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Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

König Malte feiert Weihnachten - Teil


2
Eine Geschichte von Martin Klein mit Illustrationen von Sabine Rothmund,
erschienen im Carlsen Verlag.
Hier kommt der zweite Teil der Geschichte.
Humba Humba Polonaise

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Malte befolgte Padres Rat.

Während die gesamte Familie Plewka

in tiefem Schlaf lag, versammelten

sich sämtliche Luckenwalder Zootiere

auf dem zentralen Platz.

Dort wurden im Sommer tagsüber Eis

und kalte Getränke verkauft und im

Winter Waffeln und heißer Tee.

Bald waren alle da und hörten König

Malte zu: der Esel Fritz, das

Stachelschwein Robert, das

Hängebauchschwein Leonie, der

Waldkauz Elke, das Lama Ricarda, der

Strauß John, die Zwergziegen und alle

anderen tierischen Zoobewohner.

Auch die Spatzenbande war komplett

zum Platz geflattert.

Manche waren neugierig, ein paar blickten skeptisch drein, einige gähnten,

und die Zwergziegen schauten ehrfurchtsvoll zu ihrem König auf.

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Wer sich jetzt wundert, dass die Tiere ihre Gehege verließen, der muss

wissen, dass die Käfige allesamt nicht abgeschlossen waren.

Damit aber kein Zoobesucher erschrak, blieben alle Tiere während der

Öffnungszeiten freiwillig hinter den Absperrungen.

Nur die Spatzen und ähnliches Wildvolk brauchte sich nicht an diese

Abmachung zu halten.

Für ein eigenes Gehege hätten sie es zwar gewiss getan, aber Herr Plewka

stellte ihnen keins zur Verfügung.

König Malte hielt seinen Untertanen einen langen Vortrag.

„An die Arbeit!“, verkündete er schließlich.

„Ich kann die Sause kaum erwarten! Das wird der größte Spaß, den

Luckenwalde im Advent je gesehen hat!“

„Hurra, hurra!", meckerten die Zwergziegen.

„Unser König ist der größte Spaßvogel!"

„Spaßlöwe", korrigierte Malte.

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„Aber mit der Größe habt ihr recht.“

In den nächsten Nächten waren alle Tiere mit heimlichen Vorbereitungen

beschäftigt, und an einem frostigen Morgen zwischen dem zweiten und

dritten Advent startete eine ganz besondere Weihnachtsparade.

Sie begann mit ohrenbetäubendem Lärm, der sich ungefähr so anhörte:

„Humba Humba Humba Täterä! Täterää! Täteräääää!!!"

Sämtliche Mitglieder der Familie Plewka waren von einer Sekunde auf die

andere hellwach.

Ein gewaltiger Schlager-Rhythmus hämmerte durch den Zoo und ein wildes

Durcheinander von Tierstimmen vereinte sich zum schrägsten Chor, den es je

zur Weihnachtszeit gegeben hat. Elke auf dem Rücken der ersten

Grelles Stroboskoplicht zuckte durch die geschlossenen Vorhänge in die

Schlafzimmer.

Paulea, Paule, Pawel und die Eltern Plewka sprangen wie auf ein Kommando

aus den Betten an die Fenster und rieben sich ungläubig die Augen.

Der Morgen lag noch im Dunkeln, aber an sämtlichen Gehegen hingen bunt

glitzernde Discokugeln und tauchten den Zoo in flackernde Farben.

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Auf dem zentralen Platz befand sich ein DJ-Pult und dahinter wackelte das

Stachelschwein Robert im Rhythmus der wummernden Bässe hin und her.

Robert trug ein Baseballcap mit nach hinten gedrehtem Schirm, und er hatte

seine Stacheln in allen Regenbogenfarben gefärbt.

Eine merkwürdige Schlange bewegte

sich aufs Direktorenhaus zu.

Sie bestand aus sämtlichen Zootieren,

die im Gänsemarsch hintereinander

herzuckeln.

Das Lama Ricarda hatte sich als

Piratin verkleidet und seine

Vorderbeine auf die Schultern des

Esels Fritz gelegt.

Der ging als Räuber Hotzenplotz.

Dahinter lief der Strauß John als Cowboy.

Das Hängebauchschwein Leonie trug ein Ballettröckchen und hielt sich an

Johns Federkleid fest.

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Dahinter hatte der Waldkauz Zwergziege Platz genommen und pustete

schillernde Seifenblasen in die Luft.

Die Zwergziegen waren schwarz-weiß gestreift.

Sie hatten sich als Zebras zurechtgemacht und staksten um Gleichgewicht

bemüht hintereinanderher, stets mit den Vorderbeinen auf dem Rücken des

vorangehenden Zickleins.

Über der Karawane flitzten die Spatzen hin und her.

Sie warfen Konfetti und Luftschlangen, und ganz vorne marschierte König

Malte mit einer roten Pappnase mitten im Löwengesicht.

Sein Löwenmaul war weiß geschminkt, und ganz oben auf der grün gefärbten

Mähne saß ein winziges, spitz zulaufendes, hellblaues Hütchen mit Bommel.

Die Tiere drehten eine Runde ums Direktorenhaus und winkten den Plewkas

fröhlich zu.

Das sah wirklich sehr komisch aus.

Paulea, Paule und Pawel lachten und winkten zurück und auch ihre Mutter

konnte ein Kichern nicht unterdrücken.

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Herr Plewka fand den Auftritt seiner Zootiere allerdings gar nicht lustig.

„Was soll das werden?!", rief er verärgert.

„Na, was wohl?!" Der Esel Fritz wackelte schelmisch mit seinen langen Ohren.

„Weihnachten feiern natürlich!", krächzte der Waldkauz Elke und pustete eine

besonders schöne Seifenblase in Richtung des Direktors.

Bevor sie feucht zerplatzte, setzte sie sich einen Moment lang auf Herrn

Plewkas Nase.

„Das habt ihr nicht erwartet, stimmts?!", rief Malte.

„Hört sofort auf und trollt euch in die Käfige!", verlangte der Zoodirektor.

„Ein Karnevalsumzug hat in der Adventszeit nichts verloren! Schon gar nicht

um sechs Uhr morgens!“

Malte zwinkerte Herrn Plewka zu. „Mich kannst du nicht täuschen, Direktor!

Das hier ist die berühmte Morgen-Weihnachtsshow!"

Er blies misstönend in eine Tröte zum Ausrollen. „Attacke Kamelle!"

Das war das Zeichen für die Spatzen.

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Im nächsten Moment regnete es statt Konfetti und Luftschlangen

Süßigkeiten.

Paulea, Paule und Pawel rannten sofort in ihren Schlafanzügen nach draußen

und begannen sie einzusammeln.

Hinter dem DJ-Pult patschte das Stachelschwein Robert seine Pfoten über

dem Kopf zusammen.

Er grunzte: „Und jetzt alle!“, und sämtliche Zootiere krakeelten:

„Hier liegen gleich die Löcher aus dem Käse! Denn jetzt geht sie los, unsere

Polonaise! Vom Löwenkäfig zum Direktorenhaaauuus! Jetzt gehn wir los mit

Hufen und auf Pfoten, Frohsinn ist erlaubt und Griesgram ist verboten! So ist

das im Adveeent!

„Schluss jetzt!“, schrie Herr Plewka.

„Wer ist hier der König?!", brüllte Malte zurück.

„Du bestimmt nicht", versetzte der Zoodirektor grimmig. „Du bist nur ein

dummer August!"

Malte schwieg verdutzt.

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Herr Plewka lief zum zentralen Sicherungskasten und schaltete den Strom

aus.

Die Karnevalsmusik erstarb.

Das flackernde Stroboskoplicht und das bunte Glitzern der Discokugeln

verschwanden.

Plötzlich lag der Zoo wieder in der Ruhe eines dunklen Dezembermorgens

mitten im Advent.

Vom zentralen Platz kam kleinlaut die Stimme des DJs: „Tut mir leid, Leute.

Kein Sound mehr."

„Wo ist das bunte Licht hin?", fragte eine zaghafte Zwergziegenstimme.

„Jetzt hört mal gut zu, Leute", sagte Herr Plewka und seine Stimme duldete

keinen Widerspruch.

„Wenn irgendein Mensch mitbekommt, was hier los ist, kann ich den Zoo

zumachen! Alle Tiere gehen sofort in ihre Gehege zurück! Die Party ist vorbei.“

Die Polonaise-Teilnehmer lösten sich zögernd voneinander.

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Der Waldkauz Elke rutschte von einem Zwergziegen-Rücken und flatterte

schweigend davon.

Die Zwergziegen purzelten durcheinander, als sie ihre Beine entwirrten.

Das Hängebauchschwein Leonie riss dem Strauß John vor Schreck eine

Feder aus.

John krächzte „Aua!" und die Blecheimerstimme von Esel Fritz klang

ernüchtert: „Iah. Das war nix, King Malte. Und tschüss!“

Die Tiere trotteten davon.

Padre schaute dem jähen Ende des Weihnachtskarnevals schadenfroh zu.

Das gibt mächtig Ärger, dachte er zufrieden und trabte zu seinem Schlafplatz

zurück.

Die drei ungezogenen Menschen-Welpen werden Krach mit Herrn und Frau

Plewka bekommen, und die zu groß geratene Katze hat sich vor allen

Zoobewohnern blamiert.

Wenn seine Weihnachtsaktionen so weitergehen, ist es mit seiner

Königsstellung bald aus.

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Padre rollte sich zusammen und schnaufte behaglich.

Und sie werden so weitergehen, dafür wird ein gewisser Köngspudel sorgen.

Anschließend wird der alte König abgesetzt, und stattdessen wird ein

gewisser Königspudel das Zepter im Tierreich übernehmen.

Padre seufzte wohlig.

Dann schloss er die Augen.

Bei allen Hundsgemeinheiten!

Er war schon ein schlaues Kerlchen.

Schon am nächsten Tag zeigte sich, dass Padres Plan tatsächlich aufging:

Die Karnevalsfeier zur falschen Zeit sorgte bei sämtlichen Tieren und

Menschen im Zoo von Luckenwalde für ernste Verstimmung.

Paulea, Paule und Pawel versicherten tagelang hoch und heilig, dass sie

Malte die Bräuche des Weihnachtsfests genau richtig erklärt und dass sie mit

der Karnevalsidee nichts zu tun hätten.

Aber sie konnten ihre Eltern nicht davon überzeugen.

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„Wenn das so ist, warum habe ich in den Gehegen bis jetzt noch keinen

einzigen Adventskalender gesehen?", fragte Herr Plewka.

„Und keinen Adventskranz? Und keinen Weihnachtsbaum mit festlicher

Beleuchtung? Obwohl wir längst mitten in der Weihnachtszeit sind?“

„Wir haben Malte schon oft an all das erinnert", beteuerte Paulea.

„Aber er sagt immer nur: Jaja, alles klar, danke für den tollen Rat.“

„Dabei guckt er uns immer merkwürdig an", ergänzte Paule. „So, als würden

wir ihm sowieso nur Quatsch erzählen.“

„Er benimmt sich echt seltsam", sagte Pawel. „Er ist anders als sonst."

„Was ist eigentlich mit dem Krippenspiel?", erkundigte sich Frau Plewka. „Ihr

habt Malte doch vorgeschlagen, mit den Tieren eins aufzuführen. Oder etwa

nicht?"

„Na klar!", versicherten die Kinder.

„Ich habe aber noch keine einzige Probe bemerkt", sagte Herr Plewka.

„Und immer, wenn ich eins unserer Tiere danach frage, weiß niemand etwas

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von einem Krippenspiel."

„Wenn unsere Tiere bis Heiligabend noch etwas zustande bringen wollen,

wirds höchste Zeit", mahnte Frau Plewka.

„Schimpft lieber mit Malte als mit uns!" Paulea verschränkte trotzig die Arme,

und ihre Brüder nickten zustimmend.

„Keine Bange, den knöpfe ich mir vor, und zwar jetzt sofort.“ Der Zoodirektor

stand auf und wandte sich zur Tür.

„Eins ist jedenfalls klar: Entweder unsere Tiere feiern ordentlich Weihnachten

oder gar nicht.“

Herr Plewka eilte zum Löwengehege und hielt Malte einen strengen Vortrag.

Der Direktor war dabei so überzeugend direktorenhaft, dass der Löwe sich

unwillkürlich duckte.

Dreimal versuchte er Herrn Plewka mit der Frage „Wer ist hier der König?!" zu

stoppen, und als das nichts brachte, griff Malte zu seiner gefährlichsten

Waffe: dem furchtbar stinkenden Löwenpups.

Aber Herr Plewka ließ sich selbst davon nicht beirren.

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Er rümpfte nicht einmal die Nase.

„Wenn du Weihnachten nicht so feiern kannst, wie es sich gehört, wird gar

nicht gefeiert!", bestimmte er. „

„Weihnachten hat bestimmte Abläufe, und daran ändert auch ein König der

Tiere nichts. Ist das klar?!"

„Ich bin der King und der King ist der Chef", erwiderte Malte, aber er klang

dabei ungewohnt kleinlaut.

„Und ich bin der Direx und der Direx ist der Chef-Chef!", knurrte Herr Plewka

überhaupt nicht kleinlaut.

„Na, das ist ja toll", murrte der Löwe.

„Die besten Teile der Weihnachtsfeierei behaltet ihr Menschen schön allein

für euch. Und wenn wir Tiere sie trotzdem rauskriegen und fröhlich feiern, tut

ihr so, als sei alles falsch.“

„Wie bitte?“ Herr Plewka schaute Malte fragend an.

Dann nickte er grimmig. „Haben die Kinder dir also doch Quatsch erzählt. Ich

habs mir gleich gedacht.“

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„Ha!„, rief Malte. „Jetzt hast du dich verraten!"

„Was?!" Herr Plewka schaute den Löwen verständnislos an.

„Mit Quatsch meinst du, dass sie das Beste einfach weggelassen haben,

stimmts?!! Aber ich habs trotzdem rausbekommen! Wer König ist, hat seine

Quellen."

„Ich versteh kein Wort", sagte Herr Plewka.

„Musst du auch nicht", brummte Malte. „Ansonsten keine Sorge: Wir feiern,

wie es sich gehört."

Dann wandte er sich eingeschnappt ab.

„Damit bin ich einverstanden, Malte", lenkte der Direktor gutmütig ein.

„Und ich wünsche uns allen eine weiterhin frohe Weihnachtszeit.“

Alle Türchen für den König


Das missglückte Karnevalsfest sorgte tagelang dafür, dass die Zootiere auf

ihren König nicht besonders gut zu sprechen waren.

Auch die allgemeine Stimmung war nicht die beste.

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„Familie Plewka ist richtig sauer auf uns", seufzte das Lama Ricarda.

Das Stachelschwein Robert grunzte verdrießlich. „Der Direx hat sogar gedroht,

die Gehege abzuschließen, falls noch mal jemand heimlich die Musikanlage

aus dem Lager holt."

„Eins ist jedenfalls sicher." Die Stimme des Esels Fritz klang wie eine

verrostete Gießkanne. „Weihnachten geht anders als Karneval, und ein König

sollte das wissen.“

Die Zwergziegen kapierten wie immer nichts und meckerten lauthals: „Juhu!

Juhu! Karneval und Weihnachtsknall!"

Nicht lange nach seiner Unterredung mit Herrn Plewka bekam Malte Besuch

von den drei Kindern.

Auch sie waren sauer auf den Löwen.

„Wegen dir haben wir einen Haufen Schwierigkeiten!", schimpfte Paule.

„Mama und Papa glauben uns nicht, dass wir mit euerm Karnevalsauftritt

nichts zu tun haben!"

„Und weil sie meinen, dass wir auch noch die ganze Ausrüstung besorgt

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haben, mussten wir zur Strafe die Zoo-Werkstatt aufräumen!", rief Pawel

vorwurfsvoll.

Paulea schaute Malte eindringlich in die Augen. „Woher kam die Idee mit dem

Karneval mitten im Advent?"

„Ein guter König ist immer richtig informiert", erwiderte der Löwe und richtete

seinen Blick möglichst majestätisch über das Mädchen hinweg in die Ferne.

„Und er duldet es nicht, wenn seine Untertanen wichtige Informationen

unterschlagen.“

Die drei Kinder schüttelten energisch ihre Köpfe.

„Wir haben nichts weggelassen. Aber du hast nichts von dem getan, was wir

erklärt haben, und stattdessen Unsinn ausgeheckt!“

„Was solls, Malte?" Paulea zwinkerte dem Löwen freundlich zu und begann

seine Mähne zu kraulen. „Ab jetzt wird alles richtig gemacht, oder?“

Pauleas Mähnenkraulen war unwiderstehlich.

Malte begann zu schnurren und nickte brav.

„Also noch einmal von vorn", sagte Paule. „Erstens: Adventskranz besorgen.

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Zweitens: Weihnachtsbaum auswählen und schmücken."

„Drittens: Adventskalender basteln", fuhr Pawel fort.

„Viertens: Krippenspiel vorbereiten", ergänzte Paulea. „Wir haben dir ja genau

erzählt, was da passiert."

Sie klatschte in die Hände. „Und jetzt los!"

„Geht klar", schnurrte Malte. „Ihr werdet staunen, wie toll alles wird.“

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In der folgenden Nacht bekam der Löwe wieder Besuch von Padre.

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Der Königspudel erinnerte Malte noch einmal daran, dass den Worten von

Menschen nun einmal nicht zu trauen war, und erklärte ihm auf seine Weise

den Umgang mit Adventskalendern.

„Das ist ja viel toller, als die Kinder erzählt haben", staunte Malte.

„Natürlich, mein König." Padre lächelte dünn.

Der Löwe runzelte verärgert die mächtige Stirn.

„Dieser ungezogene Menschennachwuchs hat mir das Beste schon wieder

nicht verraten!"

Padre verzog die Lefzen nach unten.

„So sind die Menschen nun mal."

„Die werden sich wundern", sagte Malte.

Padre nickte „Oh ja, das werden sie.“

In der ersten Schneenacht des Jahres bauten die Zootiere auf dem zentralen

Platz einen riesigen Adventskranz aus langen, schlanken Tannenästen.

Mit viel Lamaspucke formten sie aus getrocknetem Dung vier große Spezial-

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Kerzen.

Auf dem weißen Untergrund sah der Riesenkranz besonders eindrucksvoll

aus, und die verschiedenen Tierspuren drum herum ergaben ein interessantes

Muster.

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Als Weihnachtsbaum wählten die Tiere die größte Zoolaterne aus.

Sie stand nicht nur am zentralen Platz, sondern leuchtete nachts sowieso

immer.

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Das war sehr praktisch.

Die Spatzenbande und der Waldkauz Elke übernahmen das Schmücken.

Bald trug die Laterne zahlreiche Weihnachtskugeln aus verschiedenfarbigem

Lehm und Fellknäueln.

Dazu kamen viele bunte Federsterne und jede Menge Stroh-Lametta.

Feine Schneeflocken rieselten vom Himmel und zauberten noch mehr

vorweihnachtliche Romantik herbei.

Die Laterne war ein wunderbarer Weihnachtsbaum. Alle waren stolz darauf.

Danach machten sich die Tiere ans Basteln der Adventskalender.

Sie benutzten Stroh und Heu, Papier, Karton, Stifte, Scheren und altes Laub

dafür, und um für die großen Tiere Kalender herzustellen, kamen Holzpaletten

zum Einsatz.

Paulea, Paule und Pawel stellten für die kleineren Kalender Klebestreifen und

Klebestifte zur Verfügung, die großen wurden mit Schrauben und Nägeln aus

der Zoo-Werkstatt zusammengefügt.

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Das Basteln machte allen Zootieren Spaß, und beim Befüllen der Fächer

hinter den Türchen gaben sich alle besonders viel Mühe.

Die Gaben waren jeweils für einen guten Freund oder eine liebe Freundin

gedacht, und die Tiere wussten, dass diese Freunde sich ihrerseits ebenso

viel Mühe gaben.

Schließlich hingen sämtliche Adventskalender fertig in den Gehegen.

Die Adventszeit war nun schon weit fortgeschritten und auf die Zootiere

warteten gleich fünfzehn nachträglich zu öffnende Türchen.

Hinter jedem verbarg sich eine Leckerei: Die Spatzen hatten zum Beispiel für

den Waldkauz Elke Sonnenblumenkerne und getrocknete Heuschrecken

besorgt.

Das Lama Ricarda hielt für den Esel Fritz seine Lieblingsspeise bereit:

verschiedene Apfelsorten, und Fritz hatte vor, sich mit Karotten und Fenchel

zu revanchieren.

Auf alle Tiere warteten vierundzwanzig jeweils ganz persönlich vorbereitete,

wohlschmeckende kleine Geschenke.

Nur einer ging leer aus: An den Königspudel Padre hatte niemand gedacht.

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„Wie herrlich, dass es Adventskalender gibt!“, rief Malte.

Vor Vorfreude schmatzte er laut und stürzte drauflos.

Begeistert polterte er nacheinander in sämtliche Tiergehege, riss haufenweise

Adventskalendertürchen auf und stopfte eilig alles in sich hinein.

Die anderen Tiere schauten zunächst wie erstarrt zu und ihre Gesichter

wurden desto länger, je mehr all die kleinen Köstlichkeiten ratzeputz in Maltes

riesigem Löwenmaul verschwanden.

Wahrscheinlich wurden die Gesichter der Luckenwalder Zootiere an diesem

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Tag zu den längsten Tiergesichtern der Welt.

Der Löwe bemerkte davon nichts und schmatzte so laut, dass er ein anderes

Geräusch zunächst überhörte.

Ein wild gemischter Tierstimmen-Chor grollte zuerst wie ein ferner Donner

und schwoll dann immer weiter an.

Erst als der Lärm schon dem Pfeifen eines Wirbelsturmes glich, begann Malte

sich zu wundern und hielt inne.

Er schaute hoch und vergaß vor Schreck, weiterzumampfen.

Mit offenem Löwenmaul starrte er in die wütenden Gesichter seiner

sämtlichen Untertanen und hielt sich die Ohren zu, um dem

ohrenbetäubenden Geschrei zu entfliehen.

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„Schmeckt dir die schöne Pastete, die ich für Leonie besorgt habe?!", grunzte

das Stachelschwein Robert erbost.

„War die Tofu-Frikadelle, mit der ich Fritz eine Freude machen wollte, gut?!“,

keifte Ricarda, und die Spatzenbande krakeelte: „Von den in feinem Sand

panierten Regenwürmern für Elke ist keiner mehr übrig!!“

Selbst die Zwergziegen jubelten diesmal nicht.

Sie meckerten: „Buhu! Buhu! Der König frisst alles auf!“

Es hörte sich allerdings fast genauso an wie ihr Jubel.

Vielleicht lag es daran, dass sich im Vergleich zu ihrem sonstigen Meckern

nur ein Buchstabe geändert hatte.

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Die Zootiere schimpften insgesamt so laut, dass Paulea, Paule und Pawel

aufmerksam wurden.

Herr und Frau Plewka dagegen bekamen von dem Ärger nichts mit.

Sie waren unterwegs, um Weihnachtseinkäufe zu machen.

In solchen Fällen waren die Kinder es gewohnt, nach dem Rechten zu sehen.

Die drei rannten zu Roberts Gehege.

Malte saß mit kläglicher Miene vor Roberts Adventskalender.

Aus seinem Maul hing noch ein Stück Pfannkuchen, den Leonie für das

Stachelschwein vorgesehen hatte.

Robert stand mit verschränkten Vorderpfoten neben dem Löwen und starrte

ihn vorwurfsvoll an.

Die anderen Zootiere trampelten vor dem Gehege aufgebracht herum,

zusammengeballt wie ein Haufen Zoobesucher, die eine Attraktion

bestaunen.

Aber die Tiere staunten nicht.

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Sie buhten ihren König aus, so laut sie nur konnten.

„Was ist denn los?", fragte Paulea.

„Beruhigt euch", bat Paule, aber als das nichts half, pfiff Pawel durchdringend

auf beiden Fingern.

Er war nicht nur der Mutigste, sondern konnte auch am lautesten pfeifen.

Das Geschrei schwoll ab, und Paulea fragte: „Was ist das Problem?!"

Die Tiere begannen durcheinanderzugrunzen, -zukrächzen, -zutschilpen und

-zumeckern.

So laut wie zuvor wurde es aber nicht mehr, und nach einigem Hin und Her

war den Plewkakindern die Lage klar.

„Klarer Fall von Türchenklau", stellte Paule fest und warf dem Löwen einen

bösen Blick zu.

Pawel sagte streng: „Schäm dich, Malte", und Paulea schimpfte: „Ich weiß

nicht, ob ich jemals wieder Lust habe, deine Mähne zu kraulen.“

Malte schaute nun noch verzagter zwischen seiner Haarpracht hervor.

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Nun waren also nicht nur die anderen Tiere böse auf ihn, sondern es drohte

auch noch der Verlust von Pauleas Krauleinheiten!

„Adventskalender sind nicht nur für eine Person da“, erklärte Paulea.

„Jeder Mensch hat einen für sich ganz allein, und das gilt in unserem Zoo ab

jetzt auch für jedes Tier.“

„Aber ich bin der König", murmelte Malte.

„Das ist vollkommen egal“, stellte Paule fest.

Malte schaute nun so unglücklich drein, dass Paulea ihm doch kurz über die

Mähne strich.

„Es geht beim Weihnachtsfest nicht nur darum, von anderen Leuten

beschenkt zu werden", erklärte sie dem Löwen. „Mehr noch geht es darum, zu

teilen und anderen etwas zu schenken.“

„Zumindest Freude und Freundlichkeit kann man immer teilen“, ergänzte

Paule.

„Eltern zum Beispiel reicht das vollkommen, wenn einem ihrer Kinder einfach

nichts einfällt, was es ihnen schenken kann."

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„Und noch besser ist LIEBE!", fügte Pawel hinzu und betonte das Wort extra

stark.

„Darum gehts nämlich am allermeisten. Weihnachten ist das Fest der Liebe.

Und man beschenkt sich gegenseitig, weil man sich lieb hat."

Paulea hob bedeutsam beide Hände: „Und dann gibts noch das

Allersuperwichtigste: das Christkind! Es hat seinen allerersten Auftritt auf der

Erde beim Krippenspiel! Da kommt es nämlich zur Welt und genau das wird in

der Weihnachtsgeschichte erzählt."

„So siehts aus!" Paule und Pawel nickten. „Jetzt wisst ihr Bescheid."

Eine Pause entstand und die Kinder schauten Malte und die anderen Tiere der

Reihe nach an.

„Seid ihr beim Weihnachtenfeiern trotzdem weiterhin dabei?"

„Na klar“, murmelte Malte.

Die Zootiere fanden die Rede der Kinder so ergreifend, dass sie begeistert

Beifall klatschten.

Der Waldkauz Elke und der Esel Fritz hatten dabei sogar vor Rührung Tränen

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in den Augen.

So endete der Ärger um die Adventskalender mit donnerndem Applaus.

Heukipferl und Wurststerne


Am Tag nach der Aufregung um die Adventskalender war König Malte

ungewöhnlich kleinlaut.

Er lag auf dem Rücken, streckte alle vier Pfoten in die Höhe und seufzte.

Das Seufzen eines Löwen hört sich an, als wenn jemand falsch auf einem

Kontrabass herumkratzt.

Ein seufzender Löwe bekommt deshalb nicht so leicht Trost.

Die meisten Löwen seufzen nämlich nicht, weil sie die Adventskalender ihrer

Untertanen geplündert haben, sondern aus Langeweile oder vor Hunger.

Die Tiere im Zoo von Luckenwalde wussten freilich, dass sie sich keine

Sorgen machen mussten.

Malte hätte niemals eines von ihnen mit einem Imbiss verwechselt.

Dennoch blieben alle in gebührender Entfernung.

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Erstens aus allgemeinem Respekt, und zweitens, weil sie Malte die

Plünderungen ihrer Adventskalender noch nicht ganz verziehen hatten.

Malte wusste, dass die anderen Tiere nicht gut auf ihn zu sprechen waren,

und tat sich selbst ein bisschen leid.

Außerdem seufzte er, weil er zum ersten Mal in seiner Regierungszeit ein

schlechtes Gewissen hatte.

Man hörte es bis zum Direktorenhaus.

Herr und Frau Plewka kümmerten sich nicht weiter darum.

Paule und Pawel fanden, dass es nicht schaden konnte, wenn Malte sich

einmal ein bisschen mickriger fühlte als sonst, und der Königspudel Padre

freute sich heimlich über die Kläglichkeit des Löwen.

Pauleas Herz aber rührte das Seufzen, und so besuchte sie Malte sogleich

nach dem Ende der Öffnungszeit in seinem Käfig, um ihn aufzuheitern.

„Ich habe alles verspeist", brummte Malte. „Ganz allein."

Paulea kraulte seine Mähne. „Das war nicht die feine Art", meinte sie. „Aber

was solls? Du tust es nicht wieder."

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„Keiner will mehr etwas von mir wissen", jammerte der Löwe. „Obwohl ich

doch der König bin."

„Dafür kennst du dich ab jetzt mit Adventskalendern richtig aus“, sagte

Paulea.

„Das bringt die leckeren Sachen diesmal natürlich nicht zurück, aber beim

nächsten Mal weißt du Bescheid." Malte nickte.

Er dachte an all die schmackhaften Gaben, die er künftig großmütig seinen

Untertanen überlassen würde, und fühlte sich etwas besser.

Allerdings meldete sich bei diesem Gedanken auch sein Magen.

Malte spürte, wie er hungrig grummelte, und erkundigte sich: „Gibt es in der

Weihnachtszeit vielleicht noch mehr Leckereien als die Sachen im

Adventskalender und noch mehr feines Essen als Chicken-Nuggets mit Chili-,

Kräuter- und Currydip?"

„Oh ja", sagte Paulea und zauste eine dicke Mähnensträhne.

„Viele Menschen backen extra zur Weihnachtszeit passendes Gebäck, und die

Kinder machen mit. Da werden dann zum Beispiel Mürbeteigkekse in

Sternform und Tannenbaumform hergestellt und Haselnussmakronen und

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Dominosteine und …"

„Steine?!", unterbrach Malte sie verwundert.

Paulea lachte. „Die sehen nur aus wie Steine", erklärte sie.

„Dominosteine sind kleine Kuchen mit Gelee und Marzipan. In der

Weihnachtsbäckerei werden auch Vanillekipferl gebacken und Pfeffernüsse

und …“

„Pfeffernüsse?!“, wiederholte Malte verblüfft.

„Das ist eine Art Lebkuchen", erklärte Paulea. „Die schmecken sehr gut!“

„Das will ich auch alles machen!" Malte sprang auf.

„Paule, Pawel und du, ihr macht natürlich mit! Schließlich seid ihr Kinder!"

„Ist das ein königlicher Befehl?", fragte Paulea und zwinkerte dem Löwen zu.

„Natürlich!", rief Malte.

„Dann gehts wohl nicht anders“, sagte Paulea und lachte.

An diesem Abend drängte sich ein Haufen ungewöhnlicher Bäcker in der

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Küche der Familie Plewka.

Das Stachelschwein Robert stach mit dem Hängebauchschwein Leonie

Teigsterne aus.

Das Lama Ricarda und der Esel Fritz verzierten sie mit Schokostreuseln.

Der Waldkauz Elke und Strauß John kümmerten sich um heugefüllte Kipferl.

Die Zwergziegen rührten und kneteten eifrig Teig.

Die Spatzen achteten auf die richtige Backofenhitze, und Malte buk eine

Ladung Wurststerne nach der anderen.

Sogar Padre machte ein bisschen mit, und am Ende gab es so viel

Weihnachtsgebäck, dass die Adventskalender sämtlicher Tiere neu gefüllt

werden konnten.

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Spätabends gingen alle zufrieden schlafen.

„Ich bin eben doch ein guter König“, dachte Malte.

Ein paar Sekunden schlief er schon tief.

Er schnarchte laut bis weit in den Morgen und als er aufwachte, war er immer

noch sehr zufrieden mit sich.

Vor lauter Stolz begann er in seinem Gehege majestätisch auf und ab zu

schreiten und wohlig dazu zu brummen.

Von Zeit zu Zeit hielt er inne, setzte sich auf die Hinterpfoten und schaute so

eindrucksvoll über sein Reich, wie das nur ein echter Herrscher kann.

Ich bin nicht einfach nur ein toller König, dachte er.

Ich bin der beste, den es überhaupt gibt.

Ich veranstalte sogar eine Weihnachtsbäckerei und sorge dafür, dass alle

lecker gefüllte Adventskalender haben.

Aber … Malte legte die Stirn in Falten und überlegte.

Fehlte da nicht noch irgendetwas?

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Er machte ein Geräusch, das sich anhörte, als trüge er einen Kleiderschrank

auf dem Rücken.

Schlaues Denken ist eben manchmal ebenso anstrengend, wie schwere

Möbel zu tragen.

Einen Adventskranz haben wir schon, überlegte Malte.

Einen toll geschmückten Weihnachtsbaum, Adventskalender und Gebäck

ebenfalls.

Hm. Gabs da nicht noch etwas?

Malte grübelte so sehr, dass vor seinen Augen Wurststernchen flimmerten.

„Stimmt etwas nicht, Majestät?", erkundigte sich ein Spatz und hüpfte in den

Löwenkäfig.

Das hatte er freilich sowieso vor.

Er hatte nämlich den Rest eines echten Wurststernes entdeckt.

„Ich habs!!", rief Malte, und sein von der stattlichen Mähne umrahmtes

Löwengesicht erstrahlte wieder.

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„Das freut mich, Majestät!", tschilpte der Spatz. „Was hattest du denn

verloren?“

Malte schaute ihn etwas unwirsch an.

Einigen meiner Untertanen könnte schlaues Denken auch nicht schaden,

dachte er und wedelte den Spatz mit einer Tatze beiseite.

Der kleine Vogel pickte so schnell wie möglich den Wurststernkrümel auf und

flatterte davon.

Das Krippenspiel!, dachte Malte. Genau, das ist es! Wie gut, dass er darauf

gekommen war.

Ab sofort würde er sich höchstpersönlich darum kümmern.

Das Problem war nur: Malte hatte keine Ahnung, wie man ein Krippenspiel

probte und was da überhaupt geschah.

Er wusste nicht einmal genau, was eine Krippe ist.

Aber wozu war er der König?

Ein König konnte alles so machen, wie es ihm gerade einfiel.

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Als spätabends alle Lichter im Direktorenhaus gelöscht waren, rief Malte die

anderen Tiere wieder einmal zusammen und verkündete schneidig:

„Allerhöchste Zeit fürs Training, Leute! Bis Heiligabend ist es nicht mehr weit

und wir werden das berühmte Krippenspiel aufführen! Wie jeder weiß, ist eine

Krippe ein altes Wort für Boxring, denn das Christkind wurde damals in so

einer Krippe zum größten Champion aller Zeiten.“

Der Löwe ließ einen stolzen Blick über seine Untertanen schweifen und

schaute in verständnislose Gesichter.

„Los gehts!", rief er munter. »Es ist nicht schwer! Ich bin der große Champion

und ihr seid die anderen! Natürlich hau ich euch nicht wirklich k. o. Ihr seid

schließlich meine liebsten Untertanen. Ich tu nur so. Das ist ja ein Spiel!“

Der Löwe fasste den Esel Fritz bei seinen langen Ohren und schubste ihn.

„I-a-autsch!", jammerte Fritz, und Malte rief: „Das macht voll Spaß!"

Alle anderen Tiere sahen allerdings nicht so aus, als wenn sie Spaß hätten,

und als Malte rief: „Wer kommt als Nächstes?!", lautete die strenge Antwort:

„Lass das sofort sein!"

„Wer widerspricht da seinem König?", murrte der Löwe.

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„Ich!", ertönte die hochmütige Stimme des Königspudels und Padre trat aus

der Menge heraus.

„Es ist nur zu deinem Besten. Wenn du das Krippenspiel auf diese alberne

Weise veranstalten willst, wird der Heilige Abend dein letzter Tag als König

sein. Herr Plewka wird dich nicht nur sofort absetzen, sondern auf

Nimmerwiedersehen aus dem Zoo verbannen."

Der Löwe machte „Oh“ und die anderen Tiere nickten energisch.

„War doch nur so ein Vorschlag“, meinte Malte und lächelte schief.

„Es gibt hier nur einen, der wirklich weiß, wie ein Krippenspiel abläuft“, erklärte

Padre streng und schaute den Löwen eindringlich an.

„Wer könnte das wohl sein?"

„Ähm … du", erwiderte Malte kleinlaut.

„Richtig. Aber da mein König mich bei seinen Vorbereitungen nicht braucht,

verlasse ich euch jetzt wieder. Ihr kommt schon zurecht."

Mit einem spöttischen Lächeln wandte Padre sich ab.

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„Nein, bleib hier!", rief Malte hastig.

„Ist das ein königlicher Befehl?", fragte Padre.

Malte nickte verzagt.

„Ich nehme an, du befiehlst weiterhin, dass ich nun den wahren Ablauf eines

Krippenspiels erkläre und anschließend die Leitung der Proben übernehme?",

erkundigte Padre sich.

„Natürlich!“, erwiderte Malte.

Lässig trat der Königspudel neben den Löwen und ergriff das Wort.

Am Schluss seines Vortrags verteilte er die Rollen.

Mit einem glücklichen Lächeln im Pudelgesicht trabte Padre schließlich

zurück zum Direktorenhaus.

Der vierundzwanzigste Dezember wird endgültig Maltes letzter Tag als König

sein, dachte er.

Und zugleich ein gutes Datum für die Krönung eines Königspudels.

Frohes Fest

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Die nächsten Tage verliefen unauffällig.

Während der Öffnungszeiten freuten sich die Zoobesucher über die schöne

Idee der Zooverwaltung, in jedem Gehege einen Adventskalender

aufzuhängen.

Außerhalb der Öffnungszeiten freuten sich alle Tiere über die kleinen schönen

Gaben, die sie hinter den Türchen fanden.

Es gab im Zoo jetzt nur noch einen einzigen Bewohner ohne eigenen

Adventskalender, aber das fiel außer ihm selbst niemandem auf.

Wartet nur, Leute, dachte Padre grimmig.

Wenn ich erst König bin, werde ich von jedem Tier täglich drei

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Adventsgeschenke fordern und von jedem Menschen zehn.

Und damit kommen alle noch gut weg!

Tagsüber rollte der Pudel sich in seinem Korb zusammen und tat so, als sei

die Familie Plewka Luft.

Selbst wenn Paulea Padres elegante Stirnlocken kraulen wollte, knurrte er

leise und wandte sich ab.

Die Plewkas waren von ihrem Königspudel Stolz gewohnt, aber dass er sogar

Kraulen mit Knurren beantwortete, war neu.

„Stimmt etwas nicht?", fragte Paulea.

„Alles in Ordnung", erwiderte Padre kühl. „Alles ist, wie es immer schon war.

Lass mich in Ruhe, lästiger Welpe."

„Ist ja gut", sagte Paulea kopfschüttelnd. „Man kanns übrigens auch

übertreiben mit dem Königspudel-Gehabe!“

Inzwischen war der vierundzwanzigste Dezember nur noch ein paar

Kalendertürchen entfernt.

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Jede Nacht fanden nun heimliche Krippenspiel-Proben statt.

Die Zoobesucher durften auf keinen Fall etwas davon mitbekommen.

Und für Familie Plewka sollte es schließlich eine Überraschung werden.

Auch Padre war jedes Mal mit von der Partie.

Er versicherte allen, dass die Aufführung ein ganz besonderes Geschenk aller

Zootiere an ihre Menschenfamilie würde.

Und wenn sie sich nur ordentlich Mühe geben würden, dürften sie bestimmt

auch künftig Weihnachten mitfeiern.

Jedes Mal, wenn einer der Plewkas sich nach den Fortschritten der

Aufführung erkundigte, verkündete der Löwe:

„Ich muss nicht betonen, dass eine schöne Überraschung und erst recht ein

tolles Geschenk keins mehr wäre, wenn es vorher schon bekannt wird, oder?

Daher ist eure Anwesenheit bei den Proben absolut verboten."

Malte hob mahnend eine seiner riesigen Pranken und setzte höflich hinzu:

„Ich freue mich aber, euch mitteilen zu können, dass alles wunderbar

vorangeht."

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Herr und Frau Plewka gaben sich mit dieser Auskunft zufrieden, aber die

Kinder waren unruhig.

„Ob Malte wirklich verstanden hat, wie ein Krippenspiel abläuft?“, fragte

Paulea.

„Bei einem Krippenspiel gibt es nur eine Handlung, und die muss einfach

stimmen. Ihr wisst schon: Maria und Josef, Stall, Geburt, Ochs und Esel,

Hirten auf dem Felde, Drei Weise aus dem Morgenland und so weiter."

Paule nickte nachdenklich und legte die Stirn in Falten.

„Malte hat sich schon einigen Unsinn ausgedacht und er ist sowieso nicht der

klügste Löwe aller Zeiten."

„Noch eine Pleite sollte er sich jedenfalls nicht leisten", meinte Pawel.

Plötzlich stieß er einen Pfiff aus.

„Ich habe eine Idee!", verkündete er mit verschwörerischem Gesicht.

„Und die lautet: Wir besuchen heute Nacht heimlich die Krippenspiel-Probe."

„Aber das möchte Malte bestimmt nicht. Es soll doch eine Überraschung

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werden", gab Paulea zu bedenken.

„Und wennschon." Pawel wischte den Einwand mit einer Handbewegung

beiseite.

„Das ist eine gute Idee!" Paule nickte.

„Denn wenn da irgendwas nicht rundläuft, können wir eingreifen."

„Ich weiß nicht …" Paulea war noch nicht überzeugt.

„Traust du dich etwa nicht?", fragte Pawel.

„Falsche Frage, Kleiner!", entgegnete Paulea spitz. „Hier gehts nicht um Mut,

sondern um Ehrlichkeit. Wovor sollte ich mich denn überhaupt fürchten?"

„Vor der Dunkelheit zum Beispiel?“, grinste Paule und rieb sich im nächsten

Moment jammernd über den Oberschenkel.

Paulea hatte ihm einen Hieb verpasst.

Er war gerade so stark, dass er ein bisschen wehtat und vielleicht einen

kleinen blauen Fleck hervorrief.

„Na warte!", knurrte Paule, aber Pawel verhinderte ein weiteres

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Handgemenge.

„Hört sofort auf! Wir haben Wichtigeres zu tun, als uns zu streiten."

Er klatschte entschlossen in die Hände.

„Wir müssen sofort einen Plan entwerfen. Es gibt einiges zu überlegen: Wann

starten wir? Welchen Schleichweg nehmen wir? Welches Versteck ist gut?"

„Und falls Eingreifen nötig ist, müssen wir dafür ein gutes Zeichen

verabreden", erklärte Paule mit leuchtenden Augen.

„Zum Beispiel: Mission X!" Er hob die Hände hoch und kreuzte die Zeigefinger.

„Das ist gut!“, rief Pawel mit leuchtenden Augen.

„Nach dem Mission-X-Zeichen stürmen wir voll los, entern die Bühne, geben

uns gegenseitig Deckung, halten alle in Schach und …"

„Jetzt kriegt euch mal wieder ein, Jungs", unterbrach Paulea ihn.

Brüder, dachte sie kopfschüttelnd.

„Wir sind kein Überfallkommando. Wir checken einfach nur, ob alles o. k. ist.

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Falls ja, wissen wir, dass sich niemand um das Gelingen des ersten

Luckenwalder Mensch-Tier-Weihnachtsfestes Sorgen machen muss. Wir

bleiben im Versteck, bis die Probe zu Ende ist, und schleichen zurück! Und

falls nein, reden wir vernünftig mit Malte und den anderen, die beim

Krippenspiel mitmachen."

Paule und Pawel zögerten noch ein wenig, aber sie sahen ein, dass ihre

Schwester recht hatte.

Als Zeichen ihres Einverständnisses sagten sie: „Jou, Sister!", und klatschten

einander ab.

„Und nicht vergessen: im Fall der Fälle – Mission X“, erinnerte Paule und

formte das Zeichen noch einmal.

Es sah sehr verwegen aus.

An diesem Abend gingen Paulea, Paule und Pawel früh ins Bett und standen

in tiefer Nacht auf.

Sie trafen sich im Flur und verließen lautlos das Direktorenhaus.

Pawel war ein Meister darin, Türen geräuschlos zu öffnen und zu schließen.

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Draußen horchten sie in die Dunkelheit.

Vom zentralen Festplatz drangen Geräusche.

Die Kinder schlichen los.

Sie huschten von einem Gebüsch zum nächsten, robbten über einen

Besucherweg und verbargen sich schließlich sorgfältig hinter dem

Kioskhäuschen, wo tagsüber im Sommer Eis und im Winter heißer Tee

verkauft wurde.

Vorsichtig lugten sie dahinter hervor.

Das Versteck war gut gewählt.

Es bot gute Aussicht auf das Geschehen, das auf dem Festplatz im

schummrigen Licht der großen Weihnachtsbaum-Laterne vor sich ging.

Paulea, Paule und Pawel schauten eine Weile ungläubig zu.

„Kneift mich mal", murmelte Pawel nach einer Weile.

Er hockte ganz unten. Seine Schwester direkt über ihm zwickte ihn leicht.

„Autsch", murmelte Pawel. „Ich muss also wach sein."

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„Na, super", sagte Paule und Paulea seufzte: „Das ist ja eine schöne

Bescherung!“

Mitten auf dem Platz standen kunstvoll übereinandergestapelt sämtliche

Besucherbänke.

Die oberste zierte eine Decke aus dunkelrotem Samt, und die Sitzhocker, die

normalerweise rund um den Kiosk herumstanden, bildeten eine Treppe hinauf

zum Thron.

Der Waldkauz Elke hockte verdrießlich auf der Rückenlehne und trug einen

kleinen Helm mit einem Kreuz obendrauf.

Auf jedem Hocker lag bäuchlings eine Zwergziege und diente als Teppich.

Das Stachelschwein Robert und das Hängebauchschwein Leonie standen

hinter dem Thron, hielten Fächer aus Reisig in den Klauen und mühten sich

um Gleichgewicht.

Ein paar Meter neben dem Bauwerk stand ein kleiner Klappstuhl.

Die Rückenlehne trug die Aufschrift Regie Krippenspiel.

Darin saß Padre mit lässig übereinandergekreuzten Hinterpfoten, gestikulierte

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in einem fort mit den Vorderpfoten und gab strenge Anweisungen: „Elke, so

doof guckt kein Zepter aus der Wäsche! Du bist das Zepter des Heilands!

Schau positiv!"

Im nächsten Moment rief er: „Der Heiland kommt!! Wo bleibt die Lobpreisung,

Teppichfliesen … äh Teppichziegen?!"

Ein Gequietsche und Getrappel näherte sich.

Ein Fahrradanhänger tauchte auf.

Er wurde dreispännig gezogen, und die Zugtiere waren der Esel Fritz, das

Lama Ricarda und der Strauß John.

Im Karren fläzte der Löwe Malte, blinzelte zufrieden vor sich hin und winkte

huldvoll in eine unsichtbare Zuschauermenge.

„Spatzen, wo bleibt ihr?!", rief Padre, und: „Ziegen, wirds bald?!"

Die Spatzen zischten durch die Luft und warfen goldglitzerndes Konfetti.

„Uns ist heute der Heiland geboren!", meckerten die Zwergziegen.

„Er heißt Malte, ist ein König, und das ist nicht gerade wenig! Da kommt er

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schon so stolz und froh – im Mercedes-Cabrio! Juhu! Juhu!“

Malte erhob sich und legte in einer Pose der Bescheidenheit die dicken

Vorderpfoten zusammen.

„Richtig, genau der bin ich, euer König und Heiland, der immer für euch da ist!

Und vergesst nicht, mir oben auf meinem Thron gleich wieder ordentliche

Futterportionen zu reichen. Das gehört zu jeder Probe. Ihr wisst schon:

Chicken-Nuggets und so weiter.“

Vorfreudig schleckte er sich über sein großes Löwenmaul und trampelte über

die Rücken der Bergziegen zu seinem Thron hoch.

Die Jubelziegen ächzten unter dem Gewicht ihres Königs.

Paulea, Paule und Pawel kreuzten ihre Zeigefinger: Mission X!

Die drei Kinder sprangen zugleich hinter dem Kiosk hervor, und ihr Ruf klang

wie ein Signal zum Angriff durch die Nacht: „Schluss mit dem Quatsch!"

„Huch!", japste der Löwe, verlor das Gleichgewicht und polterte die Treppe

hinunter.

Das Thron-Bauwerk begann zu wanken.

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Dann stürzte es krachend zusammen und begrub den Löwen unter Bänken,

Sitzhockern, einem Stachel- und einem Hängebauchschwein und einem

Knäuel aus schimpfenden Zwergziegen.

Padre sprang den Kindern wild entgegen.

„Was zur Hölle macht ihr hier?!“ Er zog die Lefzen hoch.

Auch ein Königspudel hat Reißzähne.

Sie leuchteten weiß und scharf, und aus Padres Maul drang ein fürchterliches

Knurren.

„Weg mit euch, dumme Menschen-Welpen!" Paulea, Paule und Pawel starrten

ihn entsetzt an.

Das war nicht ihr Familienhund. Dieses Wesen war eine unbekannte,

furchterregende Kreatur.

„Was jetzt?!", flüsterte Paule.

„Weiß nicht", flüsterte Paulea.

„Platz", hauchte Pawel.

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„Wie bitte?", flüsterte Paulea.

„Ja, das ist es: Platz!", sagte Pawel beschwörend.

„Paulea, sag du es. Auf dich hört er am besten. Du musst es sagen! Befiehl es

mit aller Kraft, die du hast!"

Plötzlich verstand Paulea ihren Bruder.

Denn es war genau dieser Befehl, den sie in der Hundeschule mit Padre so oft

geübt hatte, bis er traumwandlerisch sicher funktionierte!

„Platz!!!“, verlangte sie mit der allmächtigen Stimme einer Rudelführerin.

Diesen Befehl hatte sie in der Hundeschule mit Padre so oft geübt, bis er

traumwandlerisch sicher funktionierte!

Der Pudel zog den lockigen Schwanz ein.

„Platz!!!", wiederholte Paulea. „Sofort!“

Padre zuckte und wand sich, doch dann folgte er der Anweisung.

Er konnte nicht anders. Hundeschule ist Hundeschule.

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Padre war ein stolzer Königspudel mit wilden Umsturzideen, aber er war eben

auch nichts anderes als ein Hund.

„Bleib!", forderte Paulea grimmig. „Keine Pfote rührt sich! So ist gut. Und jetzt

erzähl uns, was hier los ist. SOFORT!"

Padre sank zu Boden wie ein Bettvorleger.

Er winselte und jaulte erbärmlich und beichtete alles – angefangen von all

den falschen Weihnachtsbräuchen, die er Malte eingeflüstert hatte, bis hin zu

seinem Plan, selbst zum König der Tiere ausgerufen zu werden.

„Das falsche Krippenspiel hätte das Fass zum Überlaufen gebracht", schniefte

Padre.

„Euer Vater hätte niemals akzeptiert, dass Malte sich als Heiland feiern lässt.

Ich wäre an seiner Stelle König der Tiere geworden. Schließlich bin ich ein

Königspudel. Und jetzt ist alles aus."

„Zum Glück", sagte Paulea.

Pawel und Pawel nickten grimmig.

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„Aber das Allerschlimmste … das

Allerschlimmste ist …“

Padre hielt verzweifelt inne und leckte

sich über die Schnauze.

„Das Allerschlimmste ist … dass ich

der einzige Bewohner des ganzen

Zoos bin, der keinen Adventskalender

hat.“

Der Königspudel streckte den Kopf

nach oben, spitzte die Schnauze und

schickte ein herzzerreißendes Heulen

in die Nacht.

Dann sackte er wieder zusammen und rührte sich nicht mehr.

Plötzlich war es auf dem Festplatz sehr still.

Paulea warf Paule und Pawel einen vielsagenden Blick zu und die schauten

erst vielsagend zurück und senkten dann die Blicke zu Boden, als gäbe es

dort etwas zu sehen.

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Auch Malte und die Jubelziegen, die Spatzen, der Esel, das Lama, der Strauß,

das Stachel- und das Hängebauchschwein und der Waldkauz betrachteten

konzentriert den Boden des Festplatzes.

Hätte dort das allerwinzigste Ding der Welt gelegen, es wäre mit Sicherheit

allen aufgefallen, so sehr starrten sie den Boden an.

Alle außer Padre hatten einen Adventskalender bekommen?

Der Königspudel war zwar gewiss ein mieser Hund, aber das war nicht in

Ordnung.

„Was meint ihr, Leute?“, fragte König Malte nach einer Weile zaghaft, aber

seine Augen blitzten dabei schon wieder unternehmungslustig.

„Kriegen wir noch einen hin?"

„Ia – ja", knarrte der Esel Fritz.

„Wir sind immerhin Adventskalender-Spezialisten", sagte das Stachelschwein

Robert.

Nach und nach stimmten alle Tiere ein, und die Zwergziegen führten den Chor

an: „Juhu! Juhu! Im Nu, im Nu!“

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Noch in derselben Nacht wurde ein letzter, besonders schöner

Adventskalender gebastelt, und noch in derselben Nacht begannen auch die

Krippenspiel-Proben von Neuem.

Als Padre am nächsten Morgen den ersten Adventskalender seines Lebens

einweihte, hechelte er vor Glück.

Der Kalender war wunderbar mit Bildern von Knochen und Lockenwicklern

bemalt und unglaublich lecker gefüllt und Padre konnte gleich über zwanzig

Adventstürchen auf einmal öffnen.

Dieser Tag war wahrhaftig eines Königspudels würdig.

Die restliche Zeit bis Heiligabend verging schnell und langsam zugleich.

Von neuen Krippenspiel-Proben bis zur Besorgung von Geschenken gab es so

viel zu tun, dass die Stunden kaum reichten.

Und doch zogen sie sich seltsam hin, denn sämtliche Zoobewohner konnten

den Weihnachtstag kaum erwarten.

Endlich aber war es so weit: Am Nachmittag des vierundzwanzigsten

Dezember erlebte Familie Plewka ein ergreifendes Krippenspiel.

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Das Stachelschwein Robert spielte den Josef und das Hängebauchschwein

Leonie die Maria.

Der Löwe Malte, der Pudel Padre und der Strauß John waren die Weisen aus

dem Morgenland.

Das Lama Ricarda und der Esel Fritz traten als Ochs und Esel auf.

Die Spatzen flitzten als Engel herum, und der Waldkauz Elke durfte das

Jesuskind in der Krippe spielen.

Anschließend feierte Familie Plewka mitsamt König Malte, ihrem Pudel Padre

und allen anderen Tieren im Zoo von Luckenwalde gemeinsam zum ersten

Mal einen wunderbaren Heiligen Abend.

Es gab leckeres Essen und herrliches Futter und viele schöne Geschenke und

alle hatten sich lieb.

Padre bekam elf mit festlichen Schleifen versehene Knochen und vierzehn

schön verpackte Kaustangen und japste vor Glück.

Am Ende beschlossen alle, von nun an jedes Jahr zu feiern, und so machen

sie es bis zum heutigen Tag.

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Und wenn ihr das nächste Mal Weihnachten feiert, vergesst doch auch bitte

eure Hamster und Kanarienvögel und all die anderen Tiere nicht.

Frohes Fest!

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König Malte feiert Weihnachten - Teil 2


Geschichte aus: König Malte feiert Weihnachten
Autor: Martin Klein
Illustration: Sabine Rothmund
Verlag: Carlsen Verlag
Alterseinstufung: ab 7 Jahren
ISBN: 978-3-551-55530-4

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