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Hugo Wolf

Anakreons Grab

Wo die Rose hier blüht, wo Reben um Lorbeer sich schlingen,

Wo das Turtelchen lockt, wo sich das Grillchen ergötzt,

Welch ein Grab ist hier, das alle Götter mit Leben

Schön bepflanzt und geziert? Es ist Anakreons Ruh.

Frühling, Sommer und Herbst genoß der glückliche Dichter;

Vor dem Winter hat ihn endlich der Hügel geschützt.

Phänomen

Wenn zu der Regenwand

Phöbus sich gattet,

Gleich steht ein Bogenrand

Farbig beschattet.

Im Nebel gleichen Kreis

Seh ich gezogen,

Zwar ist der Bogen weiß,

Doch Himmelsbogen.

So sollst du, muntrer Greis,

Dich nicht betrüben,

Sind gleich die Haare weiß,

Doch wirst du lieben.


Robert Schumann

Mignons Gesang „Kennst du das Land?“

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,

Kennst du es wohl?

Dahin! Dahin

Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,

Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,

Und Mamorbilder stehn und sehn mich an:

Was hat man dir, du armes Kind, getan?

Kennst du es wohl?

Dahin! Dahin

Möcht’ ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?

Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;

In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;

Es stürzt der Fels und über ihn die Flut,

Kennst du ihn wohl?

Dahin! Dahin

Geht unser Weg! o Vater, lass uns ziehn!

Geheimes

Über meines Liebchens Äugeln

Stehn verwundert alle Leute;

Ich, der Wissende, dagegen,

Weiss recht gut, was das bedeute.


Denn es heisst: ich liebe diesen

Und nicht etwa den und jenen.

Lasset nur, ihr guten Leute,

Euer Wundern, euer Sehnen!

Ja, mit ungeheuren Mächten

Blicket sie wohl in die Runde;

Doch sie sucht nur zu verkünden

Ihm die nächste süsse Stunde.

Franz Schubert

Gretchen am Spinnrad

Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer.

Ich finde, ich finde sie nimmer und nimmermehr.

Wo ich ihn nicht hab,

Ist mir das Grab.

Die ganze Welt,

Ist mir vergällt.

Mein armer Kopf ist mir verrückt,

Mein armer Sinn ist mir zerstückt.

Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer,

Ich finde, ich finde sie nimmer und nimmermehr.

Nach ihm nur schau ich zum Fenster hinaus,

Nach ihm nur geh ich aus dem Haus.

Sein hoher Gang, sein' edle Gestalt,


Seines Mundes Lächeln, seiner Augen Gewalt

Und seiner Rede Zauberfluss,

Sein Händedruck und ach, sein Kuss!

Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer.

Ich finde, ich finde sie nimmer und nimmermehr.

Mein Busen drängt sich nach ihm hin.

Ach, dürft´ ich fassen und halten ihn

Und küssen ihn, so wie ich wollt

An seinen Küssen vergehen sollt!

Ach, könnt´ ich ihn küssen so wie ich wollt

An seinen Küssen vergehen sollt!

An seinen Küssen vergehen sollt!

Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer.

Rastlose Liebe

Dem Schnee, dem Regen,

Dem Wind entgegen,

Im Dampf der Klüfte,

Durch Nebeldüfte,

Immer zu! Immer zu!

Ohne Rast und Ruh!

Lieber durch Leiden

Wollt’ ich mich schlagen,

Als so viel Freuden

Des Lebens ertragen.

Alle das Neigen

Von Herzen zu Herzen,

Ach, wie so eigen

Schaffet es Schmerzen!
Wie soll ich flieh’n?

Wälderwärts zieh’n?

Alles vergebens!

Krone des Lebens,

Glück ohne Ruh,

Liebe, bist du!

Schäfers Klagelied

Johann Wolfgang von Goethe

Da droben auf jenem Berge,

Da steh’ ich tausendmal,

An meinem Stabe hingebogen,

Und schaue hinab in das Tal.

Dann folg’ ich der weidenden Herde,

Mein Hündchen bewahret mir sie.

Ich bin herunter gekommen

Und weiss doch selber nicht wie.

Da steht von schönen Blumen

Da steht die ganze Wiese so voll.

Ich breche sie, ohne zu wissen,

Wem ich sie geben soll.

Und Regen, Sturm und Gewitter

Verpass’ ich unter dem Baum,

Die Türe dort bleibet verschlossen;

Doch alles ist leider ein Traum.

Es stehet ein Regenbogen

Wohl über jenem Haus!

Sie aber ist fortgezogen,

Und weit in das Land hinaus.

Hinaus in das Land und weiter,


Vielleicht gar über die See.

Vorüber, ihr Schafe, nur vorüber!

Dem Schäfer ist gar so weh.

Johannes Brahms

Dämmrung senkte sich von oben

Dämmrung senkte sich von oben,

Schon ist alle Nähe fern;

Doch zuerst emporgehoben

Holden Lichts der Abendstern!

Alles schwankt ins Ungewisse,

Nebel schleichen in die Höh’,

Schwarzvertiefte Finsternisse

Widerspiegelnd ruht der See.

Nun am östlichen Bereiche

Ahn’ ich Mondenglanz und -glut,

Schlanker Weiden Haargezweige

Scherzen auf der nächsten Flut.

Durch bewegter Schatten Spiele

Zittert Lunas Zauberschein,

Und durch’s Auge schleicht die Kühle

Sänftigend ins Herz hinein.


Felix Mendelssohn-Bartoldy

Suleika

Ach, um deine feuchten Schwingen,

West, wie sehr ich dich beneide:

Denn du kannst ihm Kunde bringen

Was ich in der Trennung leide!

Die Bewegung deiner Flügel

Weckt im Busen stilles Sehnen;

Blumen, Auen, Wald und Hügel

Stehn bei deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes sanftes Wehen

Kühlt die wunden Augenlider;

Ach, für Leid müßt’ ich vergehen,

Hofft’ ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,

Spreche sanft zu seinem Herzen;

Doch vermeid’ ihn zu betrüben

Und verbirg ihm meine Schmerzen.

Sag ihm, aber sag’s bescheiden:

Seine Liebe sei mein Leben,

Freudiges Gefühl von beiden

Wird mir seine Nähe geben.


Franz Liszt

Freudvoll und Leidvoll

Johann Wolfgang von Goethe

Freudvoll

Und leidvoll,

Gedankenvoll sein;

Hangen

Und bangen

In schwebender Pein;

Himmelhoch jauchzend,

Zum Tode betrübt—

Glücklich allein

Ist die Seele, die liebt.

Der du von dem Himmel bist

Johann Wolfgang von Goethe

Der du von dem Himmel bist,

Alles Leid und Schmerzen stillest,

Den, der doppelt elend ist,

Doppelt mit Erquickung füllest,

Ach, ich bin des Treibens müde!

Was soll all der Schmerz und Lust?

Süsser Friede!

Komm, ach komm in meine Brust!


Pjotr Ilich Tschaikovsky

Nur wer die Sehnsucht kennt

Nur wer die Sehnsucht kennt

Weiss, was ich leide!

Allein und abgetrennt

Von aller Freude,

Seh’ ich an’s Firmament

Nach jener Seite.

Ach! der mich liebt und kennt

Ist in der Weite.

Es schwindelt mir, es brennt

Mein Eingeweide.

Nur wer die Sehnsucht kennt

Weiss, was ich leide!

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