Falko Schmieder*
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen
Zur Kritik und Aktualität einer Denkfigur
https://doi.org/10.1515/zksp-2017-0017
Abstract: The concept of the simultaneity of the non-simultaneous has long since
become part of the discourses on the historical self-understanding of modernity.
It seems no attempted theory of bourgeois society can do without it anymore, and
there is hardly any field of study in the humanities where it has not been adopted
the backdrop of that tradition. In order to estimate the concept’s relevance today,
one ought to explore its origins, particularly the historical and societal conditions
under which it emerged. Therefore, the first part of this paper will present a few
outstanding features, so as to highlight both the historical character and the inner
historicity of this concept, which in itself is in many ways characterized by the
problems of non-simultaneity it deals with. The second part will discuss critical
arguments as well as alternative concepts being suggested in this context. The
aim is to demonstrate the unabated importance of the concept of the simultaneity
of the non-simultaneous, which may prove still relevant and even indispensable
in order to determine the temporal conflicts inevitably emerging from the blind
dynamics of modern society. Moreover, it enables a critical understanding of the
historical dimensions of modern archaisms.
Die Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gehörte lange zum Stan-
dardrepertoire des historischen Selbstverständigungsdiskurses der Moderne. Sie
fehlt in keinem größeren Entwurf einer Theorie der bürgerlichen Gesellschaft und
es gibt wohl kaum eine geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Disziplin, in
der sie nicht in jeweils fachspezifischer Perspektive ausgearbeitet worden wäre:
In der Geschichtswissenschaft in der Diskussion um historische Sonderwege, in
der Politikwissenschaft als Frage nach dem Verhältnis von Industrie-, Schwellen-
und Entwicklungsländern, in der Soziologie als Problem der nachholenden Mo-
dernisierung, in der Ethnologie als Frage nach den Überbleibseln indigener Kul-
turen, in der Kulturwissenschaft in der Figur des Nachlebens etc. Die Breite und
Vielfalt ihrer Gebrauchszusammenhänge führte dann in den 1970er Jahren zu
ersten reflexiven Historisierungen dieser Denkfigur (vgl. Koselleck 1977, S. 323 f.),
Seitdem hat die Kritik sowohl an Differenziertheit wie auch an Breite und
Schwungkraft gewonnen, so dass diejenigen, die die Denkfigur auch weiterhin
für unverzichtbar halten, unter einem gewissen Legitimationsdruck stehen. Die
Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen ist strittig geworden (vgl.
Walter 2016), und in Anbetracht ihrer engen Verbindung zu Theorien der Moderne
bzw. der modernen Gesellschaft lässt sich wohl sagen, dass bei diesem Streit
einiges auf dem Spiel steht. Sind wir wirklich „nie modern gewesen“, wie Bruno
Latour (1991) geltend gemacht hat? Oder ist, umgekehrt, die Moderne (und der an
sie geknüpfte historische Zeitbegriff) nun selbst historisch geworden, so dass die
mit ihrer Entwicklung verknüpfte Denkfigur als Element eines überkommenen
Geschichtsbewusstseins erscheint? Ist die Zeitkategorie der Zukunft nur mehr ein
Anachronismus, der durch das Konzept der gedehnten Gegenwart ersetzt werden
muss? Fragen wie diese betreffen die Substanz der Denkfigur der Gleichzeitigkeit
des Ungleichzeitigen sowie das historische und kulturelle Selbstverständnis einer
ganzen Epoche.
Um Relevanz und Aktualität der Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleich-
zeitigen beurteilen zu können, muss man die historischen Dimensionen und Pro-
blemgehalte der Denkfigur genauer in den Blick bekommen. Im ersten Teil sollen
deshalb in einem begriffs- und problemgeschichtlichen Zugang wichtige Knoten-
punkte und Wendungen der Denkfigur herausgearbeitet werden. Es geht dabei
nicht um Vollständigkeit; das Interesse gilt vor allem der Darstellung des histori-
schen Charakters und der inneren Historizität der Denkfigur sowie dem Nachweis,
dass die Entwicklung der Denkfigur selbst durch die von ihr verhandelte Pro-
blematik der Ungleichzeitigkeit durchzogen und geprägt ist. Auf dieser Grundlage
sollen dann im zweiten Teil die Argumente der Kritik und die in diesem Zusam-
menhang vorgeschlagenen Alternativen diskutiert und die Frage der Relevanz der
Denkfigur erörtert werden.1
1
Der Begriff der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen ist offenkundig vorausset-
zungsvoll. Er ist eminent theoriehaltig, und die theoretische Konzeption ist wiede-
rum von sozialen Umständen, die nicht immer existiert haben, und von kulturellen
1 In der Literatur wird oft uneinheitlich vom Begriff, Theorem, Konzept, Motiv oder Interpreta-
ment der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gesprochen. Der im vorliegenden Aufsatz zumeist
verwendete Begriff der Denkfigur wird als Oberbegriff verstanden, der nicht nur theoretische oder
theoriehaltige Ausdrücke (also Begriffe im engeren Sinne), sondern auch Metaphern und Allego-
rien einbegreift.
328 Falko Schmieder
Erfahrungen abhängig, die nicht zu jeder Zeit gemacht werden konnten. Beides
klingt an bei Karl Mannheim, der den im Jahre 1926 geprägten Ausdruck ‚Gleich-
zeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ als „geradezu genial“ (Mannheim 1928, S. 521)
bezeichnet. Zu den Voraussetzungen des Begriffs gehört die Konstruktion einer
homogenen, universalen Zeit sowie das Bewusstsein eines Gegensatzes verschie-
dener Zeitbegriffe. In der Artikulation der Erfahrung, dass an einem Punkt der
chronologischen Zeit unterschiedliche historische Zeiten oder Zeitauffassungen
aufeinanderstoßen, sind normative und temporale Dimensionen verschränkt. Die
Normativität impliziert eine Kritik, die auf praktische Veränderung drängt.
Der (Begriffs-)Historiker Reinhart Koselleck, der neben Ernst Bloch wohl der
wichtigste Referenzautor in den Diskussionen um die Figur der Gleichzeitigkeit
des Ungleichzeitigen ist, verortet ihre Entstehung in der von ihm sogenannten
Sattelzeit (1750–1850). Für das von ihm gemeinsam mit Otto Brunner und Werner
Conze herausgegebene Wörterbuch Geschichtliche Grundbegriffe war die heuristi-
sche Vermutung leitend, „daß sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein tief-
greifender Bedeutungswandel klassischer topoi vollzogen“ habe, der als sprach-
licher Ausdruck der „Auflösung der alten und der Entstehung der modernen
Welt“ (Koselleck 1972 a, S. XV) verstanden wird. Die Begriffe dieser Transformati-
2 Bacon spielt dann auch in der Begriffsgeschichte von ,Innovation‘ eine besondere Rolle, die am
Beginn der Neuzeit erste Konturen gewinnt, vgl. Godin 2015 a, bes. S. 177–207 sowie Godin 2015 b.
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 329
ins Bild gesetzte) kulturhistorische Voraussetzung der Denkfigur liegt in der neu-
zeitlichen, mit der Erschließung des Globus verbundenen Erfahrung der Anders-
artigkeit der außereuropäischen Kulturen,3 die im Horizont zeitgenössischer In-
novationen und im Bewusstsein der eigenen (technologischen, militärischen,
kognitiven) Superiorität temporal, als Differenz im Entwicklungsstand ausgelegt
wurde. Das Modell der Interpretation dieser Differenzerfahrung bildete die mit
antiken oder christlichen Motiven vermittelte Naturzeit, speziell der Vorgang der
organischen Entwicklung aus einem Keim sowie die als Reife- und Bildungspro-
zess gedeutete Sukzession vom Kind über den Erwachsenen zum Greis. Über das
Modell der Generationenfolge wurde diese zyklische Grundstruktur zunehmend
progressiv ausgelegt, wie die im 18. Jahrhundert im Rahmen der Universal-
geschichtsschreibung verbreiteten Konzepte des perfectionnement und der per-
fectibilité verdeutlichen. Durch diese Operation wurde das Kontinuum eines uni-
versalen Zeithorizontes und damit eine spezifische Niveaudifferenz konstruiert,
gemäß der die Europäer die von ihnen entdeckten Kulturen im Vergleich mit sich
selbst als rückständig bzw. als frühes Stadium ihrer eigenen Entwicklung be-
trachteten (vgl. Koselleck 1977, 323 f.). Friedrich Schiller bringt in seiner Antritts-
vorlesung aus dem Jahre 1789, „Was heißt und zu welchem Ende studiert man
Universalgeschichte“, deren geschichtsphilosophisches Programm auf den
Punkt, wenn er in kulturvergleichender Perspektive auf die „rohen Völkerstäm-
me“ befindet, dass sie „wie Kinder verschiedenen Alters um einen Erwachsenen
herumstehen und durch ihr Beispiel ihm in Erfahrung bringen, was er selbst
vormals gewesen und wovon er ausgegangen ist“ (Schiller 1789, S. 280 f.).
3 Uhl (2003, S. 54) sieht als eine Art Urszene den Bericht von Christoph Kolumbus an den
spanischen Hof, in dem er mitteilt, dass die Eingeborenen der entdeckten Inseln „weder Eisen
noch Stahl“ kennen würden.
330 Falko Schmieder
könne (vgl. Offe 1994, S. 241). Im Zuge der Aufhebung der Universalgeschichte (und
der klassischen Geschichtsphilosophie) in eine historisch-materialistische Theorie
der modernen Gesellschaft wird diese ,deterministische‘ Dimension grundlegend
neu bestimmt, aber eben nicht verworfen. In diesem Sinne heißt es bei Marx im
Vorwort zu ersten Auflage des Kapital: „Das industriell entwickeltere Land zeigt
dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft“ (Marx 1867, S. 12).
Der an der Naturzeit orientierte (präformationistische und später dann epi-
genetische) Entwicklungsbegriff reichte aber bald nicht mehr aus, um die gesell-
schaftliche Dynamik zu erfassen, die von der industriell-politischen Doppelrevo-
lution entfesselt wurde. Die Modernisierungsschwelle und damit der genuin
historische Ursprung der Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen lässt
sich dann auch an der Wende zum 19. Jahrhundert verorten. Sie wird markiert
durch die Entdeckung einer spezifisch geschichtlichen Zeit, die qualitativ von
naturalen, zyklischen Zeitbestimmungen unterschieden ist und oft als Bruch mit
der Naturzeit dargestellt wurde. Dem korrespondiert die Häufung von Indizien,
die auf den Begriff einer neuen Zeit im emphatischen Sinne verweisen (vgl. Kosel-
leck 1977). In der neuen, parallel zur politischen Ökonomie entstandenen Wis-
sensform der Geschichtsphilosophie, die diese Veränderungen semantisch mit-
bewirkt und als erste theoretisch reflektiert hat, bleibt die Zeit, wie Koselleck
dargelegt hat, nicht mehr länger bloß der äußere Rahmen, innerhalb dessen sich
die einzelnen Geschichten abspielen, sondern sie „gewinnt selber eine geschicht-
liche Qualität. [...] Die Zeit wird dynamisiert zu einer Kraft der Geschichte selber“
(ebd., S. 321). Komplementär zur Vergeschichtlichung der Zeit vollzieht sich eine
Verzeitlichung und Autonomisierung der Geschichte, wie sie in den um 1800
entstandenen selbstbezüglichen Kollektivsingularen ,der‘ Geschichte oder ,des‘
Fortschritts zum Ausdruck kommt.
Mit der Bildung der Kollektivsingulare werden die pluralen Geschichten und
die partikularen Fortschritte als Einzelmomente eines übergreifenden Prozesses
gedacht, der erst die Erfahrung der ,neuen Zeit‘ ermöglicht. Er wird entfesselt
durch immanente Kräfte, die nicht mehr aus naturalen Bestimmungen ableitbar
sind, und der als ein permanenter Übergang zu einem jeweils Neuen verstanden
wird, das nicht mehr aus überkommenen Erfahrungen ableitbar ist. Historia
Magistra Vitae – dieser alte Lehrsatz zum Verhältnis von Geschichte und Leben
verliert in der Moderne an Geltungskraft (vgl. Koselleck, 1967b). Die Grunderfah-
rung der Zeitgenossen um 1800 ist die eines tiefgreifenden sozialen und kulturel-
len Wandels hin zu einer offenen Zukunft, die sich zuspitzt zur Erfahrung, in einer
permanenten Übergangszeit zu leben. Erfahrungsraum und Erwartungshorizont
treten fortscheitend auseinander. Dass die Zeitgenossen der industriellen und
politischen Doppelrevolution das Überschreiten der Modernitätsschwelle als epo-
chale Wende angesehen haben, zeigen neben dem Begriff der ,neuen Zeit‘ auch
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 331
ren. Dazu zählt der Ausdruck Ungleichzeitigkeit, der am Beginn des 19. Jahrhun-
derts als Antonym zu Gleichzeitigkeit geläufig wurde (Uhl 2002, S. 166); des
weiteren das Konzept der Jetztzeit, dem bereits der Modus der Heraushebung und
Selbstüberbietung der Gegenwart eingeschrieben ist. Ein anderes Beispiel ist der
am Beginn des 19. Jahrhunderts aus der ehemals räumlichen in die zeitliche
Dimension und in eins damit aus der Militärsprache in die bürgerliche Zivilsphäre
überführte Begriff der Avantgarde, der zur Charakterisierung jener Akteure dient,
die für sich in Anspruch nehmen, die Frontseite der Geschichte oder die in der
Gegenwart angelegten Potentiale der Zukunft zu verkörpern und auf diese Weise
in der Zeit der Zeit voraus zu sein (vgl. Bürger 1974; Barck 2000 ff.). Parallel- oder
Nachfolgebegriffe sind die des Pioniers, des Schrittmachers oder des Innovators.
Ein weiteres Element des neuen temporalisierten Begriffsfeldes ist der Begriff des
Unzeitgemäßen, der einen deutlichen Vorwurf, quasi ein Existenzialurteil in sich
schließt. Ähnlich wie der parallele Ausdruck des Veraltetseins, der ebenfalls um
die Wende zum 19. Jahrhundert entsteht, rührt er im Namen einer dezidiert
historischen Zeitnorm am Existenzrecht bestimmter Phänomene, die zwar der
Gegenwart zugehören, von einer politisierten Rhetorik aber der Vergangenheit
zugeschlagen werden. Weitere Begriffe, die um 1800 herum entstanden sind und
eine solche Spaltung der Zeit (und der daran jeweils gebundenen Lebensformen)
vornehmen, sind die des Überlebt-Seins, des Obsoletseins, des Anachronismus
oder des Antiquiert-Seins.4
Der Breite des neuen verzeitlichten Begriffsfelds entspricht die Vielfalt der
Anwendungen. Wie Michel Foucault in Die Ordnung der Dinge gezeigt hat, voll-
zieht sich die Verzeitlichung des Wissens auf allen Feldern, auch dem der Natur,
wo der Begriff der Ungleichzeitigkeit um 1800 u. a. im Forstdiskurs, in der Biologie
und auch in der Geologie präsent war – Foucault spricht deshalb auch generali-
sierend von der „modernen episteme“ (Foucault 1966, S. 461). Argumentations-
geschichtlich ist die Entstehung und Verfestigung der verzeitlichten, den Gegen-
satz von alt und neu, Vergangenheit und Gegenwart exponierenden Begriffe mit
4 Jeder dieser Begriffe hat eine spezifische Geschichte und es wäre eine eigene Untersuchung
wert, wie sie jeweils ihre alten, vormodernen Bedeutungen abstreifen und den modernen, ver-
zeitlichten Sinn annehmen, der ihren gemeinsamen Nenner bildet und der Grund dafür ist, dass
sie oft synonym verwendet werden. Der Begriff des Veraltens z. B. wurde vor seiner Verzeitlichung
in der Bedeutung von ,altern’ verwendet: ein veralteter Greis, ein veraltetes Kleid. – Eine breiter
angelegte Untersuchung müsste selbstverständlich auch andere Sprachen einbeziehen und ver-
gleichend analysieren; im Englischen etwa das komplementäre Begriffsfeld outdated, outmoded,
anachronistic, superannuated, obsolete, outworn, dead, archaic, out of date, antiquated, outli-
ved, old-fashioned, unfashionable, backwards, unmodern, dem die Substantive entsprechen:
leftover, left-behind, bygone, survivals, relics.
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 333
nismus. Selbst die Verneinung unserer politischen Gegenwart findet sich schon
5 In der Literatur sind diese beiden Formen der Entgegensetzung in verschiedenen Begriffen
gefasst worden, die auf unterschiedliche theoretische Vorannahmen und Moderne- bzw. Ge-
schichtskonzepte verweisen: Ernst Bloch versteht unter ,echter‘ bzw. ,realer‘ Ungleichzeitigkeit
die Präsenz vorkapitalistischer Reste in der Moderne; Burkhard Conrad dagegen reserviert den
Begriff der ,absoluten‘ Ungleichzeitigkeit‘ für die inneren Widersprüche der modernen Gesell-
schaft (vgl. Conrad 2002, S. 12); Uhl unterscheidet das Problem der (vermeintlichen) Antiquiert-
heit vom Problem der Asynchronisiertheit; Koselleck (1972b, S. 307) differenziert historisch zwi-
schen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen.
334 Falko Schmieder
6 Die Angaben zur Entstehung des Begriffs in den Geschichtlichen Grundbegriffen sind wider-
sprüchlich: Lucian Hölscher gibt in seinem Beitrag zum Artikel ‚Industrie‘ als frühesten Beleg für
‚industrielle Revolution‘ einen aus dem Jahre 1827 an (vgl. Hölscher 1982, S. 294); im Artikel
‚Revolution‘ dagegen wird der erste Beleg auf das Jahr 1797 datiert (vgl. Koselleck 1984, S. 769).
336 Falko Schmieder
lerischen“ heraus. „Mit der Kunst etc. diese Disproportion noch nicht so wichtig
und schwierig zu fassen als innerhalb praktisch-sozialer Verhältnisse selbst. Z. B.
der Bildung. [...] Der eigentlich schwierige Punkt [...] ist aber der, wie die Pro-
duktionsverhältnisse als Rechtsverhältnisse in ungleiche Entwicklung treten.“ In
diesem Zusammenhang formuliert Marx auch die Maxime, es sei „überhaupt der
Begriff des Fortschritts nicht in der gewöhnlichen Abstraktion zu fassen“ (Marx
1857, S. 43). Diese Abgrenzung vom bürgerlichen Fortschrittsbegriff ist motiviert
nicht zuletzt durch die Einsicht in den Widerspruchscharakter der bürgerlichen
Gesellschaft, die als neue Form gesellschaftlicher Herrschaft zugleich auch neue
Formen der Ungleichheit, der Entzweiung, der Gewalt und, temporal betrachtet,
neue Formen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen generiert. Zur dialekti-
schen Kritik der Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft gehört auch die Kritik
der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung, die sich nicht nur gegen den Anthro-
pologismus, Naturalismus und die Geschichtslosigkeit (mit der zugehörigen und
schon von Marx kritisierten These vom Ende der Geschichte, vgl. Marx 1857,
S. 552) kehrt, sondern die Entwicklung der modernen Gesellschaft (,den Fort-
schritt‘) selbst dialektisch betrachtet: als naturwüchsigen Prozess anwachsender
Antagonismen, als unerledigtes Erbe der Geschichte, als Produktion neuer For-
men der Barbarei. Verbunden damit ist die Zurückweisung des Stufenmodells der
Entwicklung, das von der Wildheit über die Barbarei zur zivilisatorischen Ver-
nunft führt, sowie generell von linearen Geschichtsauffassungen. Um die bürger-
liche Gesellschaft selbst in ihrer Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit sowie als
eine historisch überholbare Gesellschaftsordnung vorzuführen, bedient sich Marx
der spezifischen Darstellungsstrategie, Kampfbegriffe der bürgerlichen Fort-
schrittsphilosophie und Geschichtsbetrachtung, die immer auch temporal kon-
notiert sind und ein bestimmtes Entwicklungsmodell implizieren, gegen die
bürgerliche Gesellschaft (und deren historisches Selbstverständnis) selbst zu
kehren – etwa indem er die Kategorie des Fetischismus auf den Formenzusam-
menhang und die Anschauungsweisen der bürgerlichen Gesellschaft bezieht,
indem er den naturwüchsigen Fortschritt als einen „scheußlichen heidnischen
Götzen“ betrachtet, „der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken
wollte“ (Marx 1853, S. 226), indem er den Begriff der „Vorgeschichte“ auf die
bürgerliche Gesellschaft anwendet oder das Mehrwertsystem als „Lohnsklaverei“
bezeichnet. Die Konzepte sowohl der „Religion des Alltagslebens“ als auch vom
„Werwolfsheißhunger“ des Kapitals haben denselben epistemischen Status. Im
Rahmen der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie ist eine gesellschaftstheo-
retische Chiffrierung und Begründung der Denkfigur der Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen möglich und ein Problembewusstsein erreicht, hinter das der
weltanschauliche Marxismus (vgl. zum Konzept Heinrich 2004, S. 23–26) zurück-
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 337
fällt und das erst vor dem Hintergrund der Katastrophen der bürgerlichen Gesell-
schaft von der kritischen Theorie wieder erreicht bzw. neu pointiert wird.
Wie diese Beispiele bereits andeuten, differenziert sich die Denkfigur der
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen mit der Entwicklung der bürgerlichen Ge-
sellschaft in vielfältiger Weise aus. Ihre Geschichtlichkeit lässt sich am sukzessi-
ven Vordrängen und am Bedeutungszuwachs derjenigen Dimensionen erkennen,
die auf die Widersprüche innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft selbst zielen –
ein Prozess, in dem sich die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise
und der damit verbundene realhistorische Prozess der Entwicklung eines Welt-
marktes und der Verdichtung globaler Austauschbeziehungen reflektiert, der
durch verschiedene Formen und Medien der Synchronisation wie der Uhrenzeit,
dem Kalender, der Eisenbahn oder der Telegraphenkommunikation den ganzen
Globus einheitlichen Zeitregimes zu unterwerfen beginnt und auf verschiedenen
Feldern und zwischen unterschiedlichen Akteuren (Einzelunternehmen, Wirt-
schaftszweigen, Nationalstaaten, Wirtschaftsblöcken) immer auch temporal be-
stimmte Konkurrenzverhältnisse etabliert. Parallel wird die Denkfigur aber wei-
terhin auch für die Problematisierung der vorbürgerlichen Ränder und Relikte
innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft verwendet. Aus der permanenten Revolu-
tionierung der Grundlagen der Produktion erwachsen Modernisierungsschübe,
die zu Spannungen zwischen überkommenen und neuen Formen führen, so dass
sich die Problemzusammenhänge, auf die sich die Denkfigur bezieht, permanent
verschieben und neu zusammensetzen.
Dieser Bedeutungszuwachs immanenter Widersprüche soll nun anhand eini-
ger exemplarischer Arbeiten näher veranschaulicht werden. Ein Klassiker in der
Geschichte der Denkfigur ist das 1871 erschienene Buch Primitive Culture des
britischen Kulturanthropologen Edward Tylor, der zu den Begründern der Kul-
turwissenschaft gehört und als einer der ersten Analysewerkzeuge entwickelt hat,
die verschiedene Formen und Modi der Präsenz des Vergangenen in der modernen
Kultur erkennbar machen sollen. „Fortschritt, Verfall, Überleben, Wiederauf-
leben, Umgestaltung, alles dies sind Formen des Zusammenhangs, welcher das
bunte Netzwerk der Zivilisation erhält. Es bedarf nur eines Blickes auf die unbe-
deutenden Vorgänge unseres eigenen täglichen Lebens, um einsehen zu können,
wie weit wir selbst wirklich ihre Urheber, wie weit nur Erben und Umformer der
Ergebnisse längst vergangener Zeiten sind“ (Tylor 1871, S. 18). Insbesondere un-
terscheidet Tylor zwischen Überlebseln, Auflebseln und Entartung. Bei den Über-
lebseln (survivals) handelt es sich nach Tylor um Phänomene (Gebräuche, An-
schauungen und Redensarten, aber auch Gegenstände wie beispielsweise das
Spinnrad) aus früheren Epochen, die sich beim Übergang in eine neue Kulturstufe
erhalten, dabei aber ihren ursprünglich ernsten Sinn und ihre lebenspraktische
Bedeutung verloren haben (vgl. S. 16). Tylor hält fest, dass die moderne Gesell-
338 Falko Schmieder
7 Bei Friedrich Engels sowie im Marxismus der Zweiten Internationale tritt die Persistenz des
bürgerlichen Fortschrittsparadigmas am Verständnis des Antisemitismus hervor, der als „Atavis-
mus“ oder als „Merkzeichen einer zurückgebliebenen Kultur“ (Engels 1890, S. 49) betrachtet wird
und von dem man annimmt, dass er mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft von selbst
verschwinden werde. Dass gerade die bürgerliche Gesellschaft den modernen Antisemitismus (im
Unterschied zum traditionellen christlich geprägten Antijudaismus) allererst hervorbringt, wird
hier noch nicht gesehen.
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 339
8 Eine Kritik an dieser Grundeinstellung des Marxismus, die man als Kritik avant la lettre an
Thorstein Veblen lesen kann, hat Paul Lafargue (1883) formuliert. Die Singularität seiner Position
verweist auf die tiefe Verankerung des am eindimensionalen Fortschrittsbegriff und einem
positiven Begriff von Arbeit orientierten Kritikmodells des Marxismus.
340 Falko Schmieder
ist die Barbarei, weil sie nicht in bloßen Rudimenten besteht, sondern in gleichem
Maße wie die Naturbeherrschung immerfort reproduziert wird. Diese Äquivalenz
hat Veblen zu harmlos genommen. Er hat die Ungleichzeitigkeit der Ritterburg
und des Bahnhofs gewahrt, nicht aber diese Ungleichzeitigkeit als geschichts-
philosophisches Gesetz“ (Adorno 1941, S. 99). „Ihm ist die falsche Ritterburg
nichts als anachronistisch. Er weiß nichts von der Moderne der Regression. Ihm
sind die trugvollen Bilder der Einmaligkeit in der Ära der Massenproduktion
bloße Rückstände, nicht aber Repliken auf die hochindustrielle Mechanisierung,
die über diese selber etwas aussagen“ (ebd., S. 97).
Das Bedeutungsspektrum der Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleich-
zeitigen erweitert sich im Zusammenhang der Diskussionen um den Imperialis-
mus, wo sie herangezogen wurde, um nationale Entwicklungsunterschiede und
-gegensätze erfassen zu können (vgl. Altvater/Mahnkopf 2002, S. 147). Lenin
(1915) sah in ihnen nicht nur den Hauptgrund für die Entstehung und Verschär-
fung der internationalen Konflikte, die im Weltkrieg kulminierten, sondern er zog
daraus auch die Konsequenz, dass der Sozialismus nicht gleichzeitig in allen
Ländern siegen könne. Die enttäuschte Erwartung, dass die Oktoberrevolution im
rückständigen Russland das Signal für die Revolution in den weiter entwickelten
westlichen Nationen geben werde, führte einerseits in das Programm einer staat-
lich forcierten nachholenden Modernisierung, wie es vor allem unter Stalin ver-
folgt wurde, der von der „Notwendigkeit“ sprach, „die in technischer und wirt-
schaftlicher Beziehung fortgeschrittenen kapitalistischen Länder nicht nur
einzuholen, sondern mit der Zeit auch zu überholen“ (Stalin 1938, S. 447 f.).
9 Vgl. Bloch (1918a), speziell den Abschnitt VIII: Das verspätete Deutschland und eine mögliche
Regeneration, S. 517–530, sowie Bloch (1918b, S. 468).
342 Falko Schmieder
mus systematisch aus und unterzieht zugleich die Grundprämissen und -begriffe
der marxistischen Geschichtsphilosophie wie Ideologie bzw. falsches Bewußt-
sein, Geschichte, Fortschritt und Dialektik einer Revision. Die Geschichte, so
Bloch, „ist kein einlinig vorschreitendes Wesen, worin der Kapitalismus etwas,
als letzte Stufe, alle früheren aufgehoben hätte; sie ist ein vielrhythmisches und
vielräumiges, mit genug unbewältigten und noch keineswegs ausgehobenen, auf-
gehobenen Winkeln“ (Bloch 1935, S. 69). Gerade die jüngsten Entwicklungen in
Deutschland, das Bloch als „das klassische Land der Ungleichzeitigkeit“ (ebd.,
S. 113) ansieht, verwiesen auf das Erfordernis „einer mehrschichtigen revolutio-
nären Dialektik“ (ebd., S. 123) mit dem speziellen Interesse, „das bewegte Jetzt
[...] breiter zu machen“ (ebd., S. 122). Die Grunderfahrung ist, dass in der Krisen-
zeit die politische Reaktion die Widersprüche des Ungleichzeitigen für sich aus-
zunutzen wusste, was umso leichter war, als sich viele Marxisten „vielleicht allzu
limine von okkulten oder archaischen Erscheinungen“ (ebd., S. 195 f.) abgekehrt
hätten. Die politische Aufgabe des Theorems der Ungleichzeitigkeit sieht Bloch
darin, die „ungleichzeitigen Widersprüche aus der Reaktion zu lösen und an die
Tendenz heranzubringen“ (ebd., S. 123). Zu diesem Zweck transformiert er den
Begriff des falschen Bewusstseins in den der Ungleichzeitigkeit, den er dann
nach verschiedenen Seiten weiter ausdifferenziert. Allgemein unterscheidet er
zwischen „echter Ungleichzeitigkeit“, die er als „Restsein“ (ebd., S. 16) aus frühe-
ren, vorkapitalistischen Zeiten bestimmt, und „Zurückgebliebenheit“, „die zum
Heute zwar schlecht steht, aber zu ihm gehört“ (ebd., S. 111) – erstere wird vor
allem vom Bauernstand repräsentiert, letztere vom Mittelstand, speziell den
Angestellten. Das ungleichzeitige Bewusstsein wird dann weiter unterschieden in
ungleichzeitiges Bewusstsein mit Zukunft (unerledigte Vergangenheit) und un-
gleichzeitiges Bewusstsein ohne Zukunft (überholte Vergangenheit). Von den
ungleichzeitigen Widersprüchen unterscheidet Bloch die gleichzeitigen, und bei-
de trennt er nochmals in subjektive und objektive Faktoren des Widerspruchs:
„Der subjektiv ungleichzeitige Widerspruch ist gestaute Wut, der objektiv ungleich-
zeitige unerledigte Vergangenheit; der subjektiv gleichzeitige die freie revolutionäre
Tat des Proletariats, der objektiv gleichzeitige die verhinderte, im Jetzt enthaltene
Zukunft, die verhinderte technische Wohlfahrt, die verhinderte neue Gesellschaft,
womit die alte in ihren Produktivkräften schwanger geht“ (ebd., 122).
Bloch setzt sich mit seiner Theorie der Ungleichzeitigkeit zwar in vieler
Hinsicht von den Prämissen des weltanschaulichen Marxismus ab, in wichtigen
Punkten bleibt er ihnen aber auch verhaftet, wie an seiner Affirmation des Pro-
letariats und der Produktivkräfte deutlich wird. Während Marx die Kategorie des
Fetischismus als eine objektive Gedankenform begriffen hat, in die auch das
Bewusstsein des Proletariats eingebannt ist – eine Einsicht, die Georg Lukács in
seinem 1923 erschienenen Buch Geschichte und Klassenbewußtsein unter der
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Formel der „Verdinglichung des Bewußtseins“ aktualisiert hat (vgl. Lukács 1923,
S. 164 f.) – ist für Bloch die Nähe zum Produktionsprozess der Garant einer
richtigen Einstellung. Damit setzt er nicht nur „das gleichzeitige Verhältnis zwi-
schen Sein und Bewußtsein [...] als Abbildverhältnis voraus, das dadurch de-
finiert ist, daß es ,genau an der vorgeschrittensten Wirtschaft orientiert ist‘“
(Konersmann 1982, S. 213), sondern es gilt ihm auch die direkte Ausdrucksbezie-
hung zwischen der Ideologie und dem ökonomischen Klasseninteresse als der
Normalfall. Widersprüchlich ist auch seine Einschätzung der Bedeutung des
Mittelstands und der Triebquellen der nationalsozialistischen Barbarei. Für Bloch
speist sie sich wesentlich aus vorkapitalistischen Quellen, denn er geht davon
aus, dass gleichzeitige Menschen „trotz aller Mittelstellung, die ökonomisch
dumm hält, trotz allen Scheins, der daran Platz hat, sich nicht großenteils so
archaisch verwildern und romantisieren lassen“ (Bloch 1935, S. 112 f.). Anderer-
seits sieht er gerade den Mittelstand als besonders anfällig für irrationalistische
Angebote und regressive Anschauungen an: „Die Unwissenheit des Angestellten,
wie sie vergangene Bewußtseinstufen, Transzendenz in der Vergangenheit sucht,
steigert sich in einen orgiastischen Haß gegen die Vernunft, in einen ,Chtho-
nismus‘, worin Berserker und Kreuzzugsbilder sind, ja worin – mit einer Un-
gleichzeitigkeit, die stellenweise Exterritorialität wird – Negertrommeln dröhnen
und Zentralafrika aufsteigt“ (ebd., S. 110). Auffällig ist, dass Bloch hier zur Illus-
tration der Archaik des Nationalsozialismus auf Bilder zurückgreift, die weit-
gehend ungebrochen auf vorkapitalistische Verhältnisse verweisen und daher
eigentümlich anachronistisch erscheinen. Obwohl Bloch also den Begriff der
Dialektik zeitgemäß weiterentwickeln möchte, bleibt bei ihm die Dialektik der
bürgerlichen Gesellschaft unterbestimmt. Karl Kraus‘ dialektisches Bild des „elek-
trisch beleuchtete[n] Barbaren“ (Kraus 1933, S. 41) rückt im Vergleich mit Bloch
die Modernität des Nationalsozialismus stärker in den Blick.
Dennoch markiert Blochs Reflexion im Vergleich mit den Vorgaben von Tylor
oder Veblen eine deutliche Vertiefung des Problembewußtseins. Mit seiner Be-
stimmung des Ungleichzeitigen als historisch Unerledigtes hat der Begriff erneut
seinen Ort gewechselt, denn Ungleichzeitigkeit erscheint nicht mehr nur in der
Begründungsfunktion von historischem Versagen und Schuld, sondern zugleich
auch als Potential für emanzipatorisches Handeln, das sich uneingelöst gebliebe-
nen Möglichkeiten und Hoffnungen verpflichtet weiß (vgl. Uhl 2003, S. 64 f.).
Zur selben Zeit wie Bloch (und im Austausch mit ihm) hat sich auch Walter
Benjamin vom eindimensionalen Fortschrittsbegriff distanziert und die Bedeu-
tung vermeintlich vergangener Geschichte für die Kämpfe der Gegenwart erkannt.
In einem Aufsatz aus dem Jahre 1929 spricht er dem Surrealismus zu, „zuerst auf
die revolutionären Energien“ gestoßen zu sein, „die im ,Veralteten’ liegen“ (Ben-
jamin 1929, S. 299). Komplementär dazu beobachtet er in „Erfahrung und Armut“
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 345
der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein“ (Benjamin 1940,
S. 696). Eine Konsequenz dieser Sicht, die Benjamin allerdings nicht explizit
formuliert, ist, dass die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen nun nicht mehr nur,
wie bei Bloch, aus der hemmenden oder ablenkenden Wirkung vormoderner
Elemente erklärt wird (vgl. Welskopp 2017, S. 39), sondern der Dialektik der
modernen Gesellschaft selbst entspringt. Weit radikaler als Bloch unterzieht
Benjamin auch den Marxismus einer Kritik, wenn er etwa in der Rückschau an
dessen Fortschrittsbegriff die „technokratischen Züge“ wahrnimmt, „die später
im Faschismus begegnen werden.“ (Benjamin 1940, S. 699). In der Befangenheit
des Marxismus im traditionellen Fortschrittsparadigma sieht Benjamin auch den
Grund für die Hilflosigkeit gegenüber dem Faschismus: „Das Staunen darüber,
daß die Dinge, die wir erleben, im zwanzigsten Jahrhundert ,noch‘ möglich sind,
ist kein philosophisches. Es steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn
der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu halten ist“
(Benjamin 1940, S. 697).
So schreibt Benjamin 1940, noch vor dem Holocaust. Mit diesem kommt zwar
nicht das Staunen zurück, aber es bricht in die kritische Philosophie der Schre-
cken darüber ein, dass dieses unvorstellbare Grauen geschehen konnte. In der
gemeinsam mit Max Horkheimer verfassten Dialektik der Aufklärung arbeitet
Adorno an einer Konzeption des Ungleichzeitigen, die dieses nicht als bloßen
Rückstand, sondern als Produkt der Widersprüche der modernen Gesellschaft
selbst begreift. Was immer als ungleichzeitig erscheint, ist nach einem solchen
Verständnis auf den Formenzusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft zu
beziehen und nicht als Abweichung, Rück- oder Sonderfall zu exterritorialisieren.
Anders als Bloch, der wie der gesamte weltanschauliche Marxismus mit dem
Marxschen Fetischtheorem nichts anzufangen wusste, betrachtet Adorno gerade
auch das ,zeitgemäße‘ Bewusstsein mit Skepsis. Damit verbunden ist nun, ähn-
lich wie bei Bloch und Benjamin, ein verstärktes Interesse an den überholten,
uneingelösten Momenten der Geschichte, die ein Movens der Gesellschaftskritik
bilden: „Gerade je unbarmherziger der Weltgeist triumphiert, um so eher vermag
346 Falko Schmieder
das nach seinem Maße Zurückgebliebene nicht bloß fürs Verlorene, für die
romantisch verklärte Vergangenheit einzustehen, sondern als Schlupfwinkel und
Zufluchtsstätte eines zukünftigen Besseren sich zu erweisen.“10 „Der Anachro-
nismus“ wird „zur Zuflucht des Modernen“ (Adorno 1946/47, S. 296). Anders als
Nietzsche in den Unzeitgemäßen Betrachtungen spielt Adorno nicht einfach das
Alte oder Ältere gegen das Neue aus, sondern seine Kritik bleibt immer auf die
objektiven Möglichkeiten der avanciertesten Entwicklungen (der Produktivkräfte
ebenso wie der Künste) bezogen. Dialektisch ist dieses Vorhaben auch darin, dass
es die Produktivkräfte zugleich als Destruktivkräfte begreift, die ihre Vorausset-
zungen in der Totalität eines Gesellschaftssystems haben, das sich gegenüber den
Produzenten verselbständigt hat. Die Unbeherrschtheit eines blind fortwuchern-
den Apparats erzeugt Adorno zufolge permanent neue Ungleichzeitigkeiten, z. B.
10 Theodor W. Adorno, „Die auferstandene Kultur“, in: Gesammelte Schriften, Bd. 20.2, S. 456.
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 347
macht der Technik und damit verbunden zu einer „A-synchronisiertheit der ver-
schiedenen menschlichen Vermögen“ geführt, die Anders als „prometheisches
Gefälle“ (Anders 1956, S. 17, 267) bezeichnet und erkenntnis- und geschichtstheo-
retisch ausbuchstabiert hat. Der Soziologe Ulrich Beck hat Anders‘ Konzept im
Rahmen seiner Theorie der Risikogesellschaft vor allem im Hinblick auf die unbe-
absichtigten Folgen des kapitalistischen Einsatzes der Technik weiterentwickelt
und damit auch den temporalen Dimensionen des ,Gefälles‘ Rechnung getragen.
„Die Gefahren, denen wir ausgesetzt sind, und die Sicherheitsversprechen, die sie
zu bändigen versuchen, gehören verschiedenen Zeitaltern an. Die Herausforde-
rungen des Atom-, Chemie- und Genzeitalters an der Wende ins 21. Jahrhundert
werden in Begriffen und Rezepten verhandelt, die der frühen Industriegesell-
schaft des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts entnommen sind“ (Beck 1988,
S. 9). Ein aktuelles Thema, an dem sich die Problematik der Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen erneuert, ist der Klimawandel. Der time lag zwischen Hand-
lungen und Handlungsfolgen übergreift Generationen, so dass „Maßnahmen, die
in der Gegenwart entwickelt und angewandt werden, nur höchst unsichere und
überdies in einer weit entfernten Zukunft sichtbare Erfolge zeitigen können“
(Welzer 2008, S. 120). Während die führenden westlichen Industrieländer, die
bislang die terms of trade bestimmt haben, entdecken, dass ihr Lebensstil nicht
verallgemeinerbar ist, beharren die Schwellen- und Entwicklungsländer auf dem
Projekt einer nachholenden ökonomischen Modernisierung. Die Widersprüche
verschärfen sich weiter dadurch, dass die Folgen des Klimawandels höchst un-
gerecht verteilt sind, weil die größten Verursacher, soweit abzusehen ist, den
geringsten Schaden davontragen werden und zugleich aufgrund ihrer öko-
nomisch und technisch entwickelteren Position die größten Chancen haben, sich
an die Veränderungen anzupassen oder sogar Gewinn daraus zu ziehen.
Die Überwindung des Ost-West-Konflikts und die damit verbundene weltwei-
te Ausbreitung des kapitalistischen Wirtschaftssystems lässt sich als Prozess der
Vergleichzeitigung noch der letzten vorkapitalistischen Residuen und damit als
das Ende der Problemgeschichte jener Dimensionen der hier verhandelten Denkfi-
gur begreifen, die wesentlich auf den Gegensatz von Moderne und vorbürgerli-
chen Kulturen bezogen waren. Hartmut Rosa stellt in seiner Studie zur Verände-
rung der Zeitstrukturen in der Moderne als neue Formen und Erscheinungsweisen
der Vergleichzeitigung unter anderem die Raumschrumpfung infolge der Trans-
portbeschleunigung, die durch neue Kommunikationsverbünde wie das Internet
hergestellte Synchronizität, die durch Innovationsverdichtung und beschleunigte
Produktionszyklen bewirkte zunehmende Flüchtigkeit der Dinge und schließlich
übergreifende Konvergenzprozesse wie Urbanisierung, Massenmigration, Tech-
nisierung und Medialisierung heraus (Rosa 2005). Als Folge der systembedingten
Steigerungslogik und der verselbständigten Beschleunigungskräfte des auf Ex-
348 Falko Schmieder
pansion verpflichteten Marktes reißen jedoch innerhalb und zwischen den moder-
nen Gesellschaften selbst immer wieder neue Ungleichheiten und, damit verbun-
den, neue Formen von Ungleichzeitigkeit auf (vgl. Brose 2010, S. 555), die den
Anspruch demokratischer Gesellschaften auf soziale Synchronisation und Inte-
gration gefährden und anzeigen, dass es offenbar immer schwerer wird, naturale
Zyklen sowie überkommene Traditionsbestände mit der Innovationsdynamik der
modernen Gesellschaft zu vermitteln (vgl. Rosa 2005, S. 467; Lübbe 1992).
2
Die Herausbildung des postmodernen Denkens in den 1980er Jahren ging mit
einem neuen Zeit- und Geschichtsbewusstsein einher, das zur Infragestellung
wichtiger Grundannahmen der klassischen Modernetheorie führte. Die zahlrei-
chen Gefahren der gegenwärtigen Welt und ihre drohende Eskalation zu Welt-
katastrophen verdichteten sich im Gefühl eines Verlusts der Zukunft; die Vielfalt
der Probleme erweckte den Eindruck einer „neuen Unübersichtlichkeit“ (Jürgen
Habermas), die zu einer zunehmenden Skepsis gegenüber Vorstellungen zeitli-
chen Verlaufs führte. Die Komplexität und Vielfalt der Konflikte und deren
jeweilige temporale Eigendynamik schienen das Fundament zu erschüttern, auf
dem die Vorstellung von der Geschichte erwachsen war, nämlich die Annahme
einer weitgehenden Konstanz temporaler Strukturen, aus der sich historische
Verlaufsregeln ableiten ließen. Eine Konsequenz der verlorenen Eindeutigkeit der
Moderne war die Kritik an den sogenannten großen Erzählungen, die sich um die
einheitsstiftenden Kollektivsingulare wie Geschichte, Fortschritt oder Revolution
zentrierten, und eine Hinwendung zu Brüchen, Differenzen und Eigenzeiten, die
sich nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Mit der post-
modernen Historisierung der historischen Zeit scheinen die Moderne und ihre
Zentralbegriffe selbst historisch geworden zu sein – die Vorsilbe ,post‘ verweist so
auf eine Zeit nach der Moderne, deren spezifisch eigener Charakter allerdings
unbestimmt bleibt.
Eine Konsequenz der postmodernen Kritik an der Moderne war denn auch die
Kritik an der Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die seit der
Sattelzeit zum Standardrepertoire des historischen Selbstverständigungsdiskures
der Moderne gehörte. Nachdem im ersten Teil wichtige Stationen der Problem-
geschichte dieser Denkfigur diskutiert wurden, sollen nun in einer stärker systema-
tischen Perspektive die wesentlichsten Argumente der Kritik diskutiert werden.
Begonnen werden soll mit der Diskussion einer Auffassung, die das Konzept
der Ungleichzeitigkeit nicht verwirft, sondern als Universalie – als „Grundmatrix
der conditio humana“ (Zuckermann 2016, S. 67) oder als „Strukturelement der
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 349
condition humaine überhaupt“ (von Bredow 2016, S. 22) – betrachtet. Es lässt sich
kaum bestreiten, dass durch das Neben- und Miteinander der Generationen, die
jeweils unterschiedlich tief gestaffelte Erfahrungshorizonte haben, gleichsam
eine natürliche Ungleichzeitigkeit besteht; ebenso evident ist es, dass das ge-
sellschaftliche Leben auf einer Vielzahl natur- und kulturhistorischer Voraus-
setzungen beruht, die ganz verschiedene temporale Tiefenstaffelungen und
unterschiedliche Veränderungsgeschwindigkeiten haben. Wie die bisherige Dar-
stellung deutlich werden lässt, nivelliert die naturalisierende Auffassung jedoch
den Umstand, dass die Problematik der Ungleichzeitigkeit als Strukturphänomen
an ganz spezifische historische Voraussetzungen gebunden ist, die keineswegs
als selbstverständlich angesehen wurden. Ganz im Gegenteil ist die Herausbil-
dung der Denkfigur an die Erfahrung einer neuen Zeit mit genuin eigenen his-
torischen Problemen geknüpft, die traditionellen Kulturen unbekannt waren. Das
Vergessen dieser Problemgeschichte indiziert die Habitualisierung dezidiert his-
torischer Zeitregime zu einer ,zweiten Natur‘ – eine Naturalisierung, wie Marx sie
seinerzeit an Kategorien wie Arbeit, Ehe, Eigentum, Familie, Freiheit und Gleich-
heit, Geschichte oder Individuum kritisiert hat: „Dies Beispiel der Arbeit zeigt
schlagend, wie selbst die abstraktesten Kategorien trotz ihrer Gültigkeit – eben
wegen ihrer Abstraktion – für alle Epochen doch in der Bestimmtheit dieser
Abstraktion selbst ebensosehr das Produkt historischer Verhältnisse sind und
ihre Vollgültigkeit nur für und innerhalb dieser Verhältnisse besitzen“ (Marx
1857, S. 39). Adorno ist dem Marxschen Credo, die „geschichtliche Spur“ (Marx
1867, S. 183) von Begriffen und den Zeitkern von Theorien freizulegen, unter
anderem in seiner Analyse von Freuds Konzeption der Zeitlosigkeit des Unbe-
wussten gefolgt, auf die sich die unhistorische Auffassung von Ungleichzeitigkeit
stützen könnte. „So viel ist wahr an Freuds Ansicht von der Archaik, wo nicht gar
,Zeitlosigkeit‘ des Unbewußten, daß konkrete gesellschaftliche Verhältnisse und
Motivationen nicht unverwandelt, nur ,reduziert‘ in jenes Bereich eingehen. Die
Ungleichzeitigkeit von Unbewußtem und Bewußtem ist selbst ein Stigma der
widerspruchsvollen gesellschaftlichen Entwicklung. Im Unbewußten sedimen-
tiert sich, was immer im Subjekt nicht mitkommt, was die Zeche von Fortschritt
und Aufklärung zu bezahlen hat. Der Rückstand wird zum ,Zeitlosen‘“ (Adorno
1955, S. 60 f.). So wichtig es ist, den quasi naturgegebenen Dimensionen von
Studien eine historische Epochenschwelle heraus, an der diese Formen als Sozial-
formen entstehen und als ein massives Problem erfahren werden. Erst mit der
Neuzeit bricht diese Problematik hervor; ähnlich wie andere, quasi überhistorisch
scheinende Kategorien wie Zukunft (vgl. Hölscher 1999) oder das Begriffspaar
Erfahrungsraum/Erwartungshorizont (vgl. Koselleck 1976) hat es eine klare his-
torische Signatur, die nicht verschliffen werden sollte.11
Der historischen Universalisierung der Denkfigur steht die Auffassung gegen-
über, dass sie, als historisch entstandene, nun ihrerseits historisch, zu einem
Anachronismus geworden ist, was mit verschiedenen Argumenten begründet
wird. Für den Wissenschaftshistoriker Wolf Schäfer handelt es sich dabei um „das
temporale Äquivalent zur hierarchisch abgestuften Ständeordnung des Ancien
regime“ (Schäfer 1994, S. 146). Er betrachtet es als Teil und Stütze einer „Ideo-
logie“, weil die mit ihm verbundenen Normsetzungen das lineare Fortschritts-
konzept legitimieren und zur Abwertung von Erscheinungen beitragen, die ande-
ren Rhythmen und Zeitlogiken folgen. Gerade unter den Bedingungen einer
allgemeinen Krise des westlichen Fortschrittsmodells lasse sich dieses Denkmo-
dell nicht länger aufrechterhalten.
Im Zusammenhang der Postcolonial Studies und kritischer Analysen von
Modernetheorien ist diese Argumentation erweitert worden (vgl. zum folgenden
Kim 1993, S. 9–15). Zu den Haupteinwänden gehört die Betonung eines univer-
sellen globalen Entwicklungsweges, mit der implizit oder explizit das heutige
westliche Gesellschaftssystem als das Vorbild bzw. als der Wegweiser der gesell-
schaftlichen Entwicklung präsentiert wird. Die vom westlichen Typus abweichen-
den Gesellschaften werden nicht als Gesellschaften eigenen Rechts betrachtet,
sondern der allgemeinen Entwicklungslogik unterstellt, womit sie als latecomers
behandelt und auf eine nachholende Modernisierung verpflichtet werden. Das
lineare Entwicklungsmodell funktionaler Differenzierung vernachlässige dabei
synchrone Entdifferenzierungsprozesse verschiedenster Art ebenso wie die infor-
mellen Abhängigkeits- und Herrschaftsverhältnisse zwischen einzelnen Ländern,
die auch nach der Entkolonialisierung fortbestehen und in neuen Formen aus-
11 Es kann hier nur darauf hingewiesen, aber nicht näher ausgearbeitet werden, dass die
Behauptung der Unhintergehbarkeit der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auf ein ähnliches
Problem verweist, wie es schon in Bezug auf das damit verbundene Thema der Ideologie durch-
gespielt worden ist. In der marxistischen Diskussion hat vor allem Louis Althusser die Auffassung
vertreten, dass jede Wahrnehmung der Realität subjektiv geprägt und psychologisch überdeter-
miniert ist, woraus er die These der Unaufhebbarkeit des Ideologischen ableitet (vgl. Althusser
1968, S. 182). Dem lässt sich entgegenhalten, dass der Ideologiebegriff bei Marx an einen spezi-
fischen gesellschaftlichen Formzusammenhang gebunden ist, und dass eine Theorie der Gesell-
schaft, die Bewusstseinsformen auf ihren Realitäts- und Wahrheitsgehalt hin befragt, nicht ohne
einen kritischen Begriff von Ideologie auskommt.
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 351
„provisorische Resultat einer Auswahl, die von einer kleinen Anzahl Akteure im
Namen aller getroffen wurde“ (ebd., S. 103). Den Ausweg sieht er darin, „unsere
Aufmerksamkeit [zu] verschieben. Wir sind nie vorgerückt oder zurückgegangen.
Wir haben immer aktiv Elemente sortiert und ausgewählt, die zu verschiedenen
Zeiten gehören. Wir können immer noch auswählen. Dieses Auswählen macht die
Zeiten und nicht die Zeiten das Auswählen“ (ebd., S. 102 f.).
Latour löst damit die Probleme der historischen Zeit und der entfesselten
Geschichte, die für die Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen von
zentraler Bedeutung sind, in theoretische Konstruktionen und reine Anerken-
nungsfragen auf. Dies wiederum verweist auf eine weitere Debatte, in der mit der
grundlegenden Veränderung des Geschichts- und Zeitbewusstseins in der Post-
moderne argumentiert wird, die zur Unterminierung der Denkfigur der Gleich-
zeitigkeit des Ungleichzeitigen führe. Im Mittelpunkt steht der vermeintliche
Bedeutungsverlust oder gar die „Abschaffung“ (vgl. Nowotny 1993, S. 55, 73) der
Kategorie Zukunft und ihre Ersetzung durch etwas, das – mit Blick auf jeweils
andere Problemfelder – Helga Nowotny (1993) die „erstreckte“, Hans Ulrich Gum-
brecht (2001) die „breite“ und Hanns-Georg Brose (2010) die „gedehnte Gegen-
wart“ nennen.
Der Literaturwissenschaftler Gumbrecht sieht es für die klassische Moderne
als charakteristisch an, dass sie sich als eine sich beständig selbst überholende
Bewegung in eine offene Zukunft hinein verstanden habe, die im Zuge ihres
Fortschreitens die jeweilige Gegenwart in eine Vergangenheit verwandelt, die
sich in keiner Zukunft wiederholen könne (Gumbrecht 2001; 2006, S. 6). Das
postmoderne Gegenwartsverständnis sieht Gumbrecht dagegen durch eine all-
gegenwärtige Musealisierung und eine historistische Grundeinstellung charakte-
risiert, die keine emphatischen Zukunftsbilder mehr produziere und der der Mut
fehle, auch nur irgendetwas als vergangen abzuhaken. Mit dem Verlust eines
innovatorischen Taktgebers verliere der Imperativ der Zeitgemäßheit seine Kraft;
die Folge sei eine nachlassende ordnungsstiftende Wirkung einer Differenzierung
im linearen Nacheinander und eine wachsende Bedeutung der Differenzierungen
im Nebeneinander. Aus ihr resultiert das, was Gumbrecht ,wachsende Gegen-
wartsverbreiterung‘ nennt, die er am Stilpluralismus und den Retromoden der
Architektur und der Künste veranschaulicht. Seit den 1960er Jahren, so Gum-
brechts zugespitzte These, trete die Zeit auf der Stelle, und verbreitere sich die
Gegenwart zu einer „Zone der Simultaneitäten“ (Gumbrecht 2006, S. 33).
Ein komplementäres Argument entwickelt die Wissenschaftstheoretikerin
Helga Nowotny mit Bezug auf die schon angesprochenen ökologisch-sozialen
Folgelasten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts (vgl. Nowotny 1993,
S. 47–56). Am Beispiel der Anhäufung von Abfall zeigt sie, dass die Gesellschaf-
ten seit den 1950er Jahren zunehmend irreversible Effekte produzieren, die weit in
354 Falko Schmieder
13 Auch Rosas These „des Kontingent- und Unsicherwerdens der Zukunft“ (Rosa 2005, S. 449)
bzw. die zugrundeliegende Auffassung, dass in der klassischen Moderne die Geschichte noch den
„Charakter einer gerichteten und politisch zu gestaltenden“ bzw. „planbaren“ Bewegung (S. 477,
450) angenommen habe, während sie jetzt als „richtunsglos“ und „unkontrollierbar“ erscheine,
ist zur Unterscheidung von Moderne und Spätmoderne wenig plausibel, wie die ubiquitären
Unverfügbarkeitssemantiken der Moderne nahelegen.
14 Die zeitgleich zu Gumbrechts Beitrag formulierte These vom Anthropozän als neuem Erdzeit-
alter z. B. wird dann auch gerade mit dem qualitativ neuen Problem der gesellschaftlichen
einzelne für sich und unabhängig voneinander, sondern als besondere Teile des
Ganzen (der Totalität des kapitalistischen Weltsystems)“ zu behandeln, oder bei
Conrad (2002), der die Denkfigur für die internationale Konfliktforschung für
unverzichtbar hält, weil die gegensätzlichen Elemente einer Gesellschaft in einem
wesentlichen Zusammenhang stehen, Momente einer Einheit bilden, deren Iden-
tität und Bestand an diese Einheit von Gegensätzen gebunden sind. Anders als
die Auffassung der Diversität, die das Partikulare isoliert und verabsolutiert,
verhilft die Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen dazu, das Gegen-
überstehen und Vereintsein von Strukturen mit unterschiedlicher innerer Logik,
Dynamik und Zeitlichkeit zu reflektieren.
Auf die postmoderne Geschichts- und Zeitkritik haben Vertreter der kritischen
Gesellschaftstheorie mit zeittheoretischen Rekonstruktionen reagiert, die speziell
dem Zusammenhang von Ökonomie und historischer Zeit bzw. der Zeit der Öko-
nomie gewidmet waren (vgl. Kittsteiner 1991, Postone 1993, Osborne 1995, Rosa
2005). Wenn der Zeitpfeil nämlich, wie Nowotny einräumt, weiterhin nach vorne
zeigt, dann liegt die Frage nahe, was es ist, „das die wissenschaftlich-technische
Zivilisation zeitlich so unerbittlich vorantreibt, das den unersättlichen Bedarf
nach Neuem generiert, der auf noch mehr Beschleunigung drängt“ (Nowotny
1993, S. 12). Gesellschaftstheorien im Anschluss an Marx heben hervor, dass bei
der Verwertung der Arbeitskraft als Ware die konkreten Arbeiten und Arbeits-
zeiten durch die Konkurrenz vermittelt sind und in abstrakt gesellschaftliche
Arbeit (und damit in eine homogene und leere Zeit) übersetzt werden, die im Geld
ihr allgemeines Äquivalent findet. Das Abstraktum der gesellschaftlich notwendi-
gen Arbeitszeit ist Resultat eines über den Markt hergestellten Ausgleichsprozes-
ses, der mit der Konkurrenz der Kapitale um den gesellschaftlichen Durch-
schnittsprofit identisch ist. Die Konkurrenz der Einzelkapitale läuft notwendig
auf eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität hinaus, die gleichbedeutend ist mit
einer Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit. Durch diesen naturwüchsigen
Prozess wird die Arbeitszeit intensiviert und der Produktionsapparat permanent
verbessert, weil Zeit- und Produktionsvorsprünge eines Konkurrenten die ande-
ren, durch die Innovationen zu Nachzüglern gewordenen jeweils zu Anpassungen
(Einführung neuer Maschinen, effektiverer Produktionsmethoden etc.) zwingen,
so dass sich der Verwertungsprozess auf stets höherer Stufenleiter bewegt, was in
Begriffen wie „Akzelerationszirkel“ (Rosa) oder „Tretmühlendynamik“ (Postone)
beschrieben wird. Die permanenten Umwälzungen vollziehen sich dabei, wie
schon Joseph Schumpeter dargestellt hat, nicht gleichmäßig und ruhig, sondern
in Form von abrupten Schüben und Krisen, die mit erheblichen Zerstörungen und
Verlusten verbunden sind (vgl. Schumpeter 1926 und 1928). Welche neuen For-
men der Akkumulationsprozess auch hervorbringt, sie dienen immer nur dem
einen Ziel, die Verwertungsgeschwindigkeit des Kapitals möglichst zu steigern.
358 Falko Schmieder
Aus all dem ergibt sich eine dynamische Gesellschaft, „in der die Kreisbewegung
des sich verwertenden Werts eine aufsteigende Zeitachse in wachsender Ge-
schwindigkeit aus sich heraus hervorbringt“ (Kittsteiner 1991, 122 f.). Moishe
Postone hat im Rahmen seiner neuen, um die Kategorie der Zeit zentrierten
Auseinandersetzung mit der Marxschen Theorie eine gesellschaftstheoretische
Begründung für die Möglichkeit der Herausbildung des Kollektivsingulars ,Ge-
schichte‘ geliefert. „Seine [Marx‘; F.S.] Analyse zeigt, daß es tatsächlich eine Form
von Logik in der Geschichte gibt, von historischer Notwendigkeit, aber daß diese
nur der kapitalistischen Gesellschaftsformation immanent ist und nicht der
menschlichen Geschichte als ganzer“ (Postone 1993, S. 460). Und an anderer
Stelle heißt es: „Insofern man beim Marx des Spätwerks von einem Begriff der
Menschheitsgeschichte sprechen kann, unterstellt er dieser nicht ein singuläres
transhistorisches Prinzip: vielmehr bezieht er sich auf eine anfänglich zufällige
Bewegung von verschiedenen einzelnen Geschichten hin zu der Geschichte – zu
einer notwendigen, zunehmend globalen, durch entfremdete gesellschaftliche
Formen konstituierten richtungsgebundenen Dynamik“ (ebd., S. 567).
Der mit der Akkumulationsbewegung verbundene Innovationszwang ist
gleichbedeutend mit einem permanenten Veralten-Machen, aus dem eine Zwei-
oder Mehrzeitigkeit erwächst, die zur Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleich-
zeitigen zurückführt. Schäfers Rede vom „temporalen Äquivalent zur hierarchisch
abgestuften Ständeordnung des Ancien regime“ (Schäfer 1994, S. 146) wäre also
gegen den Strich zu lesen und als Reflexion eines historischen Formenwandels
von Herrschaft zu verstehen. Die Geschichte der Denkfigur kann dafür sensibili-
sieren, dass es bei den in der Moderne entstehenden Formen der Ungleichzeitig-
keit nicht lediglich „um einen quantitativen Abhub der Vergangenheit in der
Gegenwart geht, um bloße Restposten, sondern um eine mögliche, wirkmächtige
Reaktionsbasis bestimmter gesellschaftlicher Kräfte“ (Conrad 2002, S. 10). Für
Welzer stellt denn auch der enge Zusammenhang von extremen Gewaltprozessen
wie ethnischen Säuberungen, rassistisch begründeten Vernichtungsfeldzügen
und Völkermorden mit Modernisierungsprozessen eine große Herausforderung
für die Gesellschaftstheorie dar, denn bis heute werden „Gewaltprozesse und ihre
nachhaltigen Folgen in einem seltsamen intellektuellen Blackout“ immer noch
entlang des alten Fortschrittsparadigmas „stets als Abweichungen von ,norma-
len‘ Entwicklungsverläufen, als ,Rück-‘‚ oder ,Sonderfälle‘ interpretiert und damit
von der glückverheißenden Moderne isoliert“ (Welzer 2008, S. 123). Ein aktuelles
Konzept zur Neubestimmung der Denkfigur der Gleichzeitigkeit des Ungleich-
zeitigen, das sich als ein Gegenbegriff zum postmodernen Ansatz verstehen lässt,
ist das auf Habermas zurückgehende und von Sighard Neckel neu profilierte
Konzept der Refeudalisierung. Es bezeichnet einen „paradoxen Modus sozialer
Transformation, der im Zuge eines neoliberalen Umbaus von Wirtschaft und
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen 359
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