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Christopher Kopper

Vorlesung am 18.10.2021: Die Pläne der Sowjetunion und der KPD/SED für
ein sozialistisches Deutschland

Welche Pläne hatten die sowjetischen und die deutschen Kommunisten für den
Aufbau eines sozialistischen Staats auf deutschem Boden? Gab es zum Aufbau
eines sozialistischen Staats auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone
auch Alternativen?

Mit diesen und anderen Fragen soll sich die heutige Vorlesung beschäftigen.
Wir wissen aus den überlieferten Dokumenten der KPD und der späteren SED,
dass die Führung der KPD im Moskauer Exil 1944 mit Vorbereitungen für die
Zeit nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft begann.

Im Moskauer Exil lebte die Mitglieder des Politbüros der KPD, denen die Flucht
aus dem nationalsozialistischen Deutschland gelungen war. Vier Mitglieder des
KPD-Politbüros (Hugo Eberlein, Leo Flieg, Heinz Neumann und Hermann
Remmele) waren 1937 und 1938 den stalinistischen Massensäuberungen in der
SU zum Opfer gefallen. Nach zuverlässigen Schätzungen fielen mindestens 1
500 deutsche Kommunisten dem entgrenzten Terror des totalitären
stalinistischen Regimes zum Opfer, Ein drittes Politbüromitglied hatte sich nach
seiner Verhaftung in Schweden vom Kommunismus gelöst und trat zur
Sozialdemokratie über – es war Herbert Wehner, der in der bundesdeutschen
SPD eine wichtige Rolle spielen sollte.

Die Führung der deutschen Kommunisten war realistisch genug, um zu


erkennen, dass sie allein keine absolute Mehrheit bekommen würden. Seit
1943 plante man für die Zeit nach der Befreiung vom Naziregime, einen Block
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der antifaschistisch-demokratischen Parteien zu bilden, in dem die


Kommunisten natürlich eine wichtige Rolle spielten sollten.

Noch in den letzten Tagen des Kriegs brachte die sowjetische Luftwaffe drei
Gruppen mit kommunistischen Funktionären von Moskau nach Deutschland.
Eine dieser drei Gruppen wurde die „Gruppe Ulbricht“ genannt, die unmittelbar
nach der Kapitulation der Wehrmacht Berlin erreichtet. An ihrer Spitze stand
der sächsische Kommunist Walter Ulbricht. In der Hierarchie der KPD stand
Ulbricht hinter dem nominellen Parteivorsitzenden Wilhelm Pieck an zweiter
Stelle. Ulbricht galt schon damals zu Recht als der Mann, der den Parteiapparat
lenkte und die wichtigsten Personalentscheidungen vorbereitete.

In Deutschland trafen die aus Moskau zurückgekehrten Funktionäre auf die


deutschen Kommunisten, die die Haft in den Konzentrationslagern und
Gefängnissen überlebt hatten. Bis 1947 kehrten die meisten Kommunisten
nach D zurück, die während der NS-Zeit in westliche Staaten, vor allem nach
Frankreich, GB, Schweden und Mexiko emigriert waren.

Die überlebenden deutschen Kommunisten wunderten sich nicht wenig, als


Ulbricht ihnen die neue taktische Linie bekannt gab, die mit der Führung der
KPdSU abgestimmt war. Sie hatten mit einer kommunistischen Revolution
gerechnet, die die KPD in der Weimarer Republik mehrfach vergeblich probiert
hatte.

Am 11. Juli 1945 trat die Führung der KPD in Berlin zum ersten Mal mit einem
Aufruf an die Öffentlichkeit. Dieser Aufruf enthielt den überraschenden Satz: Es
wäre ein Fehler, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen. In diesem Aufruf
bekannte sich die KPD zur gemeinsamen Verantwortung aller Antifaschisten,
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zur Gewaltenteilung und zur parlamentarischen Demokratie. Nur die


Großunternehmen und Großbanken sollten verstaatlicht, nur der
Großgrundbesitz zerschlagen werden.

Auf Versammlungen der KPD fragten KPD-Mitglieder verwundert, ob die KPD


das Ziel eines sozialistischen Sowjetdeutschland aufgegeben habe. Ulbricht
antwortete: Nu Genosse, das wirst Du schon früh genug erfahren. Im kleinen
Kreis unter KPD-Funktionären sagte Ulbricht: Es muss demokratisch aussehen,
aber wir müssen die Mehrheit behalten.

Entgegen den Hoffnungen vieler Kommunisten und Sozialdemokraten lehnte


die Führung der KPD eine Vereinigung der beiden marxistischen
Arbeiterparteien ab. 1945 konzentrierte die KPD ihre Energie darauf, möglichst
viele Mitglieder zu werben. Ihre Mitgliederzahl blieb auch in der Sowjetischen
Besatzungszone deutlich unter der Mitgliederzahl der SPD – und lag in den
Westzonen weit hinter denen der Sozialdemokraten.

Die ersten Parlamentswahlen in Österreich brachten im November 1945 für die


Kommunisten ein Ergebnis, das mit 5% weit unter ihren Erwartungen blieb. Die
SPD hätte auch in der Sowjetischen Zone ein besseres Ergebnis als die KPD
erzielt. Daher änderten die sowjetische Militärregierung in der SBZ und die
Führung der KPD ihre Taktik und drängten jetzt auf die Vereinigung von KPD
und SPD.

Der Gedanke einer Vereinigung beider Parteien war auch in Teilen der
Sozialdemokratie populär. Sie bot eine Chance, die unüberwindbare Spaltung
der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik zu überwinden. Allerdings
fürchtete die Mehrheit der ostdeutschen Sozialdemokraten, dass die
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Kommunisten mit der Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht eine


Einheitspartei dominieren würden.

Aus diesem Grund verbot die sowjet. Militärregierung die geplante


Urabstimmung der SPD, die in den fünf Ländern der SBZ und in Berlin angesetzt
war. Nur in den Westsektoren Berlins konnte die Urabstimmung stattfinden.
Dort sprachen sich 80% der SPD-Mitglieder gegen eine Vereinigung mit der KPD
aus.

Die Vereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei


Deutschlands (SED) vollzog sich am 21. und 22. April 1946 im Admiralspalast,
einem Saal im Sowjetischen Sektor Berlins, direkt an der Friedrichstraße. Die
Länderkommandanten der Sowjetischen Besatzungsmacht hatten die
Landesverstände der SPD in ihrer Zone massiv unter Druck gesetzt, der
Vereinigung beider Parteien zuzustimmen. Die Forschung ist sich heute darüber
einig, dass die Vereinigung zur SED eine Zwangsvereinigung war.

Die Bedenken der Sozialdemokraten wurden zunächst damit besänftigt, dass


alle Führungsgremien und Führungspositionen paritätisch mit
Sozialdemokraten und Kommunisten besetzt wurden. Die neu gegründete
Sozialistische Einheitspartei stellte sich sowohl in die Traditionslinie der KPD als
auch des linken Parteiflügels der SPD in der Weimarer Republik. Bis 1948 war
die SED keine zentralistisch geführte kommunistische Kaderpartei, sondern gab
sich das Erscheinungsbild einer demokratischen und sozialistischen
Massenpartei.

Der zunächst noch bestehende ideologische Pluralismus spiegelte sich in den


Buchpublikationen des parteieigenen Dietz-Verlags. Der Verlag verlegte neben
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den klassischen theoretischen Grundlagenwerken von Marx und Engels und


den Theoretikern des linken Flügels der SPD wie Karl Liebknecht und Rosa
Luxemburg die Schriften von Lenin, aber auch die Schriften von
Sozialdemokraten der Weimarer Republik, die bislang von Kommunisten als
Revisionisten angegriffen wurden. Dazu gehörte beispielsweise der
sozialdemokratische Finanzexperte der Weimarer Republik, Rudolf Hilferding.

Der Kommunist Wilhelm Pieck und der Sozialdemokrat Otto Grotewohl wurden
zu gleichberechtigen Parteivorsitzenden gewählt. Im Parteivorstand der SED, im
Zentralsekretariat, waren Kommunisten und Sozialdemokraten zahlenmäßig
gleich vertreten.

Die SED trat von Anfang an als eine prosowjetische Partei auf, die keinen
Zweifel an ihrer Loyalität gegenüber der Sowjetischen Militärregierung und der
Sowjetunion ließ. Wirtschaftspolitisch und gesellschaftspolitisch hatte die
sowjet. Besatzungsmacht bis 1946 wichtige Weichen für die schrittweise
Transformation der späteren DDR in eine sozialistische Gesellschaftsordnung
gestellt.

Schon im Sommer und Herbst 1945 wurden die privaten Geschäftsbanken und
Versicherungen verstaatlicht und ihre Aktionäre entschädigungslos enteignet.
Das Kapital und die Konten der enteigneten Geschäftsbanken wurden auf die
staatlichen Landesbanken überführt, die in allen 5 Ländern der SBZ gegründet
wurden. Auch in ganz Berlin wurden die Geschäftsbanken verstaatlicht und in
den Berliner Stadtkontor überführt.

Die Sowjetische Militärregierung beschlagnahmte 1945 und 1946 einige der


größten Industriebetriebe ihrer Zone und führte sie als Sowjetische
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Aktiengesellschaften (SAG-Betriebe) fort. Die SAG-Betriebe stellten 20% der


gesamten Industrieproduktion der späteren DDR her. Der Schwerpunkt der
SAG-Betriebe lag in der Förderung von Uranerz in Ostthüringen und im
Erzgebirge und in der Chemieindustrie.

Es war der Zweck der SAG-Betriebe, Reparationsgüter für die SU herzustellen.


Im Unterschied zur ansonsten sehr rigiden Säuberung der staatlichen und der
privaten Unternehmen von ehemaligen Nationalsozialisten zeigte die
Besatzungsmacht bei der Entnazifizierung der SAG-Betriebe gegenüber
ehemaligen Nazis Nachsicht. Für die Besatzungsmacht hatte das
Wiederanfahren der Produktion in ihren eigenen Betrieben unter der Leitung
fähiger technischer Fachkräfte Vorrang vor einer konsequenten
Entnazifizierung.

Im Herbst 1945 ordnete die Sowjetische Besatzungsmacht mit Zustimmung der


KPD, der SPD und des linken Flügels der CDU die Enteignung von
landwirtschaftlichen Großbetrieben mit mehr als 100 ha Fläche an. Im Rahmen
der Bodenreform wurde das enteignete Land an Landarbeiter, an Kleinstbauern
und an geflüchtete und vertriebene Landwirte aus den ehemals deutschen
Ostgebieten verteilt. In den ehemals stark gutsherrschaftlichen Regionen der
DDR wie Mecklenburg, Vorpommern, Brandenburg und Teilen von Sachsen-
Anhalt führte die Bodenreform zu einer deutlichen Umschichtung der
ländlichen Sozialstruktur. Der wirtschaftlich und politisch dominierende
Großgrundbesitz verschwand vollständig.

Die Gutshäuser der Großgrundbesitzer wurden kommunalisiert und als


Unterkünfte für Flüchtlinge und durch die Gemeindeverwaltungen genutzt. Auf
dem Gebiet der DDR entstand zunächst eine kleinbäuerliche Kleineigentümer-
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gesellschaft. Viele der sog. Neubauern wirtschafteten auf ihren 6-8 ha großen
Höfen unter wirtschaftlich prekären Bedingungen. Ihnen fehlten oft Geräte,
Maschinen, Zugtiere und ausreichende Gebäude. Die Gründung von staatlichen
Maschinen-Ausleih-Stationen konnte das Problem der schlechten
Maschinenausstattung mangels ausreichender Maschinenparks lediglich
mildern. Ca. 1/5 aller Neubauern gab ihre Bauernstellen bis Anfang der 1950er
Jahre wieder auf.

In den klein- und mittelbäuerlich geprägten Ländern Sachsen und Thüringen


hatte die Bodenreform dagegen nur eine geringe Bedeutung für die
Sozialstruktur des ländlichen Raums.

Die SED ging im Sommer 1946 dazu über, auch wichtige Teile der im deutschen
Besitz verbliebenen Industrie zu verstaatlichen. In Sachsen stimmten im Herbst
1946 78% in einem formell freien Referendum für einen Gesetzesentwurf der
SED zur „Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher“. Die Einstufung ihrer
Eigentümer, ihrer Vorstände und Aufsichtsräte als „Kriegs- und Naziverbrecher“
war jedoch nur ein Vorwand für die Absicht, weite Teile der Industrie und des
Bergbaus zu verstaatlichen. In vielen Fällen reichte die nominelle NSDAP-
Mitgliedschaft des Eigentümers oder eines der Vorstände aus. Allein in Sachsen
wurden 1 800 Betriebe und damit mehr als ein Drittel aller Betriebe enteignet.

Obwohl die Abstimmung frei war, war es den Kritikern der entschädigungslosen
Enteignung in der CDU und der liberalen LDP kaum möglich, den
Gesetzesentwurf öffentlich zu kritisieren. In den übrigen Ländern der SBZ
wurden gleichlautende Gesetze ohne eine Volksabstimmung durch die
Landtage verabschiedet. Der Grund: Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern,
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Brandenburg und Sachsen-Anhalt rechnete die SED mit einer geringeren


Zustimmung in einem Volksbegehren.

Die Entnazifizierung wurde in der SBZ generell streng gehandhabt. Die


Mehrheit der ehemaligen NSDAP-Mitglieder in der Justiz, in der öffentlichen
Verwaltung, in der Polizei und in Schulen und Hochschulen verlor ihre Stellen.
Zum Ausgleich für den großen Mangel an Richtern und Lehrern wurden in
einjährigen Kursen sog. Neulehrer und Neurichter, oft SED-Mitglieder
ausgebildet. Nach ihrer Einstellung besaßen sie erhebliche fachliche Defizite,
die sie erst in den folgenden Jahren ihrer Berufstätigkeit einigermaßen
ausgleichen konnten.

Ebenso wie in den Westzonen wurde führende Nationalsozialisten in den


Internierungslagern der Besatzungsmacht interniert. In der SBZ war die Zahl der
internierten Nationalsozialisten jedoch um ein Vielfaches höher. Ein Teil der
Verhaftungen war absolut willkürlich. Es wurden auch kleine Funktionsträger
der NSDAP wie Blockleiter betroffen. Zu den Verhafteten gehörten auch einige
Führungskräfte der Wirtschaft, denen eine aktive NSDAP-Mitgliedschaft gar
nicht vorgeworfen werden konnte.

Insgesamt wurden ca. 100 000 Personen vom Geheimdienst der Sowjetischen
Besatzungsmacht interniert. Ein Drittel von ihnen starb in den
Internierungslagern an Hunger und an Krankheiten. Die hohen Todeszahlen
waren nicht das Ergebnis einer gezielten Tötungsstrategie des sowjetischen
Staatssicherheitsdienstes MWD (Abkürzung für: Ministerium für Innere
Angelegenheiten). Die Internierten starben im Wesentlichen deshalb, weil sie
der MWD völlig vernachlässigte. Im Unterschied zu den Lagern in der
Sowjetunion mussten die internierten Nazis keine Zwangsarbeit leisten – und
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waren aus der Sicht des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes nutzlose Esser.


Während die westlichen Besatzungsmächte den größten Teil der internierten
Nazis bis zum Herbst 1948 entließen, bestanden die sowjetischen
Internierungslager in der DDR bis zum Frühjahr 1950.

Für die verstaatlichten Betrieben galt bei der Entnazifizierung das Gleiche wir
für die staatliche Verwaltung: Das frühere Führungspersonal, vor allem
kaufmännische und juristische Fachkräfte, wurde mehrheitlich aus den
Führungspositionen entfernt. Sie wurden durch soziale Aufsteiger mit SED-
Parteibuch ersetzt. In nicht wenigen Fällen wurden Arbeiter zu Betriebs-
direktoren ernannt. Bei ingenieurwissenschaftlichen und naturwissen-
schaftlichen Führungskräften war der Anteil der Entlassungen geringer.

Der Grund: Das technische und naturwissenschaftliche Fachwissen, das für


diese Positionen erforderlich war, konnte nicht in Schnellkursen vermittelt
werden. Aus diesem Grund wurden bei der Eisenbahn, in technischen
Verwaltungen und im Gesundheitswesen deutlich weniger Fachkräfte
entlassen. Bei der Deutschen Reichsbahn waren Anfang der 1950er Jahre
immerhin 25% der Mitarbeiter ehemalige NSDAP-Mitglieder. Im
Gesundheitswesen wurden Ärzte mit NSDAP-Parteibuch oft weiterbeschäftigt.
Wegen des Ärztemangels wurden sogar einige Ärzte weiterbeschäftigt, die
während der NS-Herrschaft mittelbar an der Euthanasie, an der Ermordung von
behinderten Menschen beteiligt waren.

Im Sommer und Herbst 1946 fanden in der SBZ die ersten und letzten halbwegs
freien Wahlen zu den Landtagen und zu den kommunalen Parlamenten statt.
Die SED erzielte in mehreren Ländern, in Brandenburg und Sachsen-Anhalt,
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nicht die absolute Mehrheit. Die Konkurrenten der SED, die CDU und die LDP,
konnten jedoch nicht gegen die SED Regierungen bilden.

Die CDU und die LDP im „Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien“


mit der SED kooperieren. In der Praxis bedeutete dies, dass die beiden
bürgerlichen Parteien keine Entscheidungen gegen die stärkste Partei, die SED
fällen durften. Die SED sicherte sich in den Landesregierungen immer die
Ressorts für Inneres und Volksbildung, und damit über die Polizei und das
Schulwesen. In den Ministerien unter der Leitung bürgerlicher Minister
beanspruchte die SED die Leitung der Personalabteilungen, die für die Auswahl
der leitenden Mitarbeiter entscheidend war.

Anfang 1948 kam es innerhalb der CDU zu einem Bruch über die Mitarbeit im
antifaschistisch-demokratischen Block. Der CDU-Vorsitzende in der SBZ war der
christliche Gewerkschafter und entschiedene NS-Gegner Jakob Kaiser. Kaiser
gehörte zum linken Flügel seiner Partei und sich für einen demokratischen
Sozialismus auf christlicher Grundlage aus. Weil er ein weiteres Nachgeben
gegenüber der SED ablehnte, wurden Kaiser und mehrere seiner Mitstreiter
von der Sowjetischen Militäradministration zum Rücktritt gezwungen. Sie
mussten die SBZ wegen der Gefahr der Verhaftung verlassen. Auf Kaiser folgte
der neue CDU-Vorsitzende Otto Nuschke, der wie Kaiser in der Weimarer
Republik der Zentrumspartei angehört hatte. Nuschke war gegenüber der SED
jedoch deutlich nachgiebiger.

Auch die liberale LDP (Liberaldemokratische Partei) wurde durch einen


erzwungenen Personalwechsel an der Führung als potentielle
Oppositionspartei ausgeschaltet. Die SED schwächte die Stellung der CDU und
der LDP im antifaschistisch-demokratischen Block durch die Gründung zweier
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neuer Parteien. Diese Parteien wurden in Wahrheit von Kommunisten und von
prokommunistischen Sympathisanten geführt: Die Demokratische Bauernpartei
Deutschlands (DBD) und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands
(NDPD).

Die DBD sollte die damals noch selbstständigen Bauern für den Sozialismus
gewinnen. Die NDPD war als Auffangbecken für ehemalige Mitläufer der NSDAP
und für ehemalige Berufssoldaten der Wehrmacht gedacht. In diesen Parteien
gab es keine Opposition gegen den Machtanspruch der SED.

Der Begriff der Blockpartei wa ab 1950 gleichbedeutend mit der freiwilligen


oder erzwungenen Unterordnung unter den Führungsanspruch der SED. Die
Blockparteien täuschten eine Parteienvielfalt vor, die nicht mehr existierte.

1948 war ein Schlüsseljahr in der Entwicklung der SBZ. Der Kalte Krieg
verschärft sich im Juni 1948 mit der Währungsreform in den Westzonen und
der sowjetischen Blockade gegen die Westsektoren von Berlin. Die SED erhält
aus dem Kreml folgende Weisung. Aufgrund der verschärften politischen
Systemkonfrontation soll sie mit der Umwandlung in eine zentralistisch
geführte Kaderpartei nach dem Vorbild der sowjetischen KPdSU beginnen.

Im September 1948 begann der Umbau er SED von einer noch relativ
pluralistischen Massenpartei in eine Partei, die Abweichungen von der
Parteilinie mit dem Ausschluss bestrafte. Die bestehende Parität zwischen
Kommunisten und Sozialdemokraten in den Gremien der SED wurde
aufgehoben. Zahlreiche Sozialdemokraten verloren ihre Positionen. Mehrere
Tausend Sozialdemokraten in der SBZ wurden von der Sowjetischen
Besatzungsmacht verhaftet. Im Parteivorstand der SED blieben nur noch jene
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Sozialdemokraten wie Otto Grotewohl übrig, die sich der kommunistischen


Dominanz vollständig unterordneten.

Im Herbst 1948 wurde die sowjetische KPdSU zum Vorbild für die SED erklärt.
Die SED schnitt ihren sozialdemokratischen Traditionsstrang ab und erklärte
Lenin und Stalin zu den maßgeblichen Theoretikern der Partei. Nach dem
Grundsatz des Demokratischen Zentralismus erfolgte die Willensbildung in der
SED jetzt von oben nach unten. Die Anpassung an das sowjetische Vorbild
schlug sich auch in den Bezeichnungen der Parteiorgane nieder. Aus dem
Parteivorstand wurde das Zentralkomitee der SED. Der engere Parteivorstand,
das Kleine Sekretariat, hieß jetzt Politbüro.

1948 und 1949 wurde das sogenannte Nomenklaturprinzip für die Besetzung
von Führungspositionen in der staatlichen Verwaltung und in den volkseigenen
Unternehmen eingeführt. Je nach der Bedeutung der Position mussten die
Personalvorschläge für die Besetzung von Führungspositionen von den
Landesvorständen der SED, vom Zentralkomitee oder vom Politbüro bestätigt
werden. Personalentscheidungen bei Führungskräften konnten nicht ohne die
Konsultierung des Parteiapparats der SED und erst recht nicht gegen ihn
getroffen werden.

Die Geschichtswissenschaft teilt die Vorgeschichte und die Frühgeschichte der


DDR in zwei Phasen auf. Die erste Phase von 1945 bis 1948 war durch die
sogenannte antifaschistisch-demokratische Umwälzung geprägt. In dieser
Phase wurden die institutionellen Grundlagen für den Aufbau einer
sozialistischen Gesellschaftsordnung gelegt. Die gesellschaftlichen Eliten in
Staatsverwaltung, Justiz und Wirtschaft wurden weitgehend ausgeschaltet.
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Sofern dies mit dem Funktionieren der Institutionen vereinbar war, wurden
ehemalige Nationalsozialisten durch politisch unbelastetes Personal ersetzt.

Die zweite Phase von Herbst 1948 bis 1952 gilt in der historischen Forschung
als der Beginn des Aufbaus des Sozialismus. In dieser Zeit wurden die
Vorbereitungen für die Gründung eines sozialistischen Staates auf deutschem
Boden getroffen. Wegen der Zuspitzung des Kalten Kriegs ließ die SU die
Vorbereitungen für die Gründung eines sozialistischen Staates auf dem Gebiet
ihrer Besatzungszone beschleunigen. Das alternative Ziel eines neutralen
Deutschlands unter gemeinsamer Aufsicht der alliierten Siegermächte war ab
Herbst 1948 nicht mehr realistisch.

Ebenso wie die Westalliierten in den Westzonen entschied die sowjetische


Regierung, in ihrer Zone ein politisches System nach ihren Vorgaben
aufzubauen. Die sowjetischen Vorgaben für die Wirtschaftsordnung und das
Parteiensystem waren in der SBZ jedoch sehr viel enger – und wurden nur von
der Führung der SED uneingeschränkt begrüßt. Der Deutsche Volkskongress,
der ab Herbst 1948 die Staatsgründung der DDR vorbereiten sollte, war keine
repräsentative Versammlung aus den Vertretern der Landtage in den fünf
Ländern der Sowjetzone. Die Vertreter der sogenannten Massenorganisationen
wie des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB), der Freien Deutschen
Jugend (FDJ) und des Kulturbunds hatten kein parlamentarisches Mandat. Dies
ist der entscheidende Unterschied zum Parlamentarischen Rat in den
Westzonen, der sich aus den Vertretern der Landtage zusammensetzte und
demokratisch legitimiert war.

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