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1
Siehe dazu die kritische Würdigung und Re-Interpretation durch Cummings et alii; “Unfreezing change as
three steps: Rethinking Kurt Lewin’s legacy for change management”, Stephen Cummings, Todd Bridgman,
Kenneth G Brown, in: human relations 2016, Vol. 69(1) 33–60 sowie Bernard Burnes, “Kurt Lewin and the
Planned Approach to Change: A Re‐appraisal”, in: Journal of Management Studies, Volume 41, Issue 6.
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2. Paradigmenwechsel: Die Frage nach den positiven und treibenden Kräften für den
Wandel
Siebzig Jahre lang Jahre war dieses 3-Phasen-Modell das Paradigma aller Modelle und
Ansätze im Change Management. Dabei haben sich die Nachfolger von Lewin – über Edgar
Schein, Richard Beckhart, Rubin Harris bis hin zu John Kotter im wesentlichen auf die
Überwindung von Änderungsbarrieren konzentriert, auf die nach Lewin „Restraining Forces“,
die dem Wandel im Weg stehen. Seien es Barrieren, die aus emotionalen Reaktionen auf die
Veränderung entstehen, seien es machtpolitische Konstellationen oder auch strukturelle
Barrieren, die es zu überwinden gilt.
Erst mit dem Einzug der positiven Psychologie in die Veränderungspraxis, experimentell
getrieben von den vielfältigen Ansätzen im Sinne der Appreciative Inquiry2 geraten die
treibenden und gestaltenden Kräfte für den und im Wandel in den Blick. Und mit der seit
dem schulbildenden Aufsatz von Levin/Cohenthal3 zu dynamischen Fähigkeiten der
Organisationen intensiv betriebenen Theoriebildung zur ressourcenorientierten
Managementlehre (in Deutschland vertreten durch Georg Schreyögg) werden die
veränderungsrelevanten positiven Faktoren deutlicher.
Und: eine diesseits, aber auch in spezieller Ausprägung jenseits des Atlantiks sich massiv
durchsetzende systemische Perspektive mit dem Blick auf Organisationen und deren
Wandelbarkeit aufgrund von Eigendynamik und Selbststeuerung trägt dazu bei, das alte
Paradigma mehr und mehr abzulösen. Wandel, so fassen Müller-Stewens und Lechner in
ihrem Standardwerk zum strategischen Management zusammen, wird systemisch gesehen
bestimmt dadurch, dass „das System über innere Potenziale zur Transformation seiner selbst
verfügt und wir auf diese Potenziale angewiesen sind, wenn das System sich ändern soll“.4
Damit wird die Frage nach den Widerständen zwar nicht obsolet, die Frage nach den
Dimensionen und Voraussetzungen von Veränderungsbereitschaft und die Erforschung der
Veränderungsfähigkeit im Sinne einer organisationalen Fähigkeit aber von besonderem
Interesse. Denn wer im Change Management stärker auf die gestaltenden und innovativen
Momente des organisationalen Wandels setzt und diese gar befördern möchte, muss
2
Ein inzwischen weites Feld, vgl. zur Methode: Jacqueline M. Stavros, Lindsey N. Godwin, and David L.
Cooperrider (2015): „Appreciative Inquiry - Organization Development and the Strengths Revolution2, in:
William J. Rothwell Jackie Stavros Roland L. Sullivan (2015): Practicing Organization Development: Leading
Transformation and Change, Fourth Edition. Weiterhin: Nicola Garcea, Susan Harrington, and P. Alex Linley
(2009): Building Positive Organizations (Oxford Handbook of Positive Psychology and Work), Oxford
3
Cohen, Wesley M., Levinthal, Daniel, “Absorptive Capacity: A New Perspective on Learning and Innovation.”
in: Administrative Science Quarterly, 1990.
4
Günter Müller-Stewens, Christoph Lechner: Strategisches Management. Wie strategische Initiativen zum
Wandel führen. Stuttgart (3. Auflage) 2005, S. 556.
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II. Welche Voraussetzungen und welche Folgen bzw. Wirkungen sind für die
Veränderungsbereitschaft auf allen drei Ebenen erkennbar?
Beginnen wir mit der Veränderungsbereitschaft auf der Ebene des Individuums, die sich
aus kognitiven und affektiven Komponenten zusammensetzt. Da sind – auf der kognitiven
Ebene - zum einen zwei Grundüberzeugungen wesentlich, nämlich die Überzeugung, dass
ein Wandel notwendig ist und die Überzeugung, dass sowohl das Individuum als auch die
5
Bouckenooghe, D.: “Positioning change recipients’ attitudes toward change in the organizational change
literature.”, in: Journal of Applied Behavioral Science (2010), 46: 500-531.
6
Siehe vor allem: Rafferty, Alannah E. et alii (2013): ”Change Readiness: A Multilevel Review”, in: Journal of
Management Vol. 39 No. 1, January 110-135; Weiner, B. J. (2009): “A theory of organizational readiness for
change”, in: Implementation Science, 4: 67-75; Van de Ven, A. H., & Poole, M. S.: (1995): “Explaining
development and change in organizations”, in: Academy of Management Review, 20: 510-540.
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Organisation über die Fähigkeiten zum Wandel verfügen. Diese gängige Definition wurde in
den vergangenen Jahren noch weiter differenziert und inzwischen geht man von fünf
Überzeugungen (Beliefs) aus, die individuelle Veränderungsbereitschaft auf der kognitiven
Ebene ausmachen:
Die affektive Dimension, lange nicht im Blick bei der Analyse von Veränderungsbereitschaft
auf der individuellen Ebene, ist inzwischen fester Bestandteil der Definition. Hier spielen
Emotionen eine Rolle, die im Zusammenhang mit Wandel die Veränderungsbereitschaft
beeinflussen, und sich vor allem aus dem individuellen Erleben einer Veränderung bzw. der
vorgestellten emotionalen Wirkung einer zukünftigen Veränderung ergeben. Ist dieses
aktuelle oder erwartete Erleben der Veränderung von positiven Emotionen wie Optimismus,
Hoffnung, einem gesteigerten Selbstbewusstsein oder gesteigerter Freude geprägt, dann
entsteht eine Offenheit für Change auch auf der emotionalen Ebene.
Wie lässt sich Veränderungsbereitschaft auf der Gruppen- und Teamebene sowie auf der
Organisationsebene beschreiben? Hier gelten zunächst einmal dieselben Faktoren, wie sie
auf der individuellen Ebene wirksam sind. Allerdings braucht es auf der Gruppen- bzw.
Teamebene den für Gruppen und Arbeitsteams in Organisationen typischen
Sinnbildungsprozess auf der kognitiven Ebene, der aufgrund der fortlaufenden Interaktion,
Kommunikation und gemeinsamen Produktion von Arbeitsergebnissen stattfindet.
Untersuchungen zeigen, dass diese Sinnbildungsprozesse auf der Gruppenebene relativ
frühzeitig zu geteilten Bewertungen von Veränderungsvorhaben führen, die wiederum die
Veränderungsbereitschaft steigern, wenn die Bewertung positiv ausfällt.
Bewertungsdimensionen sind wiederum die für die Gruppe angenommenen positiven
Ergebnisse der Veränderung sowie die als Gruppe geteilte Überzeugung, dass die
Veränderung notwendig ist. Gruppen und Teams, die bereits mehrfach eine Veränderung
erfolgreich umgesetzt haben, zeigen dabei durchgängig eine höhere Veränderungs-
bereitschaft als weniger erfolgreiche (Selbstwirksamkeit). Auf der emotionalen Ebene wirken
in Gruppen und Teams vielfältige Abgleich- und Übertragungsmechanismen, die für eine
emotionale Synchronisation der Gruppe sorgen. Diese Mechanismen, mit denen Individuen
bei mehrdeutigen diffusen Situationen ihre sozialen Kontexte nach Signalen abtasten, die für
eine emotionale Zuordnung sorgen können, kommen auch in Veränderungssituationen, die
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II. Welche Voraussetzungen und welche Folgen bzw. Wirkungen sind für die
Veränderungsbereitschaft auf allen drei Ebenen bekannt?
Schlussfolgerung #1: Emotionen sind der blinde Fleck in Theorie und Praxis
Alle Untersuchungen zur Veränderungsbereitschaft auf individueller, Team,- und
Organisationsebene machen einmal mehr deutlich, welche enorme Bedeutung Emotionen
vor, während und nach Wandelprozessen haben. Dies wurde im „klassischen“ Paradigma7
des Change Management, das sich weitgehend an der 3-Schritt-Formel von Kurt Lewin
orientierte, zwar als Problemtatbestand gesehen, aber kaum je differenziert in
Lösungsansätze überführt.
Erst mit der in den späten 1980er und 1990er Jahren erfolgten „affektiven Revolution“ sowie
dem Siegeszug der Emotionalen Intelligenz als Führungseigenschaft (Daniel Goleman)
geraten Emotionen stärker in den Blick der Organisationspsychologen und Organisationsent-
wickler8 – freilich ohne systematische Beschäftigung mit den für erfolgreichen Wandel
erforderlichen „Basisprozessen“ organisationalen Wandels. Eine rühmliche Ausnahme ist die
Veröffentlichung von Klaus Doppler und Bert Voigt („Feel the Change“), die in ihrem Praxis-
leitfaden für erfolgreiche Change Manager einen ersten Versuch unternehmen, die
grundlegende Rolle von Emotionen im Change in den Dimensionen Führung/Führen,
Kommunikation und Wahrnehmung sowie Diagnose und Aktivierung von organisationalem
Wandel zu beleuchten. 9
Derzeit liegt neben einigen wenigen konzeptionellen Aufsatz-Veröffentlichungen und ersten
empirisch angelegten Untersuchungen zu Emotionen im Change10 keine systematische
7
Unter dem ‚klassischen‘ Paradigma werden im Anschluss an Christopher Worley alle Theoriebestände
verstanden, die Change Management als letztlich projektorientiertes Vorgehen begreifen, das in Phasen,
Stufen oder Stadien verläuft und eher mechanistische Interventionsmodelle zum Überwinden von
Widerständen und Blockaden in Kombination mit einer sinnstiftenden Kommunikation einsetzt. Dabei
verbleiben beide Ebenen, die der Intervention und auch die der Kommunikation eher einseitig kognitiv-
rationalen Modellen zur Handlungssteuerung verhaftet.
8
Barsade, S. G., Brief, A. P., & Spataro, S. E. (2003). The affective revolution in organizational behavior: The
emergence of a paradigm. In J. Greenberg (Ed.), Organizational behavior: The state of the science (pp. 3-52).
Mahwah, NJ, US: Lawrence Erlbaum Associates Publishers.; Neal M. Ashkanasy, Ronald H. Humphrey (2011):
“Current Emotion Research in Organizational Behavior”, in: Emotion Review Vol. 3, No. 2 (April 2011) 214–224;
Neal M. Ashkanasy and Alana D. Dorris (2017), “Emotions in the Workplace”, in: Annual Review of Organizatio-
nal Psychology and Organizational Behavior Volume 4, 2017, pp 67-90
9
Klaus Doppler, Bert Voigt (2012): Feel the Change! Wie erfolgreiche Change Manager Emotionen steuern.
Frankfurt/Campus.
10
Norbert Steigenberger (2015): „Emotions in sensemaking: A change management perspective“, in: Journal of
Organizational Change Management, vol. 28 No. 3, pp. 432-451; Cristian Castillo, Vicenc Fernandez, Jose Maria
Sallan, (2018) "The six emotional stages of organizational change", Journal of Organizational Change
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Ausarbeitung vor, die sich mit den emotionalen Dimensionen im Wandel hinreichend
konkret beschäftigt, diese beschreibt und verortet und in ein Steuerungsmodell überführt.
Auch das von Schreyögg eingeführte Konstrukt „organisationaler Fähigkeiten“ – zu denen ja
die Veränderungsfähigkeit zählt – hat, symptomatisch, einen deutlich blinden Fleck auf der
nicht-kognitiven, affektiven und emotionalen Seite. Kurz gesagt, für die akute Beschäftigung
mit oder gar Umsetzung von Wandelinitiativen haben weder Theorie noch Praxis brauchbare
Modelle oder gar Instrumente zu bieten, gerade beim Praxiswissen bleibt es häufig bei
Apellen oder einfachen Checklisten für den „Change Manager und die Gefühle“ (so leider
auch am Schluss des Buches von Doppler und Voigt).
Eine lohnenswerte Forschungsaufgabe wäre es, einmal mit der Optik der Emotionen-
forschung die vorliegenden Modelle und Theorien des Change Management zu
durchleuchten und die Basisprozesse organisationaler Veränderung herauszuarbeiten.
Die ersten konzeptionellen und empirischen Arbeiten zu Emotionen im Wandel machen
außerdem sehr deutlich, dass emotionale „Tatbestände“ und Mechanismen situativ bedingt
und je nach Entwicklungsphase im Veränderungsprozess verschieden wirksam werden. Zu
untersuchen wären daher nicht nur die typischen Einstiegsphasen einer Veränderung,
sondern ebenfalls die sich anschließenden Perioden der Neuformation routinisierten
Verhaltens und sich über längere Zeiträume erstreckende Wandelprozesse bei Mindsets,
geteilten Überzeugungen und routinisierten Handlungsmustern.11
Für die praktische Arbeit ergibt sich aus den Forschungen zur Veränderungsbereitschaft ein
klares Desiderat, Wandelprozesse als Lernprozesse zu begreifen, die zum Aufbau erhöhter
Veränderungsbereitschaft beitragen können. Wie sich derartige Lernprozesse, auch zum
weiteren Ausbau organisationaler Fähigkeiten ausgestalten lassen, wird sich eher
experimentell denn theoretisch entwickeln lassen.
Management, Vol. 31 Issue: 3, pp.468-493; Quy Nguyen Huy (1999): “Emotional Capability, Emotional
Intelligence, and Radical Change”, in: The Academy of Management Review , Vol. 24, No. 2 (Apr., 1999), pp.
325-345
11
Ähnlich argumentieren auch Castillo, Fernandez, Sallan, (2018), s.o.
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fungieren. Diese wäre aber, vor allem auf Basis der Erkenntnisse von Rafferty zur Bedeutung
der psychologischen Sicherheit auf Teamebene12, unbedingt zu ergänzen, um ein tragfähiges
Konstrukt als Basis der Messung von organisationaler Veränderungsbereitschaft zu nutzen,
das der Spezifik von Organisationen als sozialer Systeme Rechnung trägt.
Frühzeitige Kenntnis der eigenen Veränderungsfähigkeit bzw. der Defizitbereiche im Vorfeld
einer geplanten Veränderung helfen den „Change Makern“ der Organisation, die Architektur
für den Wandel mit größerer Aussicht auf Erfolg zu gestalten und die Interventionen gezielt
auszurichten.
Für den externen Berater, der sich mit Erfahrung, Intuition und hinreichend intelligenter
Diagnostik in einen Beratungsauftrag zum Wandel einer Organisation hineinbegibt, gehört
ein Change Readiness Assessment auf jeden Fall in den Methoden- und Werkzeugkoffer.
Und zusätzlich zu den eher traditionellen, zumeist qualitativen Erhebungen per Fragebogen
oder Leitfadeninterviews können Berater inzwischen – zumindest bei großen,
börsennotierten Unternehmen – Auswertungen der von Unternehmen selbst publizierten
Informationen zur Wandelgeschichte- und erfahrung anstellen, um z.B. aus Anzahl und
Erfolg der vom Unternehmen in der Vergangenheit durchgeführten Wandelprojekte
Rückschlüsse auf die aktuelle Veränderungsbereitschaft zu ziehen.
12
Amy C. Edmondson1 and Zhike Lei (2014): “Psychological Safety: The History, Renaissance, and Future of an
Interpersonal Construct”, in: Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior
Vol. 1:23-43 (Volume publication date March 2014)
13
Vgl. : Rafferty, Alannah E. et alii (2013), p. 126.
Working Paper – not for publication yet. 10/12
14
Exemplarisch dazu, unter Verwendung der gängigen Annahmen über „das limbische System“ oder dass
„Geschichten nachweislich die Ausschüttung von Oxytocin auslösen“ z.B. Petra Sammer auf dem Marketing
Blog Marconomy: https://www.marconomy.de/storytelling-so-erzaehlen-sie-im-b2b-gute-geschichten-a-
696083/. Ebenfalls zu dieser Frage, aus anderer Perspektive: Ralf Langen (2016): „Eine tragfähige Verbindung
herstellen - Wie funktioniert gutes Storytelling in Organisationen?“, cc:langen Working Paper Series 2/2016.
15
Catrin Johansson, Mats Heide, (2008),"Speaking of change: three communication approaches in studies of
organizational change", Corporate Communications: An International Journal, Vol. 13 Issue 3 p. 300.
16
Grundlegend: Karl E. Weick (1995): Sensemaking in Organizations. Foundations for Organizational Science,
Sage Publications, London; Karl E. Weick (1993): “The collapse of sensemaking in organizations: The Mann
Gulch disaster”. In: Administrative Science Quarterly. 38, 4; S. 628 sowie Karl E. Weick (1979), The Social
Psychology of Organizing (Second edition), McGraw Hill und ders. (1995, 2001), Sensemaking in Organizations,
Sage, Making Sense of the Organization (Volume 1), Blackwell.
17
Catrin Johansson, Mats Heide, (2008),"Speaking of change: three communication approaches in studies of
organizational change", Corporate Communications: An International Journal, Vol. 13 Issue 3 pp. 287ff.
18
Norbert Steigenberger, (2015) "Emotions in sensemaking: a change management perspective", in:
Journal of Organizational Change Management, Vol. 28 Issue: 3, pp.432-451, “a process, prompted by violated
expectations, that involves attending to and bracketing cues in the environment, creating intersubjective
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die ja ein erhöhtes Maß an Reagieren auf Unvorhersehbares, auf Unbekanntes und
Unerwartetes erzeugen, und nicht mit den bewährten Interpretationsschemata zu
bewältigen sind, wird Sensemaking daher intensiviert.
Unter dem Aspekt von Kommunikation im Kontext von Wandel und Transformation ergibt
sich ein Paradigmenwechsel, der sich in neueren Ansätzen der Organisationskommunikation
zunehmend durchsetzt.19 Wenn für den erfolgreichen Wandel der Organisation eine
Neuinterpretation dessen, was „the way we do things around here“ ist, und damit die soziale
Realität dessen, was in Zukunft gültig und richtig ist, in dialogischem und „polyphonem“
Austausch konstituiert wird, reicht eine nur botschaftenorientierte oder informativ gefasste
Kommunikation nicht aus. Im Change ist Kommunikation nur dann Treiber des Wandels,
wenn sie dialogisch, diskursiv und reflexiv angelegt ist.
Dialogfähigkeit ist längst eine der Grundbausteine moderner Führung. Im Falle der
personalen Kommunikation, also der Kommunikation zwischen Führungskraft und Team
geht es im Change daher um aktives Zuhören, um das Aufgreifen und Integrieren
unterschiedlichen Meinungen, Sichtweisen und Haltungen und um „social perception skills“
von Führungskräften, die in der Lage sind, aus „schwachen Signalen“ Sinnkonstrukte zu
destillieren, und sie in den Teamdialog zurückzuspiegeln.20
Für die heute weitgehend über digitale Medien organisierte interne Kommunikation in
modernen Organisationen kommen die auf Dialog und Interaktion geradezu spezialisierten
„neuen sozialen Medien“ (Social Intranet) zum Zuge. Sie bieten Kommunikation mit
permanenter Rückkoppelung und der Möglichkeit, bei zentralen Themen und Fragen
einzuhaken und Kristallisationspunkte zu markieren, an denen sich kollektiv
Sensemakingprozesse anschließen. Dabei entstehen, wie von Peter Kruse bereits frühzeitig
gesehen, „Sinnräume“ der kollektiven Verständigung. 21 Und diese hat Kruse, dessen
wichtige Forschung ja die verändernde Kraft von Vernetzung und netzwerkorientierter
Sinnbildung in Deutschland nachhaltig zum Thema gemacht hat, stets als „reale“
Diskurspraktiken gesehen. Und hat dabei auf der mobilisierenden Kraft von
Großgruppenveranstaltungen und anderen „Live-Events“ als Möglichkeit der kollektiven
Verständigung und Handlungskoordination bestanden.
meaning through cycles of interpretation and action, and thereby enacting a more ordered environment from
which further cues can be drawn” (ebenda. page 433).
19
Cheney, George/Christensen, Lars Thoger/Zorn, Theodore E./Ganesh, Shiv (2004): Organizational
communication in an age of globalization. Waveland Presse, Prospect Heights (Ill.)
20
Vgl. dazu, Ralf Langen, Kathrin Schwabe (2009): „Die gelähmte Schicht – Ein positiver Blick auf die
Kommunikationserfordernisse moderner Führung". In: Dörfel, Lars; Hinsen, Ulrich E. (Hrsg.):
Führungskommunikation, Berlin.
21
Vgl. Peter Kruse: next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität, Frankfurt (Gabal) 2004.
22
Ausführlich dazu der Firmengründer von Zappos, Tony Hsieh, in seinem Bestseller (2010): Delivering
Happiness: A Path to Profits, Passion and Purpose, New York.
Working Paper – not for publication yet. 12/12
diskursiver Ausprägung ist dann wiederum die Gestaltung von Sinnräumen und von (häufig
digitalen) Plattformen für den Austausch und die Sinnkonstruktion.
Reflexiv schließlich sollte Kommunikation im Wandel in zweierlei Hinsicht sein: zum einen,
indem sie in Rechnung stellt, dass die Kommunikation im Change selbst zum Problem
werden kann. Und daher entsprechende Reflexionsmechanismen in der
Kommunikationsarchitektur vorhalten muss, um schnell reagieren und „reparieren“ zu
können. Und zum anderen, indem sie dialogisch angelegte reflexive Elemente in den
Wandelprozess einbaut, die nicht nur ein „miteinander ins Gespräch kommen“ oder
„Abholen“ erlauben, sondern auch Handlungsinitiativen in den Blick rücken, die für
Betroffene und Beteiligte bestehen.
## end of manuscript ##