist das Verhältnis der drei Varianten geteilter
also gleich ausfielen beziehungsweise harmonisiert Betreuung – symmetrisch, asymmetrisch mit Schwer-
wären. punkt bei der Mutter oder asymmetrisch mit Schwer-
punkt beim Vater – im letzten Modell, das die Grenzen
Abbildung 7 illustriert das Verhältnis der Betreuungs- symmetrisch geteilter Betreuung bei 55 : 45 ansetzt
zeiten durch beide Eltern in unterschiedlichen Betreu- und asymmetrisch geteilte Betreuung im Verhältnis
ungsmodellen. Hierbei wird anschaulich deutlich, bis zu 67 : 33 bestimmt. Da jede der drei Varianten ge-
dass bei der Wahl der Grenzen für geteilte Betreuung teilter Betreuung mit anderen Implikationen für die
in ihren Abstufungen von symmetrisch und asymmet- Unterhaltszahlungen verbunden ist (siehe Abschnitt
risch geteilter Betreuung unterschiedliche Spielräume 7.2.3), erscheint es auch in dieser Hinsicht angemes-
entstehen. Eine Einstufung symmetrisch geteilter Be- sen, die jeweiligen Spielräume für Variationen inner-
treuung im Verhältnis 60 : 40 ließe eine relativ große halb jeder Variante vergleichbar zu gestalten. In dieser
Variationsbreite faktischer Betreuung zu, während Hinsicht wäre auch das mittlere Modell geeignet, ist
gleichzeitig die beiden Formen asymmetrisch geteilter jedoch angesichts der weit gefassten Grenze asym-
Betreuung – mit häufigerem Aufenthalt bei der Mutter metrisch geteilter Betreuung mit den genannten Prob-
oder beim Vater – enger gefasst wären. Dies gilt selbst lemen zu starker Asymmetrien in den Betreuungsan-
dann, wenn man die Abgrenzung zum Residenzmo- teilen und fehlender Anknüpfungspunkte an andere
dell bei einem Betreuungsverhältnis von 70 : 30 anset- Regelungen verbunden.
zen würde. Entsprechend enge Grenzen begünstigen
Abbildung 7: Anteilige Verteilung des Betreuungsumfangs beider Eltern bei unterschiedlichen Abstufungen des
symmetrischen und asymmetrischen Wechselmodells
in Prozent
Mutter-Residenz Asymmetrisches Symmetrisches Asymmetrisches Vater-Residenz
Wechselmodell Wechselmodell Wechselmodell
89
7 Fazit und Empfehlungen
Der Beirat spricht sich dafür aus, langfristig die Modi in den einzelnen
Systemen zu harmonisieren und ein Stufenmodell einzuführen.
Wir schlagen dabei eine gestufte Definition geteilter Betreuung vor, die sich am Verhältnis der
Betreuungszeiten beider Eltern – im Regelfall an den Übernachtungen des Kindes bei beiden Eltern –
orientiert und gewisse Abweichungen zulässt:
■ lle anderen Fälle mit einem noch stärker asymmetrischen Verhältnis der Betreuungszeiten
A
gelten als Residenzmodell.
Auch wenn Übernachtungen ein einfaches, klares Kriterium für die Einstufung geteilter Betreuung
bieten, sollten diese im Interesse der Kinder nicht zum einzigen Kriterium gemacht werden. Eine
umfangreiche Beteiligung an der Betreuung der Kinder tagsüber kann ebenfalls als Wechselmodell
anerkannt werden, wenn dies zum Beispiel den Bedürfnissen der Kinder am besten entspricht und den
Eltern eine egalitäre Rollenverteilung ermöglicht.
Bei der Bewertung der geteilten Betreuung sollte neben dem rein zeitlichen Verhältnis der Betreu
ungszeiten auch berücksichtigt werden, inwieweit das individuelle Arrangement wirklich geeignet
ist, beiden Eltern auch in anderen wichtigen Bereichen eine egalitäre Arbeitsteilung zu ermögli
chen. Vor allem gilt dies für die Erwerbsmöglichkeiten beider Eltern. Beschränkt ein Elternteil zum Beispiel
seine Betreuungszeiten im Wesentlichen auf die Wochenenden, ohne dass der andere Elternteil zu diesen
Zeiten problemlos einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, so kann das Betreuungsarrangement nicht als
geteilte Betreuung gelten. Entsprechende Absprachen sind in einer verbindlichen Elternvereinbarung zu
verankern, die alle zu regelnden Bereiche umfasst und nach einer geeigneten Beratung unter Berücksich-
tigung des Kindeswohls und der wohlverstandenen Interessen der Kinder von beiden Eltern im Konsens
getroffen wird (siehe hierzu ausführlicher Abschnitt 7.2.5).
Kinder sind altersgerecht an der Entscheidung über das Betreuungsmodell und die Modalitäten
seiner Ausgestaltung zu beteiligen. Sie müssen über die besonderen Anforderungen geteilter Betreu-
ung informiert werden und die Möglichkeit erhalten, im Verlauf ihrer Entwicklung eine Anpassung des
Betreuungsmodells zu erwirken. Hierfür müssen Eltern im Rahmen der Elternvereinbarung (siehe Ab-
schnitt 7.2.5) und in der Beratung (siehe Abschnitt 7.2.6) sowie gegebenenfalls im Rahmen gerichtlicher
Verfahren sensibilisiert werden.
90
7 Fazit und Empfehlungen
91
7 Fazit und Empfehlungen
sich die Verteilung der zweiten Hälfte des Kinder- 6. Die Gewährleistung des Unterhalts für minderjäh-
gelds nach der Barunterhaltspflicht richtet.43 Auch rige Kinder ist mit einer gesteigerten Erwerbsob-
hier kann sich die Summe der prozentualen An- liegenheit der Eltern verbunden (§ 1603 Absatz 2
teile im Bereich des Bar- und des Betreuungs- BGB). Dies gilt bei geteilter Betreuung für beide
unterhalts für beide Eltern unterscheiden, insbe- Elternteile, da beide Eltern für die Betreuung wie
sondere, wenn der höherverdienende Elternteil auch den Barunterhalt des Kindes beziehungswei-
den kleineren Betreuungsanteil übernimmt und se der Kinder sorgen. Ist ein Elternteil nur Teilzeit
entsprechend eine höhere Barunterhaltsverpflich- erwerbstätig, so kann bei der Unterhaltsberech-
tung hat: Nach gegenwärtiger Rechtslage erhielte nung sein fiktives Einkommen bei Vollzeiterwerbs-
er den größeren Anteil des Kindergelds. Diese Lö- tätigkeit zugrunde gelegt werden. Damit entsteht
sung wurde bereits für die symmetrische Betreu- ein starker Druck auf zuvor nur Teilzeit oder gar
ung kritisiert, denn vor allem verlangt sie den Ge- nicht erwerbstätige Eltern, eine Erwerbstätigkeit in
richten bei symmetrisch wie auch asymmetrisch Vollzeit anzunehmen. Ein entsprechender Berufs-
geteilter Betreuung eine aufwendige Berechnung einstieg oder auch nur die Aufstockung von
des Kindergelds ab. Alternativ hierzu lässt sich Arbeitsstunden kann jedoch nicht als übergangs-
eine hälftige Aufteilung des Kindergelds unabhän- los möglich vorausgesetzt werden. Entsprechend
gig von der gewählten Betreuungskonstellation wichtig ist eine Übergangsfrist, die Eltern mit zu-
erwägen, die pauschalierend von einem komple- vor asymmetrischer Arbeitsteilung einen allmähli-
mentären Verhältnis von Betreuungs- und Barun- chen Übergang in geteilte Betreuung ermöglicht,
terhalt ausgeht. Damit würde nicht nur der Ver- ohne auf Unterhaltsanrechte zu verzichten. An-
waltungsaufwand reduziert, sondern die Eltern dernfalls würde dies starke Anreize setzen, sich
müssten auch nicht jede Änderung ihres Einkom- einem solchen Arrangement zu verweigern. Schon
mens oder Betreuungsarrangements der Kinder- jetzt wird in der Rechtsprechung eine Übergangs-
geldstelle kundtun. Eine hohe Barunterhaltspflicht frist eingeräumt, wenn ein Elternteil barunter-
des Kindergelds wird außerdem im Einkommen- haltspflichtig wird, etwa bei einem Residenzwech-
steuerrecht berücksichtigt, wenn die entlastende sel des Kindes,44 aber auch bei einer Ausweitung
Wirkung des Kinderfreibetrags die des Kindergel- der Unterhaltspflicht, wenn von geteilter Betreu-
des übertrifft. Letztlich ist eine Klärung durch den ung zum Residenzmodell übergegangen wird.45
Gesetzgeber wünschenswert, wie das Kindergeld
bei geteilter Betreuung unter den Eltern zu ver- 7. Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen
teilen ist. empfiehlt, analog beim Übergang vom Residenz-
modell zu geteilter Betreuung und auch bei der
5. Offenbleiben muss hier nicht zuletzt, welche Fol- Wahl geteilter Betreuung im Anschluss an eine
gerungen sich für das Sozial- und gegebenenfalls Trennung eine entsprechende Übergangsfrist ein-
Steuerrecht ergeben. Einige zentrale Regelungen zuräumen, insbesondere wenn von einer asym-
familienbezogener Leistungen, die bei geteilter metrischen Erwerbsbeteiligung der Partner in der
Betreuung tangiert sind, wurden in Abschnitt 2.4 bestehenden Partnerschaft zu einer geteilten Be-
angesprochen. Auch hier ist der Gesetzgeber auf- treuung nach der Trennung übergegangen wird.
gefordert, eine Prüfung vorzunehmen. Die Frist sollte in Abhängigkeit von der bisherigen
Erwerbsbiografie und der Arbeitsmarktlage realis-
tisch angesetzt sein.
43 Zur Verteilung der Barunterhaltsverpflichtung bei asymmetrisch geteilter Betreuung siehe Abschnitt 7.2.3.2 f.
44 OLG Brandenburg, FamRZ 13, 1137: Einem Elternteil, der nach Obhutswechsel nunmehr barunterhaltspflichtig ist, ist eine Übergangsfrist
einzuräumen, bevor ihm ein fiktives Einkommen angerechnet werden kann (drei bis sechs Monate). OLG Brandenburg, MDR 13, 856: Die
gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsschuldners besteht regelmäßig bereits ab Beginn seiner Barunterhaltspflicht, spätestens
jedoch nach Ablauf einer Übergangsfrist von wenigen Monaten.
45 OLG Düsseldorf, FamRZ 14, 567: Soweit ein über längere Zeit praktiziertes Wechselmodell scheitert und das unterhaltsberechtigte Kind
ausschließlich von einem Elternteil betreut wird, muss dem danach barunterhaltspflichtigen Elternteil eine längere Übergangszeit zur
Ausweitung der bisherigen teilweisen Erwerbstätigkeit eingeräumt werden (maximal sechs Monate).
92
7 Fazit und Empfehlungen
8. Geteilte Betreuung hat zudem deutliche Konse- Grundsätzlich besteht ein Unterhaltsanspruch des
quenzen für den Ehegatten- beziehungsweise Be- Kindes gegenüber beiden Eltern, wobei im bestehen-
treuungsunterhalt. Nach bisheriger Rechtspre- den Residenzmodell vereinfachend die Betreuungs-
chung entfällt bei (paritätisch) geteilter Betreuung leistungen desjenigen Elternteils, bei dem das Kind
das Anrecht auf Ehegatten- oder Betreuungsunter- lebt, als Beitrag zum Unterhalt betrachtet werden,
halt. Besonders hart dürfte dies Eltern treffen, die während in der Regel nur der andere Elternteil barun-
vor der Trennung oder Scheidung eine ungleiche terhaltspflichtig ist. Bei geteilter Betreuung erbringen
Arbeitsteilung gewählt hatten, so dass ein Eltern- jedoch beide Eltern anteilig Betreuungsleistungen und
teil primär die Familienarbeit mit Haushaltspflich- sind damit auch anteilig barunterhaltspflichtig. Diesem
ten und Kinderbetreuung und -erziehung über- Unterhaltsanspruch werden bei geteilter Betreuung
nommen hatte. Trennt sich ein solches Paar und die Einkommen beider Eltern zugrunde gelegt.
entscheiden sich die Eltern nach der Trennung für
geteilte Betreuung, so verzichtet der zuvor nur in Individuelle statt gemeinsames Einkommen
geringerem Maße oder gar nicht erwerbstätige El- als Ausgangspunkt
ternteil auf den nachehelichen Unterhalt bezie- Im Rahmen der gegenwärtig geltenden Regelung (sie-
hungsweise – bei unverheirateten Eltern – auf den he Anhang 9.2) bemisst sich der Unterhaltsbedarf des
Betreuungsunterhalt, der ihm als betreuender El- Kindes an der Summe der Einkommen der Eltern, an-
ternteil im Residenzmodell zumindest dann zu- hand derer der Unterhaltsbedarf in der Düsseldorfer
stände, wenn das Kind beziehungsweise die Kin- Tabelle ermittelt wird, und umfasst außerdem die in-
der unter drei Jahre alt sind. Auch hier ist eine folge des Wechselmodells entstehenden angemes
Übergangsfrist einzuräumen, die Anrechte des zu- senen Mehrkosten (vergleiche BGH vom 11. Januar
vor in geringerem Maße erwerbstätigen Elternteils 2017, XII ZB 565/15, BGHZ 213, 254–270, Leitsatz 1).
auf Ehegatten- oder Betreuungsunterhalt für einen Bei der Ermittlung der individuellen Unterhaltsver-
gewissen Zeitraum gewährleistet. Dieser Zeitraum pflichtung werden mögliche Unterschiede in der Leis-
sollte so bemessen sein, dass eine berufliche Neu- tungsfähigkeit beider Eltern berücksichtigt, indem
orientierung, gegebenenfalls mit Fort- und Weiter- beide individuellen Nettoeinkommen in Relation zuei-
bildung, möglich ist. Wie auch § 1570 und § 1615I nander gesetzt werden. Je stärker die beiden Einkom-
BGB betonen, sind dabei insbesondere die Belan- men divergieren, desto größer sind auch die Unter-
ge des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten schiede in der individuellen Unterhaltsverpflichtung.
der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Dies gewährleistet, dass ein einkommensschwacher
Elternteil stärker entlastet wird, wenn der andere El-
7.2.3.2 Konkrete Regelungsempfehlung ternteil über ein hohes Einkommen verfügt. Allerdings
Obwohl wir grundsätzlichen Reformbedarf sehen, be- ist es hierbei nicht möglich, die jeweilige Unterhalts-
wegt sich der konkrete Lösungsvorschlag, den wir im verpflichtung am individuellen Einkommen festzuma-
Folgenden präsentieren, im Rahmen des existieren- chen, sondern auch das Einkommen des anderen
den Systems. Wir skizzieren Grundlinien einer mögli- Elternteils ist maßgeblich. Diese Koppelung beider
chen Lösung, die den unterschiedlichen Betreuungs- Einkommenslagen bei der Verteilung der Unterhalts-
anteilen von Eltern im Stufenmodell Rechnung trägt verpflichtungen steht einem Verständnis individueller
und gleichzeitig dazu beiträgt, mögliche Unterschiede Unterhaltsverpflichtungen beider Eltern entgegen.
in den Lebensbedingungen der Kinder in beiden Zudem ist es in dieser Logik nicht angemessen mög-
Haushalten zu mindern. lich, bei divergierenden Einkommenslagen der Eltern
die unterschiedlichen Betreuungsanteile einer asym-
metrisch geteilten Betreuung auch im Unterhalt
abzubilden. Denn: Je weiter die beiden Einkommen
auseinanderliegen, desto stärker divergieren auch die
individuellen Unterhaltsverpflichtungen, sodass die
unterschiedlichen Betreuungsanteile einer asymmet-
risch geteilten Betreuung kaum noch zum Tragen kom-
men können (siehe Modellrechnungen im Anhang).
93
7 Fazit und Empfehlungen
Als Alternative schlagen wir vor, das individuelle Ein- Werte zu nah an den Unterhaltsverpflichtungen bei
kommen jedes Elternteils zum Ausgangspunkt der symmetrisch geteilter Betreuung liegen und sich zu
Bemessung seiner Unterhaltsverpflichtung zu ma- stark vom Kindesunterhalt im Residenzmodell entfer-
chen. Auch hierbei werden Unterschiede in der Leis- nen (siehe Anhang 9.4). Damit entstehen für den im
tungsfähigkeit beider Eltern berücksichtigt, allerdings Residenzmodell betreuenden Elternteil deutlich nega-
ohne dies vom Einkommen des jeweils anderen El- tive Anreize, sich auf eine asymmetrisch geteilte Be-
ternteils abhängig zu machen. Nimmt man vereinfa- treuung zu verständigen. Beiden Fairness-Prinzipien
chend die Düsseldorfer Tabelle als Grundlage, so kann besser entsprochen werden, wenn die jeweiligen
kann anhand des individuellen Nettoeinkommens so- Grenzwerte der Kategorien als Maßstab für die Unter-
wie des Alters und der Anzahl der Kinder die Unter- haltsbemessung zugrunde gelegt werden (hauptbe-
haltsverpflichtung im Residenzmodell ermittelt wer- treuender Elternteil zahlt 33 Prozent; mitbetreuender
den. Teilen sich die Eltern die Betreuung des Kindes Elternteil zahlt 67 Prozent).
(beziehungsweise der Kinder) symmetrisch, so hal-
biert sich für jeden Elternteil die Unterhaltsverpflich- 7.2.3.3 Modellrechnungen
tung. Bei asymmetrisch geteilter Betreuung reduziert Im Folgenden konkretisieren wir diese Empfehlung
sich die Unterhaltsschuld der Eltern entsprechend zu anhand von Modellrechnungen für unterschiedliche
ihrem Betreuungsanteil (siehe Anhang für Beispiel- Fallkonstellationen, jeweils ausgehend von einem
rechnung). Eine solche Lösung erweist sich im Ver- Kind im Alter von acht Jahren und ausgehend von der
gleich zur aktuellen Praxis als transparenter und we- Düsseldorfer Tabelle (2021)46 als Basis für die Ermitt-
niger komplex. Darüber hinaus ist dieser Vorschlag lung der individuellen Barunterhaltsverpflichtungen
mit der Einführung der asymmetrisch geteilten Be- beider Eltern (Abbildung 8). Die nachstehenden Abbil-
treuung kompatibler (siehe Anhang für einen Ver- dungen stellen die resultierenden Geldflüsse anhand
gleich zur aktuellen Praxis). von Modellrechnungen dar, bei denen für die Mutter
ein Nettoeinkommen von 2.000 Euro zugrunde gelegt
Anteilsbemessung bei asymmetrisch ist und das Nettoeinkommen des Vaters zwischen
geteilter Betreuung 1.800 Euro und 5.200 Euro variiert (horizontale Ach-
Während bei symmetrisch geteilter Betreuung die Fest- se). Dargestellt sind die Zahlungen des Vaters an die
legung des jeweiligen Unterhaltsanteils mit 50 Prozent Mutter in Abhängigkeit von seinem Einkommen (im
unstrittig sein dürfte, muss bei der Festlegung des positiven Bereich der horizontalen Achse) bezie-
Unterhaltsanteils bei asymmetrisch geteilter Betreu- hungsweise die Zahlungen der Mutter an den Vater
ung nicht nur der Betreuungsanteil, sondern auch der (im negativen Bereich der horizontalen Achse). Die
Vergleich zum Residenzmodell berücksichtigt wer- unterschiedlichen Linien markieren den jeweiligen
den. Soll die Regelung als gerecht erlebt werden, so Zahlbetrag für das Residenzmodell bei der Mutter
muss eine erkennbare Entsprechung zwischen Be- (rote Linie mit ausgefüllten Kreisen), für asymmetrisch
treuungsanteil und Unterhaltsanteil bestehen. Es muss geteilte Betreuung mit hauptbetreuender Mutter (rote
aber auch eine angemessene Reduktion des Unter- Linie mit leeren Kreisen), für symmetrisch geteilte Be-
halts gegenüber dem Residenzmodell gewahrt blei- treuung (graue Linie mit Dreiecken), für asymmetrisch
ben, das heißt, die Reduktion des Kindesunterhalts geteilte Betreuung mit hauptbetreuendem Vater (blaue
sollte für den hauptbetreuenden Elternteil nicht deut- Linie mit leeren Quadraten) und für das Residenz
lich geringer ausfallen als die Entlastung in der Kinder- modell beim Vater (blaue Linie mit ausgefüllten Quad-
betreuung durch den anderen Elternteil. Auf den ers- raten).
ten Blick könnte man davon ausgehen, dass der
Mittelpunkt im Range der Betreuungsteile (bei 33 bis
44 Prozent Betreuungsanteil: 38 Prozent; bei 56 bis
67 Prozent Betreuungsanteil: 62 Prozent) einen sinn-
vollen Anhaltspunkt für den Unterhaltsanteil des je-
weils anderen Elternteils bietet. Unsere Modellrech-
nungen haben jedoch gezeigt, dass die resultierenden
46 https://www.justiz.nrw/BS/d_tabelle/Duesseldorfer_Tabelle_2021/index.php
94
7 Fazit und Empfehlungen
Abbildung 8: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) an die oder von der Mutter in
unterschiedlichen Betreuungsmodellen in Abhängigkeit vom Nettoeinkommen des Vaters
in Euro
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater.
Wie die Modellrechnungen zeigen, steigen die Unter- des Vaters an als bei symmetrisch geteilter Betreu-
haltsverpflichtungen des Vaters mit dessen Einkom- ung. Sie liegen näher an den Ausgleichszahlungen für
men an, und zwar unabhängig vom Betreuungsmo- symmetrisch geteilte Betreuung als an den Unter-
dell (mit Ausnahme des Residenzmodells beim Vater). haltsverpflichtungen des Vaters beim Residenzmo-
Am stärksten ist der Anstieg, wenn das Kind im Resi- dell. Ist der Vater bei asymmetrisch geteilter Betreu-
denzmodell von der Mutter betreut wird, da in diesem ung der hauptbetreuende Elternteil (33 bis 44 Prozent
Fall nur das Einkommen des Vaters für den Barunter- Mutter, 56 bis 67 Prozent Vater), so leistet die Mutter
halt des Kindes maßgeblich ist. Bei symmetrisch ge- Ausgleichszahlungen an den Vater, die mit dessen
teilter Betreuung steigt die Ausgleichszahlung des Va- steigendem Einkommen geringer ausfallen, da sein
ters an die Mutter schwächer mit dessen Einkommen Zahlbetrag mit dem Einkommen steigt. Lebt das Kind
an, da auch die Unterhaltsverpflichtungen der Mutter beim Vater, hängt der Barunterhalt, den der Vater von
einbezogen sind. Die Ausgleichszahlungen an die der Mutter erhält, nicht von seinem Einkommen ab
hauptbetreuende Mutter bei asymmetrisch geteilter (für weitere Varianten nach unterschiedlichen Einkom-
Betreuung (56 bis 67 Prozent Mutter, 33 bis 44 Pro- menskonstellationen siehe Anhang).
zent Vater) steigen etwas stärker mit dem Einkommen
95
7 Fazit und Empfehlungen
Abbildung 9 vergleicht die Unterhaltsbeträge, die sich Gleichzeitig macht diese Abbildung erneut deutlich,
nach der von uns vorgeschlagenen Berechnung erge- dass sich auf Basis des aktuellen Systems keine hin-
ben („Einzeleinkommen“ in der Abbildung), mit den reichende Differenzierung zwischen symmetrischem
Unterhaltsbeträgen gemäß der Methode, die aktuell und asymmetrischem Betreuungsmodell ergeben
bei der Berechnung zum symmetrischen Wechsel würde. Die Abbildung macht auch deutlich, dass es
modell zugrunde gelegt wird („Partnereinkommen“ in bei der Anwendung des aktuellen Systems auf das
der Abbildung). Die Abbildung macht deutlich, dass asymmetrische Wechselmodell zu wenig nachvoll-
der von uns gemachte Vorschlag mit einer Schlechter ziehbaren Zahlungsflüssen kommen würde. So müss-
stellung für den einkommensschwächeren Elternteil te der hauptbetreuende Elternteil im asymmetrischen
im Vergleich zum Status quo verbunden ist, wenn das Modell Unterhaltsleistungen an den weniger betreu-
symmetrische Betreuungsmodell gewählt wird. enden Elternteil zahlen.
Abbildung 9: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) in Euro an die oder von
der Mutter in unterschiedlichen Betreuungsmodellen
in Euro
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre; Nettoeinkommen der Mutter 2.000 Euro, Vater 3.200 Euro
400
273
207
200 150
34 28
0
−139
−200
−400
−474 −474
−600
Einzeleinkommen Partnereinkommen
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater.
96
7 Fazit und Empfehlungen
■ er Beirat spricht sich dafür aus, den Kindesunterhalt bei geteilter Betreuung als individuelle
D
Unterhaltsverpflichtung beider Eltern anhand des individuellen Nettoeinkommens zu konzipie
ren, zuzüglich eines eventuell bestehenden Mehrbedarfs (siehe Abschnitt 7.2.3.1). Jeder Elternteil
leistet entsprechend seinem Nettoeinkommen und dem vereinbarten Betreuungsanteil Kindesunter-
halt. Hierbei ist ein angemessener, bei geringem Einkommen zumindest aber notwendiger Selbstbehalt
in Rechnung zu stellen. Der Anteil des jeweils geschuldeten Kindesunterhalts folgt dem gewählten
Betreuungsmodell: Bei symmetrisch geteilter Betreuung zahlt jeder Elternteil 50 Prozent der individuel-
len Unterhaltsschuld, wie sie im Residenzmodell gelten würde. Bei asymmetrisch geteilter Betreuung
zahlt der hauptbetreuende Elternteil 33 Prozent der individuellen Unterhaltsschuld und der mitbetreu-
ende Elternteil 67 Prozent seiner individuellen Unterhaltsschuld bezogen auf das Residenzmodell. Im
Residenzmodell erfolgt grundsätzlich keine Kürzung. In Härtefällen müssen im Wege einer Härtefall-
klausel nicht nur im Residenzmodell, sondern auch bei geteilter Betreuung Abweichungen von der
vollen Barunterhaltspflicht ermöglicht werden (vergleiche auch Wohlgemuth, 2014, Seite 84, 87).
■ ls vereinfachende Lösung für die Einberechnung des Wohnmehrbedarfs schlagen wir vor, von
A
einem pauschalen Mehrbedarf in Höhe von 24 Prozent der elterlichen Unterhaltsverpflichtungen
auszugehen. Dies entspricht dem durchschnittlichen Anteil der Kosten für Unterkunft im Mindestunter-
halt (siehe Anhang 9.5). Der individuelle Aufschlag für Wohnmehrbedarf muss sich an der Leistungs-
fähigkeit jedes Elternteils orientieren, sollte aber unabhängig vom Anteil geteilter Betreuung sein, da
Wohnkosten Fixkosten sind (siehe Modellrechnungen im Anhang 9.5).
■ Gleichzeitig ist bei geteilter Betreuung sicherzustellen, dass der Barunterhalt des Kindes in beiden
Haushalten die tatsächlichen Bedarfe des Kindes deckt, das heißt, dass Ausgaben abgestimmt und
die Verantwortung für zum Beispiel die Beschaffung von Kleidung oder gegebenenfalls die Finanzie-
rung von Hobbys oder Nachhilfe geregelt wird. Wir schlagen vor, entsprechende Absprachen der Eltern
in der Elternvereinbarung (siehe Abschnitt 7.2.5) festzuhalten. Bei Bedarf müssen die Absprachen und
deren Festlegung in der Elternvereinbarung angepasst werden.
■ ofern die Eltern sich entschließen, ein Kinderkonto einzurichten, auf dem die Unterhaltszahlungen
S
von beiden Eltern eingezahlt werden und aus dem Gelder zur Deckung von Kinderkosten von beiden
Eltern entnommen werden können, sollten Wohnkosten zuvor direkt zwischen den Eltern ausgeglichen
werden, das heißt, jeder Elternteil übernimmt Wohnkosten entsprechend seiner einkommensbezoge-
nen Einstufung in der Düsseldorfer Tabelle und zahlt diese an den anderen Elternteil (siehe Anhang 9.5).
Ebenso könnten die proportional zum Betreuungsmodell anfallenden Kosten für die Ernährung des
Kindes bei den Eltern verbleiben. Darüber hinaus müssten Wege gefunden werden, wie sich die Eltern
über die Höhe der entnommenen Beträge für Kleidung, Schulbedarf, Hobbys et cetera der Kinder in-
formieren. Der hier skizzierte Bedarf an Absprachen zu kindbezogenen Ausgaben verdeutlicht,
dass geteilte Betreuung eine erhöhte Kooperationsbereitschaft der Eltern voraussetzt.
97
7 Fazit und Empfehlungen
7.2.4 Die Verteilung elterlicher nicht eng verstanden werden. Übertragen auf das
Entscheidungskompetenz Wechselmodell hieße das, dass die Alleinentschei-
dungsbefugnis mit dem wechselnden Aufenthalt des
Die geltenden gesetzlichen Vorgaben zur Ausübung Kindes wechselt und sich die Einflüsse auf das Leben
der gemeinsamen Sorge getrennt lebender Eltern in des Kindes jeweils wechselvoll gestalten. Die Reich-
§ 1687 BGB orientieren sich am Residenzmodell. Eine weite verdeutlicht sich beim Blick auf die Kommentar-
analoge Anwendung auf das Wechselmodell wird literatur zu § 1687 BGB. Danach werden als Angele-
diskutiert. Wie aufgezeigt führt die Regelung des genheiten der Alltagssorge exemplarisch aufgezählt
§ 1687 Absatz 1 BGB schon für die Fälle des Schulalltag einschließlich Teilnahme an Klassenfahrt,
Residenzmodells zu schwierigen Abgrenzungen (dazu Nahrung, Kleidung, Hygiene, Sport, Hobbys, Medien-
Abschnitt 2.1). konsum, Alltagsumgang mit Freunden, Taschengeld
und gewöhnliche medizinische Versorgung bei leich-
Eine schlichte Übertragung der bestehenden gesetz- teren Krankheiten. Je nach lebensweltlicher, konfes-
lichen Differenzierung zwischen Angelegenheiten der sioneller, politischer, pädagogischer oder ähnlicher
Alltagssorge, dann Alleinentscheidungskompetenz, Überzeugung kann es hinsichtlich dieser im Alltag wie-
und Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, derkehrenden Belange zu völlig konträren Entschei-
dann nur im Einvernehmen der Eltern, auf Lebenssitu- dungen der Eltern kommen. Es spricht daher viel da-
ationen im Wechselmodell ist nur schwer vorstellbar. gegen, das Grundkonzept des § 1687 BGB einfach
Im Residenzmodell soll § 1687 BGB die hauptbetreu- auf das Wechselmodell zu übertragen.
ende Person von schwierigen Abstimmungen im All-
tag entlasten. § 1687 Absatz 1 Satz 3 BGB gibt vor, Bis zu einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber
dass eine Angelegenheit des täglichen Lebens in der lässt sich im Wege der Analogie operieren, wobei bei
Regel gegeben ist, wenn sie häufig vorkommt und einer entsprechenden Anwendung der Norm auf das
keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf das Wechselmodell die Leitgedanken der paritätischen
Kind hat. Alltagsangelegenheiten sollen daher gerade Betreuung einfließen können. Dennoch gilt:
Neben einer gesetzlichen Grundlage für die Anordnung des Wechselmodells an sich bedarf es
zugleich einer gesetzlichen Regelung zur Kompetenzverteilung gemeinsam sorgender, getrennt
lebender Eltern. Diese Regelung sollte zudem den verschiedenen Stufen geteilter Betreuung gerecht
werden. Dabei muss sich die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern als grundsätzli-
che Voraussetzung für die Anordnung des Wechselmodells auch in den Vorgaben zur Ausübung der Sor-
ge im Wechselmodell niederschlagen. Es bedarf einer deutlich größeren Abstimmung gerade auch über
Alltagsangelegenheiten. Eine kindeswohlentsprechende Teilung der Betreuung im Wechselmodell wird
maßgeblich davon abhängen, dass die Eltern einvernehmlich – und mit wachsender Reife des Kindes
unter Einschluss dessen Ansichten – bestimmen, was alle Beteiligten im Alltag als Angelegenheit von
erheblicher Bedeutung ansehen.
98
7 Fazit und Empfehlungen
Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung können, wie das Wechselmodell ausgestaltet ist (symmetrisch
bei entsprechender Gewichtung, letztlich auch all die oder asymmetrisch), ergeben sich auch insoweit Ab-
Aspekte sein, die im Alltag wiederkehren und deshalb stufungen. Je stärker der Wechsel der Betreuung den
von einer grundlegenden Entscheidung abhängen, (Schul- und Kita-)Alltag betrifft, umso eher müssen
weil sie in widersprüchlicher Ausführung je nach Auf- Alltagsfragen einvernehmlich abgestimmt werden.
enthalt das Kind in seiner Entwicklung beeinträchti-
gen würden. Die Eltern müssen sich daher zum Bei- 7.2.5 Elternvereinbarung
spiel verständigen, welche Hobbys unterstützt
werden, welche Medieninhalte grundsätzlich (nicht) Zur Stärkung der Elternautonomie bietet es sich an,
konsumiert werden sollen, möglicherweise auch wel- eine verbindliche Elternvereinbarung vorzusehen, die
che Ernährungsweisen gepflegt werden (Mischkost, von den Eltern bei der Trennung möglichst gut infor-
vegetarische oder vegane Kost) und so weiter. Wirken miert und möglichst eigenständig getroffen wird. Um
sich die Entscheidungen auch finanziell aus, hängen zu vermeiden, dass Lösungen in einem Bereich (etwa
sie auch von der jeweiligen Finanzkraft der Eltern ab. bezüglich des Betreuungsmodells) durch ungelöste
Konflikte in einem anderen Bereich (zum Beispiel
Eine spezielle Regelung zur Sorgerechtsausübung im Unterhaltszahlungen oder konkreter Naturalunterhalt)
Wechselmodell muss deutlich stärker als bisher infrage gestellt werden, sollten diese Elternvereinba-
§ 1687 BGB für das Residenzmodell das elterliche rungen alle relevanten Regelungsbereiche umfassen,
Einvernehmen als Leitprinzip herausstellen. Die Ab- also neben der Festlegung des konkreten individuellen
grenzung zwischen einvernehmlicher und alleiniger Betreuungsmodells auch die Vereinbarungen zum
Entscheidung darf sich nicht an der Häufigkeit der An- Kindesunterhalt (sowie gegebenenfalls des nacheheli-
gelegenheit bemessen. Es muss vielmehr gerade da- chen Gattenunterhalts beziehungsweise des Betreu-
rum gehen, dass die jeweiligen Alltagsentscheidun- ungsunterhalts für nicht eheliche Lebensgemeinschaf-
gen das Kind insgesamt in seiner Entwicklung nicht ten). Von zentraler Bedeutung ist hierbei die
beeinträchtigen. Unterschiede im Erziehungsverhal- Gewährleistung des Kindeswohls. Um eine dem
ten sind damit nicht per se schlecht, und förmliche Kindeswohl und den wohlverstandenen Interessen
Übereinstimmung ist nicht per se gut. Wird aber das der Kinder zuträgliche Lösung zu unterstützen, sind
Kind beispielsweise mit diametral konträren Ernäh- Eltern auf Informationen angewiesen, die allen Eltern
rungsweisen oder Konsumgewohnheiten überfordert in Trennungsfamilien verbindlich zugänglich gemacht
oder damit gegen den anderen Elternteil instrumenta- werden müssen. Wie in Abschnitt 5 dargestellt, sind
lisiert, dann handelt es sich auch bei der täglichen Er- hierbei vielfältige Aspekte der familialen Situation und
nährung oder bei der Verwendung von Taschengeld der individuellen kindlichen Ausgangslage zu prüfen.
um eine grundlegende Angelegenheit. Je nachdem,
99
7 Fazit und Empfehlungen
Der Wissenschaftliche Beirat spricht sich dafür aus, das Prinzip verbindlicher
Elternvereinbarungen im Fall einer Trennung oder Scheidung im Rahmen eines
Modellversuchs einzuführen.
Diese Elternvereinbarungen sollen alle relevanten Regelungsbereiche umfassen und aufeinander abstim-
men. Kinder sind altersgemäß und unter Berücksichtigung ihrer besonderen Position in einem möglichen
Elternkonflikt an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Um allzu starre Festlegungen zu ver-
meiden, soll die Elternvereinbarung Hinweise auf erwartbare Anpassungsbedarfe an veränderte Rahmen-
bedingungen, insbesondere auf (zum Beispiel entwicklungsbedingt) veränderte Bedarfe der Kinder, ent-
halten und die Eltern auf entsprechend mögliche Anpassungen vorbereiten.
Um auch unverheiratete Eltern nach einer Trennung zu erreichen und für den Abschluss einer Elternver-
einbarung zu gewinnen, sind niederschwellige Informationsangebote, auch online, erforderlich.
Zur Gewährleistung kindgerechter Lösungen soll den Eltern ein Rechtsanspruch eingeräumt werden,
eine Beratung zu nutzen, in deren Rahmen relevante Ausgangsbedingungen für die Entscheidung über
das Betreuungsmodell geprüft und bewertet werden. Hierfür müssen die erforderlichen Kapazitäten er-
mittelt werden, und entsprechend qualifiziertes Personal, das sowohl zu finanziellen Fragen, insbesonde-
re zum Kindesunterhalt, als auch zu Fragen der Beziehungsgestaltung und zum Betreuungsmodell unter
Einbeziehung individueller Bedürfnisse und Interessen der Kinder beraten kann, muss geschult und be-
reitgestellt werden (siehe auch Abschnitt 7.2.6).
Als Orientierung für Eltern, Fachkräfte der Beratung, psychologische Sachverständige und Richterinnen
und Richter soll ein Kriterienkatalog entwickelt werden, der Entscheidungen über das Betreuungsmodell
zugrunde gelegt werden kann. Hierfür empfehlen wir die Einsetzung einer Expertengruppe, die im Kon-
sensverfahren diesen Kriterienkatalog entwickelt und erproben lässt.
Dieses Prinzip der Elternvereinbarung soll in einem Modellversuch hinsichtlich seiner Voraussetzungen in
der Fachpraxis, seiner Akzeptanz seitens der Eltern, Kinder und Fachkräfte sowie seiner Wirkung auf den
Elternkonsens und die Dauerhaftigkeit der getroffenen Vereinbarung evaluiert werden. Auf Basis der Be-
funde kann entschieden werden, inwieweit eine begleitende Beratung verbindlich gemacht wird.
7.2.6 Mediation und Beratung derliches Familienklima zu schaffen. Ihnen kommt da-
mit wesentliche Bedeutung bei der Verringerung so-
Eine Trennung oder Scheidung von Eltern ist mit ho- wohl persönlicher als auch gesamtgesellschaftlicher
hen individuellen und gesamtgesellschaftlichen Kos- Kosten zu. Die Erkenntnislage zur entscheidenden
ten verbunden (Andreß et al., 2003; Scafidi, 2008; Frage, welche Angebote für welche Zielgruppen wirk-
Schramm, 2006; Schramm et al., 2013). Angebote der same Entlastung verschaffen, ist jedoch mehr als be-
Elternbildung und -beratung sowie Mediation sollen grenzt. Auch gezielte Initiativen zur Prävention proble-
dazu dienen, die Konfliktlösungen und Trennungsbe- matischer Entwicklungen in Partnerschaften, also zur
wältigung zu unterstützen, individuelle Belastungen Unterstützung und Stabilisierung von Partnerschafts-
zu vermindern und ein auch für betroffene Kinder för- beziehungen, fehlen.
100
7 Fazit und Empfehlungen
Der Prävention von hochkonflikthaften Trennungen hohem Maße Ressourcen der Gerichte und Bera-
muss besonderes Gewicht beigemessen werden, da tungsdienste belasten. Die gezielte, auch empirische
die fortgesetzten Konflikte zumeist mit starken emo- Forschung zur Wirksamkeit unterschiedlicher Inter-
tionalen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen ventionsstrategien steht in Deutschland noch aus.
aufseiten der Eltern und Kinder verbunden sind und in
Der Wissenschaftliche Beirat spricht sich für die bundesweite Etablierung eines
gestuften Angebots für Eltern in der Klärungsphase vor einer Trennung und für getrennte
Eltern mit unterschiedlichem Konfliktniveau aus.
Neben Beratung sollen hierbei auch unterschiedliche Formate der Elternbildung und Mediation in ein
integriertes Konzept eingebunden werden, auf dessen Elemente gerichtliche Auflagen im Einvernehmen
mit einer Beratungsinstitution Bezug nehmen können. Ein solches gestuftes Angebot sollte folgende Ele-
mente umfassen:
■ erbindliche Informationsangebote für alle (rechtlichen und sozialen) Eltern mit Trennungsabsicht zu
V
juristischen und finanziellen Fragen sowie zu Möglichkeiten der Ausgestaltung gemeinsamer Sorge
(geteilte Betreuung versus Residenzmodell)
■ Beratung zur verbindlichen Elternvereinbarung mit den Bereichen Betreuung/Umgang und Unterhalt
■ lternkurse für Eltern in Trennung zur Stärkung von Elternkompetenzen in der Trennungssituation und
E
zum Abbau von Konfliktpotenzial
Entsprechende Teams müssen multiprofessionell zusammengesetzt und in der Einbeziehung von Kin-
dern wie auch der Klärung von Unterhaltsfragen und des Anspruchsausgleichs geschult sein. Entspre-
chende Qualifikationsangebote des Fachpersonals sollen im Rahmen einer Bundesinitiative staatlich
finanziert entwickelt und implementiert werden. Die Qualität der Angebote soll durch Supervision und
Evaluation gesichert werden.
Insbesondere Beratungs- und Gruppenangebote für Kinder müssen vermehrt vorgehalten, evidenzba-
siert weiterentwickelt und niederschwellig zugänglich gemacht werden. Hierfür ist es entscheidend, den
eigenen Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe (ver-
gleiche § 8 Absatz 3 SGB VIII) zu stärken und – wie es in der Reform des SGB VIII vorgesehen ist – zu
erweitern.
101
7 Fazit und Empfehlungen
102
7 Fazit und Empfehlungen
7.2.8 Evaluation und Forschungsbedarf Rechts- und Beratungspraxis von hoher Bedeutung,
die Einführung verbindlicher Elternvereinbarungen in
Neben einer verbesserten Datenlage zu Trennungsfa- einem Modellprojekt intensiv zu evaluieren. Auch prä-
milien ist es von zentraler Bedeutung, die absehbaren ventive Angebote und Interventionen zur Verbesse-
Änderungen in der Betreuungspraxis von Eltern durch rung der Situation von Trennungsfamilien bedürfen
Trendbeobachtung zu verfolgen und sie insbesonde- einer intensiveren Evaluation, um Erkenntnisse über
re hinsichtlich ihrer Bedeutung für Eltern und Kinder ihren Zugang zu den Zielgruppen zu gewinnen und
zu untersuchen. Hierzu bedarf es groß angelegter die Angebote weiterentwickeln zu können. Bislang ist
Studien, die repräsentative Stichproben von Tren- die Datenbasis zur Wirksamkeit von Interventionen im
nungsfamilien im Zeitverlauf längsschnittlich untersu- Rahmen der Scheidungs- und Trennungsberatung in
chen und in regelmäßigen Abständen neue Tren- der Bundesrepublik Deutschland außerordentlich be-
nungskohorten hinzuziehen, um Zeitwandeleffekte grenzt. Entsprechend empfehlen wir ein breit ange-
identifizieren zu können. Darüber hinaus ist es für die legtes interdisziplinäres Forschungsprogramm:
1. Wir empfehlen die Förderung einer umfangreichen Langzeitbeobachtung von Kern- und Tren-
nungsfamilien, die auf Basis einer tragfähigen Stichprobe die Betreuungspraxis, Familiendynamik, öko-
nomische Situation und das Wohlergehen beider Eltern und der Kinder im Längsschnitt erfasst.
2. Wir empfehlen die Durchführung einer Evaluationsstudie, in der die Praxis verbindlicher Eltern-
vereinbarungen untersucht und deren Effekte auf die Tragfähigkeit der getroffenen Vereinbarungen
und die Akzeptanz der Lösungen seitens der Familienmitglieder in einem Kontrollgruppendesign
geprüft werden.
103
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116
8 Literatur
117
9 Anhang
9 ANHANG
9.1 Berechnungen des Kindes ■ Im ersten Schritt wird auf Basis der Einzeleinkommen
unterhalts für unterschiedliche bestimmt, wie hoch die Unterhaltsverpflichtung jedes
Elternteils ausfiele, wenn der jeweils andere Elternteil
Einkommenskonstellationen die volle Betreuung des Kindes übernähme (Resi-
denzmodell). Auf Basis der Düsseldorfer Tabelle aus
Wie in Abschnitt 7.2.3 dieses Gutachtens dargestellt, dem Jahr 2021 lässt sich eine Unterhaltsverpflichtung
wird in der von uns vorgeschlagenen Lösung die Höhe des Vaters von 614 Euro bei voller Kindesbetreuung
des Kindesunterhalts auf der Basis der Einzeleinkom- durch die Mutter und eine Unterhaltsverpflichtung der
men beider Eltern gemäß der Düsseldorfer Tabelle Mutter von 474 Euro bei voller Kindesbetreuung durch
(2021) ermittelt. Da geteilte Betreuung erhöhte Kosten den Vater ablesen.47
für das Kind verursachen kann (zum Beispiel Wohnkos-
ten in der zweiten Wohnung, Fahrtkosten zwischen den ■ Im nächsten Schritt wird die Leistungsfähigkeit der
elterlichen Haushalten), sollte ein bestehender Mehrbe- Eltern berechnet, indem das Nettoeinkommen nach
darf dem Regelunterhalt hinzuberechnet werden. Wir Selbstbehalt berechnet wird. Das Nettoeinkommen
beziehen diesen in den folgenden vereinfachten Be- wird in den nachfolgenden Modellrechnungen je-
rechnungen jedoch nicht ein. Unberücksichtigt bleibt weils um den notwendigen Selbstbehalt von 1.160
auch die Verrechnung des Kindergelds. Euro gemindert. Für den Vater resultiert ein Betrag
von 2.840 Euro, für die Mutter von 840 Euro. Beide
Tabelle A1 stellt die Berechnungsschritte an einem fik- Eltern sind voll leistungsfähig, das heißt, der Zahl-
tiven Beispiel für ein Elternpaar mit einem Kind im Alter betrag laut Düsseldorfer Tabelle übersteigt den
von acht Jahren dar, wobei die Mutter 2.000 Euro netto Selbstbehalt.
und der Vater 4.000 Euro netto verdient.
Tabelle A1: Nettoeinkommen der Eltern vor und nach Selbstbehalt und Unterhaltszahlungen im Residenzmodell
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
Männer Frauen
118
9 Anhang
In den nächsten Rechenschritten wird der Betreuungs- ■ Beim asymmetrischen Modell mit hauptbetreuen-
umfang berücksichtigt, der die Unterhaltsschuld des der Mutter reduziert sich die Unterhaltsschuld des
jeweiligen Elternteils reduziert (Tabelle A2): Vaters um 33 Prozent und die der Mutter um
67 Prozent.48 Für den Vater ergibt sich ein Wert von
■ Bei symmetrisch geteilter Betreuung wird davon 411 Euro. Für die Mutter ergibt sich ein Wert von
ausgegangen, dass beide Eltern hälftig für die Be- 156 Euro. Diese beiden Werte werden gegeneinan-
treuung aufkommen. Sie können ihre Unterhalts- der verrechnet (411 Euro minus 156 Euro), woraus
schuld um 50 Prozent reduzieren, da sie den sich eine Differenz von 255 Euro ergibt, die der Va-
hälftigen „Bedarf“ des Kindes durch ihre Betreu- ter der Mutter schuldet.
ungsleistung abdecken. Für den Vater ergibt sich
ein Wert von 307 Euro. Für die Mutter ergibt sich
ein Wert von 237 Euro. Diese beiden Werte wer
den gegeneinander verrechnet (307 Euro minus
237 Euro), woraus sich eine Differenz von 70 Euro
ergibt, die der Vater der Mutter schuldet.
Tabelle A2: Unterhaltsbetrag bei symmetrisch und asymmetrisch geteilter Betreuung auf
Basis des individuellen Nettoeinkommens der Eltern
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
Symmetrisch Asymmetrisch
Vater: 50 Prozent Vater: 33 Prozent
Mutter: 50 Prozent Mutter: 67 Prozent
Ausgangswerte im Residenzmodell
48 Bei symmetrisch geteilter Betreuung übernimmt ein Elternteil zwischen 44 Prozent und 33 Prozent und der andere zwischen
56 Prozent und 67 Prozent der Betreuungsleistungen (siehe Abschnitt 7.2.2).
119
9 Anhang
Abbildung A1 stellt die Zahlbeträge an die beziehungs- Unterhaltszahlungen reduzieren sich entsprechend
weise von der Mutter in Abhängigkeit vom Nettoein- den Betreuungsleistungen. Damit ergeben sich klare
kommen des Vaters für das fiktive Beispiel dar (Netto- und einfach nachvollziehbare monetäre Anreize, sich
einkommen Mutter pro Monat 2.000 Euro, ein Kind, für eine geteilte Betreuung zu entscheiden. Der Nach-
acht Jahre) und geht hierbei vom selben Rechenmo- teil dieses Modells ist, dass sich bei der paritätischen
dus wie in Tabelle A1 und A2 aus. Die Abbildung ver- Betreuung nur geringfügige Ausgleichsbeträge erge-
weist auf die Vor- und Nachteile dieses Vorschlags. Die ben, auch wenn beide Elternteile deutlich unterschied-
Abbildung A1: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) in Euro an die oder von der Mutter
in unterschiedlichen Betreuungsmodellen in Abhängigkeit vom Nettoeinkommen des Vaters
in Euro
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
120
9 Anhang
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater. Die Berechnungen
basieren auf der Düsseldorfer Tabelle 2021, https://www.unterhalt.com.de/duesseldorfer-tabelle-2021/. (Download 6. März 2021).
lich leistungsstark sind. Selbst wenn das Nettoeinkom- deutet ein Wechsel von „Vater-Residenz“ zu „asymme-
men des Vaters doppelt so hoch ausfällt wie das der trischer Betreuung Vater 67 Prozent“, dass der Vater
Mutter, kann es sein, dass diese nur einen geringfü den Unterhaltsanspruch fast komplett verliert, wenn er
gigen Ausgleichsbetrag erhält (siehe im Beispiel in ein sehr hohes (5.000 Euro) und die Mutter ein niedriges
Tabelle A2). Zudem zeigt die Modellrechnung, dass Einkommen erzielt (2.000 Euro), obwohl er weiterhin die
die ökonomischen Anreize, das Betreuungsmodell Mehrheit der Betreuungsleistungen übernimmt.
zu wechseln, für unterschiedliche Einkommenskonstel-
lationen sehr verschieden ausfallen. Beispielsweise be-
121
9 Anhang
9.2 Berechnungen des ■ Im ersten Schritt werden die Einkommen der Eltern
Kindesunterhalts analog zur summiert. In unseren Beispielen ergibt sich für die
Eltern ein Gesamteinkommen von 6.000 Euro
aktuell praktizierten Unterhalts (4.000 + 2.000 Euro). Auf Basis der Düsseldorfer Ta-
berechnung bei symmetrisch belle aus dem Jahr 2021 lässt sich ein „Bedarf des
geteilter Betreuung Kindes laut Düsseldorfer Tabelle (DT)“ von 794 Euro
ablesen.49
Die Höhe des Kindesunterhalts wird im aktuell prakti- ■ Im nächsten Schritt wird die Leistungsfähigkeit er-
zierten Berechnungsmodell zunächst auf der Basis mittelt, indem das Nettoeinkommen nach Selbst-
der Summe beider Elterneinkommen gemäß der Düs- behalt berechnet wird. Das Nettoeinkommen wird
seldorfer Tabelle (2021) ermittelt. Im nächsten Schritt jeweils um den notwendigen Selbstbehalt von
wird die jeweilige Leistungsfähigkeit der Eltern be- 1.160 Euro gemindert. Für den Vater resultiert ein
rechnet. Hierzu wird von ihrem individuellen Netto- Betrag von 2.840 Euro, für die Mutter von 840 Euro
einkommen der Eigenbedarf (Selbstbehalt) abgezo- (Summe: 3.680 Euro).
gen. Im nächsten Schritt werden die Haftungsquoten
beider Eltern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit ■ Anschließend wird die Haftungsquote jedes Eltern-
berechnet. Diese Quoten geben an, welchen Anteil teils berechnet. Sie bemisst sich als Anteil des indi-
des zuvor ermittelten Kindesunterhalts der jeweilige viduellen Nettoeinkommens am Gesamtnettoein-
Elternteil am gesamten „Bedarf des Kindes laut Düs- kommen beider Eltern (jeweils bereinigt um den
seldorfer Tabelle (DT)“ zu übernehmen hat. Die obers- Selbstbehalt). Die Haftungsquote des Vaters ergibt
te Einkommensklasse der Düsseldorfer Tabelle aus sich aus der Division des väterlichen Nettoeinkom-
dem Jahr 2021 umfasst 5.101 bis 5.500 Euro. Durch mens nach Abzug des Selbstbehalts (2.840 Euro)
die Zusammenlegung der elterlichen Einkommen in durch die Summe beider Nettoeinkommen nach
dieser Berechnungsvariante können höhere Einkom- Abzug des Selbstbehalts (3.680 Euro), in diesem
men erzielt werden, als in der Düsseldorfer Tabelle Fall also 77,2 Prozent. Analog wird die Haftungs-
abgedeckt sind. Aus diesem Grund muss die Düs quote für die Mutter berechnet (22,8 Prozent).
seldorfer Tabelle für obere Einkommensklassen fort
geschrieben werden. Für unsere Modellrechnungen ■ Im nächsten Schritt wird die Leistungsfähigkeit er-
haben wir dies analog zu den bisherigen Unterhalts- mittelt, indem das Nettoeinkommen nach Selbst-
steigerungen (+36 Euro) mit steigendem Einkommen behalt berechnet wird. Das Nettoeinkommen wird
(in Schritten von 400 Euro) wie folgt vorgenommen: jeweils um den notwendigen Selbstbehalt von
1.160 Euro gemindert. Für den Vater resultiert ein
■ 5.501 bis 5.900 Euro: 758 Euro Betrag von 2.840 Euro, für die Mutter von 840 Euro
■ 5.901 bis 6.300 Euro: 794 Euro (Summe: 3.680 Euro).
■ 6.301 bis 6.700 Euro: 830 Euro
■ 6.301 bis 6.700 Euro: 830 Euro ■ Anschließend wird die Haftungsquote jedes Eltern-
■ 6.701 bis 7.100 Euro: 866 Euro teils berechnet. Sie bemisst sich als Anteil des indi-
■ 7.101 bis 7.500 Euro: 902 Euro viduellen Nettoeinkommens am Gesamtnettoein-
■ et cetera kommen beider Eltern (jeweils bereinigt um den
Selbstbehalt). Die Haftungsquote des Vaters ergibt
Tabelle A3 stellt die Berechnungsschritte an einem sich aus der Division des väterlichen Nettoeinkom-
fiktiven Beispiel für ein Elternpaar mit einem Kind im mens nach Abzug des Selbstbehalts (2.840 Euro)
Alter von acht Jahren dar, wobei die Mutter 2.000 durch die Summe beider Nettoeinkommen nach
Euro netto und der Vater 4.000 Euro netto verdient. Abzug des Selbstbehalts (3.680 Euro), in diesem
Fall also 77,2 Prozent. Analog wird die Haftungs-
quote für die Mutter berechnet (22,8 Prozent).
122
9 Anhang
Tabelle A3: Ermittlung des Barunterhaltsbedarfs des Kindes bei geteilter Betreuung
auf Basis des Gesamteinkommens der Eltern
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
Nettoeinkommen nach Selbstbehalt (1.160 Euro) 2.840 Euro 840 Euro 3.680 Euro
Im nächsten Schritt wird der zu zahlende Bar ■ Beim asymmetrischen Modell, bei dem der Vater
unterhalt berechnet, indem der Betreuungsumfang mindestens 33 Prozent und die Mutter maximal
einbezogen wird: 67 Prozent der Betreuungsleistungen übernimmt,
reduziert sich die Unterhaltsschuld des Vaters um
■ Bei symmetrisch geteilter Betreuung wird davon 33 Prozent und die der Mutter um 67 Prozent. Für
ausgegangen, dass beide Eltern hälftig für die Be- den Vater ergibt sich ein Wert von 411 Euro. Für die
treuung aufkommen, wodurch sich die Unterhalts- Mutter ergibt sich ein Wert von 60 Euro. Diese bei-
schuld gegenüber dem jeweils anderen Elternteil den Werte werden gegeneinander verrechnet
um 50 Prozent für jeden Elternteil reduziert. Für den (411 Euro minus 60 Euro), woraus sich eine Diffe-
Vater ergibt sich ein Wert von 307 Euro. Für die Mut- renz von 351 Euro ergibt, die der Vater der Mutter
ter ergibt sich ein Wert von 91 Euro. Diese beiden schuldet.50
Werte werden gegeneinander verrechnet (307 Euro
minus 91 Euro), woraus sich eine Differenz von 216 ■ Beim asymmetrischen Modell, bei dem der Vater
Euro ergibt, die der Vater der Mutter schuldet. mindestens 33 Prozent und die Mutter maximal
67 Prozent der Betreuungsleistungen übernimmt,
reduziert sich die Unterhaltsschuld des Vaters um
33 Prozent und die der Mutter um 67 Prozent. Für
50 Als alternative Berechnung mit gleichem Ergebnis wird der Differenzbetrag zwischen beiden Haftungsbeträgen der Eltern berechnet
(613 – 181 Euro = 432 Euro) und zwischen den Eltern ausgeglichen, das heißt, der Elternteil mit der höheren Unterhaltsverpflichtung
zahlt die Hälfte des Differenzbetrags an den Elternteil mit geringerer Unterhaltsverpflichtung.
123
9 Anhang
den Vater ergibt sich ein Wert von 411 Euro. Für
die Mutter ergibt sich ein Wert von 60 Euro. Diese
beiden Werte werden gegeneinander verrechnet
(411 Euro minus 60 Euro), woraus sich eine Diffe-
renz von 351 Euro ergibt, die der Vater der Mutter
schuldet.
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
Symmetrisch Asymmetrisch
Vater: 50 Prozent Vater: 33 Prozent
Mutter: 50 Prozent Mutter: 67 Prozent
Anmerkung: HQ: Haftungsquote des jeweiligen Elternteils; DT: Wert laut Düsseldorfer Tabelle.
Abbildung A2 stellt die Zahlbeträge an die bezie- stehende Praxis beibehalten wird. Zudem macht die
hungsweise von der Mutter in Abhängigkeit vom Net- Abbildung deutlich, dass sich bei dieser Berech-
toeinkommen des Vaters für das fiktive Beispiel dar nungsmethode in unserem Beispiel schwer nachvoll-
(Nettoeinkommen Mutter pro Monat 2.000 Euro, ziehbare Unterschiede zwischen dem „Residenzmo-
ein Kind, acht Jahre) und geht hierbei vom selben Re- dell beim Vater“ und dem Modell „asymmetrisch
chenmodus wie in Tabelle A3 und A4 aus. Die Abbil- geteilter Betreuung mit hauptbetreuendem Vater“ er-
dung macht deutlich, dass die bestehende Praxis, geben. In dem gegebenen Beispiel (Nettoeinkommen
mit der derzeit der Unterhalt bei paritätischer Betreu- Mutter pro Monat 2.000 Euro, ein Kind, acht Jahre) er-
ung berechnet wird, sich nicht einfach ausdehnen hält der Vater 474 Euro von der Mutter, falls das Kind
lässt, um das Stufenmodell zu integrieren. Abstufun- nur bei ihm lebt, unabhängig von seinem Einkommen.
gen zwischen symmetrischer und paritätischer Be- Wechselt er den Betreuungsmodus, so reduziert sich
treuung würden sich kaum ergeben, wenn die be- der Unterhalt, den die Mutter zu leisten hat, wobei der
124
9 Anhang
Rückgang für die Väter höherer Einkommensklassen Betreuungsleistungen übernimmt, ist der Vater in die-
besonders stark ausfällt. Verdient der Vater beispiels- ser Variante Nettozahler. Gleiches gilt umgekehrt,
weise 4.800 Euro und übernimmt die Mutter 33 Pro- wenn der Vater 2.000 Euro und die Mutter 4.800 Euro
zent der Betreuung, muss der Vater in dieser Variante verdient. Ist die Mutter in dieser Einkommenskonstel-
an die Mutter einen Ausgleichsbetrag von 123 Euro lation der hauptbetreuende Elternteil, hat sie eine
zahlen. Das heißt, obwohl er die große Mehrheit der Unterhaltsschuld von 123 Euro an den Vater zu zahlen.
Abbildung A2: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) in Euro an die oder von der Mutter
nach Einkommen des Vaters im Berechnungsmodell nach Summe der Einkommen der Eltern
in Euro
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater.
125
9 Anhang
9.3 Vergleich der Berech einkommen ergeben (vergleiche Anhang 9.2). Das von
nungsmodelle auf Basis der uns im Gutachten vorgestellte Modell – ausgehend
von den individuellen Einkommenslagen beider Eltern
Einzeleinkommen der Eltern – ist gestrichelt eingezeichnet. Die Abbildung zeigt,
und auf Basis der Summe der dass bei dem von uns vorgeschlagenen Modell die
Einkommen beider Eltern Ausgleichszahlungen bei symmetrisch geteilter Be-
treuung vergleichsweise moderat ausfallen werden
und bei großen Einkommensdifferenzen der Partner
Abbildung A3 vergleicht die beiden oben beschriebe- unter den Zahlbeträgen entsprechend der gegenwär-
nen Modelle. Die durchgezogenen Linien geben die tigen Praxis bleiben.
Werte an, die sich auf Basis der Summe beider Eltern-
Abbildung A3: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) in Euro an die oder von der Mutter
nach Einkommen des Vaters; Vergleich des Berechnungsmodells „nach Einzeleinkommen der Eltern“
und „nach Einzeleinkommen“
in Euro
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater.
126
9 Anhang
Abbildung A4: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) in Euro an die oder von der Mutter
nach Einkommen des Vaters im Berechnungsmodell nach Einzeleinkommen der Eltern und anteiliger
Minderung um 38 Prozent beziehungsweise 62 Prozent bei asymmetrisch geteilter Betreuung
in Euro
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater.
127
9 Anhang
51 Der Anteil der Wohnkosten an dem Barunterhalt für Kinder unterschiedlichen Alters variiert leicht, da der laufende Lebensbedarf mit
dem Alter der Kinder steigt, die Wohnkosten jedoch konstant bleiben. Für Kinder bis sechs Jahre machen die Wohnkosten 26,6 Prozent
des Barunterhalts aus, für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren hingegen 21,2 Prozent. Für unser Beispiel eines achtjährigen Kindes
betragen die Wohnkosten 24,3 Prozent des Barunterhalts. Vereinfachend legen wir hier 24 Prozent für Wohnkosten zugrunde.
128
9 Anhang
Tabelle A5: Unterhaltsbetrag bei symmetrisch und asymmetrisch geteilter Betreuung auf
Basis des individuellen Nettoeinkommens der Eltern mit Wohnmehrbedarf
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
Ausgangswerte im Residenzmodell
Symmetrisch Asymmetrisch
geteilte Betreuung geteilte Betreuung
Vater: 50 Prozent Vater: 33 Prozent
Mutter: 50 Prozent Mutter: 67 Prozent
Anmerkung: DTOW: Wert laut Düsseldorfer Tabelle ohne Wohnkosten; DTW: Wohnkosten als 24 Prozent des Werts der Düsseldorfer Tabelle.
129
9 Anhang
Abbildung A5 stellt die Wirkungsweise des Modells gleich ungleicher Einkommenslagen beim symmetri-
dar, das den Wohnmehrbedarf als prozentuale Fix- schen Modell gewährleistet wird. Auf der anderen Sei-
kosten berücksichtigt. Da die Fixkosten unabhängig te fällt der Ausgleich beim asymmetrischen Modell
vom Betreuungsvolumen veranschlagt werden, be- etwas schwächer aus als in unserer Ausgangsberech-
deutet die Einbeziehung des Wohnmehrbedarfs, dass nung und der Übergang vom Residenzmodell zu
sich die Unterhaltswerte bei symmetrisch und asym- asymmetrisch geteilter Betreuung ist beim Einbezug
metrisch geteilter Betreuung weniger stark unter- des Wohnmehrbedarfs mit deutlicheren Einschnitten
scheiden als im Ursprungsmodell (Abbildung 1). Auf im Unterhalt verbunden. Dies zeigt auch ein Vergleich
der einen Seite bewirkt die Berücksichtigung des von Tabelle A2 und A5.
Wohnmehrbedarfs, dass ein etwas stärkerer Aus-
Abbildung A5: Unterhaltsbeträge nach der DT (ohne Kindergeld) in Euro an die oder von der Mutter nach
Einkommen des Vaters im Berechnungsmodell nach Einzeleinkommen der Eltern und bei Berücksichtigung
eines Wohnmehrbedarfs von 24 Prozent
in Euro
Fallbeispiel: 1 Kind, 8 Jahre, Nettoeinkommen Vater 4.000 Euro, Nettoeinkommen Mutter 2.000 Euro
1.000
500
Barunterhalt an Mutter
−500
−1.000
1.800 2.000 2.400 2.800 3.200 3.600 4.000 4.400 4.800 5.200
Anmerkung: Positive Beträge sind Zahlungen des Vaters an die Mutter, negative Beträge Zahlungen der Mutter an den Vater. Siehe für die
Berechnungsgrundlage Tabelle A5.
Insgesamt zeigt sich, wie anspruchsvoll es ist, eine auf jeden Fall unabdingbar sein, Eltern fundierte Infor-
Lösung für den Kindesunterhalt zu finden, die allen mationen für alle Konsequenzen ihrer Wahl des Be-
Kriterien gerecht wird. Wie auch immer letztlich die Lö- treuungsmodells verfügbar zu machen und die Konse-
sung aussieht, die der Gesetzgeber bestimmt: Es wird quenzen der gesetzlichen Regelung zu evaluieren.
130
10 Über den Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen
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10 Über den Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen
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10 Über den Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen
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IMPRESSUM
Herausgeber:
Wissenschaftlicher Beirat für Familien-
fragen beim Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend
www.bmfsfj.de/beirat-familienfragen
Vorsitzender:
Prof. Dr. Jörg M. Fegert
Universitätsklinikum Ulm
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie
Steinhövelstraße 5
89075 Ulm
Tel.: 0731/500-61600
Stand:
März 2021
Gestaltung:
www.zweiband.de
Druck:
MKL Druck GmbH & Co. KG
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