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VORWORT...........................................................................................................................................................

1 DIE KLASSISCHE ANSIEDLUNGSTHEORIE – KRITISCH GESEHEN........................................... 1

2 KURZ SKIZZIERTE NEUE ANSIEDLUNGSTHEORIE ....................................................................... 6

3 DAS FRÜHE MILKOWER BISTUM ........................................................................................................ 7

4 DER BAUERNKREUZZUG VON 1096................................................................................................... 12

5 DEUTSCHE SIEDLER IN DER WALACHEI UND IN SÜDSIEBENBÜRGEN ................................ 18

6 ZUR GESCHICHTE DES DEUTSCHEN RITTERORDENS INNERHALB UND AUßERHALB


DES KARPATENBOGENS............................................................................................................................... 23

ABB. 1 EINTRAGUNG IN DEM STEUERREGISTER LIBER CENSUUM ROMANAE ECCLESIAE,1792, BLATT XXIIII........ 24

Vorwort
Ein Volkskundler benötigt für seine Recherchen einen genau definierten historischen Rahmen,
dem er die überlieferte Sachkultur einordnen kann. Diesen konnte ich für den Beginn der siebenbür-
gisch-sächsischen Geschichte nicht finden: Widersprüche verzerrten das Bild und statt wissenschaft-
lich fundierte Hinweise fand ich bei unseren Heimatforschern 1 und Historikern bezüglich der Ansied-
lung noch viele unbeantwortete Fragen. Einige der von namhaften Wissenschaftlern geäußerten Zwei-
fel habe ich in dem Kapitel „Die klassische Ansiedlungstheorie – kritisch gesehen” wiedergegeben.
Dafür musste ich eine umfangreiche Bibliographie konsultieren und aus den sich anbietenden Fakten
konturierte sich eine neue Ansiedlungstheorie, die Ausgangspunkt einer zukünftigen Forschung sein
könnte. Bei der Beurteilung dieser Hypothese ist wichtig, dass die in den Fußnoten angeführte Biblio-
graphie mit Akribie gelesen wird, denn, bei den wenigen bisher geäußerten Meinungen, konnte ich
feststellen, dass z.B. die Vorgänge in und um Milkow sowie jene bezüglich des so genannten „Fran-
kenlandes“ meist unbekannt waren. Mit meinen – manchmal absichtlich langatmigen – Ausführungen
möchte ich die Aufmerksamkeit des Lesers auf Ereignisse lenken, die sich jenseits der Grenzen des
heutigen Siebenbürgen oder derjenigen des einstigen ungarischen Reiches zugetragen haben, die
von der siebenbürgischen Geschichtsschreibung, vielleicht von politischen Zielsetzungen beeinflusst,
stiefmütterlich behandelt wurden.
Eigentlich sind es zwei Arbeiten, die hier zusammengelegt wurden. Die erste bezieht sich auf
die Besiedlung des Altlandes, die zweite auf die des Burzenlandes. Sie wurden zu unterschiedlichen
Zeiten verfasst und ich habe Wiederholungen von Argumenten zum besseren Verständnis des jewei-
ligen Textes bewusst stehen lassen.
Für Stellungnahmen (pro – contra) und für ergänzende Hinweise bin ich dankbar.

Horst KLUSCH

1
Mit dem Begriff „Heimatforscher“ bezeichne ich Wissenschaftler (Theologen, Juristen, Linguisten, Ärzte u.a.), die gut fundierte historische
Studien erarbeitet haben, ohne in diesem Fach eine spezielle institutionelle Ausbildung genossen zu haben.
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1 Die klassische Ansiedlungstheorie – kritisch gesehen


„Schwer lösbare Probleme verleiten leicht zu kühnen Hypothesen ... Gerät aber bei häufiger
Wiederholung der Hypothesencharakter in Vergessenheit, so ist eine neue Geschichtslegende geboren,
kaum mehr ausrottbar, hat sie sich erst einmal eingewurzelt. Befindet sich die Forschung über die Ur-
sprünge der Sachsen auf dem Weg einer solchen Entwicklung?” fragt Hans-Dietrich KAHL 2 . Die Frage
kann mit „ja” beantwortet werden, denn nach 200 Jahren Forschung wissen wir sehr wenig über unse-
ren Anfang.
Wir wissen nicht, wann unsere Vorfahren einwanderten, warum und auf welchem Weg sie ka-
men. Wir wissen nicht, wann der Deutsche Ritterorden ins Burzenland kam und von wem er gerufen
wurde. Wir wissen nicht, warum eine gesonderte Propstei, nur für Sachsen des „Alten Landes” ge-
schaffen wurde und warum die Kirchen unserer Vorfahren aus dem „Alten Land” und dem Burzen-
land, mit Unterbrechungen, bis ins 15. Jahrhundert dem Milkower Bistum unterordnet waren und wa-
rum sie ihm erneut angehören wollten. Wir wissen nicht, warum man uns als Sachsen bezeichnete,
woher der Name Siebenbürgen stammt und welches Gebiet ehemals damit gemeint war. Wir wissen
nur woher wir gekommen sind und dieses Wissen verdanken wir eher den Sprachforschern als unseren
Historikern.
Auch unsere Historiker suchten und fanden Antworten auf manche der obigen Fragen, formu-
lierten Hypothesen (die kaum bewiesen werden konnten), die im Laufe der Zeit Stellenwerte von Tat-
sachen erhalten haben. Wie Thomas NÄGLER feststellt, „sind zum vielfach behandelten und heute
noch immer umstrittenen Gegenstand der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen unter den verschiede-
nen Blickwinkeln – historischen, sprachwissenschaftlichen, volkskundlichen, kunstgeschichtlichen,
usw. – mehr als dreihundert Studien geschrieben worden, die allgemeinen Abhandlungen nicht mitge-
rechnet”, trotzdem „fehlen fast überall Anhaltspunkte über Herkunft, Anzahl der Siedler oder Ansied-
lungszeit, wie sie in den Quellen der anderen Gebiete der deutschen Ostkolonisation sehr oft zu finden
sind. Die aussagekräftigsten Urkunden sind die Privilegien, die Schenkungen und die Grenz- und Ge-
markungsregelungen. Jedoch keine dieser Quellen nimmt unmittelbar Bezug auf den eigentlichen Akt
der Ansiedlung, sondern sie halten diese nur als ein schon vollzogenes Ereignis fest.” 3
Die Hypothese, der heute von unseren Historikern die größte Wahrscheinlichkeit zugemessen
wird, geht von der Aussage des Andreanums vom Jahre 1224 aus, und zwar, dass die „fideles hospites
nostri Theuthonici Ultrasiluani” von König Geysa II. (1142-62) ins Land gerufen worden seien. Da
aber für die Regierungszeit Geysas II. auch in den Archiven der vermuteten Auswanderungsgebiete
keine Aufzeichnungen über eine Abwanderung nach Siebenbürgen gefunden werden konnten, über-
trug G. D. TEUTSCH in seiner Sachsengeschichte, 4 gestützt auf die Ergebnisse der siebenbürgischen
Sprachforschung, die Siedlungsmethode von der Kolonisierung des Wendenlandes, nach Aufzeich-
nungen der Chronica Slavorum Helmoldi 5 auch auf Siebenbürgen (Schablonenmethode Ostsiedlung)

2
Hans-Dietrich KAHL, Vom Wendenkreuzzug nach Siebenbürgen?, in: Siebenbürgisches Archiv, Bd. 8, 1973 (Köln-Wien), S. 162.
3
Thomas NÄGLER, Die Ansiedlung der Siebenbürgcr Sachsen, Bukarest 1979, Seiten 7, 11.
4
Dazu Otto Fritz JICKELI: „Es mag sein, als G. D. Teutsch, der Geschichtsschreiber und Reorganisator seines Volkes, seine Sachsengeschich-
te schrieb, als er mit der Seele seines verzagten Volkes rang, da bedurfte es des großen Bildes der Vorfahren, die Enkel aus der Ermattung
aufzurütteln. Da mag es berechtigt gewesen sein, wenn keine zu strenge Kritik ... angelegt wurde.“ Aus Der Handel der Siebenbürger Sach-
sen in seiner geschichtlichen Entwicklung, in Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde (von nun an Archiv), 39 Bd., 1913, S. 49.
Franz ZIMMERMANN schreibt von G. D. TEUTSCHs Sachsengeschichte „… daß sie von Haus aus nur als angenehme historische Volkslektüre
geplant und konzipiert sei”, und von anderen Büchern TEUTSCHS „... daß ihnen stoffliche Fülle und kritische Methoden fehlen“, in Zur
siebenbürgischen Geschichtsschreibung; besonders über die Besiedlungsfrage, in Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichts-
forschung, Egänzungsband VI, S. 705-38. Dazu siehe auch Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde (von nun an
Kbl.) 1901, 24. Jg., H. 5-6. S. 57.
5
Chronica Slavorum Helmoldi, Lubecae apud Petr. Böckmanum, Anno 1702, Seiten 135-36 (berichtet von Adolf von HOLLSTEIN, 1140).
Dazu auch Die Einwanderung der Deutschen nach Siebenbürgen und die Gruppenverteilung ihrer Mundarten innerhalb des Römerstraßen-

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und vermutete, dass König Geysa II. ebenfalls nach Flandern, in die Rhein- und Moselgegend, Boten
(Lokatoren) nach siedlungswilligen Bewohnern geschickt habe. 6 Obwohl in der Folgezeit Lokatoren
für Siebenbürgen nicht belegt werden konnten, wurden von einigen Heimatforschern schon Auffangs-
zentren für Siebenbürgen genannt, wo, die vermeintlichen Lokatoren den Siedlern Besitzurkunden für
den zugeteilten Grund und Boden ausgehändigt hätten. 7 Das Fehlen dieser Besitzurkunden unter den
überlieferten Dokumenten wurde dem alles vernichtenden Mongolensturm zugeschrieben.
Nach Th. NÄGLEr 8 kam der größte Teil der Siedler im 12. Jahrhundert aus linksrheinischen Ge-
bieten, während sich im 13. Jahrhundert die Auswanderung von Franken nach Mittel- und Süddeutsch-
land verlagerte. Mundartelemente deuten darauf hin, dass auch Bayern, Thüringen und Sachsen als
Herkunftsländer gelten können. Der Großteil der Siedler, in den Urkunden als Teutonici, Flandrenses
und Latini, etwas später auch als Saxones bezeichnet, ist – nach der Darstellung einiger Historiker –
vermutlich entlang der Donau bis in die pannotische Tiefebene und von dort den Mieresch aufwärts
nach Siebenbürgen gelangt. Schwerpunkt der Ansiedlung war im 12. Jahrhundert Hermannstadt,
Leschkirch und Schenk, wo zum Schutz der Grenzen, insbesondere zur Verteidigung des Karpaten-
durchbruchs (Roter-Turm-Pass), im Zuge der Vorverlegung der Grenzsäume durch die Land nehmen-
den Ungarn, als so genannte Vorbesiedlung des späteren Königsbodens, unseren Vorfahren Grund und
Boden zugewiesen wurde. Dieses Gebiet bildete später die Hermannstädter Provinz, von der aus die
Besiedlung nach Westen, in Richtung Mühlbach und nach Osten, den Alt aufwärts bis nach Reps und
Draas fortgesetzt wurde.
Damit war, wenn auch nicht nach streng wissenschaftlichen Forschungsmethoden, eine Ansied-
lungstheorie geschaffen, die von ihren Urhebern mit erheblichem Engagement und mit suggestiver
Überzeugungskraft, gestützt auf eine wahrhaft imponierende Belesenheit, verteidigt wurde und uns
jetzt als „klassische Ansiedlungstheorie“ zur Verfügung steht. Ausdrücklich wird der Anspruch ge-
meldet, es handle sich um ein „auf Grund geschichtlicher Zeugnisse gezeichnetes Bild“ 9 . Bei der Auf-
gabe aber, diese Hypothese zu einer wissenschaftlich verifizierbaren Theorie zu verarbeiten, sind un-
sere Historiker gescheitert, hauptsächlich deswegen, weil die von ihnen aufgestellten Hypothesen nicht
mit allen im Laufe der Zeit festgestellten Tatsachen übereinstimmen. Bei der klassischen Ansied-
lungshypothese wurde nicht beachtet, dass erst eine Totalität der belegten Ereignisse Voraussetzung
einer sinnvollen Geschichtsschreibung ist. Nicht nur um kontroverse Ansichten über die Ansiedlungs-
zeit oder den Weg, den die Flanderer und Moselfranken bevorzugt hätten geht es mir hier, sondern um
einen Komplex von Fragen, von Heimatforschern formuliert, von vielen Historikern ignoriert oder mit
zurechtkonstruierten Erklärungsversuchen so beantwortet, dass die klassische Ansiedlungstheorie
glaubhaft bleibt.
Warum, fragt Konrad SCHÜNEMANN, steht praktisch am Beginn der deutschen Ostkolonisation
die Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen? Es ist erstaunlich, dass eine Kolonistengruppe aus dem
äußersten Nordwesten Europas an den äußersten Südosten gelangt, während in den Ländern an der
2000 Kilometer langen Strecke, die dazwischen liegt doch wahrlich genug Raum für Ansiedlungsmög-

netzes, in Archiv, Bd. 43, 1926 (Hermannstadt), S. 16, 17. Auch Richard HUß, Luxemburg und Siebenbürgen, in Archiv, Bd. 23, H. 1, 1926,
S. 17.
6
Dazu Karl Kurt KLEIN: „Geschichte will die Wirklichkeit, die zum Unterschied der Naturwissenschaften, stets individuell ist, in ihrer
Individualität darstellen.“ In Geschichtswissenschaft, in Vierteljahrsschrift (von nun an Vjschr.), 1932, H. 32, S. 318.
7
Das Fehlen von Schenkungsbriefen aus der Zeit von Geysa II., Andreas II., Bela IV., Stefan V. und Ladislaus IV. bewirkte, dass sich die
Besitzverhältnisse in Siebenbürgen, wie auch im übrigen Ungarn in einem Zustand heilloser Verwirrung befanden. Die ältesten Vergabungen
waren nämlich schriftlich überhaupt nicht festgesetzt worden, sichergestellt waren nur die Hospites, die ihren Besitz auf Grund von besonde-
ren Privilegien innehatten, mit allgemeinen territorialen Abgrenzungen für die siedelnde Gruppe, die einzelnen Mitglieder der Gruppe erhiel-
ten jedoch keinen Besitztitel. Bei den zahlreichen Hattertprozessen unserer Vorfahren (13./14. Jahrhundert) konnten frühe Besitzurkunden
nie vorgelegt werden, der Richterspruch erfolgte meist auf Grund von Zeugenaussagen und nach erfolgtem Schwur.
8
Th. NÄGLER, a.a.O., S. 27.

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lichkeiten vorhanden war, der tatsächlich erst viel später in die Kolonisation einbezogen worden ist.
Können wir ein solches Ereignis nur der Werbetätigkeit ungarischer oder westeuropäischer Lokatoren
zuschreiben, deren Existenz in Bezug auf Siebenbürgen nicht bewiesen werden konnte? Welche Kräfte
hätten im Zielgebiet diese Wanderbewegung in die gewünschten Bahnen lenken sollen 10 ?
Wann, fragt Richard HUß, kann Geysa II. die deutschen Siedler aus Mittel- und Westeuropa ge-
rufen haben, wenn er sich in der Zeit von 1143-49 (er wurde erst 1146 mündig) gegen Kaiser Konrad
III. wehren musste, der Ungarn zu einem Vasallenstaat machen wollte; wenn von 1149 weiter die Ge-
genden nördlich von Ungarn kampfdurchtobt waren (Geysa II. kämpfte mehrere Jahre bis 1152 auf
Seiten seines Schwagers Izjaslav, des Fürsten von Wolhynien); wenn er darauf bis 1156 von dem
Krieg gegen den byzantinischen Kaiser Manuel in Anspruch genommen war und er sich in der Folge-
zeit gegen Kaiser Friedrich Rotbart behaupten musste?
HUß kommt zu der Schlussfolgerung, daß Geysa II. zwischen 1141 und 1159 gewiss an keine
geordnete Kolonisation hätte denken können 11 .
Warum, fragt Walter HORWATH, haben sich die ersten deutschen Siedler in Siebenbürgen
(Bergwerksorte ausgenommen) in der Hermannstädter, Leschkircher und Schenker Umgebung ange-
siedelt, und sind nicht in den von ihnen durchwanderten, fruchtbaren Gebieten Siebenbürgens, wie
beispielsweise am Miereschfluss, sesshaft geworden?
Warum ist die Besiedlung des Altlandes im Großen von Süden nach Norden entlang der vor-
handenen Täler vor sich gegangen 12 , wenn die Siedler dieses „Ödland” von Westen oder Norden her
betraten? War Geysa II. tatsächlich um die Sicherheit dieses Grenzabschnittes um den Altdurchbruch
besorgt?
Schon Friedrich MÜLLER stellte – im Gegensatz zu anderen Heimatforschern – fest, dass im ers-
ten Jahrhundert der sächsischen Ansiedlung der Grenzschutz nicht Aufgabe der Sachsen gewesen sei,
sondern eher nur das Stellen von Kriegern, die der König zur Sicherung seiner Innenpolitik
benötigte 13 . Die Tatsachen bestätigen diese Feststellung.
Wenn im 12. Jahrhundert die Sachsen in Südsiebenbürgen zum Schutz der Grenzen angesiedelt
worden wären, ist es doch befremdend, dass erst 1453 am Roten Turm eine königliche Zollstätte be-
zeugt ist, dass erst 1370 die Landskrone erbaut wird, während die Befestigungen im Pass, die Lauter-
burg und der Rote Turm erstmals 1396 erwähnt werden 14 . Der Altdurchbruch, vor allem aber der Weg
über die Karpaten, den wir heute als Königsstraße kennen, wurde trotz der Ansiedlung nicht von Sie-
benbürger Sachsen geschützt 15 .
Walter HORWARTH wie auch A. SCHULLERUS 16 , eifrige Vertreter der Grenzschutztheorie, bele-
gen diese mit einem Einfall des byzantinischen Kaisers Manuel im Jahre 1166 nach Südsiebenbür-
gen 17 .
9
Karl REINERTH, Thesen zur Herkunft und Ansiedlung der Flandrenses in Siebenbürgen im 12. Jh., in Siebenbürgisches Archiv, Bd. 8, 1971
(Köln-Wien), S. 37.
10
Konrad SCHÜNEMANN, Die mittelalterliche deutsche Kolonisation, in Vjschr, 57 Jhg., 1934, S. 6.
11
Richard HUß, Die Einwanderung der Deutschen nach Siebenbürgen und die Gruppenverteilung ihrer Mundarten innerhalb des Römer-
straßennetzes, in Archiv 43. Bd., Hermannstadt 1926. S. 43.
12
Walter HORWARTH, DieLandnahme des Altlandes, in Vjschr., 59Jhg., 1936 S. 172.
13
Friedrich MÜLLER, Wandlungen der geschichtlichen Hauptaufgaben unseres Volkesim Laufe seiner Entwicklung und seiner Anpassung
daran, in Vischr, 1932, S. 290, vgl. auch Fritz SCHUSTER, Das Burzenland als Grenzschutzsiedlung, in Vjschr, 1933, S. 358-59.
14
Franz ZIMMERMANN, Über die Wege der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen, in Kbl, 1888, S. 9-12, siehe auch Mitteilungen des
Instituts für österreichische Geschichtsforschung, IX. Bd., Innsbruck 1888, S. 8.
15
Nach Theobald STREITFELD war die Königsstraße schon in vorsächsischer Zeit ein wichtiger Verkehrsweg. Die Burg „Castrum regale“ im
Mühlbachtal wurde von den dort wohnenden Walachen schon vor der Einwanderung der Siebebürger Sachsen verteidigt. Die Sastschorer
Burg, in Vjschr, 1939, S. 126.
16
A. SCHULLERUS, Die Grenzburgen derAltlinie, in Kbl. Bd. 41, 1918, S. 17 ff
17
Walter HORWARTH, a.a.O., S. 170.

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Tatsächlich erfolgte dieser Einfall unter dem byzantinischen Anführer Leo Batatzes über die
Walachei und die Moldau in das östliche Siebenbürgen, wobei weniger die zahlreichen erbeuteten
Viehherden sondern eher das für die byzantinische Kirche unbequem gewordene, von Rom abhängige
Milkower Bistum Ziel der Kriegshandlung gewesen sein dürfte 18 . Adolf SCHULLERUS räumt ein: „Wir
sind genötigt anzunehmen, dass die Sachsen bei ihrer Ansiedlung, dem rechten Altufer entlang, einen
dünnen, mit Magyaren (Seklern) besetzten Siedlungsstreifen vorgefunden haben. Diese Siedlungslinie
wird durch eine Reihe befestigter Punkte gekennzeichnet, die bedeutendere Taleingänge ins innere des
Landes beschützen und darum in mehreren Fällen nachweislich schon in Vorzeiten (vor Geysa II.) als
Stützpunkte kriegerischer Verteidigung gegolten haben 19 . Hätte Geysa II. die deutschen Einwanderer
zum Schutz der Grenzen gebracht, ist es doch erstaunlich. dass er nicht das Burzenland als Siedlungs-
land dazu ausersehen hatte. Denn dieses war auch schon zu seiner Zeit die eigentliche Achillesferse
Siebenbürgens, nicht der damals schwer passierbare Karpatendurchbruch bei Talmesch 20 . Die offensi-
ve und defensive Bedeutung des Burzenlandes für Siebenbürgen wird Geysa II. bestimmt auch ge-
genwärtig gewesen sein. Der Schutz der hier aus den Ländern östlich und südlich der Karpaten zu-
sammentreffenden Wege war lebenswichtiger für den Verkehr und Handel als die Sicherung des Alt-
durchbruchs.
Hätte Geysa II. die ersten deutschen Siedler aus Mittel- oder Westeuropa nach Südsiebenbürgen
gebracht, so wäre es doch selbstverständlich gewesen, wenn der Hermannstädter, der Leschkircher und
der Schenker Stuhl, de jure, als parte Regni Hungariae transilvanae, kirchlich gleich von Anbeginn
auch dem von einem ungarischen König in Weißenburg (Alba Iulia) gegründeten „Siebenbürgischen
Bistum” unterstellt worden wäre, selbst dann, wenn man ihnen als „hospites“ eine gewisse Selbstän-
digkeit zugestanden hätte. Dieses ist aber nie der Fall gewesen, denn sie gehörten ursprünglich und
anfänglich zu keiner Diözese des ungarischen Reiches, sondern sie waren so genannte „exemte geistli-
che Kreise” 21 und als solche trotz Gründung einer eigenen Propstei, wenn auch mit Unterbrechungen,
bis in das 15. Jahrhundert direkt dem Milkower, indirekt dem Grauer Erzbistum unterstellt 22 . Mit vol-
ler Berechtigung beanstandet Martin RESCHNER folgendes: „Vor allen Dingen aber hätten die Ge-
schichtsforscher wohl die Frage ganz deutlich aufwerfen sollen: wie – seit wann – und durch welche
Veranlassung der sächsische Clerus in jene zwei Diözesen, in die Albenser und (Graner oder) Milko-
wer Diözese geteilt worden und zerfallen sei?” 23 Die Zugehörigkeit der Kirchen der Hermannstädter
Provinz zu Milkow wird von unseren Heimatforschern aus der Problematik der Ansiedlung ausge-
klammert. Die Rolle des Milkower Bistums, dem ich weiter unten ein Kapitel vorbehalten habe, findet
in dem Buch von Th. NÄGLER keine Erwähnung.
Martin RESCHNER hatte auch eine weitere Frage aufgeworfen: „Wie eigentlich die Hermann-
städter Propstei zu jener Zeit, als eine ganz fremdartige, constitutionswidrige, und, wie C. SCHULLER
in seinen ausgezeichneten Studien und Umrissen bereits schon angedeutet hat – in den geistlichen
Organismus des Sachsenlandes durchaus nicht passende Stiftung – unter den geysanischen Pflanzvöl-
kern entstehen konnte? Dies alles sind noch immer historische Probleme”, schlussfolgert RESCHNER
1845, „auf denen ein undurchsichtiges Dunkel lastet, die noch kein Schriftsteller zu zergliedern und zu

18
I. A. FESSLER, Die Geschichte der Ungern und ihrer Landsassen, II., Leipzig 1815, S. 116.
19
A. SCHULLERUS, a.a.O.,S.18.
20
Die nach Süden über den Karpatenwall führenden vier Täler mit den vier Pässen (Törcsvari-Törzburger; Tömösi - Predeal; Osanci - Alt-
schanzer; Bodzau - Bodsauer) galten schon immer als wichtige Verbindungswege Ungarns zur späteren Walachei und sie waren deshalb als
strategisch außerordentlich wichtige Punkte ständig das Sorgenkind der ungarischen Könige. Dazu Gabriel ADRIANYI, Zur Geschichte des
Deutschen Rittermdens in Siebenbärgen, in Ungarnjahrbuch, Bd. 3, Mainz 1971.
21
Martin RESCHNER, Kritische Beiträge zur Kirchengeschichte des Hermannstädter Capitels in Siebenbürgen vor der Reformation, in Archiv
für die Kenntnis von Siebenbürgens Vorzeit und Gegenwart, I. Bd., H. 1, Hermannstadt 1840, S. 276.
22
Martin. RESCHNER, a.a.O., H. 3, 1845, S. 71-106.
23
Ebenda

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lösen versucht hat“ 24 . Man rätselte um die Frage: Warum war die Hermannstädter Propstei und das
Kronstädter Dekanat der Jurisdiktion des Graner Erzbischofs unterworfen, also sozusagen exterritorial,
und warum wurden alle übrigen sächsischen Siedlungen, einschließlich des um 1400 gebildeten Säch-
sisch-Reener und des im 16. Jahrhundert entstandenen Tekendorfer Dekanats in dem Mediascher Erz-
dekanat (decanatus generalis) zusammengefasst, das dem Siebenbürger Bistum in Weißenburg un-
terstand 25 ? Heute sind wir trotz manchem Rätselraten nicht klüger.
Die häufig vertretene Ansicht, dass Bela III. mit der Errichtung der Hermannstädter Propstei die
kirchliche Einigung der deutschen Siedler beabsichtigt habe, gleichsam als ersten Schritt zu der eine
Generation später durch das Andreanum (1224) erfolgten politischen Einigung, wurde schon von meh-
reren Heimatforschern, zuletzt von Wolfgang GRANDJEAN widerlegt. Er schreibt dazu: „Die Tatsache
jedoch, dass der König. wie wir aus der Urkunde des Kardinallegaten Gregor wissen 26 , nicht alle
Deutschen in der Hermannstädter Propstei vereinigen wollte, sondern nur die auf geysanischem Deser-
tum angesiedelten, das die späteren Landkapitel Hermannstadt, Leschkirch und Schenk umfasste,
spricht gegen die Annahme: die kirchliche Spaltung in einerseits dem Hermannstädter Propst, anderer-
seits dem siebenbürgischen Bischof unterstehende Siedler hätte dem Einigungsstreben der Deutschen
einen schlechten Dienst erwiesen.“ Jedoch auch die Antwort, die GRANDJEAN auf die oben gestellte
Frage findet, klingt nach einer Verlegenheitslösung: „Berücksichtigt man die Tatsache, dass zumeist
hohe königliche Beamte (zweimal bekanntlich der königliche Kanzler), die kaum in Hermannstadt
residiert haben dürften, Pröpste geworden sind, so liegt die Vermutung nahe, dass der König in erster
Linie eine einträgliche Stelle für seine hohen Beamten hatte schaffen wollen“ 27 . Wäre dem so gewe-
sen, hätte der König nicht einige Jahre darauf den Papst gebeten, die Hermannstädter Propstei in ein
Bistum umzuwandeln (was Innozenz II. jedoch ablehnt), denn der vom König eingesetzte Propst wäre
wohl kaum auch Bischof des neuen Bistums geworden. Die Tatsache, dass der König seine ersten
Mitarbeiter zu Hermannstädter Pröpsten ernannt hatte, dürfte seinen Grund eher darin haben, dass –
wie wir auch weiter unten sehen werden – das „Alte Land” in mancher Hinsicht ein Krisengebiet war,
das eine besondere Bevormundung verlangte. Martin RESCHNER dürfte mit seiner Behauptung recht
haben, wenn er schreibt: „Die Hermannstädter Propstei ist gegen den Willen des Albenser Bischofs
entstanden – auch gegen den Willen ihres Stifters König Bela III.“ 28 . Die Gründe hierfür können nur
aus dem allgemeinen politischen west-östlichen Spannungsfeld abgeleitet werden, das im 11. Und 12.
Jahrhundert die geschichtlichen Ereignisse in Europa, im Besonderen aber auf dem Balkan bestimmte
(ausführlicher darüber im Kapitel Zur Geschichte des Deutschen Ritterordens).

24
Ebenda
25
Anton Franz SCHERHAUFER , Mitteilungen zur Geschichtskunde der Deutschen in Siebenbürgen und der Satmarer Gespanschaft, in
Vjschr., Bd. 32, 1932, S. 358.
26
Urkundenbuch, (von nun an UB) Nr 2
27
Wolfgang GRANDJEAN, Die Anfänge der Hermannstädter Probstei, in Siebenbärgisches Archiv, Bd. 8, 1971 (Köln-Wien), S. 270.
28
Martin RESCHNER, a.a.O., S. 387.

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2 Kurz skizzierte neue Ansiedlungstheorie


Aus Theorien, die von vornherein feststehen, deren Widersprüche dann durch errätseltes „Tat-
sachenmaterial“ gestützt werden, entstehen Geschichtslegenden, die sich oft, trotz manch angemelde-
tem Zweifel, mehrere Jahrhunderte hindurch behaupten. Es berechtigt in diesem Falle zu untersuchen,
ob der einst eingeschlagene Forschungsweg nicht in eine Sackgasse geführt hat, ob nicht auch andere
Hypothesen zur Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen in naher Zukunft durch eine intensive, multi-
disziplinäre Forschung zu einer wissenschaftlich vertretbaren Theorie verarbeitet werden können. Eine
davon soll hier kurz skizziert werden. Sie entstand auf Grund von Schlussfolgerungen, deren Zustan-
dekommen ausführlich nachvollzogen werden soll. Bewusst bringe ich diese Theorie vor den Argu-
menten, weil dann deren Aussage gezielter eingeordnet werden können.
 Die neue Theorie beruht auf den durch zahlreiche Dokumente belegten Tatsachen, dass 1096
über zehntausend deutsche und wallonische Bauernfamilien, die an dem Bauernkreuzzug des
Peter von AMIENS teilgenommen hatten, bei Nisch (50 km südlich der Donau) von
byzantinischen Söldnern am Weitermarsch nach Konstantinopel gehindert worden waren und
historisch außer Kontrolle gerieten. Es spricht vieles für die Annahme, dass diese Bauern im
folgenden Winter die Donau überschritten, am Südhang der Karpaten entsprechende
Siedlungsgebiete fanden und sich dem von der römischen Kirche betreuten Bischofssitz von
Milkow (Vrancea-Gebiet) kirchlich unterordneten.
 1154 nahmen die im Süden der Karpaten möglicherweise siedelnden Deutschen an dem Feldzug
Geysas II. gegen den byzantinischen Kaiser Manuel teil und – da sie sich von den Kumanen arg
bedrängt fühlten – folgten sie der Einladung Geysas II. und übersiedelten nach Siebenbürgen.
Der Altdurchbruch war dafür der kürzeste Weg (im Winter auch mit Wagen und Schlitten
passierbar). Sie siedelten in den später als Schenker-, Leschkircher und Hermannstädter Stuhl
bezeichneten Gebieten, fühlten sich aber der Milkower Diözese bis ins 15. Jahrhundert
weiterhin verbunden.
Die so formulierte Hypothese zur Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen beseitigt viele der ein-
gangs erwähnten Widersprüche, erscheint aber vorerst dem Leser als Resultat eines spekulativen Den-
kens, eine Schlussfolgerung, die sich als unbegründet erweist, wenn man die nun folgenden Argumen-
te mit den dazugehörenden Bibliographiehinweisen aufmerksam vertieft.

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3 Das frühe Milkower Bistum


Die älteste überlieferte Urkunde besteht aus einem Brief des Milkower Bischofs Laurentius aus
dem Jahre 1096, der darin die Szekler auffordert, für den Kreuzzug eine entsprechende Truppe Fuß-
volk und Reiterei zu stellen. Der Inhalt dieses Briefes (siehe Anhang?) wurde Josef BENKÖ in seinem
Milkowia 1781 veröffentlicht 29 . Der Brief war ihm, laut eigener Aussage, in der Abschrift des Media-
scher Johann REHNER, Schreiber des Kronstädter Stadtpfarrers und Dechanten, von 1594 vorgelegen,
der seinerseits erklärte habe, ihn aus dem Sepsier Dekanatsbuch von 1408 abgeschrieben zu haben.
Carl AUNER 30 und Makkai LASZLO 31 , die eine so frühzeitige Anwesenheit von Szeklern in Siebenbür-
gen der eigenen Geschichtsthese nicht einordnen konnten, erklärten den Brief als Fälschung BENKÖS.
Obwohl Karl REINERTH 32 BENKÖ verteidigt, indem er urteilt: „Das darf aber noch kein Anlass sein,
ihn der Fälschung zu beschuldigen, denn BENKÖ ist sonst keine Fälschung nachzuweisen“, hat meines
Wissens noch kein siebenbürgisch-sächsischer Heimatforscher diese Urkunde auf ihre Echtheit ge-
prüft. Der Grund dafür könnte die Tatsache sein, dass der Inhalt des Briefes mit manchen Erkenntnis-
sen unserer klassischen Siedlungstheorie nicht in Einklang zu bringen ist.
So begegnen wir darin die Gebietsbezeichnung „septem castrum”, ein Begriff, der nach Mei-
nung einiger unserer Historiker von den „Sieben Stühlen“ abgeleitet wurde. Dass die Sieben Stühle
erst im 14. Jahrhundert, die Bezeichnung septem castris aber nachweisbar schon im 13. Jahrhundert
belegt ist, hat leider noch zu keinem Umdenken geführt; wie hätte es dann ein Beleg aus dem 12. Jahr-
hundert bewirken können 33 ? Der fragliche Brief aber wurde ohne eingehende Analyse des Inhalts ad
acta gelegt 34 .
Was unseren Historikern als unwahrscheinlich vorkommt, wird jedoch von Papst Pius II.
(1458-64) als glaubwürdig empfunden, wie aus einer seiner Bullen aus dem Jahre 1464 hervorgeht –
er beruft sich auf Unterlagen im Archiv des Vatikans (testantur annales Ecclesiasticii). Er berichtet,
dass ein Bistum, das später als Milkower Bistum bezeichnet wurde, schon im Jahre 396 von dem Bi-
schof der Daker, S. Nicetani, ins Leben gerufen worden war 35 .
Laut BENKÖ wurde das Bistum später von Kumanen und Petschenegen zerstört und vom unga-
rischen König Ladislaus I. neu errichtet, ein Bischof mit Namen Michael wurde eingesetzt und das
Bistum dem Graner Erzbistum unterstellt. Erst unter dem weiter oben schon erwähnten Bischof Lau-
rentius (ab 1093) wurde es weiter ausgebaut 36 .
29
Josephus BENKÖ, Milkowia, I, Wien 1781, S, 55.
30
Carl AUNER, Episcopia Milkovei, in Revista catolica, 1914.
31
Laszlo MAKKAI - A mikoi (kun) püspökseg es nepei, Debrezin 1935.
32
Karl REINERTH, Die freie königliche St. Ladislaus-Propstei, in Deutsche Forschung im Südosten, 1. Jg., 1942, Heft 3, S. 339.
33
Auch Baron BEDEUS hatte in einem Vortrag vom 21. Februar 1921 nachzuweisen versucht, dass die Benennung septem castra schon vor
der Einwanderung der Sachsen im Umlauf war. Dazu Georg MÜLLER, Der Name Siebenbürgen und das Sachsenland, in Kbl. 1922, XLV. Jg.
Nach Richard HUß waren die septem castra ursprünglich römische Befestigungen. Siebenbürgen war das von der ersten Ansiedlungsgruppe
jenseits dieser Befestigungslinie der septem castra besetzte Land. Luxemburg und Siebenbürgen, in Archiv, Bd. 23. 1. Heft, 1926, S. 66/67.
In der Chronik des Daniel NEKESCH-SCHULLER (geb. 1606) werden die 7 Burgen folgendermaßen erklärt „Anno 744 kamen die Hungern
zum andermal aus scythia und satzten 7 Capitan über das ganze Volk und gaben einem jeden Capitan dreißigtausend Mann und sein Gebiet,
und ein jeglicher Capitan bauet ihm mit seinem Volk von Erd und Holz ein Burg, darinnen sie vor ihren Feinden sicher sein mögen.“ Quellen
zur Geschichte von Brasso, Bd. 4, 1903, Brasso.
34
Auch der sächsischen Geschichtsschreibung mangelte es oft an Objektivität. Einfluss auf Geschichtsförschung und Geschichtsschreibung
hat nach SCHÜNEMANN „das Streben nach Wirkung“ teils im ästhetischen Sinne, teils im Dienste der sozialen, der kirchlichen, der nationalen
Gemeinschaft. Der Akzent wird um so stärker auf dem Nationalen liegen, je mehr im politischen Kampf um nationale Selbsbehauptung oder
Machterweiterung Waffen angewendet und benötigt werden, die der Geschichte entnommen sind.” Siebenbürgen in der Geschichtsschrei-
bung der Rumänen seit 1918, in Vjschr., Bd. 54, 1931, S. 227.
Martin RESCHNER z.B. entschloss sich 1828 mit K. NEUGEBOREN und G. SCHASER ein kritisches Urkundenbuch zur Geschichte der Sieben-
bürger Sachsen herauszugeben. Ein Plan für dieses Werk wurde der Nationsuniversität vorgelegt. Bei Punkt 3 dieses Planes heißt es: „In das
Buch dürfen keine Urkunden aufgenommen werden, welche der löblichen sächsischen Nation nur im geringsten nachteilig sein könnten.“ G.
D. TEUTSCH, Dankrede auf Martin Reschner, Mediasch 13. VIII 1872.
35
J. BENKÖ, a.a.O., S. 10.
36
C. DIACONOVICH, Enciclopedia Romana, Bd. II, Sibiu, 1900, S. 279. J. BENKÖ, Milcowia, Bd. 1, S. 10.

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Begegnet man diesen bis jetzt erwähnten Urkunden mit Skepsis, so kann ein weiteres Doku-
ment, das die Existenz eines Milkower, als Vorläufer des Kumaner Bistums bezeugt, nicht so leicht
übergangen werden. Durch den Erzbischof von Gran, im Auftrage des Papstes Gregor IX., wurde der
Dominikaner Theodoricus zum ersten „Bischof der Kumanen“ eingesetzt. Es wurden ihm auch die
jenseits der Schneeberge angesiedelten Deutschen und Ungarn unterstellt 37 . Bei der Gründung des
Kumaner Bistums 1227 38 erklärte der eben ernannte Bischof Theodoricus, dass sein neu errichtetes
Bistum auf älterem Ursprung fuße und deshalb beanspruche er für sich die Diözese und Rechte des
ehemaligen Milkower Bistums 39 . Dem Bischof von Weißenburg wurde die Einmischung in die kirch-
lichen Belange des Kumaner Bischofssitzes auch weiterhin verboten 40 .
Dimitrie CANTEMIR weist in seiner Descriptione Moldavae auf eine noch seinerzeit sichtbare
Ruinenstadt hin, die einst der Sitz des Milkower Bistums gewesen sein könnte. Er schreibt: „An dem
Fuße des Gebirges Urantschie (Vrancea), nicht weit von Mira, einem Kloster, welches ein Denkmal
der Frömmigkeit des seligen Fürsten Constantin CANTEMIR ist, findet man die Überbleibsel einer ural-
ten Stadt, bey welchen jedoch keine Spuren weder von der Zeit, noch von dem Erbauer zu finden sind.
Der Ort selbst wird von den Einwohnern ‘Kratschuna’ genannt“ 41 . Bis heute hat noch kein Archäologe
versucht den zeitlichen Ursprung dieser Siedlung zu ergründen.
Zahlreiche Dokumente über die weitere Entwicklung des Milkower Bistums nach 1227 sind uns
überliefert worden, doch sollen hier nur jene Erwähnung finden, die die Zugehörigkeit des Hermann-
städter und Burzenländer Kapitels zu Milkow bestätigen. Dazu gehört ein Diplom des Papstes Gregor
IX. (1227-41) aus dem Jahre 1234, das unter anderem beanstandet, dass auch Deutsche aus Ungarn
(gemeint ist Siebenbürgen) in Milkow statt von dem zuständigen von Rom eingesetzten Bischof die
Sakramente von griechischen „Pseudopriestern“ empfangen und zu deren Glaubenslehre übergehen
würden 42 .
Richard HUß schreibt zur Vernichtung Milkows: „Wenn nun das Bistum auch zu keiner beson-
deren Macht gelangte, da der Mongoleneinfall 1241 und der Tatareneinfall 1286 es vollständig ver-
nichteten, so steht doch fest, dass von Rom aus immer das Bestreben bestand, dies Bistum zu stärken,
ja noch fast 50 Jahre nachher (1332) es wieder aufzurichten“ 43 .
Die Funktion des Bistums ging später auf Sereth, Bacău und Argeş (1381-86) über 44 . Der Initia-
tor des Argenser Bistums war der ungarische König Ludwig I. Er bewog Papst Urban VI. (Bulle vom
9. Mai 1381) das Bistum zu errichten, einen Predigermönch zum Bischof zu ernennen und ihn dem
Erzbischof von Kalocsa zu unterstellen.
Die bedeutendste Kirche auf dem Gebiet des Argenser Bistums befand sich in Langenau (Cam-
pulung), dessen Pfarrer 1380 vom Severiner Bischof die Weihe erhalten hatte 45 .
Von Bedeutung ist auch die Urkunde des Papstes Bonifaz IX. aus dem Jahre 1389, wonach das
Gebiet der Hermannstädter Propstei ehemals dem Argenser Bistum angehört habe 46 .

37
Rudolf HONIGBERGER, Zur Frage des Bistums Milkow, in Vjschr., Bd. 32, 1932, S. 371-75.
38
Nach Fr. TEUTSCH ist das Bistum zwischen 1222 und 1228 gegründet worden, nach A. THEINER im Jahre 1232.
39
K . REINERTH, Die freie königliche St. Ladislaus-Probstei, a.a.O., S. 338.
40
Rudolf HONIGBERGER, a.a.O., S. 371-75.
41
Dimitrie CANTEMIR, Descriptio antiqui et hodierni status Moldaviae, Hamburg 1769, 1.Teil, Kap. 4, zitiert nach J. BENKÖ, a.a.O., S.
36-37.
42
Istoria Romaniei in date, Bucuresti 1972, S. 66.
43
Richard HUß, Die Kirchenheiligen in Siebenbürgen, ein aus der Urheimat, mitgebrachtes Kulturheiligtum, in Siebenbürgen Sachsen,
Sonderheft der Zeitschrift Deutsches Vaterland, Österreichische Zeitschrift für Heimat und Volk, Wien 1922.
44
Rudolf HONIGBERGER, Zur Frage des Bistums Milkow, in Vjschr. 1932, S. 374.
45
Ein Auszug ans der Bulle: „...o erexit locum de Arges in civitatem Valachia maiori et ad instantiam Ludovici regis Hungariae constituit ibi
ecclesiam cathedralem, cui praefecit episcopum fratrem Nicolaum, ordinis praedicaturum et vocatur ecclesia Argensis in provincia Colo-
censi“ nach N. IORGA, Istoria Romanilor; III, S. 250.

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Auch aus den Statuten des Hermannstädter Kapitels von 1351 47 geht hervor, dass die geistlichen
und weltlichen Vertreter sowie die gesamte Bevölkerung der zum Hermannstädter Kapitel gehörenden
Stühle (Leschkirch, Schenk, Hermannstadt) erklären, dass dies Kapitel bisher zum Milkower Bistum
gehört habe, ferner, dass es sich nunmehr, nach erfolgter Zerstörung, dem Graner Erzbischof unterord-
ne. Beide Kapitel, das Hermannstädter und das Burzenländer, ließen keine Gelegenheit aus, ihre Zu-
gehörigkeit von allem Anfang an zum Milkower Bistum zu betonen.
So berichtet z.B. 1436 der Hermannstädter Dechant Christian dem Papst Eugen IV., dass sein
Dekanatssprengel, der an den Grenzen der Christenheit liege, seit jeher (ab olim) zur Milkower Diöze-
se gehört habe (d.h. seit der Ansiedlung), „da aber das Bistum in der Hand der Ungläubigen sei, so
hätten die Pfarrer dieses Sprengels, damit die Gläubigen nicht ohne Vorgesetzten blieben, sich einen
Dechanten gewählt, den der Erzbischof von Gran bestätigte, und der Dechant bat um Erweiterung
seiner Rechte“ 48 .
Der Ausdruck „ab olim” weist, Karl REINERTH zufolge, „auf eine längst vergangene, weiter
nicht zu bestimmende“ Zeit hin, „auf einen Anfang, hinter den keine menschliche Erinnerung zurück-
reicht“ 49 , was auch aus einer Berufungsschrift (1512) des Kronstädter Kapitels hervorgeht (... de cuius
dioecesi nos semper fuimus et sumus ab imemorabili tempore, cuius intium in memoria hominum non
est)“ 50 .
Dies kann aber auf keinen Fall die Zeit nach der Gründung der Hermannstädter Propstei gewe-
sen sein, da diese reichlich belegt ist, sondern eher die Zeit von der Einwanderung unserer Vorfahren
bis zur Gründung der Propstei. Papst Eugen IV. bestätigte 1436 auf Grund des weiter oben erwähnten
Berichtes die einstige Zugehörigkeit des Hermannstädter Dekanats zum Milkower Bistum 51 .
Nachdem im Jahre 1444 Milkow erneut zerstört wurde, schickte im Jahre 1447 der Graner Erz-
bischof den Thomas Armenus in das Hermannstädter und das Burzenländer Kapitel, wo ihm versichert
wurde, dass das Kapitel schon immer zur Milkower Diözese gehört habe, aber nach dessen Zerstörung
ganz verwaist geblieben wäre. „Daher“, wurde ihm gesagt, „haben wir Geistliche und Weltliche, die
Leiter der Pfarrkirchen und Pfarrer und das gesamte Volk der drei Stühle Schenk, Leschkirch und
Hermannstadt in den siebenbürgischen Landesteilen, in freier Wahl und in Übereinstimmung aller
Geistlichen und Weltlichen, den hochwürdigen Graner Erzbischof zu unserem Leiter erwählt“ 52 . Es ist
interessant, dass der Berichterstatter den Hermannstädter Propst und dessen Propstei einfach übergeht,
so wie man eine auferlegte Formalität ohne Bedeutung einfach ignoriert.
Rom ernennt weiterhin Bischöfe für den Bischofssitz von Milkow, obwohl der Ort Milkow un-
bewohnbar bleibt. So wurde im Jahre 1484 einem Petrus, Pfarrer von Großau (gest. 1486), die Bi-
schofswürde von Milkow verliehen. Nach seinem Tode erhoben der Siebenbürger Bischof und der
Hermannstädter Dechant Anspruch auf die Bischöflichen Abzeichen, Kleider usf. Der Streit ging bis
vor den Papst – die Entscheidung ist nicht bekannt 53 .

46
Franz ZIMMERMANN, Carl WERNER, Georg MÜLLER, Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, (von nun an Ub.) Bd.
3, 1391-1415, Nr. 1260-1785, S. 254.
47
K. REINERTH, St. Ladislaus-Propstei, a.a.0. S. 343. Constitutiones antiquiores capituli cibinienses cibini anno MCCCLI. Siehe dazu auch
Georg, Eduard MÜLLER, Die umdatierten, auf das Milkower Bistum bezugnehmenden Hermannstädter Kapitelsstatuten und ihre Entstehung
in den Jahren 1519-1525, in Vjschr, Bd. 32, S. 340. Friedrich TEUTSCH hatte diese Statuten umdatiert auf 1449. Geschichte der ev. Kirche in
Siebenbürgen, Bd. 1. 1921, S.66.
48
Fr. TEUTSCH, Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte, in Archiv, Bd. 40, H.3, 1921, S. 321.
49
Karl REINERTH, Aus der Vorgeschichte der siebenbürgisch-sächsischen Reformation, ein Beitrag zur Geschichte des Milkower Bistums, in
Archiv, Bd. 50, 1941, S. 5-6.
50
Ebenda, S. 15
51
G. E. MÜLLER, a.a.O., S. 340.
52
Fr. TEUTSCH, Kirchengeschichte, S. 322.
53
Ebenda.

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Am 15. Mai 1512 befahl Papst Julius II. die Vereinigung des Milkower Bistums mit dem Graner
Erzbistum 54 . Dem Graner Erzbischof sollten hinfort alle Rechte und Einkünfte zustehen, die der Mil-
kower Bischof in seiner Diözese gehabt hatte. Das Graner Erzbistum fordert aber von den zwei Kapi-
teln (Hermannstadt und Kronstadt) den Zehnten, obwohl bis dahin Milkow kein Recht darauf hatte.
Auch wurden die sächsischen Dechanten nicht anerkannt (bis dahin bezogen die Pfarrer den Zehnten,
das Kapitel wählte den Dechanten, die Gemeinde den Pfarrer). Vermutlich auf die heftige Reaktion der
Pfarrer, ernennt 1518 Papst Julius II. wieder einen Bischof für Milkow. Als Michael, der neu ernannte
Bischof, eine Einladung nach Tatros erließ, protestiert das Hermannstädter Kapitel (Urkunde vom 6.
April 1518 im Hermannstädter Kapitelsarchiv). Dem Namen nach gehörte Hermannstadt und Kron-
stadt wieder zu Milkow, tatsächlich unterstanden sie Gran. Erst 1525 bestätigt der Erzbischof von
Gran den Dechanten vom Burzenland und 1526 den von Hermannstadt ihre episkopalen Rechte. Selbst
nach der Reformation gab es Bestrebungen, die zwei Kapitel bei Milkow zu belassen.
Bei einer Zusammenkunft in Mediasch (17. Mai 1545), wo der Streit um die Zugehörigkeit der
Diözese von Milkow geschlichtet werden sollte, wird die Milkower von den beiden Pfarrern Johann
Friedrich (Dechant von Hermannstadt) und Thomas (Burzenländer Dechant) vertreten, die wiederholt
behaupten, dass das Hermannstädter und das Burzenländer Kapitel seit jeher zu Milkow gehört ha-
ben 55 .
Dieses, leider nicht lückenlose, aber doch reichliche Dokumentationsmaterial zu dem Bestehen
des Milkower Bistums, schafft – gemessen an der „klassischen Ansiedlungstheorie“ – Verwirrung und
gibt Rätsel auf 56 . Deswegen sind wir berechtigt eine neue mögliche Ansiedlungstheorie zu prüfen, die
auch diesen Tatsachen gerecht wird. Es ist notwendig das Vorhandensein eines Bistums Ende des 11.
Jahrhunderts am Außenrand des Karpatenbogens zu prüfen, dessen Umfeld zu ergründen, denn zu
jedem Bischof gehörte auch ein Gefolge und eine entsprechende Bevölkerung, die den Bestand der
Institution gewährleisten konnte. Ein von Rom abhängiges Bistum war auf zusätzliche Siedler ange-
wiesen. Die bodenständigen Walachen waren zum Großteil von der byzantinischen Kirche abhängig
und die Szekler in Siebenbürgen waren, zum Schutz des Bischofssitzes, gegen die aus dem Norden
nachdrängenden wilden Horden von Petschenegen und Kumanen nicht immer leicht und schnell zu
mobilisieren.
Der Pilgertourismus nahm im 11. Jahrhundert nie geahnte Ausmaße an. Viele Menschen began-
nen zu nomadisieren, unaufhörlich Länder zu durchstreifen, ohne jemals müde zu werden. Sie wurden
von einer regelrechten Mobilitätspsychose erfasst, die sie in Massen auf die Landstraße trieb. In dieser
mächtigen seelischen Eruption lebte die Unruhe der Völkerwanderungszeit wieder auf. Vor allem wa-
ren es die Pilgerfahrten ins „Heilige Land“, die im 11. Jahrhundert, trotz mancher Gefahren, Tausende
auf den Weg nach Jerusalem brachten. Die Gefahren für Leib und Seele schienen den Wunsch nach
frommer Wanderschaft nur stimuliert zu haben. Die unermüdliche Organisation Cluny sicherte die
Straßen nach Jerusalem durch zahlreiche Raststätten und Hospize ab. Ihnen kam zugute, dass man die
Pilgerheere auf der Pilgerstraße über die Donauländer durch Belgrad-Nisch nach Byzanz leiten konnte.
Viele Wanderlustige erreichten ihr Ziel nicht, sie zweigten nach manchen bestandenen Gefahren vom
Hauptweg ab und suchten für kürzere oder längere Zeit Asyl. Andere wieder erreichten Jerusalem,
verloren sich aber auf dem Heimweg und suchten sich eine neue Heimat (möglicherweise im Gel-
tungsbereich Milkow). Sollte in den neunziger Jahren des 11. Jahrhunderts das Milkower Bistum, wie
uns der Brief des Bischofs Laurentius (1096) vermuten lässt, tatsächlich bestanden haben, so wird
mancher der Wallfahrer und Pilger hier eine Zuflucht gesucht haben. War es doch dasjenige Jahrzehnt
54
Urkunde bei BENKÖ, Milkowia, S. 169ff.
55
Fr. TEUTSCH, Kirchengeschichte, S. 316.
56
Ebenda.

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in dem der Gedanke der christlichen Wallfahrt durch den Panat selbst mit dem Heidenkriegskonzept
verbunden wurde und zur bewaffneten Wallfahrt führte.
Milkow lag nicht gar so weit vom Pilgerweg entfernt und mancher Priester des Bistums mag
sich auf der Pilgerstraße nach mutigen Glaubensbrüdern umgesehen haben, die bereit waren, die Ge-
fahren einer immer durch Feinde bedrohten Diözese auf sich zu nehmen. Möglicherweise versprach
man ihnen für ihre Bereitschaft, nach Milkow zu ziehen, auch Ablass von den Strafen für begangene
Sünden, denn viele der Wallfahrer und Pilger der Vorkreuzzugszeit wurden vom eigenen Gewissen
auf die fromme Wanderschaft getrieben 57 .
„Der Versuch, mittels des Milkower Bistums die Kulturgrenze weiter nach Osten zu verschie-
ben misslang trotz reichlicher Besiedlung der östlichen Randgebiete der Karpaten mit Szeklern und
Deutschen“, schreibt Josef Sebestyen von KEÖPECZ 58 . Als Ursache sieht er die „ununterbrochenen
Angriffe militärisch hoch entwickelter, aus der russisch-asiatischen Steppe hervorquellenden Völker-
schaften“.
War aber dann der Weg nach Milkow von der Pilgerstraße her (Belgrad-Nisch-Byzanz) für die
verhinderten Kreuzfahrer, wie auch für Pilger nicht durch die in der Walachei nomadisierenden Pet-
schenegen zu gefährlich? Nach den Aufzeichnungen der zeitgenössischen byzantinischen Schriftstelle-
rin und Tochter des byzantinischen Kaisers Anna KOMNENA bestand diese Gefahr nicht, denn die
nördlich und südlich der Donau nomadisierenden Petschenegen unterschieden sich wesentlich von den
vereinzelt nachfolgenden Horden. Schon 1048 ließen sich unter ihrem Häuptling Keghen zwei Horden
Petschenegen (20.000) in Bulgarien nieder. Im nächsten Jahr wurden die Reste der besiegten und ge-
fangenen achtzig Tausend Petschenegen, die unter Thirak die zugefrorene Donau überschritten hatten,
um Sofia, Nisch und Oftschekoli angesiedelt 59 . Gemäß den Darstellungen Anna KOMNENAS hatten die
zahlenmäßig geringeren Petschenegen nördlich der Donau Ende des 11. Jahrhunderts aufgehört auf
dem Balkan ein politischer Faktor zu sein 60 , sie waren kulturreif. Der Verfall ihrer Macht hatte zur
Folge, dass immer mehr Petschenegen neue Lebensbedingungen im byzantinischen Kaiserreich such-
ten, das ihnen Heeres- und Ordnungsdienste anvertraute. Viele von ihnen sind in der Verwaltung bis
zu Angestellten und Vertrauten des Kaiserhofs aufgestiegen 61 .
Für Anna KOMNENA bildeten diese Petschenegen mit den unterworfenen Kumanen das Volk
„Kiptschak“ oder „Kapschak“. Aus seinen Reihen wurde die Leibwache des byzantinischen Kaisers
rekrutiert. Es hatte schon manches von den Einrichtungen der fortgeschrittenen Völker übernommen,
und als die ersten Kreuzritterheere im byzantinischen Reich eintrafen, wurden zu ihrer Begleitung
seitens des byzantinischen Kaisers Kiptschak-Söldnerheere bereitgestellt.
Oft mussten diese Söldnertruppen die Kreuzfahrer zu Disziplin und Ordnung mahnen oder mit
Gewalt dazu zwingen.
Die Petschenegen und Kumanen, das Volk Kipschak, hatten ihre Gefährlichkeit und Stoßkraft
verloren, nur aus dem Norden nachrückende, von den Tataren gehetzte wilde Horden, Verwandte un-
serer Petschenegen und Kumanen, änderten zeitweilig dieses friedliche Bild. Die von Nisch aus gestar-
teten Kreuzfahrer hätten demnach ungehindert das Einflussgebiet von Milkow erreichen können.

57
R. PÖRTNER, Operation Heiliges Grab, München-Zürich, 1980, S. 69.
58
Mittelalterliche Baukunst im Szeklerlande, in Vjschr., 1934, S. 197.
59
Emil FISCHER, Die kumanische Sprache, in Kbl., 1909, S. 137.
60
P. DIACONU, Les Petchenegues an Bas-Danube, Bucuresti, 1970, S. 134
61
C. NECSULESCU, Navalirea uzilor prin Tarile Romane in Imperiul Bizantin, in Rev. Ist. Rom., IX, 1939, S. 185-206.

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4 Der Bauernkreuzzug von 1096


Im 11. und 12. Jahrhundert war das historische Geschehen Europas, ähnlich wie heute, von ei-
nem west-östlichen Spannungsfeld geprägt. Einen offenen Kampf konnte sich weder die West- noch
die Ostkirche leisten. Beide hatten ihre profanen Sorgen. Die Päpste lebten in ständigem Zwist mit den
deutschen Kaisern und den von ihnen gestellten Gegenpäpsten. Die Haltung der Patriarchen wurde
von den Launen, Wünschen und Plänen des jeweiligen Basileus bestimmt – vor allem aber von seinen
Nöten. Denn die Machtstellung Byzanz’ in Asien war zusammengebrochen, der italienische Besitz
verloren, die Autorität auf der Balkanhalbinsel war geschrumpft. „Mein Vater“, schrieb Anna
KOMNENA, Tochter des byzantinischen Kaisers Alexios, „übernahm ein Reich, das von allen Seiten
Barbaren bedrängten und das völlig aller Hilfsquellen beraubt war“ 62 . Zu diesen Barbaren gehörten
auch die Seldschuken, ein Nomadenvolk, das in ungestümem Vorwärtsdrang die Überreste der arabi-
schen Macht hinwegfegte, sich persisches Gebiet unterworfen, die Kalifenstadt Bagdad eingenommen
und ein militärisches Sultanat gebildet hatte. Als dann auch Kaiser Romanus IV. (1068-71) im Kampf
mit den Seldschuken eine vernichtende Niederlage erlitten hatte, erwog Papst Gregor VII., zur Rettung
Byzanz’ militärische Hilfe zu organisieren. Damit wurde er zum Urheber des Kreuzzugsplanes, der
einerseits das „Heilige Land” den Seldschuken entreißen, andererseits aber, wie aus einem Brief an
König Heinrich IV. (1074) hervorgeht, Byzanz zu einer Einigung der beiden Kirchen zwingen sollte 63 .
Als dann Kaiser Alexios sich 20 Jahre später von den Seldschuken bedroht fühlte und Papst Ur-
ban II. um Hilfe bat, griff dieser den doppelsinnigen Kreuzzugsplan Gregors auf und versuchte, dessen
Politik geschmeidig und anpassungsfähig weiterzuführen. Die Kreuzzüge stellten demnach den ersten
großen Versuch Westeuropas dar, die tragische Spaltung und Zerschlagung des Imperium Romanum
rückgängig zu machen und Roms Einflussbereich wieder bis zum Euphrat und Tigris auszudehnen
(über Kampf um Einflussgebiete siehe weiter unten im Kapitel Zur Geschichte des Deutschen Ritter-
ordens ...).
Vermutungen, dass die Kreuzzüge Quelle einer Ansiedlung in Siebenbürgen sein könnten, wur-
den vereinzelt geäußert 64 , waren jedoch so allgemein gehalten, dass die siebenbürgischen Heimatfor-
scher sie aus Mangel an entsprechenden urkundlichen Belegen stets unglaubwürdig ablehnten, obwohl
die Kreuzzüge – besonders der erste – Anlass zu einer Ansiedlung boten.
So sind im Jahre 1096, wenn man den Aufzeichnungen des Chronisten Albert von AACHEN 65
Glauben schenken kann, auf dem Wege nach Konstantinopel, in unmittelbarer Nähe der Walachei, von
dem Tross des Eremiten Peter von AMIENS zehntausend Kreuzfahrer, vorwiegend deutsche Bauern,
aber auch Wallonen, mit Frauen und Kindern historisch außer Kontrolle geraten. Da kurz darauf in

62
Hans BAUER, Reise in das goldene Byzanz, Leipzig 1983, S. 195.
63
Der Schlüsselsatz dieses Briefes, der die Wünsche und Ziele der römischen Kirche und mit ihnen die gesamte macht- und glaubenspoliti-
sche Situation des zu Ende gehenden 11. Jahrhundert erhellt, lautet, in bezug auf den Kreuzzug: „Das aber stachelt mich in besonderem Maße
zu diesem Werke an, daß die Kirche von Konstantinopel, die in der Frage des heiligen Gebetes mit uns in Glaubensspaltung lebt, sich nach
Einigkeit mit dem Sitz des Apostels sehnt“. Die Frage, ob sich Urban II. 1095 von Gregors Kreuzzugsplan inspirieren ließ, wird von seinen
Biographen, im Liber pontilicalis mit „ja“ beantwortet. Auch Carl ERDMANNS scharfsinnige Untersuchung der Entstehung des Kreuzzugsge-
dankens, (Darmstadt 1965) hat ergeben, daß Jerusalem und das Heilige Land nur vorgegebene Ziele waren, daß es auch Urban haupsächlich
um die „Befreiung der orientalischen Kirche in ihrer Gesamtheit“ ging. Vgl. dazu auch Rudolf PÖRTNER, a.a.O., S. 85.
64
Es hat nicht an Vertretern der Hypothese gefehlt, wonach die Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen mit den Kreuzzugsfahrten, soweit
diese ihren Weg über Ungarn nahmen, in Verbindung stehen. Die Autoren gehen allerdings nicht von dem ersten (1096), sondern von dem
zweiten Kreuzzug (1147) aus. Dabei bringt Karl Kurt KLEIN z.B. den Wendenkreuzzug mit der Besiedlung Siebenbürgens in Verbindung.
Vgl. dazu Karl Kurt KLEIN, Wendenkreuzzug und Südostsiedlung, in Saxonica Septemcastrensia, bei ELWERT, Marburg 1971, S. 167. Erst-
abdruck im Südostdeutschen Archiv 10, 1967, S. 9-34. Gustav RÖSLER erwägt die Möglichkeit einer vorgeysanischen Besiedlung Nordsie-
benbürgens durch „deutsche Teile des ersten Kreuzzugs“. Er geht aber in einer zweiten, gleichzeitig aufgestellten These eher von einer
Umsiedlung deutscher Bewohner Westungarns, mit der ersten Verlagerung von Szeklern nach Ostsiebenbürgen (Gebiet Telekt) aus. Außer
Analogien kann er keine urkundlichen Beweise vorlegen. Vgl. dazu Karl Kurt KLEIN, Anselm v. Braz und Hezelo v. Merkstein, die ersten
Siebenbürger Sachsen, in Saxonica Septemcastrensia, a.a.O., S. 160-67. Wenn diese namhaften Historker nach neuen Erkenntnissen suchen,
ist das ein Beweis, daß die klassische Hypothese der Ansiedlung als überholt angesehen wurde.
65
Albert von AACHEN, Liber ChristianaeExpeditionis pro Ereptione, Emundatione et Restitutione Sanctae Hierosolymitanae.

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Siebenbürgen und der Walachei deutsche und wallonische Siedler belegt sind, lohnt vielleicht ein Ver-
such zu ergründen, ob zwischen den beiden Ereignissen ein direkter Zusammenhang bestehen könnte.
Zunächst: Wer ist der Chronist? Albert von AACHEN – der Verfasser wird auf dem Titelblatt
seiner Chronik Canonicus Aquensis ecclesiae genannt – schrieb um 1130 die breiteste und lebendigste
Chronik des ersten Kreuzzugs. Ohne selbst im Heiligen Land gewesen zu sein, beruft er sich auf zahl-
reiche Augenzeugenberichte, auf Chroniken und Geschichten vom Hörensagen. Rudolf PÖRTNER äu-
ßert sich über von AACHENS Chronik: „Bei allem Legendencharakter zeichnet sich seine Chronik
durch kristallklare Sachlichkeit und eine imposante Stofffülle aus“ 66 . Heinrich von SYBEL findet eben-
falls anerkennende Worte über den Quellenwert der Chronik, doch konnte er bei der Wiedergabe der
Ereignisse manchmal, besonders bei den Begebenheiten im Heiligen Land, Fehler entdecken 67 . So soll
der erste Kreuzzug, d.h. der Anmarsch bis Nisch, auch auf Grund von weiteren Quellen geschildert
werden 68 .
Der Appell von Clermont (27. November 1095) des Papstes Urban II. an die französische Rit-
terschaft und die fränkische Nobilität zur Teilnahme an dem Kreuzzug „hatte auch die Ohren und die
Seelen der ‚kleinen’ Leute erreicht und dort eine Wirkung hervorgerufen, die wahrscheinlich von nie-
mand erwartet worden war. Diese nicht programmierte Reaktion, die sowohl kirchliche als auch welt-
liche Institutionen vor unlösbare Probleme stellte, nahm in kurzer Zeit die Ausmaße und die Gewalt
einer Lawine an“ 69 . Geführt und verführt von dem Eremiten Peter von AMIENS, bildete sich eine nahe-
zu waffenlose Armee von Pilgern, die von der Vorstellung fasziniert waren, das Heilige Grab aus den
Händen der „Ungläubigen“ zu befreien und ein neues Siedlungsland zu erobern, in dem (nach der
Bibel) „Milch und Honig fließt“ 70 .
Die Werbung des „wortmächtigen Seelenfängers“ Pierre d'AMIENS begann in der Grafschaft
Berry, dann zog er durch die Gebiete von Orléans, Chartres und Etamps, berührte Epernay und Poissy
und gelangte über die Champagne nach Lothringen; über Trier und Aachen kam er am Ostersamstag
1096 mit einem Gefolge von fünfzehntausend Anhängern nach Köln, wo ihm außer einigen deutschen
Rittern viele verarmte Adlige und Tausende deutsche Bauern mit ihren Familien, Handwerker, Mön-
che, Arme und Kranke zuströmten, was sein Kreuzheer „der Armen“ auf fast vierzigtausend Personen
anwachsen ließ. Die Prediger für den Kreuzzug versprachen allen Kreuzfahrern, dass sie bei dem Ein-
zug in Jerusalem für alle Strapazen entschädigt werden würden. „Von allen Provinzstädten ist keine
größer als Jerusalem“, schreibt im Jahre 985 ein ungenannter Araber, „manche Hauptstädte sind in der
Tat kleiner, und nirgendwo findet man feinere und solidere Bauten. Die Versorgung mit Lebensmitteln
ist ausgezeichnet, die Märkte sind sauber, die Trauben sind riesengroß – und wo gibt es Quitten, die
denen der Heiligen Stadt gleichkommen? Die Orangen und die Mandeln, die Datteln und die Nuss, die
Feige und die Banane, außerdem Milch, Honig und Zucker gibt es in Fülle. Jerusalem ist auch der
angenehmste Ort, was das Klima anbelangt, denn die Kälte tut nicht weh und die Hitze ist nicht unge-
sund“ 71 .

66
R. PÖRTNER, a.a.O., S. 481
67
H. SYBEL, Geschichte des ersten Kreuzzuges, Düsseldorf 1841, S. 2-108.
68
Fulcher von CHARTRES nahm im Gefolge des Grafen Stefan von Blois am ersten Kreuzzug teil, wurde 1097 Kaplan König Balduins I. und
schrieb seine Beobachtungen und Erfahrungen in den Gesta Francorum Iherusalem Peregrinatum nieder, einem dreiteiligen Werk, das
zuverlässige Informationen vermittelt. Er ist einer der gewissenhaftesten lateinischen Chronisten, dessen Werk schon von den Zeitgenossen
hoch geschätzt wurde. Ekkehard von URACH berichtet über den Zug Peters nach Augenzeugenberichten (vgl. H. SYBEL, a.a.O., S. 66). Als
Abt von Urach (Aura) legte er seine Kreuzfahrererinnerungen in der Schrift Hierosolymita nieder und ergänzte sie mit Teilen aus der Weltge-
schichte seines Freundes Frutolf von MICHELSBERG, wo auch der erste Kreuzzug beschrieben wird (vgl. Rudolf PÖRTNER, a.a.O., S. 481 und
482). Die bedeutendsten Schriftquellen zur Geschichte der Kreuzzüge wurden von Jac. BONGARSIUS in dem Werk Gesta Die per Francos,
sive orientalium expeditionum, et regni Francorum Hierosolymitani historia ab a. 1095 ad 1420) a variis sed illius aevi seriptoribus, litteris
comendata, Hanover 1611, zusammengefaßt.
69
R. PÖRTNER, a.a.O., S. 26
70
Ebenda, S. 11
71
Ebenda, S. 64

Horst Klusch Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen


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Die Geschichte beweist, dass die Kreuzzugswerber ähnlich drastische Belehrungen nicht ver-
schmähten. Sie versprachen nicht nur metaphysischen Lohn sondern auch die Hoffnung auf irdischen
Gewinn in Gestalt von Abenteuern, Grundbesitz, schnell erworbenem Reichtum. Besonders den Ar-
men, den mittellosen Bauern aus Lothringen oder Flandern, dem Rheinland oder der Ile-de-France, der
Languedoc oder der Provence, die ohne Aussicht auf Besserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse,
ausgemergelt vor Hunger, aber erfüllt von der Hoffnung auf ein viel erträumtes Siedlungsland, ihr
Elendsdasein fristeten, mussten die leichtfertigen Versprechungen verheißungsvoll klingen 72 . „Die so
genannten Bauernkreuzzüge“ schreibt Konrad SCHÜNEMANN, „sind nicht nur als Glaubens- sondern
auch als Auswanderungsbewegungen aufzufassen“ 73 . Gulbert von NOGENT erinnerte sich, dass viele
Bauern es sich gerade zur Pflicht gemacht hätten, Haus und Hof zu veräußern. Das restliche Hab und
Gut hatten sie – samt Frauen und Kindern auf „zweirädrige Karren geladen, die von eisenbeschlagenen
Ochsen gezogen wurden“, um am Kreuzzug teilnehmen zu können. 74 „Hemdlose, Hungernde und
Darbende“, vermerkt Rudolf PÖRTNER, „gab es jedoch nicht nur unter den kleinen Leuten, sondern
auch unter den großen Herren. Es gab viele arme Ritter, vor allem durch das um die Jahrtausendwende
in Frankreich eingeführte Erbrecht des Erstgeborenen. Die 'Primogenitur' beugte zwar der gefährlichen
Zersplitterung des Grundbesitzes vor, verurteilte aber die Zweit- und Spätgeborenen zu dauernder
Abhängigkeit“ 75 .
Vor dem Bauernkreuzzug des Eremiten Peter von AMIENS war es einem anderen Haufen von
Abenteurern gelungen Konstantinopel zu erreichen und durch ihr Verhalten das Misstrauen der Be-
wohner, vor allein den Unmut des byzantinischen Kaisers, zu erwecken. Dieser Heerhaufen, der durch
sein Verhalten das Schicksal des ihm nachfolgenden eremitischen beeinflusste, bestand nur aus Fran-
zosen und wurde vom Ritter SANS-AVOIR (Habenichts) befehligt. Ende Mai hatten diese Kreuzzügler
bei Belgrad den Boden des byzantinischen Reiches betreten. Da die Vorräte aufgezehrt waren,
schwärmten die hungernden Kreuzfahrer in Belgrad aus und versorgten sich auf eigene Faust. Es kam
zu blutigen Schlägereien, byzantinische Truppen mussten eingreifen, es gab Tote und Verwundete auf
beiden Seiten. Dann erst wurden die Kreuzfahrer unter militärischer Begleitung nach Konstantinopel
geführt. Hier schlugen sie ihr Lager auf und warteten auf die Ankunft Pierre d'AMIENS'.
Dieses beutelüsterne Pilgerheer ohne Kriegserfahrung des Grafen Habenichts konnte Byzanz –
wie Kaiser Alexios erwartet hatte – nicht vor den Seldschuken schützen. Dazu gesellte sich das be-
rechtigte Misstrauen, wonach das päpstliche Kriegsziel nicht Jerusalem, sondern Byzanz war, dass
nach einem Sieg in Kleinasien die Ostkirche wieder der römischen Kirche unterstellt werden sollte.
Wegen solcher Überlegungen wurden nun alle Kreuzheere auf byzantinischem Boden von starken
militärischen Verbänden, meist Petschenegen als Söldner, empfangen, die gegen die Plünderer unver-
züglich einschritten 76 .
Bei diesen Gegebenheiten erreichte auch das Heer des Eremiten Pierre d´AMIENS (auf der Mili-
tär- und Handelsstraße Belgrad-Nisch-Sofia-Adrianopel) byzantinischen Boden. Es war ein mächtiger
Haufen – aber keine Armee – insgesamt, Frauen und Kinder eingerechnet, etwa vierzigtausend haupt-
sächlich deutsche Kreuzfahrer (nach RUNCIMAN zwanzigtausend Männer und Frauen) 77 .

72
Ebenda, S. 83
73
Konrad SCHÜNEMANN, Die mittelalterliche deutsche Kolonisation, in Yjschr., 57. Jhg., 1934. S. 5.
74
Guibert von NOGENT schrieb 1109 die Gesta Francorum eines unbekannten normannischen Chronisten aus der Umgebung des Fürsten
Bochernund um.
75
R. PÖRTNER, a.a.O., S.77
76
Auch beim Anmarsch der Normannen unter Herzog Boheinund von Tarent – eine der bestausgerüstetsten und schlagkräftigsten Einheit –
begegneten ihnen die Petschenegen mit äußerstem Argwohn. Es kam zu Kämpfen, die sogar den Charakter von militärischen Gefechten
annahmen.
77
St. RUNCIMAN, Geschichte der Kreuzzüge, München 1957, S. 212.

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Peter führte seine Scharen und den Tross von dreitausend Wagen in ziemlicher Zucht und Ord-
nung durch Ungarn bis Semlin 78 . Von der Bevölkerung Semlins provoziert, plünderten sie die Stadt
und töteten etwa viertausend Ungarn. Als Peter erfuhr, dass König Koloman mit einem Heer im An-
marsch sei um die seinen zu rächen, beschloss er, mit seinem Heer über die Save zu setzen. Am gege-
nüberliegenden Flussufer versuchten byzantinische Grenztruppen das Übersetzen zu verhindern. Da
die Folgen des sich hier ergebenden Kampfes mit der späteren Ansiedlung in Siebenbürgen auch in
Verbindung gebracht werden können, geben wir den Bericht des Chronisten zu diesem Ereignis wie-
der: „So erfuhr Peter vom Zorn des Königs und vom Heranrücken dieses gewaltigen Heeres und sofort
ordnete er jetzt an, dass das ganze Pilgerheer mit aller seiner Habe, den Herden und der ganzen Beute
Semlin verlassen und über die Morava ziehen solle. Aber nur wenige Schiffe, etwa einhundertfünfzig,
waren am Ufer zu finden, viel zu wenig, als dass eine so große geängstigte Menge in kurzer Zeit den
Fluss hätte überschreiten und dem in großer Übermacht heranrückenden König entrinnen können.
Darum versuchten viele, denen es an Schiffen zum Übersetzen fehlte, Holzstämme mit Weidenruten
zusammenzubinden und auf diesen den Strom zu überfahren. Sehr viele aber, die auf solchen Flößen
steuerlos den Fluss hinab fuhren, wurden von ihren Gefährten getrennt und erlagen den Pfeilen der
bulgarischen Mohammedaner“ 79 . In den Wirren des Kampfes verlor Peter viele Mitstreiter und tau-
send Bauernwagen, die er in den Fluten der Save untergegangen wähnte, von deren weiterem Schick-
sal aber der byzantinische Chronist Nicetas CHONIATES berichtet. Er erzählt von einem blühenden
Land, das zwischen Save und der Donau liegt, wo Kaiser Probus die ersten Weinstöcke gepflanzt hat-
te, eine freundliche Ebene, von den zwei großen Strömen und dem Gebirge Serbiens eingeschlossen.
„Durch Schönheit der Gegend und üppige Fruchtbarkeit des Landes war eine Anzahl fränkischer
Kreuzfahrer angelockt worden, sich selbst heimisch niederzulassen, und das Paradies, welches sie in
dem Heiligen Lande, entweder nicht zu finden hofften, oder nicht fanden, sich durch ihren Fleiß zu
schaffen. Seitdem wurden diese Pflanzungen von den Byzantinern Frankenland (griechisch Franco-
chorion) genannt“ 80 . Inwieweit diese Siedlung später als Quelle einer siebenbürgischen Einwanderung
angesehen werden kann, soll weiter unten Erwähnung finden. Vorerst begleiten wir weiterhin Peter
mit seinem Tross.
Der Zwischenfall bei Semlin löste auch auf der anderen Seite der Save Warnrufe aus. Da die byzantini-
schen Grenztruppen weichen mussten, flüchtete die Bevölkerung in die Berge und überließ Belgrad „der Wut
und Habgier der Peter-Banden, die wie ein gefräßiger Heuschreckenschwarm über die Stadt herfielen, sie aus-
räuberten und an allen vier Ecken anzündeten.“ 81 „Als er so die Seinigen gerächt, trat Peter die Fahrt durch die
ungeheuren bulgarischen Wälder an; auf kleinen (noch zweitausend) Wagen führte man die Lebensmittel, alles
Gerät und die Beute aus Belgrad mit. Acht Tage zog man durch die gewaltigen Wälder, bis man sich der stark
ummauerten Stadt Nisch näherte.“ 82 Nachdem Peter Adlige als Geiseln gestellt hatte, durften seine Kreuzfahrer
die Stadt betreten. Kurz vor der Weiterreise, die Geiseln waren schon zurückgekehrt, rissen die Bande der Dis-
ziplin und es kam infolge von Plünderungsversuchen einiger Schwaben zu Übergriffen, die mit einem Überfall
der Ordnungstruppen auf Peters Heer endeten. „Sie überfielen den peterschen Heerwurm und zerstückelten ihn.
Die Gläubigen, die ausgezogen waren, die christlichen Byzantiner im Kampf gegen die Feinde Christi zu unter-
stützen, zerstreuten sich in den Wäldern zu beiden Seiten der Straße, wo viele von ihnen erwischt und – nach
den Bräuchen des Landes – versklavt wurden. Albert von AACHEN behauptet, dass Peter in dieser Marsch-
Schlacht fast 10.000 Mann, ein Viertel seines bejammernswerten Heerhaufens mit 2.000 Bauernwagen verloren
habe.“ 83 St. RUNCIMAN, der sich vermutlich bei FULCO 84 dokumentiert hatte, schreibt dazu: „Viele wurden

78
I. A. FESSLER, Die Geschichte der Ungam und ihrer Landsassen, I, Leipzig 1815, S. 509.
79
Albert von AACHEN, Geschichte des ersten Kreuzzuges, 1, Jena 1923, S. 11.
80
I. A. FESSLER, a.a.O., II, S. 27
81
R. PÖRTNER, a.a.O., S. 117
82
Albert von AACHEN, Geschichte des ersten Kreuzzuges, a.a.O., S. 11.
83
R. PÖRTNER, a.a.O., S. 117

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erschlagen, zahllose andere, Männer, Frauen und Kinder wurden ohne Unterschied ergriffen und verbrachten
ihre restlichen Tage in der Nachbarschaft als Gefangene“ 85 . Nach tagelangem Umherirren in den Wäldern Ser-
biens sammelten sich noch fast dreißigtausend Pilger, die – als Fußvolk ohne Wagen – sich in den Wäldern
verstecken konnten und marschierten weiter nach Konstantinopel.

Die Petschenegen, dem Statthalter von Nisch, Niketas, unterordnet, dürften beim Überfall auf
Peters Tross auf Befehl von Byzanz gehandelt haben.
Laut Übereinkunft von Papst Urban und Kaiser Alexios 86 hatte letzterer für das Wohl der
Kreuzfahrer in Griechenland Sorge zu tragen, d.h. für eine entsprechende Verpflegung aufzukommen.
Hätten Peters Gefährten diese erhalten, wäre es nie zu Plünderungen und anderen Ausschreitungen
gekommen. Sie wurde ihnen aber verweigert, weil vermutlich der Versuch unternommen wurde, die
kriegsuntaugliche Schar zur Umkehr zu bewegen. In Konstantinopel wartete Ritter „HABENICHTS“ mit
seinen Franzosen auf Peter und war für das Kaiserreich bereits eine große finanzielle Belastung, die
weitere vierzigtausend Pilger, mit denen man ursprünglich rechnete, ohne militärische Effizienz, noch
wesentlich vergrößert hätten.
Wenn auch über weitere Schicksale der Kreuzfahrer keine Aufzeichnungen bestehen, kann man
doch annehmen, dass ihre Freiheitsberaubung nur von kurzer Dauer war. Denn kurze Zeit danach er-
teilte der byzantinische Kaiser eine Art von Generalabsolution für alle von den Kreuzfahrern unter-
wegs begangenen Missetaten, ein Verdikt, das dem Eremiten schon in der Nähe von Adrianopel von
zwei kaiserlichen Gesandten offiziell mitgeteilt wurde.
Hat sich unser Bericht bis jetzt auf dem Boden realer und überlieferter Tatsachen befunden,
müssen wir, wenn wir uns über einige Fragen Klarheit verschaffen wollen, auf der Suche von Ursache
und Wirkung eine Reihe hypothetischer Urteile miteinander zu einer Schlussfolgerung verbinden. Was
geschah nach dem bekannt werden der Amnestie mit den annähernd zehntausend deutschen und wal-
lonischen Kreuzfahrern – meist Bauern mit Familie und zweitausend Bauernwagen – die in Nisch
gefangen zurückbehalten wurden? Bei der für das byzantinische Heer charakteristischen eisernen Dis-
ziplin, bei dem europaweiten Interesse für das Gelingen dieses heiligen Unternehmens, dürfte sich der
Statthalter von Nisch kaum erlaubt haben die Verfügung des Kaisers zu missachten. Daher muss mit
der Möglichkeit ihrer Freilassung gerechnet werden. Was unternahmen die auf freien Fuß Gestellten?
Dem Tross Peters sind sie nicht nachgezogen, denn zumindest in Byzanz hätten sie zu ihren ehemali-
gen Leidensgefährten stoßen müssen und die Chroniken hätten dieses sicher vermerkt. Den meisten
Bauern, die größtenteils nur wegen ihren schwerfälligen Wagen bei Nisch in Gefangenschaft geraten
waren, wird nach ihrer Befreiung die Hoffnungslosigkeit eines Weiterziehens mit dem beutelüsternen,
verblendeten Pöbel, das bei Nisch hatte flüchten können, bewusst geworden sein.
Denselben Weg zurück werden die in Nisch verbliebenen wohl kaum gewählt haben, denn in
dem ausgebrannten und geplünderten Belgrad oder gar in Semlin auf ungarischem Boden, hätte sie des
Kaisers Amnestie vor der Rachsucht der Bevölkerung wohl nicht schützen können.
In Nisch und Umgebung wurde ihnen auch kein Siedlungsland zugewiesen, denn zumindest die
griechischen Chroniken hätten ein solches Ereignis festgehalten, und weiter durchziehende Kreuzfah-
rer hätten bestimmt auch die Kunde von einer Ansiedlung vermerkt. Die einzige Möglichkeit, das ge-
wünschte Siedlungsgebiet zu finden, ohne beim Papst um eine Entbindung vom Kreuzfahrerschwur
vorstellig zu werden, bestand im Überschreiten der Donau (vermutlich im Winter) und in einer Asyl-

84
FULCO, Geschichte des Kreuzzuges unserer Tage. Wer FULCO war ist nicht bekannt. Sein Werk behandelt die ersten Begebenheiten des
Kreuzzugs bis zur Belagerung von Nicaea (in drei Büchern und in Hexametern).
85
St. RUNCIMAN, a.a.O., S. 124
86
Schreiben Urbans II. an Alexios (in den Konziliensammlungen mehrfach abgedruckt) – vgl. H. SYBEL, a.a.O. S. 8.

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suche im Wirkungskreis des Milkower Bistums, dem Brückenkopf der katholischen Kirche an der
Grenze des Christentums.
Auf dem Weg dahin hinterließen sie allerdings noch auf serbischem Gebiet in Ciprovici (auch
Kiprovatz) einen Ableger. 1162 sind in den Silberbergwerken von Ciprovici deutsche Bergleute be-
legt, denen eine gemeinsame Herkunft mit den Siebenbürger Sachsen bewusst war, die dann, Ende des
17. Jahrhunderts nach einem Aufstand der Katholiken mit dem Einverständnis von Kaiser Leopold I.
in die Walachei und nach Siebenbürgen flüchteten, wo sie Wohnsitze und Privilegien erhielten 87 .
Ziehen wir in Betracht, dass in Nisch (50 km südlich der Donau) Tausende deutsche und wallo-
nische Bauern und Adlige 1096 historisch außer Kontrolle geraten sind, und dass später in Siebenbür-
gen, auch am Außenrand der Karpaten, deutsche und wallonische Bauern und Adlige dokumentarisch
belegt sind, bei denen weder die Zeit noch der Weg der Ansiedlung ergründet werden konnte, berech-
tigt es uns zu dem hypothetischen Schluss, dass eine kausale Verknüpfung zwischen den Ereignissen
in Nisch und einer Ansiedlung in der Walachei und Siebenbürgen möglich ist. Bodenständige Rumä-
nen südlich und nördlich der Karpaten, 1050 als Christen erwähnt, die schon Ende des 11. Jahrhun-
derts gute Beziehungen zu Byzanz gepflegt hatten 88 , dürften sich gegen eine Ansiedlung der Kreuz-
fahrer in dem dünn besiedelten Gebiet 89 nicht widersetzt haben.

87
Arno MEHLAN, Über die Bedeutung der mitteIalterlichen Bergwerkkolonien für die sIawischen Balkanvölker, in Revue internationales des
études balkaniques, 1938, S. 383-404.
88
Vgl. dazu Anonimul lui HASE, Insemnarile topharuIui grec, 1050-51, in Istoria Romäniei in date, Bucuresti 1972, S. 58; Kurt HOREDT,
Contributii la istoria Transilvaniei sec. IV-XIII Bucuresti 1958, S. 126.
89
Th. NÄGLER, a.a.O., S. 119

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5 Deutsche Siedler in der Walachei und in Südsiebenbürgen


Akzeptiert man diese Vermutungen, so könnten schon Ende des 11. Jahrhunderts südlich 90 und
auch nördlich der Karpaten deutsche Siedlungen entstanden sein 91 . Die Brücke, die im Rahmen dieser
Arbeit zwischen den Begebenheiten bei Nisch und der Ansiedlung in Siebenbürgen als eine Hypothese
zur Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen gebaut werden soll, scheint erörterungswert, da multidiszi-
plinäre Forschungsergebnisse über die Herkunft der Siebenbürger Sachsen mit den Gegebenheiten der
Kreuzfahrer übereinstimmen.
Die durch Sprachforscher ermittelten Herkunftsgebiete stimmen mit denen der Kreuzfahrer ü-
berein. Schon Lászlo GÁLDI 92 hatte auf französische und wallonische Geistliche, Ritter und Grafen
hingewiesen, die gemeinsam mit den Grafen deutscher Abstammung auch eine organisatorische Rolle
bei der deutschen Kolonisation innehatten. Das Heer Peters bestand mindestens zu einem Drittel aus
Franzosen, Wallonen und (einigen) Italienern, die verschiedenen sozialen Schichten angehörten. Auch
Karl Kurt KLEIN hat, als er über die Latini in Siebenbürgen schrieb, darauf hingewiesen, dass wir
Sachsen uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass auch französisches Blut durch unsere Adern
fließt 93 . Diese Feststellung allein hat allerdings kaum Beweiskraft, denn sie gilt sowohl für die Teil-
nehmer des ersten, des zweiten und des Wendenkreuzzuges wie auch für die gesamten deutschen Ost-
siedler. Die Übereinstimmung aber mit den übrigen Begebenheiten machen die Hypothese wahr-
scheinlicher, sie ermöglichen einen, wenn auch nicht lückenlosen so doch gut untermauerten Indizien-
beweis.
1206 werden in Siebenbürgen die „primi hospites regni Saxones” von Karako, Gropundorph
und Rams mit Rechten und Pflichten ausgestattet. Von diesen Siedlern heißt es, dass sie „durch den
Adel ihrer Abstammung ausgezeichnet sind (quos nobilitus generis exornat)“ 94 .
Karl Kurt KLEIN schließt daraus, dass es sich hier um deutschen Adel handelt, der 1351
„Gleichstellung mit dem Adel der ungarischen Urgeschlechter erfährt“ 95 . Für die Möglichkeit, dass
das Andreanum 96 auf Drängen einer sozial gehobenen Gruppe innerhalb der siebenbürgischen Siedler

90
HONIGBERGER gibt Beispiele von zahlreichen Orts- und Flußnamen, die auf deutsche Siedler in Altrumänien deuten. Die Siebenbürger
Sachsen in Altrumänien, in Siebenbürger Sachsen, Wien 1922, S. 96.
91
Laut HOREDT stammt die Repser Burg aus dem 13. Jahrhundert, wobei er nicht ausschließt, daß schon in der vorgeysanischen Zeit an
dieser Stelle eine Burg gestanden hat. Zur siebenbürgischen Burgenforschung, in Südostforschungen, Vl. Jg., H. ¾, Leipzig 1941, S.
567-614. Auch H. und A. FABINI, Kirchenburgen in Siebenbürgen, Wien, Köln, Graz, 1986, S. 98
92
Th. NÄGELER, a.a.O., S. 84
93
Karl Kurt KLEIN, Zur Frage der „Germanissimi Germani“ des Dichters Martin Opitz, in Südostdeutsches Archiv, Bd. 4, München 1961;
vgl. dazu auch A. MÖCKEL, Nachruf auf Karl Kurt Klein, in Kbl., 3. Folge, 1971, S. 71.
94
W. NILLES, Zur Rechtslage der „hospites Theutonici“ in Korrespondenzblatt des Arbeitskreises, 3. Folge, 1971, S. 84; auch K. K. KLEIN,
Primi hospites Regni Saxones - die ersten Saxones als Siedler im Lande Siebenbürgen, in Siebenbürgisch-sächsacher Hauskalender; Jahr-
buch 1969, Jg 14, München 1969, S. 79.
95
W. NILLES, a.a.O., S. 85.
96
Das Andreanum ist die bedeutendste mittelalterliche Urkunde der Siebenbürger Sachsen. Im Original blieb es uns nicht erhalten, jedoch als
Einschaltung in einer urkundlichen Bestätigung des Freibriefs durch König Karl I. aus dem Jahre 1317 wurde es uns überliefert. Bis 1627
gibt es für den Andreanischen Freibrief 21 Bestätigungen (D. Fr. TEUTSCH, Die politische und historische Wertung des andreanischen Frei-
briefs, in Archiv Bd. 42, H. 1, 1924). 1486 bestätigte König Mathias dessen Geltung für die Nationsuniversität und schuf so die Verfassungs-
rechtliche Grundlage der politischen und kulturellen Autonomie der Siebenbürger Sachsen bis 1848. Von Behörden (Fiscus - Martinszins)
und einigen wenigen Historikern wurde die Echtheit dieses Dokuments wiederholt angezweifelt; angebliche Schwachstellen beruhten auf
unterschiedlichen Abschriften der Bestätigungen und deren Auslegung.
Man rätselte, warum der Stadtschreiber Christian Pomarius, der auf Anordnung des Bürgermeisters Peter Haller alle auf die Existenz der
Siebenbürger Sachsen bezüglichen Dokumente 1546 zu der „Notchronik“ (Regestum literarum in cellas ordinatorum) zusammenfaßte, das
Andreanum von 1224 nicht erwähnte. Man fand es auch merkwürdig, daß Laurentius Toppeltinus 1667 in einer Wiedergabe des Andreanums
die Bezeichnungen „hospites“ wegließ und für „vocati“ das Wort „donati“ gelesen hatte, und daß Mathias Miles, der 1669 Toppeltinus
vorwirft, daß er das Andreanum nicht nur unbefugt (furtim) sondern auch ungenau (mutilate) veröffentlicht habe, an dem Ausdruck „donati“
keinen Anstoß genommen hatte, ihn vielmehr in dem Brocardia Antitoppeltiana (Handschrift) zweimal zu der seinen macht. Merkwürdig ist
auch der Umstand, daß Valentin Franck im Jahre 1670, trotz angeblich besseren Wissens, diese Lesart duldete, jedenfalls nicht beanstandete,
und mehr als ein Vierteljahrhundert zuwartete, bis er (1696) die Unrichtigkeit der Lesart „donati“ sich öffentlich nachzuweisen getraute.

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zustande kam, spricht der Umstand, dass gemäß den Untersuchungen Georg Eduard MÜLLERS die
Zahl der so genannten Graven, die als Gemeindebeamten, aber auch als Gräfenstellvertreter fungier-
ten, relativ groß war 97 . Ob Gräven (Graeven) als Vertreter des Adels unter den Siedlern waren oder als
Sprecher der Ansiedler eine Führerrolle übernommen hatten, ist noch nicht eindeutig geklärt.
Nach Ernst WAGNER sind Vertreter des deutschen Adels erst im 13. Jahrhundert zugewandert 98 .
Eine administrative Verwaltung mittels Gräven finden wir jedenfalls schon Ende des 13. Jahrhunderts
auch bei den deutschen Siedlern südlich der Karpaten. Aus dem Jahre 1300 stammt der Grabstein des
Grafen aus Langenau (comes) Laurentius von Langocampo (Câmpulung). Seiner Gräfenwürde ist zu
entnehmen, schreibt Thomas NÄGLER, dass hier, im ältesten Fürstensitz der Walachei, bereits im 13.
Jahrhundert eine deutsche Siedlergruppe war, deren Privilegien aber erst aus späterer Zeit bekannt
sind 99 . Zu den rumänischen Ortschaften mit deutschen Siedlern zählen noch Curtea de Argeş,
Târgovişte, wahrscheinlich auch Cetăţeni an der Dimboviţa 100 . P. P. PANAITESCU folgert, an Hand
einer städtischen Urkunde des Rats von Arges, dass die Ratsverfassung zahlreicher Städte in den Fürs-
tentümern, mit dem Richter und dem Zwölferkollegium des engeren Rates an der Spitze, den sächsi-
schen Städten Siebenbürgens gleicht 101 Th. NÄGLER stellt fest, dass man an Hand der einheitlich zy-
linderförmigen Verteidigungstürme (typisch für die Bauart der Kreuzfahrer) aus dem Süden der Kar-
paten und aus Siebenbürgen schließen kann, dass einst auf beiden Seiten der Südkarpaten eine einheit-
liche Staatsmacht gewirkt haben muss 102 . Da die Kirchenburgen des Altlandes auch flankierende zy-
linderförmige Türme und Torwehren aufweisen und diese Bauart erst durch die Kreuzzüge aus Paläs-
tina nach Europa gebracht wurde, ist anzunehmen, dass schon vor dem Ritterorden Kreuzfahrer die
Übermittler dieser Bauweise waren 103 . Die Berglehne neben der Königssteinburg (Cetatea Neamţului),
jenseits der „Schneeberge gelegen” heißt Dealul Sasului 104 . Frühfeudale Siedlungen, die in der Do-
nauklamm bei Gornea. Moldova Veche, Pescari, Pojejena und Moldova Noua identifiziert worden
sind, müssten aus dieser Sicht untersucht werden. Desgleichen die ausgegrabenen frühfeudalen Befes-
tigungen von Slon „La Ciuga” im Kreis Prahova. Für einen Zusammenhang dieser Siedlungen und
den in die Walachei Ende des 11. Jahrhunderts vermutlich abgedrängten Kreuzfahrern fehlt jeder Be-
weis, doch wurde bis jetzt nach einer Bestätigung auch nicht gesucht. Jedenfalls muss auf die soziale
Gliederung des Kreuzfahrerheeres hingewiesen werden, in dem deutsche Adlige und Ritter führende
Funktionen innehatten, deren Nachkommen später als Gräven hätten bezeichnet werden können.

„Nicht weniger merkwürdig als diese Verzögerung“ schreibt Andreas SCHEINER „ist aber die Tatsache, daß sich aber in der Lesart donati für
vocati gipfelnde Volkstumskunde noch mehr als ein Jahrhundert lang wirksam erhalten konnte und als innere Form unseres siebenbür-
gisch-sächsischen Sprachwesens heute noch zu wirken nicht aufgehört hat.“ Der Hermannstädter Magistrat soll Toppeltinus wegen der
beiden Lesefehler zur Verantwortung gezogen haben und am 4. Mai 1669 soll sich Toppeltinus schriftlich für die unrichtige Lesart entschul-
digt haben. Da aber dieses Entschuldigungsschreiben nicht zu seinen Lebzeiten, sondern erst 120 Jahre später veröffentlicht wurde, kommt
ihm nur eine sehr relative Beweiskraft zu.
Die Bestätigung des Andreanums aus dem Jahre 1317 untersuchte Aurelian SACERDOTEANU altschriftkundlich und erklärte sie für echt.
Dazu siehe Laurentius TOPPELTINUS, Origines et occasus Transsylvanorum seu erutae nationes Transsylvaniae aerumque ultimi temporis
revolutiones, historicanarratione breviter comprehensae, Lugduni: Boissart & Georg, Remeus 1667; Georg E. MÜLLER, Ist das Andreanum
vom Jahre 1224 eine Fälschung?, in Vierteljahresschrift, 58. Jg., 1935, S. 112-131; Aureliu SACERDOTEANU, Andreanum si alte acte, in
Tara Barsei, Kronstadt 1935, S. 26-27 und 115-123; Friedrich TEUTSCH, Die politische und historische Wertung des Andreanischen Frei-
briefs, in Archiv, Bd. 42, H. 1, S. 21, 33, 34.
97
Georg Eduard Müller, Die Gräven des Siebenbürger Sachsenlandes mit besonderer Berücksichtigung der Dorfgemeindegerichtsbarkeit, in
Festschrift für Friedrich Teutsch, Hermannstadt 1931, S. 108 ff.
98
Privater Briefwechsel
99
Th. NÄG1ER, a.a.O., S. 166, István GENTHON zitiert aus einer Arbeit Nicolae IORGAS: „Cămpulung, das ehemalige Langenau (Langrowe,
Langenowe) im Süden an der Dimboviţa, war ein urdeutscher Markt ... der Ankauf von Grund und Erbgut in Câmpulung war genau wie
drüben im sächsischen Siebenbürgen, allen Stadtfremden verboten, selbst dem Fürst und dem dortigen orthodoxen Kloster, nur die Bürger
konnten liegendes Gut sich einander übertragen.“ Dazu siehe Buchbesprechung von Alexander FERENCZI über Genthon István: Magyar
müvészek Austriában a a mohácsi vészig, in Vjschr., Bd. 32, 1932, S. 388.
100
Th. NÄGLER, a.a.O., S. 166
101
P. P. PANAITESEU, Documente slavo-române din Sibiu (1470-1653) in Academia Romäna, Studii si Cerceiäri, Nr. 32, Bucuresti; dazu
Buchbesprechung von Gustav GÜNDISCH, Vjschr. 1939, S. 288.
102
Th. NÄGLER, Populatia romănească şi caracterul colonizării săsesti in sec. XII-XIII-lea, in Studii şi articole de istorie, Bucuresti 1969.
103
Das Burzenland – Die Dörfer des Burzenlandes, Kronstadt 1929, S. 100
104
Ebenda, S. 61

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Es ist auch eher zu vermuten, daß Anselm von Braz, der Burgvogt von Logne, der im Jahre
1103 mit seinen Söhnen nach Ungarn auswanderte, wenn er überhaupt nach Siebenbürgen kam 105 ,
schon um wallonische Siedler wusste, die hier eine neue Heimat gefunden hatten, als dass er gewagt
hätte, im Alleingang in diesem Lande zu siedeln.
Die Hypothese einer Ansiedlung Ende des 11. Jahrhunderts durch Kreuzfahrer, die durch den
Altdurchbruch nach Siebenbürgen kamen, steht mit der Ansicht einiger Heimatforscher im Einklang,
die, im Rahmen der Ansiedlungschronologie, dem Hermannstädter Stuhl Priorität einräumten und ihn
als ersten der septem sedium ansahen, weil seine Besiedlung durch den Altdurchbruch erfolgt sein
könnte. Schon Joseph TEUTSCH behauptet in seiner „Kurzgefaßten Jahr-Geschichte von Siebenbürgen,
besonders Burzenland“ 106 , dass die Sachsen vor Geysa II. durch den Roten-Turm-Pass und den Törz-
burger Pass nach Siebenbürgen eingewandert sind. In seiner Historischen Zugabe schreibt er zur Re-
gierung Geysas II. „Merke: Die Teutschen sind nicht von diesem König nach Siebenbürgen berufen
worden sondern als Teutones oder Teutschen schon drinnen wohnhaft gewesen.“ 107 Im 16. Jahrhun-
dert wusste man in Regierungskreisen von zahlreichen deutschen vorgeysanischen Siedlern in Sieben-
bürgen. Darüber berichtet Johann Andreas GROMO, der Obrist und Kommandant der italienischen
Leibgarde des Königs Sigismund in den Jahren 1564 und 1565 108 . Wie Karl SCHULLERUS vertrat auch
Martin RESCHNER die Meinung, dass ein Teil der Kreuzfahrer des Kaisers Konrad im Jahre 1147 den
Alt aufwärts gewandert seien und in der Zibinsebene die ältesten Ortschaften gegründet hätten. Franz
ZIMMERMANN widerlegt diese Hypothese mit Argumenten, die bei dem erwähnten Einwanderungsweg
über Nisch gegenstandslos geworden sind 109 . In CINNASMUS' Darstellung vom Feldzug Geysas II.
(1154) gegen den griechischen Kaiser Manuel wird erwähnt, dass bei der Belagerung von Branizova
auch Deutsche beteiligt waren. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass die unter Geysa II. eventuell aus
Deutschland nach Siebenbürgen gerufenen Siedler (klassische Ansiedlungstheorie) schon kampffähige
Truppen stellen konnten. Aber am Südrand der Karpaten schon seit einem halben Jahrhundert siedeln-
de ehemalige Kreuzfahrer könnten Geysa in dem Kampf gegen Byzanz unterstützt haben und an-
schließend einer Einladung Geysas nach Siebenbürgen gefolgt sein 110 . Es war nicht nur die Gefahr, die
ihnen von Byzanz drohte 111 , es war vor allem die Angst vor den aus dem Osten nachdrängenden wil-

105
1103 waren die Bedingungen für eine Reise durch Ungarn, besonders für Wallonen und Deutsche, äußerst ungünstig. Sieben Jahre zuvor
zogen außer Peters Scharen, die in Semlin 4000 Ungarn töteten, noch weitere große Pilgerhaufen nach dem Heiligen Land. Gottschalk, ein
Priester vom Rhein, hatte sich aus der Gefolgschaft Peters abgesetzt; seine Gefolgschaft bestand aus 15.000 Franken, Schwaben und Lothrin-
gern, die er durch Ostfranken, an der Donau entlang, nach Ungarn führte, wo sie wegen Plünderungen von König Kolomans Heer vernichtet
wurden. Der Priester Volkmar durchzog Lothringen, sammelte Gleichgesinnte und richtete seinen Marsch durch Sachsen, über Böhmen nach
Ungarn, wo die Seinigen ebenfalls, nach verübten Ausschreitungen, von Koloman geschlagen und vernichtet wurden. Das gleiche Schicksal
erlitt auch die größte dieser Scharen, angeführt von dem Grafen Emich von Leiningen und dem Vicomte von Melun, die aus Franzosen
bestand - 200.000 Mann stark. Guibert von NOGENT hat ein außerordentlich eindrucksvolles Bild von den Ausschweifungen entworfen, die
sich diese Rotten in Ungarn zuschulde kommen ließen: „Getrieben von abscheulicher Wut setzten sie die Getreideschober in Brand, stellten
sie jungen Mädchen nach, taten ihnen Gewalt an, schändeten Ehen, indem sie den Männern ihre Frauen raubten und rissen wohlmeinenden
Gastgebern ihre Bärte aus.“ Unter diesen Bedingungen 1103 im Alleingang (Anselm mit seinen Söhnen) Ungarn zu durchwandern war ein
gewagtes Unternehmen, dessen tödlicher Ausgang zu erwarten war. Obwohl der tragische Ausgang dieser Reise auch urkundlich belegt ist, –
denn der Abt Fulmar schickte einen seiner Mönche namens Ernst nach Ungarn, der nach seiner Wiederkehr den Tod Anselms und seiner
Söhne bestätigte, – haben einige unserer Heimatforscher in Anselm von Braz den Gründer der Stadt Broos gesehen – eine wahre Piruette auf
dem Glatteis der Spekulationen, (aber) eine der Säulen, auf der die klassische Ansiedlungstheorie ruht. Siehe dazu Dr. WATTENBACH, Ein
Streifzug durch den Ardennenwald, in Archiv, Bd. L, N. F. (Kronstadt) 1853.
106
Joseph TEUTSCH, Kurzgefaßte Jahr-Geschichte von Siebenbürgen, besonders Burzenland, INFOBRIEF5u+ Quellen zur Geschichte von
Brassó, Bd. 4, Kronstadt 1903, S. 16.
107
Ebenda, S. 13.
108
Übersicht des ganzen im Besitz des Königs Johann von Siebenbürgen befindlichen Reiches und allen Merkwürdigkeiten desselben, in
Archiv, Neue Folge, II. Bd., Kronstadt 1855.
Von dem Namen „Insula Christiana“ ausgehend, war Richard HUß der Meinung, daß die Gemeinde Großau schon vor 1140 bestanden haben
müßte. Die Kirchenheiligen in Siebenbürgen, S. 84. Franz ZIMMERMANN beruft sich auf Mitteilungen des Instituts für Österreichische Ge-
schichtsforschung (V, Insbruck 1884, s. 555 ff) als Quelle seiner Behauptung, daß schon unter König Ladislaus I. (1077-1095) deutsche
Siedler nach Siebenbürgen kamen. Die Zeugenreihe in den mittelalterlichen Urkunden des Weißenburger Kapitels.
109
Fr. ZIMMERMANN, Über die Wege der deutschen Einwanderer nach Siebenbürgen, in Kbl. 1888, S. 9-12, vgl. auch Mitteilungen aus dem
Staatsarchiv Köln, Heft XIV, 1888. S. 125 ff und Kbl. 1888. S. 68.
110
STRITTER, Memoriae populorum olim ad Danubium incolentium, III, S.649. Auch in G. D. TEUTSCH, Über Anfänge der siebenbür-
gisch-sächsischen Geschichtsschreibung, in Archiv, 1888, 21. Bd., 3. Heft, S. 443.
111
P. DIACONU, Les Coumans au Bas-Danube aux XI-e et XII-e siécle, Bucuresti 1978, S.89.

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den Kumanenhorden, die sie in das geschützte Siebenbürgen führte. Bezieht man die Bemerkung aus
dem Andreanum (vocati fuerant a piissimo rege Geysa) auf diese Begebenheiten, dann erhält auch die
Tatsache eine Erklärung, dass das älteste besiedelte Gebiet im Süden Siebenbürgens liegt, dass dieses
vom Süden nach Norden entlang der vorhandenen Täler bezogen wurde, denn der Anmarschweg war
der Altdurchbruch. Dann wird es auch verständlich warum die ersten Siedler bei dem Bistum Milkow,
dem sie schon aus der Walachei angehört hatten, verblieben und die Gründung der Hermannstädter
Propstei kann als dringende Maßnahme des ungarischen Königs (auf Drängen des Papstes) verstanden
werden, wenn man folgende Gegebenheiten berücksichtigt. Wie schon erwähnt, waren alle Ereignisse
von historischer Bedeutung in Osteuropa vom Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts von dem
Spannungsfeld zwischen Ost und West, zwischen der griechischen und der römischen Kirche geprägt.
In dem Zeitraum von dem Aufstand in Konstantinopel gegen die „Lateiner” (1182), bei dem tausende
Anhänger der römischen Kirche, darunter auch der Legat des Papstes, hingemetzelt wurden, bis zum 4.
Kreuzzug, in dessen Verlauf Konstantinopel (1204) für über ein halbes Jahrhundert Beute der Kreuz-
fahrer wurde, ist die römische Kirche in Defensive und versucht nachzuholen, was in den vergangenen
.Jahrzehnten versäumt wurde. In Ungarn und Siebenbürgen beispielsweise war der Einfluss der grie-
chischen Kirche merkbar angewachsen, wofür vielfältige Gründe angeführt werden können. Im Zeit-
raum 1131-1173 bekannten sich, wenn auch inoffiziell, drei ungarische Königsgattinnen zur griechi-
schen Kirche: Helena, Gattin Belas II., Euphrosine, Gattin Geysas II. und Maria, Gattin Stephans IV.
Der Herzog, Ban und Palatin, Belusch, der 1141 die Vormundschaft für den noch minderjährigen
Geysa II. übernommen hatte, gehörte ebenfalls der griechischen Kirche an. König Bela III. (1173-96)
war von seinem Knabenalter an bis zur Thronbesteigung geachteter Zögling des byzantinischen Hofes
und stand unter dem Einfluss der Kirche von Konstantinopel. Er hatte im Jahre 1176 dem griechischen
Kaiser Manuel I. ein ungarisches Hilfskorps nach Kleinasien geschickt, unter der Leitung des Woje-
woden Siebenbürgens Leustach (Eustach) 112 .
Benedikt (Sohn Konrads) war von 1202-1206 und 1208-1209 Wojewode von Siebenbürgen. Er
hatte den Titel Herzog (dux) erhalten, wurde aber 1209 des Hochverrats beschuldigt. Er hatte versucht,
an Stelle des Andreas II. die in Griechenland lebenden Söhne des im Jahre 1189 dahin ausgewanderten
Arpádenprinzen Gyeta (Geysa) auf den Thron zu berufen 113 . Vom Süden bis zum Norden Siebenbür-
gens wohnten in Ballungsgebieten Walachen, die der griechischen Kirche angehörten 114 . Richard HUß,
gestützt auf die Aufzeichnungen eines byzantinischen Chronisten des 11. Jahrhunderts – Skylitzes –
erbringt Beweise, dass das Bistum in Weißenburg zur Zeit Gyulas (Gyla) ursprünglich von dem by-
zantinischen Mönch Hierotheos gegründet worden war, der von Theophylaktos zum Bischof geweiht
wurde 115 . Die Kirchen der Siebenbürger Sachsen aus dem Hermannstädter, Leschkircher und Schenker
Stuhl sowie auch aus dem Burzenland waren dem Milkower Bistum unterordnet. Nach dem byzantini-
schen Feldzug Kaiser Manuels aus dem Jahre 1166 in die Walachei und Moldau war die Diözese in
Milkow einem starken griechischen Einfluss ausgesetzt, weswegen sie 1229 der päpstlichen Kurie
unterstellt wurde. Den urkundlichen Namen für Leschkirch – Nogrech – leitet Richard HUß von No-
grech, d.h. „neu-griechisch“ ab 116 . Ende der 80er Jahre des 12. Jahrhunderts hatte der Papst den Kar-
dinal Gregorius de Crescentio nach Ungarn geschickt, damit er nach einer eingehenden Untersuchung
der Verhältnisse Vorschläge zur Festigung der römischen Kirche in diesem Gebiet unterbreite. Maß-
nahmen, die auf Anregungen des Kardinals getroffen wurden, wie z.B. die Errichtung in Hermannstadt
einer Propstei, oder die Heiligsprechung Ladislaus, sollten einerseits das Altland dem griechischen
112
Moritz WERTNER, Die Wojewoden Siebenbürgens im Zeitalter der Arpaden, in Archiv, 28. Bd., 1. Heft, Herrmannstadt 1898, S. 43
113
Ebenda, S. 45.
114
J. A. FESSLER, a.a.O., Bd. II, S. 324
115
Richard HUß, Gab es zur Zeit der Deutschkolonisation Siebenbürgens ein griechisch-katholisches Bistum in Weißenburg?, in Vjschr.,
1934, S. 16

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Einfluß in Milkow entziehen. andererseits Ungarn fester an die römische Kirche binden. Dass dieses
nur formell gelungen ist, wurde in dem Kapitel Milkow schon aufgezeigt.
Eine weitere mögliche Quelle deutscher Siedler für Siebenbürgen soll hier Erwähnung finden.
Der Bestand der weiter oben erwähnten blühenden deutschen Pflanzsiedlung des ersten Kreuzzugs
zwischen Save und Donau, die, von den Byzantinern „Frankenland“ 117 genannt wurde, war Mitte des
12. Jahrhunderts durch den byzantinisch-ungarischen Krieg gefährdet. Als 1150 Tschudomil, Ban von
Serwien, des Joches byzantinischer Obermacht überdrüssig, auf Anraten seines Schwagers Belusch,
der ihm ungarischen Waffenbeistand zugesichert hatte, dem Kaiser Manuel Komenus die Untertänig-
keit kündigte, entstand ein Krieg, in dessen Verlauf das so genannte Frankenland wiederholt von by-
zantinischen Truppen besetzt und verwüstet und wiederholt von ungarischen Truppen befreit wurde.
Blüte und Wohlstand der deutschen Siedlungen im Frankenlande wurden zwischen der byzanti-
nisch-ungarischen Front zerrieben, die Überlebenden sind mit den ungarischen Truppen in friedlichere
Gefilde gezogen 118 . Herzog Belusch, königlicher Kämmerer, der einst für seinen noch minderjährigen
Neffen Geysa II. die Geschicke Ungarns lenkte, führte die ungarische Streitmacht gegen den byzanti-
nischen Kaiser. Als Wojewode von Siebenbürgen 119 hätte er die Möglichkeit gehabt, den unzufriede-
nen, hoffnungslosen und verzweifelten Bewohnern des „Frankenlandes” neue Siedlungsgebiete in
Siebenbürgen zu versprechen und nach 1156 die Siedlungswilligen die Theiß und den Mieresch auf-
wärts nach Siebenbürgen bringen zu lassen. Wurden tatsächlich ehemalige Leidensgefährten des ers-
ten Kreuzzuges durch Belusch in Siebenbürgen wieder vereint, erhält auch die Bezeichnung aus der
Gründungsurkunde der Hermannstädter Propstei aus dem Jahre 1191 einen Sinn, in der von den „ers-
ten“ (priores) und den „andern“ (alii) Flandrenses die Rede ist 120 .
Eine Ansiedlung durch den Altdurchbruch wird auch den Historikern gerecht, die an Hand von
Vergleichen der Kirchenbauten im Norden und Süden Siebenbürgens vermuteten, dass der Norden
möglicherweise später als der Süden kolonisiert wurde. In der Umgebung von Bistritz und Reen sind
wenig romanische Kirchen im Vergleich zu den gotischen, während die Zahl der romanischen Bau-
elemente an Kirchen in der Hermannstädter Provinz beachtlich ist, im Süden der Karpaten vereinzelt
belegt werden konnten 121
Die harten Lebensbedingungen bei der Urbarmachung des Bodens südlich und nördlich der
Karpaten werden vermutlich den zusammengerotteten Haufen von verarmten Adligen und Bauern
einer natürlichen Auslese unterzogen haben, so dass von den Kreuzfahrern und Pilgern eine größere
Zahl arbeitsamer Siedler übrig geblieben sind, deren Nachkommen in den folgenden 900 Jahren, um
ihre Kirche geschart, Sprache, Sitte und Brauch uns erhalten konnten.

116
Richard HUß, Die Kirchenheiligen ..., a.a.O., S. 51
117
Inwieweit ethnische Benennungen auf Herkunftsgebiete hinweisen ist noch nicht erwiesen. Konrad SCHÜNEMANN schreibt zu den ethni-
schen Benennungen der deutschen Siedler in Siebenbürgen – Flandrenses, Teutonici, Saxones – „daß die Heranziehung der Belegstellen für
diese Volksbezeichnungen in ungarischen Urkunden und die Heranziehung des Sprachgebrauchs des Cosinas von Prag nicht genügt. Heran-
zuziehen ist vor allem die serbische Terminologie seit Stephan DUSCHAN, die auf anderen Sachverhalt hinweist.“- Siehe dazu Konrad
SCHÜNEMANNS Besprechung der Arbeit Andreas SCHEINERS über die Mundart der Sachsen in Hermannstadt, in Jahresberichte für Deutsche
Geschichte. Jg. 4, N.F., Leipzig 1930, S. 636 (zitiert nach Flandrenses, Teutonici, Saxones. in Vjschr. 1931, 54. Jg S. 134.
118
J. A. FESSLER, a.a.O., Bd. II, S. 82, 85
119
Da Belusch, obwohl er keines Fürsten Sohn war, in Urkunden sich bisweilen als Dux oder Herzog, bisweilen als Ban unterzeichnet hatte
(z.B. 1142 Belus Dux, 1146 und 1148 Belus Banus, 1156 Belus Palatin, 1157 mit dem Titel Ban und Palatin) wurde wiederholt vermutet, daß
er auch Wojewode von Siebenbürgen war. Siehe dazu Aufsätze betreffend die Russische Geschichte von I.K.M.d.K.a.R., Berlin 1786 – auch
unter dem Titel Bibliothek des Großf. Alexander und Constantin, zitiert nach J. A. FESSLER, a.a.O., Bd.II, S.54 u. 70.
120
Th. NÄGLER, a.a.0., S. 134. A. SCHULLERUS schlußfolgert, da den „generaliter omnes“ Flandrenses, die zur Zeit Geysas angesiedelt
wurden, die „priores Flandrenses“ entgegengesetzt werden, muß gar eine doppelte Flanderereinwanderung angenommen werden. Flandren-
ses, Saxones, in Kbl. 1901, Heft 2, XXIV Jg., S. 17.
121
V. VĂTĂSIANU, Istoiria artei feudale in Tärile Romäne, Bd. 1, Bucuresti 1959, S.5-98.

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6 Zur Geschichte des Deutschen Ritterordens innerhalb und außerhalb


des Karpatenbogens
Im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts wird die Anwesenheit des Deutschen Ritterordens im
Burzenland durch zahlreiche Dokumente bestätigt keines davon erwähnt aber den Zeitpunkt seiner
Ansiedlung in Siebenbürgen. Da 1211 der ungarische König Andreas II. dem Ritterorden das Burzen-
land verlieh und dem Orden Privilegien gab, haben Heimatforscher des 19. Jahrhunderts angenommen,
dass der König dank seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Landgrafen Hermann von Thü-
ringen, dem großen Gönner des damaligen Ordensmeisters Hermann von Salza (1209-123 9), die Rit-
ter 1211 nach Siebenbürgen gerufen haben könnte.
Diese Hypothese hat im Laufe eines Jahrhunderts den Stellenwert einer Tatsache erhalten, so
dass heute viele Historiker den Aufenthalt des Deutschen Ritterordens im Burzenland von 1211 bis
1225 angeben 122 .
Aus einem Dokument des Jahres 1192 geht allerdings hervor, dass schon 20 Jahre vor der Ver-
leihung der Privilegien der päpstliche Kämmerer Censius von dem „neuen Haus“ des deutschen Or-
dens zu Bozza, jenseits des Gebirges, im Siebenbürger Bistum, eine Mark Gold Steuer für die päpstli-
che Kanzlei einkassiert hatte.
Als Papst Gregor IX. 1228 die zweite Fassung des Liber censuum niederschreiben ließ 123 , fügte
der Schreiber der oben erwähnten Eintragung noch eine Bemerkung (Nota ...) hinzu, die sich auf die
Zinspflicht von 1224 bezieht.
Dieser Text aus dem Steuerregister Liber censuum Ecclasiae Romanae 1192 124 war schon L. A.
MURATORi (1738) 125 , SCHOENVISNER (1803) 126 , J. A. FESSLER (1815) 127 und J. K. SCHULLER
(1840) 128 bekannt. SCHULLER (der nicht wusste, dass er eine zweite Fassung interpretierte, die er auch
nicht persönlich einsehen konnte) vertrat jedoch den Standpunkt, dass der Deutsche Ritterorden im
Burzenland erst 1224, ein Jahr vor seiner Vertreibung zinspflichtig geworden war, dass demnach die
oben erwähnte Eintragung in das 1192 angelegte Registerbuch erst nach 1224 hinzugefügt worden sei.
Damit war die Glaubwürdigkeit dieses Dokuments angezweifelt, und es wurde, in der Darstel-
lung der Ereignisse, von den Historikern des 20. Jahrhunderts nicht weiter in Betracht gezogen.
Unterschiedliche Lesungen der erwähnten Eintragung im Registerbuch – bei MURATORI steht
„ultra montes givium“, bei SCHOENVISNER und FESSLER „ultra montes gritum“ bei SCHULLER „ultra
montes nivium“ und nach der Aufzeichnung des Raimund de BONOFATO sogar „ultra montes mutu“ 129
– hatten mich bewogen, dem Archiv des Vatikans eine Kopie zu verlangen, und nach Erhalt derselben

122
Dazu Harald ZIMMERMANN: „Mehr als ein plausibler Erklärungsversuch ohne volle Beweiskraft erscheint kaum möglich.“ Der Deutsche
Ritterorden in Siebenbürgen, in Die geistlichen Ritterorden Europas, Sigmaringen 1980, S. 273.
123
Thomas von BAGYAY, Der Mongolensturm, in Ungarns Geschichtsschreiber, Graz, Wien, Köln 1985, S. 72.
124
Archivio Segreto Vaticano, Miscellanea, Arm. XV., Bd. 1, S. XXIV.
125
L. A. MURATORI, Antiquitates Italicae medii aevi, Rom 1738-42, S. 281.
126
St. SCHOENVISNER, Notitia Hungaricae Rei Hungariae, Budapest 1801, S. 16
127
J. A. FESS1ER, Die Geschichte der Ungarn und ihrer Landsassen, II, Leipzig 1815, S. 242 (den Hinweis zu dieser Quelle verdanke ich
Hermann Fabini).
128
J. K. SCHULER, Die Deutschen Ritter im Burzenland, in Archiv für Kenntnis von Siebenbürgens Vorzeit und Gegenwart, Hermannstadt
1840. S. 164.
129
Documente privind istoria Romăniei (Dokumente zur Geschichte Rumäniens), Bucuresti 1953-1955, Bd. 3, S. 253.

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war fest zustellen, dass darauf weder givium, gritium noch nivium 130 oder mutu, sondern das Wort
„i(mm)unum”, das mit „steuerfrei” übersetzt werden kann, zu lesen ist 131 .

Abb. 1: Eintragung in dem Steuerregister Liber censuum Romanae Ecclesiae, 1792, Blatt XXIIII.

Der erste Teil der Eintragung:


In Ep(iscop)atu ultrasilu(an)en(si)
Nova domus theut(onicorum) in bozza ultra montes
i(mm)unum d(ebet) camer(a)e p(ro) censu . i marca(m) auri.
weist, im Vergleich zu den nach 1211 von der Kurie an den Deutschen Ritterorden des Burzenlandes
verabschiedeten Urkunden, einige Besonderheiten auf:
 Die Bezeichnung „nova domus“ – sie ist in keinem der zahlreichen Dokumente zwischen 1211
und 1225 zu finden – wäre ein Hinweis dafür, dass dieser Teil der Eintragung 1192 erfolgte,
denn 1191 wurde das in Akkon neu gegründete Deutsche Haus vom Papst bestätigt. Dass 1192
diese Bezeichnung in der päpstlichen Kanzlei für das Deutsche Haus üblich war, geht aus einer
weiteren Eintragung aus dem Jahr 1192 des Kämmerers Censius in dem Liber censuum hervor,
die besagt, dass das „Hospitale novum sancte Marie“ aus Akkon der Kurie als
Anerkennungszins 2 Goldmünzen (duos marabottino) bezahlt hatte. Marie-Luise FAVREAU 132
folgert daraus: „Mit dem Hospitale novum S. Marie in Akkon kann nur das Deutsche Spital
gemeint sein. Das Spital galt der Kurie als neu ...“ 1224, ein Jahr vor der Vertreibung des Deut-
schen Ritterordens aus dem Burzenland, oder später, hätte die päpstliche Kammer jedenfalls das
„Deutsche Haus“ bestimmt nicht als „neu“ bezeichnen können.
 Auf den Ordenstitel „nova domus theutonicorum“ folgt die Ortsbezeichnung „in bozza ultra
montes“, ein Hinweis, dass die erste Niederlassung des Ordens nicht im Burzenland (terra
borzae) 133 , sondern jenseits des Gebirges im Bosauer Land (terra bozza) 134 , am Außenrand des
Karpatenbogens, vermutlich im Einflussgebiet der Milkower Diözese zu suchen ist. Dass in
diesem Dokument nur „ultra montes“ und nicht wie in allen späteren Urkunden „ultra montes
nivium“ steht, könnte als Beweis angeführt werden, dass diese Urkunde vor allen anderen datiert
werden kann, da der Begriff „Schneeberge“ (montes nivium) 135 erst später von den Rittern selbst

130
Eine Lesung auf (n)iviium wäre nicht möglich, denn es ist gegen die Regel der Schreibweise, das Kürzelzeichen über dem i am Anfang
des Wortes für einen vorhergehenden Konsonanten zu setzen, oder daß vor einem u noch ein langes, doppeltes ii steht. Eine Lesung in unum
ist auch unwahrscheinlich.
131
„i(mm)unum“ kann sich der grammatikalischen Form nach nicht auf „montes“ beziehen, sondern nur dem Wort „theut(onicorum)“ zuge-
ordnet werden. Dann aber ist der Text, etwas frei übersetzt, so zu verstehen, daß das neue Haus der Deutschen imm Bosauer Land jenseits
des Gebirges, im Siebenbürger Bistum, obwohl steuerfrei, der päpstlichen Kammer eine Mark Gold Steuer bezahlt.
132
Marie-Luise FAVREAU, Studien zur Frühgeschichte des Deutschen Ordens, in Kieler historische Studien, Bd. 21, Stuttgart 1974, S, 39,
133
Für Borza sind in vielen anderen Dokumenten, die sich nicht auf den Ritterorden beziehen, auch Barca, Barcza, Bursa, Bursza, belegt,
niemals abber Bozza.
134
BENKÖ versichert uns, daß in der Bosau noch die Ruinen eines „arce(arxe) Bozzensi“ zu sehen seien. Dazu A. L. SCHLÖZER, Kritische
Sammlungen zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, Bd. 3, Göttingen 1795-1797, S. 33. Fr. MICHAELIS belegt die Benennungen
„Boza Mezew“, „insula bozaw“ und „terra Bozaw“ in seiner Arbeit Die Kreuzburg des Deutschen Ritterordens, in Siebenbürgische Viertel-
jahrsschrift, 1941, S. 72. – Die jetzige Stadt Buzau (erst im 14. Jh. belegt), hieß ehemals deutsch „Busenmarkt“. Dazu W. HORWATH, Die
Kreuzburg und der Bosauer Paß, in Die Dörfer des Burzenlandes, 1. Teil, Kronstadt, 1929, S. 54
135
Wir finden den Ausdruck „montes nivium“ weder früher noch später in anderen Urkunden der Kurie oder des ungarischen Königshauses,
die auf den Ritterorden keinen Bezug haben. Wenn man die Karpaten als „Gebirge“ bezeichnen wollte, verwendete man den Ausdruck,

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geprägt oder aus der Mundart der dort schon wohnenden deutschen Bevölkerung übernommen
worden war und so in den Texten der Kurie Eingang fand.
 Das Wort „i(mm)unum“, auf die Ordensritter bezogen und mit „steuerfrei“ übersetzt, hat bei der
Abschrift der Registerlätter für die zweite Fassung (1228) den Nachsatz über die 1224 vom
Papst dekretierte Steuerpflicht erforderlich gemacht:
Et nota qu(od) ip(s)a domus octavo anno po(n)tificatus
d(omi)ni honorii p(a)p(ae) III c(o)ep(it) fieri censual(is)
Auf Grund dieses Nachtrags erhoben die Päpste noch viele Jahrzehnte nach der Vertreibung des
Ritterordens Rechtsanspruch auf den erwähnten Zins von 1 Mark Gold 136 .
 Nach 1224 hätte die päpstliche Kanzlei kaum das Burzenland dem Siebenbürger Bistum
(In Episcopatu ultrasiluanensi) zuordnen können, weil 1224 eine päpstliche Bulle das
Ordensgebiet für das Eigentum des hl. Petrus erklärte und es für ewige Zeiten unter den
ausschließlichen Schutz und Schirm des päpstlichen Stuhls stellte. Dass damit nicht nur
geistliche Unterordnung, sondern Losreißen von Ungarn und seinem siebenbürgischen Bistum
sowie Lehensabhängigkeit von dem päpstlichen Stuhl gemeint war, geht nicht nur aus dem
Zusammenhang der genannten Bulle selbst, sondern auch aus parallelen Aussprüchen des
Papstes hervor.
Alle in dem Registerbuch angeführten Steuerzahler aus Ungarn haben 1192 existiert. Es sind
nach J. A. FESSLER:
 das Hospital Sankt Stephan im Graner Erzbistum – eine Unze Gold (damals von den Ungarn
Obon genannt);
 das Kloster Sankt Salvator zu Skalitz – zwei Rornanatische Dukaten;
 die Kirche Sankt Stephan zu Stuhlweißenburg, in der Weszprimer Diözese – eine Mark Gold;
 das Simeger Kloster auf einen Ferting oder zwei Mark Goldes ungrischen Gewichtes;
 das neue Haus der Deutschen zu Bozza, jenseits des Gebirge, im Siebenbürger Bistum – eine
Mark Gold;
 die Kirche der hl. Maria am Warmbrunnen, in der Agramer Diözese – einen Romanatischen
Dukaten.
Warum sollte gerade das Haus der Deutschen Ordensritter nachträglich eingetragen worden
sein? Nach 1192 gegründete Bistümer wie das Kumaner Bistum (1227) fehlen in der Liste.
Akzeptiert man diese Beweisführung, werden SCHULLERs Einwände gegenstandslos, und die
Anwesenheit des Ordens im Bosauer Land ab 1192 tritt in den Bereich der Wahrscheinlichkeit. Der
Unterschied von fast 20 Jahren Siedlungsdauer des Deutschen Ritterordens am Außenrand und später
am Innenrand des Karpatenbogens spielt für die Geschichtsschreibung eine beachtliche Rolle. Seine

„alpes“. Wir finden ihn zum Beispiel im Jahre 1223 in einer königlichen Urkunde, die sich auf Michelsberg bezieht: „... in pede alpium et
descendit ab ipsis alpibus ... ascendit iterum in alpes ... ascendit usque ad alpes et per alpes veniens ...“ Sogar die Honterus-Karte (Basel
1532) hat für die Südkarpaten noch zweimal die Bezeichnung „Alpes“ und auch der Gelehrte Martin FELMER nennt die Karpaten 1764 noch
„Alpen“. Der deutsche Ausdruck „Schneegebirge“ hat als Wendung in der Mundart ein hohes Alter, wie beispielsweise in Stolzenburg in
einem Kinderreirn: „Snikesnuajel, reik den Zuajel, reik en bäs unt schnoogeberch (Schnikeschnagel, reck‘ den Zagel, reck‘ ihn bis ans
Schneegebirge)”. Siehe dazu Fritz HOLZTRÄGER, Zur Landnahme des Burzenlandes in Deutsche Forschung im Südosten, 1. Jg. Heft 2, 1942,
S. 270.
136
So zum Beispiel beauftragte Papst Gregor Xl. 1373 den Erlauer Kanonikus Petrus Stefani mit der Erhebung der aus den päpstlichen
Registern ersichtlichen Steuerforderungen für das Burzenland von einer Mark Gold. Dazu Fr. SCHUSTER, Die Ursache der Vertreibung des
Deutschen Ritterordens aus dem Burzenlande, in Siebenbürgische Vierteljahrsschrift, 1938, S. 50.

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Anwesenheit 1192 im Bosauer Land wäre ein Beweis dafür, dass dort zu jener Zeit schon deutsche
Siedler ansässig waren, denn der Orden der Brüder des Deutschen Hauses, der bis 1198 nur eine kari-
tative Funktion (Krankenpflege) hatte, wurde Ende des 12. Jahrhunderts nur dort eingesetzt, wo eine
deutsche Bevölkerung im Kampf gegen das Heidentum betreut werden musste. In diesem Falle leitete
der Orden in jenen Gebieten die Ansiedlung der deutschen Bevölkerung nicht ein, sondern war viel-
mehr Folge eines schon vorhandenen Siedlungsgebietes 137 .
Auch weitere Dokumente, die auf eine Anwesenheit des Deutschen Ritterordens vor 1211 im
Bosauer oder Burzenländer Gebiet hinweisen, verdienen hier erwähnt zu werden. Aus der Erneue-
rungsurkunde der Schenkung des Burzenlandes an den Deutschen Ritterorden aus dem Jahre 1222 138
geht hervor, dass diesem im Süden der Karpaten von Ypoch, dem Banus von Kroatien, der mit der
Besitzeinführung beauftragte königliche Beamte, die Kreuzburg übergeben worden sei mit dem Recht,
sie erneut aufzubauen (de novo construxerant). Dieses beweist erstens, dass schon vor der Ansiedlung
des Deutschen Ritterordens deutsche Siedler zu ihrer Verteidigung eine Burg errichtet und ihr den
Namen Kreuzburg gegeben hatten, und zweitens, dass der Orden möglicherweise schon vor 1211 seine
Tätigkeit ausübte, denn Ypoch war, wie G. BAKÓ und G. NUSSBÄCHER feststellen, nur im Jahre 1204
Banus von Kroatien. Wäre die Übergabe zwischen den Jahren 1211 und 1215 erfolgt, so hätte man bei
der Abfassung der Urkunde von 1222 wohl kaum auf den längst überholten Titel „Banus von Kroa-
tien“ zurückgreifen müssen, sondern hätte eher den Titel „Wojewode von Siebenbürgen“ verwenden
können, denn 1216 und 1217 hatte Ypoch diese Funktion inne.
Auch „Die Ältere Hochmeisterchronik“ bestätigt, dass der Orden im Burzenland schon beste-
hende Besitzungen erwarb. Da heißt es: „Der vyrde (der vierte Hochmeister) hys Herman von Salcza
... Der selbe mestyr yrwarb och syme ordin (für seinen Orden) dy bestyn hantvestyn von babiste (die
besten Besitzurkunden vom Papst) und keysir und von konigen, heren und fürsten die noch dy brudir
yrgint (itczunt) baut“. Demnach erwarb (kaufte?) Hertmann von Salza seine Besitzungen und baute sie
aus, wie es am Beispiel der Kreuzburg belegt ist 139 .
Nimmt man die Existenz des Hospitals des Deutschen Hauses 1192 im Bosauer Land als Gege-
benheit (eine päpstliche Urkunde aus dem Jahre 1231 bestätigt, dass die größte Festung des Ritteror-
dens, das „castrum munitissimum“, außerhalb des Karpatenbogens lag), drängen sich die Fragen auf:
Woher, wann und warum kamen die Ordensbrüder in dieses Gebiet?
Nach den ältesten Aufzeichnungen aus den Chroniken des Deutschen Ordens, vor allem nach
der 1244 entstandenen Narratio de primordiis ordinis Theutonici 140 , waren es Bremer und Lübecker
Kaufleute, die während der Belagerung Akkons (29. August 1189 bis zum 12. Juli 1191) im deutschen
Heereslager ein Feldspital zur Aufnahme und Pflege kranker Kreuzfahrer errichtet hatten und es als
dauerhafte Einrichtung dem Kaplan Konrad und Kämmerer Burchard unterstellten. Da sie hofften,
einmal später das Haupthaus dieses Spitals in Jerusalem aufrichten zu können 141 , nannten sie es „Hos-
pitale sancte Marie Theutonicorum in Jerusalem”. Am 6. Februar 1191 bestätigte Papst Clemens III.
das neu gegründete Spitalshaus 142 , und 1192 vermerkt der Kämmerer Censius in dem Liber censuum
137
Zentrum dieses Siedlungsgebietes war Milkow.
138
Franz ZIMMERMANN, Carl WERNER, Georg MÜLLER, Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, Hermannstadt 1892,
Bd. 1, Nr. 31, Seiten 18-20
139
F. PHILIPPI, Die deutschen Ritter im Burzenland, in Programm des evangelischen Gymnasiums zu Kronstadt, 1861, 1862
140
Udo ARNOLD, Entstehung und Frühzeit des Deutschen Ordens, in Die geistlichen Ritterorden Europas, Sigmaringen 1980, S. 81.
141
Die Begründung wird in der Narratio mitgeliefert: „ea spe fiducia, ut terra sancta christiano culturi restituta in civitate sancta Jerusalem
domus fieret eiusdem ordinis principalis, mater, caput pariter et magistra.” Nach U. ARNOLD könnte sich in der Namensbegründung die
Absicht verbergen, eine Gleichstellung mit den beiden anderen Ritterorden (Johanniter und Templer) zu erlangen, die nach 1187 selbstver-
ständlich an ihrern ideellen Sitz Jerusalem festhielten, auch wenn der augenblickliche Sitz des Meisters an einer anderen Stelle lag, wie bei
den Johannitern erst in Margat, dann in Akkon. U. ARNOLD, Entstehung und Frühzeit..., S. 95.
142
Das Schutzprivileg von 1191 richtet sich an die fraterum Theutonicorum Ecclesiae S. Maria Hierosolymitanae (E. MAYER, Tabulae
ordinis Theutonici, Toronto/Jerusalem, S. 263 – ein Nachdruck nach E. STREHLKE, Berlin 1869).

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der römischen Kirche, dass das „Hospitale novum sancte Marie“ aus der Diözese Akkon zwei Gold-
münzen (duos marabottinos) an die Kurie als Anerkennungszins gezahlt habe 143 . Da die Narratio die
Besitzlosigkeit des neuen Ordenshauses erwähnt – nicht einmal der Grund und Boden. auf dem das
neue Spital errichtet worden war, gehörte ihm –, kann man folgern, dass es bei der Gründung in Ak-
kon nicht aus der Restkorporation des alten Deutschen Spitals aus Jerusalem hervorgegangen ist, das
1143 erstmals als „Hospitalis S. Mariae Alemannorurn, quod est in Accon“ erwähnt wurde 144 .
Es ist hier nicht notwendig, die Geschichte des Deutschen Hospitals mit allen noch unbeantwor-
teten Fragen weiter nachzuzeichnen, wir wollen nur dann wieder darauf zurückkommen, wenn die
Ereignisse in Akkon auch die Geschicke des Deutschen Spitalshauses im Bosauer Land bestimmen.
Das war 1192 der Fall, als vermutlich gleich nach dem erhaltenen Schutzprivileg das Akkoner
Deutsche Hospital im Bosauer Land einen Ableger setzte, und zwar das eingangs erwähnte „Nova
domus theutonicorum in Bozza ultra montes“.
Die Lücke an urkundlichen Belegen zwischen 1192 und 1211 kann damit erklärt werden 145 ,
dass der neue Krankenpflegerorden anfangs klein gewesen sein wird, dazu noch in einem Gebiet sich
niedergelassen hatte, das noch keinem festen Staatsgebilde angehörte. Für die benachbarten Staaten
wie Ungarn kann er vorerst noch keine politische Bedeutung gehabt haben.
Eine Gleichschaltung der Entwicklung des Krankenpflegerordens aus dem Bosauer Land mit
dem in Akkon lässt sich auch 1198 feststellen. Durch Besitzverleihungen und Aufgabenstellung inner-
halb der Stadt Akkon – zum Beispiel, durch Unterhaltung eines Stücks der Verteidigungsmauer neben
dem Nikolaitor – fand eine allmähliche Militarisierung des Hospitals statt, so dass es 1198 zu einem
dementsprechenden konsequenten Akt kam, der Erhebung zum Ritterorden. Dabei wurde die Akkoner
Hospitalgemeinschaft bezüglich des Spitaldienstes auf die Regeln der Johanniter verwiesen 146 . Im
gleichen Jahr wurden Ritter zu allen bestehenden Ordenshäusern abkommandiert, und es ist von Be-
deutung, dass J. Ch. von ENGEL sowohl in seiner Geschichte der Walachei 147 als auch in seiner Ge-
schichte von Ungarn 148 festhält, dass unter König Emerich 149 im Jahre 1198 deutsche Ritter auch nach
Ungarn geschickt wurden, um sich vermutlich beim Ordenshaus im Karpatenbogen einen Wirkungs-
kreis aufzubauen 150 .
Konnte man eine Antwort auf die Fragen, woher und wann der deutsche Krankenpflegerorden
in das Bosauer Land kam, den Aussagen verschiedener Urkunden entnehmen, so muss man, um die
Frage, warum er kam, beantworten zu können, auf die Ereignisse jener Zeit näher eingehen.
Die Anwesenheit des Deutschen Ordens Ende des 12. Jahrhunderts außerhalb des Karpatenbo-
gens ist mit den uns überlieferten historischen Gegebenheiten keinesfalls im Widerspruch, sondern
eher deren logische Folge. Im 11. und 12. Jahrhundert war das historische Geschehen Europas, ähnlich

143
M. L. FAVREANU, a.a.O., S. 39
144
Ebenda, S. 43
145
Auch zwischen 1213 und 1218 fehlen urkundliche Belege in bezug auf den Deutschen Ritterorden im Burzenland.
146
U. ARNOLD, Entstehung und Frühzeit.... S. 97.
147
L. Ch. ENGEL, Geschichte der Moldau und der Walachei, Bd. 4, Halle 1804, Seite 141.
148
Derselbe, Geschichte des ungarischen Reiches, Bd. 1, Wien 1813, S. 273.
149
Andreas II. betont in seiner Verleihungsurkunde von 1211, daß er damit „den Spuren unserer Vorfahren folgend“ den Kreuzrittern vom
Hospital S. Marien das Burzenland verleiht. Möglich, daß er mit den Vorfahren auch König Emerich meint.
150
Nach Paul SUTORIS und den Kalenderaufzeichnungen von Michael FORGATS (Quellen zur Geschichte von Bassó, Bd. 4, Kronstadt 1903,
S. 11) beginnt man mit dem Bau von Cronen schon 1203. Nach Joseph TEUTSCH „ist im Jahre 1203 die Stadt Cronen nicht erbauet, sondern
erweitert worden.“ (Kurzgefaßte Jahrgeschichte von Siebenbürgen, besonders Burzenland, in Quellen zur Geschichte von Brassó, Bd. 4.
Kronstadt 1903). Nach den Feststellungen von Alexander FERENCZI (Bauperiode der Burgkirche der Brassovia-Burg, in Siebenbürgische-
Vierteljahrsschrift, 58. Jg., 1935, S. 98) stammt der älteste Teil der in der Burg auf der Zinne bei Kronstadt ausgegrabenen rö-
misch-katholischen Kirche schon aus dem 11. Jahrhundert. Weil man aber das Jahr der Schenkung des Burzenlandes (1211) mit dem Jahr der
Ansiedlung des Ritterordens gleichsetzte, wurden alle diese überlieferten Nachrichten kaum geprüft, sondern oft mit wenig begründeten
Argumenten in unser historisches Unterbewußtsein verdrängt. Unter den hier konturierten Voraussetzungen rücken sie wieder in den Bereich
der Wahrscheinlichkeit.

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wie heute, von einem west-östlichen Spannungsfeld geprägt. Die Geschichte des Auseinanderlebens
von Rom und Byzanz, von der West- und der Ostkirche, zog sich schon mehr als ein halbes Jahrtau-
send hin, und Religion und Politik, Theologie und Jurisdiktion, Kultur und Sprache wurden ebenfalls
polarisiert. Als besonderes Ärgernis empfanden die Päpste die Tatsache, dass die Byzantiner die slawi-
sche Welt in ihre Kirche eingegliedert und dadurch dem römischen Gedanken von der Kirchenuniver-
salität den Boden entzogen hatten. Es entstand ein Kampf um Einflussgebiete, wobei die römische
Kirche bemüht war, der morgenländischen bei der Christianisierung ganzer Völkerstämme in Zentral-
russland und in Asien zuvorzukommen. Betrachten wir die Karte Osteuropas mit der Verteilung der
Einflussgebiete beider Kirche, so ist ersichtlich, dass einer der wichtigsten strategischen Punkte der
römischen Kirche für die Ausübung einer regen und erfolgreichen Missionstätigkeit unter den Heiden
wie auch für die Konvertierung schon zur morgenländischen Kirche gehörenden Völkerschaften der
Außenrand des Karpatenbogens war. Selbst wenn uns keine Nachricht über das Milkower Bistum
überliefert worden wäre, müsste man hier ein solches voraussetzen, weil, wie auch der siebenbürgische
Bischof F. TEUTSCH erkennt, es der Methode zur Christianisierung heidnischer Völker entsprach,
„Bistümer in ihr Gebiet oder an die Grenzen zu setzen, um dadurch das heilige Werk zu fördern“ 151 .
Ein direkt von der römischen Kirche kontrolliertes Bistum, außerhalb der Grenzen des ungarischen
Reiches, bot außerdem die Möglichkeit, Versuchungen zu begegnen, die eventuell dem ungarischen
Königshaus von Byzanz her hätten erwachsen können. Denn trotz seines Machtverlusts auf dem Bal-
kan gab es weder in der abendländischen noch in der arabischen Welt ein Land, das mit dem byzanti-
nischen Reich hätte wetteifern können; byzantinische Staatskunde und Diplomatie, Verwaltung und
Rechtsprechung, Steuertechnik und Armenfürsorge waren konkurrenzlos in der Welt.
Nachdem 1166 ein byzantinischer Heerführer des Kaisers Manuel Teile der Walachei und der
Moldau besetzt hatte, war die Diözese in Milkow einem starken griechischen Einfluss ausgesetzt, die
Kirche der Siebenbürger Sachsen aus dem Hermannstädter, Leschkircher und Schenker Stuhl sowie
auch aus dem Burzenland war aber diesem Bistum unterordnet (den urkundlichen Namen für Lesch-
kirch – Nogrech – leitet HUß von No-grech, das heißt „neu-griechisch“ ab 152 .
Ende der 80er Jahre des 12. Jahrhunderts hatte der Papst den Kardinal Gregorius de Crescentio
nach Ungarn geschickt, damit er nach einer eingehenden Untersuchung der Verhältnisse Vorschläge
zur Festigung der römischen Kirche in diesem Gebiet formuliere. So können wir vermuten, dass ein-
greifende Maßnahmen Anfang der 90er Jahre des 12. Jahrhunderts auf Anregung des Kardinals getrof-
fen worden waren. Die Errichtung einer eigenen, der päpstlichen Gerichtsbarkeit unterworfenen Props-
tei in Hermannstadt sollte einerseits das „Altland“ dem griechischen Einfluss von Milkow entziehen,
andererseits sollte die Heiligsprechung von Ladislaus Ungarn fester an die römische Kirche binden,
und der Einsatz des Deutschen Spitals außerhalb des Karpatenbogens sollte in diesem Gebiet ebenfalls
dem griechischen Einfluss entgegenwirken.
Wenn 1192 im Bosauer Land ein deutsches Ordenshaus bestand, so dürfte seine ursprüngliche
Aufgabe neben der Betreuung der Kranken vor allem die Festigung der Machtposition der römischen
Kirche in diesem Gebiet gewesen sein. War man doch, nach dem Fall Jerusalems, in der Kurie geneigt,
das Heilige Land wegen der zu großen Entfernung, der dadurch bedingten schlechten Nachschubwege
und dem Erstarken des Islams zugunsten einer Machtverlagerung an die Ost- und Nordgrenze Europas
aufzugeben. Sowohl Papst Coelestin III. als auch Innozenz III. bemühten sich um die Oststaaten Euro-
pas, die nicht nur Schutzwall für das christliche Abendland im allgemeinen, für die römische Kirche
im besonderen sein sollten, sondern auch ein Gegengewicht gegen die kaiserliche Macht Mitteleuro-
151
Friedrich TEUTSCH, Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte, in Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Bd. 40, Heft 3,
1923, S. 316.
152
Richard HUß, Die Kirchenheiligen ..., S. 51.

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pas. Heidenmission bei den Petschenegen und Kumanen war für die Kurie ein neuer Kreuzzugsgedan-
ke, der nachhaltige politische Bedeutung versprach 153 . Der Stratege, der dann den Krankenpflegeror-
den 1191/92 in diesem umstrittenen Gebiet einsetzte, war die Kurie und nicht der ungarische König.
Dass der Ritterorden nach 1211 auch königlicher Gunst bedurfte, war auch für den Papst selbstver-
ständlich, doch sollte mit Hilfe des Königsschutzes (regia tutela) die päpstliche „protectio ac defen-
sio“ ergänzt oder gleichsam durch den weltlichen Arm ausgeübt werden 154 . Wenn der Papst – und
nicht der siebenbürgische Bischof oder der Graner Erzbischof – 1223 und 1224 155 für das Burzenland
einen vom Deutschen Orden dafür vorgeschlagenen Pfarrer zum Burzenländer Dechanten, als Vorstufe
für die Schaffung eines eigenständigen Burzenländer Bistums, bestätigt 156 so spricht diese Maßnahme
für die Absicht des Papstes, auf dem Ordensgebiet auch weiterhin einen unmittelbaren Einfluss auszu-
üben. Dann wird auch der ungewöhnliche Schritt des Papstes Honorius III. verständlich, der 1224 das
Ordensgebiet im Burzenland in das Eigentumsrecht des apostolischen Stuhles aufnahm („... in ius et
proprietatem apostolicae Sedis recipere dignaremur“) 157 .
Dass damit nicht nur geistliche Unterordnung, sondern Lehensabhängigkeit vom päpstlichen
Stuhl gemeint war, wurde weiter oben schon erwähnt („Apostolico privilegio statuimus eym nulli, nisi
romano pontifici subiacere”) 158 .
Die Verleihung des Burzenlandes durch König Andreas II. im Jahre 1211 an den Deutschen Rit-
terorden und die Verpflichtungen, die er diesem auferlegte (die vom Orden aber kaum respektiert wur-
den), können einerseits der Absicht der Ordensbrüder entgegengekommen sein, ihr Einflussgebiet
auch auf das Burzenland (terra borzae) auszudehnen, andererseits kann sie auch als ein Versuch des
Königs gewertet werden, die eigenständige Entwicklung der Dinge im Burzenland und außerhalb des
Karpatenbogens unter Kontrolle zu bringen und seine apostolische Macht 159 unter Beweis zu stellen.
„Wenn man von der Annahme ausgeht“, schreibt SCHULLER, „was dem Orden in dem Verlei-
hungsdiplom nicht ausdrücklich eingeräumt worden sei, das dürfte als verboten betrachtet werden, so
konnte dieselbe Urkunde dazu benützt werden, ihn überall in seiner Tätigkeit zu behindern“ 160 .
Für die Richtigkeit dieser Behauptung kann angeführt werden, dass eine Reihe von Zugeständ-
nissen seitens des Königs an den Ritterorden entweder in einer nachträglichen Anerkennung schon
vollendeter Tatsachen bestand, wie zum Beispiel der Bau gemauerter Burgen und Städte, der Wieder-
aufbau der Kreuzburg, das Prägen von Münzen u.a., oder aber überstiegen solche Zugeständnisse bei

153
Zur Umorientierung der päpstlichen Politik und zur Heidenmission siehe: K. H. QUIRIN, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter in Quel-
lensammlung zur Kulturgeschichte, Bd. 2. 1954, S. 42 ff.; H. BEUMANN, Kreuzzugsgedanke und Ostpolitik im hohen Mittelalter, in Heiden-
mission und Kreuzzugsgedanken, Hrsg. V. H. BEUMANN 1963, S. 121-145; F. BAETHGEN, Die Kurie und der Osten im Mittelalter, in Medi-
aevalia, 1960, S. 51-70, zitiert nach J. SCHÜTZE, Berufung und Vertreibung des deutschen Ordens, in Siebenbürgisches Archiv. Zur Rechts-
und Siedlungsgeschichte der Siebenbürger Sachsen, Wien 1971, S. 279.
154
Harald ZIMMERMANN, a.a.O., S. 294.
155
Ub., I, S. 24,28
156
Georg Eduard MÜLLER, Die deutschen Landkapitel in Siebenbürgen und ihre Dechanten, 1192-1848, in Archiv, Bd. 48, 1934, S. 7, 8.
157
Urkunden von 1224 bei J. K. SCHULLER, a.a.O., S. 236-238
158
Urkunde von 1225 bei J. K. SCHULLER, a.a.O. S. 196, 245.
159
Zum Unterschied von anderen Ländern, wo der Papst selbst kirchliche Institutionen (Klöster, Propsteien etc.) stiften konnte, hatte schon
Stephan I. apostolische Machtvollkommenheit. Die ungarische Kirche (Ecclesia regalis) hatte Sonderrechte. In anderen Ländern waren diese
Einrichtungen (Mönchsorden, Abteien etc.) von der Gerichtsbarkeit der Diözesanbischöfe enthoben und ursprünglich de jure einzig und
allein der römischen Kirche unterworfen. Nur in Ungarn waren alle kirchlichen Einrichtungen dem Erzbischof von Gran unterordnet. Dazu
gehörten auch die Ordensgeistlichen verschiedener Orden, wie zum Beispiel die der Zisterzienser. Der ungarische König entschied über
hoch- und niederkirchliche Belange (was in Europa nach dem Investiturstreit ganz außergewöhnlich war), was sich etwa in der Selbsbezeich-
nung Bélas IV. „nos tamquem universarum ecclesiarum patroni“ niederschlug. - Siehe dazu (Martin RESCHNER) Kritische Beiträge zur
Kirchengeschichte des Hermannstädter Capitels in Siebenbürgen vor der Reformation, in Archiv Bd. 1, Heft 3, 1845, Seite 394; Dietrich
KURZE, Kirchliche Bestimmungen des Anareanums, in Siebenbürgisches Archiv Zur Rechts- und Siedlungsgeschichte der Siebenbürger
Sachsen, Köln, Wien 1971, S. 156.
160
J. K. SCHULLER, a.a.O., S. 178.

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weitem die Kompetenzen des Königs, wie beispielsweise bei der Verleihung von Gebieten jenseits der
Karpaten bis zur Donau 161 .
Der Ritterorden, inzwischen auf mehrere Spitalshäuser angewachsen 162 , hatte seine Tätigkeit
auch nach 1211 nicht auf das Burzenland beschränkt, sondern er richtete sein Augenmerk weit darüber
auf das ganze Gebiet „jenseits der Schneeberge“, das heißt auf Teile der Moldau und der Walachei,
und zwar tat er es in einem solchen Ausmaß, dass man versucht sein könnte anzunehmen, er hätte dort
ältere Rechtsansprüche zu verteidigen. Das Burzenland betrachtete er nur als Stützpunkt für seine weit
gefächerten Pläne und Ziele. „Es handelt sich bei den Rittern“, schreibt Rudolf HONIGBERGER, „um
nichts Geringeres, als um die Unterstellung dieser Länder unter die päpstliche Oberhoheit, die damit
dem Einfluss von Byzanz politisch und kirchlich vollständig entzogen worden wären, aber damit
zugleich zur Gründung eines eigenen, unter der Leitung der Ritter stehenden, von Ungarn unabhängi-
gen Staatswesens geführt hätte“ 163 .
1225 wurde der Deutsche Ritterordens mit Waffengewalt aus dem Burzenland vertrieben. Über
die Ursache der Vertreibung wurde viel gerätselt und geschrieben. Verstöße gegen das Münzrecht,
eigenmächtige Gebietserweiterung, Repressalien gegenüber Leuten des Königs und deren Gefangen-
nahme, Intrigen des Johanniterordens 164 , die Absicht, das Burzenland aus dem ungarischen Staatsver-
band herauszulösen, um einen selbständigen Ordensstaat zu bilden, wurden ins Feld geführt. Jedenfalls
verlor die katholische Kirche in diesem Gebiet durch die Vertreibung des Ordens noch mehr an Ein-
fluss, denn nur neun Jahre später (1234) beschwerte sich Papst Gregor IX., dass in Milkow Rumänen,
Ungarn und Siebenbürger Sachsen immer häufiger von griechischen Bischöfen Sakramente empfan-
gen würden 165 . Die militarisierte römische Kirche hatte einen wichtigen Stützpunkt, Siebenbürgen
seinen besten Grenzschutz verloren.

161
„... et inde progreditur usque ad Danubium, cujus donationis postmodum factae a nobis fratribus memoratis Pristaldum dedimnus ypochz
Banum...“ (aus einer Urkunde von 1222, bei J. K. SCHULLER, a.a.O., S.224-218).
162
Dass im Bosauer Land und Burzenland schließlich mehrere Ordenshäuser der deutschen Ritter tätig waren, ist urkundlich bewiesen. So
zum Beispiel erscheint in einer päpstlichen Urkunde von 1226 „praeceptor domorum ipsius hospitalis ...“
163
Rudolf HONIGBERGER, Zur Frage des Bistums Milkow, in Siebenbürgische Vierteljahrsschrift, Bd. 32, 1932, S. 371-375.
164
Auf dem Kreuzzug mit Andreas II. (1217), nach dem vergeblichen Sturm auf den Berg Tabor, hatte der Ordensmeister Hermann von Salza
nebst den Seinen sich nicht im guten Einvernehmen vom König getrennt, und nach der Rückkehr aus Palästina überhäuft Andreas II. den
Johanniterorden mit Gnadenerweisungen, während des Deutschen Ordens gar nicht gedacht wurde. Auch dieses Zerwürfnis soll 1222 Grund
für die erste Ausweisung des Ritterordens gewesen sein.
165
Istoria Romaniei in date, Bucuresti 1972, S. 66.

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