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Hans-Jürgen Rehm
Inhalt
Der Begriff Analyst Relations stammt aus dem englischen Sprachraum und hat
seit den späten achtziger Jahren langsam begonnen, sich auch in Deutschland zu
verbreiten. Dies ist kein Zufall, denn es hängt mit dem Entstehen und Ausbreiten
eines Firmentyps – Marktbeobachtern und Beratern, primär in der ITK-Branche
– zusammen. Analyst Relations meint dabei im weitesten Sinn die Kontaktent-
wicklung und Beziehungspflege zwischen Unternehmen in einer Branche und
relevanten Multiplikatoren, die im Sinne des Begriffs „Analyst“ Märkte, Techno-
logien, Trends, Firmenpositionierungen im Wettbewerb und kaufentscheidungsbe-
einflussende Faktoren untersuchen und entweder Entscheidern auf Anwenderseite
(customer facing) oder Anbieterseite (vendor facing) zur Verfügung stellen.
Häufig sind Analystenunternehmungen, egal ob nur aus einer Person bestehend
oder einer Vielzahl von spezialisierten Experten, nicht ausschließlich in ihrer Rolle
als Marktbeobachter und Publizist von Markt- und Empfehlungsdokumenten unter-
wegs. In vielen Fällen hat sich die Notwendigkeit einer individuellen Beratung von
Kunden direkt im Anschluss an eine Marktanalyse ergeben, sei es in Bezug auf die
Begleitung bei einer Investitionsentscheidung auf Anwenderseite, oder in Bezug auf
Marktentwicklungsentscheidungen auf Anbieterseite (Fragen zum Marketing-Mix,
zur Positionierung, zur Markteinführung). Analysten sind aus diesem Grund sehr
häufig auch als Consultants tätig.
Eine dritte Rolle, die in der Medienlandschaft der IT-Branche starke Auf-
wertung erfahren hat, ist die eines Zitatgebers oder Meinungsmultiplikators für
Fachmedien, die mit Analystenstimmen versuchen, fachjournalistische Beiträge in
Glaubwürdigkeit, Ausrichtung und Themenorientierung weiter zu fundieren bzw.
deren Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Eine solche „mediale“ Rolle von Analysten
– in der Regel Einzelpersonen, die für ein bestimmtes Wissensgebiet stehen –
hat insbesondere im Web 2.0-Zeitalter eine starke Aufwertung erfahren. Analys-
ten als Medienstars, die ihren eigenen Marktwert kennen und durch gezielten
Kontaktaufbau zu Schlüsselmedien oder prominente Statements auf Blogs oder
im Microblogging ihr Wissen zeigen, sind zu einer wichtigen Kernzielgruppe für
Analyst Relations geworden.
Im weitesten Sinn geht es bei der Analyst-Relations-Tätigkeit einer Unter-
nehmung also darum, die Mechanismen von Analysten als Marktmultiplikatoren
zu kennen, zu verstehen, und auf Basis dieser Mechanismen eine professionelle
Positionierung des eigenen Unternehmens und seiner Themen zu kommunizieren.
Dazu gibt es eine große Bandbreite an Möglichkeiten, Analysten mit Informationen
zu versorgen, für einen Vertrauensaufbau im Sinne eines seriösen Unternehmens-
kontaktes zu sorgen und sich zu einem wertvollen Kontakt im Sinne der Arbeit der
Analysten für ihre Kunden zu machen.
12 Analyst Relations in Deutschland: Im Spannungsfeld zwischen weltweiten . . . 119
Wichtig erscheint uns dabei, die Zielgruppe „Analysten“ im Sinne einer Anspra-
che auf Augenhöhe als eigene Zielgruppe zu adressieren und unbedingt auf
deren spezifische Informationsbedürfnisse einzugehen, die sich zum Teil erheb-
lich von denen anderer Multiplikatoren wie Journalisten oder reinen Consultants,
Systemintegratoren oder Vertriebspartnern unterscheiden können.
Im Kern bleibt Analyst Relations eine Beziehung von Mensch zu Mensch, die
ohne Vertrauensaufbau und langfristig angelegte Kontaktpflege nicht auskommt.
Nur so entsteht eine Beziehung, die auch zum Wohl des betreuten Unternehmens
abstrahlen kann auf die Vielfalt der denkbaren Kontaktsituationen, von denen viele
häufig direkt oder indirekt ins Vertriebsgeschehen eingreifen und Kaufentschei-
dungen in erheblichem Maß beeinflussen können. Analyst Relations kommt daher
nicht um einen gezielten Aufbau von Wissensprofilen aus, um über den jeweiligen
Gesprächspartner – den Analysten als Mensch – möglichst viel zu wissen hinsicht-
lich seiner fachlichen Ausrichtung, persönlichen Präferenzen und seines beruflichen
Werdegangs.
• Auf Basis welcher Faktoren fällen meine Entscheider beim Kunden Kaufent-
scheidungen?
• Was sind einschlägige Berater, die beim Kunden in der Entwicklung einer
Investitionsentscheidung mit am Tisch sind?
• Welche Studien oder Dokumente sind im Markt sichtbar, auf deren Basis Wissen
und Empfehlungen verbreitet werden?
Abgerundet wird der Aufbau einer solchen Liste durch Recherchen und Informa-
tionssammlungen, um ein ausreichend genaues Profil der Berater und Marktkenner
im jeweils als relevant definierten Marktsegment zusammenzustellen. Das Ergebnis
wird häufig sein, dass die Liste solcher Marktmultiplikatoren überraschend über-
schaubar ist und gerade in der ITK-Branche im Sinne von sichtbaren Aktivitäten
immer wieder in ähnlicher Zusammenstellung auftaucht.
Ein wichtiger nächster Schritt ist die Frage der Organisation einer Betreuung
im Sinne eines Aufbaus von Analyst Relations. Hier eröffnen sich Unternehmen
verschiedene Möglichkeiten je nach Ressourcenlage. Aus Erfahrung kann zunächst
empfohlen werden, Analyst Relations als Chefsache zu betrachten – ein Thema,
das organisatorisch möglichst weit oben aufgehängt sein sollte und entweder
auf Geschäftsführungs- oder Bereichsvorstandsebene seinen Platz hat. Dies hängt
unmittelbar mit der Schlüsselrolle zusammen, die Analysten bei Entscheidungen
häufig einnehmen. Dabei wird im Kontakt auch die Wertschätzung, auf Augen-
höhe betrachtet zu werden, eine entsprechende Würdigung erfahren. Die Frage,
ob Analyst Relations im Kontext einer Kommunikationsfunktion oder Marketing-
funktion mit integriert werden kann, die direkt an eine Vorstandsebene berichtet,
liegt im Ermessensspielraum eines Unternehmens, sollte aber sorgfältig abgewogen
werden, um eine vermischte Zielgruppenansprache oder gar eine missbräuchliche
Wahrnehmung der Rollen und Möglichkeiten von Branchenanalysten zu vermeiden.
Unternehmen, die über nur geringe eigene Kommunikationsressourcen verfügen,
können überlegen, die Dienste spezialisierter Agenturen in Anspruch zu nehmen,
die das Themenspektrum Analyst Relations in den letzten Jahren ebenfalls für sich
entdeckt haben. Die meisten solcher Spezialanbieter kommen aus dem Kontext der
klassischen Kommunikations- oder Marketingagenturen und haben eigens Bereiche
geschaffen, die für eine professionelle Behandlung und Betreuung dieser Zielgruppe
vorbereitet ist. Auch bei diesem Weg bleibt Analyst Relations Chefsache, denn das
12 Analyst Relations in Deutschland: Im Spannungsfeld zwischen weltweiten . . . 121
Gesicht eines Unternehmens zu Analysten sollte in erster Linie aus den relevanten
Entscheidern, eventuell in Kombination mit ausgewiesenen inhaltlichen Experten,
bestehen.
Analyst Relations lässt sich somit nur in Grenzen delegieren.
Eine andere Situation stellt sich bei der nicht unbeträchtlichen Anzahl von im
deutschsprachigen Raum ansässigen Tochtergesellschaften internationaler Unter-
nehmen dar. Egal, ob als Vertriebstochter angloamerikanischer, europäischer oder
asiatischer Firmen – stets muss davon ausgegangen werden, dass die Vorgaben
für die Kommunikation auch im Bereich der Analyst Relations von der jeweiligen
Konzernmutter kommen.
Dabei ist bei der Frage der Entwicklung eigener Analyst-Relations-Tätigkeiten
jeweils zu prüfen, was die Konzernmutter in diesem Umfeld macht. Einschlägige
Fragen sind dazu:
Egal ob als Konzernmutter oder als Tochter in einem internationalen Verbund, Ana-
lyst Relations versteht sich als Funktion, deren Aufgabe aus einem erkennbaren
Wertbeitrag zu den Umsatz- und Gewinnzielen des Unternehmens besteht. Rele-
vante Nebenziele können die Erhöhung der Akzeptanz in einem lokalen Markt,
die Anerkennung als bedeutender Marktteilnehmer und die Wahrnehmung und
Berücksichtigung bei Kaufentscheidungsempfehlungen und Ausschreibungen sein.
Im Sinne einer Servicefunktion gilt auch bei Analyst Relations das „Geben-und-
Nehmen“-Prinzip: Je besser der Service für vor Ort tätige Analysten ist, um ihre
eigene Arbeit möglichst professionell erledigen zu können, desto besser wird
in aller Regel auch das Feedback und die Einbindung von Unternehmen als
Marktteilnehmer sein können. Selbst große IT-Anwenderorganisationen, die struk-
turell bedingt Teile ihres eigenen Leistungsspektrums wieder am Markt anbringen,
können von ihrer Seite aus hier betroffen sein.
Wie bereits erwähnt, ist Analyst Relations Chefsache, um die ihr zugedach-
ten Ziele erfüllen zu können. Das Maß an möglicher Delegation obliegt dabei der
Einschätzung, wie relevant die jeweilige taktische Maßnahme im Kontext einer
Gesamtbetreuung einzuschätzen ist.
Typische Ziele von Analyst Relations sind daher:
• Identifikation der relevanten Branchenanalysten als Multiplikatoren in einem
Markt;
• Aufbau eines Wissensprofils über diese Marktexperten zur Vorbereitung einer
interessengerechten Ansprache;
• Entwicklung von Kontakt- und Informationsangeboten für diese Zielgruppe zur
Etablierung von Erstkontakten, Vertiefung über feedbackgebende Informations-
prozesse und Entwicklung einer dauerhaften Kontaktebene, die den Rahmen für
die Information von Unternehmen über das eigene Leistungsportfolio und dessen
Bedeutung im Markt steckt;
• Entwicklung eines Servicebüros, das den Bedürfnissen von Analysten (Ad-hoc-
Information, Unterstützung bei individuellen Beratungsfällen, Vermittlung von
marktrelevanten Informationen für Angebotsbewertungen) entspricht und ihre
eigene Arbeit professionell beschleunigt und erleichtert;
• Verzahnungsangebote mit parallelen Kommunikationsfunktionen, um Synergien
in der Kommunikation zum Markt hin zu erzeugen und die Wirkung von
Unternehmensankündigungen und -entscheidungen im Markt zu verstärken;
• Entwicklung von Zielmesskriterien, die die eigene Arbeit im Unternehmen ver-
mittelbar machen und Erfolgsbeiträge erkennen lassen, die die Existenz der
eigenen Funktion rechtfertigen;
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Macht man sich zunächst die augenfälligen Unterschiede der Zielgruppen klar,
so fällt bei Journalisten insbesondere der Nachrichtenfaktor ins Auge: Was ist
neu, welche Schritte stellt ein Unternehmen vor, was bedeutet dies jetzt und in
nächster Zeit für den Markt und für Kunden? Aufbauend auf dieser Sicht zählt
für Journalisten das, was am Tag der Neuvorstellung an verwertbaren Informa-
tionen und Gesprächspartnern zur Verfügung steht, insbesondere im Umfeld des
Online-Journalismus. Auch für die Stilformen Kommentar und Analyse, die aus
einer zeitlich etwas distanzierteren Sicht ein Thema beleuchten, interessiert bei
einem Online-Portal oder Periodikum, das in der Regel wochen- oder monatsweise
erscheint, insbesondere der Bezug zur Aktualität.
Inhalte: Aufgrund des hohen Verwertungsdrucks und der permanent sich fort-
entwickelnden Nachrichtenlage macht es auch nur selten Sinn, unter „Sperrfrist“
vor der Ankündigung einer Neuheit Journalisten zu informieren, da die Gefahr
eines Lecks und einer ungewollten frühzeitigen Verbreitung sehr hoch ist. Auch die
Informationstiefe, die ein Journalist benötigt, beschränkt sich aufgrund begrenzter
Zeit und breitem Betreuungsspektrum sehr oft auf einen klassischen Überblick über
ein Thema, mit begrenztem technischen Tiefgang. Wenige Ausnahmen bestätigen
hier die Regel.
Demgegenüber ist das Informationsbedürfnis eines Branchenanalysten, der
Marktberichte verfasst oder Kunden berät, häufig hinsichtlich Zeitpunkt und Tief-
gang ein völlig anderes: Um Einschätzungen und Kommentare eines Analysten
zum Zeitpunkt einer Marktvorstellung begleitend zur Verfügung zu haben, ist es
oft unabdingbar, vor Vorstellung einer Neuigkeit Analysten im Prozess der Markt-
einführungsvorbereitung einzubinden und mit ihnen zusammen die Bedeutung einer
Entwicklung zu diskutieren. Dies ermöglicht Analysten nicht nur, frühzeitig und
in Koordination mit Marktanbietern Einschätzungen bereitzuhalten, sondern diese
auch Journalisten als dritte Meinung zum Zeitpunkt der Ankündigung anzubieten.
Auf der anderen Seite können Unternehmen auch aus dem Erfahrungsschatz von
Analysten so frühzeitig Hinweise und Einschätzungen in Zusammenhang mit der
eigenen Markteinführung oder Entwicklung erhalten, die damit noch Einfluss auf
die zu kommunizierende Neuigkeit, zum Beispiel ein neues Produkt und seine
Positionierung bzw. seinen Marketing-Mix nehmen können.
Analysten eignen sich für Journalisten somit als fachliche Ansprechpartner, die
vom Unternehmen unabhängig ihre Meinung darlegen können, aber durch das
frühzeitige Informationsangebot der Unternehmen rechtzeitig über laufende Ent-
wicklungen unterrichtet sind und damit auch ihrem Bild als Kenner einer Branche
gerecht werden können. Eine oder mehrere dritte Meinungen im Markt runden nicht
nur das Bild eines Journalisten bei der Recherche zu einem Thema ab, sie machen
die Qualität und den Informationsgehalt einer Meldung in vielen Fällen auch
reicher.
Vereinfacht gesagt: Während Analysten Wochen bis Monate vor einer Ankündi-
gung von Unternehmen mit in ihre Kommunikation vorbereitend einbezogen
werden sollten, so genügt es bei Journalisten, auf den sehr kurzen Horizont der
Nachrichtenverwertung Bezug zu nehmen, der tagesaktuell sein kann, ggf. mit einer
kurzen vorherigen Nachricht zur „Ankündigung“ einer Nachricht.
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Es kann also Sinn machen, im Umfeld der Kommunikation mit solchen Multi-
plikatoren auch Angebote bereitzuhalten, ins Gespräch mit Branchenanalysten zu
kommen oder deren Kommentare und Analysen mit anzubieten, wenn die Diskus-
sion sich um Themen dreht, bei denen Unternehmen in der Kommunikation mit
Branchenanalysten im Vorfeld Inhalte erarbeitet haben, die hier verwertbar sind.
Es versteht sich auch hier, dass eine strikte Trennung der Betreuung von
Branchen- und Finanzanalysten großen Sinn macht. In Tochtergesellschaften inter-
national aktiver Unternehmungen ist Investor Relations in aller Regel ohnehin ein
„Powers reserved“ der Zentrale, so dass der Industry-Analyst-Funktion hier fast nur
auf dieser Ebene eine synergetische Bedeutung zukommt, falls nicht eine markt-
gegebene regionale Besonderheit einen selektiven Einfluss auf solche Analysen
erforderlich macht.
• Haben die wichtigsten Branchenanalysten ein korrektes Bild von der Strategie
meines Unternehmens?
• Verstehen sie die Leitkampagnen und Kommunikationselemente, die das Unter-
nehmen verbreitet?
• Gewichten sie die Marktpositionierung und Ausrichtung eines Unternehmens
richtig?
• Ist die Einschätzung der Stärken/Schwächen/Chancen und Risiken deckungs-
gleich mit der des Unternehmens oder nahe daran?
Mailings/eMail-Kommunikation
Analysten-Telefonkonferenzen
Telefonkonferenzen sind ein weiteres wichtiges Instrument in der Analyst-
Relations-Kommunikation. Ihr größter Vorteil liegt in der ohne Reiseaufwand
durchführbaren Vermittlung von Nachrichten, aber auch dem unmittelbaren Dialog
und der Feedbackmöglichkeit. Dabei lassen sich räumlich ungebunden Experten auf
Unternehmensseite aus unterschiedlichen Ländern zusammenschalten, aber auch je
nach Situation Single-oder Multi-Analystenbriefings durchführen. Zu unterschei-
den ist also auch hier wieder die klassische Telefonkonferenz („Telco“) auf Wunsch
oder speziell auf das Interesse eines Analysten hin gerichtet, oder der mehr
„nachrichtenvermittelnde“ Weg einer Telco-Konferenz, zu der das Unternehmen
einen größeren Kreis von Analysten, häufig auch international, einlädt. Dieser Fall
ist häufig zu beobachten und hat sich bei IT-Unternehmen mittlerweile als Standard
herausgebildet, um Analysten in größerer Runde über Neuigkeiten zu informieren.
Manchmal wird diese Telco auch ergänzt durch multimediale Angebote wie einer
Online-Chartpräsentation, oder dem Einsatz von Videokonferenzangeboten und
Online-Chat.
Die Vorteile liegen unbestreitbar auf der Kostenseite und Effizienz, da Zeitbudget
und Geldbeutel hinsichtlich Reiseaufwand geschont werden, auf der anderen Seite
bleibt natürlich wie bei jedem Telefonkontakt, der nicht persönlich im 1-1-Dialog
läuft, eine Distanz und mangelnde Feedbackmöglichkeit hinsichtlich des einzelnen
Analysten bestehen. Ein Unternehmen kann sich – eventuell trotz vorhandenem
Q+A – also nicht unmittelbar sicher sein, wie die vermittelnden Informationen bei
einem größeren Kreis ankommen. Deswegen ist für eine engere Kontaktknüpfung
dieses Instrument unbedingt wieder zu ergänzen durch den individuellen Dialog in
anderer Form.
Im Vorfeld einer Telefonkonferenz lassen sich natürlich auch wieder zeitlich wie
auch strukturell und inhaltlich Maßnahmen zusammenstellen, die die Struktur und
den Ablauf betreffen und die Informationsgeber auf Unternehmensseite vorbereiten
können, beispielsweise durch ein Rehearsal, damit die Informationen in geeigneter
Form und Länge vorhanden sind. Gerade weil in einer Telco möglicherweise auch
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Sprecher mit zu Wort kommen können, die nicht täglich im Umgang mit Branchen-
analysten erfahren sind, kommt einer Vorbereitung hinsichtlich der angemeldeten
Teilnehmer auf der Zuhörerseite besonderes Gewicht zu.
Die technischen Möglichkeiten erlauben heute auch eine Kontrolle der Einwahl-
nummern, so dass leicht festgestellt werden kann, welche angemeldeten Teilnehmer
sich einwählen bzw. wie viele Leitungen sich in der Konferenz befinden. Auch
Mitschnittangebote zum Nachhören können hier ein ergänzendes Serviceangebot
sein.
Unternehmen, die mit Telefonkonferenzen arbeiten, sollten auch in Erwägung
ziehen, ob eine laufende Informationsstruktur für Analysten, etwa in Form eines
Quartalsbriefingcalls, ein Angebot sein kann, das dem grundsätzlichen Informa-
tionsbedürfnis im Sinne von „über Unternehmen x auf dem Laufenden halten“
entspricht, das aber dann abgerundet wird durch analystenindividuelle ergänzende
Kommunikationsmaßnahmen.
Analysten-Events
und auch von Analysten in der Regel in höherer Kontaktfrequenz nicht akzeptiert
würden, da es das Zeitbudget einfach nicht zulässt.
Hinsichtlich der inhaltlichen Erwartungshaltung sollte ein Agendaprogramm
für eine solche Analystenkonferenz möglichst hochrangige Unternehmensvertreter
bieten, die dem Analysten die Möglichkeit geben, nicht nur in Form von Gruppen-
briefings Informationen über langfristig relevante Entwicklungen zu bekommen,
sondern auch in Form von anschließenden 1-1s den persönlichen Dialog ermög-
lichen. Dies gilt umso mehr, als bei Multi-Analystenbriefings das individuelle
Interesse einer Abgrenzung zum „Mitbewerber“ hinsichtlich eigener, individueller
Information und Feedbackmöglichkeit besonders hoch ist. Für solche Gespräche
muss daher unbedingt Raum und Zeit sein. Bei mehrtägigen Veranstaltungen kann
darüber hinaus die soziale Komponente – das bessere gegenseitige Kennenlernen
– etwa bei Abendessen oder einer sonstigen gemeinsamen Aktivität (z. B. Outdoor)
ein wichtiger Faktor sein, der auch persönliche, sich später vertiefende Kontakte mit
gesteigertem Vertrauen ermöglicht.
Internationale Konferenzen
Internationale Analystenkonferenzen finden sich als Briefing- und Informationsan-
gebote von Zeit zu Zeit bei international tätigen Unternehmen. In der IT-Branche
beispielsweise haben sich Angebote herausgebildet, die entweder kontinental die
Analysten eines Bereichs zu einem Briefingort zusammenführen, oder bei manchen
Gelegenheiten sogar weltweit.
Die Gründe für ein multinationales Briefing können immer dann gegeben sein,
wenn eine besonders wichtige Ankündigung bevorsteht oder sich beispielsweise ein
Ort wie ein Labor oder Kompetenzzentrum an einer Stelle befindet, die sich für
die Austragung einer solchen Veranstaltung besonders anbietet, um vor Ort ent-
sprechende Vorführungen zu machen. Interessanterweise genießen solche Veranstal-
tungen bei Analysten ein erhöhtes Interesse, da die Begegnung mit ausländischen
Kollegen des gleichen Unternehmens oder auch ähnlicher Unternehmungen auch
für sie eine nicht alltägliche Bereicherung darstellt, jenseits der Erwartungshaltung,
die gegenüber dem durchführenden Unternehmen hinsichtlich Gesprächspartnern
und Bedeutung der Inhalte besteht. Gelingt es sogar, eine internationale Konferenz
in der Nähe des Stammsitzes eines oder mehrerer Analystenhäuser durchzuführen,
so kann dies einen zusätzlichen Teilnahmeeffekt bewirken, da Analysten dann mög-
licherweise eine solche Konferenz und sonstige Geschäftstermine kombinieren. In
der IT-Branche sind Beispiele bekannt, in denen in den Vereinigten Staaten in New
York oder Boston aufgrund dort ansässiger Zentralen solche Effekte zu beobachten
waren.
Internationale Konferenzen sind geeignete Bühnen für höchste Unternehmens-
und Bereichsführer, in Kontakt mit relevanten Branchenanalysten zu treten. Hier
ist die Gelegenheit, einmal auf Tuchfühlung zu gehen und grundlegende Unterneh-
mensausrichtungen vorzustellen sowie besonders hochrangige Analysten zu einer
Veranstaltung zu bekommen, wenn das Programmangebot stimmt.
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Die bereits vorher gemachten Aussagen hinsichtlich Logistik gelten auch hier,
wobei hinsichtlich Qualität des Standorts hier nochmals höhere Niveauanforde-
rungen gelten. Dabei sind natürlich landesspezifische Eigenheiten (Distanzen,
Fahrtwege, Klima) für den jeweiligen Termin noch zu berücksichtigen.
Bei der Vorbereitung einer internationalen Analystenkonferenz werden in
der Regel neben der Analyst Relations-Funktion Stäbe aus dem Bereich der
Geschäftsführungsassistenz, dem Veranstaltungsteam und der Marketing-/ Sales-
leitung beteiligt sein. Aufgrund des hohen Erwartungsdrucks wird hier von
einem mehrstufigen Vorbereitungsaufwand hinsichtlich Zielsetzung, Budgetierung,
Inhaltsentwicklung, Agendastruktur, Sprechervorbereitung, Logistikvorbereitung,
Einladungs- und Durchführungsprozess sowie umfangreicher Nachbereitung aus-
zugehen sein, die Vorlaufzeiten von mehreren Monaten bis zu einem Jahr und mehr
bedeuten können. Auch die Einbindung externer Dienstleister wie Veranstaltungs-
und Analyst-Relations-Agenturen kann ein Mittel sein, zum Erfolg einer solch
komplexen Veranstaltung beizutragen.
Aufträge an Branchenanalysten
Zunächst zur Frage des Nutzens von Social Media: Fast jeder, der sich mit
den einschlägigen Plattformen wie Xing, Skype, Facebook und Twitter beschäf-
tigt, wird feststellen, dass ein Teil seiner Zielgruppe solche Dienste einsetzt, um
entweder mit anderen Kontakten oder Gesprächspartnern in Verbindung zu blei-
ben, über die eigene Arbeit zu berichten, für sie zu werben oder auch neue Kontakte
anzuregen. Ein anderer Teil wird vermutlich nur wenige oder gar keine dieser Servi-
ces einsetzen. Damit ergeben sich aus dem Charakter der Social-Media-Plattformen
folgende Ansatzpunkte:
Dabei gilt es zu beachten, dass ein beachtlicher Teil dieser Tätigkeit – mit teil-
weiser Ausnahme bei Skype und Xing – sich unter den Augen einer Öffentlichkeit,
auch der Konkurrenz, abspielen kann.
Die Auswahl der geeigneten Plattformen richtet sich im Wesentlichen nach der
bevorzugten Wahl der jeweiligen Analysten, und es gilt, hier zwischen dem Bedarf
an Vertraulichkeit und öffentlicher Sichtbarkeit abzuwägen. So kann ein Teil eines
Dialoges beispielsweise über Skype laufen, ein anderer auch über Twitter.
Analyst-Relations-Beauftragte sollten sich grundsätzlich mit den wesentlichen
Social-Media-Plattformen und ihrer Charakteristik vertraut machen, um sich auf
die bevorzugten Kommunikationsmittel ihrer „Kunden“ einzustellen. Dabei werden
sich im Verlauf eines Dialogs immer individuelle Präferenzen herausbilden. Bei der
Begeisterung über die interessanten Möglichkeiten des Dialogs und der Verbreitung
von Informationen über Social Media sollte aber das Wissen um die einmaligen
Möglichkeiten beim persönlichen Gespräch oder Telefonat niemals vergessen wer-
den, denn nur dort ist authentischer Dialog und unmittelbares Feedback möglich
und es lassen sich Sympathie und Vertrauen direkt aufbauen.
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Zukunftsperspektiven lokaler AR
Analyst Relations wird im deutschsprachigen Raum eine zunehmende Bedeutung
erfahren. Dabei lassen sich die Erfahrungen, die über einen längeren Zeitraum im
angelsächsischen Raum gemacht worden sind, auch teilweise auf die Aufgaben-
stellung hiesiger Experten übertragen. Die Umfragen auf der Kundenseite bei fast
allen Branchen deuten immer wieder darauf hin, dass Branchenbeobachter und
neutrale, unabhängige Berater auf den vorderen Plätzen stehen, wenn es um Ver-
trauen und Berücksichtigung bei Investitionsentscheidungen geht. Es bleibt daher
eine zwingende Notwendigkeit, diese Zielgruppe einer überschaubaren Anzahl
von Instanzen oder Individuen in einem jeweiligen Marktsegment unkompliziert,
direkt und mit umfassendem Informationsangebot aus erster Hand zu versorgen.
Der zunehmende Einsatz webbasierter Technologien rundet dabei das klassische
Kommunikationsspektrum ab und ergänzt es mit neuen Möglichkeiten des Dia-
logs, ohne es zu ersetzen. Analyst Relations Professionals sind daher gut beraten,
sich fortlaufend nach der Einsatzmöglichkeit neuer Kommunikationsschnittstellen
umzusehen, um auf Augenhöhe mit ihrem Gegenüber im Dialog zu bleiben. Klassi-
sche Tugenden wie Reaktionsschnelligkeit, Verlässlichkeit, Präzision in Service
und Antwort sowie langfristige Kontinuität bleiben dabei unberührt. Gerade in
einer Disziplin, in der wie in nur wenigen anderen Bereichen die Anzahl der
Individuen, die es zu betreuen gilt, überschaubar klein ist, ergeben sich aus der
häufigen 1-1-Beziehung und individualisiert möglichen Betreuung Kontaktintensi-
täten, die andere Multiplikatoren nur selten erfahren können. In diesem Sinn bleibt
die Analyst-Relations-Tätigkeit ein von traditionellen, vom menschlichen Verhalten
ableitbaren Strukturen geprägtes Kommunikations- und Vermittlungsfeld, das von
den Möglichkeiten moderner Kommunikation profitiert, seine Wurzeln und ureigene
Stärke aber nach wie vor aus dem menschlichen Dialog und dem daraus entste-
henden Vertrauen bezieht. Die Zukunft von Analyst Relations wird daher stark vom
menschlichen Dialog geprägt sein.