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AFS
RECHT
DES BAUWESENS
September 2019 / Heft 3, Seiten 77–112 (8. Jahrgang)
Editorial
77 Weitere Schmankerln aus der Wiener Bauordnung
Hermann Wenusch
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
Aufsätze
79 Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts
Thomas Frad
Judikatur
89 Partielle Verknüpfung von Generalunternehmer- und Subunternehmerverträgen
sowie Leistungsverweigerungsrecht bei Verletzung von Nebenpflichten
(Anmerkung von Michael Müller und Christoph Aigner)
98 Eine neue Bewilligungspflicht wirkt im Zweifel nicht auf Bauführungen, die vor
Inkrafttreten der Neuregelung bewilligungsfrei begonnen wurden
(Anmerkung von Gerhard Cech)
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Univ.-Prof. Dr. Christian Koller, Institut für Zivilgerichtliches
Verfahren, Universität Innsbruck
Hon.-Prof. Dr. Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofs
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer, Institut für Bürgerliches Recht und
Zivilverfahrensrecht, WU Wien
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ZRB 2019 / Heft 3 EDITORIAL 77
EDITORIAL
Hermann Wenusch
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78 INHALT ZRB 2019 / Heft 3
INHALT
EDITORIAL
77 Weitere Schmankerln aus der Wiener Bauordnung
Hermann Wenusch
AUFSÄTZE
79 Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts
Thomas Frad
JUDIKATUR
89 Partielle Verknüpfung von Generalunternehmer- und Subunternehmerverträgen sowie Leistungs
verweigerungsrecht bei Verletzung von Nebenpflichten
OGH 30.04.2019, 1 Ob 41/19i (Anmerkung von Michael Müller und Christoph Aigner)
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93 Einsichtnahme des Liegenschaftserwerbers in die Urkundensammlung bei Vorliegen eines Hinweises nach
§ 5 GBG führt nicht zur Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes
OGH 29.02.2019, 2 Ob 146/18m (Anmerkung von Diana Seeber-Grimm und Thomas Seeber)
98 Eine neue Bewilligungspflicht wirkt im Zweifel nicht auf Bauführungen, die vor Inkrafttreten der
Neuregelung bewilligungsfrei begonnen wurden
VwGH 28.05.2019, Ro 2019/05/0012 (Anmerkung von Gerhard Cech)
SERVICE-TEIL
107 Bücherliste
108 Herausgeber, Schriftleitung, Ständige Mitarbeiter
109 Autoren
110 Impressum
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Zeitschrift für Recht des Bauwesens 8, 79–85 (2019)
https://doi.org/10.33196/zrb201903007901
ZRB 2019, 79
AUFSÄTZE
Deskriptoren: Wandlung, Wertersatz, Gewährleistung, eines Vertrages kommt. Die ÖNORM B2110, die regel-
Kondiktion; §§ 877, 932 Abs 2 und Abs 4, 1435 ABGB; mäßig Bestandteil von Bauwerkverträgen ist, ändert die-
§§ 346 Abs 2, 638 Abs 3 BGB; § 273 ZPO. se gesetzlichen Regelungen nicht, sodass nicht gesondert
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1 Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim 5. Öster- 4 P. Bydlinski in KBB, ABGB5 § 922 Rz 1.
reichischen Baurechtsforum an der Universität Innsbruck am 5 Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht5 181.
10. Mai 2019. Das Format wurde beibehalten, es finden sich daher 6 Karasek, ÖNORM B 2110 – Allgemeine Vertragsbestimmungen
auch weniger Nachweise. für Bauleistungen – Werkvertragsnorm3 (2016) Rz 2140 mwN.
2 Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht5 (2016) 181. 7 Karasek, ÖNORM B 21103 Rz 2140.
3 P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB: Kurzkom-
mentar5 (2017) § 922 Rz 1.
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80 Th. Frad, Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts ZRB 2019 / Heft 3
Die Wandlung des Vertrages ist allerdings ausgeschlos- Wandlung vom Werkbesteller nun zu Recht oder zu Un-
sen, wenn lediglich ein geringfügiger Mangel vorliegt. In recht begehrt wird, steht daher erst nach jahrelanger
diesem Fall kann der AG ausschließlich Preisminderung Prozessdauer rechtskräftig fest.
begehren.8 Ob ein Mangel geringfügig ist oder nicht,
kann letztlich immer nur im Einzelfall aufgrund der je- 2.4. Rückabwicklung beiderseitiger Leistungen
weiligen Umstände beurteilt werden. In der Literatur
besteht aber Einvernehmen darüber, dass die Wandlung Unstrittig ist, dass durch die Wandlung beiderseitige
nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein soll.9 Kondiktionsansprüche entstehen. Als anwendbare ge-
Von der Einschränkung der geringfügigen Mängel abge- setzliche Bestimmungen werden in der Lehre § 877
sehen, hat der AG aber ein freies Wahlrecht zwischen ABGB17 und die analoge Anwendung des § 877 ABGB
Preisminderung und Wandlung.10 vertreten. Andere Autoren vertreten in Übereinstim-
mung mit der herrschenden Judikatur die Ansicht, dass
2.2. Geltendmachung § 1435 ABGB, also die conditio causa finita, zur An-
wendung gelangt.18
Das Recht auf Wandlung ist wie das Recht auf Rücktritt Beiderseits erbrachte Leistungen sind Zug um Zug ana-
vom Vertrag ein Gestaltungsrecht.11 Unter einem Ge- log § 877 ABGB zurückzuerstatten.19 Nach der Judika-
staltungsrecht versteht man ein subjektives Recht, das tur und der Lehre stehen sich zwei grundsätzlich selbst-
dem Berechtigten die Rechtsmacht verleiht, durch ein- ständige Bereicherungsansprüche gegenüber, die nur
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seitige Erklärung eine Veränderung der Rechtslage her- durch das Band der Zug-um-Zug-Abwicklung mitein-
beizuführen. Gestaltungsrechte begründen weder ein ander verknüpft sich (Zweikondiktionentheorie).20
Herrschaftsrecht noch einen Anspruch, sondern geben Das Zug-um-Zug-Prinzip gilt nur für die Rückabwick-
die Möglichkeit, derartige Rechte zum Entstehen oder lung, nicht aber für die Rechtsgestaltung „Wandlung“.
Erlöschen zu bringen oder umzuändern.12 Als Gestal- Die Rückabwicklung ist also nicht Voraussetzung, son-
tungsrecht bedarf die Wandlung hingegen keiner Ein- dern eine Folge der Wandlung.21
willigung des Gegners. Die Wandlung löst, so wie der Primär erfolgt daher die Rückabwicklung durch Rück-
Rücktritt vom Vertrag, den Vertrag mit obligatorischer gabe der Leistungen in natura.22
Wirkung ex tunc auf.13 Mit einer solchen Sachverhaltskonstellation hatte sich
Die Wandlung kann nur gerichtlich mittels Klage oder der OGH bereits in seiner Entscheidung vom 12.07.2006,
Einrede geltend gemacht werden.14 Die Rechtsgestal- 4 Ob 112/06h, zu beschäftigen. Im Zentrum der Ent-
tung erfolgt also durch Urteil, und noch nicht durch die scheidung stand allerdings die Frage der Angemessenheit
Geltendmachung des Rechtes auf Wandlung. einer Frist zur Verbesserung. Im konkreten Fall ging es
Einvernehmlich kann die Wandlung aber auch außer- um eine Heizungsanlage, die nicht ordnungsgemäß funk-
gerichtlich rechtswirksam werden.15 tionierte. Nach den Feststellungen war die Heizungsanlage
auch nach Verbesserungsarbeiten nicht in der Lage, alle
2.3. Rechtsfolge Räume gleichmäßig zu beheizen. Sie funktionierte nicht
als Ganzhausheizung, sondern nur als Kachelofenhei-
Die Wandlung hat zur Folge, dass der Vertrag schuld- zung. Der Kläger begehrte daher die Rückzahlung des
rechtlich ex tunc aufgehoben wird. Sachenrechtliche Werklohns.
Übereignungsakte bleiben somit wirksam.16 Daraus er- Das Erstgericht verurteilte den Beklagten auf Rückzah-
geben sich für die Praxis nicht unerhebliche Probleme. lung des Werklohns Zug um Zug gegen Demontage der
Bauprozesse zeichnen sich in der Praxis regelmäßig da- Heizungsanlage. Das Berufungsgericht bestätigte diese
durch aus, dass diese seitens der Gerichte vergleichswei- Entscheidung.
se langsam bearbeitet werden und es daher oftmals zu Der Kläger hatte bereits in der Klage vorgebracht, er sei
einer besonders langen Verfahrensdauer kommt. Ob die selbstverständlich bereit Zug um Zug gegen Rückzah-
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ZRB 2019 / Heft 3 Th. Frad, Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts 81
lung des Werklohns die Demontage des Werks durch die fungsgericht geschlossen, dass beide Seiten keine Rück-
Beklagte zu gestatten. Aufgrund dieses Vorbringens hat stellung der Fenster beabsichtigen und aufgrund dieses
der OGH mit einer sog Maßgabebestätigung klarge- Konsenses der vorliegende Fall wie jene Konstellationen
stellt, dass die im Gegenzug zur Rückzahlungsverpflich- zu behandeln sei, in denen eine Rücknahme der Leistung
tung der Beklagten bestehende Verpflichtung des Klä- nicht (oder nicht mehr) in Betracht kommt. Dies führt
gers in der Gestattung der Demontage der Heizungsan- dazu, dass der Wert der erhaltenen Leistung vom An-
lage besteht. Damit ist nach dieser Entscheidung auch spruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (Werklohns) ab-
klargestellt, dass es Sache des Beklagten ist, die Hei- zuziehen ist bzw – wenn wie hier der Werklohn noch
zungsanlage zu demontieren, wobei über das Ausmaß nicht gezahlt wurde – der Werkunternehmer Anspruch
der Demontage zweckmäßiger Weise das Einvernehmen auf Zahlung des objektiven Werts der (mangelhaften)
mit dem Kläger herzustellen sein wird. Leistung hat. Der OGH ging davon aus, dass im fortge-
setzten Verfahren § 273 ZPO zu beachten sein werde,
3. Wertersatz in der Judikatur weil bei der Ermittlung des den Beklagten zugekomme-
nen objektiven Wertes die gravierenden Mängel der Fens-
Ist die Rückgabe in Natur unmöglich oder untunlich, ter und Türen zu berücksichtigen sein werden und eine
etwa bei Verbrauch, untrennbarer Verbindung, Weiter- Wertermittlung daher unter Umständen nur unter An-
veräußerung oder bei Arbeitsleistungen so schuldet der wendung der zitierten Bestimmung möglich sein werde.
Empfänger Wertersatz nach Maßgabe seines Nutzens
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im Zeitpunkt der Leistung, nicht nach dem Schaden des 3.1.2. OGH 20.5.2015, 3 Ob 70/15p, Zufahrtsrampe
Leistenden.23 Wie bereits oben ausgeführt, ist also nicht
auf der Ebene der Wandlung zu prüfen, ob die Rückab- In seiner Entscheidung vom 20.5.2015 (3 Ob 70/15p)
wicklung möglich ist oder nicht, sondern erst eine Ebene hatte sich der OGH mit der Frage des Wertersatzes bei
später, nämlich bei der Frage ob und wie eine Rückab- Wandlung im Bauvertragsrecht zu beschäftigen.
wicklung des Vertrages möglich ist. Die Beklagten beauftragten die Klägerin auf Basis eines
Gerade im Bauwesen wird die Rückgabe regelmäßig un- Kostenvoranschlages über € 14.512,80 brutto mit der
möglich oder untunlich sein. Der Auftraggeber veräu- Errichtung einer betonierten Zufahrtsrampe zu einer
ßert oftmals das Bauwerk, oder ein Abbruch steht in von den Beklagten genutzten Liegenschaft. Die Rampe
keinem Verhältnis zum festgestellten Mangel. Bei haus- sollte mit einem PKW samt Anhänger befahrbar sein.
technischen Anlagen wie im oben angeführten Fall, Von den Parteien wurde nicht definiert, welche Art von
einer Heizungsanlage, kann die Naturalrestitution aber PKW gemeint war; insbesondere wurde nicht bespro-
möglich sein. chen, dass die Rampe nur mit dem vorhandenen Fahr-
Wertersatz kann aber auch neben der Naturalrestitution zeug der Beklagten, einem VW Touareg, befahrbar sein
geschuldet werden. müsse. Die betonierte Rampe wurde von der Klägerin
vereinbarungsgemäß unter Verwendung der bereits ur-
3.1. Österreichische Judikatur sprünglich vorhandenen Erdrampe errichtet. Sie wies in
den einzelnen Abschnitten unterschiedliche Steigungen
3.1.1. OGH 4.3.2013, 8 Ob 80/12s, Fenster und Türen auf und war mit einem Mittelklasse-PKW weder mit
noch ohne Anhänger befahrbar.
Die Streitteile schlossen einen Werkvertrag mit dem sich Das Recht auf Wandlung wurde im konkreten Fall des-
die Klägerin verpflichtete, von ihr selbst, nach den Wün- halb bejaht, weil sich der Werkunternehmer während
schen der Beklagten, angefertigte Fenster und Türen in des laufenden Verfahrens ausdrücklich zur Herstellung
ein neugebautes Einfamilienhaus einzubauen. In weite- einer neuen Rampe auf eigene Kosten verpflichtete und
rer Folge zeigten sich verschiedene, teils wesentliche dieser Verpflichtung in weiterer Folge nicht nachkam.
Mängel an Fenstern und Türen. Im Fall der Wandlung ist daher das aufgrund des auf-
Die Wirksamkeit und Berechtigung des von den Beklag- gehobenen Vertrages beiderseits geleistete, nämlich nach
ten erklärten Vertragsrücktritts durch Wandlung war bereicherungsrechtlichen Grundsätzen, Zug um Zug zu-
zwischen den Parteien nicht mehr strittig. rückzustellen; ist die Rückstellung des Werks in natura
Im zehn Jahre dauernden Verfahren war die Rückstellung – wie hier – unmöglich oder untunlich hat der Werkbe-
der Fenster nie ein Thema. Da die Beklagten nie vorge- steller ein der erhaltenen Leistung angemessenes Entgelt
bracht haben, den Austausch anzustreben, hat das Beru- zu leisten.
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82 Th. Frad, Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts ZRB 2019 / Heft 3
Der OGH vermisste Feststellungen zum objektiven Wert zu lassen, den er durch eine fortgesetzte Verwendung
der von der Klägerin hergestellten Rampe. Er verwies der Sache lukriert hat, weil er sich den Aufwand für eine
daher die Sache wiederum an das Erstgericht. Ersatzbeschaffung erspart hat. Ob bzw welcher Nutzen
Der bloße Umstand, dass die Rampe nicht die nach den anzurechnen ist, hängt von den Umständen des Einzel-
Feststellungen vereinbarte Eigenschaft (Befahrbarkeit falls ab. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht ein-
mit einem Mittelklasse-PKW) aufweist, machte sie ent- mal behauptet, dass die Klägerin durch die – nur bei
gegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht von vornher- trockenem Wetter ungestört mögliche – Benützung des
ein wertlos, zumal sie von dem von der Zweitbeklagten Anbaus bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens
und ihrem Ehegatten konkret benützten Fahrzeug samt einen geldwerten Vorteil erlangt oder sich Kosten einer
Anhänger, wie sich aus dem Sachverständigengutachten anderweitigen Beschaffung erspart hat.
ergab, befahrbar war und offenbar auch nach wie vor Die Beklagte hat ihre Gegenforderung nach der linearen
tatsächlich verwendet wurde. Der Sachverständige hatte Abschreibung des Kaufpreises über eine Nutzungsdauer
in einer Verhandlung noch festgehalten, dass er den von 20 Jahren berechnet. Es entspricht aber der ständi-
Wert der Rampe trotz eingeschränkter Nutzbarkeit gen Rechtsprechung des OGH, dass die Interessenabwä-
nicht beziffern könne, weil dies vom „subjektiven Emp- gung bei einem berechtigten Wandlungsbegehren nur
finden“ abhänge, es aber jedenfalls ein Vorteil sei, eine jenen Wertverlust zu berücksichtigen hat, der bis zu dem
solche Rampe zu haben, weil es sich um eine befestigte Zeitpunkt entstanden ist, zu dem der Kläger erstmals
Fläche handle, die man jedenfalls mit einem Traktor berechtigt Wandlung begehrt hat. Der Verkäufer kann
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oder einer Baumaschine befahren könne. Dem Erstge- sich bei verzögerter Abwicklung auf eine bloß theoreti-
richt wurde daher aufgetragen den objektiven Wert der sche Gebrauchsmöglichkeit ebenso wenig berufen, wie
von der Klägerin erbrachten Leistung zu ermitteln und auf den rein infolge Zeitablaufs eingetretenen Wertver-
anschließend neuerlich zu entscheiden. lust.
Darüber hinaus hat der OGH darauf hingewiesen, dass Soweit ersichtlich gibt es keine weitere Judikatur des
der objektive Wert der erhaltenen Leistung vom An- OGH zum Wertersatz im Bauvertragsrecht.
spruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (Werklohns)
abzuziehen sei. Der objektive Wert des Werks begründet 3.2. Deutsche Judikatur
also keine Gegenforderung, sondern reduziert die Höhe
der Klagsforderung. Auch in Deutschland gibt es zur Frage des Wertersatzes
Der OGH hat also auf den objektiven Wert der mangel- bei Bauwerkverträgen nur eine überschaubare Anzahl
haften Leistung, deren Rückstellung untunlich ist, ab- an Entscheidungen.
gestellt.24 Wagner25 hat diese Entscheidung glossiert und
ausgeführt, dass es ihres Erachtens sachgerechter wäre, 3.2.1. BGH 14.7.2011, VII ZR 113/1026, Sanierungs
nicht auf den objektiven Wert der erbrachten Leistung arbeiten
abzustellen, sondern auf den Nutzen für den Besteller.
In der Entscheidung des BGH vom 14.7.2011, VII ZR
3.1.3. OGH 22.2.2017, 8 Ob 59/16h, Terrassenkon 113/10, ging es um die Frage der Berechnung des Wert-
struktion ersatzes. Die Parteien schlossen ohne Einbeziehung der
VOB/B einen Bauvertrag über Sanierungsarbeiten ab.
Die Beklagte errichtete über Auftrag der Klägerin an de- Der Beklagte trat vom Vertrag zurück, nachdem er unter
ren Privathaus einen Anbau in pulverbeschichteter Alu- Fristsetzung vergeblich einige Mängel gerügt hatte. Das
miniumkonstruktion, bestehend aus im Erdgeschoß ge- OLG Brandenburg gab der Klage lediglich in der Höhe
legener, überdachter Terrasse mit Geländer und Stiegen- von € 58.000 statt der eingeklagten € 70.000 statt. Der
aufgang sowie überdachtem Balkon. BGH ließ die Revision nicht zu.
Die Klägerin begehrte Wandlung, weil die von der Be- Wie der BGH ausführt, unterscheidet die Regelung des
klagten konstruierte Überdachung wasserdurchlässig § 346 Abs 2 BGB hinsichtlich der Art der Berechnung
und somit mangelhaft war. Das Wandlungsbegehren des Wertersatzes nicht nach dem zu Grunde liegenden
war nach Ansicht des OGH berechtigt. Rücktrittsgrund. Auch bei dem Rücktritt wegen einer
Im Falle eines berechtigten Wandlungsbegehrens hat mangelhaften Leistung ist deshalb von einer Berech-
sich der Kläger jenen tatsächlichen Nutzen anrechnen nung des Wertersatzes auszugehen, wie sie in der Rsp
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ZRB 2019 / Heft 3 Th. Frad, Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts 83
des BGH bereits vom VIII. Zivilsenat angenommen men lässt und außerdem die Schiebetüre auf voller Brei-
wurde. Im Hinblick auf die § 346 Abs 2 BGB zu Grunde te an der Unterkante von Außen eindringendem Regen-
liegende Wertentscheidung des Gesetzgebers kommt wasser nicht standhalten kann, wodurch die Nutzbar-
eine Berechnung des Wertersatzes nach dem objektiven keit des unmittelbar hinter der Außentüre liegenden
Wert der Leistung nicht in Betracht. Dabei ist folgerich- Büros seit Einbau nachhaltig beeinträchtigt worden ist.
tig von denselben Grundsätzen wie bei der Minderung
auszugehen. Nach den Gesetzesmaterialien ist Aus- 3.2.3. OLG Rostock 1.11.2016, 4 U 37/1529, Wärme
gangspunkt der Berechnung die für die mangelfreie pumpe
Leistung vereinbarte Gegenleistung, weil an den ver-
traglichen Bewertungen grundsätzlich festgehalten wer- Die Parteien schlossen einen Vertrag über den Einbau
den soll. Nur damit wird gewährleistet, dass im Rahmen einer Wärmepumpenheizung in ein 1926/27 erbautes,
der Rückabwicklung das zwischen den Parteien verein- nicht Wärme gedämmtes und mit Gussradiatoren aus-
barte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ent- gestattetes Einfamilienhaus ab. Im August 2010 wurde
sprechend der gesetzgeberischen Intention unverändert die Anlage eingebaut und die bisherige, erdgasbetriebe-
bleibt. ne Heizung ausgebaut.
Der amtliche Leitsatz dieser Entscheidung lautet daher: Der Kläger und Auftraggeber begehrte Zug um Zug die
Der vom Besteller nach Rücktritt von einem Bauvertrag Rückzahlung des geleisteten Werklohns, weil der Hei-
geschuldete Wertersatz für die bei ihm verbleibende zungsaustausch nicht zu der versprochenen deutlichen
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Bauleistung ist auf der Grundlage des Werklohns zu er- Reduzierung der Heizkosten geführt habe, im Gegenteil
mitteln. Ein Mangel des Werks ist durch eine analoge die Stromkosten seien explodiert.
Anwendung des § 638 Abs 3 BGB zu berücksichtigen.27 Aufgrund eines eingeholten SV-Gutachtens stellte das
OLG fest, dass die Anlage als solche für das Haus nicht
3.2.2. OLG Düsseldorf, 14.2.2014, I-22 U 101/1328, geeignet und damit mangelhaft war. Der Kläger hatte
Schiebetüre für die Anlage insgesamt € 24.379,11 bezahlt.
Von diesem Betrag sind die Kosten für die Demontage
Die Parteien schlossen einen Werkvertrag über Herstel- und Entsorgung der – inzwischen unstrittig nicht mehr
lung, Lieferung und Einbau einer zweiflügeligen auto- vorhandenen – Altanlage über insgesamt € 642,60 ab-
matischen Schiebetürenanlage. Diese Schiebetürenanla- zuziehen. Eine Rückabwicklung ist nicht möglich, so-
ge war grob mangelhaft. dass auch der Rückzahlungsanspruch entfällt. Nach
Soweit die Berufung des Klägers geltend macht, die Be- dem § 346 Abs 2 BGB zu Grunde liegenden allgemei-
klagte habe ihr zumindest Wertersatz für die Gebrauchs- nem Rechtsgedanken ist der Rückgewährschuldner in
vorteile der Schiebetüre zu leisten, hatte sie nach Ansicht allen Fällen, in denen ihm die Rückgewähr der emp-
des OLG Düsseldorf damit keinen Erfolg. Nach § 346 fangenen Leistung unmöglich ist, etwa bei Entsor-
Abs 1 BGB müssen zwar grundsätzlich auch die gezoge- gungsleistungen, zum Wertersatz verpflichtet. Diese
nen Nutzungen herausgegeben werden. Indes ist hier bestimmt sich nach der im Vertrag bestimmten Gegen-
davon auszugehen, dass wesentliche Gebrauchsvorteile leistung. Demnach hat die Beklagte für den ihr nicht
der erheblich mangelhaften Schiebetüre im Zeitraum mehr möglichen Wiederaufbau der alten Heizungsan-
seit der Montage nicht feststellbar sind, dh bei null lie- lage des Klägers grundsätzlich Wertersatz zu leisten,
gen. Dies folgt zum einen daraus, dass die vom Kläger der – mangels anderer Anhaltspunkte – in Höhe des im
eingebaute Schiebetüre bereits ihre vertraglich verein- Vertrag insoweit vereinbarten Preises von insgesamt
barte Grundfunktion als Gebäudeabschlusstüre nicht € 642,60 brutto zu bestimmen ist. Einen darüber hin-
ansatzweise erfüllte, da die durch die Profilverhakung ausgehenden Wert hatte die Altanlage nach der im Ver-
vertraglich vereinbarte „erhöhte Einbruchshemmung“ trag dokumentierten übereinstimmenden Ansicht der
durch die Mängel der Bodenführung völlig aufgehoben Parteien nicht mehr.
und konterkariert wird, da die Türe dadurch von einem Gleichzeitig hat aber auch der Kläger seinerseits Wert-
Einbrecher „mit Leichtigkeit“ bzw „einfach“ zu öffnen ersatz an die Beklagte zu leisten und zwar für eben diese
ist. Dies folgt aber auch daraus, dass zudem an beiden Demontage-, Entsorgungs- und dazugehörigen Dienst-
vertikalen Seitenkanten der Schiebetüre die vom Kläger leistungen. Auch diese sind auf den Betrag von € 642,60
eingebaute Türanlage jeweils Luft ungehindert einströ- brutto zu schätzen, sodass sich die Ansprüche gegensei-
27 § 638 BGB regelt die Preisminderung in deutschen Werkvertrags- 28 BauR 2016, 525; LSK 2016, 120231; Sachverhalt vereinfacht.
recht. 29 BeckRS 2016,130777, IBRRS 2017, 3829; Sachverhalt vereinfacht.
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84 Th. Frad, Wertersatz bei Wandlung unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts ZRB 2019 / Heft 3
tig aufheben. Damit ist der Rückzahlungsanspruch des 3.3. Judikatur außerhalb des Bauvertragsrechtes
Klägers um diese Summe zu kürzen.
Weiters hat sich der Kläger eine Nutzungsentschädi- Außerhalb des Bauvertragsrechtes beschäftigt sich die
gung für die Dauer der Nutzung der (mangelhaften) Judikatur mit Fragen des Wertersatzes insbesondere in
Heizungsanlage anrechnen zu lassen. Der Kläger hat die Fällen, bei denen ist es um den Ankauf von mangelhaf-
Heizung unstreitig jedenfalls bis in das Jahr 2015 ge- ten Kfz ging. In diesen Fällen hat der OGH judiziert,
nutzt, sie stand ihm aber auch danach zur Verfügung. dass für die Nutzung des Kfz vom wandlungsberechtig-
Diese Nutzungen können nicht herausgegeben werden, ten Käufer Wertersatz zu leisten ist. Da gerade Kfz in
weshalb auch insoweit Nutzungsersatz zu leisten ist. Die den ersten Jahren einen besonders hohen Wertverlust
Höhe der Entschädigung ist nach ständiger Rechtspre- erleiden, nimmt der OGH eine lineare Abschreibung an.
chung im Wege der zeitanteiligen linearen Wertminde- Der Käufer hat also den anteiligen Wert des Kfz pro
rung zu ermitteln, also nach einem Vergleich zwischen Jahr der voraussichtlichen Nutzungsdauer zu ersetzen
dem tatsächlichen Gebrauch und der voraussichtlichen (siehe oben Beispiel Wärmepumpe).
Gesamtnutzungsdauer der Sache unter Berücksichti-
gung des Werts der Sache bzw des vereinbarten Kauf- 4. Eigene Meinung
preises. Dabei ist vom Bruttopreis auszugehen und der
so ermittelte Nutzungswertersatz nicht um die Mehr- Der OGH stellt in der oben dargestellten Entscheidung
wertsteuer zu erhöhen, ein Mangel des Werkes ist durch zur Zufahrtsrampe31 auf den objektiven Wert der man-
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analoge Anwendung des § 638 Abs 3 BGB30 zu berück- gelhaften Leistung ab. Wie auch in Deutschland sollte
sichtigen. Der Senat hat den tatsächlich gezahlten Be- stattdessen aber bei der Berechnung des Wertersatzes
trag von € 24.379,11 angesetzt und hiervon den Betrag auf den subjektiven Nutzen abgestellt werden. Dies
von € 642,40 für die nicht rückabwickelbare Demonta- würde meines Erachtens auch dem Zweck des Gewähr-
ge- und Entsorgungsleistungen in Abzug gebracht. Auf- leistungsrechtes besser entsprechen, nämlich der Wie-
grund der Ausführungen des Sachverständigen ist der derherstellung der Äquivalenz von Leistung und Gegen-
Senat von einer 20-jährigen Nutzungsdauer ausgegan- leistung.32 Es soll also die ursprünglich gewollte Äqui-
gen. Die zu berücksichtigende Nutzungsdauer durch valenz wiederhergestellt werden. Einen „objektiven
den Kläger wurde mit sechs Jahren angenommen. Für Wert“ einer Leistung, noch dazu einer mangelhaften,
den festgestellten Mangel war ein Abzug von 50 % vor- wird es regelmäßig nicht geben. Preise entwickeln sich
zunehmen, da die Anlage zwar grundsätzlich ungeeignet bekanntlich nach den jeweils herrschenden Marktver-
war, der Kläger sie aber – wenn auch notgedrungen – ge- hältnissen und können somit für ein dieselbe Leistung
nutzt hat. Dies ergab folgende Berechnung: deutlich voneinander abweichen. Gäbe es einen „objek-
tatsächlich gezahlter Preis: € 24.379,11 tiven Wert“ wären Ausschreibungen und somit das ge-
abzüglich Demontagekosten: € 642,60 samte Vergaberecht unnötig, da andernfalls vorab ein
berücksichtigungsfähiger Preis: € 23.736,51 objektiver Wert einer Leistung festgestellt werden könn-
bei 20 Jahren Wertminderung p.a. € 1.168,82 te und die Leistung dann um diesen Preis vergeben wird.
hiervon 50 % € 593,41 So wie auch bei der Berechnung der Preisminderung
Wertminderung für sechs Jahre: € 3.560,46 wäre jedenfalls auch bei der Berechnung des Wertersat-
Dies ergibt damit einen Rückzahlungsanspruch von zes auf das ursprüngliche Austauschverhältnis abzustel-
€ 20.176,05. Dieser Betrag wurde Zug um Zug gegen len. In Deutschland erfolgt die Berechnung daher, aller-
Herausgabe der von der Beklagten auszubauenden Wär- dings aufgrund einer klaren Gesetzeslage, nach den
mepumpe zugesprochen. Grundsätzen der Preisminderung.
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5. Zusammenfassung und
Schlussfolgerungen
1. Nach der Wandlung kommt es zu einer hafteten Leistung zu ermitteln. Zweck des
Rückabwicklung nach bereicherungsrecht- Gewährleistungsrechtes ist die Wiederher-
lichen Grundsätzen, da der Vertrag schuld- stellung der Äquivalenz von Leistung und
rechtlich ex tunc aufgehoben wird. Die Gegenleistung. Würde man von einem
Leistungen sind also wechselseitig zurück- „objektiven Wert“, losgelöst vom Vertrag
zustellen. Grundsätzlich gilt das Zug-um- ausgehen, könnte dies überdies zu Wer-
Zug-Prinzip. tungswidersprüchen führen, wenn statt
2. Gerade beim Bauwerkvertrag ist eine Wandlung Preisminderung gewählt wird.
Rückstellung der Bauleistung oftmals un- Nach der Judikatur des OGH ist aller-
möglich oder untunlich, oder wird von dings auf den objektiven Wert der man-
den Parteien gar nicht gewünscht. Typi- gelbehafteten Sache abzustellen.
scherweise vergehen Jahre bis es zu einer 4. Letztlich liegt die Berechnung des Werter-
Rückabwicklung kommt, sodass jeweils satzes im Ermessen des Gerichtssachver-
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zu prüfen ist, ob für die Zeit bis zur Rück- ständigen, allenfalls auch des Gerichtes
abwicklung Wertersatz zu leisten ist. nach § 273 ZPO, wenn der Sachverstän-
3. Bei der Berechnung des Wertersatzes ist dige keine eindeutigen Antworten bietet.
vom Vertragspreis auszugehen. Vom Ver-
tragspreis ausgehend, ist, wie auch bei der Korrespondenz:
Preisminderung, der Wert der mangelbe- Thomas Frad, Thomas.Frad@kwr.at
Verlag Österreich
Zeitschrift für Recht des Bauwesens 8, 86–88 (2019)
https://doi.org/10.33196/zrb201903008601
ZRB 2019, 86
Beim Werkvertrag wird der Grundsatz „pacta sunt servanda“ durchbrochen, indem dem Bestel-
ler ein Abbestellungsrecht eingeräumt wird. Dem Werkunternehmer – so wird unterstellt –
kommt es ohnehin nur auf das Entgelt an und das erhält er grundsätzlich auch im Falle einer
Abbestellung. Es wird davon ua allerdings das abgezogen, was zu erwerben absichtlich versäumt
wird. Es stellt sich die Frage, ob dadurch eine Art Kontrahierungszwang auferlegt wird, bei dem
nicht der Wille des Werkunternehmers, sondern der hypothetische Wille eines „Maßmenschen“
den Ausschlag geben soll.
Deskriptoren: Privatautonomie, Werkvertrag, Abbestel- ankerten Grundwerte oder sonstige höhere Zwecke
lung, Änderungsbestellung, Kontrahierungszwang; § 1168 gefährdet würden“.6
ABGB. • „Nach der neueren Rechtsprechung des Verfassungs-
gerichtshofes [...] schützt die verfassungsgerichtliche
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
1 Vgl zB Perner in Welser Fachwörterbuch zum bürgerlichen Recht; 5 OGH 6 Ob 55/18h.
Welser/Kletečka Bürgerliches Recht I15 Rz 320 ff. 6 OGH 6 Ob 2/14h.
2 Eine Ausnahme stellt zB der Kontrahierungszwang eines Mono- 7 OGH 9 ObA 56/11t.
polisten dar. 8 VfGH B705/2013.
3 Diese Aussage hat allerdings durch diverse Diskriminierungsver- 9 VfGH B143/09.
bote einschneidende Einschränkungen erhalten: Vgl zB das Gleich-
behandlungsgesetz – GlBG.
4 Auch diese Aussage verfügt nicht über allgemeine Gültigkeit: Die
Verschleuderung von Vermögen kann zB Gegenstand einer An-
fechtung gemäß § 2 lit b Z 4 AnfO werden.
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ZRB 2019 / Heft 3 H. Wenusch, § 1168 (1) ABGB und die Privatautonomie 87
• Der Bauherr bestellt den vereinbarten Schalsteinkel- werb abgesehen – damit wurde jeweils dem Wortlaut
ler ab, weil unvermutet Grundwasser entdeckt wur- des § 1168 (1) ABGB entsprochen. Würde man tatsäch-
de. Stattdessen möchte er vom Bauunternehmer die lich ausschließlich auf die Absichtlichkeit11 abstellen,
Herstellung einer Dichtbetonwanne, was dieser je- würde man dem grundlegenden Prinzip der Privatauto-
doch ablehnt und stattdessen die Bezahlung des ur- nomie Gewalt antun, weil – stark überzeichnet – dem
sprünglich vereinbarten Entgelts verlangt (weil er Unternehmer wohl jede beliebige Leistung aufgezwungen
sich durch die Abbestellung nichts erspart). Dies ver- werden könnte: Selbst wenn er persönlich nicht über die
weigert der Bauherr, der erwidert, dass der Bau- ausreichenden Fähigkeiten verfügt, dann könnte er ja ent-
unternehmer ja absichtlich einen alternativen Er- sprechende Erfüllungsgehilfen engagieren. Auf die Spitze
werb versäumt hat, der sogar weit über dem ur- getrieben: Mit einem Bauhilfsarbeiter kann man auch
sprünglichen gelegen wäre.10 Was ist rechtens? Der einen Vertrag über eine Organtransplantation schließen,
Bauunternehmer, der vom Berufsbild her auch für weil dieser gemäß § 1165 ABGB nicht verpflichtet ist,
die Herstellung der Dichtbetonwanne geeignet „das Werk persönlich auszuführen“ – ein geeigneter Er-
scheint, weigert sich vielleicht nicht aus Bösartigkeit, füllungsgehilfe (hier: Arzt) reicht ...12
sondern weil er nicht über das notwendige Know- Praktisch problematisch ist allerdings auch, dass im Fal-
How verfügt und als „gebranntes Kind“ von den le einer „Änderungsbestellung“ (Ab- mit nachfolgend
Schwierigkeiten weiß, die mit einer „weißen Wanne“ abweichender Neubestellung) wohl jeder Unternehmer
einhergehen können. Einen solchen Vertrag hätte er – berechtigt oder nicht – behaupten könnte, er hätte nie-
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von vornherein niemals abgeschlossen. Freilich: Die mals einen Vertrag über die Errichtung des abgeänder-
Weigerung geschieht in vollem Bewusstsein und da- ten (neuen!) Werks abgeschlossen. Konkret wohl: Er
mit „absichtlich“. hätte diesen Vertrag nur um ein (viel) höheres Entgelt
• Krasser: Ein Bauherr wünscht, dass der Grundriss abgeschlossen.
eines Gebäudes um eine Vierteldrehung gedreht Das Problem erinnert ua an das Irrtumsrecht: Im Falle
wird. MaW: Er bestellt zunächst das zu errichtende einer irrtumsrechtlichen Anfechtung dürfte der Gegner
Gebäude ab. Stattdessen soll der Bauunternehmer häufig versucht sein zu behaupten, er hätte einen Ver-
ein planlich völlig übereinstimmendes Gebäude er- trag mit einem anderen Inhalt niemals abgeschlossen,
richten, dessen Grundriss allerdings um 90° gedreht womit der Irrtum wesentlich wäre und eine Vertrags-
ist (technisch gesehen würden sich durch die Dre- anpassung ausscheiden würde. Die Judikatur behilft
hung keinerlei Erschwernisse oder Behinderungen sich in diesen – und ähnlichen – Fällen mit dem „hypo-
ergeben). Der Bauunternehmer lehnt dies ab und thetischen Parteiwillen“. „[D]abei ist der hypothetische
verlangt das vereinbarte Entgelt (weil er sich durch Parteiwillen zu ermitteln, wie normale Parteien redli-
die Abbestellung nichts erspart): Er habe ein Gelöb- cherweise gehandelt hätten“ (OGH 17.10.1995, 1 Ob
nis abgelegt, dem zu Folge er nur Gebäude errichten 1538/95). „Dabei ist zu beurteilen, welche Entschei-
würde, die über einen Balkon verfügen, der in die dung die Parteien vernünftigerweise nach Treu und
Richtung der heiligen Stätte seines Glaubens zeigt – Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ge-
dies sei durch die Drehung aber nicht mehr der Fall. troffen hätten“ (OGH 13.09.1995, 3 Ob 562/95
Tatsächlich hätte er niemals einen Vertrag abge- (SZ 68/161)).
schlossen, mit dem er gegen sein Gelöbnis verstoßen Es erscheint, dass der hypothetische Parteiwille manch-
hätte. Und wiederum: Der Unternehmer verzichtet mal mit dem gleichgesetzt wird, was „vernünftige“ Per-
absichtlich auf einen alternativen Erwerb ... sonen (wohl: „Maßmenschen“) getan hätten. Zu den
Tatsächlich haben die Unternehmer in den angeführten Beispielen: Es erscheint wohl vernünftig, wenn sich ein
Beispielen ganz absichtlich von einem alternativen Er- Unternehmer weigert, etwas zu versprechen, von dem er
10 Vgl OGH 10.02.2004, 1 Ob 268/03y (veröffentl: SZ 2004/20): nehmers muss nur auf die Ausschlagung der Erwerbsalternative,
„Ein Anspruch nach § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB kann zur nicht auch auf eine Schädigung des Bestellers gerichtet sein“.
Gänze entfallen, wenn der Unternehmer ein gleichwertiges Ersatz- 12 Vgl dazu Krejci in Rummel, ABGB3 § 1166 ABGB Rz 75 (Stand
geschäft „absichtlich versäumt“ hat, bei dem nicht nur die Ver- 1.1.2000, rdb.at): „Ist der Unternehmer nicht zur persönl Ausfüh-
wertung aller die Werkherstellung vorbereitenden Aufwendungen, rung des Werkes verpflichtet, steht ihm die Heranziehung Dritter
sondern auch die Erzielung eines gleichen oder sogar höheren Ge- frei. Wurde dem Unternehmer nicht untersagt, das Werk außerhalb
winns möglich gewesen wäre“. seines eigenen Betriebes herstellen zu lassen, müssen diese Dritten
11 Zur Absicht vgl Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 keine Personen sein, die dem Direktionsrecht des Unternehmers
§ 1168 Rz 36 (Stand 1.1.2018, rdb.at): „Die Absicht des Unter- unterstehen“.
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88 H. Wenusch, § 1168 (1) ABGB und die Privatautonomie ZRB 2019 / Heft 3
weiß, dass er es nicht problemlos erledigen kann. Doch bar ist, eine Beweisfrage im Einzelfall. Das ist vielleicht
ist ein Gelöbnis in der dargestellten Art „vernünftig“? mühsamer als die Feststellung, was ein „Maßmensch“
Und wie sieht es mit Aberglauben aus, der ja vielleicht gemacht hätte, aber unumgänglich.
nicht allzu weit von religiösem Glauben entfernt ist? Nicht ganz einfach ist die Frage nach der Beweislast zu
Ist tatsächlich das Bild eines „Maßmenschen“ entschei- beantworten. In Zusammenhang mit § 1168 (1) ABGB
dend? Gibt es einen solchen überhaupt oder handelt es wird ständig judiziert, dass der Abbesteller eine durch die
sich dabei doch eher um so etwas wie einen „Marsmen- Abbestellung eingetretene Ersparnis des Unternehmers
schen“? beweisen muss.16 Wohl ohne Zweifel muss dies auch da-
Tatsächlich erkennt auch die Judikatur, dass der hypo- für gelten, was der Unternehmer „durch anderweitige
thetische Parteiwille nicht unbedingt das ist, was „ver- Verwendung erworben“ hat – ansonsten würde ein nicht
nünftige“ Parteien vereinbart hätten: „Erst wenn die zu erklärender Widerspruch entstehen. Und Nämliches
Feststellung des hypothetischen Willens der konkreten müsste natürlich auch für das gelten, was der Unterneh-
Parteien unmöglich ist, ist zu fragen, wie normale Perso- mer „zu erwerben absichtlich versäumt hat“. Tatsächlich
nen redlicherweise gehandelt hätten“.13 Der Versuch, wird die Meinung vertreten, dass dies auch völlig unpro-
den hypothetischen Parteiwillen zu eruieren, kommt blematisch sei, „weil sonst der Unternehmer einen Nega-
also, bevor man auf den Maßmenschen (bzw Marsmen- tivbeweis zu erbringen hätte“.17 IdZ drängt sich aller-
schen) zurückgreifen darf. Das entspricht dem hohen dings die Frage auf, wie der Abbesteller beweisen soll,
Stellenwert, der der Privatautonomie grundsätzlich ein- dass der Unternehmer keinen subjektiven Grund für die
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13 OGH 23.04.2003, 9 Ob 247/02t. bare anderweitige Tätigkeit angenommen, [...] wird ihm an-
14 Vgl OGH 28.07.2010, 9 Ob 50/10h (veröffentl: SZ 2010/91): gerechnet, was er zu erwerben versäumt hat“ (Hervorhebung
„Dem Gegner kann aber nicht einseitig ein Vertragsinhalt aufge- durch den Verfasser).
zwungen werden, den er nicht akzeptiert hätte. Ist diese Voraus- Die sonstigen Standardkommentare äußern sich dazu nicht.
setzung gegeben, so kann auch ein wesentlicher Mangel zur Ver- 16 OGH 25.06.2018, 8 Ob 121/17b: „Es ist [...] Sache des Bestellers,
tragsanpassung führen“. konkrete Behauptungen darüber aufzustellen und zu beweisen,
15 So zB was sich der Unternehmer durch das Unterbleiben der Arbeit er-
• Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1168 Rz 36: spart hat (RIS-Justiz RS0021768; RS0112187; RS0021841)“.
(Stand 1.1.2018, rdb.at): „Entscheidend ist nur, dass die ande- 17 Koziol et al ABGB Kurzkommentar5 § 1168 Rz 5.
re Arbeit dem Unternehmer zumutbar gewesen wäre“; 18 OGH 05.06.1991, 1 Ob 642/90 (veröffentl: SZ 64/71).
• Krejci in Rummel, ABGB3 § 1168 ABGB Rz 18: (Stand
1.1.2000, rdb.at): „Hat der Unternehmer keine ihm zumut
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 89
JUDIKATUR
3. Im Falle einer partiellen Verknüpfung der Verträge kann der Generalunternehmer nicht mehr
ein Werk vom Subunternehmer verlangen, welches er selbst dem Besteller nicht mehr zu er-
bringen hat.
4. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 Satz 1 ABGB steht nur bei im Gegenseitigkeits-
verhältnis stehenden Hauptpflichten und äquivalenten Nebenpflichten zu; nicht jedoch bei un-
selbstständigen Nebenpflichten (hier Bautagesberichte bei einem Pauschalpreisvertrag).
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90 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
Ergebnissen führen würde (1 Ob 704/89; 8 Ob 651/93; vom Bauherrn selbst bereits behoben wurden, von die-
6 Ob 550/91; 3 Ob 48/04m = RS0021876 [T9] ua). sem nicht als Mangel angesehen wurden oder gar nicht
So wurde im mehrfach (9 Ob 146/04d; 3 Ob 279/06k; festgestellt werden konnten. Der Bauherr hat seinerseits
3 Ob 35/07d; 5 Ob 48/15d) als „Leitentscheidung“ be- der beklagten Generalunternehmerin – abgesehen von
zeichneten Erkenntnis 1 Ob 704/89 (= JBl 1990, 587) einem Abzug für eine Lieferverzögerung, die aber die
eine solche Verknüpfung schon deswegen als geboten Beklagte selbst zu verantworten hatte – den gesamten
gesehen, als im Subunternehmervertrag ausdrücklich Werklohn bereits bezahlt und die Beklagte auch nie zur
darauf hingewiesen worden war, dass die Vertragsbe- Mängelbehebung aufgefordert. Für ihn bestehen keine
stimmungen sowie die technischen Vorbemerkungen Mängel am Objekt, der Vertrag zwischen ihm und der
gleichlautend wie die des Generalunternehmers sind Generalunternehmerin ist für ihn „abgerechnet und er-
und das Angebot des Generalunternehmers an den Bau- ledigt“.
träger Gegenstand des Subunternehmervertrags wurde. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht da-
Bestand der Bauherr dem Generalunternehmer gegen- her der Vorjudikatur zu vergleichbaren Konstellationen
über nicht auf Verbesserung, sei der bestehende Bauver- und es konnte sich das Berufungsgericht zweifelsohne
trag einvernehmlich abgeändert worden. Diese Abände- an dieser (von ihm auch zitierten) Rechtsprechung
rung des Vertragsinhalts schlage auf den Subunterneh- orientieren. Die Beklagte kann in ihrer Revision nicht
mervertrag insoweit durch, als der Generalunternehmer aufzeigen, welche in seiner Bedeutung über den Einzel-
nun nicht mehr ein Werk fordern könne, das er selbst fall hinausgehende Frage noch unbeantwortet wäre.
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
dem Bauherrn nicht (mehr) zu erbringen hatte. Dies gel- 4. Die Revisionswerberin übersieht offenbar auch, dass
te umso mehr in einem Fall, in dem der Subunternehmer eine Berufung auf mangelnde Fälligkeit wegen Verbesse-
selbst den Verzicht auf Verbesserung herbeigeführt hat- rungsverzugs überdies voraussetzte, dass dem Werk-
te. Im Urteil 9 Ob 146/04t wurde es als unbillig angese- unternehmer die Verbesserung auch ermöglicht wird
hen, wenn der Auftraggeber des Subunternehmers sei- (vgl RS0019929 [T18]). Dass der Bauherr die von der
nerseits trotz einer Leistungsstörung (– sei diese auch Beklagten verlangten Maßnahmen dulden würde, ist
vom klagenden Subunternehmer verursacht –) Zahlung nach den Tatsachenfeststellungen allerdings nicht zu er-
erhält, aber dennoch seinem Auftragnehmer den Werk- warten; die Beklagte behauptete Derartiges auch nicht.
lohn, gestützt auf eine Vertragsverletzung bzw Leis- 5. Eine erhebliche Rechtsfrage vermag die Revisionswerbe-
tungsstörung oder auch wegen einer Leistungsrisikover- rin auch im Zusammenhang mit dem Fehlen von Bauta-
schiebung infolge Zufalls vorenthält. Zuletzt wurde gesberichten und einer Bauführerbestätigung nicht aufzu-
diese Judikatur in der Entscheidung 5 Ob 48/15t fort- zeigen. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags bezieht sich
gesetzt und die Ansicht des damaligen Berufungsge- immer nur auf Pflichten, die zueinander im Austauschver-
richts, die zwischen der Bauherrin und der Beklagten hältnis stehen, also auf Hauptpflichten und die äquivalen-
(als Generalunternehmerin) getroffene Vereinbarung sei ten Nebenpflichten (RS0019902 [T3]). Nur wenn einer
als Verzicht der Bauherrin auf den Anspruch auf Behe- Nebenleistung im Gegenseitigkeitsverhältnis erhebliche
bung der in diesem Verfahren relevanten Mängel aus Bedeutung zukommt, besteht ein Leistungsverweigerungs-
welchem Rechtsgrund auch immer zu werten und diese recht nach § 1052 Satz 1 ABGB (RS0019972). Mit der
Abänderung schlage so weit auf den Subunternehmer Frage, ob ein Gegenseitigkeitsverhältnis bestand, wird in
durch, als der Generalunternehmer vom Subunterneh- der Regel eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502
mer nun nicht mehr ein Werk fordern könne, das er Abs 1 ZPO nicht berührt (RS0019902 [T6]).
selbst dem Bauherrn nicht zu erbringen habe, ausdrück- Anders als in dem der Entscheidung 9 Ob 146/04t zu-
lich gebilligt. Der fünfte Senat hielt eine ausdrückliche grundeliegenden Fall kann die Beklagte eben nicht dar-
Verzahnung der jeweiligen Verträge etwa – wie in dem auf verweisen, dass sich aus dem (damals vorliegenden)
der Entscheidung 1 Ob 704/89 zugrunde liegenden Fall Kontext („Zahlungsbedingungen“) ergebe, dass die
– durch Bezugnahme des Subunternehmervertrags auf Vorlage der Bautagesberichte ein Fälligkeitskriterium
den Generalunternehmervertrag für die (partielle) Ver- darstelle, was bei einem ziffernmäßig festgelegten Werk-
knüpfung der Verträge für nicht notwendig. lohn auch ungewöhnlich wäre. Die rechtliche Beurtei-
3. Im vorliegenden Fall sind nach dem (Subunterneh- lung des Berufungsgerichts, dass solche (und auch eine
mer-)Vertrag zwischen den Streitteilen die Pläne, Details Bauführerbestätigung) gar nicht als Schuldinhalt festge-
und Beschreibung nicht nur der beklagten Auftraggebe- stellt seien und von der Beklagten auch gar nicht vor-
rin, sondern auch die des Architekten und des Bauherrn gebracht worden sei, woraus sich eine solche Verpflich-
als Auftragsgrundlagen und auch sämtliche technische tung ergeben solle, versucht die Beklagte nur mit einem
und rechtliche Bedingungen des Bauherrn, soweit sie auf gegen das Neuerungsverbot verstoßenden Vorbringen
die Leistungen des Auftragnehmers zutreffen, genannt. zu einem „Usus“ (bei den Bautagesberichten) und auf-
Es steht fest, dass die behaupteten Mängel entweder grund von landesgesetzlichen Bestimmungen über eine
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 91
– allerdings den Bauherrn – treffende Verpflichtung zur stätigung das Werk „wertlos“ sei, wie die Revisionswer-
Vorlage einer solchen (bei der Baubehörde) zu bekämp- berin behauptet, ist gänzlich unnachvollziehbar. Zu den
fen. Überdies hat die Behörde dann, wenn der in § 37 fehlenden Bautagesberichten hat zudem schon das Be-
Abs 3 Stmk BauG (LGBl 1995/59 idF LGBl 2015/34) rufungsgericht ohne Fehlbeurteilung bemerkt, dass ein
für bestimmte Vorhaben normierten Pflicht, der Behör- besonderes Interesse daran (im Nachhinein) in Anse-
de die Fertigstellung des Rohbaus, nach Möglichkeit mit hung der Pauschalpreisvereinbarung nicht zu erkennen
gleichzeitiger Bestätigung der konsensgemäßen Ausfüh- ist. Wenn daher das Berufungsgericht – nur für den Fall,
rung durch den Bauführer schriftlich anzuzeigen, vom dass man vom Vorliegen einer solchen Verpflichtung
Bauherrn nicht durch Anschluss dieser Bestätigung bei ausginge – die Auffassung des Erstgerichts teilte, es
der Anzeige entsprochen wird, eine Rohbaubeschau auf handle sich dabei um unselbständige Nebenpflichten,
Kosten des Bauherrn durchzuführen. Dass also ohne Be- bedarf dies keiner Korrektur.
Anmerkung
Von Michael Müller und Christoph Aigner
Die vorliegende Entscheidung gibt einen gu- ralunternehmer – durch besonderes Verhand-
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
ten Überblick über die Judikatur des OGH lungsgeschick – eine besonders günstige Ver-
zum Grundsatz der Trennung der Verträge im einbarung mit dem Bauherrn zu schließen
dreipersonalen Verhältnis Bauherr / General- oder den vollen Werklohn bezahlt zu bekom-
unternehmer / Subunternehmer sowie dessen men, so bedeutet dies nicht, dass er diesen
Durchbrechung in Ausnahmefällen: Vorteil seinem Subunternehmer auch zukom-
Dem Trennungsprinzip zufolge wirken sich men lassen muss. Sohin greift die einschrän-
die tatsächlich geltend gemachten Ansprüche kende partielle Verknüpfung der Verträge nur
des Bauherrn gegenüber dem Generalunter- insoweit regulierend in die bestehenden Ver-
nehmer grundsätzlich nicht auf die unabhän- tragsverhältnisse ein, als dass der General-
gig davon bestehenden Rechte und Pflichten unternehmer nicht mehr ein Werk vom Sub-
zwischen Generalunternehmer und Subunter- unternehmer verlangen kann, welches er
nehmer aus. Dieser Grundsatz kann nach selbst dem Besteller nicht mehr zu erbringen
ständiger Rechtsprechung ausnahmsweise hat. Abgesehen davon stehen dem General-
dann durchbrochen werden, wenn die Leis- unternehmer alle Rechte aus dem geschlosse-
tung des Generalunternehmers und die des nen Werkvertrag mit dem Subunternehmer
Subunternehmers so eng miteinander verbun- weiterhin zu.
den sowie gegenseitig abhängig sind, dass die In einer anderen Entscheidung ist der OGH
strikte Trennung der beiden Rechtsverhält- daher wenig überraschend zum Ergebnis ge-
nisse zu grob unbilligen Ergebnissen führen langt, dass dies auch bei Kostenüberschrei-
würde. Dies setzt weder eine ausdrückliche tungen zu gelten hat (OGH 10.10.1991,
noch eine konkludente Verzahnung der Ver- 6 Ob 550/91): Akzeptiert der Besteller eine
träge, etwa durch einen Verweis im Subunter- beträchtliche Kostenüberschreitung, obwohl
nehmervertrag auf die Bestimmungen des Ge- zuvor keine unverzügliche Anzeige iSd
neralunternehmervertrags, voraus. § 1170a Abs 2 ABGB erfolgt ist, so schlägt
Eine partielle Verknüpfung ist insbesondere dies nicht auf das Vertragsverhältnis General-
dann aus Gründen der Billigkeit geboten, unternehmer / Subunternehmer durch. Dem-
wenn der Bauherr dem Generalunternehmer entsprechend steht dem Generalunternehmer
gegenüber nicht auf Verbesserung besteht. gegenüber seinem Subunternehmer auch das
Dies schlägt insofern auf den Subunterneh- Recht zu, nur unter den Voraussetzungen des
mer durch, als dass der Generalunternehmer § 1170a Abs 2 ABGB einen höheren als den
vom Subunternehmer nun nicht mehr ein vereinbarten Werklohn zahlen zu müssen,
Werk fordern kann, das jener selbst dem Bau- auch wenn seine Ansprüche vom Bauherrn
herrn nicht zu erbringen hat. Ungeachtet des- vollständig erfüllt wurden.
sen kann der Generalunternehmer vom Sub- Konsequenterweise trifft dies wohl auch auf
unternehmer eine angemessene Minderung Vertragsstrafen zu: Ist der Fertigstellungster-
des Entgelts verlangen. Gelingt es dem Gene- min in beiden Vertragsverhältnissen pönali-
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92 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
siert und kommt es zu einem (vom Werk- che Bedeutung zukommt, besteht ein Leistungs-
unternehmer zu vertretenden) Verzug, steht verweigerungsrecht nach § 1052 Satz 1 ABGB.
dem Generalunternehmer auch dann, wenn Stellt im Subunternehmervertrag die Vorlage
der Bauherr ihm gegenüber keine Vertrags- der Bautagesberichte beispielsweise ein vertrag-
strafe geltend macht, ein Anspruch auf Leis- liches Fälligkeitskriterium dar, kann der Gene-
tung der vereinbarten Vertragsstrafe durch ralunternehmer, sollten diese nicht vereinba-
den Subunternehmer zu. Dies insbesondere rungsgemäß übergeben worden sein, die Einre-
auch aufgrund des Umstands, dass dem OGH de des nicht gehörig erfüllten Vertrags erheben
zufolge der Generalunternehmer gegen seinen (OGH 29.06.2005, 9 Ob 146/04t).
Subunternehmer nicht nur eigene Ansprüche Im Unterschied dazu stellen die Bautagesbe-
auf mängelfreie Werkerstellung, sondern al- richte in der vorliegenden Entscheidung kein
lenfalls auch eigene Schadenersatzansprüche Fälligkeitskriterium dar. Darüber hinaus
gegen diesen Subunternehmer wegen Verlet- wurde in der gegenständlichen Angelegenheit
zung der vertraglichen Pflichten aus dem Sub- eine Pauschalpreisvereinbarung getroffen.
unternehmervertrag haben kann. Der OGH teilt aufgrund dieser Umstände die
Ein häufiges Problem in der Praxis ist, dass Ansicht des Berufungsgerichts, dass an den
(elementare) rechtliche Bestimmungen im Ver- fehlenden Bautagesberichten kein besonderes
tragsverhältnis Bauherr / Generalunternehmer Interesse besteht, weswegen es sich lediglich
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
mit zusätzlichen Klauseln ergänzt oder nicht um eine unselbständige Nebenpflicht handelt
vollständig „durchgestellt“ werden, weswegen und dementsprechend kein Leistungsverwei-
im Vertragsverhältnis Generalunternehmer / gerungsrecht besteht.
Subunternehmer etwas anderes gilt als im Ver- In der Entscheidung 5 Ob 43/09y vom
tragsverhältnis Bauherr / Generalunternehmer. 10.11.2009 im Zusammenhang mit dem
Beispielsweise macht es einen erheblichen Salzburger Baupolizeigesetz (BauPolG) ist der
Unterschied, wenn im Subunternehmervertrag, OGH jedoch zu folgendem Ergebnis gelangt:
nicht jedoch im Werkvertrag zwischen Bau- Die Ausstellung einer Bestätigung des Bau-
herrn und Generalunternehmer, die ÖNORM ausführenden oder des Bauführers (soweit ein
B 2110 vereinbart wird. Dies zeigt sich insbe- solcher zu bestellen war) über die der Bewilli-
sondere bei den Haftungsbegrenzungen unter gung gemäße und den Bauvorschriften ent-
Punkt 12.3 der ÖNORM B 2110, denn der sprechende Bauausführung nach § 17 Abs 2
AN haftet bei leichter Fahrlässigkeit bei einer Z 1 Sbg BauPolG ist keine bloß unwesentli-
Auftragssumme über 250.000,00 EUR mit le- che Nebenleistung. Der Hintergrund dafür
diglich 5 % Auftragssumme, jedoch höchstens ist, dass diese Bestätigung notwendige Vor-
mit 750.000,00 EUR. aussetzung für die rechtmäßige Benützung
Der Rechtsprechung des OGH zufolge des Bauwerks ist. Dies gilt auch dann, wenn
kommt jedoch ein „Durchschlagen“ vertrag- die Vertragsteile die Beibringung dieser Bestä-
licher Nebenbestimmungen, die nicht aus- tigung nicht ausdrücklich vertraglich verein-
drücklich oder konkludent in den Subunter- bart haben, weil die Erfüllung dieser gesetzli-
nehmervertrag aufgenommen wurden, kei- chen Vorgabe zumindest nach der Übung des
nesfalls in Betracht. Dazu zählt beispielsweise redlichen Verkehrs als stillschweigend bedun-
auch eine vom – dispositiven – Gesetz abwei- gen anzusehen ist. Infolgedessen war der Bau-
chende Gewährleistungsvereinbarung. herr gemäß § 1052 ABGB berechtigt, den
Im zweiten Teil der Entscheidung setzt sich der Werklohn zurückzubehalten.
OGH mit dem Leistungsverweigerungsrecht Ob es sich um äquivalente oder bloß unwe-
nach § 1052 ABGB auseinander: Dieses steht sentliche Nebenpflichten handelt ist daher –
laut OGH nur bei im Gegenseitigkeitsverhältnis wie so oft in der Juristerei – von den Umstän-
stehenden Hauptpflichten und äquivalenten den des Einzelfalls abhängig, weswegen eine
Nebenpflichten zu, dh nur wenn einer Neben- Abgrenzung in der Praxis nicht immer ganz
leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis erhebli- einfach ist.
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 93
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94 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin, dem Rechtsprechung angenommene Obliegenheit zur Ein-
Beklagten aufzutragen, sicht in die Urkundensammlung einer Klarstellung be-
1. die Bauausführung auf [der dienenden Liegenschaft] darf. Sie ist aber nicht berechtigt.
[...] insoweit zu unterlassen, als das bestehende Ge- 1. Die Klägerin stützt sich auf eine Dienstbarkeit, also
bäude in einer höhenmäßigen oder flächenmäßigen auf ein dingliches Recht. Das Entstehen eines solchen
Ausdehnung erweitert werden solle und dadurch der Rechts an einer Liegenschaft setzt neben einem gültigen
klagenden Partei für deren Haus oder Grund Licht Titel grundsätzlich dessen Einverleibung voraus (Eintra-
und Sonne oder aber der Luftdurchzug weggenom- gungsgrundsatz: § 4 GBG; § 481 ABGB). Eine solche
men oder geschmälert werde bzw werden könnte; Einverleibung ist hier – aus welchem Grund auch immer
2. die bereits errichtete Gartenmauer [...] zu beseitigen – nicht erfolgt.
bzw abzutragen, sodass der klagenden Partei für de- 2. Zwar wird der Eintragungsgrundsatz in gewissen Fäl-
ren Haus oder Grund Licht und Sonne oder aber der len, insbesondere bei einer Ersitzung, durchbrochen. In
Luftdurchzug nicht weggenommen oder geschmä- diesen Fällen entsteht das dingliche Recht auch ohne
lert werde. Einverleibung. Dann – und nur dann – wäre in einem
Zur Begründung stützt sich die Klägerin auf die seiner- zweiten Schritt zu fragen, ob ein Erwerber der dienen-
zeit vereinbarte Bauverbotservitut. Dem Beklagten sei den Liegenschaft auf den – in diesem Fall materiell fal-
diese Servitut bekannt gewesen, zumindest hätte er sie schen, weil die sachenrechtliche Lage nicht richtig wie-
kennen müssen. Zudem sei er zur Einsicht in die Urkun- dergebenden – Grundbuchstand vertrauen durfte. Ein
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
densammlung verpflichtet gewesen, weil das Haupt- solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
buch darauf verwiesen habe. Diese Einsicht hätte den 2.1. Ersitzung setzte im konkreten Fall ein (hier weder
Inhalt der Dienstbarkeit offenbart. Das „Vertrauen auf behauptetes noch festgestelltes) ausdrückliches oder
das Grundbuch“ setze in diesem Fall die Einsichtnahme stillschweigendes Verbot voraus, dem sich der Gegner
voraus. gefügt hätte; das faktische Gewähren von Licht und
Der Beklagte wendet ein, dass seine Liegenschaft bü- Luft reicht für die Annahme von Rechtsbesitz und damit
cherlich nur mit der Reparaturservitut belastet sei. Er für eine mögliche Ersitzung nicht aus (6 Ob 278/06k
habe beim Erwerb auf die Richtigkeit des Grundbuchs mwN; 4 Ob 188/12v). Beurteilte man diese Frage an-
vertrauen dürfen. Die seinerzeit vereinbarte Bauverbot- ders, gäbe es in Österreich zehntausende ersessene Bau-
servitut habe er nicht gekannt. verbotservituten. Aus demselben Grund lag auch keine
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die strittige offenkundige Dienstbarkeit vor, bei der die – im Schrift-
Dienstbarkeit sei nicht verbüchert. Die nicht offenkun- tum teilweise kritisierte (Nachweise bei Spath in Schwi-
dige „außerbücherliche Dienstbarkeit“ müsse der Be- mann/Kodek4 § 481 Rz 12, und Bittner in Klang3 § 481
klagte nicht gegen sich gelten lassen. Er habe sie im Er- Rz 5 f) – Rechtsprechung schon vor Ablauf der Ersit-
werbszeitpunkt nicht gekannt, und es habe auch keine zungsfrist eine Durchbrechung des Eintragungsgrund-
Verdachtsmomente gegeben, aufgrund derer er ver- satzes annimmt (RIS-Justiz RS0003028).
pflichtet gewesen wäre, in die Urkundensammlung Ein- 2.2. Auch die in der Rechtsprechung anerkannte Oblie-
sicht zu nehmen. genheit des Erwerbers einer Liegenschaft, bei Vorliegen
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es eines Hinweises nach § 5 GBG Einsicht in die Urkun-
sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegen- densammlung zu nehmen, führt zu keiner Durchbre-
stands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revi- chung des Eintragungsgrundsatzes. Die insofern ergan-
sion nicht zulässig sei. Es habe keine Verdachtslage be- genen Entscheidungen betrafen allesamt eine andere
standen, aufgrund derer der Beklagte zur Einsicht in die Fallgestaltung.
Urkundensammlung verpflichtet gewesen wäre. Eine (a) Richtig ist, dass der von der Klägerin zitierte Rechts-
Einsicht in den Kaufvertrag hätte nur gefordert werden satz RIS-Justiz RS0060205 die Aussage enthält, dass in
können, um den genauen Inhalt der Reparaturservitut die Urkundensammlung Einsicht zu nehmen sei, „wenn
zu ergründen, nicht aber, um möglichen anderen, durch entweder das Hauptbuch auf die Urkundensammlung
nichts indizierten Dienstbarkeiten nachzuspüren. Dass Bezug nimmt, wenn bei dem in das Hauptbuch Einsicht
der Beklagte die Servitut im Zeitpunkt des Liegen- Nehmenden der Verdacht erweckt werden muss, dass
schaftserwerbs hätte kennen müssen, sei eine bloße Spe- das Hauptbuch und die Urkundensammlung nicht über-
kulation ohne Beweis- und Feststellungssubstrat. einstimmen, oder wenn die Einsichtnahme in die Urkun-
densammlung als verkehrsüblich angesehen werden
Aus den Entscheidungsgründen: muss.“
Die zu diesem Rechtssatz indizierten Entscheidungen
Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentli- bezogen sich allerdings – soweit sie nicht nur hier nicht
che Revision der Klägerin ist zulässig, weil die in der relevante obiter dicta enthielten – ausschließlich auf
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 95
Sachverhalte, in denen ein im Lastenblatt einverleibtes Auch die in der Leitentscheidung des Rechtssatzes
Recht durch die ihm zugrunde liegende Vertragsbestim- RIS-Justiz RS0060205 (5 Ob 4/76 SZ 49/46) genannten
mung konkretisiert wurde und fraglich war, ob ein drit- älteren Entscheidungen hatten, abgesehen von wieder-
ter Erwerber an diese nur im Vertrag enthaltene Kon- um nicht relevanten obiter dicta, nur solche Sachverhal-
kretisierung gebunden war: te zum Gegenstand:
5 Ob 4/76 einverleibtes Vorkaufsrecht, Obliegen- 1 Ob 114/29 einverleibtes Pfandrecht, mangels Hin-
SZ 49/46: heit zur Einsicht verneint. SZ 11/41: weises nach § 5 GBG keine Obliegenheit
7 Ob 563/77 einverleibtes Wohnrecht mit Hinweis zur Einsichtnahme.
SZ 50/61: nach § 5 GBG. 2 Ob 239/34 einverleibtes Pfandrecht, aufgrund be-
7 Ob 528/81 einverleibtes Wohnrecht mit Hinweis SZ 16/93: sonderer Umstände Obliegenheit zur
NZ 1982, 42: nach § 5 GBG auf bestimmten Vertrags- Einsichtnahme bejaht.
punkt; zwar insofern Obliegenheit zur 1 Ob 47/55 einverleibtes Wohnrecht, Obliegenheit
Einsichtnahme, jedoch keine Folgen für SZ 28/68: zur Einsichtnahme wegen des konkreten
dingliche Wirkung eines weiteren dassel- Verdachts, dass Eintragung nicht mit
be Recht betreffenden Vertragspunkts, der Urkunde übereinstimme, bejaht.
auf den nicht verwiesen worden war. 3 Ob 91/70 keine dingliche Wirkung einer Güterge-
7 Ob 650/82: einverleibte Grunddienstbarkeit; Oblie- EvBl 1971/64: meinschaft mangels Einverleibung (Ein-
tragungsprinzip); obiter zu § 5 GBG.
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96 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
bestimmung hingewiesen wird (§ 5 GBG) und daher in- chenrechtliche Frage, ob überhaupt eine Dienstbarkeit
sofern eine Einsicht in die Urkundensammlung geboten entstanden ist, lässt sich daraus nichts ableiten.
ist: Denn der Erwerber muss nicht einmal Beschränkun- (e) Eine Dienstbarkeit (als dingliches Recht) ist daher
gen dieses Rechts, die sich aus einer weiteren, nicht vom nicht entstanden, sodass sich die Klägerin auf keine sa-
Hinweis erfassten Bestimmung desselben Vertrags erge- chenrechtliche Anspruchsgrundlage stützen kann.
ben, gegen sich gelten lassen (7 Ob 528/81). Umso we- 3. Zwar könnte sich ein Unterlassungs- und Beseiti-
niger kann ihn daher die Möglichkeit belasten, dass er gungsanspruch auch auf schuldrechtlicher Grundlage
bei Einsicht in die Urkunde eine Vertragsbestimmung ergeben. Eine Übernahme der Verpflichtung im Weg der
hätte finden können, die zwar zur Begründung eines Einzelrechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0011673) hat die
(anderen) dinglichen Rechts getaugt hätte, aber mangels Klägerin allerdings nicht behauptet, sie lässt sich aus
Einverleibung bis zu seinem Erwerb nicht dazu geführt den Feststellungen auch nicht ableiten. Für eine scha-
hatte. denersatzrechtlich relevante Verletzung eines fremden
(d) An dieser Rechtslage kann auch die von der Klägerin Forderungsrechts fehlen ebenfalls die Grundlagen: So-
zitierte Entscheidung 6 Ob 129/14k nichts ändern. weit die Revision Kenntnis des Beklagten von der sei-
Denn dort war das (sachenrechtliche) Bestehen der nerzeitigen Vereinbarung behauptet, geht sie nicht vom
Dienstbarkeit – aus welchem Grund auch immer – nicht festgestellten Sachverhalt aus. Bloßes Kennenmüssen
strittig gewesen. Unter diesen Umständen kam es tat- könnte nur bei einem besitzverstärkten Forderungsrecht
sächlich nur auf die in dieser Entscheidung erörterten relevant sein (RIS-Justiz RS0113118); ein solches lag
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Fragen (Ausmaß der Dienstbarkeit, Verhältnis zu den hier aber – wie oben dargestellt – mangels Besitzes am
Bauvorschriften) an. Für die hier zu beurteilende sa- Verbotsrecht nicht vor (6 Ob 278/06k). [...]
Anmerkung
Von Diana Seeber-Grimm und Thomas Seeber
§ 5 GBG lautet: erweckt werden muss, dass das Hauptbuch
und die Urkundensammlung nicht überein-
„In das Hauptbuch sind die wesentlichen
stimmen, oder wenn die Einsichtnahme in die
Bestimmungen der bücherlichen Rechte
Urkundensammlung als verkehrsüblich ange-
einzutragen. Lassen sie eine kurze Fassung
sehen werden muss oder wenn sich aus der
nicht zu, so ist im Hauptbuch eine Beru-
Art der Eintragung die Vermutung ergibt, dass
fung auf die genau zu bezeichnenden Stel-
wichtige Nebenbestimmungen zwar in der Ur-
len der Urkunden, die der Eintragung zu-
kunde, aber nicht im Hauptbuch aufscheinen.1
grunde liegen, mit der Wirkung zulässig,
In der vorliegenden Entscheidung hat der
dass die bezogenen Stellen als im Haupt-
OGH jedoch mit begrüßenswerter Zurück-
buch eingetragen anzusehen sind.“
haltung ausgesprochen, dass selbst dann,
Aus der Sonderbestimmung des § 5 Satz 2 wenn den Erwerber einer Liegenschaft eine
GBG folgt, dass eine grundsätzliche Einsicht- Obliegenheit zur Einsichtnahme in die
nahme in die Urkundensammlung nicht gebo- Urkundensammlung trifft, dieser an ein bloß
ten ist. Allerdings gilt der Grundsatz, dass der vereinbartes, aber nicht im Grundbuch ein-
Dritte mangels Hinweises iSd § 5 Satz 2 GBG getragenes und damit sachenrechtlich nicht
auf die Eintragung im Hauptbuch vertrauen entstandenes anderes Recht nicht gebunden
kann, ohne in die Urkundensammlung Ein- ist. Wie der OGH wörtlich sagt, kann den Er-
sicht zu nehmen, nach Lehre und Rsp nicht werber die Möglichkeit, dass er bei Einsicht
lückenlos. Vielmehr besteht eine Pflicht zur in die Urkunde eine Vertragsbestimmung hät-
Einsichtnahme dann, wenn bei dem in das te finden können, die zwar zur Begründung
Hauptbuch Einsicht Nehmenden der Verdacht eines (anderen) dinglichen Rechts getaugt
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 97
hätte, aber mangels Einverleibung bis zu sei- Für die prozessuale Praxis interessant sind die
nem Erwerb nicht dazu geführt hatte, nicht Überlegungen des OGH, dass die Klägerin im
belasten. Alles andere würde den Vertrauens- vorliegenden Fall auch auf schuldrechtlicher
grundsatz, wonach das Vertrauen desjenigen Grundlage einen Unterlassungs- und Beseiti-
geschützt ist, der seine Dispositionen auf den gungsanspruch hätte argumentieren können.
Rechtsschein des Grundbuchs gründet, gera- Da eine Dienstbarkeit (als dingliches Recht) im
dezu konterkarieren. vorliegenden Fall nicht entstanden ist und da-
Noch einen wichtigen Hinweis liefert die vor- mit eine sachenrechtliche Anspruchsgrundlage
liegende Entscheidung iZm Bauverbotservi- nicht zur Verfügung steht, hätte zB eine Über-
tuten: Dazu streicht der OGH hervor, dass nahme der Verpflichtung im Weg der (Einzel)
die Ersitzung einer Bauverbotservitut ein aus- Rechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0011673) argu-
drückliches oder stillschweigendes Verbot vo- mentiert werden können. Auch auf Basis einer
raussetzt, dem sich der Gegner gefügt hätte. schadenersatzrechtlich relevanten Verletzung
Das bloß faktische Gewähren von Licht und eines fremden Forderungsrechts wäre die Klags-
Luft reicht für die Annahme von Rechtsbesitz führung möglich gewesen, allerdings hat das
und damit für eine mögliche Ersitzung hin- Höchstgericht dazu gleichzeitig klargestellt,
gegen nicht aus, sodass ein Bauverbot daher dass bloßes Kennenmüssen nur bei einem be-
nicht (ohne weiteres) konkludent ersessen sitzverstärkten Forderungsrecht relevant ist,
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98 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 99
vom 23. August 2018 sei nicht gegeben. Eine Bauein- erwirken. Dass es auch nach der Novelle LGBl Nr 37/
stellung gehe der Prüfung, ob allenfalls eine Abbruch- 2018 auf den Beginn der Abbrucharbeiten ankommt,
bewilligung erteilt werden könne, voraus. Die Abbruch- zeigt im Übrigen auch der mit der genannten Novelle
arbeiten vor Inkrafttreten der Bewilligungspflicht seien neu geschaffene § 62a Abs 5a WrBauO, der seinem
nicht rechtswidrig gewesen. Im Verfahren zur Erlassung Wortlaut nach ebenfalls auf den Beginn des Abbruches
der Baueinstellung sei lediglich zu prüfen, ob die Maß- abstellt.
nahmen bewilligungspflichtig seien und ob eine Bewilli- Zwar trifft es zu, dass gemäß § 127 Abs 8 lit a und
gung gegebenenfalls vorgelegen sei. Abs 8a WrBauO die Bauführung nicht „weitergeführt“
werden darf, wenn ein Bau ohne Baubewilligung aus-
Die Entscheidung des VwGH: geführt wird. Dies kann aber nur dann gelten, wenn für
den Bau überhaupt eine Baubewilligung erforderlich ist.
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrig- § 127 WrBauO regelt nämlich nicht, wofür eine Baube-
keit seines Inhaltes aufgehoben willigung erforderlich ist. Dies normiert vielmehr § 60
Zunächst ist auf den durch die gegenständliche Novelle WrBauO. Dass im gegenständlichen Fall demnach eine
unverändert gebliebenen Einleitungssatz des § 60 Abs 1 Baubewilligung nicht erforderlich ist, ergibt sich, wie
WrBauO hinzuweisen, wonach bei den in dieser Bestim- bereits ausgeführt, aus dem Einleitungssatz des § 60
mung genannten Bauvorhaben, soweit nicht (u.a.) § 62a Abs 1 WrBauO in Verbindung mit § 62a Abs 1 Z 2
WrBauO zur Anwendung kommt, „vor Beginn“ die Be- WrBauO, und zwar im Hinblick auf den Zeitpunkt des
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willigung der Behörde zu erwirken ist. Eine Regelung Baubeginnes vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl
dahingehend, dass erst nach dem Beginn der Baufüh- Nr 37/2018.
rung eine Baubewilligung einzuholen ist, sofern nicht Eine ausdrückliche Regelung darüber, wie in einem Fall
§ 62a WrBauO zum Tragen kommt, wurde mit der No- wie dem vorliegenden zu verfahren ist, bei dem mit den
velle LGBl Nr 37/2018 nicht geschaffen, obwohl § 62a Abbrucharbeiten vor dem Inkrafttreten der Novelle
und § 60 Abs 1 lit d WrBauO mit dieser Novelle geän- LGBl Nr 37/2018 begonnen wurde, diese aber nach
dert wurden. Auch nach dem Inkrafttreten der Novel- dem Inkrafttreten dieser Novelle noch andauerten, ent-
le LGBl Nr 37/2018 stellt sich die Rechtslage daher so hält die Novelle nicht. Sollte man auf Grund dessen zur
dar, dass die Baubewilligung für den Abbruch, die nach Ansicht gelangen, dass sich dadurch – trotz der obigen
den Regelungen des § 60 Abs 1 lit d WrBauO notwendig Ausführungen – Zweifel ergäben, würde der Grundsatz
ist, „vor Beginn“ des Bauvorhabens (hier: Abbruch) zu der Baufreiheit zum Tragen kommen, nach dem sich be-
erwirken ist, soweit nicht § 62a WrBauO zur Anwen- reits aus dem Eigentum an Grund und Boden ergibt,
dung kommt. dass das Recht zum Bauen als im Zweifel nicht einge-
Die Baubewilligung ist also jedenfalls „vor Beginn“ der schränkt zu beurteilen ist (vgl VwGH 7.6.1979, 2705/
Abbrucharbeiten zu erwirken, dies ist aber dann nicht 78; 24.4.1990, 89/05/0044; 20.6.1995, 94/05/0172).
notwendig, wenn § 62a WrBauO zur Anwendung Auch im Hinblick auf diesen Grundsatz scheidet es aus,
kommt. Bei dem Beginn der gegenständlichen Abbruch- dass im vorliegenden Fall ab dem Inkrafttreten der No-
maßnahmen waren diese nach § 62a WrBauO bewilli- velle LGBl Nr 37/2018 eine Baubewilligung für die Wei-
gungsfrei. Ob eine Baubewilligung erforderlich ist, er- terführung der Baumaßnahmen erforderlich ist, deren
gibt sich nach dem durch die Novelle LGBl Nr 37/2018 Fehlen die gegenständliche Baueinstellung rechtfertigen
unverändert gebliebenen Einleitungssatz des § 60 Abs 1 könnte. Angesichts dieser Ausführungen erübrigt es sich
WrBauO somit aus jener Rechtslage, die bei Beginn der darauf einzugehen, ob eine Verfassungswidrigkeit der
Ausführung des Bauvorhabens (hier des Abbruches) ge- Notwendigkeit der Einholung einer Baubewilligung
golten hat. Im gegenständlichen Fall bestand bei dem nach Baubeginn (insbesondere wegen Verletzung des
somit maßgeblichen Beginn des Abbruches auf Grund Vertrauensschutzes) gegeben sein könnte (vgl dazu
des § 60 Abs 1 WrBauO in Verbindung mit § 62a VfGH 28.2.2002, B 781/00, und Cech, Neues von der
WrBauO keine Verpflichtung, eine Baubewilligung zu Bauordnung für Wien, ZRB 2018, XVI, XVIII).
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100 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
Anmerkung
Von Gerhard Cech
Der VwGH stützt sich in dieser Entscheidung Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung
ausschließlich auf den Wortlaut der WrBauO (VwGH 29.4.1968, 67/67; 20.9.1994, 94/
und auf die Zweifelsregel der Baufreiheit, 05/0109). Diese Rechtsprechung wird durch
lässt dabei aber die Entstehungsgeschichte die vorliegende Entscheidung auch nicht ver-
der Novelle LGBl Nr 37/2018 völlig außer ändert. Insofern kann der Wendung „vor Be-
Betracht. Sie wurde durch einen Initiativan- ginn“ in § 60 Abs 1 WrBauO nicht die Funk-
trag im Landtag ausgelöst, der gerade die lau- tion einer Regelung über den zeitlichen An-
fende Abbruchwelle von Gründerzeithäusern wendungsbereich der Bauvorschriften zu-
in Wien stoppen wollte, also gerade die An- erkannt werden. Dies ist auch auf Grund
wendung auf anhängige Abbrüche erreichen ihrer Stellung mitten in der WrBauO und
wollte. Auch aus systematischer Sicht ergibt nach dem Grundsatz, dass behördliche Ent-
sich, dass Novellen zur WrBauO üblicherwei- scheidungen ohne anderslautende Regelung
se dann, wenn sie nicht auf anhängige Ver- auf den Zeitpunkt ihrer Erlassung bezogen
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fahren oder vor der Novelle begonnene Sach- sind, nicht anders zu erwarten. Das Erkennt-
verhalte Anwendung finden sollen, entspre- nis ist somit ausschließlich auf die Neuein-
chende Übergangsbestimmungen enthalten, führung einer Bewilligungspflicht bezogen.
sodass aus dem Fehlen einer solchen Über- Mit der Verwendung des Grundsatzes der
gangsbestimmung auch der Schluss gezogen Baufreiheit fördert der VwGH die oft beklagte
hätte werden können, dass die Novelle sehr Normenflut im Baurecht. Wenn Bauvorschrif-
wohl auch auf anhängig Abbrüche anzuwen- ten im Zweifel so auszulegen sind, dass sie we-
den wäre. Insofern hätte keine Notwendig- niger einschränken, bleibt dem Gesetzgeber,
keit bestanden, auf die Zweifelsregel der Bau- der ein bestimmtes Schutzniveau erreichen
freiheit auszuweichen. möchte, keine andere Wahl, als kasuistische
Es ist auch anerkannt, dass Baubewilligungen Bestimmungen über alle möglichen Anwen-
nachträglich erteilt werden können (so aus- dungsfälle, auch über den zeitlichen Anwen-
drücklich § 129 Abs 10 WrBauO) und in die- dungsbereich, zu treffen. Eine etwas großzügi-
sem Fall die Rechtslage im Zeitpunkt der gere Auslegungspraxis würde dagegen viel an
Baubewilligung maßgeblich ist und nicht die Detailregelungen sparen.
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 101
1 Dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt von Dr. Bernhard Wörgötter, RA in St. Johann in Tirol.
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102 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
Mit der tatsächlich angebrachten Deckenunterkon ten des Austauschs des Estrichs einschließlich des Aus-
struktion wurde der Trittschall nicht verbessert, sondern tauschs der 6,5 cm dicken Styroloseschüttung durch
sogar verschlechtert. eine ebenso dicke Kiesschüttung. Weiters würden sie
Mit einer abgehängten, trittschallschluckenden Decken- unter anderem den Ersatz der Kosten verlangen, die
unterkonstruktion wären die Anforderungen der mit dem Abbruch der starren Deckenunterkonstruk-
ÖNORM B 8115 – auch bei einer 6,5 cm hohen Styro- tion verbunden seien.
losefüllung – erfüllt worden. Darauf hat der Beklagte Die Kläger hätten demnach Anspruch auf Ersatz der
nicht hingewiesen. notwendigen Kosten der tatsächlich vorgenommenen
Aus dem Titel der Gewährleistung und des Schaden- Sanierung des vom Beklagten ausgeführten Estrichbo-
ersatzes begehrten die Kläger letztlich die Zahlung von dens durch Einbringung einer den Trittschallpegel im
34.174,21 s.A. und brachten zusammengefasst vor, der Haus zumindest um 3 dB senkenden und damit den
Beklagte habe in ihrem Haus Estrichböden verlegt. Da- Schallkomfort steigernden Kiesschüttung statt einer Sty-
bei habe er zugesichert, die ÖNORMen einzuhalten. In roloseschüttung in derselben Höhe von 6,5 cm.
der Folge habe sich aber herausgestellt, dass der vom Ein ausreichender Trittschallschutz sei zwar bei dieser
Beklagten verlegte Estrich aus seinem Verschulden we- Sanierung nur in Kombination mit einer richtig ausge-
der dem Stand der Technik noch den ÖNORMen ent- bildeten Unterdecke gegeben. Allerdings wären die Kos-
sprochen habe. Die von den Klägern vorgenommene ten des Einbaus einer schalldämpfenden Deckenunter-
Ersatzvornahme (Verlegung eines Estrichbodens mit konstruktion für die Kläger auch dann angefallen, wenn
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einer Kiesschüttung sowie die Herstellung einer neuen der Beklagte von Anfang an eine Kiesschüttung in Höhe
abgehängten Decke) sei der einzige Weg gewesen, um von rund 6,5 cm unter dem Estrich eingebracht hätte.
die Situation zu verbessern. Davon abgesehen sei eine derartige Deckenunterkon-
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte truktion nicht Gegenstand des seinerzeitigen Werkver-
Klagsabweisung und wendete ein, dass er den bestellten trages mit dem Beklagten gewesen. Ein Kostenersatz
Estrich ÖNORM-gerecht und sach- und fachgerecht hiefür komme daher nicht in Betracht.
verlegt habe. Er habe einen Estrich samt Styroloseschüt- Der Beklagte habe die Kläger nicht davor gewarnt, dass
tung angeboten und eingebracht. Selbst bei Einbau einer sie zur Erreichung der Trittschalldämmung laut
Kiesschüttung wäre eine richtig funktionierende, von ÖNORM B 8115 eine elastisch abgehängte, hohlraum-
unten abgehängte Decke erforderlich gewesen. Dies sei bedämpfte Unterdecke anbringen müssen. Die nur
ja auch der Umstand, dass die Kläger nunmehr trotz ein- durch die unterlassene Warnung notwendig geworde-
gebrachter Kiesschüttung eine elastisch abgehängte De- nen Kosten der Entfernung der starren Unterdecken-
cke angebracht hätten. konstruktion im Betrag von 500,-- habe der Beklagte
den Klägern zu ersetzen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen: Hätte der Beklagte den mit den Klägern abgeschlosse-
nen Werkvertrag ordnungsgemäß erfüllt, wäre eine Sa-
Das Erstgericht hat die Klagsforderung mit 29.975,78 nierung nicht notwendig gewesen und hätten die Kläger
als zu Recht bestehend festgestellt. keinen Mietausfall erlitten.
Rechtlich gelangte das Erstgericht zunächst zum Ergeb- Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattge-
nis, dass die mangelhafte Werkleistung dem Beklagten benden Teil gerichteten Berufung des Beklagten ledig-
vorwerfbar sei, da er als Fachmann im Sinne des § 1299 lich teilweise Folge.
ABGB einen Fußbodenaufbau gewählt habe, der nicht Zunächst könne es keinem Zweifel unterliegen, dass der
den vereinbarten, ÖNORM-gerechten Trittschallpegel Beklagte verpflichtet gewesen sei, die von ihm übernom-
von 48 dB habe gewährleisten können. Er hafte daher menen Estricharbeiten ÖNORM-gerecht auszuführen.
nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen für das Er- Wenn auch das Erstgericht keine explizite Feststellung
füllungsinteresse. Dieses umfasse bei Behebbarkeit des hiezu getroffen habe, so ergebe sich aus der „Auftrags-
Mangels und Verbesserungsverzug bzw -verweigerung bestätigung“ des Beklagten, dass die von ihm angebote-
des Schuldners die Kosten der Verbesserung. nen Leistungen den Bestimmungen der ÖNORM ent-
Demnach hätten die Kläger grundsätzlich Anspruch sprechen würden.
auf Ersatz jener Kosten gehabt, die zur Herbeiführung Das bedeute, dass der Beklagte allein mit seinem Est-
eines vertragskonformen Zustandes aufzuwenden ge- richaufbau, ohne Berücksichtigung der Deckenunter-
wesen wären. Diese Kosten würden jedoch gar nicht konstruktion, einen Trittschallpegel von 48 dB habe er-
geltend gemacht. Die Kläger würden im vorliegenden reichen müssen. Dieser Trittschallpegel sei aber weder
Verfahren vielmehr jene Kosten fordern, die durch mit einer Styroloseschüttung in einer Stärke von 6,5 cm,
konkret vorgenommene Sanierungsmaßnahmen ent- noch mit einer Kiesschüttung in derselben Stärke er-
standen seien. Diese bestünden zum einen in den Kos- reichbar gewesen.
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 103
Nur bei Aufbringung einer Schüttung unter Verwen- die Kläger auf die Notwendigkeit einer elastisch abge-
dung von Kies mit einer Höhe von 10 cm hätte der hängten, hohlraumbedämpften Unterdecke hinzuwei-
ÖNORM-gerechte Trittschallpegel von 48 dB gerade sen. Der Beklagte sei Estrichleger und kein Bauphysiker
erreicht werden können, was aber erhebliche Umbau- und habe daher nicht für das Fehlen bauphysikalischer
arbeiten erfordert hätte. Kenntnisse einzustehen. Somit könne dem Beklagten
Es liege somit ein Fall eines „widersprüchlichen Werk- diesbezüglich keine Warnpflichtverletzung vorgeworfen
vertrages“ vor, weil im Vertrag mit der Zusage einer werden. In teilweiser Stattgebung der Berufung sei da-
ÖNORM-gerechten Ausführung und der vom Beklag- her ein Teilbetrag von 500,- s.A. abzuweisen gewesen.
ten vorgeschlagenen Herstellungsart (6,5 cm Styrolose- Im Übrigen sei das Ersturteil zu bestätigen gewesen.
schüttung) Details festgelegt worden seien, die einander Nach einem entsprechenden Abänderungsantrag wurde
in Wahrheit ausschlössen. In einem solchen Fall des un- die Revision vom Berufungsgericht nachträglich zuge-
heilbar widersprüchlichen Werkvertrags sei daher von lassen.
anfänglicher Unmöglichkeit auszugehen, die jedenfalls
immer dann vom Unternehmer zu vertreten sei, wenn er Aus den Entscheidungsgründen:
das ungeeignete Material oder die mit dem Vertrags-
zweck (Funktion) in Widerspruch stehende Herstel- Die Revision des Beklagten wird mangels Aufzeigens
lungsart vorgeschlagen habe. einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu-
Die schadenersatzrechtlichen Konsequenzen einer der- rückgewiesen.
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artigen Konstellation entsprächen jenen einer Warn- Der Oberste Gerichtshof sprach schon mehrfach aus,
pflichtverletzung im Sinne des § 1168a ABGB. Somit sei dass sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der
der Beklagte verpflichtet gewesen, die Kläger bereits bei Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508
den Vertragsverhandlungen darauf hinzuweisen, dass Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen
der von ihm zugesagte ÖNORM-gerechte Trittschallpe- darf und sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung
gel von 48 dB weder mit einer 6,5 cm dicken Styrolose- mit den Antragsargumenten sachlich – wenngleich kurz
schüttung, noch mit einer ebensolchen aus Kies erreicht – auseinanderzusetzen hat, darf es doch einem solchen
werden könne, sondern dass dieser Trittschallpegel aus- Antrag nur stattgeben, wenn es ihn für stichhältig hält
schließlich mit einer 10 cm dicken Kiesschüttung er- (RIS-Justiz RS0112166; RS0111729). Hier lässt das Be-
reichbar sei, womit jedoch erhebliche Mehrkosten für rufungsgericht diese Auseinandersetzung vermissen. Sei-
die Kläger verbunden gewesen wären. nen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, worin die
Im Rahmen des Schadenersatzes sei der Besteller so zu erhebliche Rechtsfrage bestehen soll.
stellen, wie er stünde, wenn der Unternehmer seiner Auch in der Revision des Beklagten wird keine für die
Warnpflicht entsprochen hätte. Lösung des Falls erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1
Wie die Kläger bei entsprechender Warnung des Beklag- ZPO aufgezeigt.
ten reagiert hätten, stehe nicht fest. Angesichts der er- 1. Richtig ist zwar, dass im vorliegenden Fall kein „wi-
heblichen Umbaukosten sei den Klägern aber zu unter- dersprüchlicher“ Werkvertrag vorliegt. Darauf haben
stellen, dass sie sich für die Variante entschieden hätten, sich die Kläger im Verfahren auch nicht berufen. Ein
die sie letztendlich auch tatsächlich gewählt haben. Es „widersprüchlicher“ Werkvertrag wäre nur dann anzu-
sei zwar richtig, dass auch mit der Aufbringung einer nehmen, wenn eine bestimmte Ausführung des Werks
6,5 cm dicken Kiesschüttung nicht ein ÖNORM-ge- vereinbart wird, die aber aufgrund der konkreten Ver-
rechter Trittschallschutz hätte erreicht werden können. hältnisse nicht geeignet ist, den (zumindest implizit) be-
Dennoch hätten die Kläger mit dem Austausch des dungenen Zweck zu erfüllen (4 Ob 96/16w Pkt 1.2.; vgl
Schüttmaterials eine Verbesserung des Trittschallschut- 2 Ob 230/17p Pkt 1.1.a). Dies ist hier nicht der Fall.
zes um ca 3 dB erzielen können und hätten somit – unter Die Kläger haben für ihr Haus mit sechs Wohnungen
Außerachtlassung einer Deckenunterkonstruktion – den beim Beklagten die notwendigen Estricharbeiten [be-
unter den gegebenen Voraussetzungen bestmöglichen stellt]. Grundlage diese[r Bestellung] war ein Anbot des
Trittschallschutz erreicht. Für diese Kosten habe der Be- Beklagten, in dem eine Styroloseschüttung vorgesehen
klagte aufgrund seiner Warnpflichtverletzung einzuste- war. Nicht festgestellt werden konnte, dass zwischen
hen. den Parteien über die Vor- oder Nachteile einer Kies-
Zutreffend habe das Erstgericht auch eine Haftung des schüttung gegenüber einer Styroloseschüttung gespro-
Beklagten für die entgangenen Mietzinse bejaht. Die chen wurde. Der Beklagte sicherte in seiner Auftragsbe-
Wohnungen hätten erst nach dem Estrichaustausch wie- stätigung zu, dass die angebotenen Leistungen den Be-
der vermietet werden können. stimmungen der ÖNORM entsprechen.
Nicht beigepflichtet werden könne dem Erstgericht je- Unter Außerachtlassung der von den Klägern erst nach
doch darin, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, Beendigung der Tätigkeit des Beklagten errichteten De-
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104 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
ckenunterkonstruktion konnte der Beklagte mit dem hin durchgeführten Verbesserung durch einen Dritten,
von ihm vorgeschlagenen und tatsächlich ausgeführten also die Kosten der Ersatzvornahme bzw das Deckungs-
Fußbodenaufbau den Trittschallschutz entsprechend kapital in Betracht (RIS-Justiz RS0086353 [T3]). Da-
der ÖNORM B 8115 (Trittschallpegel maximal 48 dB) durch, dass die Kläger nur die geringeren Kosten für
nicht erfüllen. Die Konstruktionshöhe des Fußbodens eine teilweise Verbesserung des vom Beklagten schuld-
mit der tatsächlich vorgenommenen Styroloseschüttung haft verursachten Mangels und nicht die höheren Kos-
in Höhe von 6,5 cm war zu gering. Mit einer Kiesschüt- ten für eine gänzliche Mängelbehebung begehrten und
tung wäre zwar ein um ca 3 dB höherer Trittschallschutz zugesprochen erhielten, kann sich der Beklagte nicht be-
erreichbar gewesen als mit der Styroloseschüttung. Nur schwert erachten. Fest steht jedenfalls, dass durch die
wenn aber die Schüttung statt mit einer Höhe von teilweise Ersatzvornahme der Kläger eine Verbesserung
6,5 cm mit einer Höhe von 10 cm und unter Verwen- des Mangels in einem bestimmten, aufgrund der kon-
dung von Kies anstelle von Styrolose aufgebracht wor- kreten Umstände nicht unerheblichen Ausmaß erreicht
den wäre – dies wäre im konkreten Fall auch möglich werden konnte (vgl 4 Ob 44/14w).
gewesen –, hätte dies zusammen ausgereicht, um – ohne 3. Bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit des Ver-
Berücksichtigung der Deckenunterkonstruktion – den besserungsaufwands ist nicht allein die Höhe der Behe-
Trittschallpegel von 48 dB nicht zu überschreiten und bungskosten ausschlaggebend, sondern es ist vor allem
damit die ÖNORM B 8115 einzuhalten. auf die Wichtigkeit einer Behebung des Mangels für den
Die Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlosse- Werkbesteller Bedacht zu nehmen. Wenn sich der Mangel
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nen Werkvertrags ergibt hier, dass die konstruktive Leis- eher nur als geringer Nachteil im Gebrauch darstellt,
tungsbeschreibung für die Kläger als Werkbesteller kei- können schon verhältnismäßig geringe Behebungskosten
ne besondere Bedeutung hatte. Es ist offenkundig, dass „unverhältnismäßig“ sein, wenn der Mangel den Ge-
das Interesse der Kläger ausschließlich auf die Herstel- brauch aber hingegen entscheidend beeinträchtigt, dann
lung eines ÖNORM-gerechten Estrichs samt Unterbau sind auch verhältnismäßig hohe Behebungskosten noch
gerichtet war und für sie das verwendete Material un- kein Grund, die Verbesserungskosten als unverhältnismä-
erheblich war. Es oblag ausschließlich dem beklagten ßig anzusehen (RIS-Justiz RS0022044). Ob diese Voraus-
Werkunternehmer, mit der konkreten Ausgestaltung des setzung im Einzelfall vorliegt, hängt jeweils von den kon-
Werks seine vertragliche Leistungspflicht zu erfüllen kreten Umständen des zu beurteilenden Falls ab, denen
(vgl 4 Ob 96/16w Pkt 1.3.). keine über diese hinausgehende Bedeutung zukommt
Auf dieser Grundlage stellen sich die vom Revisionswer- (7 Ob 29/15p; RIS-Justiz RS0022044 [T18]).
ber angesprochenen Fragen der Vertragsanpassung und Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen
das Problem der Sowieso-Kosten nicht, weil in Wahrheit des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspiel-
Schlechterfüllung vorliegt, die hier zu Gewährleistungs- raums. Dabei ist hier wesentlich, dass einige der von den
und Schadenersatzansprüchen führt (vgl 2 Ob 230/17p Klägern errichteten (hochwertigen) Wohnungen auf-
Pkt 1.1.b). grund der mangelnden Schalldämmung vor der Verbes-
2. Der vom Berufungsgericht erfolgte Zuspruch der von serung durch die Kläger nicht bewohn- bzw vermietbar
den Klägern aufgewendeten Kosten für die Einbringung waren, weshalb die vorgenommenen Verbesserungs-
einer Kiesschüttung anstelle der Styroloseschüttung in arbeiten unumgänglich und von wesentlicher Bedeu-
derselben Höhe von 6,5 cm steht nicht in Widerspruch tung für die Kläger waren.
zur ständigen Rechtsprechung. Unterlässt der Werk- 4. Die Überlegungen der Revision zum Mitverschulden
unternehmer seine Verbesserung, so muss er den Werk- des Werkbestellers im Rahmen der „geteilten Gewähr-
besteller so stellen wie er stünde, wenn er ordnungsge- leistung“ im Falle einer Warnpflichtverletzung des
mäß erfüllt hätte. Es steht demnach das Erfüllungsinter- Werkunternehmers (§ 1168a ABGB) sind für den kon-
esse zu. Als Schaden kommen auch die Kosten einer kreten Fall nicht relevant. Dem Beklagten wird keine
vom Werkbesteller selbst oder auf seine Veranlassung Warnpflichtverletzung vorgeworfen.
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ZRB 2019 / Heft 3 judikatur 105
Anmerkung
Von Hermann Wenusch
„Ein „widersprüchlicher“ Werkvertrag wäre informative Beschreibung und Kalkulations-
nur dann anzunehmen, wenn eine bestimmte grundlage“ (OGH 27.08.2015, 1 Ob 132/15s).
Ausführung des Werks vereinbart wird, die Es stellt sich weiters die Frage, ob es eine Ka-
aber aufgrund der konkreten Verhältnisse tastrophe wäre, wenn man unterstellt, dass
nicht geeignet ist, den [...] bedungenen eben gar kein Vertrag abgeschlossen wurde:
Zweck zu erfüllen [...]. Dies ist hier nicht der Schadenersatz kann dann wohl in contrahen-
Fall“. do gefordert werden ...
Also wenn der der Entscheidung zu Grunde Problematisch an der hier besprochenen Ent-
liegende Werkvertrag(stext) kein wider- scheidung – die freilich als bloßer Zurückwei-
sprüchlicher ist, was denn bitte dann? Der sungsbeschluss nicht in aller Tiefe begründet
Unternehmer bietet gleichzeitig eine Kon ist – ist zweierlei:
struktion (in den Worten der Entscheidung: Die Betonung liegt wohl etwas zu stark auf
„Ausführung des Werks“) und eine Funktion dem, was die Kläger wollten. Eher kommt es
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(in den Worten der Entscheidung: „Zweck“) darauf an, was der Empfänger deren Erklä-
an, die sich aber gegenseitig ausschließen, rungen redlicher Weise verstehen durfte. An-
und der Besteller nimmt dieses Angebot an. gedeutet wird dies natürlich durch die Wen-
Widersprüchlicher geht‘s wohl nicht mehr ... dung „Es ist offenkundig, dass das Interesse
Ganz streng genommen kann es wohl über- der Kläger [...]“.
haupt keine widersprüchlichen Verträge ge- Interessanter scheint der festgestellte Ablauf
ben, weil ein Abschluss wegen Dissens (wenn der Dinge: „Die Kläger entschieden sich
die Erklärungen der beiden Parteien wider- schließlich für das Anbot des Beklagten und
sprüchlich sind) oder Absurdität (wenn die bestellten bei diesem die Durchführung der
Erklärungen einer Partei widersprüchlich Estricharbeiten in ihrem Objekt. In der „Auf-
sind) gar nicht erfolgen kann. So gesehen tragsbestätigung“ des Beklagten sicherte die-
wäre das Urteil richtig: Wenn ein Vertrag ab- ser zu, dass die angebotenen Leistungen den
geschlossen wurde, kann der Inhalt nicht wi- Bestimmungen der ÖNORM entsprechen“.
dersprüchlich sein. Gemeint ist in der hier be- Der Vertrag kam mit der Annahme des An-
sprochenen Entscheidung aber nicht „der gebots zu Stande – die ÖNORMen sind of-
Vertrag“, sondern „der Vertragstext“ – dies fensichtlich erst danach ins Spiel gekommen
sollte immer unterschieden werden ... – der beklagte Werkunternehmer hat deren
In der Tat lassen sich viele Widersprüche im Einhaltung erst nachträglich in der Auftrags-
Wortlaut – die sich vor allem in der Baupraxis bestätigung zugesagt! Dies erinnert an OGH
häufig finden – leicht mittels Vertragsausle- 23.01.2001, 7 Ob 265/00x: Dort hat der
gung aus der Welt schaffen: Die Widersprüche Unternehmer nach mündlichem Vertragsab-
bestehen nämlich sehr oft nur dann, wenn schluss einen für ihn viel ungünstigeren Ver-
man „am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks“ tragstext unterschrieben, ohne davon irgend-
haftet – und somit § 914 ABGB negiert. wie zu profitieren – „Ein Novationswille der
Es stellt sich aber die Frage, ob es nicht allzu Parteien ist, wenn der Werkunternehmer den
weit geht, sämtliche konstruktiven Einzelheiten Vertrag bloß unbeanstandet unterfertigt,
so einfach in den Bereich der völligen Unwe- nicht zu erkennen“.
sentlichkeit zu verdammen, wie dies der OGH Nun könnte man vielleicht trotzdem sagen,
tut: Die „konstruktive Leistungsbeschreibung dass gegenständlich – aus welchem Grund
[hatte] für die Kläger als Werkbesteller keine auch immer – eine einseitige „Verschärfung“
besondere Bedeutung. Es ist offenkundig, dass möglich sei (vgl dazu etwa sinngemäß OGH
das Interesse der Kläger ausschließlich auf die 23.10.1975, 7 Ob 188/75: „Die Vertragsstra-
Herstellung eines ÖNORM-gerechten Estrichs fe kann sowohl bei Vertragsabschluß als auch
samt Unterbau gerichtet war“ (in der bespro- nachträglich vereinbart werden, wobei die
chenen Entscheidung) oder „[D]ie „konstrukti- Wechselseitigkeit einer solchen Vereinbarung
ve Leistungsbeschreibung“ [diente] lediglich als grundsätzlich nicht erforderlich ist“). Nur
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106 judikatur ZRB 2019 / Heft 3
wurde im hier besprochenen Verfahren nie- ist wohl nicht fraglich, dass einseitig keine die
mals bedacht, das ÖNORMen sehr oft auch Gegenseite belastende Vertragsänderung vor-
für den Besteller ungünstige Regelungen ent- genommen werden kann. Jetzt könnte man
halten: Das beginnt bei Abrechnungsregelun- natürlich argumentieren, dass die gegen-
gen („hohl für voll“ – dh Ausnehmungen ständlich nachträgliche Zusage der Einhal-
werden nicht abgezogen), geht über Be- tung der ÖNORMen bloß so zu verstehen ist,
schränkungen des Schadenersatzes und reicht dass nur die belastenden Regelungen gelten
bis zu vielleicht unerwünschten (weil unnot- würden – aber irgendein Wort sollte man
wendig teuren) „Sicherheitszuschlägen“. Es dazu schon verlieren ...
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ZRB 2019 / Heft 3 Bücherliste 107
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108 Herausgeber/SCHRIFTLEITUNG/STÄNDIGE MITARBEITER ZRB 2019 / Heft 3
HERAUSGEBER
Univ.-Prof. i. R. Dr. Manfred P. Straube Univ.-Prof. Dr. Alexander Schopper
Er war über 30 Jahre lang Mitglied (ab 1992 Studium der Rechtswissenschaften in Wien, Brüs-
Vorstand) des Instituts der Rechtswissenschaften sel und London. Anschließend Assistent an der
der TU Wien. Ab 2002 (bis zur Emeritierung Universität Wien, 2008 Habilitation an der Univer-
2010) Mitglied und zeitweiliger Vorstand des sität Wien. Nach Absolvierung der Gerichtspraxis
Instituts für Unternehmens- und Wirtschafts- hauptberufliche Tätigkeit als Of Counsel bei
recht der Universität Wien. Seine Literatur- DORDA Rechtsanwälte GmbH. Seit 2011 Inhaber
schwerpunkte liegen im Unternehmens- und Ge- eines Lehrstuhls und seit 2015 Vorstand des Insti-
sellschaftsrecht sowie im Bauvertragsrecht. tuts für Unternehmens- und Steuerrecht an der
prof.straube@gmail.com Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Mitglied
des Vorstands der Österreichischen Gesellschaft
für Baurecht und Bauwirtschaft (ÖGEBAU).
Alexander.Schopper@uibk.ac.at
Vizerektor für Lehre und Leiter des Fachbereichs Rechtsanwalt in Wien sowie ausgebildeter Bau-
für Unternehmens-, Gesellschafts- und Kapital- techniker mit mehrjähriger Praxiserfahrung.
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SCHRIFTLEITUNG
Univ.-Prof. Dr. Alexander Schopper (siehe oben)
RA Ing. DDr. Hermann Wenusch (siehe oben)
Die ZRB wurde von em. o. Univ.-Prof. Dr. iur. Heinz Krejci (†) mitbegründet.
STÄNDIGE MITARBEITER
SR Dr. Gerhard Cech (Leiter der MA 37) Dr. Michael Müller, Bakk.
gerhard.cech@wien.gv.at michael.mueller@wolftheiss.com
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ZRB 2019 / Heft 3 Autoren 109
AUTOREN
Studium der Rechtswissenschaften in Wien und ist Rechtsanwalt bei WOLF THEISS. Er hat sich
Post-Graduate-Studium für Europarecht an der auf die projektbegleitende rechtliche Beratung
Donau-Universität Krems. Seit 1993 Tätigkeit im von Bauprojekten (insbesondere Tunnel- und Ka-
Magistrat der Stadt Wien, unter anderem im Ver- vernenbau, Kraftwerksbau, Infrastrukturprojekte
fassungsdienst. Mitautor des Kommentares zur und Wohnbau) und auf die Führung von Baupro-
Wiener Stadtverfassung. Seit 2005 Leiter der zessen spezialisiert. Darüber hinaus beschäftigt er
MA 37 - Baupolizei. sich intensiv mit den rechtlichen Fragestellungen
gerhard.cech@wien.gv.at im Zusammenhang mit „Building Information
Modeling (BIM)“. Weiters ist er Generalsekretär
der Österreichischen Gesellschaft für Baurecht
und Bauwirtschaft (ÖGEBAU).
michael.mueller@wolftheiss.com
ist Managing Partner von KWR Karasek Wie- Als Richterin derzeit der Zivilrechtssektion des
trzyk Rechtsanwälte GmbH und leitet dort den Bundesministeriums für Verfassung, Reformen,
Bereich Dispute Resolution. Er ist insbesondere Deregulierung und Justiz dienstzugeteilt. Tätig-
im Bereich Gewährleistungs- und Schadenersatz- keitsschwerpunkte im Vertragsversicherungsrecht,
recht tätig. Dr. Frad ist neben seiner anwaltlichen Gerichts- und Justizverwaltungsgebührenrecht,
Tätigkeit regelmäßig Schiedsrichter und zugelas- Verjährungs- und Stellvertretungsrecht; langjähri-
sener FIDIC-Dispute Adjudicator. ge Erfahrung im Bau- und Bauträgervertragsrecht
thomas.frad@kwr.at sowie Miet- und Wohnrecht. Vortragende im Rah-
men der Grundausbildung der Familien- und Ju-
gendgerichtshilfe, Autorin zahlreicher Fachpubli-
kationen.
Diana.Seeber-Grimm@bmvrdj.gv.at
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stand: Verlegung von Büchern und Zeitschriften, Informationsdienstleis - Schopper@uibk.ac.at); wir bitten Sie, sich an die „Abkürzungs- und Zitier-
ter. Geschäftsanschrift: Bäckerstraße 1, 1010 Wien, Tel: +43-1-610 77-0, regeln (AZR)“ von FRIEDL/LOEBENSTEIN6 (2008) zu halten.
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Rotta (50 %), Sibylle Wessinger (12,5 %), Dr. Benjamin Wessinger (12,5 %), UrhG). Die Einreichung des Manuskripts gilt als diesbezügliche Erklärung
Simon Wessinger (12,5 %), Jakob Wessinger (12,5 %). Anwendbare berufs- des Einverständnisses zur Einräumung sämtlicher Rechte durch den Autor/
rechtliche Vorschriften: Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), abrufbar die Autoren. Mit dem für Abhandlungen und druckfertige Entscheidungen
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für den 1. Bezirk, Zugehörigkeit: Wirtschaftskammer Österreich. ist die Übertragung sämtlicher Rechte abgegolten. Zugleich erlischt damit
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Bestellung: +43 (01) 680 14-0, order@verlagoesterreich.at wahrgenommenen Rechte und gesetzlichen Vergütungs- und Beteiligungs-
Grundlegende Richtung: Wissenschaftliche Fachzeitschrift für Baurecht. ansprüche gelten deren Verteilungsbestimmungen.
Erscheinungsort: Wien. Haftungsausschluss: Alle Angaben in diesem Werk erfolgen ohne Gewähr.
Manuskripte und Zuschriften für den Heftbereich Praktisches bitte an RA Eine Haftung der Autoren, der Herausgeber, der Schriftleiter oder des Ver-
DDr. Hermann Wenusch (kanzlei@ra-w.at) bzw. für den wissenschaftlichen lages für die inhaltliche Richtigkeit ist ausgeschlossen.
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ZRB 2019 / Heft 3 PRAKTISCHES XVII
Verlag Österreich
XVIII PRAKTISCHES ZRB 2019 / Heft 3
gigkeit einer Revision beim VwGH nicht in die Bauvoll- verhandlung ersetzt werden, sondern es muss über das
endungsfrist eingerechnet wird7, steht zumindest nach Bezirksgericht (des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes)
der Entscheidung des VwGH die volle Zeit für die Bau- ein Abwesenheitskurator nach § 11 AVG bestellt wer-
ausführung zur Verfügung. den, der die Interessen des Abwesenden wahrnimmt.
Ein Anrainer hat im Zuge der Bauverhandlung Einwen- Wenn im Bebauungsplan ein öffentlicher Durchgang
dungen erhoben; die Baubewilligung kann ihm jedoch festgesetzt ist, kann die Baubehörde dann erzwingen,
nicht zugestellt werden, da an der angegebenen Adresse dass die Grundeigentümer einen solchen Durchgang zu
nicht zugestellt werden kann. Was ist zu tun? gewährleisten haben?
Die Zustellung an alle Parteien des Baubewilligungsver- Nach § 5 Abs 4 lit g WrBauO kann der Bebauungsplan
fahrens ist erforderlich, damit die Baubewilligung Grundflächen und Räume ausweisen, die zur Errichtung
rechtskräftig werden kann und damit zu bauen begon- und Duldung von öffentlichen Durchgängen, Verkehrs-
nen werden kann.8 Der Gesetzgeber geht aber davon bauwerken und öffentlichen Aufschließungsleitungen
aus, dass Parteien eines Verfahrens, von dem sie Kennt- durch die Gemeinde von jeder Bebauung freizuhalten
nis haben, verpflichtet sind, der Behörde ihre aktuelle sind. Wie schon der Wortlaut dieser Bestimmung deut-
Zustelladresse bekannt zu geben. Ist dies nicht erfolgt lich zeigt, hat einen solchen Durchgang nicht der betrof-
und kann daher die Baubewilligung nicht zugestellt fene Grundeigentümer, sondern die Gemeinde zu errich-
Lizenziert für Technische Universität Wien am 09.09.2020 um 15:13 Uhr
werden, ist mit „Hinterlegung ohne vorausgehenden ten und zu erhalten, sodass auch die Gemeinde die Wege-
Zustellversuch“9 vorzugehen. Damit wird die Baubewil- halterhaftung trifft. Zuständig zur Beschlussfassung in-
ligung rechtskräftig, auch wenn der Anrainer nicht er- nerhalb der Gemeinde ist in Wien die Bezirksvertre-
reicht werden kann. tung.10
Die Baubehörde hat in diesem Zusammenhang lediglich
Wie ist der obige Fall zu sehen, wenn der Anrainer schon die Aufgabe, bei der Errichtung von Gebäuden darauf
bei der Ladung zur Bauverhandlung nicht erreicht wer- zu achten, dass die für einen öffentlichen Durchgang
den kann? vorgesehenen Räume von einer Bebauung freigehalten
werden, die einen solchen Durchgang behindern oder
Hier kann im Gegensatz zum obigen Fall keine Ver- unmöglich machen würde. Erst wenn die Bezirksvertre-
pflichtung des Anrainers zur Bekanntgabe einer Zustell- tung einen Ausbaubeschluss für den Durchgang fasst
adresse angenommen werden. Zunächst sind alle Mög- und die erforderlichen Budgetmittel dafür freigibt, ist
lichkeiten einer Zustellung auszunützen, auch bei aus- der Durchgang auch tatsächlich zu errichten (Einräu-
ländischen Wohnsitzen. Wenn sich erweist, dass jemand mung einer entsprechenden Servitut zugunsten der Ge-
länger als vier Monate abwesend ist und keine andere meinde).
Zustellmöglichkeit besteht, kann durch öffentliche Be- Fasst die Bezirksvertretung keinen entsprechenden Aus-
kanntmachung zugestellt werden. Dies bedeutet, dass baubeschluss, kann die Baubehörde nicht unmittelbar
die Ladung an der Amtstafel der Behörde anzuschlagen auf Grund des Bebauungsplanes die Herstellung eines
ist und damit die Zustellung vollzogen ist. Durchganges verlangen. Man wird den betroffenen
Dieses Verfahren kann aber nur dann in Anspruch ge- Grundeigentümern auch nicht verbieten können, eine
nommen werden, wenn der abwesende Anrainer nicht (nicht fundierte) Einfriedung in diesem Bereich zu er-
in seinen durch die Bauordnung festgelegten Rechten richten, um ihr Eigentum zu schützen; im Falle eines
beeinträchtigt ist. In gewissen Fällen sind in der WrBauO Ausbaubeschlusses ist eine solche Einfriedung leicht
Zustimmungsrechte des Anrainers normiert, wenn seine entfernbar, sodass sie der Realisierung eines zukünftigen
sonst zu wahrenden Rechte eingeschränkt werden, etwa Durchganges nicht im Wege steht.
wenn eine Überschreitung der baulichen Ausnützbarkeit Gerhard Cech
dazu führt, dass die Bebaubarkeit des Grundstückes des
abwesenden Nachbarn vermindert wird, oder bei Feuer-
mauerdurchbrüchen zu dessen Liegenschaft. In solchen
Fällen kann die erforderliche Zustimmung nicht durch
die öffentliche Bekanntmachung der Ladung zur Bau-
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ZRB 2019 / Heft 3 PRAKTISCHES XIX
BAU(RECHTS)LEXIKON
Das Dienstgeberhaftungsprivileg
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XX PRAKTISCHES ZRB 2019 / Heft 3
scher Verkleidungen (2,0 bis 5,0 cm Sei- 10,0 cm und sind mit verschiedenen Ober-
tenlänge), welche auf Karton oder Gewe- flächen erhältlich (glatt, Waschbeton, Rund-
bematrizen verlegt werden. korn-Kies, Bruchkorn-Splitt, sandstrahlbe-
handelt, steinmetzmäßig behandelt, mit ke-
Hinterlüftete Verkleidungen: ramischen Platten verkleidet, etc.)
Für hinterlüftete Verkleidungen kann Naturstein, Kera- Parapet Parapet-, Sturzelemente und geschoßhohe
mik, Faserzement, Metall, Holz oder Beton (Kunststein) elemente: Fassadenelemente können nur in Skelettbau-
verwendet werden. ten und Querwandbauten verwendet werden
und bestehen aus einer Vorsatzschale, einer
Naturstein: Eine Platte ist ca 1,0 bis 1,5 m2 groß und
Dämmschicht und einem Tragelement. Die
3,0 bis 4,0 cm dick.
Elemente lagern auf der Stockwerksdecke auf.
Keramik: Die Platten sind als Langlochziegel gesintert
Ihre Aufgabe ist es nicht nur eine Außenhaut
ausgebildet und werden in verschiedenen
zu bilden, sondern auch alle Außenwandfunk-
Formaten und Farben sowie mit verschie-
tionen zu erfüllen. Oft werden sie aus Grün-
denen Oberflächen und Glasuren herge-
den des Schallschutzes auch hinter Vorhang-
stellt. Vorteilhaft ist, dass sie leicht ausge-
fassaden (siehe dazu unten) ausgebildet.
wechselt werden können.
Nichttragen- Nichttragende Betonfassaden werden mit
Faserzement:Die Platten haben eine Seitenlänge von 15
de Massiv- Betonverbundplatten, die vor eine Gerippe-
bis 300 cm. Es kann unterschieden werden
fassaden: konstruktion gesetzt werden, ausgeführt.
zwischen Quader-, Doppel-, Struktur-, Wa-
Vorhang Vorhangfassaden sind nichttragende Außen-
bendeckung und der Verlegung von Groß-
fassaden: wände, die nur vor einem tragenden Skelett
tafeln auf einer Alu-Unterkonstruktion.
befestigt werden können. Im Unterschied zu
Metall: Es wird Stahlblech und Aluminium in den
Parapetelementen lagern sie nicht auf der
verschiedensten Varianten verwendet.
Stockwerksdecke auf. Sie können in Form
Stahlblech kann feuerverzinkt, emailliert,
einer Sprossenkonstruktion mit senkrechten
kunststoffüberzogen, pulverbeschichtet, ge-
oder waagrechten Sprossen in verschiedenen
strichen, als Cor-Ten-Blech (niedrig legier-
Dimensionen hergestellt werden oder aber
tes Stahlblech, das eine beständige Rost-
auch als Tafelkonstruktion mit großformati-
schicht bildet) oder als „Nirosta“ (Spezial-
gen Tafeln und integrierten Fenstern. Vor-
stahl, der rostfrei gemacht wird) ausgeführt
hangfassaden können in Stahl-/Alu-Misch-
werden. Aluminium kann technisch anodi-
bauweise, als Stahl-, Kunststoff-, Guss-, Edel-
siert, geschliffen, gebürstet, poliert, che-
stahl-, Cor-Ten-Stahl-, Kupfer- oder Holz-
misch vorbehandelt und mit verschiedenen
Alu-Fassade hergestellt werden. Die Aus
Farben versehen werden. Metallfassaden
führung kann sowohl als Warmfassade (kei-
können spenglermäßig mit Doppel- oder
ne Hinterlüftung) als auch als Kaltfassade
Winkelstehfalz, in Leisten- oder Rauten-
(mit Hinterlüftung) erfolgen.
technik ausgeführt werden. Weiters gibt es Hanna Henfling
Verlag Österreich