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Block IV
Krankheitserreger
II
Inhaltsverzeichnis
von Pilzen 3
1.2 Bakterien 8
werden? 8
1.2.4 Kapsel 13
1.2.5 (Endo-)Sporen 14
1.2.6 Zellwand 15
1.3 Bakteriengenetik 22
DNA 22
1.5 Viren 33
1.5.3 Vermehrungszyklus 36
segmentierten Genoms 39
1.6 Prionen 42
2.2 Händehygiene 47
Hygiene 49
2.4 Impfung 52
Im Block „Der besiedelte Mensch“ haben wir uns schon in die Grundlagen des Mit-
und Gegeneinanders von Organismen eingearbeitet. In den folgenden Abschnitten
werden wir uns nun genauer den verschiedenen Keimgruppen zuwenden, die beim
Menschen Krankheiten verursachen können. Wir wollen unseren Weg durch die Welt der
Krankheitserreger nach dem Ähnlichkeitsprinzip gestalten und fangen mit den Pilzen an.
1 Krankheitserreger und
therapeutische Maßnahmen
Erarbeitungshilfen
Pilze
Bakterien
Bakteriengenetik
Viren
Prionen
1.1 Pilze
Pilzzellen sind unseren Körperzellen sehr viel ähnlicher als Bakterien, Viren oder
Prionen, was die Therapie aber nicht einfacher macht – im Gegenteil.
Pilze (Fungi) sind eukaryotische Lebewesen. Sie gehören weder zu Tieren noch zu
Pflanzen, sondern werden als eigenständige Lebensform betrachtet. Sie ernähren sich wie
Tiere heterotroph.
Neben den Fruchtkörpern der Speisepilze wie Champignons oder Pfifferlinge würde
uns ohne Pilze geschmacklich noch einiges mehr fehlen. Denken Sie dabei an die
Produktion von Brot, Bier und Käse. Eine nette Zusatzinformation am Rande: die
Edelschimmel sind direkt mit dem Pilz verwandt, dem wir das erste Antibiotikum (das
Penicillin) zu verdanken haben.
Fadenpilze besiedeln festes Substrat. Sie bilden darin ein Geflecht aus mikroskopisch
kleinen Fäden, die je nach Art einen Durchmesser von 2 bis 100 µm haben können. Die
einzelnen fadenförmigen Zellen werden „Hyphen“ und das Geflecht „Myzel“ genannt. Die
Gestalt der Hyphen und des Myzels kann man sich bei der lichtmikroskopischen
mykologischen Diagnostik zu Nutze machen, um beispielsweise eine Mykose differentiell
zu bestimmen.
Die Vermehrung bei Pilzen kann geschlechtlich und ungeschlechtlich erfolgen. Die
meisten einzelligen Pilze pflanzen sich asexuell fort, z. B. durch Sprossung. Außerdem
gibt es bei mehrzelligen Pilzen folgende Formen der asexuellen Fortpflanzung:
Die Sporenbildung sollte man nicht mit den bakteriellen Sporen (= Dauerstadien)
verwechseln. Pilze vermehren sich durch Sporen, die sie in Massen produzieren. Schauen
wir uns diesen wichtigen Verbreitungsmechanismus von Pilzen kurz an:
Pilze bilden hauptsächlich sogenannte Konidien, eine bestimmte Form von Sporen.
Sie entstehen durch Umbildung von Hyphen oder an den sogenannten Konidienträgern.
4
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Andere, ebenfalls sehr schädliche Mykotoxine sind die Amantoxine. Sie werden aber
nicht durch Schimmelpilze gebildet, sondern durch bestimmte Vertreter der
Knollenblätterpilze. Sie schädigen den Organismus also nur bei versehentlichem
Konsum der Pilze. Ihre sehr schädliche Wirkung beruht auf der Hemmung der
Transkription durch Blockade der RNA-Polymerase. Dadurch ist quasi jede Art von
Protein im Organismus betroffen: Enzyme werden nicht mehr gebildet, die von ihnen
katalysierten Stoffwechselprozesse kommen zum Erliegen. Strukturproteine werden bei
Alterung nicht mehr ersetzt, Hormone tragen nicht mehr zur Steuerung von
Stoffwechselvorgängen bei und Membranrezeptoren, beispielsweise an Nervenzellen,
werden nicht nachgebildet. Man kann sich nun also vorstellen, warum diese Pilze derart
giftig sind.
Andere Syntheseprodukte von Pilzen sind zwar ebenfalls Toxine, die aber nicht giftig
für Menschen sind. Rund ein Viertel der medizinisch wertvollen Antibiotika stammen aus
Pilzen. Ursprünglich dienen sie dem Pilz als Abwehrstoff gegen Mikroorganismen. Darauf
beruht auch ihre Entdeckung: Ende des 19. Jahrhunderts wurde von mehreren Forschern,
der bekannteste darunter war Alexander Fleming, beobachtet, dass Pilze mikrobielles
Wachstum hemmen. Mehr Informationen zu Antibiotika und ihrem Ursprung finden Sie
im Kapitel „Bakterien“.
5
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Mutterkorn ist ein Pilz, der hauptsächlich in den Ähren von Roggen wächst und
kaum zu erkennen ist. Symptome einer Mutterkornvergiftung, auch Ergotismus
genannt, sind neben Durchfall, Erbrechen und Durchblutungsstörungen auch Krämpfe
und Halluzinationen. Hervorgerufen werden diese durch das im Mutterkorn enthaltene
Alkaloid Ergotamin, das auch den Grundstoff der chemischen LSD-Synthese darstellt.
Zusammen mit dem Kribbeln infolge von Durchblutungsstörungen ergab sich das
Krankheitsbild des „Antoniusfeuers". Man ging im Mittelalter davon aus, dass Hexen
ihre Mitmenschen mit dem Antoniusfeuer verwünschen konnten.
Das Alkaloid wird heute, chemisch synthetisiert, prophylaktisch und therapeutisch
bei verschiedenen Kopfschmerzkrankheiten wie Migräne eingesetzt. Nach wie vor kann
es aber bei Überdosierung Ergotismus auslösen.
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Ihren Ausgangspunkt nehmen diese Pilze aus der Umwelt oder von Schleimhäuten,
die sie normalerweise als Kommensalen besiedeln. Die Pathogenese dieser
Pilzinfektionen wird von erregerspezifischen Faktoren wie auch Störungen im
Immunsystem des Wirtes bestimmt.
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
1.2 Bakterien
Die Bakterienzelle (prokaryotische Zelle, Procyte) unterscheidet sich grundlegend
von der Pilzzelle (eukaryotische Zelle, Eucyte). Wir wollen uns durch die Welt der
Bakterien bewegen, indem wir die verschiedenen Angriffsorte antibakterieller Wirkstoffe
nacheinander betrachten. Was unterscheidet die Procyte von der Eucyte im Detail?
Warum gibt es spezielle Wirkstoffe, die die eine schädigt, die andere jedoch nicht?
Andere äußerliche Kriterien, um Bakterien zu beschreiben, sind neben der Form die
Beweglichkeit, die Ernährungsweise oder das Verhalten bei der Gramfärbung (s.u.). Im
Vergleich mit der Einteilung nach den modernen molekularen Methoden zeigt sich, dass
manche traditionelle Gruppen tatsächlich gemeinsamen Ursprungs sind, wie die
grampositiven Bakterien. Andere, wie die Gramnegativen, gehören zu verschiedenen
Gruppen.
Einer der ersten Schritte zur Differenzierung ist die sogenannte Gramfärbung: Bei
der Gramfärbung werden zunächst alle Bakterien mit einer Kristallviolett-Jod-Lösung
blau-violett gefärbt. Diese Färbung lässt sich bei gramnegativen Bakterien mit Alkohol
wieder entfärben, nicht jedoch bei Grampositiven. Sie bleiben blau-violett.
Abschließend führt man eine Gegenfärbung mit Safranin durch. Nun sind grampositive
Zellen immer noch blau-violett, die gramnegativen hingegen rot oder rosa.
Ein weiteres Kriterium, um Bakterien zu unterscheiden, ist ihre Nische – der Ort,
an dem sie auftreten. Dabei fallen einige Bakterien auf, die sich an den Lebensraum in
der Zelle angepasst haben – sie müssen ohne Sauerstoff existieren. Das spielt natürlich
auch eine große Rolle für die Wahl des richtigen Nährmediums: Als Aerobier
bezeichnet man Bakterien, die Sauerstoff zur Zellatmung benötigen, als Anaerobier
solche, die ohne ihn auskommen. Hier muss man allerdings zwischen denen
unterscheiden, die ihn tolerieren, den fakultativen Anaerobiern, und denen, für die
Sauerstoff toxisch ist, den obligaten Anaerobiern. Zu ihnen gehören beispielsweise die
Chlostridien, grampositive Stäbchen, die Tetanus und Gasbrand verursachen.
Im medizinischen Alltag ist die Bestimmung eines Erregers immer ein Art
Kompromiss. Das Ergebnis soll so schnell wie möglich vorliegen. Beim Behandeln einer
Sepsis hat ein Arzt unter Umständen nur einige Stunden Zeit, den Erreger zumindest
erst einmal zu schwächen. Auf der anderen Seite würde eine sorgfältigere Bestimmung
unter Umständen eine gezieltere Bekämpfung ermöglichen. Daher sind neue Verfahren,
Bakterien schnell und zuverlässig zu bestimmen, ein sehr aktueller Forschungszweig.
Fimbrien und Pili dienen vor allem dem Festhalten der Bakterien in bewegter
Umgebung. Es handelt sich um filamentöse Strukturen, die von der Zelloberfläche
ausgehen.
Fimbrien spielen eine große Rolle bei der Anheftung an Oberflächen und somit auch
bei der Infektion von Zellen (z.B. Salmonella, Neisseria gonorrhoeae, pathogene Stämme
von E. coli). Bei E. coli stellen die Fimbrien den Pathogenitätsfaktor dar, der manchen
Stämmen erst das Anheften an die Epithelzellen im Urogenitaltrakt erlaubt. So schaffen
es die Bakterien, im sehr bewegten Umfeld auf den Zellen Fuß zu fassen und im
Organismus zu verbleiben. Auch das Ausbilden von Häutchen oder Biofilmen beruht auf
Fimbrien.
Neben der Anheftung haben Pili, die den Fimbrien strukturell sehr ähnlich sind, vor
allem die Aufgabe, durch die sogenannte Konjugation genetisches Material zwischen
Bakterien zu tauschen, also Bakterien sexuell zu rekombinieren. Der Pilus stellt einen
direkten Kontakt zwischen zwei Bakterien her, der Donor- und der Empfängerzelle. Durch
Retraktion des Pilus in die Donorzelle werden die Zellen dann zusammengezogen und
bilden für den tatsächlichen Transfer der DNA ein Paar. Genaueres zum Mechanismus der
Konjugation finden Sie im Abschnitt Bakteriengenetik.
1.2.4 Kapsel
Einige Organismen scheiden auf ihrer Oberfläche schleimige Substanzen aus, die oft
aus Polysacchariden bestehen. Man bezeichnet diese Polysaccharidschichten als Kapsel,
wenn die Schichten so dicht gepackt sind, dass sie kleine Partikel ausschließen. Sie
erfüllen mehrere Funktionen: Kapseln spielen häufig eine Rolle beim Schutz gegen
Austrocknung, da sie beträchtliche Mengen Wasser einschließen können.
Eine besondere Bedeutung haben sie bei der Anheftung – die Polysaccharide spielen
eine Hauptrolle bei der Entwicklung von Biofilmen. Dies sind dreidimensionale Gebilde
aus Bakterien, z.B. Plaque auf den Zähnen. Anheftung stellt den Pathogenitätsfaktor vieler
Bakterien dar: Bestimmte Oberflächenpolysaccharide erlauben ihnen, spezifisch an die
Oberflächenbestandteile des Wirtsgewebes zu binden. Kapseln sind aber auch
entscheidende Pathogenitätsfaktoren, indem sie die Anheftung des Phagozyten an die
Bakterienzelle verhindern. Ein Beispiel hierfür ist Streptococcus pneumoniae - weniger als
10 Zellen eines verkapselten Stammes können eine Maus töten, wohingegen kapsellose
(mutierte) Stämme völlig avirulent sind.
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
1.2.5 (Endo-)Sporen
Einige Bakterien bilden Dauerstadien aus, die sogenannten Endosporen. Das sind
Zellen, die äußerst hitzeresistent sind und auch durch aggressive Chemikalien, selbst
durch Bestrahlung, nicht leicht zu zerstören sind. Endosporen ermöglichen es diesen
Bakterien, Phasen mit extremen Temperaturen, Trockenheit und Nährstoffmangel zu
überstehen. Hygienisch stellen uns Endosporen vor einige Probleme. Bestimmte Arten
überstehen Temperaturen von bis zu 150°C und damit auch das Autoklavieren.
Die Ausbildung von Sporen stellt daher einen Formwechsel der Prokaryoten dar. Die
Fähigkeit der Antibiotikabildung bei Prokaryoten ist mit solch einem Formwechsel
verknüpft, denn dieser Formwechsel benötigt Zeit, während der die Organismen
angreifbar sind. Sie schützen sich durch Stoffe, die potentielle Fressfeinde wie andere
Bakterien abwehrt.
Die Endospore kann bei besseren Umweltbedingungen wieder zur vegetativen Zelle
umgewandelt werden. Die Umwandlung läuft in drei Schritten ab: Aktivierung, Keimung
und Auswachsen. Man kann Endosporen aktivieren, indem man sie bei höherer, aber nicht
abtötender, Temperatur erhitzt. Durch Zugabe von Nährstoffen wird die Keimung
eingeleitet. Während des Auswachsens schwillt der Sprorenprotoplast durch
Wasseraufnahme an und wird durch aktive Biosynthese zur vegetativen Zelle.
Die folgenden Erregernamen brauchen Sie sich nicht zu merken, sie dienen vor allem
der Illustration. Sporen der Gattung Bacillus (z.B. Bacillus cereus) werden u. a. zur
Sterilisationsprüfung verwendet. Das heißt, dass z. B. in Autoklaven eine Sporenprobe
gestellt wird, dann wird der Sterilisationsprozess durchgeführt und anschließend wird
versucht, die Sporenprobe durch Inkubation wieder zu Wachstum anzuregen. Kein
Wachstum bedeutet dann ausreichende Sterilisation. Gegenüber chemischen
Desinfektionsverfahren besitzen Sporen eine so hohe Widerstandskraft, dass
Konzentrationen wie sie z. B. für die Bakterizide in der Desinfektionsmittel-Liste des VAH
(Verbund für Angewandte Hygiene) angegeben werden, üblicherweise nicht ausreichend
sind.
In den letzten Jahren wird besondere Aufmerksamkeit auf Clostridium difficile gelegt.
Die Sporen mit der Bezeichnung 001 und 027 haben eine große Bedeutung für die
Krankenhaushygiene erlangt, da letztere schwerste Erkrankungen wie Diarrhoe und
Colitis hervorrufen und mit herkömmlichen chemischen Desinfektionsverfahren nicht
abzutöten sind.
Clostridium perfringens ist der Haupterreger des Gasbrands. Der Gasbrand ist eine mit
Gasbildung einhergehende nekrotisierende Infektion der Weichteile. Ein Zehntel der im
Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten verstarben an der Infektion mit bzw. den Folgen des
Gasbrandes. Bis heute liegt die Letalität bei bis zu 50 %.
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
1.2.6 Zellwand
Die bakterielle Zellwand hat mit der eukaryotischen (bei Pflanzen) strukturell wenig
gemeinsam. Ihre Aufgaben sind jedoch ähnlich – die Zellen zu schützen, osmotische
Druckdifferenzen zwischen innen und außen abzufangen, aber auch den Kontakt zur
Außenwelt zu ermöglichen. Bakterien können mit der sogenannten Gramfärbung durch
den unterschiedlichen Aufbau ihrer Zellwände in zwei Klassen unterteilt werden:
grampositive und gramnegative Bakterien.
Die Zellwand gramnegativer Bakterien ist sehr viel dünner, das Peptidoglykan macht
nur 10 % der Trockenmasse aus. Dementsprechend wird der Farbstoff ausgewaschen,
und die Zellen erscheinen nach einer Gegenfärbung rot bzw. rosa. Bei gramnegativen
Bakterien ist das Peptidoglykan über Proteine mit einer zweiten, äußeren Zellmembran
verbunden. Diese äußere Membran durchziehen Proteine wie Porine, und sie weist außen
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Die LPS-Schicht verleiht den Bakterien Struktur und Stabilität, hat aber für uns sehr
unangenehme Nebenwirkungen: Bestandteile der LPS-Schicht, die man Endotoxine
nennt, sind zum großen Teil für die toxischen Eigenschaften einiger gramnegativer
Bakterien wie Salmonella oder Escherichia coli verantwortlich. Endotoxine sind
Bestandteile der Zelle und werden nur dann in großen Mengen freigesetzt, wenn
Bakterienzellen lysieren. Endotoxine sind für viele physiologische Reaktionen
verantwortlich: So veranlassen Endotoxine die Ausschüttung endogener Pyrogene –
Proteine, die Fieber auslösen. Außerdem verursachen Endotoxine Durchfall, die rasche
Abnahme der Lymphozyten-, Leukozyten- und Thrombozytenzahlen sowie allgemeine
Entzündungssymptome. In großen Mengen können sie einen hämorrhagischen Schock
auslösen.
Mykoplasmen existieren ganz ohne Zellwand. Es sind Bakterien, die wohl als die
kleinsten Lebewesen angesehen werden können, die noch über einen eigenen
Stoffwechsel verfügen und selbstständig lebensfähig sind. Sie werden zu den
grampositiven Bakterien gezählt, obwohl sie ohne Zellwand natürlich nicht nach Gram
angefärbt werden können. Im Laufe der Jahrmillionen haben sich diese Bakterien an ihren
speziellen Lebensraum angepasst und ihre früher vorhandenen Zellwände aufgegeben.
Auch das Genom wurde reduziert: Es entspricht nur etwa einem Viertel der Genomgröße
von E. coli und ist in etwa so groß wie das Genom der obligat-parasitären Chlamydien oder
Rickettsien. Diese Besonderheiten bringen hygienisch einige Probleme mit sich: Zum
einen können Mykoplasmen wegen ihrer geringen Größe nicht mit Sterilfiltern
zurückgehalten werden. Zum anderen aber macht gerade das Fehlen der Zellwand sie
unempfindlich gegenüber einer ganzen Reihe von Antibiotika, deren Wirkung an der
Zellwand ansetzt.
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Unveränderliche
Bestandteile aller Phospholipide
sind Glycerin und Phosphat.
Glycerin ist ein dreiwertiger
Alkohol und im Phospholipid an
zwei seiner drei Hydroxy-(OH-
)Gruppen jeweils an die
Säuregruppen von
Fettsäureketten gebunden. In
verschiedenen Phospholipiden
können verschiedene Fettsäuren
auftreten. An der dritten
Hydroxygruppe sitzt eine
Phosphatgruppe, die elektrisch
negativ geladen ist. An das
Phosphat wiederum ist eine
weitere variable Molekülgruppe
gebunden, die häufig positiv
geladen ist.
Wie sind nun die
Phospholipide und Proteine zur
Abbildung 1.3: Phopholipide Membran zusammengefügt?
Phospholipide aggregieren in
wässriger Lösung und bilden
spontan Doppellipidschichten aus. Immer sind die polaren, hydrophilen Köpfe dem
Wasser zugewandt, während die hydrophoben, apolaren Schwänze sich einander
zukehren und gleichsam ein eigenes hydrophobes Milieu schaffen.
Die Dicke einer solchen Doppelschicht beträgt etwa sieben Nanometer. Man kann
sich die Lipiddoppelschicht als flüssige Schicht vorstellen, auf der globuläre
Proteinmoleküle schwimmen, die gegeneinander beweglich sind. Auch Proteine haben
hydrophile und hydrophobe Teilladungen. Die membrandurchspannenden Regionen
der Proteine sind üblicherweise hydrophob, die mit Cytoplasma und Umgebung im
Kontakt stehenden Regionen sind dagegen hydrophil.
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Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Bei Eukaryoten übernehmen die Mitochondrien die Energieversorgung, also die ATP-
Synthese (siehe Abschnitt Endosymbiontentheorie). Prokaryoten hingegen sind durch die
Abwesenheit jeglicher membranumschlossener Zellorganellen gekennzeichnet. Bei ihnen
sitzen die Enzyme der Atmungskette in der Plasmamembran.
Die protonenmotorische Kraft setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem
Protonen-(pH-)Gradienten zwischen Innen- und Außenseite sowie dem (elektrischen)
Membranpotential. Der pH-Gradient entsteht durch das gezielte Pumpen von Protonen
durch die Membran hindurch auf die Außenseite. Dadurch verschieben sich auch die
Ladungen, und es entsteht ein Membranpotential (eine elektrische Ladungsdifferenz), bei
dem die Innenseite der Membran negativ und die Außenseite positiv geladen ist.
Durch den kontrollierten Rückfluss der Protonen durch die Membran, der durch die
membrangebundene ATP-Synthase, eine ATPase, gewährleistet wird, kann die in der
protonenmotorischen Kraft gespeicherte Energie für die Synthese von ATP genutzt
werden. Die Enzyme hierfür sind in einer sinnvollen Reihenfolge nebeneinander in der
Membran lokalisiert. Dadurch wird eine effiziente „Fließbandarbeit“ ermöglicht.
Wie bereits erwähnt, dient die Zellmembran auch der Verankerung zahlreicher
Proteine. Viele Membranproteine dienen dem Transport durch die Membran, z.B.
Permeasen, Carrier und Kanalproteine. Sie sind notwendig, damit ausgewählte
Substanzen die Membranen durchqueren oder aktiv durch diese transportiert werden
19
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
können. Die Energie für den aktiven Transport stammt aus dem Protonengradienten über
der Membran. Der Wirkstoff Colistin lagert sich in die Zellmembran ein und stört dort die
Permeabilität.
Auch die Enzyme für den Aufbau der bakteriellen Zellwand sind in der Zellmembran
verortet. Beispielhaft sei hier eine Transpeptidase genannt, an der die Beta-Lactam-
Antibiotika angreifen. Auch andere Medikamente stören den Aufbau der Zellwand: Azol-
Antimykotika (z.B. Clotrimazol) sind zwar primär antimykotisch, d.h. gegen Pilze
wirksam. Einige können aber auch gegen grampositive Bakterien wirksam sein.
Zum Vergleich: Eukaryotische Ribosomen bestehen aus einer 40S- und einer 60S-
Untereinheit (die drei rRNA-Moleküle enthält) und werden zusammenhängend als 80S-
Ribosomen bezeichnet. Der unterschiedliche Aufbau macht die bakteriellen Ribosomen
zu beliebten Zielen von Antibiotika, denn diese interagieren nicht mit den eukaryotischen
Ribosomen und sind daher relativ nebenwirkungsarm.
1.3 Bakteriengenetik
Auch in der Genetik unterscheiden sich Pro- und Eukaryoten stark. Wir widmen der
Bakteriengenetik daher ein eigenes Kapitel.
Widmen wir uns der speziellen Struktur des prokaryotischen Nucleoids. Dieses
können wir uns als DNA-Knäuel vorstellen, dass dicht auf engem Raum in der Zelle
gepackt vorliegt. Die dichte Packung kommt durch verschiedene Faktoren zustande. Die
DNA ist durch den hohen Anteil an Phosphatgruppen negativ geladen. Kationen, positiv
geladene organische Verbindungen und kleine basische Proteine lagern sich an die
negativ geladenen Phosphatgruppen und übernehmen damit wichtige Funktionen bei der
Verdichtung der DNA.
23
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Histone, wie wir sie von Eukaryoten kennen, gibt es bei Prokaryoten nicht. Die
Verpackung bakterieller DNA übernehmen andere, ebenfalls basische Proteine. Zudem ist
die bakterielle DNA „supercoiled“, als Superhelix organisiert. Die Windungen dieser
Struktur werden durch die Gyrase (eine Topoisomerase) eingeführt. Topoisomerasen
haben Sie bereits bei den Eukaryoten kennengelernt. Diese Windungen werden nur dann
temporär aufgelöst, wenn Gene transkribiert oder Genomabschnitte repliziert werden.
Die Struktur prokaryotischer DNA auf dem Nucleoid und den Plasmiden
unterscheidet sich in einigen Punkten von eukaryotischer Erbsubstanz. Betrachten wir
den generellen Aufbau:
Beide Stränge der DNA enthalten etwa gleich viele Gene. Die DNA kann also in beide
Richtungen transkribiert werden. [12, S. 91]
Das Genom ist dicht mit Genen besetzt, der durchschnittliche Abstand zwischen zwei
Genen beträgt nur etwa 100 bp. Zwischen den Genen befinden sich Promotoren und
andere regulative Elemente (Operatoren).
Operatoren und drei Strukturgene: lacZ, lacY und lacA. Die Gene liegen eng hintereinander
und werden gemeinsam in eine polygenische mRNA transkribiert.
Wozu ist die gemeinsame Organisation der Enzyme in einem Operon sinnvoll? Um
Lactose abbauen zu können, benötigt die Zelle ein Enzym namens β-Galaktosidase (lacZ-
Gen), die das Disaccharid Lactose zu Glucose und Galactose spaltet, die jeweils über eigene
Wege zur Energiegewinnung abgebaut werden. Gleichzeitig mit der β-Galaktosidase wird
die Produktion des Enzyms Permease (lacY-Gen), ein Enzym, das die Aufnahme von
Lactose in die Zelle erleichtert, sowie des Enzyms Transacetylase (lacA-Gen) induziert.
Die Transacetylase ist zwar nicht für den Lactoseabbau notwendig, allerdings gibt es
Hinweise, dass es beim Entgiften der Zelle helfen kann [13]. Die Anordnung
zusammengehöriger Gene in einem Operon garantiert also deren koordinierte
Expression.
Das lac-Operon wird sowohl negativ durch einen Repressor als auch positiv durch
einen Aktivator reguliert. Übergeordnet ist dem noch ein Mechanismus, den man als
Induktorausschluss bezeichnet. Diese drei unterschiedlichen Mechanismen bewirken,
dass Lactose erst dann verstoffwechselt werden kann, wenn es keine effizientere
Alternative gibt.
Positive Regulation: Die Dissoziation des Repressors reicht für eine volle Expression
des Operons noch nicht aus, dazu ist die Anwesenheit eines positiv wirkenden
Transkriptionsfaktors notwendig. Die Aktivität des Aktivatorproteins CAP (catabolite
activator protein) ist direkt von der Konzentration des cyclischen
Adenosinmonophosphats (cAMP) abhängig, das wiederum bei geringer
Glucosekonzentration in erhöhtem Maße entsteht. Durch die Anlagerung von cAMP an
CAP ändert sich dessen Konformation, was seine spezifische DNA-Bindung stark erhöht.
Der CAP-cAMP-Komplex lagert sich an eine Bindungsstelle der DNA an und interagiert
dort mit der RNA-Polymerase. Dadurch wird die Affinität der RNA-Polymerase zum
Promotor deutlich erhöht.
Das typische Plasmid ist ein ringförmiges, doppelsträngiges DNA-Molekül und macht
weniger als 5% der Größe eines Chromosoms aus. Man kennt Tausende verschiedener
Plasmide. Sie tragen neben Genen für Antibiotikaresistenzen auch genetische
Informationen für die Resistenz gegenüber Schwermetallen, den Abbau von Giftstoffen
wie Naphthalin, den Abbau von Herbiziden, zur Harnstoff- und Stickstofffixierung und
auch für die Verwendung alternativer Energiequellen wie Lactose und Sucrose. Das ist ein
weiterer Grund für die bakterielle Anpassungsfähigkeit.
27
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Neben der Antibiotikaresistenz codieren Plasmide auch für andere Substanzen, die
zur Pathogenität von Bakterien beitragen. Sie enthalten sowohl die Information für die
Bildung bestimmter Zelloberflächenproteine, die die Kolonisierung des Wirtes erlauben,
wie auch die Informationen für die Bildung bestimmte Toxine.
mRNA: Der Vorgang der Transkription an sich, also Initiation, Elongation und
Termination der mRNA, verläuft bei Eukaryoten und Prokaryoten grundsätzlich gleich.
Im Unterschied zur eukaryotischen Transkription folgt auf die mRNA-Synthese kein
Capping, da die prokaryotische mRNA nicht aus dem Zellkern transportiert werden muss.
Die mRNA wird weder durch Polyadenylierung („Poly-A-Schwanz“), noch durch Splicing
prozessiert. Sie gelangt direkt nach dem Kopiervorgang zu den Ribosomen, häufig lagern
sich auch bereits Ribosomen an die noch entstehende Kette an und beginnen die
Translation, bevor die Transkription beendet ist (Poly-Ribosom- bzw. Polysom-Komplex).
28
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Ort: Um es noch einmal hervorzuheben – die Transkription findet bei Eu- und
Prokaryoten an unterschiedlichen Orten statt. Bei Prokaryoten erfolgt diese im
Cytoplasma, da sie keinen Zellkern besitzen.
Die Verbreitung hingegen lässt sich ganz klar mit dem ausgedehnten Einsatz in
Human- und Tiermedizin sowie in der Tierzucht erklären. In einer Umgebung, in der nur
Bakterien überleben, die über Resistenzmechanismen verfügen, haben diese natürlich
einen klaren Vorteil. Dementsprechend stellt der Einsatz von Antibiotika einen
Selektionsdruck dar, der zur Verbreitung von Resistenzen führt. Ist der Großteil der nicht-
resistenten Bakterien abgetötet, haben die (resistenten) Überlebenden unbegrenzten
Zugriff auf die Ressourcen und können sich ungestört vermehren.
Sie sollten als künftige Mediziner wissen und beachten: Der Einsatz von Antibiotika
macht Resistenzen gefährlich. Daher sollten diese Medikamente nur verschrieben
werden, wenn es unbedingt nötig ist. Genau das gleiche gilt für den Gebrauch
bakteriostatischer oder bakteriozider Substanzen. Außerhalb des klinischen Umfelds
eingesetzt, sprich alltäglich im Haushalt, schaffen Sie einen Selektionsdruck, der zu
Organismen führt, die diese Stoffe umgehen können. Darauf sollten Sie als zukünftige
Experten in der Hygieneerziehung auch immer wieder hinweisen. Da sich auf R-
29
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Erinnern wir uns, dass Plasmide die Gene für sehr viele unterschiedliche
Stoffwechselprodukte und Resistenzen enthalten können (siehe Abschnitt 1.3.3), die dem
jeweiligen Bakterium das Überleben erleichtern. Einzelne Plasmide können dabei
vielerlei solcher Informationen ansammeln, wie das oben genannte Plasmid R100. Wie
können sich alle diese Informationen auf einem Plasmid vereinen?
Wir wissen bereits, dass Bakterienzellen Pili ausbilden, die einen Kontakt zwischen
den Zellen herstellen können. Die oben im Abschnitt 1.2.3 beschriebenen Donorzellen
besitzen das sogenannte F-Plasmid, sind also F+-Zellen. Das Plasmid kann dabei entweder
isoliert vom Nucleoid vorkommen oder darin eingebaut sein. Es ist etwa 100.000 bp lang
und trägt die Information für ca. 100 Gene. Das Gen traA kodiert ein Protein, das als
wichtigstes Bauelement des F-Pilus dient. Viele dieser Proteine, der Piline, lagern sich
zusammen, bis ein zylindrischer Faden entsteht. Nach der Kontaktaufnahme wird der
Pilus abgebaut, bis sich die beiden Zellen berühren. An der Berührungsstelle wird eine
Konjugationsbrücke gebildet. Der Kontakt zwischen Donor- und Empfängerzelle führt zur
Verdopplung und zum Transfer von Plasmiden. Dies erfolgt bei ringförmigen Plasmiden
meist über den rolling circle-Mechanismus. Dabei wird ein DNA-Strang an einer
spezifischen Stelle gebrochen, „abgerollt“, währenddessen repliziert und schließlich
transferiert. Falls das F-Plasmid in das Bakterienchromosom eingebaut ist, können auch
Teile davon mit übertragen werden. Am Ende der Konjugation besitzen beide Zellen das
konjugative Plasmid und sind damit beide Donor-, also F+-Zellen [12, S. 95ff].
30
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Schon viel früher, bereits 1928, konnte ein berühmtes Experiment von James Griffith
einen anderen Mechanismus der Erbinformations-Übertragung aufzeigen: die
(bakteriengenetische) Transformation. Er experimentierte mit Pneumokokken, den
Haupterregern der Lungenentzündung. Die pathogene Variante der Bakterien bildet
Schleimkapseln um ihre Zellen und wird daher „S“ bezeichnet. Sie können sowohl für
Menschen als auch für Mäuse tödlich sein. Es gibt auch einen apathogenen Stamm, der die
Fähigkeit zur Schleimkapsel-Bildung verloren hat. Wegen der vergleichsweise rauen
Beschaffenheit seiner Kolonien wird er mit „R“ bezeichnet. Mischt man die R-Bakterien
mit durch Hitze abgetöteten S-Bakterien, ist dieses Gemisch für damit infizierte Mäuse
tödlich. Im toten Tier kann man koloniebildende lebende S-Bakterien isolieren. Woher
stammen diese lebenden S-Bakterien? Griffith schloss andere theoretische Möglichkeiten
aus und konnte zeigen, dass die R-Bakterien die Eigenschaft „S“ erwerben, wenn tote S-
Bakterien anwesend sind. Die R-Zellen übernehmen von den abgetöteten S-Zellen die
Erbanlage für die Schleimkapselbildung und integrieren sie in ihr Erbgut. Dadurch
werden sie selbst pathogen.
Dieses Experiment bildete die Grundlage für den Nachweis über die chemischen
Eigenschaften der Erbinformation. Dieser gelang Avery und seinen Mitarbeitern im Jahre
1944. Die gedankliche und experimentelle Leistung von Avery bestand darin, die
abgetöteten S-Bakterien mit biochemischen Methoden in ihre chemischen Bestandteile
zu zerlegen und diese als gereinigte Substanzen anstelle der abgetöteten S-Bakterien im
Transformationsversuch einzusetzen. Dabei fand Avery – entgegen seinen eigenen
Erwartungen – dass nicht Protein, sondern Desoxyribonukleinsäure die
transformierende Substanz ist – die Erbsubstanz.
Bei der Transformation wird also freie DNA von den Bakterien durch die Zellwand
hindurch aufgenommen. Die Fähigkeit oder Kompetenz hierfür ist von verschiedenen
Faktoren abhängig und kann beispielsweise durch Nährstoffmangel induziert werden.
Als Transposition bezeichnet man eine Art von Rekombination, bei der ein im
Genom vorhandenes genetisches Element an eine andere Stelle des gleichen Genoms oder
– mittels Plasmiden oder Phagen – in ein anderes Genom versetzt wird. Sie geht oft mit
Veränderung in der DNA wie Deletion oder Insertion einher. Es gibt verschiedene Typen
transponierbarer Elemente, die sich in ihrem Aufbau und ihrer Komplexität
unterscheiden (Insertionssequenzen, Transposons, transponierbare Phagen). Allen
gemein ist, dass sie an beiden Enden sogenannte „inverted repeats“ (IR) tragen, also
gegenläufige Wiederholungen von sehr ähnlichen, aber nicht identischen Nucleotid-
Sequenzen. Dazwischen liegt der zentrale, proteincodierende Bereich, der mindestens die
Information für das Enzym Transposase trägt.
Ein ähnliches Prinzip begegnet uns auch bei bestimmten TEs im eukaryotischen
Genom, den Retrotransposons. Diese machen übrigens bis zu 45% im Genom von
Säugern aus. Die Transposition von Retrotransposons erfolgt über einen Zwischenschritt,
in dem die DNA erst in RNA umgeschrieben wird. Diese RNA dient anschließend als
Matrize für die Synthese von neuen DNA-Stücken, die an mehreren Stellen wieder ins
Genom eingebaut werden können. Der Zwischenschritt über die RNA und ihre
32
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Retroviren und transponierbare Phagen vermehren sich nicht nur horizontal über
Infektion, sondern zusätzlich auch vertikal über Transposition und Vererbung, wenn sie
im Wirtsgenom eingebaut sind. Springen Retroviren an für die Wirtszelle ungünstige
Stellen, können sie durch die Insertion Krankheiten verursachen. Das passiert, auf das
Genom bezogen, nur selten, etwa einmal pro Genom in jeder Generation. Beispiele so
entstandener Krankheiten sind bestimmte Formen der Bluterkrankheit, der
Muskeldystrophie und bestimmter Immunschwächen (durch Mutation bspw. in
Interleukin-2-Rezeptoren).
TEs scheinen ebenfalls eine bislang stark unterschätze Rolle bei der epigenetischen
Stilllegung bestimmter Gene zu haben [15] und wirken sich dadurch auch entscheidend
auf die Embryonalentwicklung aus. Man muss transponierbare Elemente daher als
Kontroll- und Entwicklungselemente betrachten, die einen entscheidenden Einfluss
darauf haben, wie Erbinformation zur physischen Eigenschaft heranreift.
Die vielleicht bedeutendste Eigenschaft der Transposition ist aber der Transfer von
Erbinformation, der beim Springen von Viren und (anderen) transponierbaren
Elementen auftritt. Beim „Herausschneiden“ (der Excision) der springenden
Erbinformation werden häufig benachbarte Gene mitgenommen. Bakteriophagen können
Erbgut von einer befallenen Bakterienzelle in die nächste mitnehmen. Den Transfer
bakteriellen Erbgutes durch Viren bezeichnet man als Transduktion. In der nächsten
Wirtszelle kann das fremde Erbgut dann wieder ins Genom insertiert werden – was dazu
führt, dass es mit jeder Zellteilung des Wirtes an dessen Tochterzellen weitergegeben
wird.
Dieses Prinzip kann zu einer Ansammlung von Resistenzen auf einem Plasmid führen.
Aus Sicht der (Wirts)Bakterien also eine überaus brauchbare Eigenschaft. Transposition
und Transduktion stellen daher vermutlich mit die zentralen Evolutionstreiber auf
molekularem Niveau dar. Diese Mechanismen versammeln eine neue Kombination
genetischer Eigenschaften an einem Ort, indem sie Informationen mitnehmen – auch zu
anderen Arten – und darüber hinaus am Zielort möglicherweise noch durch den Einbau
der Erbinformation Mutationen erzeugen.
1.5 Viren
Viren sind Zellparasiten ohne eigenen Stoffwechsel. Das erschwert die Therapie
ungemein, aber auf andere Weise als bei den Pilzzellen. Diese sind unseren Zellen relativ
ähnlich und bieten daher wenige spezifische Ziele für Medikamente, die nicht auch für uns
schädlich sind. Viren hingegen sind (erst einmal) unbelebte Objekte. Seine Synthese und
alle anderen belebten Vorgänge finden im Inneren der befallenen Zellen statt. Dorthin
muss ein Medikament erst einmal gelangen.
Manchmal kann das Virion von der Wirtszelle noch mit einer zusätzlichen Membran
umstülpt werden, wie beim human immunodeficiency virus, HIV. Sie enthält dann neben
weiteren viralen Proteinen auch zelluläre, die oft zu Glykoproteinen modifiziert sind. Eine
solche Membran stammt immer vom Wirt.
Die Erbsubstanz von Viren kann entweder aus DNA oder RNA bestehen. Beide
können sowohl als Einzel-, aber auch als Doppelstrang vorliegen. Dies führt zu
abweichenden Mechanismen in Replikation und Proteinsynthese, die entsprechend auch
als Angriffspunkte zur Therapie genutzt werden können. Besonders interessant ist dabei
RNA als Erbgut. Retroviren kehren den Weg von der DNA zur RNA um. Sie nutzen RNA
als Erbgut und tragen ein Enzym bei sich, dass die RNA im Wirtsorganismus zur DNA
umschreibt: die reverse Transkriptase. Bei anderen RNA-Viren ist die Ribonukleinsäure
gleichzeitig Erbgut und Bote (mRNA), denn das RNA-Molekül wird von der Wirtszelle
direkt translatiert.
Auch die Form hilft nicht unbedingt bei der Einteilung, da die Formenvielfalt unter
Viren sehr begrenzt ist. Viren sind auch viel kleiner als Bakterien und damit unter dem
Lichtmikroskop nicht erkennbar – viele sind übrigens so klein, dass sie von Sterilfiltern
nicht zurückgehalten werden können.
• Wo und wie infiziert und vermehrt sich das Virus? → Wirts-, Gewebs-, und
Zelltropismus (welche Art von Wirt, Gewebe und Zelle bzw. wo in der Zelle)
35
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Virämie = Auftreten von Viren im Blut; während der primären V. ist der Virustiter im Verhältnis zur
sekundären V. relativ gering
36
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
1.5.3 Vermehrungszyklus
Bei Viren ist die Vermehrung sehr eng mit ihren Auswirkungen auf den Wirt
verbunden.
Grundsätzlich gemein ist allen Viren, dass sie sich zunächst an der Wirtszelle
anlagern. Dazu müssen sie bestimmte Rezeptormoleküle auf der Cytoplasmamembran
erkennen und sich an diese anheften (Adsorption). Bei umhüllten Viren wird die Bindung
durch Proteine vermittelt, die in die Hülle eingelagert sind, wie z.B. bei Retro-, Herpes-
und Influenzaviren. Die Bindung an die Wirtszelle kann sehr spezifisch sein, wie
beispielsweise beim HI-Virus, wo ein (Hüll-)Oberflächenprotein mit einem Rezeptor
interagiert, einem Rezeptor, der quasi ausschließlich auf T-Helferzellen und anderen
Makrophagen zu finden ist. Influenzaviren hingegen binden an bestimmte Reste von
Oligosacchariden, die man auf den Oberflächen vieler verschiedener Zellen findet.
Hüllenlose Viren docken über Strukturen auf der Oberfläche des Kapsids an die
Wirtszellen an. Der Vorgang der Adsorption bietet einige Möglichkeiten zur Prävention
von Virusinfektionen, indem entweder der Rezeptor oder aber das daran bindende
Molekül blockiert wird.
Von der Oberfläche dringen Viren entweder komplett ein oder injizieren nur ihr
Genom in die Zelle (Penetration). Bei hüllenlosen Viren geschieht dies in der Regel über
rezeptorvermittelte Endocytose. Das ist der generelle Vorgang zur Aufnahme vieler
Moleküle ins Cytoplasma (siehe Kapitel Umwelt und Individuum). Viren verfügen über
Mechanismen, Vesikel schnell zu verlassen, um den Abbauprozessen zu entgehen und
unbeschadet in die Zelle einzudringen.
Umhüllte Viren werden z.T. von der Zelle auch als Membranvesikel aufgenommen.
Fusionsaktive Substanzen schmelzen die Hülle und entlassen das Kapsid ins Cytoplasma.
Wenn das Virus ganz eingedrungen ist, wird das Genom innerhalb der Zelle aus dem
Kapsid entlassen. Dieser Prozess ist noch weitgehend ungeklärt und wird als Uncoating
bezeichnet. Das Stadium zwischen dem Eintritt und der Freisetzung neuer Viruspartikel
nennt man Eklipse. Während der Eklipse können keine infektiösen Viruspartikel in der
Zelle nachgewiesen werden. Der Stoffwechsel der Zelle wird so umgestellt, dass die
Virusbestandteile über die zellulären Mechanismen der Translation und der
Replikation vervielfältigt werden. Je nach Virustyp gibt es unterschiedliche
Mechanismen, die Virus-nukleinsäure in eine für die Synthese der viralen Proteine
notwendige mRNA umzuschreiben.
37
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Schematische Abbildung der Aufnahmepfade. Die Pfeile stellen den Ablauf der Infektion dar.
Als Reifung bezeichnet man den Zusammenbau der von der Zelle gebildeten viralen
Proteine und Nukleinsäuren zu neuen Virionen. Dazu gehört auch die (finale)
Modifikation der viralen Proteine durch virale Proteasen, wie beispielsweise die HIV-
Protease, die Virusproteine durch Spaltung in eine funktionale Form bringt und so den
Zusammenbau infektiöser Partikel überhaupt erst ermöglicht.
Die Freisetzung der neu entstandenen Viren kann aktiv durch die Wirtszelle
stattfinden. Bei behüllten Viren nennt man diesen Vorgang Budding, hierbei wird das
Kapsid von innen durch die Membran geschleust. Die Membran legt sich dabei als Hülle
um das Kapsid/Virion. Je nachdem, wo die Viruspartikel zusammengebaut werden, kann
es sich dabei um die Cytoplasma-, Kern-, ER- oder auch Golgi-Apparat-Membran handeln.
Herpesviren (Herpes simplex Virus (HSV)) treten beispielsweise direkt aus dem Kern aus,
die Hüllmembran stammt dementsprechend aus der Kernmembran der Wirtszelle. Bei
Viren ohne Hüllmembran erfolgt die Freisetzung primär durch die Lyse der infizierten
Zelle.
38
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Viroide sind Pflanzenpathogene, daher spielen sie Für Sie als angehende Ärzte eine
eher untergeordnete Rolle.
Virusoide oder Satellitenviren sind kleine RNA- oder DNA-Moleküle, die für ein bis
zwei Proteine codieren. Ihre Replikation und Verbreitung sind von der Anwesenheit eines
anderen Virus abhängig. Man findet sie häufig zusammen mit Pflanzenviren, aber auch
das Hepatitis-D-Virus kann sich nur vermehren, wenn in der Zelle gleichzeitig das
Hepatitis-B-Virus vorhanden ist.
Virophagen sind Viren, die quasi Viren befallen. Wie soll das gehen? Virophagen
vermehren sich ebenfalls nur in Anwesenheit anderer Viren (z.B. in Amöben in
Anwesenheit von Mimiviren). Dabei nutzen sie die Mimiviren nicht nur für ihre eigenen
Zwecke, sondern behindern auch noch deren Reifung und Vermehrung, machen sie also
krank. [17, S. 16]
39
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
Die Neuraminidase entfernt die Neuraminsäurereste, die dem Virus als Rezeptor
dienen, in der Membran bereits infizierter Zellen. Neu entstandene Viruspartikel bleiben
so nicht unnötigerweise an Rezeptoren lysierter Zellen „hängen“. Damit spielt sie eine
wichtige Rolle bei der Freisetzung der Viruspartikel. Weiterhin verhindert sie die
Einleitung der Apoptose in infizierten Zellen und drosselt die Bildung des
Immunsystembotenstoffs Interferon und damit die Immunantwort des infizierten
Organismus. Oseltamivir, Zanamivir und Peramivir hemmen bei nichtresistenten
Influenza-A- und B-Stämmen die Neuraminidase. Sie können zwar nicht grundsätzlich die
Infektion verhindern, drosseln aber die Ausbreitung im Organismus.
Retroviren widerrum können „echten“ Krebs erzeugen, indem sie die Umwandlung
der Wirtszellen in Tumorzellen begünstigen. „Springt“ ein Provirus in ein Protoonkogen
41
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
(siehe Block V, Kapitel 3), kann dieses zu einem Onkogen werden. Das heißt, normale
zelluläre Proteine der Zellteilung oder der Proliferation „werden mutiert“ und führen so
dazu, dass infizierte Zellen und deren Nachkommen ständig auf Proliferation bzw.
Zellteilung geschaltet sind. [12, S. 240]
1.6 Prionen
Prionen (proteinaceous infectious particle) stehen als Krankheitserreger allen
anderen Krankheitserregern in einer eigenständigen Gruppe gegenüber. Während Viren
zumindest noch über Erbsubstanz verfügen, die sie - mithilfe anderer Zellen - vermehren,
sind Prionen ausschließlich falsch gefaltete Proteine.
Prionen schädigen das Gehirn, die Erkrankungen werden als transmissible spongiforme
Enzephalopathien (TSE) bezeichnet und sind als Skrapie bei Schafen, BSE bei Rindern und
beim Menschen als Creutzfeld-Jakob-Krankheit bekannt.
Die „Fehlfaltung“ der Prionmoleküle ist stabiler als die normale Proteinkonformation,
was dazu führt, dass die Fehlfaltung erhalten bleibt, wenn sie einmal angenommen wurde.
Wichtig ist, dass sich das Prionmolekül bezüglich der Aminosäuresequenz nicht vom
normalen Protein unterscheidet. Die Fehlfaltung schützt vor dem Abbau durch Proteasen.
Das führt zur Akkumulation und Aggregation der Prionen, die man als aminoide Plaques
bezeichnet. Prionproteine sind ungewöhnlich stabil und auch nicht durch Hitze zu
zerstören. Das bedeutet beispielsweise, dass infiziertes Fleisch Prionen auch nach der
Zubereitung weitergeben kann. Zwischen einer Infektion und dem Auftreten der
Krankheit vergeht viel Zeit. Die Inkubationszeit kann 10 Jahre und mehr betragen. Dies
stellt insofern ein Risiko dar, als Infektionsherde nicht schnell erkannt und beseitigt
werden können.
Für die korrekte Funktion aller Zellen sind richtig gefaltete Proteine unerlässlich. Die
Anhäufung von Plaques fehlgefalteter Prionen stellt eine Form von Stress für die Zelle dar,
die von spezifischen Sensoren im ER detektiert wird. Die Aktivierung dieser Sensoren
führt über eine Signalkaskade zur sogenannten „unfolded protein response“ (UPR), die als
protektiver Mechanismus über bestimmte Wege zum Abschalten der Proteinsynthese
43
Kapitel 1 – Krankheitserreger und therapeutische Maßnahmen
führt. Im Hirn entwickelt sich ein Mangel bestimmter überlebenswichtiger Proteine, was
zum Versagen von Synapsen und im Endeffekt zum neuronalen Tod führt. Die Folge ist
der Verlust des Gedächtnisses.
Wir haben im Block III „Der besiedelte Mensch“ und im Kapitel „Krankheitserreger
und therapeutische Maßnahmen“ einiges über unsere „Mitbewohner“ gelernt. Bakterien,
Viren und Pilze können uns helfen, gesund zu bleiben. Sie können aber auch schwere
Krankheiten auslösen.
Betrachten wir einmal die Welt aus der Perspektive der Krankheitserreger. Keime
brauchen mehrere Voraussetzungen, um sich erfolgreich vermehren zu können: Einen
überaus wichtigen Teil stellen Wirte dar, in denen die Vermehrung erfolgt. Zu diesen
Wirten müssen die Krankheitserreger aber erst einmal gelangen. Wir wollen den Weg auf
verschiedenen Etappen nachvollziehen.
45
Kapitel 2 – Hygiene, Prophylaxe und die therapeutische Bedeutung von Oberflächen
Erst einmal muss er den Weg zum Wirt finden. Doch glücklicherweise bekommt er
Hilfe. Ein Schuh nähert sich von oben und nimmt ihn mit. Der freundliche Träger zieht
sich anschließend die Schuhe aus und der Keim schafft es auf die Haut der Hand. Ein
potentieller Wirt in Reichweite!
Austausch von Körperflüssigkeiten: Manche Viren werden auch nur durch den
Austausch von Körperflüssigkeiten übertragen, das heißt bei direktem Blut- oder
Schleimhautkontakt. Die Infektion kann also über Bluttransfusionen, Injektionsnadeln
oder Geschlechtsverkehr erfolgen. Diesem Übertragungsweg folgen HI-Viren und
Hepatitis B und C Viren. Einige Viren infizieren auch direkt das Ungeborene im Mutterleib.
Solche für das Kind oft gefährlichen Infektionen sind Masern, Ringelröteln, Röteln und
Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus. Beim Geburtsvorgang können auch HI-Viren,
Hepatitis oder Herpes übertragen werden.
46
Kapitel 2 – Hygiene, Prophylaxe und die therapeutische Bedeutung von Oberflächen
Man unterscheidet auf der ersten Ebene immer zwischen enteraler (durch den
Darm) und parenteraler (am Darm vorbei) Infektion.
Parenterale Infektion: Hier gelangen die Erreger direkt ins Blut. Man unterscheidet
weiter nach Eintrittsort:
• Perkutane Infektion: Die Erreger gelangen über die Haut in den Organismus.
• Permuköse Infektion: Die Erreger gelangen über die Schleimhäute in den
Organismus.
• Inhalationsinfektion: Die Erreger gelangen über die Atemwege in den Organismus.
• Urogenitale Infektion: Die Erreger gelangen über den Harntrakt in den
Organismus.
• Genitale Infektion: Die Erreger gelangen über die Geschlechtsorgane in den
Organismus.
• Intrauterine Infektion: Die Erreger gelangen während der Schwangerschaft in den
Körper des ungeborenen Kindes.
Von den oben genannten Möglichkeiten kann unser Keim also über eine perkutane
Infektion in den Wirt gelangen, vorausgesetzt er besitzt die nötigen Werkzeuge, um die
Haut zu durchdringen, oder die Haut des Wirtes weist leichte Verletzungen auf.
Wir wollen annehmen, dass es für unseren Krankheitserreger erst einmal nicht
weiter geht, da er die Haut nicht durchdringen kann. Was nun? Da naht die Rettung! Der
bisherige Träger schüttelt die Hand eines nächsten Wirtes, schon ist der Absprung
geschafft. Hier gibt es diverse Kratzer, die als Eintrittspforte in Frage kommen, los geht’s
...
Wie hätte das verhindert werden können? Nicht umsonst gilt die Händehygiene als
eine der wichtigsten hygienischen Maßnahmen. Bevor wir uns die Grundlagen der
47
Kapitel 2 – Hygiene, Prophylaxe und die therapeutische Bedeutung von Oberflächen
Händehygiene anschauen, machen Sie sich vor diesem Hintergrund die tragende Rolle
von medizinischem Personal bewusst. Durch den Kontakt werden Keime von einem auf
den anderen (oder schlimmstenfalls viele) Patienten übertragen. Bedenken Sie bitte
daher die Wichtigkeit der folgenden Maßnahmen.
2.2 Händehygiene
Das Kapitel Händehygiene wurde leicht gekürzt aus dem epidemiologischen Bulletin
des Robert-Koch-Instituts entnommen. Den Originaltext [1] sowie weitere Informationen
[2] finden Sie auf den Webseiten des RKI: http://www.rki.de/.
Bakterien werden um ca. 90 bis 99 Prozent reduziert, bei Viren gibt es große
Unterschiede: Behüllte Viren wie Influenza werden teilweise durch Seife inaktiviert,
unbehüllte Viren wie das Norovirus werden nur mechanisch entfernt. Die Reduktion
unter Laborbedingungen liegt bei den empfindlichsten Viren (Influenza) bei maximal
99,99%, ist aber sehr stark vom Virus und dem Testsystem abhängig.
Erst die Einführung der Händedesinfektion durch Ignaz Semmelweis im Jahre 1847
ermöglichte eine Unterbrechung des Infektionsweges. Bei der Händedesinfektion werden
die Erreger nicht entfernt, sondern abgetötet bzw. inaktiviert.
Bei Kombination von Waschung und Desinfektion, die selten erforderlich ist, kann es
zu Hautschäden kommen. Die Dauer der Händewaschung als Maßnahme der
prächirurgischen Händehygiene wurde über die Jahre immer stärker verkürzt und ist
mittlerweile nicht mehr integraler Bestandteil der chirurgischen Händedesinfektion.
Jedoch sind bakterielle Sporen, wie bereits durch Robert Koch beschrieben,
gegenüber Alkoholen in der Regel resistent. Deshalb ist die alkoholische
Händedesinfektion zur sicheren Verhinderung der Übertragung von z. B. Clostridium
difficile ungeeignet. Hier bleibt nur der mechanische Schutz vor Kontamination und die
Entfernung durch die Händewaschung oder die Anwendung spezieller Mittel auf
Peressigsäurebasis.
Da die Tenazität mancher Viren wie Hepatitis A so hoch ist, dass sie jahrelang
infektiös bleiben können, ist es im klinischen Alltag und in der Gefahrenabwehr
notwendig, die Inaktivierung durch Desinfektionsmittel oder Sterilisation zu
beschleunigen. Auch Bakterien wie Staphylococcus aureus – und damit auch MRSA
(Methicillin-resistenter S. aureus, multiresistente Staphylokokken) – können, abhängig
von den atmosphärischen Bedingungen, Tage bis hin zu sieben Monate auf unbelebten
Oberflächen (wie Staub) überdauern.
Tabelle 2.1: Relative Tenazität von Viren in Abhängigkeit von der Virusstruktur
Bei den Faktoren, die den Keim inaktivieren, unterscheidet man zwischen
chemischen Noxen (Desinfektionsmittel, Alkohol, Detergenzien) und physikalischen
Noxen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, UV- und ionisierende Strahlung). Aus den
verschiedenen Arten, wie Noxen Krankheitserreger schädigen, lassen sich hygienische
Maßnahmen ableiten:
2.4 Impfung
Widmen wir uns nun der Schutzimpfung. Sie unterscheidet sich von allen bisher
angesprochenen präventiven Maßnahmen durch ihre sehr spezifische Wirksamkeit, denn
jede Schutzimpfung zielt auf einen ganz speziellen Erreger ab. Es handelt sich dennoch
um eine vorbeugende Maßnahme, denn sie muss vor dem Kontakt mit dem Erreger
erfolgen.
Ziel der (aktiven) Impfung ist es, das körpereigene Immunsystem auf die Infektion
mit einem Krankheitserreger vorzubereiten. So kann es schnell und wirksam reagieren,
damit aus dem Kontakt mit dem Erreger keine – oder nur eine abgeschwächte – Infektion
resultiert.
Die passive Immunisierung, bei der gegen den Erreger gerichtete spezifische
Antikörper verabreicht werden, die an dessen Oberfläche binden und so die Bindung an
die Zielzellen verhindern.
Meist werden nur einzelne Bestandteile von Viren verwendet, da ganze inaktivierte
Viren als Impfstoff zwar eine gute Immunogenität vorweisen, oft aber auch stärkere
Nebenwirkungen inklusive Fieber hervorrufen. Solche Erregerbestandteile kann man
isolieren, heute werden sie aber meist gentechnisch hergestellt. Ein rekombinanter
Impfstoff gegen Hepatitis B enthält das Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HbsAg), das
durch ein Plasmid in der Bäckerhefe S. cerevisiae exprimiert wurde. Ähnlich wird auch ein
Impfstoff mit dem Kapsidprotein L1 der humanen Papillomviren hergestellt. Der Vorteil
von Totimpfstoffen ist ihre hohe Sicherheit, da die inaktivierten Viren bzw. Bestandteile
in keinem Fall pathogen für den Wirt sein können. Das ermöglicht ihren Einsatz auch bei
immungeschwächten Patienten.
54
Kapitel 2 – Hygiene, Prophylaxe und die therapeutische Bedeutung von Oberflächen
• Wundinspektion
• Wundreinigung
• Wunddesinfektion
• Umgehende Konsultation - möglichst innerhalb 1 Stunde - eines für diesen Bereich
kompetenten Arztes
Postexpositionsprophylaxe (PEP):
• Hepatitis B
• Hepatitis C
Eine Schutzimpfung gegen das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist bisher nicht verfügbar.
Nach Exposition sollten über mehrere Wochen im Blut Parameter wie die HCV-
RNA bestimmt werden. Im Falle einer erfolgten HCV Infektion sollte eine frühe
Interferon-Therapie zur Verhinderung der Chronifizierung in Erwägung gezogen
werden [5].
• HIV / AIDS
Eine Impfung ist nicht möglich. Es gibt aber eine medikamentöse PEP, die bei
entsprechender Indikation sofort eingenommen werden sollte. Eine Liste der
55
Kapitel 2 – Hygiene, Prophylaxe und die therapeutische Bedeutung von Oberflächen
spezialisierten Kliniken, die diese PEP jederzeit vorhalten, finden Sie auf den Seiten
der deutschen Aidshilfe: http://www.aidshilfe.de/de/adressen/pep-kliniken
Detaillierte Informationen zu HIV finden Sie auf den Seiten des RKI sowie bei der
deutschen Aidshilfe. Diese stellt auch einen umfangreichen Ratgeber zur PEP hier zur
Verfügung:
http://www.aidshilfe.de/sites/default/files/Deutsch-
Osterreichische%20Leitlinien%20zur%20Postexpositionellen%20Prophylaxe%20der%
20HIV-Infektion.pdf
Nachdem wir nun einiges über die Prävention von Krankheiten wissen, widmen wir uns
noch einmal dem Ernstfall: Wir erinnern uns an den Krankheitserreger, der erfolgreich
die Haut des zweiten Wirts durchdringen konnte. Hier findet er alles, was er braucht, und
kann sich schnell vermehren; es ist zu einer Infektion gekommen.
Der Patient bemerkt die Infektion und sucht Hilfe beim Arzt. Was kann dieser
unternehmen?
Pilze, Bakterien, Viren und Prionen unterscheiden sich an ihrer Oberfläche bereits durch
das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Zellwänden und -membranen.
Schauen wir uns kurz die wichtigsten strukturellen Unterschiede an. Welche
Strukturen eignen sich besonders als Angriffsort für Medikamente?
Tabelle 2.3: Strukturelle Unterschiede von Pilzen, Bakterien, Viren und Prionen
Antimykotische Wirkstoffe:
o Zellmembran-Perforatoren: Polyen-Antibiotika
• Spindelgifte (durch Inhibition des Spindelapparats wird die Mitose gehemmt):
Griseofulvin
• Inhibitoren der DNA-Biosynthese: Flucytosin
Antibakterielle Wirkstoffe:
Antivirale Wirkstoffe:
Erste Wirkstoffe, die im Mausmodell Erfolge zeigen konnten, stammen aus der
Schizophrenie-Behandlung. Das trizyklische Antidepressivum Trimipramin (ein
Antagonist exzitatorischer Neurotransmitter wie Histamin) und Fluphenazin, ein
Dopaminantagonist, konnten im Versuch den Ausbruch der Erkrankung
verzögern. [6] Welche Mechanismen dem zugrunde liegen, ist allerdings leider
noch unbekannt.
a
Abbildungsverzeichnis
Soweit nicht anders angegeben, sind die Abbildung selber erstellt und/oder fallen unter
die Lizenz CC0.
Neukombination [24] 39
Alzheimererkrankung [25] 42
Abbildung 2.2: Albumin hat acht Epitope, gegen die acht verschiedene
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1.1: Vergleich zwischen verschiedenen eukaryotischen und
prokaryotischen Zellen 6
Virusstruktur 50
Prionen 55
Literaturverzeichnis
[1] RKI, „Maßnahmen zur Händehygiene“, Epidemiol. Bull., Nr. 17, Apr. 2012
(http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/
Archiv/2012/17/Tabelle.html).
[5] RKI, „Epidemiologisches Bulletin 30/13“, Epidemiol. Bull., Nr. 30, Juli 2013.
[6] http://www.cureffi.org/2012/10/23/fluphenazine-trimipramine-and-two-
styryl-compounds/
[10] R. M. Macnab und S. I. Aizawa, „Bacterial Motility and the Bacterial Flagellar
Motor“, Annu. Rev. Biophys. Bioeng., Bd. 13, Nr. 1, S. 51–83, 1984.
[13] S. L. Roderick, „The lac operon galactoside acetyltransferase“, C. R. Biol., Bd. 328,
Nr. 6, S. 568–575, Juni 2005.
[15] C. Biémont und C. Vieira, „Genetics: Junk DNA as an evolutionary force“, Nature,
Bd. 443, Nr. 7111, S. 521–524, Okt. 2006.
[16] U. Gebhardt, „Neue Mittel gegen resistente Keime“, Spektrum der Wissenschaft,
11-2013.
[17] S. Modrow, D. Falke, H. Schä tzl, und U. Truyen, Molekulare Virologie. Heidelberg,
Neckar: Spektrum Akademischer Verlag, 2008.
[19] Spira AP, Gamaldo AA, An Y, und et al, „Self-reported sleep and β-amyloid
deposition in community-dwelling older adults“, JAMA Neurol., Bd. 70, Nr. 12, S.
1537–1543, Dez. 2013.
[22] http://www.botanikus.de/Botanik3/Ordnung/Mutterkorn/mutterkorn.html
[23] http://www.ge-li.de/tropfsteinhoehle/entstehung-des-lebens-evo.htm
[24] http://pt.wikipedia.org/wiki/Usu%C3%A1rio:Antero_de_Quintal/tradu%C3%
A7%C3%B5es10#mediaviewer/File:Influenza_geneticshift.jpg
[25] http://www.alz.org/braintour/healthy_vs_alzheimers.asp
[26] http://de.wikipedia.org/wiki/Epitop
d
[27] http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Haendehygiene/
Poster_node.html
[28] Biologie. Der neue Campbell, Anselm Kratochwil, Renate Scheibe, Helmut
Wieczorek und Neil A. Campbell; Pearson 2009