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Universität Bremen

Fachbereich 10 (Sprach- und Literaturwissenschaften)


Hispanistik
Modul: FD3
Semester: WiSe20/21
Seminartitel: Desarrollo y evaluación de la competencia de mediación en la clase de ELE
SeminarleiterIn: Bàrbara Roviró Llimiana
Titel: Rezension zu dem Artikel „Sprachmittlung – Warum gute Praxis gute Theorie
braucht“ von D. Abendroth-Timmer und J. Plikat

Ximena Cervantes Englerth


3154815
ximcer@uni-bremen.de
Oldenburg, 9.01.2021

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Rezension zu dem Artikel „Sprachmittlung – Warum gute Praxis gute Theorie braucht“
von D. Abendroth-Timmer und J. Plikat
In diesem Beitrag werde ich versuchen, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Artikel
„Sprachmittlung – Warum gute Praxis gute Theorie braucht“ von Dagmar Abendroth-Timmer
und Jochen Plikat zu führen. Dieser Artikel wurde 2017 in der Zeitschrift Hispanorama,
Ausgabe 155 veröffentlicht.
In dem Artikel gehen die Autoreni auf die bildungspolitische Bedeutung von Sprachmittlung
ein, versuchen die gängigen Unterschiede zwischen Sprachmittlung und
Übersetzen/Dolmetschen in Frage zu stellen; erläutern die Rolle von Interkulturalität und
Mehrsprachigkeit in den Sprachmittlungsaufgaben; stellen ein theoretisches Modell der
Sprachmittlung vor, das für die Analyse von Materialien und die Aufgaben- und
Unterrichtsentwicklung dienen soll; und stellen verschiedene unterrichtspraktische
Konkretisierungen zu ihren Ansätze vor.

In dieser Rezension werde ich mich auf die Unterschiede von Sprachmittlung und
Übersetzen/Dolmetschen, das Model und dessen theoretischen Hintergrund konzentrieren. Aus
Gründen des Textumfangs werde ich die Beispiele, mit denen die Autoren arbeiten, nicht
erwähnen, obwohl ich die Lektüre für ein tieferes Verständnis empfehlen kann. Anschließend
werde ich einen kritischen Kommentar zu dem Artikel schreiben.
Die Autoren präsentieren unterschiedliche Auffassungen über die Unterschiede zwischen
Sprachmittlung und Übersetzen/Dolmetschen. Zum einen gibt es kontrastive
Gegenüberstellungen -im Rahmen der philologischen Übersetzung in der
Translationswissenschaft und die Grammatik-Übersetzungsmethode in der
Fremdsprachendidaktik-, die Übersetzung/Dolmetschen als wortgenaue Übertragung
verstehen, und Sprachmittlung als sinngemäße und der Kommunikationsabsicht entsprechende
Übertragung. Zum anderen gibt es eine dazu kritische Position, die vertritt, dass die
Unterschiede zwischen beiden Bereichen graduell seien, wobei ein entscheidendes Kriterium
der Grad an Professionalität ist. In der Translationswissenschaft wurde die philologische
Übersetzung seit Ende der 70er Jahre von der Skopos-Theorie, die den Fokus auf den Zweck
der Übersetzung setzt, abgelöst. In der Fremdsprachendidaktik sind die gängigen
Bewertungskriterien der Sprachmittlung -etwa die Situationsgerechtheit und
Adressatenbezogenheit- hoch kompatibel mit dieser Theorie. Die Autoren schlussfolgern also,
dass beide Bereiche mehr gemeinsam haben als gemeinhin angenommen. Sie ergänzen aber
zwei wesentliche Unterschiede dazu, die besonders in der schulischen Sprachmittlung
vorkommen: ein hoher Grad an persönlicher und emotionaler Beteiligung und ein Wechsel des
Genres.
Die Autoren argumentieren, dass in Bezug auf die Aspekte der Mehrsprachigkeit und
Interkulturalität, oft sowohl in der Theorie als auch in der Praxis Vereinfachungen
vorgenommen werden, sodass die Komplexität einer realen Sprachmittlungssituation nicht
berücksichtigt wird. Das liegt daran, dass der Kulturbegriff, von dem ausgegangen wird, auf
dem Herderschen Kugelmodell basiert, in dem Kulturen als homogen betrachtet werden und
Sprache und Kultur als eine Sache gelten. Es wird auch nicht berücksichtigt, dass die Akteure
einer Sprachmittlungssituation verschiedene Sprachen sprechen können und hybride kulturelle
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Identitäten haben können. Die Aufgabe des Sprachmittlersii geht über das "Übersetzen" hinaus
und ist hoch komplex. Er muss die Sprachen und Kulturen der zu vermittelnden Situation
kennen, aber auch wissen, welche Sprachen die anderen Akteure sprechen und welches Niveau
sie jeweils haben; was sie unter bestimmten Sprachstrukturen und Begriffen verstehen; welche
Kenntnisse über die Kulturen, Einstellungen und Haltungen die beiden anderen Akteure in der
Situation haben. Der Sprachmittler muss also antizipieren, welche Art von
Verständniskonflikten in der Situation entstehen können. Diese Aspekte stehen in direktem
Zusammenhang mit den Kriterien Adressatengerechtheit und Situationsangemessenheit und
sollten bei der Entwicklung, Bewertung und Benotung von Unterrichtsmaterial berücksichtigt
werden, so die Autoren. Wichtig ist auch, dass die Aufgabensituationen ein Relevanz- und
Anschlusspotenzial im Leben der Lernende haben. Das ist nur möglich, solange die
Sprachmittlungssituationen so authentisch wie möglich sind. Allerdings müssen und werden
die meisten Situationen im Unterricht einen gewissen konstruktiven didaktischen Charakter
haben, da die Sprachmittlung nicht direkt -wie in der Realität- stattfindet, sondern nur
nachgestellt wird. Was daher nicht fehlen darf, ist die Schaffung einer echten
Informationslücke, um kommunikativen Aufgaben eine Annäherung an die Realität
zuzuschreiben.
Die Autoren basieren auf dem oben genannten theoretischen Hintergrund der Sprachmittlung
als komplexe Kompetenz und entwickeln ihr Modell in vier Ebenen, die vier verschiedene
Kommunikationssituationen darstellen. Sie beginnen mit der „einsprachig-muttersprachigen“
Kommunikation, in der die zwei Akteure die gleiche Muttersprache sprechen. Sie betonen an
dieser Stelle, dass die von Akteur 1 abgegebene Aussage zu der von Akteur 2
verstandenen/interpretierten Aussage wird. Trotz derselben Muttersprache sind
unterschiedliche Konnotationen und Vorstellungen der Akteure vorhanden, deswegen ist die
individuell beigemessene Bedeutung nie deckungsgleich. Es gibt also zwei unterschiedliche
Kommunikate, auch wenn es sich nur um einen Ausdruck handelt. In der zweiten Ebene
„einsprachig-fremdsprachig“ ist einer der Akteure ein Fremdsprachensprecher, was die
Komplexität der Kommunikation erhöht. Der Fremdsprachensprecher muss die Intention des
muttersprachlichen Ausdrucks und die Art und Weise, ihn in der Fremdsprache zu formulieren,
beachten. An diesem Punkt muss dieser Akteur über bestimmte interaktive und interkulturelle
Fähigkeiten verfügen, um erfolgreich kommunizieren zu können. In der dritten Ebene
„Sprachmittlung-zweisprachig“ kommt erst ein Sprachmittler im Spiel, da die anderen zwei
Akteure nicht miteinander kommunizieren können, weil sie keine gemeinsame Sprache
sprechen. Der Sprachmittler empfängt das Kommunikat 1 in der Sprache von Akteur 1 und gibt
sie an die Sprache des zweiten Akteurs weiter (später auch in die andere Richtung). Der zweite
Akteur baut sein Verständnis aus dem Kommunikat des Sprachmittlers auf. Es gibt also drei
verschiedene Kommunikate, zwei sprachliche Ausdrücke in zwei unterschiedlichen Sprachen.
Der Sprachmittler muss aus der ersten Äußerung entnehmen, welche Wirkung der erste Akteur
in seiner Muttersprache hätte erzielen wollen und muss auch entscheiden, welche Art von
kulturellen und sprachlichen Unterschieden zwischen den beiden Akteuren bestehen, um einen
adressatengerechten Ausdruck zu erzeugen. Die vierte Ebene stellt die „didaktische
Inszenierung“ dar. Da die Sprachmittlung im schulischen Rahmen nicht tatsächlich stattfindet,
sondern simuliert bzw. vorbereitet wird, stehen die Lernende vor der Herausforderung, sowohl
die Absichten als auch die kulturellen Kontexte der beiden Akteure aber auch des
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Sprachmittlers in der durch die Aufgabe dargestellten Situation zu begreifen und sich in die
Rolle des Sprachmittlers hineinzuversetzen. Zusätzlich findet ein Wechsel des Genres statt, was
die Komplexität nochmal erhöht.
Die Autoren vertreten die Ansicht, dass, um eine richtige Aufgabenstellung formulieren zu
können es notwendig ist, zwischen den vier Ebenen und den Merkmalen der Kommunikation
unterscheiden zu können. Somit soll sie den Lernenden ermöglichen, sich durch die didaktische
Inszenierung in eine glaubwürdige und authentische Situation zu versetzen. Damit die
Situationen auch kultursensibel und adressatengerecht sind, müssen die Akteure der Situation
in der Aufgabestellung richtig beschrieben werden, d.h. es reicht nicht aus, das Alter, die
Nationalität und die Beziehung der Akteure zum Sprachmittler zu nennen. Andererseits ist es
notwendig kritisch zu hinterfragen, inwieweit die Schüler in der Lage sind, sich in die Rolle der
fiktiven Akteure und Sprachmittler hineinzuversetzen und zu überlegen, welche Art von
Eigenschaften von ihnen realistischerweise angenommen werden können. Diese Aspekte
sollten sowohl bei der Skizzierung von Aufgaben als auch bei den Erwartungshorizonten und
der Bewertung berücksichtigt werden, so die Autoren.
Schließlich betonen die Autoren, dass richtig dargestellte fiktive Sprachmittlungssituationen
genauso wichtig sind, wie die Lernende in reale Sprachvermittlungssituationen zu bringen, sei
es innerhalb oder außerhalb der Schulgemeinschaft. Die Verknüpfung mit anderen Fächern,
Sprachen und Lernstrategien spielen dabei auch eine wichtige Rolle.

Nun, die Hauptthese der Autoren, dass Sprachmittlung eine komplexe Kompetenz ist, und dass
man den theoretischen Hintergrund einer Sprachmittlungssituation im realen Leben sowie in
der Schule gründlich kennen muss, um es in der Praxis erfolgreich anwenden zu können, ist
meiner Meinung nach unwiderlegbar. Ich stimme mit den Autoren überein, dass die
Unterschiede zwischen Übersetzung/Dolmetschen und Sprachmittlung nicht so viele sind,
wenn wir von der Idee ausgehen, dass die Endprodukte jeweils einen bestimmten Zweck
erfüllen sollen. Bei der Sprachmittlung soll das Produkt sowohl im Fremdsprachunterricht als
auch in der Realität zumindest situationsangemessen und adressatengerecht sein. Bei einer
Übersetzung/Dolmetschen sollen i. d. R. euch beide Kriterien erfüllt werden. Ich bin auch der
Meinung, dass die drei von den Autoren erwähnten Unterschiede, d.h. der Grad an
Professionalität, die persönliche Involviertheit und ein Wechsel des Genres, die
Hauptunterschiede sind, die zwischen Sprachmittlung und Übersetzung/Dolmetschen
hervorgehoben werden können, besonders im Schulkontext.
Das von den Autoren vorgestellte Modell ist eine gute, aber stark vereinfachte
Veranschaulichung der verschiedenen Ebenen der Kommunikation, was etwas im Widerspruch
zu den Absichten der Autoren steht. Mit dem Begriff “Kommunikat" wollen die Autoren
zeigen, dass jeder Akteur die Äußerungen auf eine singuläre Art und Weise interpretiert und
versteht, was ich als positiv ansehe. Aber allein durch die Betrachtung der Abbildung ist das
nicht zu verstehen, eher wirkt es so, als wären die Kommunikate (1,2,3,4) einfach neue
Äußerungen bzw. die Antworten auf das zuletzt gesagte. Ein weiterer Aspekt, der im Modell
nicht zu sehen ist, obwohl er im Text mit dem Wechsel des Genres zumindest indirekt erwähnt
wird, ist die Rolle, die die Ausgangs- und Zieltexte spielen. Nichtdestotrotz ist das Modell, um
den theoretischen Hintergrund der Kommunikation bei einer Sprachmittlungssituation zu

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verstehen, sicherlich nützlich. Was ich an dem Modell am gelungensten finde, ist, dass es eine
Situation der normalen Sprachmittlung von einer didaktischen Inszenierung unterscheidet und
damit zeigt, dass die Lernenden sich in eine bestimmte Rolle hineinversetzen müssen. Obwohl
es im Modell nicht zu sehen ist, beschreiben die Autoren wie wichtig eine gut formulierte
Aufgabenstellung ist und welche Elemente sie enthalten muss, wie z. B. ausreichende
Beschreibungen der Akteure, des Kontexts, der Situation, usw.

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Bibliografie

- Abendroth-Timmer, Dagmar; Plikat, Jochen (2017): “ Sprachmittlung – Warum gute


Praxis gute Theorie braucht“. In: Hispanorama. (1), 10-16.

Endnoten
i
Um den Lesefluss des Artikels nicht zu stören, wird der männliche Plural „Autoren“
verwendet, um beide Autoren des Artikels zu bezeichnen, also Autorin D. Abendroth-Timmer
und Autor J. Plikat.
ii
Mit „Sprachmittler“ sind alle mögliche Gender gemeint.

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