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I

Block III

Der besiedelte
Mensch
II

Nie wieder allein!

Sie sehen sich als Einzelwesen? Sie irren sich. In diesem Block wollen wir das „Ökosystem
Mensch“ betrachten, um die Grundlagen der Ökologie zu behandeln. Welche (vielfältige)
Bedeutung haben Symbiose und Parasitismus für den Menschen? Warum ist die
Nahrungskette nicht nur für Wölfe, sondern auch im Zusammenhang mit Antibiotika
interessant?
III

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie 1


1.1 Biozönose 2

1.2 Stickstoffkreislauf 3

1.3 Aerober und anaerober Abbau organischer Substanzen 4

1.4 Antibiotika in der Nahrungskette 4

2 Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen


Organismen 9
2.1 Wachstum von Bakterien 11

2.2 Wechselbeziehungen zwischen artverschiedenen Organismen 13

2.2.1 Kommensalismus und Symbiose 13

2.2.2 Parasitismus und Räuber-Beute-Beziehungen 18

3 Besondere Eigenschaften von Bakterien 19


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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

1 Grundlagen der mikrobiologischen


Ökologie
Erarbeitungshilfen

• Woraus setzt sich die Biozönose zusammen?


Beschreiben Sie die Komponenten inklusive der
Lebensformen, die sie ausmachen.
• Welche Rolle spielen Mikroorganismen? Welche
ihrer Eigenschaften ist darin besonders wichtig?
• Erläutern Sie, inwieweit Antibiotika auf dem Weg
durch die Nahrungskette zu resistenten Keimen beim
Menschen führen können.
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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

1.1 Biozönose
In Ökosystemen setzt sich die Biozönose (die Lebewesen) innerhalb eines Biotops
(eines Lebensraums) aus Produzenten, Konsumenten und Destruenten zusammen.

Produzenten sind alle Grünpflanzen und grüne Algen. Sie sind autotroph,
„Selbstversorger“. Durch Photosynthese binden sie etwa ein Prozent der einfallenden
Sonnenenergie in Molekülen als Energievorrat und als Baustoffe.

Konsumenten sind Lebewesen, die energetisch von den Produzenten abhängig sind.
Man nennt sie heterotroph, denn sie verwerten durch Nahrungsaufnahme, entweder
direkt als Pflanzenfresser oder indirekt als Fleischfresser, ein bis zehn Prozent der durch
die Produzenten gebundenen Sonnenenergie.

Tote organische Rückstände (Pflanzenreste, Kadaver, Exkremente) der Produzenten


und Konsumenten werden durch Destruenten zu anorganischen Stoffen (z.B.
Kohlendioxid, Wasser, Stickstoffsalze) abgebaut und damit dem Nährstoffkreislauf des
Ökosystems wieder zur Verfügung gestellt. Destruenten sind Bakterien, Pilze und
Kleinsttiere, die an Land meist im Boden zu finden sind.

Biozönosen bestehen aus verschiedenen Teilkreisläufen, die sich auch über Luft,
Wasser und Boden erstrecken können.

Abbildung 1.1: Biozönose


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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

1.2 Stickstoffkreislauf
Wir wollen exemplarisch den Stickstoffkreislauf betrachten, an dem vielerlei
Bodenbakterien beteiligt sind.

In der → Abbildung 1.2 können Sie erkennen, wie Stickstoff, ein wichtiger Bestandteil
jedes Proteins, unterschiedliche Verbindungen mit Sauerstoff und Wasserstoff eingeht.
Die Auf- und Abbauprozesse erfolgen größtenteils durch Bakterien, wo der Stickstoff in
Form verschiedener Ionen gebunden wird.

Die hier abgebildeten Auf- und Abbauprozesse sollen exemplarisch verdeutlichen,


wie Nährstoffe in Ökosystemen zirkulieren – Sie müssen sich die einzelnen Prozesse nicht
merken. Für Menschen sind besonders die Abbauprozesse – auch in zahlreichen anderen
Kontexten – wichtig, denn wir wenden diese Prozesse häufig an: Zum Beispiel zur
Herstellung bestimmter Lebensmittel oder zur Bereitstellung bestimmter
Speicherformen von Energie.

Abbildung 1.2: Stickstoffkreislauf


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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

1.3 Aerober und anaerober Abbau organischer


Substanzen
Biomasse kann durch Mikroorganismen auf verschiedene Arten abgebaut werden.
Aerob, also wenn Sauerstoff vorhanden ist, sowie anaerob, ohne Sauerstoff.

Viele Abbauprozesse – und damit die Rückführung vieler Stoffe in den Kreislauf –
werden erst möglich, weil Mikroorganismen aerob und anaerob atmen können. Denn
damit geht eine Vielfalt an Stoffwechselwegen einher, welche chemisch neue Wege öffnen.

Bei der aeroben Atmung wird die Biomasse zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut.
Dieser Prozess findet beispielsweise auch bei der Kompostierung statt.

Bei den anaeroben Abbauprozessen unterscheidet man die anaerobe Atmung von
der Gärung. Als anaerobe Atmung bezeichnet man Prozesse, bei denen nicht Sauerstoff
als finaler Elektronenakzeptor dient, sondern ein anderer anorganischer Stoff,
beispielsweise Nitrat. Bei der Gärung dienen organische Verbindungen als finale
Elektronenakzeptoren. Den Prozess der Gärung kennen wir von der Milchsäuregärung
(durch Milchsäurebakterien) und der alkoholischen Gärung (durch Hefen). Gärung liefert
im Gegensatz zur anaeroben Atmung nur wenig Energie, die Endprodukte sind immer
noch sehr energiereich.

Die Gärung spielt aber auch beim Thema Energie eine besondere Rolle: Denn auch die
Produktion von Biogas ist eine Vergärung (von Biomasse). So werden beispielsweise
Dung und Gülle unter Zusetzung von nachwachsenden Rohstoffen oder auch von Bioabfall
(Kofermentation) zu methanhaltigem Gas vergoren.

1.4 Antibiotika in der Nahrungskette


Wir haben bereits erfahren, dass die Biozönose – die Lebewesen innerhalb eines
Ökosystems – sich aus Produzenten, Konsumenten und Destruenten zusammensetzt.
Nährstoffe und Energie zirkulieren im Ökosystem in einer schier unendlichen Anzahl
von Kreisläufen. Genau diese Tatsache stellt aber leider in unserer heutigen Welt ein
großes Problem dar: Geraten persistente Stoffe in diese Kreisläufe, die stabil zirkulieren,
sind sie nicht mehr so leicht aus dem Ökosystem zu entfernen. Das ist dann
problematisch, wenn es sich um Stoffe handelt, die für Mensch und Umwelt schädliche
Wirkungen haben können.

Um das zu verstehen, müssen wir das Zusammenspiel von Biozönose und


Umweltfaktoren noch etwas differenzierter betrachten. Innerhalb der Biozönose ist der
Begriff der Nahrungskette wichtig:
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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

Am Anfang der Nahrungskette stehen die Produzenten. Die Konsumenten kann man
nach sogenannten Trophiestufen unterteilen.

Die Primärkonsumenten, die Phytophagen (Pflanzenfresser), ernähren sich von


den Produzenten. Sie dienen wiederum den Sekundärkonsumenten (Räuber) als
Nahrung. Je nach Ökosystem kann es noch einige weitere Stufen bis hin zum
Endkonsumenten (z.B. dem Menschen) geben. Der Kreislauf wird durch die
Destruenten geschlossen.

Schadstoffe reichern sich mit jeder Trophiestufe weiter an, so dass sie für Lebewesen
giftige Konzentrationen erreichen können. Hierzu gehören neben Schwermetallen und
Mikroplastik auch einige Antibiotika, bei denen es sich um Pharmazeutika mit
unterschiedlicher Stabilität und biologischer Abbaubarkeit handelt, auf die in Block IV,
Kapitel 1.2.9 noch näher eingegangen wird.

Antibiotika sind jedoch nicht nur wegen ihrer möglichen Anreicherung innerhalb der
Nahrungskette „interessant“.

Antibiotika werden sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin eingesetzt. Im
Jahr 2016 wurden in Deutschland 742t Antibiotika in der Tiermedizin eingesetzt und 666t
von Krankenhäusern, Ärzten und Apothekern abgegeben. Dabei sank der Einsatz von
Antibiotika als Tierarzneimittel (TAM) im Vergleich zu 2011 (1706t) um gut die Hälfte,
während die Verwendung als Humanarzneimittel (HAM) im gleichen Zeitraum leicht
anstieg (von 624t).

Innerhalb der konventionellen landwirtschaftlichen Tierhaltung werden Antibiotika


in der Einzeltierbehandlung sowie metaphylaktisch bei bekanntem Infektionsdruck zur
Behandlung großer Tiergruppen oder gesamter Bestände eingesetzt. Bei Letzteren
werden naturgemäß größere Mengen an Antibiotika eingesetzt und können dann auch in
die Umwelt gelangen. Metaphylaktisch bedeutet, dass in diesen Fällen die pathogenen
Erreger in einem Tierbestand nachgewiesen wurden und die Antibiotika zur Vermeidung
einer klinischen Erkrankung eingesetzt werden.

Die Abbildung 1.3 verdeutlicht, wie die Antibiotika in die Umwelt gelangen. Dabei
muss man sich klarmachen, dass ein Großteil der Wirkstoffe – je nach Antibiotikum
zwischen 10 und 90 % – ausgeschieden werden. Antibiotika können über die Abwässer
von Kläranlagen oder über Klärschlämme, die auf Böden ausgebracht werden, in die
Umwelt und damit auch ins Grundwasser gelangen. Analoges gilt für Jauche, Gülle und
Stallmist, die als Wirtschaftsdünger eingesetzt werden.

Hierüber werden jedoch nicht nur Antibiotika (und -Rückstände) in die Umwelt
eingetragen, sondern auch antibiotikaresistente Bakterien (ARB). Durch die relativ
hohe Bakteriendichte gerade in diesen Düngemedien können Resistenzen auch leichter
von einer Bakterienspezies auf andere übertragen werden (genauere Informationen
folgen in Block IV, Kapitel 1.3.4 und 1.3.5).
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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

Abbildung 1.3: Die Einträge von Arzneimitteln und deren Rückstände in die Umwelt

Antibiotika können sich in der Umwelt an verschiedenen Stellen schädlich auswirken.


Beispielsweise schädigen Makrolidantibiotika und Sulfomethoxazol in entsprechender
Konzentration Algen und Cyanobakterien, die am Anfang der Nahrungskette in
aquatischen Ökosystemen stehen. Dies kann das natürliche Nahrungs- und Ökosystem
aus dem Gleichgewicht bringen. Darüber hinaus kann es einen höheren Aufwand bei der
Trinkwasseraufbereitung erfordern. Multiresistente Bakterien aus der
Masttierhaltung (LA-MRSA, (livestock-associated MRSA) konnten in Badegewässern, in
der Umgebung von Mastanlagen, sowie als Schleimhautbesiedelung von dort tätigen
Personen nachgewiesen werden. In Regionen, in denen Tiermast sehr verbreitet ist,
konnten auch in Krankenhäusern erhöhte Werte von LA-MRSA beispielsweise in
infizierten (Operations-)Wunden festgestellt werden.

Von LA-MRSA unterscheiden sich HA-MRSA (hospital-associated MRSA), und CA-


MRSA (community-acquired MRSA) durch sowohl durch ihre genomischen Eigenschaften
als auch ihr vorrangiges Auftreten. Als Besiedler und Infektionserreger besitzen
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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

verschiedene MRSA zoonotische Relevanz, auch wenn ihre Wirtsspezifizät


unterschiedlich ausgeprägt ist.

Eine Adaption von Bakterien und damit verbundene genetische Veränderungen


betreffen in verschiedenen untersuchten Bakterien vorwiegend mobile genetische
Elemente (vgl. Kap. 1.4 in Block IV) und nicht das Core-Genom.

Mit jeder Antibiotikaanwendung steigt die Gefahr der Verbreitung von Resistenzen,
da Antibiotika einen Selektionsdruck auf die vorhandenen Bakterienstämme erzeugen. So
existieren gegen Standardantibiotika, wie Tetracycline oder Aminopenicilline
Resistenzen, sodass im Krankenhaus zunehmend sogenannte Reserveantibiotika
eingesetzt werden, die eigentlich schwerwiegenden Infektionen vorbehalten sind.

In Deutschland werden pro Jahr ungefähr 18 Millionen Menschen vollstationär


behandelt. Nach Schätzungen einer Studie unter Beteiligung des Robert Koch Institutes
geht man in Deutschland von 400-600.000 nosokomialen Infektionen aus. Die Zahl der
Todesfälle liegt geschätzt zwischen 10.000 und 20.000, wobei zu berücksichtigen ist,

Abbildung 1.4: Antibiotikaresistenz in der kindlichen Darmflora


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Kapitel 1 – Grundlagen der mikrobiologischen Ökologie

„…dass viele Betroffene an schweren Grundkrankheiten leiden, die bereits ohne


Krankenhausinfektion häufig zum Tod führen.“ [15]

Die Auswirkungen des heutigen Antibiotikaeinsatzes lassen sich schon bei kleinen
Kindern beobachten: Eine Studie stellte 2013 fest, dass die kindliche Darmflora bereits
Resistenzen gegen einen Großteil der gängigen Antibiotika trägt (→ Abb. 1.4).

Die multiresistente Darmflora an sich ist ambivalent zu sehen: Einerseits wird die
Darmflora durch Antibiotikagabe nicht so stark geschädigt, andererseits können die
Resistenzen im Darm auch an pathogene Keime übertragen werden. Wie es dazu
kommen kann, beschreiben wir im Kapitel Bakteriengenetik.
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

2 Populationsdynamik und
Wechselbeziehungen zwischen
Organismen
Erarbeitungshilfen

• Nennen und beschreiben Sie die Phasen bakteriellen


Wachstums.
• Erläutern Sie die Zunahme der Mikroorganismen bei
exponentieller Vermehrung.
• Beschreiben Sie die unterschiedlichen Möglichkeiten
der interspezifischen Wechselwirkungen.
• Warum entwickelt sich das Immunsystem von
Säugern nicht normal, wenn die körpereigenen
Besiedler fehlen? Nennen Sie die beiden wichtigsten
Faktoren.
• Welche Störungen führen Antibiotika in die
körpereigene Bakteriengesellschaft ein?
• Wie schädigen Parasiten den Wirt im Gegensatz zu
Räubern?
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

Die Biozönose, also die Gesamtheit aller Lebewesen im Ökosystem, besteht aus vielen
verschiedenen Organismen. Populationen nennt man Gruppierungen von Lebewesen
einer Art, aber natürlich besteht die Biozönose aus vielen verschiedenen Arten. Wir
wollen im nächsten Abschnitt betrachten, wie sich Lebewesen innerhalb einer Population
beeinflussen können, aber auch, wie das Zusammenleben verschiedener Arten
gegenseitigen Einfluss nimmt.

Die Dynamik (Veränderung in der Größe) von Populationen ist von vielen
verschiedenen Faktoren abhängig. Den Einfluss dieser Faktoren versucht die
Populationsdynamik anhand verschiedener Modelle zu beschreiben. Wir wollen den
einfachsten Fall einer isolierten Population betrachten und wählen das bakterielle
Wachstum als Modell.

In Ihrer ärztlichen Praxis spielen gerade Bakterienkulturen eine wichtige Rolle. Es


kommt immer wieder vor, dass ein Krankheitserreger erst nach Anlegen einer Kultur
identifiziert werden kann.
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

2.1 Wachstum von Bakterien


Modelle, die das Wachstum einzelner Population besprechen sind maßgeblich
dichteabhängig. Das bedeutet, die Dichte einer Population ist der Hauptfaktor, der das
Wachstum beschreibt. Diese Modelle nehmen als Grundlage ein exponentielles Wachstum
an.

Wir wollen als Beispiel dafür das Wachstum von Bakterien betrachten. Generell folgt
das bakterielle Wachstum einer Kurve, die in vier Phasen unterteilt werden kann
(→ Abb. 2.1).

Abbildung 2.1: Die vier Phasen des bakteriellen Wachstums

1. Die Latenzphase: In der Anlaufphase (oder englisch lag phase) müssen die
Bakterien die zur Verfügung stehenden Rohstoffe erst analysieren und
möglicherweise erst die Gene exprimieren, die zur Verwertung benötigt
werden. Dies nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch – abhängig von der
Bakterienspezies und dem Nährmedium bzw. der Verfügbarkeit der
Nährstoffe in der Umgebung.

2. Die Exponentielle Phase: Während der exponentiellen Phase (engl. log


phase) wachsen Bakterien am schnellsten. Unter optimalen Umständen
geht die Bakterienkultur in ein exponentielles Wachstum über. Das
bedeutet, Anzahl und Biomasse der Mikroorganismen nehmen exponentiell
zu, nämlich mit jeder Generation um den Faktor zwei (21, 22, ...). Dabei
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

entstehen innerhalb von 10 Generationen aus einer Zelle etwa 1000


(210 = 1024) Nachkommen, innerhalb von 20 Generationen etwa 1 Million
usw.. Man kann sich am Beispiel verdorbener Lebensmittel klar machen,
was das bedeutet: Die Zahl an Salmonellen (oder auch von E. coli) in
tierischen Lebensmitteln wie Speiseeis oder Mayonnaise kann sich bei
unterbrochener Kühlkette und Außentemperaturen zwischen 20 und 40 °C
alle 20 Minuten verdoppeln. Die Zahl der Bakterien vertausendfacht sich so
in knapp dreieinhalb Stunden! Diese Generationszeit ist allerdings auch für
Bakterien sehr kurz. Andere, wie Mycobakterium tubercolosis, teilen sich
sehr viel langsamer und benötigen über 12 Stunden für die Verdopplung
der Zellen.

3. Die Stationäre Phase ist durch ein dynamisches Gleichgewicht


gekennzeichnet. Die Zahl der absterbenden und durch Zellteilung
hinzukommenden Bakterien hält sich in etwa die Waage, da langsam die
Kapazitätsgrenzen bezüglich Raum und Ressourcen erreicht werden.

4. Die Absterbephase zeichnet sich durch eine sinkende Bakterienzahl aus.


Das passiert, wenn die Nährstoffe im Medium zur Neige gehen und die
Bakterienzellen verhungern. Außerdem macht den Bakterien nun die hohe
Populationsdichte zu schaffen. Sie sterben an den konzentrierten
Ausscheidungsprodukten ihres eigenen Stoffwechsels. Manche Bakterien
scheiden bei hohen Dichten sogar spezielle Toxine aus, um die
Nahrungskonkurrenz zu verringern. Die Konzentration dieser Giftstoffe
steigt dann mit zunehmender Populationsdichte.
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

2.2 Wechselbeziehungen zwischen


artverschiedenen Organismen
Die Konkurrenz um Ressourcen betrifft nicht nur Individuen derselben Art. Man
sollte sich bewusst machen, dass die Situation schnell komplizierter wird, wenn mehrere
Arten aufeinandertreffen.

Man unterscheidet die intraspezifischen Wechselbeziehungen, also


Wechselwirkungen zwischen den Mitgliedern einer Art, von den interspezifischen
Wechselbeziehungen zwischen den Mitgliedern verschiedener Arten. Diese
Wechselwirkungen können Einfluss auf die Überlebens- und Fortpflanzungsfähigkeit des
Individuums (Fitness) und damit auch auf die Entwicklung der Populationsdichte einer
Art in einem Ökosystem haben. Die Wechselbeziehungen zwischen zwei Arten können
verschiedene Auswirkungen auf die Populationsdichte haben. Klassischerweise
unterscheidet man drei Möglichkeiten:

• Kommensalismus: Eine Art zieht Nutzen aus der Beziehung, die andere wird
nicht beeinflusst.
• Symbiose: Beide Arten ziehen Nutzen aus der Beziehung.
• Antibiose: Diese umfasst mehrere Möglichkeiten, unter anderem:
o Konkurrenz auf interspezifischem Niveau: Beide Arten werden durch die
Beziehungen benachteiligt.
o Prädation (Raub) und Parasitismus: Eine Art zieht Nutzen aus der
Beziehung, schädigt aber gleichzeitig die andere Art.

2.2.1 Kommensalismus und Symbiose


Betrachten wir das Zusammenleben verschiedener Arten im Falle des
Kommensalismus und der Symbiose, indem wir das „Ökosystem Mensch“ etwas genauer
vorstellen.

Auf den ca. zwei Quadratmetern Haut, die unseren Körper bedecken, tummeln sich
etwa so viele Bakterien wie es Menschen auf der Erde gibt. Über den ganzen Körper
betrachtet kommen auf jede Körperzelle zehn Bakterienzellen, die uns besiedeln [3, 14].
Steriles Leben ist nicht möglich. Versuche, in denen Mäuse und Ratten unter sterilen
Bedingungen aufgezogen wurden, stellten klar heraus, dass diese Tiere kein normal
funktionierendes Immunsystem entwickeln konnten [4]. Sie entwickelten beispielsweise
eine extrem erhöhte Neigung zu Allergien, Autoimmunerkrankungen des Darmes und
Diabetes. Das liegt auch daran, dass Bakterien, die einen Körper besiedeln, mit dem
Immunsystem kommunizieren. Fehlen bestimmte Signale, hat das gravierende
Auswirkungen auf die Funktionsweise des Immunsystems und des ganzen Körpers. [5],
[6]
14
Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

Neben den direkten Effekten auf das Immunsystem haben Bakterien auch die
wichtige Funktion, bestimmte Nährstoffe zu produzieren. Fehlen die Bakterien,
entwickeln wir Mangelerscheinungen.

Den wohl besten Eindruck des Ökosystems Mensch erhält man, wenn man den
menschlichen Darm betrachtet. In jedem Gramm Darm leben sogar noch mehr Bakterien
als Menschen auf der Erde. Über die genaue Zahl der verschiedenen Arten und deren
Zusammensetzung ist noch nicht viel bekannt, da diese Forschung methodisch recht
anspruchsvoll ist. Schätzungen gehen von etwa tausend bis anderthalbtausend
verschiedenen Arten von Mikroben im Darm aus.

Was die Zusammensetzung betrifft, konnte in den letzten Jahren ein bisschen Licht
ins Dunkel gebracht werden. Es zeichnen sich drei Haupt-Enterotypen ab, also

Abbildung 2.2: Die Haupttypen menschlicher Darmbesiedlung

Variationen der Darmbesiedlung bei verschiedenen Menschen, die jeweils von einem
Bakterienstamm dominiert werden [7]. Diese Typen sind in → Abb. 2.2 dargestellt. Diese
Abbildung soll durch die grafische Darstellung ein besseres Bild von den Unterschieden
vermitteln. Sie müssen sich nicht merken, welche Bakterien beteiligt sind.

Die drei Enterotypen unterscheiden sich in der Zusammensetzung der


Bakterienspezies und durch ihr funktionelles Spektrum, also Enzyme, Proteine,
Stoffwechselwege (der Bakterien) und ähnlichem.

Ein wichtiger Umweltfaktor für die Darmbesiedlung ist die Ernährung – denn die
Erhöhung des Ballaststoffanteils in der Nahrung führt zu einer höheren bakteriellen
Diversität im Darm [8]. Für Sie ist vielleicht auch interessant, dass man einen
Zusammenhang zwischen der Diversität der Darmbesiedlung und dem selteneren
Auftreten von Symptomen des metabolischen Syndroms beobachten kann.
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

Die jeweiligen Arten sind außerdem je nach Art der Ernährung sehr „flüchtig“: Es
dauert gerade einmal einen Tag, bis sich die Darmflora an eine neue Ernährungsweise
anpasst. Strömt vorwiegend pflanzliche Nahrung durch den Verdauungstrakt, vermehren
sich Fasern und Kohlenhydrate liebende Bakterien. Ist es hauptsächlich Kost tierischen
Ursprungs, dominieren Mikroben, die Proteine und Fett zerlegen können.

Man ist heute aber noch weit davon entfernt, die Enterotypen oder gar spezifische
Bakterien als Marker für bestimmte Stoffwechselvorgänge und -zustände nutzen zu
können. Künftig wird die Darmbesiedlung aber hoffentlich helfen können, den Patienten
in seiner Individualität zu beschreiben und diagnostisch besser angepasste
Ernährungshinweise oder medikamentöse Therapien zu entwickeln.

Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass der Mensch – genauso wie
andere Tiere – ohne seine Enterosymbionten bestimmte Nährstoffe gar nicht erschließen
könnte, und er insgesamt sehr viel weniger Energie und Nährstoffe aus der Nahrung
aufnehmen könnte. Daher ist das Zusammenleben von Mensch und Bakterien ein
klassisches Beispiel für eine Symbiose, da beide Partner vom Zusammenleben profitieren.
Trotzdem werden unsere Mitbewohner – leider auch in der Fachliteratur – meist noch als
Kommensale bezeichnet. Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Sie über den Begriff
stolpern. Neben dem Darm sind unsere Besiedler auch an anderen Stellen unverzichtbar:
Auf unserer Haut und den Schleimhäuten (auch in der Lunge [9]) bilden sie einen
Schutzschild, der von Krankheitserregern nur schwer durchdrungen werden kann. Jede
nach außen zugängliche Oberfläche des Menschen ist also von einer schützenden
bakteriellen Schicht überzogen! Vor diesem Hintergrund wollen wir noch betrachten,
welche Auswirkungen die Antibiotikagabe auf das bakterielle Ökosystem hat ([5], [6],
[10]).
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

Abbildung 2.3: Der besiedelte Mensch

Antibiotika stören das Gleichgewicht: Auswirkungen auf das Immunsystem

Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass die meisten Antibiotika nicht nur spezifisch
gegen den jeweiligen Krankheitserreger vorgehen, zu dessen Behandlung sie eingesetzt
werden, sondern auch Auswirkungen auf die Gesamtheit unserer Oberflächenbesiedler
haben.

Bisher ist man davon ausgegangen, dass sich die bakterielle Gemeinschaft kurz nach
der Medikamentengabe regeneriert. Einige neuere Studien zeigen allerdings, dass die
Störung des Ökosystems auch sehr langfristige Folgen hat. Während und direkt nach der
Antibiotikagabe verringert sich die Populationsdichte bei der Hälfte aller Bakterienarten
drastisch. Einige Spezies werden dabei gänzlich eliminiert. Häufig ist bei einmaliger Gabe
etwa nach einer Woche die ursprüngliche Zusammensetzung der Darmflora größtenteils
wiederhergestellt. Weitere Einsätze innerhalb weniger Monate führen dann allerdings zu
deutlichen bakteriellen Unterschieden, die noch Monate später erhalten bleiben –
manchmal sogar jahrelang!
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

Welche Auswirkungen hat das auf den menschlichen Wirt? Durch die veränderte
bakterielle Gemeinschaft werden einige Patienten anfälliger für Infektionen.
Nachgewiesen ist eine höhere Anfälligkeit gegenüber Salmonella spp. nach Streptomycin-
Gabe, die verschwindet, wenn die ursprüngliche bakterielle Diversität wiederhergestellt
ist. Neomycin und Vancomycin können die Darmflora so verändern, dass sie zu mehr als
97 Prozent aus bestimmten Enterokokken besteht.

Clostridium difficile gilt als Hauptverursacher nosokomialer (im Krankenhaus


erworbener) Durchfallerkrankungen, da das Bakterium resistente Sporen produziert, die
im Krankenhaus schwer eliminierbar sind. Ist die körpereigene Abwehr zu schwach oder
gar nicht vorhanden, kann der Krankheitserreger bei oraler Aufnahme zur Infektion
führen. Die Infektion erfolgt nur im Zusammenhang mit Antibiotika wie Clindamycin,
Cephalosporinen oder Fluorchinolonen. Neben akuten Durchfällen kann C. difficile auch
Colitis verursachen.

Auch die Anfälligkeit gegenüber viralen Infektionen erhöht sich: Mikrobiota


induzieren die Bildung bestimmter Pro-Cytokine, die an der Immunantwort gegen
Influenza beteiligt sind.

Ein Zusammenhang mit Asthma, Allergien und anderen Autoimmunerkrankungen


wird diskutiert, auffällig ist eine negative Korrelation von juvenilem Asthma mit dem
Vorhandensein von Helicobacter pylori, der durch Antibiotikaeinsatz häufig eliminiert
wird.

Es ist also leicht ersichtlich, dass Antibiotika einen negativen Einfluss auf das
Mikrobiom, die Immunität und damit auch die Gesundheit an sich haben können. Das
ändert allerdings nichts daran, dass Antibiotika Leben retten, indem sie schwere
Infektionen eindämmen oder eliminieren. Damit das auch in Zukunft so bleibt, sollte ihr
Einsatz nur nach sorgfältiger Abwägung erfolgen.

Ein Weg, um den negativen Effekten zu begegnen, ist der Einsatz von Probiotika, also
lebenden Bakterien. Im Tierversuch konnte nach Streptomycin-Gabe durch den Einsatz
anaerober Mikroben die häufig auftretende Infektion mit Salmonellen teilweise
verhindert werden. Der Einsatz einer Mischung aus Streptococcus thermophilus,
Lactobacillus casei und Lactobacillus bulgaricos kann bei Menschen die Darmprobleme
durch C. difficile verhindern.

Doch zurück zu den verschiedenen Formen des Zusammenlebens. Wir haben nun
einiges darüber erfahren, wie wir als Menschen von Mitbewohnern profitieren. Natürlich
gibt es auch Lebewesen, die uns weniger gewogen sind.
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Kapitel 2 – Populationsdynamik und Wechselbeziehungen zwischen Organismen

2.2.2 Parasitismus und Räuber-Beute-Beziehungen


Der Parasitismus ist die Form interspezifischer Beziehungen, bei der eine Art
(Parasit) auf oder im Körper einer anderen Art (Wirt) lebt und sich von dieser ernährt.
Der Parasitismus zeigt Parallelen zum Räubertum. Parasit und Räuber leben von der
organischen Substanz anderer Organismen. Jedoch tötet der Parasit seinen Wirt nicht
sofort; nicht selten sind die Schädigungen für den Wirt unbedeutend. Den entscheidenden
Unterschied zwischen Parasit und Räuber macht folgender Vergleich deutlich: „Der
Räuber lebt vom Kapital und der Parasit von den Zinsen seiner Opfer.“ Die Parasiten
schädigen den Wirt durch Stoffentzug, Gewebezerstörung und vor allem durch die Abgabe
giftig wirkender Produkte. Während der Räuber in der Regel größer als seine Beute ist,
sind Parasiten meist deutlich kleiner als ihre Wirte. Oft leben viele Individuen einer
Parasitenart von einem einzigen Wirtsorganismus. Verschiedene Parasitenarten können
auch gleichzeitig dasselbe Wirtsindividuum befallen.

Als Mediziner sind die Parasiten des Menschen für Sie von Bedeutung. Man kann
menschliche Parasiten nach Ihrem Hauptvorkommen beispielsweise in

• Ektoparasiten (auf dem Menschen)


• Endoparasiten (im Menschen) oder
• Hämoparasiten (Blutparasiten)

unterteilen.

Durch das Leben in der Zivilisation kommen wir heute nur noch sehr selten mit
eukaryotischen Parasiten in Kontakt. Für den Menschen relevante Parasiten sind
hauptsächlich Zecken, Läuse, Stechmücken, Bandwürmer oder Malaria-Plasmodien.
Heutzutage beruht die Schädigung durch Parasiten jedoch weniger auf dem Nährstoff-
und Energieentzug als vielmehr durch die Krankheiten, die der Parasit übertragen kann.
Zecken können in Deutschland beispielsweise die Viruserkrankung FSME (Frühsommer-
Meningoenzephalitis) oder die bakterielle Borreliose übertragen. Eine Liste der
wichtigsten menschlichen Parasitosen, auch mit Hinweisen zur Diagnostik, finden Sie bei
Bedarf auf den Seiten der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) unter:
http://www.cdc.gov/parasites/az/index.html
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Kapitel 3 – Besondere Eigenschaften von Bakterien

3 Besondere Eigenschaften von


Bakterien
19
Kapitel 3 – Besondere Eigenschaften von Bakterien

Intrazelluläre Bakterien sind obligate Parasiten: Chlamydien und Rickettsien

Auch einige Bakterien sind klassische Parasiten des Menschen. Sie haben sich
dauerhaft an das Leben innerhalb von Zellen angepasst. Ein Beispiel dafür sind
Chlamydien. Es handelt sich um obligat intrazelluläre Parasiten, die außerhalb der Zelle
nicht lebensfähig sind. Es gibt mehrere Arten mit klinischer Relevanz, beispielsweise
Chlamydia trachomatis, den Erreger des Trachoms und Chlamydia psittaci, den Erreger
der Psittakose (Papageienkrankheit).

Das Trachom ist eine schwere Augenerkrankung, bei der die Hornhaut vascularisiert
(Gefäße bildet) und vernarbt. Das chlamydiale Trachom ist die Hauptursache für
Erblindung beim Menschen.

Die Psittakose ist eine Vogelkrankheit, die gegebenenfalls auf den Menschen
übertragen werden kann. Symptomatisch ähnelt sie einer Lungenenzündung.

Ebenfalls ausschließlich innerhalb von Zellen leben Rickettsien, Parasiten, die beim
Menschen eine Reihe von mitunter gefährlichen Krankheiten auslösen können. Das
Genom der Rickettsien zählt mit 1,2 bis 1,6 mbp zu den kleinsten bekannten Genomen
überhaupt. Sie lösen das Fleckfieber aus, eine weltweit verbreitete Krankheit. Übertragen
werden die Bakterien durch Läuse oder Flöhe. Zur Übertragung reicht auch schon der
Kontakt mit infiziertem Kot, beispielsweise in floh- oder lausbefallenen Betten. Das
Fleckfieber bricht nach 10 bis 14 Tagen aus und zeichnet sich durch hohes Fieber, einen
schwer angeschlagenen Allgemeinzustand und blaue oder rötliche Einblutungen aus
(daher der Name).
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Kapitel 3 – Besondere Eigenschaften von Bakterien

Das Zusammenspiel von Bakterien und Immunität

Abbildung 3.1: Bakterien und ihr Einfluss auf das Immunsystem

Die Produkte verschiedener besiedelnder Bakterien stimulieren die Produktion


antimikrobieller Peptide wie z.B. Reg3γ durch verschiedene Epithelzellen des Darms.
Solche antimikrobiellen Peptide induzieren auch die Produktion des Mucus, der
Schleimschicht auf der Oberfläche der Darmwand. Diese schützt die Darmwand vor
direktem Kontakt mit Bakterien und hindert diese somit, in den Körper einzudringen.
Durch die Stimulation sorgen die Bakterien also quasi selbst dafür, dass sie im
Darmlumen bleiben. Bakterielles Peptidoglycan induziert zudem die Expression von sog.
Defensinen, anderen antimikrobiellen Peptiden, durch bestimmte Drüsenzellen im Darm
(Paneth-Zellen). Defensine wandern in den Blutstrom, wo sie Neutrophile „scharf
machen“ und dabei ihre Fähigkeit erhöhen, Pathogene zu töten. Auch bei der
Differenzierung bestimmter Follikel im Lymphgewebe des Darmes spielt Peptidoglycan
eine tragende Rolle. Aber auch die intestinale T-Zell Differenzierung und die Produktion
von Immunglobulinen wird durch Darmbakterien in Gang gesetzt: Bacteroides fragilis und
Clostridiales spp. treten in Kontakt mit den Darmzellen und setzen die Expression von
Amyloid A, einem Komplex aus Polysacchariden und Proteinen, im Serum frei. Über einige
Zwischenschritte differenzieren sich so T-Helferzellen. Die Darmbakterien induzieren
zudem die Produktion hochspezialisierter Immunglobuline (IgA) durch B-Zellen.
21
Kapitel 3 – Besondere Eigenschaften von Bakterien

Krieg der Welten


Früchte haben sich entwickelt, um gegessen zu werden. Über Millionen Jahre
hinweg konnten Pflanzen ihre Samen besser durch Tiere verbreiten lassen, wenn sie in
süße Paketchen eingepackt waren. Denn die Fruchtpakete mit Samen werden an einem
Ort in den tierischen Körper aufgenommen, verlassen ihn aber an einem ganz anderen
Ort. Außerdem haben sie freundlicherweise von den Tieren noch nährstoffhaltige
Starthilfe in Form von Kot mit auf den Weg bekommen. Das gab dem Ökologen Daniel
Janzen Rätsel auf. Denn, wenn Früchte zum Essen gedacht waren, warum enthielten sie
dann pflanzliche Sekundärstoffe wie Anthrachinone, Tannine oder Flavonoide, die für
potentielle Fruchtesser und Samenverbreiter weniger attraktiv sind? Wäre es nicht im
Interesse der Pflanze, die Frucht so attraktiv wie nur möglich zu gestalten? Der
Durchbruch gelang ihm, als er realisierte, eine wichtige Komponente bisher nicht
bedacht zu haben: Auch Mikroben konkurrieren um die Nährstoffe der Frucht. In einem
Artikel von 1977 argumentiere er, dass Pflanzen antimikrobielle Stoffe produzieren, um
Mikroben davon abzuhalten, die Früchte zu verdauen bevor sie von den Frugivoren
(also den Fruchtessern, in diesem Fall Menschen und andere Tiere) gegessen werden
konnten, die die Samen verbreiten.[11] Doch auch die Mikroben wissen sich zu helfen.
Denn Tiere vermeiden Früchte, die auch nur den leisesten Hinweis auf mikrobiellen
Befall liefern. Also argumentierte Janzen, dass es für die Keime vorteilhaft sein müsse,
Früchte ungenießbar zu machen. Anders ausgedrückt sollten Bakterien und Pilze, die
in der Frucht gesundheitsschädliche und/oder übelriechende Stoffe produzieren, einen
selektiven Vorteil gegenüber anderen Keimen haben, die dies nicht tun. Die Früchte
werden von Vertebraten nicht angerührt und die Mikroben haben alle Zeit der Welt, um
sich an den Fruchtressourcen zu bedienen. Aber natürlich kostet auch das Produzieren
solcher Stoffe Energie, und es war lange unklar, ob der energetische Gewinn die
Produktionskosten übersteigt. Eine neue Arbeit aus 2014 hat die Idee noch mal
aufgegriffen und anhand mathematischer Modelle zeigen können, dass „Spoiler“ oder
„Verderber-Keime“ unter bestimmten Umständen gegenüber anderen Mikroben
tatsächlich einen Vorteil haben. Denn verdorbene Früchte halten länger vor (als
Früchte die zwar mikrobiell kontaminiert, aber nicht verdorben sind), so dass den
„Spoilern“ mehr Zeit bleibt, die Nährstoffe zu verdauen. [12]
a

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Biozönose 2

Abbildung 1.2: Stickstoffkreislauf 3

Abbildung 1.3: Die Einträge von Arzneimitteln und deren Rückstände in die
Umwelt 6

Abbildung 1.4: Antibiotikaresistenz in der kindlichen Darmflora 7

Abbildung 2.1: Die vier Phasen bakteriellen Wachstums 11

Abbildung 2.2: Die Haupttypen menschlicher Darmbesiedlung 14

Abbildung 2.3: Der besiedelte Mensch 16

Abbildung 3.1: Bakterien und ihr Einfluss auf das Immunsystem 20

Literaturverzeichnis
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[11] D. Janzen H., „Why Fruits Rod, Seeds Mold, and Meat Spoils“, Am. Nat., Bd. 111, Nr.
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[12] G. D. Ruxton, D. M. Wilkinson, H. M. Schaefer, und T. N. Sherratt, „Why fruit rots:


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[13] Costello EK et al. „Bacterial Community Variation in Human Body Habitats Across
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[15] https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2019/

14_2019.html (Stand 02.10.20)

[16]
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/LA_MRSA_und_ESB
L.html?nn=2374030#doc2774670bodyText1, RKI, 2016, (Stand 6.10.2020)

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