Background
Interprofessionelle Teams
Gemeinsame Werte und klare Ziele
helfen Unterschiede beseitigen
In vielen Spitälern und krankenhausnahen Institutionen verstärkt sich der Trend zu
multiprofessionellen und multikulturellen Arbeitsteams. Diese Formen der Zusammen-
arbeit bringen neue Herausforderungen mit sich. – Von Gabriel Wüst
I m Gesundheitswesen ist in den letzten
Jahren der Anteil an ausländischem Ge-
sundheitspersonal stark gestiegen. Infolge
Fachkräftemangels auf dem nationalen Ar-
beitsmarkt werden die Organisationen ge-
zwungen sein, weiterhin viele Fachkräfte aus
dem Ausland zu rekrutieren. Die multikultu-
relle Zusammensetzung der Arbeitsteams
wird in den nächsten Jahren an Brisanz ge-
winnen.
Doch nicht nur die multikulturelle, son-
dern auch die multiprofessionelle Zusam-
menarbeit des medizinischen Fachpersonals
hat infolge der steigenden Komplexität in
der Patientenversorgung zugenommen. De-
ren Qualität hängt somit in hohem Masse
vom Funktionieren der multiprofessionel-
len Teamarbeit ab. Diese ist in einem hohen
Masse fragil, da unterschiedliche Berufs-
gruppen mit verschiedenen Funktionen, Hin-
tergründen und Interessen ausserhalb der
regulären Linienorganisation zusammenar-
beiten.
Für beide Herausforderungen – die zu-
nehmend multikulturelle und multiprofes-
sionelle Zusammenarbeit – gibt es bislang
nur wenige Untersuchungen und Arbeits-
modelle. Letztes Jahr wurde daher eine ex-
plorative Befragung von Führungskräften,
Projektleitenden und HR-Spezialisten aus 26
erfolgreichen – hauptsächlich international
ausgerichteten – Unternehmen, Kultur- und
Forschungsinstitutionen, zwei Spitälern und
einem Verband durchgeführt. Grund für die
Wahl dieser breiten Zielgruppe war es, bran-
chenübergreifende Erkenntnisse zu gewin-
nen und von anderen Branchen zu lernen.
Die Teamzusammensetzung der interview-
ten Personen war multiprofessionell, mul-
tikulturell oder beides zusammen. Ziel der
2 Competence 10/2013
Befragung war es, Besonderheiten von mul-
tiprofessionellen und -kulturellen Teams be-
züglich Erfolgsfaktoren, Spannungsfeldern
■ Individueller Bereich: Die Sozial- und
Selbstkompetenz des einzelnen, dessen
Arbeitshaltung und intrinsische Motiva-
und deren Handhabung zu eruieren. tion sind erfolgswirksame Elemente.
Aufträge, Abläufe und Verantwortung Unterschiedliche Ziele erzeugen
müssen klar sein Spannungsfelder
Die Ergebnisse lassen sich drei Bereichen Blockaden und Spannungen in multiprofes-
zuordnen: sionellen und -kulturellen Teams werden
■ Organisatorisch-struktureller Bereich: von den Interviewteilnehmern in folgender
Wesentlich für den Erfolg ist die Team- Reihenfolge genannt:
konstellation, Ergebnisfokussierung und 1. Persönlichkeitsbezogene Faktoren
die Klärung von Auftrag, Interessen, 2. Ziel- und Interessensdivergenzen
Zuständigkeiten und Abläufen. Diese 3. Kulturelle Unterschiede
Aspekte spielen eine viel grössere Rolle 4. Sprache
als bei uniprofessionellen Arbeitsteams. 5. Profession / beruflicher Hintergrund
■ Interpersoneller Bereich: Zentral ist die
Art der Kommunikation im Team, das Spannungsfelder und Konflikte ergeben sich
Einhalten von Spielregeln, der Teamspirit in erster Linie aus Persönlichkeitsunterschie-
und das gegenseitiges Vertrauen. den, welche sich in unterschiedlichen Denk-
Diese Faktoren führen zum Erfolg
Organisatorisch- Interpersonell Individuell
strukturell (Zusammenarbeit) (Persönlichkeit)
Teamzusammensetzung Kommunikation Kompetenzen
– offen, transparent, direkt – Sozial- und Selbstkompe-
Gemeinsames Ziel / und wertschätzend tenz
Auftrag, Klärung der – Interkulturelle Sensitivität
Interessen Spielregeln, z.B.
– Umgang mit Unterschieden Arbeitshaltung
Klare Verantwortlichkeiten – Umgang mit Konflikten
und Kompetenzen Intrinsische Motivation
Teamspirit – Engagement
Klare Strukturen, Abläufe – Unterstützungsbereitschaft – Identifikation mit der Arbeit
und Prozesse – Commitment
– Humor
Ergebnisorientierung
Gegenseitiges Vertrauen
haltungen und Wahrnehmungen äussern,
sowie aus Ziel- und Interessendivergenzen.
Entscheidend im Umgang mit Unterschied-
lichkeiten sind Faktoren wie Offenheit, Res-
pekt und Toleranz.
Kulturelle Unterschiede werden sehr
unterschiedlich erlebt. In internationalen
Grossunternehmen sind Konflikte selten auf
Kulturunterschiede zurückzuführen, da die
Mitarbeitenden durch ihre tägliche Zusam-
menarbeit kulturell sensibilisiert sind. Bei
anderen Unternehmen mit Standorten im
Ausland können durchaus kulturell bedingte
Spannungen auftreten. Insgesamt werden
jedoch die kulturtypischen Unterschiede ge-
schätzt. Sie bereichern die Zusammenarbeit.
Der berufliche Hintergrund oder die be-
rufliche Sozialisation spielen in Bezug auf
mögliche Spannungsfelder keine wesentli-
che Rolle. Einzig eine zu starke Bezogenheit
auf die eigene berufliche Fachexpertise kann
die multiprofessionelle Zusammenarbeit er-
schweren.
Ein Verhaltenscodex gegen Blockaden
Die am häufigsten genannten Massnahmen
oder Hilfsmittel zur Überwindung von Blo-
ckaden und Spannungen sind:
■ gemeinsame Werte durch einen
Verhaltenscodex
■ einheitliche Methodologie
■ spezifische Personalauswahl
■ Briefing/Debriefing der Kooperation
■ aktive Führung
■ direkte Kommunikation und gemein-
same Lösungssuche
■ informelle Kontakte
■ übergeordnete Instanz zur Unterstüt-
zung bei der Problemlösung
Zur Überwindung von Spannungen und
Konflikten legen vor allem internationale
Unternehmen grossen Wert darauf, bei ih-
ren Mitarbeitenden einen verbindlichen
Verhaltenscodex zu schaffen und diesen
aktiv im Betriebsalltag zu verankern. So
erklären sich neue Mitarbeitende vor Stel-
lenantritt mit dem Codex einverstanden, in
Schulungen wird dieser erläutert oder in ei-
ner 360-Grad-Beurteilung erhalten Mitar-
beitende Feedback auf die gelebte Werte.
In der Industrie und in grossen Bera-
tungsunternehmen schafft eine gemein-
same Methodologie wie beispielsweise ein
einheitliches Projekt- oder Prozessmanage-
ment den Grundstein für die professions-
übergreifende Verständigung.
Empfehlungen für
Krankenhäuser
Aus der Studie lassen sich praktische
Empfehlungen ableiten, die sich auch
für Spitäler und Institutionen eignen.
Für multiprofessionell und
multikulturell gemischte Teams:
■ Etablieren Sie gemeinsame Werte,
die gelebt werden, ungeachtet von
Hierarchie, Berufsstand, Kultur. Dazu
gehört die gemeinsame Erarbeitung
eines Führungsverständnisses oder
Verhaltenscodex, dessen Vermitt-
lung, Umsetzung und Überprüfung
respektive Einforderung im Alltag.
■ Schaffen Sie gemeinsame Plattfor-
men wie beispielsweise Begeg-
nungs- und Kommunikationsorte.
Beispiel: Teamevents, gemeinsam
benutzte Räume, Wissensplattform.
■ Fördern Sie aktiv das Verständnis für
verschiedene Kulturen durch Vor-
träge, Diskussionsrunden, wo kultu-
relle Eigenheiten erklärt werden.
Für multiprofessionelle Teams:
■ Definieren Sie Standards und Regeln
der Zusammenarbeit im Voraus und
überprüfen Sie deren Einhaltung.
■ Stellen Sie den gemeinsamen Auf-
trag, nicht spezifische Aufgaben, in
den Fokus. Das anzustrebende Ergeb-
nis wie zum Beispiel Patientenzufrie-
denheit/optimale Versorgung/kurze
Behandlungszeit, ist klar definiert.
■ Stellen Sie für bereichsübergrei-
fende Sachkonflikte ein Gremium
zur Verfügung, welches sich aus
verschiedenen Kaderfunktionen und
Kaderstufen zusammensetzt.
■ Richten Sie ein Büro so ein, dass
Arzt und Stationsleitung es gemein-
sam teilen können.
■ Rufen Sie ein Mentoringprogramm
für Stationsleitungen und
Assistenzärzte ins Leben.
Den ausführlichen Forschungsbericht können Sie lesen
unter: www.wittlin-stauffer.ch - News.
Weiter ist die sorgfältige Personalaus-
wahl bei der Teamzusammensetzung zen-
tral. In Grossunternehmen werden bei der
Auswahl von Projektleitern und Führungs-
Gabriel Wüst, Psychologe lic.phil.,
witlin stauffer ag, Zürich; 044 262 12 86,
gabriel.wuest@wittlin-stauffer.ch
Une mission et des
valeurs communes
Pour une collaboration réussie dans des
équipes multi-professionnelles et multi-
culturelles, il est nécessaire de partager
des valeurs communes indépendamment
de la hiérarchie, du statut ou de la culture.
Un code de conduite, centré sur une mis-
sion commune clairement définie, peut se
révéler utile. Pour géréer les conflits, il est
recommandé d’instaurer une instance
comprenant des cadres de diverses fonc-
tions et des représentants de différents
niveaux. Un programme de mentorat
peut aider les responsables d’unité et les
médecins-assistants. ■
kräften die interkulturelle Sensitivität so-
wie soziale und persönliche Kompetenzen
geprüft. Diese Fähigkeiten werden durch
interne Angebote wie Mentoring, Vorträge,
Netzwerke und Schulungen weiter gefördert.
Zu Beginn der Kooperation ist die ak-
tive Klärung von Zielen, Interessen und der
Zusammenarbeit eine wirksame, präventive
Massnahme (Briefing). Eine Reflexion am
Schluss von Arbeitssequenzen wird als Lern-
form ebenfalls sehr geschätzt (Debriefing).
Grundsätzlich ist eine aktive Führung, die
transparente und direkte Kommunikation
unter Teammitgliedern für die Lösung von
Schwierigkeiten ausschlaggebend. Das Ver-
trauen untereinander wird durch informelle
Kontakte oder Besuche am Arbeitsplatz zu-
sätzlich gestärkt. Für den Fall, dass im Team
keine gemeinsame Lösung gefunden wird,
kann ein multiprofessionelles, unterstützen-
des Gremium auf höherer Funktionsstufe
hilfreich sein. ■
Competence 10/2013 3