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7), © Urban & Vogel, München

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Medikamentöse Therapie der Komplikationen der Leberzirrhose


Frank Grünhage1, 2, Jörg Heller1, 3, Beate Appenrodt1, Volker Schmitz1, Tilman Sauerbruch1*

ZUSAMMENFASSUNG D ie Leberzirrhose ist charakterisiert


durch knotigen Parenchymum-
bau, Fibrose und Änderung des Gefäß-
Patienten mit einer Leberzirrhose tragen das Risiko für eine Vielzahl von betts.
Komplikationen, die deutlich machen, dass es sich hierbei um eine Systemer- Die wesentlichen Ursachen der Le-
krankung handelt. Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten der Kom- berzirrhose sind in Europa der chro-
plikationen sind dementsprechend vielfältig. Sie reichen von akuten thera- nische Alkoholismus, seltener Infektio-
peutischen Maßnahmen wie der Gabe von vasoaktiven Substanzen im Rah- nen mit hepatotropen Viren (Hepatitis
men einer akuten Varizenblutung bis zur Dauerprophylaxe mit oralen Anti- B und C), autoimmune Erkrankungen
biotika nach einer spontan-bakteriellen Peritonitis. Dabei sollten allerdings (primär biliäre Zirrhose [PBC], primär
die ursächliche Bekämpfung der Grunderkrankung, die Identifikation von sklerosierende Cholangitis, autoim-
Auslösern für akute Komplikationen und auch die Möglichkeit der Leber- mune Hepatitis) und genetisch verur-
transplantation immer im Auge behalten werden. sachte Stoffwechselerkrankungen wie
Schlüsselwörter: Leberzirrhose · Komplikationen · Therapie die Hämochromatose, der Morbus
Med Klin 2008;103:482–90. Wilson oder der α 1 -Antitrypsin-
DOI 10.1007/s00063-008-1072-5 Mangel.
Der Umbau der Leber – zusammen
mit der intra- und extrahepatischen
ABSTRACT
Aktivierung von Chemokinen, Zyto-
Complications of Liver Cirrhosis, Medical Management kinen und Hormonen – hat erhebliche
Patients with liver cirrhosis bear a considerable risk of a variety of compli- funktionelle Folgen, die einerseits die
cations that involve virtually all organ systems. They can be addressed with a Eiweißsynthese (z.B. von Gerinnungs-
wide spectrum of drugs for acute interventions as well as for prophylactic faktoren), andererseits die Entgiftungs-
purposes. At the same time, treatment of the underlying disease, the identifi- funktion des Organs (z.B. die Aufnah-
cation and treatment of triggering factors, and the possibility of liver trans- me und Exkretion von Bilirubin) und
plantation should be kept in mind. schließlich das vaskuläre System mit
portaler Hypertonie betreffen. Darüber
Key Words: Liver cirrhosis · Complications · Therapy hinaus kommt es zu extrahepatischen
Med Klin 2008;103:482–90. Veränderungen, die zu einem großen
DOI 10.1007/s00063-008-1072-5 Teil auf einer endothelialen und vas-
kulären Dysfunktion beruhen. Das ar-
terielle Gefäßsystem ist bei Patienten
mit Leberzirrhose vor allem im Splanch-
nikusgebiet, jedoch auch in der Peri-
pherie erweitert. Dies führt zu einer
hyperdynamen Zirkulationsstörung und
zu einer Retention des Bluts, vor allem
im splanchnischen Kreislaufkomparti-
ment, mit einer Reduktion des effek-
tiven Plasmavolumens, das die Volu-
menrezeptoren steuert. Gegenregula-
torisch aktiviert der Organismus die
Sekretion vasoaktiver Substanzen (z.B.
Katecholamine oder das Renin-Angio-
* Teile dieser Arbeit wurden in der Zeitschrift Der Internist (2007;48:1349–57) veröffentlicht.
tensin-System), systemisch und in ein-
1 Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, zelnen Organen (z.B. Niere), die aller-
Bonn, dings die vaskuläre Dysfunktion nicht
2 Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg,
3 Marienhaus Klinikum, Bad Neuenahr-Ahrweiler.
kompensieren können, im Gegenteil
sogar zu einer Verschlechterung be-
Eingang des Manuskripts: 7. 5. 2008. stimmter Organfunktionen (z.B. der
Annahme des Manuskripts: 7. 5. 2008. Niere) führen.
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Es handelt sich daher bei der Le- Tabelle 1. Stufentherapie des Aszites. Auf Erhalt der Nierenfunktion (Retentionswerte) und
berzirrhose – unabhängig von ihrer eventuelle Elektrolytentgleisungen ist dabei zu achten. TIPS: transjugulärer intrahepatischer
Ätiologie – um eine Systemerkran- Stent.
kung, die mit zunehmender Dekom-
pensation manifester wird. Betroffen Stufen Arzneistoff Dosierung (mg/Tag) Gewichtsabnahme (g/Tag)
sind neben der Leber besonders die
Nierenfunktion, aber auch das Herz, 1 Spironolacton 100–200 < 300 → Stufe 2
die Lungen und natürlich das Zentral- 2 Spironolacton 100–200 < 300 → Stufe 3
nervensystem. und Furosemid 2 × 20
Die Therapie der Komplikationen oder Torasemid 2 × 5–20
der Leberzirrhose richtet sich dabei bzw. Xipamid 20–80
immer einerseits auf die Grunderkran-
kung und andererseits auf die Kompli- 3 Spironolacton Bis maximal 400 < 300 → Stufe 4
kationen der Leberzirrhose selbst, der und Furosemid Maximal 2 × 80
gemeinsamen Endstrecke eines seit Jah- und/oder Xipamid 80
ren entstandenen Organumbaus und 4 Wiederholte Parazentese oder TIPS
seiner Folgen.
Patienten mit einer Hämochroma-
tose müssen durch regelmäßige Ader-
lässe und diätetische Maßnahmen auf
einem Serumferritinwert zwischen 25
und 50 ng/ml gehalten werden.
Patienten mit einem Morbus Wil- Tabelle 2. Definition und Therapie des hepatorenalen Syndroms Typ I und II. KG: Kör-
son werden in der Langzeittherapie pergewicht; TIPS: transjugulärer intrahepatischer Stent.
durch eine Behandlung mit Chelatbild-
nern (D-Penicillamin, Trientine) auf 1. Leberzirrhose mit Aszites
eine tägliche renale Kupferausschei- 2. Serumkreatinin > 2,5 mg/dl (> 226 μmol/l): Typ I
dung zwischen 200 und 500 μg [1] Serumkreatinin > 1,5–2,4 mg/dl (> 133–226 μmol/l): Typ II
eingestellt. 3. Kein Abfall des Serumkreatinins nach mindestens 2 Tagen ohne diuretische
Patienten mit einer PBC bekom- Therapie und nach Volumenexpansion mit Albumin
men regelmäßig Ursodeoxycholsäure Empfohlene Albumindosis: 1 g/kg KG/Tag, maximal 100 g/Tag
in einer Dosierung von 13–15 mg/kg/ 4. Keine Zeichen eines Schocks
Tag [2, 3]. Patienten mit einer autoim- 5. Keine Therapie mit nephrotoxischen Substanzen
mun induzierten Zirrhose erhalten eine 6. Keine parenchymatösen renalen Veränderungen
dauerhafte immunsuppressive Therapie • Keine Proteinurie > 500 mg/Tag
[4]. Bei Budd-Chiari-Patienten sollte • Keine Mikrohämaturie (> 50 Erythrozyten)
immer die Indikation zum intrahepa-
• Normale sonographische Nierendarstellung
tischen (TIPS [transjugulärer intrahe-
patischer Stent]) oder offenen extrahe- Aktuelle Therapieempfehlungen
patischen Seit-zu-Seit-Shunt geprüft
werden. Therapie der ersten Wahl: Terlipressin plus Albumin
Häufig gelingt es durch die Be- Terlipressin
handlung der Grunderkrankung, die • Beginn: 0,5–1 mg alle 4–6 h
Patienten in einem kompensierten Zu- • Bei Kreatininabfall < 25% nach 2 Tagen: Dosisverdoppelung alle 2 Tage
stand (Child A, MELD-Score [Model • Maximale Dosis: 12 mg/Tag bzw 2 mg alle 4 h
of End-Stage Liver Disease Score] < 9) • Maximale Therapiedauer: 14 Tage
zu halten. So können die Patienten Albumin
noch eine Lebenserwartung von vielen • 20–40 g/Tag (evtl. Anfangsdosis 1 g/kg KG)
Jahren haben. Therapieende
Gelingt es nicht, den Fortgang der • Kreatininabfall < 50% nach 7 Tagen der höchsten Dosis → Therapieversagen
Zirrhose aufzuhalten, so entstehen die • Kein Kreatininabfall nach 3 Tagen der höchsten Dosis → Therapieversagen
bekannten Komplikationen Aszites, • Bei frühem Ansprechen (Kreatininabfall > 25% nach 2 Tagen): Fortsetzung in
hepatozelluläres Karzinom (HCC), in- gleicher Dosis bis zum Therapieziel (Kreatinin < 1,5 mg/dl)
testinale Blutung und Enzephalopathie. • Bei fehlendem frühem Ansprechen (Kreatininabfall < 25% nach 2 Tagen): bis zum
Im Stadium der Komplikationen sind Therapieziel in steigender Dosis (Verdoppelung alle 2 Tage)
Patienten mit Leberzirrhose besonders Alternative/Therapie der zweiten Wahl
infektgefährdet. Daher sollte immer auf Midodrin (7,5–12,5 mg 3×/Tag) + Octreotid (100–200 μg s.c. 3×/Tag) +
eine antibiotische Therapie geachtet Albumin (20–40 g/Tag)
werden, ggf. auch prophylaktisch in TIPS-Evaluation anstreben
bestimmten Situationen (s.u.).
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Tabelle 3. Antibiotische Therapie der spontan-bakteriellen Peritonitis. licherweise nerval vermittelt – die Nie-
rendurchblutung. Durch eine Erhöhung
Antibiotikum und Alternative Dosis Dauer des effektiven Plasmavolumens kommt
es zu einer Deaktivierung natriumreti-
Ceftriaxon 1 × 2 g/Tag Mindestens 5 Tage nierender Hormone (Renin-Angioten-
Cefotaxim 3 × 2 g/Tag sin, Katecholamine). Diese Mechanis-
men erlauben über die verbesserte Nie-
Amoxicillin/Clavulansäure 3 × 2,2 g/Tag
renfunktion bei 60–80% der Patienten
Ampicillin/Sulbactam 3 × 3 g/Tag wieder eine Mobilisation des Aszites
Ciprofloxacin 2 × 400 mg/Tag i.v. oder durch die zusätzliche Gabe von Diure-
2 × 500 mg/Tag p.o.a
tika [6]. Eine kürzlich erschienene Stu-
die zeigt, dass bei ausgewählten Pati-
Levofloxacin 2 × 500 mg/Tag enten der TIPS gegenüber der wieder-
aApplikation
bei der unkomplizierten Form oral und bei der komplizierten (gastrointestinale Blutung, holten Parazentese zu einer Verbesse-
schwere hepatische Enzephalopathie, Ileus, Sepsis, Kreatinin > 3 mg/dl) intravenös rung des Überlebens führt [7].

Hepatorenales Syndrom
Immer muss natürlich bei der kom- lässt, und den therapierefraktären As-
plizierten Leberzirrhose auch die Indi- zites, bei dem die Diuretikagabe ver- Bei etwa 40% der Aszitespatienten mit
kation zur Lebertransplantation geprüft sagt, entweder weil sie zu Komplika- dekompensierter Leberzirrhose kommt
werden. tionen (HRS, Enzephalopathie) führt es über einen Zeitraum von 5 Jahren
Die vorliegende Übersicht befasst oder weil keine ausreichende Natri- zu einem nahezu vollständigen Verlust
sich mit den Komplikationen Aszites, urese erreicht wird. der Nierenfunktion (HRS, s. Tabelle 2)
hepatorenales Syndrom (HRS), Hypo- Die Stufentherapie des Aszites ist [8, 9]. Bei bis zu 65% der Patienten mit
natriämie, spontan-bakterielle Perito- in Tabelle 1 wiedergeben. HRS Typ I gelingt es, durch die Gabe
nitis (SBP), Varizenblutung und hepa- Ein ausgeprägter Aszites (> 5 l) eines Vasokonstriktors zusammen mit
tische Enzephalopathie (HE). wird komplikationsärmer und schneller Albumin die Nierenfunktion wieder so
durch eine Parazentese mit anschlie- zu verbessern, dass keine Dialyse not-
Aszites ßender medikamentöser Rezidivpro- wendig wird. Patienten, bei denen sich
phylaxe behandelt als durch eine allei- das HRS verbessert, haben auch ein
Die wesentliche Störung bei der As- nige Diuretikagabe. besseres Überleben [8, 9].
zitesbildung ist neben dem portalen Für die Behandlung des therapiere-
Hypertonus eine Störung der Nieren- fraktären Aszites bestehen mehrere Hyponatriämie
funktion (erhöhte Natriumretention Optionen: wiederholte Parazentese,
und bei fortgeschrittener Zirrhose auch Anlage eines TIPS oder eines perito- Die Hyponatriämie bei Patienten
eine Minderung der glomerulären Fil- neovenösen Shunts. Diese primär (≤ 135 mmol/l) [10] mit Leberzirrho-
tration sowie der Clearance von freiem nichtmedikamentösen Therapien wer- se entsteht meist aufgrund einer erhöh-
Wasser) [5]. Man unterscheidet diverse den in der Regel von einer adjuvanten ten Sekretion von antidiuretischem
Formen des Aszites: den leichten, gut diuretischen Therapie begleitet. Hormon (ADH). In den vergangenen
therapierbaren Aszites, den massiven Der TIPS bewirkt ein Absinken des Jahren wurden Analoga entwickelt, die
Aszites, der sich jedoch mobilisieren Portaldrucks und verbessert – u.a. mög- die Wirkung von ADH am V2-Rezep-
tor blockieren [11]. Die Anwendung
dieser Substanzen befindet sich weiter-
hin in der klinischen Erprobung und
RF im US RF im US RF im US kann daher noch nicht als Standard
< 1 cm >
– 1 cm < 2 cm* >
– 2 cm empfohlen werden.

3-monatl. „Follow-up“
Spontan-bakterielle Peritonitis
(für 12–24 Monate) Bildgebung (CT-, MR-, US-KM)
Die SBP ist definiert als eine Infektion
des Aszites ohne direkte Läsion eines
RF RF Bildgebung nicht 1/2* typ. Bildgebung intraabdominellen Organs [12]. Die
< 1 cm >
– 1 cm ausreichend, Biopsie oder AFP > 200 ng/ml
Diagnose wird über eine Erhöhung der
Anzahl segmentkerniger Granulozyten
Kein HCC HCC (> 250/μl) bzw. der Gesamtleukozy-
tenzahl (> 500/μl) im Aszites oder/und
Abbildung 1. Vereinfachter Algorithmus für die Diagnose des HCC (in Anlehnung an [18]). einen Keimnachweis gestellt [13].
AFP: α-Fetoprotein; CT: Computertomographie; HCC: hepatozelluläres Karzinom; KM: Die antibiotische, empirische Akut-
Kontrastmittel; MR: Magnetresonanz; RF: Raumforderung; US: Ultraschall. *RF ≥ 1 cm therapie der SBP sollte mindestens
< 2 cm, dann zwei bildgebende Verfahren. 5 Tage andauern. Innerhalb von 48–72
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h nach Beginn der antibiotischen The- zeigten sich eine Erniedrigung der Chirurgische Therapie
rapie sollten die segmentkernigen Gra- SBP-Rate und in einer Studie auch ei-
nulozyten um mindestens 25% sinken. ne Verbesserung des Überlebens [17]. Die operative Behandlung des HCC
Anderenfalls muss das Antibiotikare- Nach derzeitigen Erkenntnissen (Resektion, Transplantation) ist Früh-
gime geändert werden. Als Mittel der besteht gegenwärtig keine generelle formen vorbehalten und nicht Thema
Wahl gelten Cephalosporine der drit- Indikation für eine antibiotische Pri- dieser Übersicht.
ten Generation (z.B. Ceftriaxon). Al- märprophylaxe. Es sollte aber eine an-
ternativen stellen Penicilline mit tibiotische Prophylaxe bei Patienten Medikamentöse Therapie
β-Lactamase-Inhibitoren oder Chino- auf der Warteliste zur Lebertransplan-
lone (cave: zunehmende Resistenzbil- tation erwogen werden, insbesondere Die medikamentöse Therapie des HCC
dung) dar [14] (Tabelle 3). wenn diese einen Eiweißgehalt < 1,5 konzentriert sich aktuell auf a) die
Die zusätzliche Gabe von Human- g/dl und/oder erhöhte Bilirubinwerte transarterielle Chemoembolisation
albumin am 1. (1,5 g/kg Körpergewicht) (> 3 mg/dl) aufweisen. Grundsätzlich (TACE) und b) eine systemische The-
und 3. Tag (1 g/kg Körpergewicht) der ist immer auch auf eine Resistenzent- rapie (vgl. Abbildung 2).
Therapie führt bei einer Risikokonstel- wicklung zu achten. Die TACE ist die einzige lokore-
lation (Bilirubin > 4 mg/dl und/oder gionäre Therapie des inoperablen, mul-
Kreatinin > 1,5 mg/dl) zu einer Ver- Hepatozelluläres Karzinom tifokalen, auf die Leber beschränkten
minderung der renalen Dysfunktion und HCC, für die in kontrollierten Studien
Reduktion der Mortalität [15]. Klassifikation und Therapie und einer Metaanalyse eine Verlänge-
Nach stattgehabter SBP ist die Re- rung des Überlebens nachgewiesen
zidivrate deutlich erhöht, was eine an- Es gibt verschiedene Einteilungssyste- wurde, wenngleich die in der Meta-
tibiotische Sekundärprophylaxe erfor- me des HCC, die – wie auch sonst in analyse schließlich berücksichtigten
dert. Empfohlen wird die tägliche der Onkologie – die Therapie bestim- sechs randomisierten, kontrollierten
orale Gabe von Chinolonen (Cipro- men (Abbildung 1). Die TNM-Klas- Studien nur 503 Patienten umfassten.
floxacin 1 × 500 mg/Tag, Norfloxacin sifikation wird – durch die oft beste- Von diesen sechs Studien setzten wie-
1 × 400 mg/Tag oder Levofloxacin hende gleichzeitige Leberzirrhose – derum nur vier eine TACE (eine Do-
1 × 250 mg/Tag, alternativ Co-trimox- den Behandlungsoptionen nicht ge- xorubicin, drei Cisplatin) und drei
azol 1 × 960 mg/Tag). Die Prophyla- recht und hat zurzeit mangels eine ausschließliche TAE (transarteri-
xe sollte bis zu einer möglichen Leber- prognostischer Bedeutung geringe kli- elle Embolisation ohne Chemothera-
transplantation, bis zum Verschwinden nische Relevanz. Andere Einteilungs- peutikum) ein. Eine asiatische [19] und
des Aszites oder bis zum Tode durch- systeme berücksichtigen durchweg eine europäische [20] Studie haben die
geführt werden [16]. auch die Leberfunktion. Neben dem positive Evaluation in der Metaanalyse
Eindeutige Empfehlungen für eine Okuda- und Clip-Score wird vermehrt maßgeblich beeinflusst [20, 21]. Llovet
Primärprophylaxe zur Verhinderung das Barcelona-Clinic-Liver-Cancer- et al. [20] zeigten, dass die TACE
einer SBP gibt es nicht. Die existie- (BCLC-)Stagingsystem angewendet; (n = 40) im Vergleich zur Kontroll-
renden Studien untersuchten den Effekt es ermöglicht eine stadiengerechte und gruppe (n = 35) ohne HCC-spezifische
einer Primärprophylaxe insbesondere prognoserelevante Stratifizierung und Behandlung eine auf 63% verbesserte
bei Patienten mit niedrigem Eiweiß im erleichtert die Therapiefestlegung 2-Jahres-Überlebensrate (mittlere
Aszites (< 1,0 bzw. 1,5 g/dl). Hier [18]. Überlebenszeit 28,7 Monate) im Ver-
gleich zu 27% (mittlere Überlebenszeit
17,9 Monate) in der Kontrollgruppe
erreichte. Insbesondere Patienten mit
0/A B C D
N1, M1 v kompensierter Child-A-Zirrhose und
Frühstadium intermediär Gefäßinvasion Endstadium
Okuda-I-Stadium ohne Gefäßinfiltra-
tion wurden für eine TACE rekrutiert.
3 Herde 3 cm
1 Herd 1 Herd < 5 cm
Extrahepat. Patienten mit hepatofugalem Blutfluss,
Manifestation
Nein Ja einer Pfortaderthrombose oder einer
fortgeschrittenen Leberzirrhose (Child
Komorbidität
Child A Nein Ja
B/C) sind für die Durchführung einer
TACE ungeeignet [18, 21, 22]. Analog
kommen Patienten mit einem hämo-
RF Chemoembolisation TKI
Resektion LTx
PEI (131I-Lipiodol®, 90Y) (Sorafenib)
dynamisch funktionell wirksamen TIPS
für eine TACE ebenfalls nicht mehr in
Kurative Behandlung Palliative Therapie Supportive Frage. Zahlreiche Fragen, wie u.a. die
(40–70% 5-Jahres-ÜLZ) (50% 3-Jahres-ÜLZ, 13–16 Monate MÜLZ) Therapie
Wahl des Chemotherapeutikums, das
Abbildung 2. Vereinfachter Therapiealgorithmus zur Behandlung des HCC (in Anlehnung Behandlungsintervall, Größe und Ma-
an [18]). Der medikamentöse Teil der Therapie ist türkis hinterlegt. HCC: hepatozelluläres terial des Embolisats, bleiben offen.
Karzinom; LTx: Lebertransplantation; MÜLZ: mittlere Überlebenszeit; PEI: perkutane Komplementär oder alternativ können
Ethanolinjektion; RF: Radiofrequenzablation; TKI: Tyrosinkinaseinhibitor; ÜLZ: Überle- bei Kontraindikation für eine TACE
benszeit. lokal ablative Verfahren mit 131I-Lipio-
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Abbildung 3. Algo- Umgehungskollateralen, die im unte-


rithmus zu Screening ren Ösophagusdrittel teilweise relativ
und primärer Blu- ungeschützt direkt unter dem Mukosa-
tungsprophylaxe bei epithel liegen. Das erklärt, warum die-
Leberzirrhose. se anatomische Region Prädilektions-
stelle für schwere lebensbedrohliche
Blutungen ist. Allerdings können auch
andere Kollateralen bluten, insbeson-
dere Fundusvarizen, seltener weiter
aboral gelegene Gefäße wie Duode-
nal- oder Kolonvarizen. Zum Zeit-
punkt der Diagnose haben etwa 30%
der Patienten mit einer kompensierten
Leberzirrhose und etwa 60% der Pa-
tienten mit einer dekompensierten
Leberzirrhose Ösophagusvarizen
[29].
Blutungen treten nahezu aus-
schließlich oberhalb eines Portaldrucks
von 12 mmHg, gemessen als Leber-
venenverschlussdruck, auf [30]. Es wä-
re also ein Ziel, den portalen Druck
unter diesen Schwellenwert zu senken.
Dies gelingt selten medikamentös, je-
doch sehr effizient durch Shuntverfah-
ren (TIPS oder offener chirurgischer
Shunt). Letztere verhindern eine Va-
rizenblutung daher am effektivsten,
haben jedoch das höchste Risiko, eine
Enzephalopathie zu provozieren [31].
dol® oder 90Y-Mikrosphären mit teils enten mit lokal fortgeschrittenem oder Die Varizenblutung weist nach wie
vielversprechenden Therapieerfolgen auch metastasiertem HCC bei guter vor von allen intestinalen Blutungen
eingesetzt werden, eine allgemeine Leberfunktion (Child A) zugelassen die höchste Letalität (20–40%) auf. In
Therapieempfehlung besteht mangels [25]. Obwohl es nur bei 2% der Patien- den letzten Jahrzehnten sind allerdings
nachgewiesenen Überlebensvorteils ten zu einer Remission des Tumors die Inzidenz und auch die Letalität der
bislang nicht [18]. kam, war das Gesamtüberleben der mit Blutung zurückgegangen [32].
Sorafenib behandelten HCC-Patienten In der Behandlung der Varizenblu-
Systemische Therapien bei einer mittleren Überlebenszeit von tung werden drei Situationen unter-
10,7 Monaten im Sorafenibarm gegen- schieden: die primäre Prophylaxe, d.h.
Fortgeschrittene Tumorstadien benö- über 7,9 Monaten in der Plazebogrup- die Behandlung zur Verhinderung ei-
tigen in der Regel systemische Thera- pe signifikant (p = 0,0006) verlängert ner erstmaligen Blutung, die Behand-
pieansätze. Für eine Behandlung mit [27]. Eine Erweiterung des Indikations- lung der akuten Blutung und die Ver-
Octreotid, Hormonen, Interferon, sys- spektrums bei eingeschränkter Leber- hinderung der Rezidivblutung (Rezi-
temischer Chemotherapie und Bestrah- funktion und Kombinationsbehand- divprophylaxe).
lung gibt es zurzeit keinen durch kon- lungen sind Gegenstand klinischer
trollierte Studien gestützten Hinweis (Pilot-)Studien [28]. Primäre Prophylaxe
auf Wirksamkeit [18, 23, 24]. Mehre- Trotz dieser ersten absehbaren Ver-
re jüngere Therapieansätze greifen in besserungen zur Behandlung des fort- Die Verhinderung der ersten Blutung
die Signalkaskaden wichtiger Faktoren geschrittenen HCC sind andere Alter- ist bei Patienten mit einer Leberzirrhose
des Zellwachstums ein [25, 26]. Nach nativbehandlungen und Untersu- und großen Ösophagusvarizen (≥ 5 mm
erfolgreichem Abschluss einer Pha- chungen zu multimodalen Konzepten Durchmesser, s. Abbildung 3) indiziert.
se-II-Studie mit Sorafenib zur Behand- und pathophysiologisch sinnvollen Eingesetzt werden nichtselektive β-
lung des HCC wurde im Februar 2007 Kombinationsbehandlungen weiterhin Blocker, die über die Senkung des
die entsprechende weltweit durchge- dringend erforderlich. Herzminutenvolumens und eine Dros-
führte Phase-III-Studie wegen des selung der Splanchnikusdurchblutung
Überlebensvorteils im Sorafenibbe- Varizenblutung den Blutzufluss in die Pfortader und
handlungsarm (n = 299) im Vergleich damit auch den Portaldruck senken.
zur Plazebogruppe (n = 303) vorzeitig Der portale Hypertonus, definiert als Eine Drucksenkung um über 20%
abgebrochen, und Sorafenib wurde Lebervenenverschlussdruck > 6 oder unter einen Schwellenwert von
noch 2007 zur Behandlung von Pati- mmHg, führt zur Ausbildung von 12 mmHg gilt als effektiv [33]. Dieses
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Ziel wird allerdings nur bei der Hälfte


der Patienten erreicht, was erklärt, war-
um die primärprophylaktische medika-
mentöse Therapie keinen vollständigen
Schutz vor der Blutung bietet (Senkung
des Risikos um 50%). In den letzten
10 Jahren wurde gezeigt, dass die Liga-
tur von Ösophagusvarizen der regel-
mäßigen Gabe eines nichtselektiven
β-Blockers mindestens ebenbürtig ist
[34, 35]. Beide reduzieren das Risiko,
aus großen Varizen innerhalb von
2 Jahren erstmals zu bluten, von 30–
40% auf etwa 20%. Gleichwohl emp-
fehlen wir Patienten, die keine Kon-
traindikationen gegen β-Blocker haben
(z.B. periphere arterielle Verschluss-
krankheit oder Asthma bronchiale),
wegen des Risikos, akute Blutungen zu
provozieren, zunächst die Gabe eines
β-Blockers und nur im Fall der Unver-
träglichkeit die Ligatur. Nach einer
jüngsten Studie ist der nichtselektive
β-Blocker mit gleichzeitiger α1-ant-
agonistischer Wirkung Carvedilol
ernsthaft als Alternative zur primärpro-
phylaktischen Ligatur zu erwägen [36].

Akute Varizenblutung

Die akute Varizenblutung ist definiert


als eine gesicherte Blutung aus einer
Varize oder als Nachweis von Blut im
Intestinaltrakt ohne sonstige Blutungs-
quelle. Die Patienten sollten schon bei
klinischem Verdacht (z.B. Bluterbre-
chen bei einem Patienten mit Ikterus
und Aszites) eine initiale vasoaktive
Therapie erhalten [37] (Abbildung 4). Abbildung 4. Therapeutischer Algorithmus „akute Varizenblutung“. TIPS: transjugulärer
Hierdurch werden bei einem Teil der intrahepatischer Stent.
Patienten die Blutung gestoppt und die
Übersicht für weitere endoskopische Tabelle 4. Auslösende Ursachen von Enzephalopathiephasen und durchzuführende Basis-
Maßnahmen verbessert. diagnostik.
Zum Einsatz kommen hier insbe-
sondere das Vasopressinanalogon Ter- Komplikation Diagnostik
lipressin, Somatostatin oder Octreotid.
Bislang liegen keine ausreichenden kli- Blutung Blutbild
nischen Studien vor, die die klinische Rektale Untersuchung
Überlegenheit einer dieser Substanzen Inspektion des Nasenrachenraums
beweisen [38]. In zwei Metaanalysen Gegebenenfalls Endoskopie
konnte für Terlipressin ein gegenüber Seltene Blutungen (z.B. Weichteilhämatome)
Plazebo signifikanter Effekt auf die
Blutung und das Überleben gezeigt Niereninsuffizienz Kreatinin, Harnstoff, Ultraschall Nieren
werden [29, 39]. Terlipressin wird üb- Elektrolytentgleisung Natrium, Kalium, Calcium
licherweise in einer Dosierung von
Säure-Basen-Status Blutgasanalyse
1–2 mg alle 4 h verabreicht. Hauptne-
benwirkungen von Terlipressin sind Ausschluss Infektionen Zum Beispiel spontan-bakterielle Peritonitis, Harnwegs-
kardiale, intestinale, selten auch peri- infekt, Pneumonie
phere Ischämien. Für Octreotid (Do- Überprüfung der Medikation Diuretika, Sedativa
sierung 25–50 μg/h) in Kombination
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Nach Einleitung dieser Maßnah-


men und Stabilisierung des Patienten
sollte er so rasch wie möglich endo-
skopiert werden.

Rezidivblutungsprophylaxe

Da Patienten nach einer erfolgreichen


Blutstillung der Ösophagusvarizen mit
einer Wahrscheinlichkeit von etwa
60–70% erneut bluten, muss immer
eine Rezidivblutungsprophylaxe ein-
geleitet werden.
Nichtselektive β-Blocker reduzie-
ren das Risiko der Rezidivblutung um
etwa 20% und die Mortalität um etwa
5% [29, 42]. Bei Patienten, bei denen
durch nichtselektive β-Blocker eine
Senkung des Lebervenenverschluss-
druckgradienten um über 20% oder auf
unter 12 mmHg erreicht wird, wird
die Rezidivblutungswahrscheinlichkeit
allerdings von 70% auf 15–20% redu-
ziert [43]. Die Kombination von
β-Blockern mit Nitraten senkt den
Pfortaderdruck noch etwas stärker als
die alleinige Gabe von β-Blockern. In
einer Studie konnten allerdings für
diese Kombinationstherapie kein Effekt
auf das Überleben und nur ein Trend
zu einer geringeren Rezidivblutungs-
wahrscheinlichkeit gezeigt werden
[43]. Die Kombination ist somit zurzeit
Abbildung 5. Algorithmus zur Rezidivblutungsprophylaxe nach Varizenblutung. HVPG: nicht Standard.
Lebervenenverschlussdruckgradient; LTx: Lebertransplantation; TIPS: transjugulärer intra- Nach den gegenwärtig vorlie-
hepatischer Stent. genden Studien werden die Patienten
am besten durch eine Fortsetzung der
Ligatur bis zum Verschwinden der Va-
mit der endoskopischen Blutstillung soaktiven Therapie sollten die Pati- rizen bei gleichzeitiger Gabe eines
konnte ein signifikanter Vorteil bezüg- enten so rasch wie möglich antibiotisch β-Blockers (z.B. 2 × 40 mg Proprano-
lich der Blutungskontrolle und frühen therapiert werden, da hierdurch eine lol) geschützt (Senkung des Rezi-
Rezidivblutung im Vergleich zur allei- signifikante Überlebensverbesserung divblutungsrisikos von etwa 70% auf
nigen Endoskopie gezeigt werden [40]. erzielt wird [41]. Vasoaktive Behand- 10–20% [43], Abbildung 5). Ob bei
Ein Effekt auf das Überleben ergab sich lung und antibiotische Therapie wer- guter Ligatur der Varizen die zusätz-
hier allerdings nicht. Nebenwirkungen den für 3–5 Tage über die endosko- liche medikamentöse Portaldrucksen-
von Octreotid treten selten auf und pische Hämostase hinaus fortgeführt, kung wirklich notwendig ist, muss
sind gering ausgeprägt. Neben der va- ggf. auch länger. offenbleiben. Neuere Studien sprechen
dagegen [44].

Hepatische Enzephalopathie
Asterixis Gestörte Reflexe Bewusstlosigkeit/Koma
Verhaltensstörungen Ataxie Areflexie
Euphorie/Depression Verwaschene Sprache Somnolenz Die HE im Rahmen der chronischen
Konzentrationsstörungen Verwirrtheit Nystagmus Leberinsuffizienz ist eine neuropsych-
Schlafstörungen
iatrische Störung auf dem Boden einer
akuten oder chronischen Leberinsuffi-
zienz. Die HE tritt episodisch oder
Stadium 1 Stadium 2 Stadium 3 Stadium 4 persistierend auf [45, 46]. Die Diagno-
se wird klinisch nach Ausschluss ande-
Abbildung 6. Wesentliche Zeichen und Stadien der klinisch manifesten hepatischen Enze- rer Ursachen gestellt. Davon abzugren-
phalopathie. zen ist die minimale HE, die keine
Grünhage F, et al.
Medikamentöse Therapie der Komplikationen der Leberzirrhose
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offensichtlichen klinischen Symptome Tabelle 5. Stufentherapie bei hepatischer Enzephalopathie (HE) Grad I/II.
zeigt und nur durch spezielle neuro-
psychiatrische Tests eindeutig aufge- Beseitigung auslösender Ursachen
deckt werden kann [46].
Die Pathogenese der HE ist kom- • Stillung gastrointestinaler Blutungen
plex. Eine umfassende Beschreibung • Entfernung des Bluts aus dem Gastrointestinaltrakt
aller Zusammenhänge würde den Rah- • Vermeidung einer erhöhten Anzahl an Bluttransfusionen
men dieser Übersicht sprengen. Daher • Vermeidung einer Azotämie, Hypotonie bzw. Hypoxämie
sei auf eine kürzlich publizierte Arbeit • Reduktion der diuretischen Therapie auf ein akzeptables Minimum
verwiesen [46]. • Korrektur des Wasser- und Elektrolythaushalts
Die wesentlichen Zeichen und Sta- • Vermeidung einer Hypokaliämie bzw. einer exzessiven Parazentese
dien der klinisch manifesten HE sind • Strikte Vermeidung der Gabe von Benzodiazepinen, Sedativa oder anderen
in Abbildung 6 wiedergegeben. psychoaktiven Substanzen
Die therapeutischen Möglichkeiten • Aggressive Behandlung aufgetretener Infektionen (Bronchitiden, spontan-
der HE sind limitiert. Bei jedem Pati- bakterielle Peritonitis, Harnwegsinfektionen)
enten müssen auslösende Faktoren eva- • Optimierung der Proteinzufuhr
luiert und der individuelle Verlauf • Vermeidung von Obstipationen
(erste Episode, chronisch-rezidivie- Stationäre Behandlung ab HE Grad II
rende Episoden usw.) im Behandlungs-
konzept berücksichtigt werden. Indikation für systemische Antibiotikabehandlung großzügig stellen
Bei jeder neu aufgetretenen Enze- Cave: Nephrotoxizität!
phalopathie und auch bei rezidivie- Diätberatung: Proteinzufuhr auf 1–1,5 g/kg/Tag anstreben
renden Enzephalopathiephasen ist die
Lactulose 1–4 × 10–30 ml oral
primäre Maßnahme immer die Suche 2 weiche Stühle pro Tag anstreben
nach einer auslösenden Ursache (s. Ta-
belle 4), die korrigiert werden muss. Falls nicht ausreichend:
Dies führt häufig schon zu einer Ver- L-Ornithin-L-Aspartat p.o. 3 × 3–6 g/Tag
besserung der klinischen Situation und Bei Proteinintoleranz: Proteinrestriktion auf 0,5–1 g/kg/Tag und zusätzliche Gabe von
ist meist der entscheidende therapeu- verzweigtkettigen Aminosäuren 0,25 g/kg/Tag oral
tische Schritt. Tabellen 5 und 6 geben Gegebenenfalls bei Zinkmangel Gabe von Zinkaspartat bzw. Zinkhistidin (15–30 mg/Tag)
Handlungsrichtlinien für Patienten in
unterschiedlichen Stadien der HE. Al-
lerdings sei darauf hingewiesen, dass für
die meisten klinischen Situationen kei-
ne guten randomisierten Studien vor-
liegen und die vorgegebenen Hand-
lungsbäume als Hilfe im klinischen Tabelle 6. Stufentherapie bei hepatischer Enzephalopathie (HE) Grad III/IV.
Alltag zu verstehen sind, die für sich
genommen nicht durch entsprechende Stationäre Aufnahme – intensivmedizinische Überwachung
klinische Studien abgesichert sind. Ins- Beseitigung auslösender Ursachen, orale Nahrungsaufnahme stoppen und aus-
besondere mangelt es weiterhin an pla- reichende Kalorienzufuhr ggf. parenteral sicherstellen!
zebokontrollierten Studien für die meis-
ten empfohlenen Therapien; dies gilt Glucose i.v. bis zur klinischen Besserung
insbesondere für den Einsatz von nicht- Initial Lactuloseeinlauf, ggf. wiederholen
resorbierbaren Disacchariden [47].
Lactulose oral 20–50 ml stündlich bis zum Abführen; cave: nicht bei Aspirationsgefahr
Die Beeinflussung der chronischen
Enzephalopathie ist schwierig. Für kei- Probatorisch Flumazenil 1 mg i.v. bei Verdacht auf sedativainduzierter HE
ne der Langzeittherapien liegen über- Transplantationsindikation prüfen
zeugende kontrollierte Studien vor. Je
nach klinischem Schweregrad kommen Eiweißrestriktion
die gleichen Medikamente wie bei der (Par)enterale Ernährung bei HE Grad III/IV
episodischen Enzephalopathie zum Falls nicht ausreichend:
Einsatz. Für die Lactulose wurde ledig-
lich in einer kontrollierten Studie ge- L-Ornithin-L-Aspartat i.v. 20–60 g/Tag
zeigt, dass sie bei der minimalen HE Darmsterilisation: Rifaximin 1 200 mg/Tag (wegen Oto-/Nephrotoxizität und unzurei-
wirksam ist [48]. Oral applizierbare chender Studienlage ist die Gabe von Neomycin, Paromomycin 1–3 g/Tag [oral]
Antibiotika werden selten dauerhaft fraglich)
eingesetzt, da Bedenken wegen einer Gegebenenfalls Überbrückungsmaßnahmen bis Lebertransplantation: Leberdialyse,
möglichen Langzeittoxizität bestehen. Hypothermie (noch unsichere Datenlage)
Trägt eine dauerhafte Proteinintoleranz
Grünhage F, et al.
Medikamentöse Therapie der Komplikationen der Leberzirrhose
490 Med Klin 2008;103:482–90 (Nr. 7)

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