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I Mechanik 25
2 Mehrdimensionale Bewegungen 73
2.1 Geschwindigkeit als Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2.1.1 Das Unabhängigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
3
Inhaltsverzeichnis
4
Inhaltsverzeichnis
6 Kreisbewegung 169
6.1 Kinematik der Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
6.1.1 Ort, Zeit und Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
6.1.2 Gradmaß und Bogenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
6.1.3 Bemerkungen zu Kreisfrequenz und Winkelgeschwindigkeit . . . . 175
6.1.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
6.1.5 Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
6.2 Dynamik der Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
6.3 Experiment mit Zentralkraftgerät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
6.4.1 Bewegung auf einem horizontalen Kreis . . . . . . . . . . . . . . . 184
6.4.2 Bewegungen mit der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
6.4.3 Bewegung auf einem vertikalen Kreis; Looping . . . . . . . . . . . 186
6.4.4 Drehbewegung und Reibungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
6.4.5 Rotation um gemeinsamen Schwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . 188
6.4.6 Kettenkarussell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
6.4.7 Fahrrad; Kurvenfahrt mit Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.4.8 Kugelschwebe; Drehfrequenzregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.4.9 Kugelrutschbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
6.4.10 Oberflächen rotierender Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 193
5
Inhaltsverzeichnis
8 Schwingungen 217
8.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
8.1.1 Hookesches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
8.1.2 Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
8.2 Die harmonische Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
8.2.1 Kinematik der harmonischen Schwingung . . . . . . . . . . . . . . 219
8.2.2 Messungen zur harmonischen Schwingung . . . . . . . . . . . . . . 225
8.2.3 Dynamik der harmonischen Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . 229
8.3 Beispiele für Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
8.3.1 Projektion einer Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
8.3.2 Schwingung einer Schraubenfeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
8.3.3 Dynamische Bestimmung der Federkonstante eines Federpendels . 233
8.3.4 Schwingung eines Fadenpendels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
8.3.5 Schwingung einer Flüssigkeitssäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
8.4 Gedämpfte Schwingungen; Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
8.4.1 Gedämpfte Schwingung; Eigenfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . 245
8.4.2 Erzwungene Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
8.4.3 Auswertung einer Dämpfungskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
II Wellen 255
6
Inhaltsverzeichnis
10 Interferenz 277
10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
10.2 Interferenzmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
10.2.1 Gangunterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
10.2.2 Bestimmung der Kurven gleichen Gangunterschieds . . . . . . . . 281
10.3 Beobachtbare Interferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
10.3.1 Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
10.3.2 Interferenz bei Schallwellen; Schwebungen . . . . . . . . . . . . . . 285
12 Beugung 315
12.1 Das Huygenssche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
12.2 Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
7
Inhaltsverzeichnis
15 Wellenoptik 355
15.1 Interferenz am Fresnelspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
15.2 Beugung und Interferenz am Doppelspalt und Gitter . . . . . . . . . . . . 358
15.2.1 Idee, Aufbau und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
15.2.2 Lage der Intensitätsmaxima am Doppelspalt . . . . . . . . . . . . 359
15.2.3 Messbeispiel am Doppelspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
15.2.4 Lage der Intensitätsmaxima am optischen Gitter . . . . . . . . . . 362
15.2.5 Messbeispiel am Rowland-Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
15.2.6 Messung der Wellenlängen der Hg-Linien . . . . . . . . . . . . . . 366
15.2.7 Beispielrechnungen zum Doppelspalt und Gitter . . . . . . . . . . 367
15.3 Beugung und Interferenz am Einzelspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
15.3.1 Allgemeine Betrachtung zur Beugung am Spalt . . . . . . . . . . . 371
15.3.2 Experimente und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
15.4 Medium und Wellenlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
15.4.1 Wellenlänge in Glas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
15.4.2 Lichtwellen durch Glas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
15.4.3 Interferenz an dünnen Schichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
16 Intensitätsverteilungen 387
8
Inhaltsverzeichnis
9
Inhaltsverzeichnis
10
Inhaltsverzeichnis
11
Inhaltsverzeichnis
IV Teilchen 603
12
Inhaltsverzeichnis
Anhang 605
B Strahlensätze 615
B.1 Zusammenstellung der beiden wichtigsten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . 615
B.2 Anwendungsbeispiel: Abbildungsgesetz und Linsenformel . . . . . . . . . . 616
13
Inhaltsverzeichnis
Literatur 655
14
Tabellenverzeichnis
15
Tabellenverzeichnis
16
Abbildungsverzeichnis
1.1 Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1.2 Bahnkurven im Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.3 Zwei unterschiedliche glf. Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1.4 ts-Diagramme glf. Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1.5 tv-Diagramme glf. Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
1.6 Messung einer glf. Bewegung; Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
1.7 Graphische Darstellung der Messungen zur glf. Bewegung . . . . . . . . . . 39
1.8 Graphische Darstellung des berechneten tv-Diagramms der glf. Bewegung . 40
1.9 Zur Bestimmung der Momentangeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.10 ts-Diagramm der aufgenommenen ungleichförmigen Bewegung . . . . . . . . 46
1.11 Linearisierung eines quadratischen Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . 47
1.12 tv-Diagramm einer glm. beschl. Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1.13 t2 s-Diagramm und tv-Diagramm zu Messung 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 51
1.14 vt- und st-Diagramm zur Busfahrtaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
1.15 ts- und tv-Diagramm der Bewegung in Aufgabe 7 (S. 58) . . . . . . . . . . . 60
1.16 Versuchsaufbau zur Untersuchung der Fallbewegung . . . . . . . . . . . . . . 61
1.17 ts-Diagramm und t2 s-Diagramm der untersuchten Fallbewegung . . . . . . . 62
1.18 ts-Diagramm der Brunnenaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
1.19 ts-Diagramme der fallenden Äpfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
17
Abbildungsverzeichnis
18
Abbildungsverzeichnis
19
Abbildungsverzeichnis
10.5 Schwebung 30 Hz mit den Frequenzen 1,70 kHz und 1,73 kHz . . . . . . . . . 288
10.6 Schwebung 10 Hz mit den Frequenzen 50 Hz und 60 Hz . . . . . . . . . . . . 289
14.1 Zur Aberration des Lichts durch Bewegung des Fernrohrs . . . . . . . . . . 346
14.2 Zur Bestimmung der Schallgeschwindigkeit durch Laufzeitdifferenz . . . . . 348
14.3 Lichtgeschwindigkeitsbestimmung Prinzip der Messelektronik . . . . . . . . 350
14.4 Den defekten Kondensator erkennt man oben im Bild. . . . . . . . . . . . . 353
20
Abbildungsverzeichnis
21
Abbildungsverzeichnis
22
Abbildungsverzeichnis
23
Abbildungsverzeichnis
24
Teil I
Mechanik
25
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Im Teil Mechanik sollen die Grundlagen für ein tiefer gehendes Verständnis für phy-
sikalische Vorgänge gelegt werden: naturwissenschaftliche Begriffsbildung, Sinn, Zweck
und Bedeutung von Experimenten im Gesamtzusammenhang. Dies wird in einer nach
Möglichkeit konsequent aufbauenden Darstellung der wichtigsten Themen, die in der
Oberstufe des Gymnasiums behandelt werden können, erfolgen.
Wir starten mit der Untersuchung von Bewegungen. Dazu betrachten wir zunächst bei
den geradlinigen Bewegungen die „reine“ Kinematik, also die Lehre von den Bewegungen
der Körper.
Davon getrennt behandeln wir in der Dynamik die Lehre von den Zusammenhängen zwi-
schen der Kräften und den daraus resultierenden Bewegungen, untersuchen also warum
ein Körper sich so bewegt, wie er es tut. In der Kinematik wird eine Bewegung nur mit
rechnerischen Methoden beschrieben.
−3π −π π 3π
x
−2π 2 −π 2 2 π 2 2π
Abbildung 1.1: Bewegung eines Radpunktes (z. B. ein Ventil) bei einem Fahrrad
Man betrachte in Abbildung 1.1 die Bewegung des Ventils am Fahrrad, welches zur
27
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Verdeutlichung mit einem Lämpchen versehen ist, damit man es im Dunkeln verfolgen
kann. Dreht sich das Rad, so bewegt sich das Ventil auf einem Kreis. Diesen Eindruck
hat ein Beobachter, der mit dem Fahrrad mitläuft. Ein Beobachter, der am Straßenrand
steht und das vorbeifahrende Fahrrad beobachtet, sieht einen erheblich komplizierteren
Bewegungsablauf, die Abrollkurve eines Kreises, denn das Ventil wird vom Rad um die
Nabe geführt und bewegt sich dabei gleichzeitig in Fahrtrichtung des Fahrrades. Die
Beschreibung erfolgt in diesem Fall durch eine sogenannte Zykloide.1
Diese Erkenntnis fassen wir zusammen im
Satz 1. Eine Aussage über Ruhe bzw. Bewegung eines Körpers ist nur sinnvoll und
eindeutig, wenn ein Bezugssystem angegeben wird.
Wir müssen jetzt allerdings noch die Begriffe Bezugssystem und Koordinatensystem
(KOS) klären.
• Als Bezugsystem kann man einen Körper nehmen wie etwa den Experimentier-
tisch im Physikraum. Im Fahrradexperiment Abbildung 1.1 ist eine Zykloide zu
beobachten, wenn man als Bezugssystem etwa eine am Straßenrand stehende Per-
son, ein Verkehrszeichen oder einen Kanaldeckel wählt. Einen Kreis beobachtet
eine am Fahrrad festgeschraubte Kamera. Hier wäre das Bezugssystem das Fahr-
rad selbst. Man kann die Kamera auch mit dem Lämpchen am Ventil zusammen
befestigen. Dann ruht das Ventil. Allerdings sieht die Welt auf dem Film dann
etwas anders aus. 2
• Vom Bezugssystem zu unterscheiden ist das Koordinatensystem. Ein solches
KOS dient zum Beispiel der Beschreibung von Orten, in dem es die Aufnahme
rechnerisch verarbeitbarer Daten (Zahlen) ermöglicht. 3
1
Siehe [15, S. 450]. Die Zykloide kann durch die Parametergleichung f (t) = (rt − a sin t|r − a cos t)
beschrieben werden. r bedeutet den Radius des abrollenden Kreises (Rad) und a den Radius des
betrachteten Kreispunktes (Ventil). Für die Abbildung 1.1 auf der vorherigen Seite wurden r = 1
und a = 0,85 gewählt.
2
Das Ruhen in seinem eigenen Bezugssystem beobachtet man z. B. auch bei einer Autofahrt, wenn man
sich auf den Innenraum konzentriert und die Außenwelt aus den Augenwinkeln betrachtet. Dass jeder
in seinem eigenen Bezugssystem ruht, ist gleichwertig mit der Aussage, dass der Nullpunkt in einem
Koordinatensystem stets die Koordinaten (0|0) oder dreidimensional (im Raum) (0|0|0) besitzt.
3
In diesem Sinne ist ein KOS ein „Interface“ zwischen der Physik und der Mathematik. Die Wahl des
KOS erfolgt nach Bedarf, um den rechnerischen Aufwand klein zu halten. Wenn eine Ameise auf einer
Glasplatte herumläuft, brauche ich z. B. keine 3 Koordinaten für eine Ortsangabe.
28
1.2 Die gleichförmige Bewegung
Wie bereits in Abschnitt 1.1.1 erwähnt, besteht die Aufgabe der Kinematik in der Be-
schreibung von Bewegungsabläufen in mathematischen Modellen.
Betrachten wir die Abbildung 1.2, so sieht man, dass die Bahnkurve zunächst nur Infor-
mationen über die Orte (x|y) liefert, an denen sich ein Körper befindet. Sie sagt jedoch
nichts über den zeitlichen Ablauf einer Bewegung aus. Es gibt allerdings die Möglichkeit,
y
0s b
7s
b
6s b
komplizierte Bewegung
3s b
4s 2s
b
1s b
b
5s
b
b
x
Kreisbewegung
b b
b b
b b b b
b
b
geradlinige Bewegung
b b b
b
b
die Zeit mit in die Graphik einzutragen. Nehmen wir an, dass jeder gezeichnete Punkt
eine bestimmte Zeitmarke darstellt – vielleicht sogar in gleichen Abständen von sagen
wir mal 1 s – so könnte man einige weitere Informationen4 aus der Graphik entnehmen.
29
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Ziel der nachfolgenden Betrachtungen ist es zu klären, wodurch die glf. Bewegung ge-
kennzeichnet ist. Dazu sehen wir uns die Abbildung 1.3 an. Ein Körper bewege sich
(geradlinig) längs Wegmarken, so dass die Bedingung aus Definition 2 erfüllt ist.
s
0 1 2 3 4 5 6
m
t
0 2 4 6 8 10 12 Messung 1
s
t
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 Messung 2
s
6 bc bc
5 bc bc
4 bc
Messung 2 bc
Messung 1
3 bc bc
2 bc bc
1 bc bc
0
0 2 4 6 8 10 12 t
s
Abbildung 1.4: ts-Diagramm einer langsameren Bewegung (rot) und einer schnelleren
Bewegung (blau)
30
1.2 Die gleichförmige Bewegung
` = 5m. (1.2)
Da es in der Mathematik keine Größen gibt, können in einem KOS nur Zahlen,
Zahlenpaare, Zahlentripel . . . dargestellt werden; daher steht an der Achse die Zahl
`
5 und einmal als Erläuterung , womit gemeint ist:
m
`
5= .
m
Dies ist aber zu (1.2) gleichwertig.
Wird von einer physikalischen Größe wie in (1.2) nur die Einheit gemeint, so
schreibt man:
[`] = m . (1.3)
{`} = 5 . (1.4)
• Der Satz einer physikalischen Größe erfolgt stets so, dass die Einheit aufrecht ge-
setzt wird und zwischen Maßzahl und Einheit ein kleiner Zwischenraum besteht.
Es gibt einige Makros in LATEX, die einem die Arbeit erleichtern können. Ich be-
nutze in der Regel eine Codierung der Form $\ell=5\,\mathrm{m}$ (siehe (1.1))
– auch wenn es manchmal etwas umständlich erscheint.
5
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Broschüre [5].
31
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Aus der Definition 2 (S. 30) und der Abbildung 1.4 (S. 30) erhalten wir die Aussagen:
• Das ts-Diagramm einer glf. Bewegung ist eine Gerade. Je schneller sich ein Körper
bewegt, desto steiler ist der Verlauf dieser Gerade.
• Die Steigung der Gerade ist also ein Maß für die Geschwindigkeit des Körpers. Wir
erklären daher
zurückgelegter Weg
Geschwindigkeit =
dazu benötigte Zeit
Def. 3. Geschwindigkeit
∆s m
v= Einheit: [v] = (1.6)
∆t s
v = konst
v
m
s
v = 2 ms
2
1 v = 0, 5 ms
0
0 2 4 6 8 10 12 t
s
Abbildung 1.5: Das tv-Diagramm einer glf. Bewegung stellt eine Parallele zur t-Achse
im Abstand {v} dar.
∆s
Die Daten beziehen sich auf die Abbildungen 1.3 und 1.4 (S. 30). Messung 1: v = ∆t =
(3−1) m m ∆s (3−1) m m
(6−2) s = 0,5 s und Messung 2: v = ∆t = (1,5−0,5) s = 2 s .
Satz 3. Für den zur Zeit t zurückgelegten Weg s(t) gilt bei v = konst (glf. Bewegung):
• falls zur Zeit t = 0 die Wegmarke s = 0 ist:
s(t) = v · t (1.7)
s(t) = v · t + s0 (1.8)
32
1.2 Die gleichförmige Bewegung
1. Welche Geschwindigkeit hat ein Personenzug, wenn ein Reisender bei 18 m Schie-
nenlänge in 5 Minuten 300 Schienenstöße zählt?6
Siehe (1.6) (s. links):
∆s 18 m · 300 18 m · 300 km
v= = = 1 = 64,8 .
∆t 5 min 12 h
h
km
Einheit der Geschwindigkeit nicht „KA-EM-HA“
h
km 1 000 m 1 m
s = v · t = 100 · 1 s = 100 · · 1 s = 100 · · 1 s = 27,8 m .
h 3 600 s 3,6 s
Man überlege, was es bedeutet, wenn man während einer Autofahrt nur 2 s unauf-
merksam ist.
km 7
3. Ein Läufer legt 100 m in 10,3 s zurück. Berechne seine Geschwindigkeit in h .
1
100 m 100 1 000 km 100 km km
v= = · 1 = · 3,6 = 35,0 .
10,3 s 10,3 3 600
h 10,3 h h
6
[20] 2.1.1.3.
7
[20] 2.1.1.4.
33
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
m km m km
1 = 3,6 s → h
s h
km 1 m km m
1 = h → s
h 3,6 s
m km
340 = 1 224 .
s h
Anmerkung Unter der Mach-Zahl (Ma)8 versteht man das Verhältnis einer
Geschwindigkeit zur Schallgeschwindigkeit. Um die „Schallmauer zu durchbrechen“
benötigt man eine Geschwindigkeit von 1 Ma. Das entspricht ungefähr der soeben
berechneten Geschwindigkeit in km/h. Die Schallgeschwindigkeit in Luft ist tem-
peraturabhängig.
5. Welche Zeit braucht das Licht
a) von der Erde zum Mond (384 000 km),
b) von der Sonne zur Erde (150 000 000 km)?
s 384 000 km
Erde → Mond t= = = 1,28 s ;
v 3 · 108 ms
150 000 000 km
Sonne → Erde t= = 500 s = 8 min 20 s = 8,33 min .
3 · 108 ms
mm
6. Die Geschwindigkeit, mit der Haare wachsen, beträgt etwa 10−5 s . Wie lang wird
das Haar in einem Jahr?
Ein Jahr berechnet sich zu 1 a = 365,25 · 24 · 60 · 60 s = 31,6 · 106 s. Damit folgt
sofort – auch ohne Taschenrechner:
mm
s = v · t = 10−5 · 31,6 · 106 s = 316 mm .
s
Anmerkung In Köln habe ich während des Studiums gelernt, dass man sich
leicht merken kann (wie man sieht):
1 a ≈ π · 107 s . (1.9)
34
1.2 Die gleichförmige Bewegung
Viele Taschenrechner bieten eine fertige Funktion für die prozentuale Abweichung
an. Bei meinem HP 35s heißt diese %CHG . Bei der Eingabe ist dabei die Rei-
henfolge zu beachten (Handbuch!). Beispiel:
11 − 10
10 ENTER 11 %CHG liefert 10 (in %), da = 0,1 = 10 % (1.10)
10
10 − 11
11 ENTER 10 %CHG liefert −9,1 (in %), da = −0,0909 = −9,1 %.
11
7. Gegeben sei das ts-Diagramm einer Bewegung in Form eines Trapezes. Bestimme
das tv-Diagramm.9
s
m Als Bewegungsgleichungen für die vor-
gestellte Kombination glf. Bewegungen
6
erhält man
4
für die Zeit-Weg-Funktion:
2
1,17 ms · t , falls 0 ≤ st ≤ 6
0
t 7 m , falls 6 ≤ st ≤ 10
0 2 4 6 8 10 12
s s(t) =
v
cm
−3,5 ms · t + 42 m
, falls 10 ≤ st ≤ 12
s
0
t für die Zeit-Geschw.-Funktion:
2 4 6 8 10 12
s
m
1,17 s , falls 0 ≤ st ≤ 6
−2
v(t) =
0m , falls 6 ≤ st ≤ 10
−3,5 m , falls 10 ≤ st ≤ 12
s
−4
sm
8. 1 Knoten (1 Kn) bedeutet 1 (Seemeile durch Stunde). Dabei ist eine Seemeile
h
definiert als 1 (Winkelminute)
0 auf der Erdoberfläche (Meer). Dazu muss man
◦ 0
1 1
wissen, dass 10 = 60 und darüber hinaus 100 = 60 (Winkelsekunde) gilt. Der
6
(mittlere) Erdradius beträgt rE = 6,371 · 10 m. (Siehe [32]).
km m
Gib 1 Kn in den Einheiten und an.
h s
◦
1
sm 60 km km m
1 Kn = 1 = · 2 · π · 6,371 · 103 = 1,853 = 0,515 .
h 360 ◦ h h s
Zum Vergleich hier die Definition bei WikipediA10 : 1 Knoten = 1 Seemeile/h =
1,852 km/h ≈ 0,514444 m/s.
9
[20] 2.2.2.5.
10
https://de.wikipedia.org/wiki/Knoten_(Einheit); zuletzt besucht am 09.09.2016.
35
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
9. Wir betrachten noch die Geschwindigkeit, mit der die Erde sich um die Sonne durch
den Weltraum bewegt. Natürlich ist die Bewegung keine geradlinige Bewegung,
sondern eine Kreisbewegung11 . Wir merken aber so ohne Weiteres „nichts“ davon
und fassen sie jetzt einfach als Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit auf. Dann
rechnet man:
2 · π · 150 000 000 km km
v= = 30 .
π · 10 s
7 s
Auch diese Abschätzung lässt sich leicht im Kopf (2 · 150 : 10) ohne Taschenrech-
ner erledigen. Zu den verwendeten Daten betrachte man die Aufgabe 5b und die
Gleichung (1.9) (S. 34). Das Ergebnis ist für irdische Verhältnisse schon bemer-
kenswert.
Wenn ein Zug von A nach B fährt, so ist die Geschwindigkeit nicht konstant, die Bewe-
gung daher nicht gleichförmig.
Wenn man allerdings aus zurückgelegter Strecke und dazu benötigter Zeit den Quotient
bildet, erhält man die sogenannte mittlere Geschwindigkeit. Sie gibt an, mit welcher kon-
stanten Geschwindigkeit der Zug hätte fahren müssen, um die Strecke in der gegebenen
Zeit zurückzulegen.
∆s
v= (1.11)
∆t
1. Ein Regionalexpress (RE) fährt um 19.08 Uhr in München nach dem 221 km ent-
fernten Lindau ab und kommt um 23.42 Uhr dort an. Berechne seine mittlere Ge-
schwindigkeit in km/h und in m/s.12
221 km 221 km 221 km km
v= = = = 48,4 ;
23.42 Uhr − 19.08 Uhr 4 h 34 min 34
4 + 60 h h
1 m m
v = 48,4 · · = 13,4 .
3,6 s s
11
siehe Abschnitt 6 ab S. 169
12
[20] 2.1.1.2.
36
1.3 Die glf. Bewegung in einem Experiment
2. Welche mittlere Geschwindigkeit hat der Kolben eines Automotors mit 3 200 Um-
drehungen/Minute, wenn die Hublänge 80 mm beträgt?13
Im Rahmen eines Experiments gibt es eine glf. Bewegung natürlich nur näherungswei-
se. Dass man trotzdem eine solche Bewegung realisieren kann, wird im nachfolgenden
Experiment versucht.
1.3.1 Aufbau
Wie in Abbildung 1.6 stellen wir einen Gleiter auf eine Luftkissenfahrbahn14 . Am Gleiter
befestigt man einen Faden und legt ihn über eine Umlenkrolle. Mit einer Büroklammer
(o. ä.) sorgt man für die notwendige Spannung des Fadens über der Rolle. Lässt man nun
Luft in die Fahrbahn einströmen, so bewegt sich der Gleiter wegen der anhängenden
Büroklammer. Man justiert die Fahrbahn nun so, dass sich der Gleiter auf ihr nicht
bewegt. Damit sind soweit alle äußeren Einflüsse neutralisiert.
Abbildung 1.6: Ein kleines Gewicht dient zum Spannen des Fadens. Der Ausgleich erfolgt
durch Neigen der Fahrbahn.
Man gibt dann zu Beginn der Messung dem Gleiter eine leichten Schubs und startet die
Messung. Dazu stand mir der Bewegungs-Messwandler mit dem Messwertaufnehmer15
mit einem älteren CASSY-System (unter MS-DOS) als Computer-Interface von Leybold
zur Verfügung16 .
13
[20] 2.1.1.8.
14
[27] Gerätebeschreibung 337 501
15
[27] Gerätebeschreibung 337 63 und 337 631; BMW-Box: [27] Gerätebeschreibung 524 032
16
In diesem Bereich gibt es eine fortwährende schnelle technische Entwicklung, auf die ich hier nicht ein-
gehen möchte. Letztlich kommt es darauf an, Weg-Zeit-Messwertepaare aufzunehmen. In den 1970er
Jahren habe ich mit einem Aluminiumstreifen, auf den mit Hochspannung kleine Markierungen ge-
brannt wurden, die Bewegungen analysiert. Dies war eine außergewöhnliche, aber sehr suggestive Art
der Messwertaufnahme. Ebenso außergewöhnlich gestaltete sich die Auswertung der Streifen durch
Zerschneiden und Aufkleben. ts- und tv-Diagramme entstanden so in einfacher Weise.
37
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Messung 1
t
0,00 0,503 1,01 1,50 2,02 2,49 2,99 3,52 4,00 4,51 5,01
s
s
5,00 14,3 23,5 32,3 41,5 49,9 58,7 67,9 76,3 85,1 93,1
cm
Messung 2
t
0,00 0,160 0,413 0,704 1,02 1,27 1,55 1,76 2,11 2,50
s
s
4,5 8,6 14,6 21,4 28,6 34,2 40,6 45,0 52,6 61,0
cm
Der Beginn zur Zeit t = 0 ist nicht s = 0, denn erst wird der Gleiter in Bewegung
versetzt und dann erst die Messung gestartet; er befindet sich dann schon an einer
Marke s 6= 0 cm.
Offenbar entsprechen die Messergebnisse unseren Erwartungen (Abbildung 1.4 (S. 30)).
Die rote bzw. blaue Gerade legen wir nun nicht nach Augenmaß als Ausgleichsgerade
durch die Messpunkte, sondern berechnen die Daten nach der Methode der kleinsten
Fehlerquadrate mit linearer Regression, die heutzutage jeder wissenschaftliche Taschen-
rechner beherrscht (Handbuch!). Eine Herleitung findet man im Anhang A (ab S. 607).
Lineare Regression ergibt für Messung 1 (R2 = 0,9998):
y = 17,63 · x + 5,63 ;
s t
= 17,63 · + 5,63 ;
cm s
cm
s = 17,63 · t + 5,63 cm .
s
y = 22,56 · x + 5,19 ;
F t
= 22,56 · + 5,19 ;
cm s
cm
s = 22,56 · t + 5,19 cm .
s
38
1.3 Die glf. Bewegung in einem Experiment
s
cm
bc
90
bc
80
bc
70 bc
bc
60 bc
bc
50 bc
bc
bc
bc
40
bc
bc
30 bc
bc
bc
20
bc bc
10 bc
bcbc
0
0 1 2 3 4 5 t
s
Abbildung 1.7: Graphische Darstellung der Messreihen 1 (rot) und 2 (blau) zur Unter-
suchung einer glf. Bewegung
Die Berechnung der Daten sieht daher so aus. Wir betrachten die Messdaten aus Ab-
schnitt 1.3.2 (s. links).
17
Stellvertretend für alle sei hier f (x) = x2 gewählt, da alle Parabeln ähnlich sind:
39
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
14,3 − 5 cm cm
• v= = 18,5 .
0,503 − 0,00 s s
• Diese Geschwindigkeit ordnen wir dem mittleren Zeitpunkt zu: t = 21 ·(0,503 + 0,00) s =
0,252 s.
Auf diese Weise füllt man die ganze Tabelle.
tv-Diagramm-Daten 1
t
0,252 0,757 1,255 1,76 2,255 2,74 3,255 3,76 4,255 4,76
s
v
cm 18,5 18,1 18 17,7 17,9 17,6 17,4 17,5 17,3 16
s
tv-Diagramm-Daten 2
t
0,08 0,287 0,559 0,862 1,145 1,41 1,655 1,935 2,305
s
v
cm 25,6 23,7 23,4 22,8 22,4 22,9 21 21,7 21,5
s
v
cm
s
bc
25 bc bc
bc bc
bc
bc bc
bc
20
bc
bc bc bc
bc bc bc bc bc
bc
15
10
0
0 1 2 3 4 5 t
s
Abbildung 1.8: Graphische Darstellung des berechneten tv-Diagramms der glf. Bewe-
gung; die Daten beziehen sich auf Abbildung 1.7.
Die Daten sind nun in Abbildung 1.8 dargestellt. Die rote (blaue) durchgezogene Linie ist
gegeben durch die Steigung der in Abbildung 1.7 auf der vorherigen Seite durch lineare
Regression ermittelten Geraden (rot: 17,63 cm cm
s ; blau: 22,56 s ). Die konstante Steigung
liefert den Wert für die konstante Geschwindigkeit bei einer glf. Bewegung.
Die punktierten Linien ergeben sich aus der Regression über den Wertepaaren, die der
40
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
1.4.1 Momentangeschwindigkeit
Aus den vielen bisherigen Beispielen und aus der Praxis des täglichen Lebens weiß man,
dass es normal ist, wenn die Geschwindigkeit nicht zeitlich konstant ist. Man braucht
nur während einer Autofahrt auf den Geschwindigkeitsmesser (Tacho) zu schauen, um
festzustellen, dass sie sich von einem Zeitpunkt zum anderen ändert. Der Tacho zeigt
dabei (scheinbar19 ) stets die zu einem bestimmten Zeitpunkt gehörige Geschwindigkeit
– die sogenannte Momentangeschwindigkeit – an.
Nun war die Geschwindigkeit definiert als der Quotient aus dem zurückgelegten Weg
und der zugehörigen Zeit:
∆s
v= .
∆t
• Bei einer gleichförmigen Bewegung ist das ts-Diagramm eine Gerade und deren
Steigung kann genau als Momentangeschwindigkeit zu jedem Zeitpunkt verwendet
werden, denn sie ist gemäß Definition überall gleich.
• Im nächsten Schritt betrachten wir eine ungleichförmige Bewegung. Als ts-Diagramm
(Farbe: „Brown“) erhält man dann zum Beispiel den Graph wie er in Abbildung 1.9
auf der nächsten Seite eingezeichnet ist. Da nun ein Punkt keine Gerade definiert,
ist es nicht ohne Weiteres möglich, die Momentangeschwindigkeit v(t1 ) zum Zeit-
punkt t1 = 3 s anzugeben. Aber man kann sich mit der mittleren Geschwindigkeit
helfen:20
∆s s(t2 ) − s(t1 ) 75 m − 27 m m
v= = = = 24 .
∆t t2 − t1 5s − 3s s
41
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
s
m
90
80 s (t2 ) = s2 = 75 m P bc
70
63 m
60
50
∆s = 36 m
40
30 s (t1 ) = s1 = 27 m P1
bc
∆t = 2 s
20
10
t1 = 3 s t2 = 5 s
0
0 1 2 3 4 5 t
s
• Offenbar ist die so berechnete Geschwindigkeit zu groß. Aber sie gibt zumindest
einen Näherungswert für die Geschwindigkeit v(t1 ). Wenn einem das nicht genau
genug ist, kann man das Zeitintervall ∆t und damit die Messstrecke verkürzen –
und zwar soweit, bis es einem genau genug erscheint. Der Punkt P wandert dabei
auf dem Graphen des ts-Diagramms auf den Punkt P1 zu, so dass man immer zwei
Punkte zur Bestimmung der Steigung zur Verfügung hat.
• Mathematisch gesehen bedeutet die Maßzahl der mittleren Geschwindigkeit die
Steigung der Sekante und die Maßzahl der Momentangeschwindigkeit die Steigung
der Tangente (Farbe: „blue“) an den Graph der Bewegung im ts-Diagramm.
Das Verfahren definieren wir jetzt wie folgt in
Def. 6. Die Momentangeschwindigkeit v(t) zu einem Zeitpunkt t ergibt sich
durch Verkleinerung von ∆t – genauer für ∆t → 0 (d. h. ∆t wird beliebig klein) –
als Steigung der Tangente im ts-Diagramm der Bewegung:
∆s ∆s
v(t) = = lim (1.12)
∆t ∆t→0 ∆t→0 ∆t
42
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
In Abbildung 1.9 (s. links) ist die Tangente blau eingezeichnet. Über ihre Steigung
ermitteln wir die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t1 zu:
36 m m
v(t1 ) = = 18 .
2s s
s(t) s(t)
bc
bc
bc bc
t t
• Rechnerisch gelangt man wie folgt an diese Geschwindigkeit. Im Beispiel wird die
Bewegung durch die Funktion
t2
s(t) = 3 m ·
s2
beschrieben. Von t1 = 3 s aus gesehen berechnet sich die mittlere Geschwindigkeit
zu jedem Zeitpunkt t 6= t1 zu
t21 3 m · t2 − (3 s)2 1
t2
s(t) − s(t1 ) 3m · − 3m ·
s2 s2 s2
v(t1 )(t) = = =
t − t1 t − t1 t − 3s
3 m · (t + 3 s) · (t − 3 s) s12
=
t − 3s
1 1 m
= 3 m · (t + 3 s) 2 −→ 3 m · (3 s + 3 s) 2 = 18 (für t → t1 = 3 s) .
s s s
Weil t → t1 genau ∆t → 0 bedeutet, gilt:
∆s ∆s m
v(3 s) = = lim = 18 .
∆t ∆t→0 ∆t→0 ∆t s
43
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Aufbau
Der Aufbau erfolgt wie in Abbildung 1.6 (S. 37). Der Gleiter alleine wird auf der Fahr-
bahn horizontal so justiert, dass er sich ohne äußere Einflüsse nicht bewegt. Dann wird
über einen Faden ein kleines Gewicht angehängt und der Gleiter mit einer Eisennadel
an einem Haltemagnet festgemacht.21
44
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
des Haltemagnets erfolgt. Dadurch wird die Auswertung einfach, denn zum Zeitpunkt
t = 0 beginnt die Bewegung an der Marke s = 0.
Das Programm „BMW“ aus der Programmsammlung des Interfaces liefert eine große
Anzahl von Messdaten, die (natürlich) am Computer direkt hätten ausgewertet werden
können. Ich habe ungefähr alle 0,2 s ein (t|s)-Messwertepaar notiert. Die Auswertung
der anderen Spalten erfolgt nacheinander je nach Notwendigkeit und wird im weiteren
Verlauf des Experiments besprochen. Zunächst hat man nur die beiden ersten Spalten.
Hier nun die Messdaten vom 17.09.2009:22
Man beginnt die Auswertung mit dem ts-Diagramm. Es ist in Abbildung 1.10 auf der
nächsten Seite dargestellt.
Offenbar bestätigt das ts-Diagramm das Verhalten des Gleiters nach Auslösen des Halte-
magnets. Die Bewegung wird (natürlich) immer schneller. Die Geschwindigkeit wächst.
Das drückt sich in der wachsenden Steigung des Graphen aus. Bevor ein tv-Diagramm
berechnet wird, wollen wir uns Gedanken machen, um welche Funktion es sich beim
ts-Diagramm handelt. Aus einer gewissen Erfahrung heraus vermutet man, dass es sich
um eine Parabel handeln könnte. Für eine erste Überprüfung bilden wir t2 (für spätere
s
Zwecke) und die Quotienten 2 in der 3. und 4. Spalte der Messwertetabelle 1.1.
t
Zum graphischen Nachweis dieser Vermutung zeichnen wir ein t2 s-Diagramm und sehen,
dass die Punkte auf einer Gerade liegen (Abbildung 1.11).
22
Daten zusammengestellt von Jacquelin Ciemienga (PG 1111)
45
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
s
m
0,9
0,8
0,7
bc
0,6
bc
0,5
bc
0,4
bc
0,3
bc
0,2 bc
bc
0,1 bc
bc
bc
bc
bc
0 bc
0 0,25 0,50 0,75 1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 t
s
Lineare Regression (aus der 3. und 2. Spalte der Tabelle 1.1) ergibt (R2 = 0,9999):
y = 0,132 · x + 0,000512 ;
s t2
= 0,132 · 2 + 0,000512 ;
m s
m 2
s = 0,132 2 · t + 0,000512 m .
s | {z }
≈0
m 2
s(t) = 0,132 ·t (1.13)
s2
Der Graph dieser Funktion ist eine Parabel und kann jetzt in Abbildung 1.10 eingetragen
werden. Offenbar ist die Bewegung zwar ungleichförmig, unterliegt aber doch einer noch
recht einfachen Gesetzmäßigkeit.
46
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
s
m
bc
0,6
bc
0,5
bc
0,4
bc
0,3
bc
0,2 bc
bc
0,1 bc
bc
bc
bc
bc bc
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 t2
s2
Abbildung 1.11: Trägt man s t2 auf, so liegen die Messwertepaare auf einer Gerade.
0,065 − 0,021 m m
v(0,500 s) = = 0,145 .
0,702 − 0,398 s s
Die 6. Spalte ist auch wieder zur ersten Überprüfung (der linearen Änderung der Momen-
tangeschwindigkeit) gedacht. Das tv-Diagramm ist in Abbildung 1.12 auf der nächsten
Seite gezeichnet.
Lineare Regression (aus der 1. und 5. Spalte der Tabelle 1.1 (S. 45)) ergibt (R2 = 0,9944):
y = 0,263 · x + 0,000562 ;
v t
m = 0,236 · + 0,000562 ;
s s
m m
v = 0,263 2 · t + 0,000562 .
s | {z s}
≈0
23
Siehe Abschnitt 1.4.1 (S. 41).
47
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
v
m
s
bc
0,5
bc
0,4 bc
bc
bc
0,3
bc
bc
0,2
bc
bc
0,1 bc
bc
0
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 t
s
Abbildung 1.12: Bei einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung nimmt die Geschwin-
digkeit „gleichmäßig“ (linear) zu.
Aus der Definition 7 und der Abbildung 1.12 erhalten wir die Aussagen:
• Das tv-Diagramm einer glm. beschl. Bewegung ist eine Gerade. Je größer die Ge-
schwindigkeitsänderung der Bewegung eines Körpers ist, desto steiler ist der Ver-
lauf dieser Gerade.
• Die Steigung der Gerade ist also ein Maß für die Beschleunigung des Körpers. Wir
erklären daher
Geschwindigkeitsänderung
Beschleunigung =
dazu benötigte Zeit
Def. 8. Beschleunigung
∆v m
a= Einheit: [a] = (1.15)
∆t s2
24
Vergleiche mit Definition 2 (S. 30).
48
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
v(t) = a · t (1.16)
v(t) = a · t + v0 (1.17)
Bis jetzt haben wir nur die gleichförmige Bewegung um eine Begriffsbildungsebene zur
glm. beschl. Bewegung „emporgehoben“. Es fehlt jetzt allerdings noch ein Zeit-Weg-
Gesetz. Dazu möchte ich das Experiment heranziehen. Das daraus überlegte Ergebnis
soll dann an einem weiteren Experiment geprüft werden.
Aus dem Experiment ab Seite 44 hatten wir zwei Gleichungen ermittelt:
m
(1.14) v(t) = 0,263 2 · t
s
m 2
(1.13) s(t) = 0,132 2 · t
s
Vergleicht man das mit (1.16) v = a · t, so folgt auf jeden Fall:
m
a = 0,263 2 .
s
m
Nun ist der Faktor 0,132 in (1.13) ebenfalls als Beschleunigung zu interpretieren.
s2
m
Allerdings ist dieser Wert nicht der von a = 0,263 2 , sondern nur der Anteil
s
m
a 0,263 s2 m
= = 0,132 2 .
2 2 s
Dass dies kein Zufall ist, soll in einem weiteren Experiment gezeigt werden. Siehe dazu
den Abschnitt 1.4.5 auf der nächsten Seite. Als Ergebnis formulieren wir den
Satz 6. Das Zeit-Weg-Gesetz s(t) für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung lautet:
1
s(t) = · a · t2 (1.18)
2
Diese Gleichung gilt, falls zur Zeit t = 0 die Geschwindigkeit v = 0 und die Wegmarke
s = 0 ist.25
25
Die Fälle für eine Anfangswegmarke s = s0 bzw. eine Anfangsgeschwindigkeit v = v0 werden im
Rahmen von Beispielaufgaben betrachtet. Siehe dazu 1.23 (S. 57).
49
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Messdaten vom 17.09.2009; die Daten wurden protokolliert und von Sophia Luise Fal-
kenberg (PG 1122) zusammengestellt und ausgewertet.
Die Auswertung erfolgt in gleicher Weise wie es in Abschnitt 1.4.2 (S. 44). Auf die gra-
phische Darstellung des ts-Diagramms wird hier verzichtet. Die Ergebnisse der linearen
Regressionen t2 und s sowie t und v und die beiden zugehörigen Graphen Abbildungen
1.13 werden zur Veranschaulichung des Messwerteverlaufs abgebildet.
• Lineare Regression (aus der 3. und 2. Spalte der Tabelle 1.2) ergibt (R2 = 1,0000):
y = 0,0904 · x − 0,00129 ;
s t2
= 0,0904 · 2 − 0,00129 ;
m s
m 2
s = 0,0904 2 · t − 0,00129 m .
s | {z }
≈0
m 2
s(t) = 0,0904 ·t (1.19)
s2
50
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
• Lineare Regression (aus der 1. und 5. Spalte der Tabelle 1.2) ergibt (R2 = 0,9986):
y = 0,184 · x − 0,00426 ;
v t
m = 0,184 · − 0,00426 ;
s s
m m
v = 0,184 2 · t − 0,00426 .
s | {z s}
≈0
m
v(t) = 0,184 ·t (1.20)
s2
m a 0,184 sm2 m
• Mithin gilt a = 0,184 2 und daraus = = 0,0920 2 . Der relative
s 2 2 s
26 920 − 904
Fehler beträgt = 1,8 %.
904
Zum Abschluss noch die zu den Regressionen gehörigen Graphen.
s v
m
m s
bc
0,8 bc
0,5 bc
bc
0,7 bc
bc
bc
0,6 bc 0,4 bc
bc
0,5 bc
bc
bc 0,3
0,4 bc
bc
bc
0,3 bc 0,2 bc
0,2 bc bc
bc 0,1 bc
0,1 bc
bc
bc
bc
bc bc
0 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 t2 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 t
s2 s
26
Siehe (1.19) (s. links). Zum relativen Fehler siehe Seiten 34 und 35.
51
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
a=0 a = konst
a a
t t
v = konst v =a·t
v v
t t
1
s=v·t s= · a · t2
2
s s
t t
Tabelle 1.3: Übersicht über die einfachen geradlinigen Bewegungen; man kann nur die
zu den Bewegungen passenden Gleichungen verwenden!
52
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
a) Wann und in welchem Abstand von der Station hat er seine normale Ge-
schwindigkeit 14,4 ms erreicht?
v 14,4 ms 1 1 m
t= = = 36 s ; s= · a · t2 = · 0,4 2 · (36 s)2 = 259 m .
a 0,4 sm2 2 2 s
53
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
v 1,2 ms 1 1 cm
t= = = 6s; s= · a · t2 = · 20 2 · (6 s)2 = 3,6 m .
a 20 cm
s2
2 2 s
v 24 ms m 1 1 m
a= = = 1,6 2 ; s= · a · t2 = · 1,6 2 · (15 s)2 = 180 m .
t 15 s s 2 2 s
v 24 ms
t= = = 10 s .
a 2,4 sm2
4. Ein Bus hat zwischen zwei Haltestellen die Strecke 264 m zurückzulegen. Die An-
fahrbeschleunigung beträgt 1,00 sm2 , die Bremsverzögerung 1,50 sm2 und die Geschwin-
digkeit während der gleichförmigen Bewegung 12,0 ms . 30
a) Wie groß ist die Fahrzeit zwischen den 2 Haltestellen?
Beschleunigen:
v 12,0 ms 1 1 m
t1 = = = 12 s ; s1 = · a · t21 = · 1,00 2 · (12,0 s)2 = 72 m .
a 1,00 sm2 2 2 s
Abbremsen:
v 12,0 ms 1 1 m
t3 = = = 8s; s3 = · a · t23 = · 1,50 2 · (8 s)2 = 48 m .
a 1,50 sm2 2 2 s
t = t1 + t2 + t3 = 12 s + 12 s + 8 s = 32 s .
54
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
v s
m
s m bc
12 bc bc
240
bc
10 200
8 160
6 120
4 80 bc
2 40
0 bc bc
0 bc
0 4 8 12 16 20 24 28 32 t 0 4 8 12 16 20 24 28 32 t
s s
Abbildung 1.14: Links das vt-Diagramm: rechts das ts-Diagramm aus der Ergänzungs-
aufgabe
55
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
t2 t
= −0,75 m · + 48 m · − 768 m + 264 m ;
s2 s
t2 t
s(t) = −0,75 m · 2 + 48 m · − 504 m .
s s
Zusatz Interessant ist folgende Betrachtung, wenn man schon einiges über Dif-
ferentialrechnung gelernt hat. Oft wird in der Mathematik die Geschwindigkeit zur
„Veranschaulichung“ der zeitlichen Änderung eines Wertes verwendet, also für die
erste Ableitung einer Zeit-Weg-Funktion. Gleiches gilt auch für die Beschleunigung
bezogen auf die Geschwindigkeit. Daher gibt die zweite Ableitung der Zeit-Weg-
Funktion die Beschleunigung an. Hier sieht es so aus:
• Die Zeit-Weg-Funktion für die Busfahrt lautet:
t2
0,5 m · s2 , falls 0 ≤ st ≤ 12
s(t) = 12 m · t − 72 m
s , falls 12 ≤ st ≤ 24
−0,75 m · t2 + 48 m · t − 504 m , falls 24 ≤ st ≤ 32
s2 s
1 m · s 2 , falls 0 ≤ st ≤ 12
t
v(t) = s0 (t) = 12 m
s , falls 12 ≤ st ≤ 24
−1,5 m · t + 48 m , falls 24 ≤ st ≤ 32
s2 s
m
1 s2 , falls 0 ≤ st < 12
a(t) = v 0 (t) = s00 (t) = 0 , falls 12 ≤ st ≤ 24
−1,5 m , falls 24 < st ≤ 32
s2
Diese Funktion ist noch nicht einmal mehr stetig, da der Graph auf dem
betrachteten Zeitintervall nicht zusammenhängend ist. Das ta-Diagramm ist
nur stückweise konstant und wechselt die Beschleunigung ohne Zwischenwerte
von 1 sm2 über 0 auf 1,5 sm2 .
56
1.4 Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
5. Für den Kraftfahrer gilt folgende Faustregel, um den Bremsweg in Metern zu er-
rechnen:
Man teile den Zahlenwert der Geschwindigkeit des Fahrzeuges, angegeben in km/h,
durch 10 und bilde das Quadrat.
Beispiel: Bei 60 km/h beträgt der Bremsweg 6 · 6 Meter = 36 Meter. Berechne
hieraus die Verzögerung.33
2 2
60 km 60 · 1 000 m
v2 h 3 600 s m
(1.21) =⇒ a = = = = 3,86 .
2·s 2 · 36 m 2 · 36 m s2
6. Ein Körper hat die Geschwindigkeit 2,5 ms . Er wird mit der konstanten Beschleu-
nigung 0,9 sm2 schneller. 34
a) Welche Geschwindigkeit besitzt er 35 s nach Beginn der Beschleunigung?
v0 = 2,5 ms , t = 35 s und a = 0,9 sm2 ; die Geschwindigkeit beträgt
ohne Beschleunigung: s = v0 · t ;
1
mit Beschleunigung: s = v0 · t + · a · t2 . (1.22)
2
An dieser Stelle merken wir uns allgemein den
Satz 7. Das Zeit-Weg-Gesetz s(t) für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
lautet:
1
s(t) = · a · t2 + v0 · t + s0 (1.23)
2
falls für t = 0 die Geschwindigkeit v = v0 (siehe (1.18) (S. 49)) und die
Wegmarke s0 beträgt.
Aus der letzten Gleichung (1.22) ermitteln wir t. Mit eingesetzten Daten gilt:
m 1 m
1 000 m = 2,5 · t + · 0,9 2 · t2 ;
s 2 s
33
[20] 2.2.2.7.
34
[20] 2.2.2.6.; im Originaltext: „[. . . ] auf ihn wirkt eine (konstante) Kraft, die ihm eine (konstante)
Beschleunigung [. . . ] erteilt.“ Und: „a) [. . . ] nach Beginn der Kraftwirkung?“. Die Fragestellung ist in
dieser Form erst nach Bearbeitung der Dynamik sinnvoll eingebettet: Eine konstante Kraft ruft eine
gleichmäßig beschleunigte Bewegung hervor.
57
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
m 2 m
0,45 · t + 2,5 · t = 1 000 m ;
s 2 s
m 2 s 2 2 s2
t2 + 2,5 · · t = 1 000 m · .
s 0,9 m 0,9 m
Man kann das so interpretieren, dass der Körper mit der Geschwindigkeit
v0 nach 1 000 m die Geschwindigkeit v1 , gegen die Geschwindigkeit v0 die
Geschwindigkeit v2 erreicht. Das Vorzeichen kennzeichnet die unterschiedliche
Orientierung 35 (mit-gegen, rechts-links) der Bewegung. Der Körper erreicht
betraglich die gleiche Geschwindigkeit, obwohl er im zweiten Fall durch v0
„behindert“ wird. Dadurch hat er aber auf der gleichen Strecke mehr Zeit, die
gleiche Geschwindigkeit zu erreichen.
7. Ein Körper legt in der ersten Sekunde 1 m, in der zweiten Sekunde 2 m, in der
dritten Sekunde 3 m usw. zurück. 36
a) Welche Art von Bewegung führt er aus?
b) Berechne Anfangsgeschwindigkeit und Beschleunigung.
c) Zeichne das Zeit-Weg- und das Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm. (Maßstab:
Abszisse (Rechtsachse) 1 cm für 1 s; Ordinate (Hochachse) 1 cm für 1 m, bzw.
1 cm für 1 ms .)
Um sich in die Aufgabe einfinden zu können, erstellt man zunächst eine Tabelle
mit den gegebenen Informationen.
35
Vergleiche dazu die Ausführungen und Beispiele zu „Geschwindigkeit als Vektor“ in Abschnitt 2.1
(S. 73). Die Richtung ist bei einer geradlinigen Bewegung durch die Gerade vorgegeben.
36
[20] 2.2.2.4.
58
1.5 Der freie Fall
t s v a
m m
s m s s2
0 0 0,5 1
1 1 1,5 1
2 3 2,5 1
3 6 3,5 1
4 10 4,5 1
5 15 5,5 1
Zum Zeitpunkt t = 0 hat der Körper 0 m zurückgelegt. Für t = 1 s nach Aufgabe
1 m. Nach der 2. Sekunde (t = 2 s) befindet sich der Körper schon an der Marke
s = 3 m, da er ja in dieser Zeit weitere 2 m zurücklegt. Dies kann man so fortsetzen.
Da nicht in gleichen Zeiten gleiche Wege zurückgelegt werden, ist die Bewegung
nicht gleichförmig. Die Geschwindigkeit zu einem Zeitpunkt berechnen wir wieder37
als mittlere Geschwindigkeit aus den umgebenden Zeit-Weg-Daten:
3−0 m m
v(1 s) = = 1,5 oder
2−0 s s
6−1 m m
v(2 s) = = 2,5 etc.
3−1 s s
Damit lassen sich die Fragen sofort beantworten: Es handelt sich um eine gleich-
mäßig beschleunigte Bewegung, da sich die Geschwindigkeit in gleichen Zeiten um
den gleichen Wert ändert. Durch Extrapolation (d. h. man nimmt an, dass die Be-
wegung in gleicher Weise bereits zum Zeitpunkt t = 0 bestanden hat) ergibt sich
die Anfangsgeschwindigkeit zu v0 = 0,5 ms . Für die Beschleunigung gilt a = 1 sm2 .
Zur Zeichnung – siehe Abbildung 1.15 auf der nächsten Seite – geben wir die
Bewegungsgleichungen an:
m m t
v(t) = v0 + a · t = 0,5 +1 · ;
s s s
1 1 t2 t
s(t) = · a · t2 + v0 · t + s0 = m · 2 + 0,5 m · .
2 2 s s
Als ein besonderes Beispiel soll nun die Bewegung des freien Falls betrachtet werden.
Als Messgerät stand mir am Röntgen-Gymnasium in Remscheid-Lennep das Fallgerät
von Kröncke mit der Gerätenummer 1418 54 zur Verfügung. Eine Metallkugel mit ein-
gearbeitetem Haltestift wird in einer Haltevorrichtung eingespannt. Nach der Auslösung
37
Vergleiche Abschnitt 1.3.3 (S. 39)
59
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
s
m
bc
14
12
10 bc
6 bc
4
∆s 2 m
bc v0 = ∆t = 4 s
2
bc
2
S bc
bc
−2 −1 1 2 3 4 5 t
4 s
−2
v
m
s bc
5
bc
4
∆v 2 m
bc
a= ∆t = 2 s2
3
bc
2
2
bc
2
1
bc
−1 1 2 3 4 5 t
s
−1
Abbildung 1.15: ts- und tv-Diagramm der Bewegung in Aufgabe 7 (S. 58)
60
1.5 Der freie Fall
0 0 0 0 0 0
s 1 2 3 4
b b b
fällt die Kugel in einen Auffangteller, der als Schalter dient. Die Fallstrecke kann an ei-
ner Skala eingestellt werden. Das Starten der el. Stoppuhr38 erfolgt gleichzeitig mit dem
Auslösen des Fallvorgangs durch Unterbrechung eines Stromkreises. Die Uhr wird durch
den unteren Schalter gestoppt. Auf diese Weise wird ein ts-Diagramm aufgenommen.
Für jede eingestellte Höhe wird die Fallzeit dreimal gemessen.
t s t2 t s t2
s m s2 s m s2
0,45 0,3045 0,09272 0,30 0,2458 0,06042
0,45 0,3034 0,09205 0,25 0,2255 0,05085
0,45 0,3032 0,09193 0,25 0,2279 0,05194
0,40 0,2847 0,08105 0,25 0,2308 0,05327
0,40 0,2860 0,08180 0,20 0,2039 0,04158
0,40 0,2851 0,08128 0,20 0,2028 0,04113
0,35 0,2679 0,07177 0,20 0,2014 0,04056
0,35 0,2682 0,07193 0,15 0,1757 0,03087
0,35 0,2674 0,07150 0,15 0,1739 0,03024
0,30 0,2494 0,06220 0,15 0,1753 0,03073
0,30 0,2484 0,06170
38
[27] LH-Digitalzähler 575 40
61
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
Zur Auswertung erstellen wir das ts-Diagramm Abbildung 1.17 und vermuten eine gleich-
mäßig beschleunigte Bewegung. Für den Nachweis trägt man die Daten in ein t2 s-
Diagramm ein. Die Messwerte liegen auf einer Gerade, was die Vermutung bestätigt.
Über die Steigung ergibt sich die Beschleunigung, die der Körper bei der Fallbewegung
erfährt gemäß Satz 6 (S. 49) aus der Gleichung (1.18) s(t) = 12 · a · t2 .
s s
m m
bc bc bc bc
0,40 bc bc 0,40 bc bc bc
bc bc bc bc
0,30 bc bc bc 0,30 bc bc bc
bc bc bc bc bc bc
0,20 bc bc bc 0,20 bc bc bc
bc bc bc bc
0,10 0,10
0 0
0 0,1 0,2 0,3 t 0 0,02 0,04 0,06 0,08 t2
s s2
y = 4,9047 · x − 0,001644 ;
s t2
= 4,9047 · 2 − 0,001644 ;
m s
m 2
s = 4,9047 2 · t − 0,001644 m .
s | {z }
≈0
1 m
s(t) = · 9,8094 2 · t2 . (1.24)
2 s
62
1.5 Der freie Fall
Bei dem durchgeführten Experiment wurde die Bewegung einer speziellen Kugel unter-
sucht. Die Frage lautet: Muss man nun für jeden Körper eine eigene Falluntersuchung
durchführen? Das nachfolgende Experiment mit der Fallröhre zeigt, dass dies nicht er-
forderlich ist.
Experiment In einer etwa 75 cm langen Glasröhre39 befinden sich eine Flaumfeder
und eine Kugel aus zusammengeknüllter Aluminiumfolie. Durch geschicktes Umdrehen
der Röhre kann man beobachten, dass die Feder gemächlich in der Röhre nach unten
gleitet, während die Aluminiumkugel in gewohnter Weise nach unten fällt.
An der Röhre befindet sich nun noch ein Schlauchanschluss mit Absperrhahn, so dass
man die Luft aus der Röhre abpumpen kann. Danach schließt man den Hahn und löst den
Pumpenschlauch von der Röhre. Führt man das oben beschriebene Experiment erneut
durch, so beobachtet man, dass die Feder „wie ein Stein“ nach unten fällt. Die Feder
wird also durch den Luftwiderstand daran gehindert genauso schnell zu fallen wie die
Aluminiumkugel.
Ein weiteres Handexperiment verstärkt die Aussage, dass alle Körper gleich schnell fallen.
Auf einem Buch verteilt man offensichtlich leichte (Kreidereste) und schwerere Gegen-
stände (Schlüsselbund), steigt auf den Experimentiertisch und zieht das Buch unter den
Gegenständen weg. Man kann sehr gut beobachten, dass alle Gegenstände gleichzeitig
am Boden ankommen.
Wir formulieren daher den
Satz 8. Am gleichen Ort 40 und ohne weitere Einflüsse (Luftwiderstand) gilt: Die Fallbe-
schleunigung 41 ist für alle Körper gleich groß. Die Normfallbeschleunigung beträgt:
m
gn = 9,80665 (1.25)
s2
Es handelt sich hierbei um eine Festlegung, da die Werte für g ortsabhängig sind.
Satz 9.
1. Das Zeit-Weg-Gesetz s(t) für den freien Fall lautet:
1
s(t) = · g · t2 (1.26)
2
falls für t = 0 die Geschwindigkeit v = 0 und die Wegmarke s = 0 beträgt.42
39
[27] Gerätebeschreibung 379 001
40
Die Ortsabhängigkeit überlegen wir aus den Erkenntnissen der Weltraumfahrt, insbesondere zum Mond
1969. Auf der Erde muss g an allen Orten einzeln gemessen werden. Vergleiche 1.5.5 (S. 66).
41
Siehe [32] und [60].
42
Siehe (1.18) (S. 49).
63
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
v(t) = g · t (1.27)
Betrachten wir den von uns gemessenen Wert (1.24) (S. 62), so haben wir für die Fall-
beschleunigung g in Remscheid-Lennep gemessen:
m m
gL = 9,8094 = 9,81 2 .
s 2 s
Dieses Ergebnis entspricht (auf drei gültige Ziffern) durchaus dem in unseren Breiten
bekannten Mittelwert und soll deshalb hier als Standardwert gelten.
Die hier aufgeführten Aufgaben sind Standardbeispiele. Es ist aber erforderlich, diese zu
rechnen, damit man ein Gespür für die Größenordnungen der Geschwindigkeiten, Wege
und Zeiten erhält. Viele Aufgaben und Handexperimente kann man auch aus der Situa-
tion heraus formulieren bzw. zeigen. Beispiele dazu werden im Folgenden eingestreut.
Wie lange braucht ein Stein von der Spitze des Ulmer Münsters (160 m), bis er am Boden
aufschlägt? Welche Geschwindigkeit hat er dann? (Vom Luftwiderstand ist abzusehen.)43
1 2·s 2 · 160 m
s s
s = · g · t2 , also t = = = 5,71 s ;
2 g 9,81 sm2
m m
v = g · t = 9,81 2 · 5,71 s = 56,0 .
s s
Alternativ:
2·s 2 · g2 · s p
s s
v =g·t=g· = = 2·g·s
g g
m m
r
= 2 · 9,81 · 160 m = 56,0 2 .
s 2 s
Hier merken wir uns die nützliche Gleichung
43
Siehe [12, S. 60–61] oder auch [13, S. 36].
64
1.5 Der freie Fall
Satz 10. Die Geschwindigkeit, die ein Körper erreicht, wenn er aus einer Höhe h auf
die Erde fällt, berechnet sich zu
In diesem Zusammenhang fällt einem die Müngstener Brücke ein, deren Höhe 107 m
beträgt. Hier ist die Fallzeit mit
2·s 2 · 107 m
s s
t= = = 4,67 s
g 9,81 sm2
natürlich etwas kürzer, die Geschwindigkeit gemäß (1.25) beträgt (ohne Luftwiderstand)
m m km
r
v= 2·g·h= 2 · 9,81 · 107 m = 45,8 = 165
p
.
s 2 s h
h2 160
Übrigens ist das Höhenverhältnis = = 1,50, aber das Zeit- bzw. Geschwindig-
h1 107
keitsverhältnis
2·h2
q
5,71
s
t2 h2 p
= =q = = 1,50 = 1,22 ;
g
4,67 t1 2·h1 h1
g
√
56,0 2 · g · h2
s
v2 h2 p
= =√ = = 1,50 = 1,22 .
45,8 v1 2 · g · h1 h1
Noch deutlicher kann man das mit dem Beispiel aus dem Schwimmbad machen:
h t v v
m
m s s
km
h
65
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
g in m/s2 g in m/s2
Erde an den Polen 9,8322 Sonne 274
in Berlin 9,8126 Jupiter 26
am Äquator 9,7805 Venus 8,5
Mond 1,619 Mars 3,8
Experiment Man bittet eine Schülerin oder Schüler44 zu einem Reaktionstest. Ein
Maßstab (z. B. ein Holzmaßstab mit cm-Einteilung) wird vom Experimentator mit dem
Nullpunkt nach unten an die Wand gedrückt. Der Schüler hält seinen Daumen in nicht
zu großem Abstand in der Höhe des Nullpunkts vor den Maßstab. Dem Schüler wird der
weitere Ablauf erklärt: man würde den Stab irgendwann loslassen und er sollte ihn so
schnell wie es geht mit dem Daumen anhalten. Die Spannung steigt und nach einiger Zeit
der Verwirrung der Testperson lässt der Experimentator den Maßstab fallen. Man kann
das Experiment mit mehreren Schülern durchführen und die Ergebnisse protokollieren.
Leider liegen mir keine Originaldaten mehr vor.
Nehmen wir an, dass ein Schüler s1 = 15 cm und ein anderer s2 = 25 cm Reaktions-
„Zeit“ gemessen hätte. Dann stellt sich heraus, dass der zweite keine so viel schlechtere
Reaktionszeit hatte, denn wie oben wird das Ergebnis durch die Wurzel abgemildert:
2 · 0,15 m 2 · 0,25 m
s s
t1 = = 0,175 s = 175 ms ; t2 = = 0,226 s = 226 ms .
g g
Selbst für die „normale“ Reaktionszeit von 0,3 s ergibt sich schon eine Fallstrecke von
1
s= · g · (0,3 s)2 = 44 cm .
2
Auch wenn wir die Daten an dieser Stelle nicht experimentell ermitteln können, ist es
interessant, die unterschiedlichen ortsabhängigen Werte für g einmal in einer Tabelle 1.5
zu betrachten.45
Man erkennt, dass die Fallbeschleunigung mit der Größe46 der Himmelskörpers zusam-
44
Standard ist hier der Kürzel SuS. Diese Abkürzung finde ich schrecklich. Ich definiere daher ohne
Diskriminierungsabsichten (siehe Titel im Programm SchILD-NRW vom Schulministerium) als Ab-
kürzung: „Schüler“.
45
Die Daten sind aus [13, Seite 15 und Seiten 281–283] zusammengestellt. Sicher gibt es ausführlichere
Quellen, aber für den im Unterricht verfolgten Zweck ist die gegebene Information völlig ausreichend
und ohne direkten Internetzugang verfügbar.
46
Eigentlich muss man an dieser Stelle von der Masse reden. Ich vermeide das hier jedoch, da die Masse
im Rahmen der Dynamik erst noch eingeführt und definiert werden soll. Siehe Abschnitt 3.1 (S. 103).
66
1.5 Der freie Fall
menhängt. Daher ist es durchaus verwunderlich, dass g vom Pol zum Äquator kleiner
wird, obwohl die Erde an den Polen abgeflacht ist. Der mittlere Äquatorradius47 beträgt
a = 6 378,140 km, der Polradius b = 6 356,777 km. Da aber die Erde rotiert, wirkt sich
die Zentripetalbeschleunigung aus, die die Fallbeschleunigung verkleinert. Siehe dazu die
genaueren Ausführungen in Abschnitt 6.4.2 (S. 184).
Als Beispielrechnung betrachten wir den freien Fall auf dem Mond.
1. Aus welcher Höhe müsste man auf dem Mond herabspringen, um genauso schnell
anzukommen wie auf der Erde beim Sprung aus 1 m Höhe?48
Gemäß (1.29) (S. 65) gelten die Gleichungen mit gM = 1,619 sm2 (Fallbeschleunigung
auf dem Mond):
vE = 2 · gE · hE und vM = 2 · gM · hM .
p p
Nun soll die Höhe hM so gewählt werden, dass vE = vM ; somit hat man
gE 9,81 sm2
wegen gE · hE = gM · hM : hM = · hE = · 1 m = 6,06 m .
gM 1,619 sm2
Merke:
gM 1
≈
gE 6
2. Wie groß sind die Geschwindigkeiten, mit denen man mit einem Sprung aus 1,25 m
Höhe auf der Erde bzw. der Mondoberfläche ankommt?
m m
r
vE = 2 · g E · hE = 2 · 9,81
· 1,25 m = 4,95 ;
p
s2 s
m m
r
vM = 2 · gM · hM = 2 · 1,619 2 · 1,25 m = 2,01
p
.
s s
Eine der Standardaufgaben ist das Brunnenbeispiel. J (Name eines Schülers des Kurses)
sitzt mit seiner Freundin an einem Brunnen. Sie macht den Fehler, ihn nach der Brun-
nentiefe zu fragen. Da J Physik als Fach gewählt hat, nimmt er ihre Butterbrotdose
(leider mit Butterbroten und 2 Äpfeln darin) und lässt sie in die Tiefe fallen. „Der Brun-
nen ist zwei Sekunden tief.“ Die Freundin möchte aber die Tiefe als Länge wissen. Für
die Schallgeschwindigkeit setzen wir 340 ms an. Ferner soll ein ts-Diagramm für weitere
Klarheit sorgen.
Wenn man sich die Aufgabe überlegt, so hat man (rot) eine glf. beschl. Fallbewegung und
(blau) eine gleichförmige Bewegung des zurücklaufenden Schallsignals vom Aufprall der
Dose auf den Brunnenboden. Jedem Zeitpunkt t ist eine bestimmte Tiefe h(t) zugeordnet.
47
[13, S. 282]
48
[12, S. 36]
67
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
h
m
20
b
15
10
s1 s2
5
0
0 0,25 0,50 0,75 1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 t
s
t1 t2
s2 (t) = −c · t + h0 (für t1 ≤ t ≤ t2 ) ,
wenn c die Schallgeschwindigkeit und h0 die Schnittstelle der Gerade mit der h-Achse
bedeuten.49 Die Steigung ist hier −c, da das Signal vom Brunnenboden nach oben läuft.
h0 kann man bestimmen, da s2 (t2 ) = 0 ist und daher
m
h0 = s2 (t2 ) + c · t2 = c · t2 = 340 · 2 s = 680 m
s
beträgt. Die Funktion
1 2
· g · t2 = 4,91 m · st2 , falls 0 ≤ t ≤ t1
(
h(t) = 2
−c · t + h0 = −340 m · st + 680 m , falls ts1 ≤ st ≤ 2
49
Mathematisch der y-Achsenabschnitt; hier die fiktive Starttiefe des Schallsignal zur Zeit t = 0, damit
es zur Zeit t = 2 s an der Stelle h = 0 ankommt.
68
1.5 Der freie Fall
ist in Abbildung 1.18 (s. links) gezeichnet worden. Der Schnittpunkt liefert die geforder-
ten Informationen. Graphisch ergibt sich dieser „von selbst“. Analytisch durch Lösen der
Gleichung:50
1
· g · t2 = −c · t + c · t2 ;
2
2·c 2 · c · t2
t2 + ·t= ;
g g
c 2 2 · c · t2
2
c 2 · g · c · t2 + c2
t+ = + = ;
g g g g2
2 · g · c · t2 + c2
s
c
t=− ± .
g g2
Die negative Lösung entfällt. Durch sie wird nur der 2. Schnittpunkt mit der Parabel
beschrieben. Daher ist
2
v
340 ms u 2 · 340 m · 9,81 m2 · 2 s + 340 m
u
s s s
t1 = − + = 1,9454 s .
9,81 sm2
2
u
m
9,81 s2
t
2·H
s
H
t2 = t1 + τ = + ;
g c
2·H
s
H
t2 − = = ;
c g
H 2 2·H
t2 − = ;
c g
2
2 H H 2·H
t2 − 2 · t2 · + = ;
c c g
50
Man kann auch mit den numerisch ausgeführten Gleichungen mit einem Taschenrechner zurecht kom-
men. Eine allgemeine Betrachtung ist dem aber vorzuziehen.
69
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
H2 H 2·H
− 2 · t2 · − = −t22 ;
c2 c g
c2
!
2
H − 2 · c · t2 + · H = −c2 · t22 ;
g
!!2 !2
c2 2 c2
H − c · t2 + = − (c · t2 ) + c · t2 + ;
g g
| {z }
quadr. Erg.
2
c2
s
c2
H = c · t2 + ± − (c · t2 )2 + c · t2 + .
g g
Setzt man nun die Daten für c,g und t2 ein, so erhält man:
24 909,22 m
(
H = 12 463,89 m ± 12 445,33 m =
18,56 m
Lässt man eine Stahlkugel aus 20 m auf weichen Boden fallen, so dringt sie 8 cm tief
ein. Berechne die Beschleunigung, die die Stahlkugel erfährt und vergleiche sie mit der
Fallbeschleunigung.51
Die Geschwindigkeit, die sich durch den freien Fall ergibt, ist genau die, die verzögert
werden muss. In der üblichen Weise52 kann man also mit h1 = 20 m, h2 = 8 cm und der
gesuchten Beschleunigung a im Boden ansetzen:
v= 2 · g · h1 = 2 · a · h2 ;
p p
2 · g · h1 = 2 · a · h2 ;
h1 20 m km
a= ·g = · g = 250 g = 2,45 2 .
h2 8 cm s
51
[20]
52
Vergleiche Aufgabe 1b (S. 53) und (1.29) (S. 65)
70
1.5 Der freie Fall
Man beachte die Einheiten und die Tatsache, dass g eine physikalische Größe und deshalb
als solche gesetzt wurde – auch wenn die Größe g als Einheit im Vergleich zu sich selbst
erscheint. 250 g bedeutet etwas anderes (siehe Abschnitt 3.1 (S. 103).
1. Zwei Äpfel, die an einem Baum 1,25 m übereinander hängen, beginnen gleichzeitig
zu fallen. Wie verändert sich ihr Abstand beim Fallen?53
Mit der Gleichung 1.23 (S. 57) (v0 = 0 und s0 = 1,25 m) setzt man an:
1
s1 (t) = · g · t2 ;
2
1
s2 (t) = · g · t2 + s0 ;
2
∆s = s2 (t) − s1 (t)
1 1
= · g · t + s0 − · g · t2 = s0 = 1,25 m .
2
2 2
Das Ergebnis ist unabhängig von t. Der Abstand bleibt stets gleich (was sonst?).
2. Der untere Apfel beginnt nun genau dann zu fallen, wenn der obere an ihm vor-
beifliegt. Befinden sich beide Äpfel nun ständig nebeneinander auf gleicher Höhe?
Wie groß ist ihr Abstand, wenn der untere Apfel 1 s lang gefallen ist?
Hier sieht der Ansatz etwas anders aus, denn nach freiem Fall von 1,25 m hat der
obere Apfel eine Anfangsgeschwindigkeit v0 . Es ist allerdings s0 = 0, da der Start
in gleicher Höhe zur Zeit t = 0 angesetzt wird.
Wieder gilt mit (1.23) (S. 57) und (1.29) (S. 65):
m
v0 = 2 · g · 1,25 m = 4,95 ;
p
s
1
s1 (t) = · g · t2 ;
2
1
s2 (t) = · g · t2 + v0 · t ;
2
∆s = s2 (t) − s1 (t)
1 1
= · g · t + v0 · t − · g · t2 = v0 · t .
2
2 2
Der Abstand vergrößert sich linear mit der Zeit und beträgt nach 1 s
m
∆s = v0 · t = 4,95 · 1 s = 4,95 m .
s
71
1 Kinematik geradliniger Bewegungen
4 4
6 6
8 8
10 10
s s
m m
72
2 Mehrdimensionale Bewegungen
73
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Anmerkung Ein Prinzip ist keine Aussage im Sinne eines physikalischen Gesetzes2 ,
sondern eine Modellvorstellung, die es gestattet, komplexe Vorgänge in einfacher Weise
zu analysieren. Das Ergebnis dieser Analyse beschreibt das physikalische Geschehen
richtig unter Beachtung der gegebenen Voraussetzungen. Im Abschnitt 12.1 (S. 315)
werden wir noch ein weiteres Prinzip in diesem Sinne kennenlernen.
Wir wollen ein Boot auf einem Fluss fahren lassen. Dazu müssen wir unterschiedli-
che Geschwindigkeiten oder Beträge und gegebenenfalls verschiedene Richtungen der
Strömung und des Bootes berücksichtigen. Ferner kann das Boot mit der Strömungsrich-
tung oder gegen sie fahren. Solche Auszeichnungen nennt man Orientierung. Um all
diese Dinge auch graphisch darzustellen, verwendet man Pfeile, die man da einzeichnet,
wo man sie braucht. Die Menge aller Pfeile mit gleichem Betrag, gleicher Richtung und
Orientierung nennt man Vektor – in Bezug zu einer physikalischen Größe vektorielle
Größe.
2
Ein Gesetz ist zum Beispiel der Energieerhaltungssatz. Vergleiche dazu Abschnitt 4.4.1 (S. 144).
74
2.1 Geschwindigkeit als Vektor
Wir betrachten einen Fluss, dessen Ufer mit Flussbett als Bezugssystem dienen soll.
Der Fluss hat die Strömungsgeschwindigkeit vF = 3 ms . Diese kann längs einer am Ufer
abgesteckten Strecke mit einem Stück Kork und einer Stoppuhr bestimmt werden.
Bei einem Motorboot messen wir die Geschwindigkeit vB = 4 ms (in ruhendem Gewässer)
und lassen es jetzt auf dem Fluss fahren.
landet in C.
Wie lange dauert die Fahrt? Wie weit wird das Boot
abgetrieben? Berechne schließlich die Geschwindig-
keit #»
v des Bootes (über Grund). A
75
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Nach dem Unabhängigkeitsprinzip Satz 11 (S. 74) schalten wir zunächst die Strömung
aus und betrachten nur die Bewegung des Bootes. Die Zeit für die Überfahrt von A nach
B ergibt sich zu:
s 240 m
t= = = 30 s .
vB 8 ms
Nun schalten wir den Fluss wieder ein und lassen das Boot 30 s lang treiben. Damit
erhalten wir die Länge der Strecke BC zu:
m
BC = vF · t = 5 · 30 s = 150 m .
s
Für die Berechnung des Geschwindigkeitsvektors #» v des Bootes (über Grund) könnte
man elementar wie folgt vorgehen: da beide Bewegungen gleichzeitig ablaufen, dauert
die Fahrt von A nach C ebenfalls 30 s. Mit dem Satz des Pythagoras ermittelt man die
Streckenlänge AC und damit den Betrag v des Geschwindigkeitsvektors #»
v . Die Richtung
erhält man durch elementare Trigonometrie.
Das Rechnen mit Vektoren bietet aber erhebliche Vorteile in der Darstellung.
Das Vektordiagramm rechts zeigt #» v B und #»
v F maß-
m
stäblich mit 1 Kästchen =
b 1 s mit ihrer gegenseitigen #»
vF
Richtung und Orientierung. Sie sind mit ihrem End-
und Anfangspunkt aneinandergehängt. Der Summen-
vektor #»
v = #»v B + #»
v F weist dann vom Anfang des
ersten bis zum Ende des zweiten Vektors (rot).a
#»
vB #»
vB
#»
a
Man erkennt an der Parallelogrammkonstruktion (Diagona- ϕ v
le), dass es dabei nicht auf die Reihenfolge ankommt. Dies
ist gleichzeitig ein Hinweis auf das bei der Vektoraddition
gültige Kommutativgesetz:
#»
v 1 + #»
v 2 = #»
v 2 + #»
v1. (K) #»
vF
2 2
s
m m m2 m
s
q
v= 2 + v2 =
vB 8 + 5 = 89 = 9,43 .
F
s s s 2 s
vF 5m 5 5
tan ϕ = = ms = ; arctan ϕ = arctan = 32,0◦ .
vB 8 s 8 8
3
Trigonometrie in 5 Minuten Näheres dazu in Abschnitt C.1 (S. 619) im Anhang.
76
2.1 Geschwindigkeit als Vektor
5. Fall: Zuletzt überquert das Boot den 240 m breiten Fluss von A nach B. Wie lange
dauert die Fahrt?
Gegeben sei wieder die Strömungsgeschwindigkeit des
Flusses vF = 5 ms und die des Bootes (in ruhendem B
Wasser!) mit vB = 8 ms . Das Boot muss in einem be-
stimmten Winkel gegen die Strömung fahren, damit es S
genau senkrecht zur Strömung in B am anderen Ufer
ankommen kann. In einem Vektordiagramm ergibt sich
der Sachverhalt wiederum sehr anschaulich. #»
vB #»
vB
In A trägt man #»v F an und die Vorgaberichtung von A #»
v
nach B. Mit dem Zirkel zeichnet man um den Endpunkt
ϕ
von #»
v F einen Kreis mit einem Radius, der im Maßstab
der Geschwindigkeit #»v B entspricht (hier: 8 Kästchen). b b
# »
Der Schnittpunkt mit der Vorgaberichtung sei S. AS = A #»
vF
v mit der Eigenschaft #»
#» v = #»
v F + #»
v B . Wir berechnen:
2 2
s
m m m2 m
s
q
v= 2 − v2 =
vB 8 − 5 = 39 = 6,25 .
F
s s s 2 s
Das ist die Geschwindigkeit (über Grund), die für das Boot bei Geradeausfahrt tatsäch-
lich übrig bleibt. Da der Fluss 240 m breit ist, beträgt die Dauer der Fahrt:
s 240 m
t= = = 38,4 s .
v 6,25 ms
Für den Winkel, den das Boot in Bezug zur Strömungsrichtung einnehmen muss, folgt:
vF 5 5
cos ϕ = = ; ϕ = arccos = 51,32◦ .
vB 8 8
Parallelogrammregel
#»
2
v2
+ #
#»
= #
v2
sammenfällt.
v#»
77
2 Mehrdimensionale Bewegungen
# »
Man startet mit dem Vektor AB (1. Bild) und zwei vorgegebenen Richtungen (CD und
EF , blau; 2. Bild). Nun zeichnet man die Parallele C 0 D0 zu CD durch den Endpunkt
# »
von AB (3. Bild) und gleichermaßen die Parallele E 0 F 0 zu EF durch den Endpunkt von
# »
AB (4. Bild). Die sich ergebenden Parallelogrammpunkte B1 und B2 (5. Bild) sind die
# » # »
Endpunkte der Vektoren AB1 und AB2 mit der Eigenschaft
# » # » # »
AB1 + AB2 = AB .
Vergleiche dazu noch einmal die Parallelogrammregel Satz 12 auf der vorherigen Seite.
Schwimmen im Fluss
Ein Schwimmer braucht für 300 m 8 Minuten in stehendem Wasser. Wie lange benötigt
er für dieselbe Strecke in langsam fließendem Wasser (0,1 ms ), wenn er die halbe Strecke
mit der Strömung, die andere Hälfte gegen sie schwimmt?4
In jedem Fall handelt es sich um eine glf. Bewegung (s = v · t), da die Geschwindigkeit
konstant ist.
4
[20] 2.1.2.3.
78
2.1 Geschwindigkeit als Vektor
Gesamtzeit:
Es dauert länger. Auch in „nur langsam fließendem Wasser“ ist es keine Lösung, die zu
schwimmende Strecke zu halbieren. Die Wirkung der Strömung hebt sich nicht auf, da
bei konstanter Geschwindigkeit des Schwimmers die Hilfe durch die Strömung weniger
lange zur Verfügung steht als die Behinderung. Der Schwimmer hat nicht soviel von der
Hilfe, muss aber länger gegen die Strömung schwimmen.
Prinzipiell müsste man die Zeit halbieren, um die Strömung auszugleichen:
t0 m
s 1 = v1 · = 0,725 · 4 · 60 s = 174 m ;
2 s
t0 m
s 2 = v2 · = 0,525 · 4 · 60 s = 126 m ;
2 s
s1 + s2 = 174 m + 126 m = 300 m .
Bei einem Wettkampf kennt man aber erst nach dem Schwimmen die Zeit, die vorher
zum Festlegen der Strecken halbiert werden müsste.5
79
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Das (nicht maßstäbliche) Vektordiagramm liefert sofort die Geschwindigkeit des Bootes
unter Berücksichtigung der Strömung:
2 2
m m m m
s
q √
v= vF2 + 2
vB = 3 + 12 = 153 = 12,4 .
s s s s
vF 3m
ϕ = arctan = arctan sm = arctan 0,25 = 14◦ . (2.1)
vB 12 s
Nach dem Unabhängigkeitsprinzip (siehe Satz 11 (S. 74)) fährt das Boot ohne Strömung
nach A in der Zeit
b 300 m
t= = = 25 s ,
vB 12 ms
wobei b die Breite des Flusses bedeutet. Dies ist gleichzeitig die Dauer der Fahrt. In
dieser Zeit wird es abgetrieben um
m
AB = vF · t = 3 · 25 s = 75 m .
s
2
q
(300 m)2 + (75 m)2 = 309 m ;
q
`= b2 + AB =
und die Richtung natürlich wie in Gleichung (2.1) auf dieser Seite:
AB 75 m
ϕ = arctan = arctan = arctan 0,25 = 14◦ ;
b 300 m
vF · t vF
ϕ = arctan = arctan = 14◦ .
vB · t vB
Zusatz Die Multiplikation eines Vektors mit einer Zahl (Skalar) ergibt einen
Vektor.
Sei λ 6= 0 eine reelle Zahl (Skalar) und #»
v ein Vektor (vektorielle Größe). #»
v 6= #»
o (Null-
vektor). Dann ist λ · v ein Vektor mit folgenden Eigenschaften:
#»
80
2.1 Geschwindigkeit als Vektor
v | = |λ| · | #»
|λ · #» v | = |λ| · v .
λ = 0 oder #»
v = #» v = #»
o ⇐⇒ λ · #» o.
#»
v
1, 5 · #»
v
−0, 5 · #»
v
∆s ∆v
Anmerkung Wegen der Gleichungen v = und a = überträgt sich der Vektor-
∆t ∆t
charakter der physikalischen Größen aufeinander, da man die Gleichungen als Multipli-
kation eines Vektors mit einem Skalar interpretieren kann:
1 1
v =
#» · ∆ #»
s; a =
#» · ∆ #»
v.
∆t ∆t
Die Schreibweise scheint etwas irreführend, ist aber zunächst einmal der Definition der
Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar geschuldet. Es wurde nur λ · #» a definiert
#»
a
und nicht #»
a ·λ oder . In der physikalischen Praxis schreiben wir allerdings aus Gründen
λ
der Vereinfachung und weil es suggestiv ist:
∆ #»
s ∆ #»
v
v =
#» ; a =
#» .
∆t ∆t
Beachte: Es wurde die Addition von Vektoren und Multiplikation von Vektoren mit
Skalaren definiert. Eine Division von Vektoren gibt es nicht.
81
2 Mehrdimensionale Bewegungen
2.2 Wurfbewegungen
Experiment Zur Einstimmung in den Problemkreis „Wurf“ nimmt man ein im Sport-
unterricht gerne verwendetes Wurfgerät (Schlüsselbund) und führt einige Male die Bahn-
kurve beim zunächst horizontalen Wurf vor, indem man den Schlüsselbund parallel zum
Erdboden wirft. Im Rahmen der Kinematik sind Fragen nach Kraft und Masse nicht
interessant. Es geht allein um die Bahnkurve und deren kinematische Parameter (Ab-
hängigkeiten). Man stellt schnell fest, dass nur die Anfangsgeschwindigkeit v0x eine Rolle
für die Bahnkurve spielt und dass es sich bei ihr um eine Parabel handeln könnte. Im-
merhin ist aus dem täglichen Leben bekannt, dass man von Wurfparabeln spricht. Um
das in einem Experiment sichtbar zu machen, kann auf eine Schultafel (aus der Hand)
eine Parabel in einem Koordinatensystem gezeichnet werden.
x2 (6 dm)2
Beispiel: y = 0,1 · : Mit x = 6 dm ist y = 0,1 · = 3,6 dm.
dm dm
x
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 dm
0 bc
bc
bc
bc
1
bc
2
bc
3
bc
4
bc
5
6
bc
8 bc
9
y
dm
Abbildung 2.2: Eine Parabel als Vorlage für den horizontalen Wurf
Nun wirft man den Schlüssel in Richtung der x-Achse und fragt die Beobachter, ob die
„Kurve passt“. Mit ein wenig Geschick lässt sich die Bahnkurve des Schlüssels durch
Veränderung des Betrages der Anfangsgeschwindigkeit mit der gezeichneten Parabel zur
Deckung bringen.
Bevor wir nun eine Messung dazu machen, wollen wir die Gleichung der Bahnkurve er-
82
2.2 Wurfbewegungen
mitteln. Dazu wählen wir als Koordinatenursprung P0 (0|0) die Stelle, an der der Schlüssel
horizontal abgeworfen wurde. Wir betrachten die Bewegung nach dem Unabhängigkeits-
prinzip (siehe Satz 11 (S. 74)) einmal in x-Richtung und einmal in y-Richtung.
In x-Richtung: v0x = konst; also handelt es sich um eine gleichförmige Bewegung.
In y-Richtung wirkt die konstante Fallbeschleunigung g; also handelt es sich hier um
eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung.
Damit ergibt sich sofort eine sog. Parameterdarstellung für den horizontalen Wurf:6
x(t) = v0x · t ;
1
y(t) = · g · t2 .
2
Es läuft nun die gleiche Uhr für beide Vorgänge, also löst man die erste Gleichung nach
t auf und setzt sie in die zweite ein:
2
1 1 x 1 g
y= · g · t2 = · g · = · 2 · x2 .
2 2 v0x 2 v0x
Wir fassen das Ergebnis zusammen im
Satz 14. Es handelt sich beim horizontalen Wurf um eine parabelförmige Bahn. Die
Gleichung lautet (v0x = Anfangsgeschwindigkeit):
1 g
y(x) = · 2 · x2 (2.2)
2 v0x
x2
Die Gleichung für Abbildung 2.2 (s. links) lautete y = 0,1 · . Vergleicht man das mit
dm
der Gleichung (2.2), so folgt:
1 g 1
· 2 = 0,1 · ;
2 v0x dm
Man stellt die Gleichung um:
83
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Anmerkung Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Abbildung 1.19 (S. 72) keine
Bahnkurve darstellt, sondern ein ts-Diagramm, also den Graph der Funktion t 7−→ s(t).
Die Bahnkurve in Abbildung 2.2 (S. 82) ist eine Menge von Punkten (x|y), hier sogar
eine Funktion x 7−→ y(x) = konst · x2 . 7
Man kann den horizontalen Wurf in Abbildung 2.2 auch in einem t #» r -Diagramm dar-
stellen. Dafür wird eine t-Achse und die xy-Ebene benötigt. Der Graph der Funktion ist
also dreidimensional. Die der Abbildung 2.3 zugrunde liegenden Funktionen lauten:
t
0 50 100 150 200 250 ms
0 bc bc
bc
bc
1 bc bc bc
bc
bc bc
1 bc
2 bc bc bc
bc
3 bc 2 bc
bc
bc bc
4 3 bc
bc bc
5 bc
bc
4 bc
bc
6 y
x bc bc
dm
dm
bc bc
bc bc
bc bc
bc bc
x2
y(x) = 0,1 · ;
dm
9,81
r
t t
x(t) = v0x · t = m · = 22,14723 · 10−3 dm · ;
2 s ms
1 t2 t2
y(t) = · g · t2 = 49,05 dm · 2 = 49,05 · 10−6 dm · .
2 s ms2
7
Eine Menge von Paaren nennt man Relation. Eine Relation ist nicht notwendig eine Funktion. Be-
trachte dazu auch auch Abbildung 1.2 (S. 29).
84
2.2 Wurfbewegungen
Man nehme eine Stahlkugel, eine Lichtschranke mit zugehöriger Uhr, eine Ablaufrille
zum Zielen (z. B. eine kleine optische Bank8 ), ein Blatt Kohlepapier, wenn es solches noch
gibt. Andernfalls reicht auch eine flache Schale9 , die dünn mit gleichmäßig verteiltem
Sand gefüllt ist.
Die Schale bzw. das Kohlepapier mit untergelegtem weißen Papier kommt an die Stelle
auf den Boden, an welcher der Aufschlag der Kugel zu erwarten ist. Das Papier wird mit
Klebefolie am Boden befestigt. Darauf wird das Kohlepapier gelegt und ebenfalls fixiert.
xmax
Abbildung 2.4: Skizze zum Versuchsaufbau zum horizontalen Wurf; die Kugel läuft in
dargestellter Weise durch die Lichtschranke. Die Bahnkurve ist im rich-
tigen Verhältnis zur Neigung der Startrampe gezeichnet.
Die Kugel rollt mit Hilfe der mit der Hand gehaltenen leicht geneigten Ablaufrille auf
den Experimentiertisch, durch die Lichtschranke und über die Kante hinweg. In einiger
Entfernung von der Tischkante trifft die Kugel in die Schale oder auf das Kohlepapier und
hinterlässt auf diese Weise einen Eindruck im Sand oder einen Fleck auf dem Blatt. Auf
diese Weise kann die Wurfweite bestimmt werden. Es ist der Abstand vom Auftreffpunkt
der Kugel auf dem Boden und der senkrechten Projektion der Tischkante auf den Boden.
Zur Bestimmung dieses Punktes ist ein Lot erforderlich.
Messdaten10 von 10.1998:
• Tischhöhe: h = 0,9 m;
• Kugeldurchmesser: d = 4,1 cm.
• Gemessen werden die Verdunklungszeit tD an der Lichtschranke und die Wurfweite
xmax .
8
[27], Gerätebeschreibung 460 43
9
[27] Experimentierwanne, Gerätebeschreibung 666 6221
10
Leider ist das genaue Datum im Versuchsprotokoll nicht vermerkt worden.
85
2 Mehrdimensionale Bewegungen
• Aus der Verdunklungszeit tD und dem Durchmesser d der Kugel ermittelt man
d
die Anfangsgeschwindigkeit v0x = , woraus sich zum Vergleich die Wurfweite
tD
xmax,ber mit der Bahnkurvengleichung (2.2) (S. 83) berechnen lässt.
tD
0,037 0,043 0,046
s
xmax
47,0 41,5 38,5
cm
xmax,ber
47,5 40,8 38,2
cm
Berechnungsbeispiel zur Wurfweite:
1 g
y(x) = h = · 2 · x2max,ber ;
2 v0x
u2 · h · d 2
v
u
2
2 · h · v0x
s
xmax,ber = =
t tD
g g
v
4,1 cm 2
u 2 · 0,9 m · 0,037
u
u
s
=t m = 0,475 m .
9,81 s2
Obwohl die Messergebnisse im Bereich von nur 1 % bis 2 % Fehler liegen, sollte man
beachten, dass die Zeitmessung wegen des Quadrats kritisch ist. Sie hängt auch von
einer sauberen Justierung der Lichtschranke in Höhe der Äquatorlinie der Kugel ab.
Unkritisch ist die Längenmessung. Die Lage des Auftreffpunktes ist mit 1 % Fehler gut
zu bestimmen.
86
2.2 Wurfbewegungen
Abbildung 2.5: Ein Schüler hatte ein Handy-Video aufgenommen, aus dem ich zwei Bil-
der extrahiert habe. Links der Versuchsaufbau; rechts der Fall und hori-
zontale Wurf der beiden Kugeln. Als helle Streifen sind die Bahnen der
beiden Kugeln erkennbar. (Kl. 11; Schj. 2009/10)
#»
v 0x
xmax ϕ
#»
v
#»
vy
87
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Die dazu notwendige Rechnung startet mit der Gleichung (2.2) (S. 83):
In y-Richtung handelt es sich um einen freien Fall. Daher gilt für die Momentangeschwin-
digkeit in y-Richtung nach (1.29) (S. 65):
m m
r
vy (h) = 2·g·h= 2 · 9,81 · 0,8 m = 3,96 .
p
s2 s
Für #»
v ermittelt man schließlich:
m 2
2
m m
s
v= 2
+ = 2,23 + 3,96 = 4,54 ;
q
v0x vy2
s s s
vy 3,96 ms
ϕ = arctan = arctan = 60,6◦ .
v0x 2,23 ms
Nicht „so ganz“ zweidimensional ist der Wurf nach oben. Allerdings dient die Betrach-
tung auch dem Verständnis der Vorgänge beim schiefen Wurf. Daher möchte ich auf
diese Ausführungen nicht verzichten.
Ein Körper wird senkrecht nach oben geschossen14 . Nach 40 s Steig- und Fallzeit trifft
er wieder an der Abschussstelle ein. Berechne (ohne Berücksichtigung der Einflüsse der
umgebenden Luft) die Steigzeit ts , die Steighöhe ymax , die Anfangsgeschwindigkeit v0y
und die Endgeschwindigkeit vE .
Zunächst spezialisieren wir die Gleichungen (1.23) (S. 57) und (1.17) (S. 49) für den
Wurf nach oben (s0 = 0):
1
y(t) = − · g · t2 + v0y · t (2.3)
2
88
2.2 Wurfbewegungen
Die Steigzeit ts ist „natürlich“ aus Gründen der Symmetrie gleich der Fallzeit, also
ts = 20 s. Mir scheint das aber zu einfach zu sein, denn in Diskussionen mit Schülern
stellt man immer wieder fest, dass die Meinungen an dieser Stelle auseinandergehen.
Etliche halten die Fallzeit für kürzer, da „es schwerer sei“ nach oben zu kommen als sich
fallen zu lassen. Das geben allerdings die Gleichungen nicht her. Wir rechnen deshalb
mit möglichst einsichtigen Annahmen nach.
Offenbar ist die Geschwindigkeit ganz oben, also nach der Steigzeit Null16 :
Offenbar ist der Körper nach der Steig- und Fallzeit tges = 40 s wieder unten:
1
0 = − · g · t2ges + v0y · tges ;
2
g · t2ges g · tges 9,81 sm2 · 40 s m
v0y = = = = 196 .
2 · tges 2 2 s
g · tges 2 · v0y
v0y = tges =
2 g
tges v0y
ts = =
2 g
89
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Für die Geschwindigkeit nach Ablauf der 40 s Steig- und Fallzeit ergibt sich gemäß (2.4):
g · tges g · tges
vy (tges ) = −g · tges + v0y = −g · tges + =− = −v0y .
2 2
Wir sehen, dass die Auftreffgeschwindigkeit betraglich gleich der Startgeschwindigkeit
ist. Lediglich die Orientierung ist unterschiedlich. Das heißt, der Körper kommt von oben
nach unten . . . „wie aus der Pistole geschossen“.
Der schiefe Wurf17 stellt sich als Verallgemeinerung aus dem horizontalen Wurf und dem
Wurf nach oben dar. Durch einfache Handexperimente sieht man, dass die Bahnkurve
allein durch den Geschwindigkeitsvektor #» v 0 zu Beginn der Bewegung bestimmt ist.
Nach dem Unabhängigkeitsprinzip (Satz 11 (S. 74)) kann man #» v 0 zerlegen in die zuein-
ander senkrechten Geschwindigkeitsvektoren in x-Richtung #» v und in y-Richtung #»
0x v , 0y
so dass gilt:
v 0 = #»
#» v 0x + #»
v 0y (2.6)
Bahnkurve
Man erhält die Gleichung der Bahnkurve durch Ersetzen der Variable t, denn für beide
Bewegungen läuft die gleiche Uhr:
2
1 1 x x
y(t) = − · g · t2 + v0y = − · g · + v0y · ;
2 2 v0x v0x
v0y 1 g
y(x) = · x − · 2 · x2 (2.9)
v0x 2 v0x
17
Das vorliegende Kapitel gehörte nicht zu den Standardunterrichtsinhalten, wurde aber vereinzelt mit
wechselnden Schwerpunkten durchgeführt. Zur Vertiefung ist es sicher zu empfehlen.
90
2.2 Wurfbewegungen
Beispiel
Bevor eine allgemeine Betrachtung der Bewegung nur unter Verwendung von #»v 0 erfolgt,
wollen wir an einem Beispiel die wesentlichen Größen, die im Zusammenhang mit dem
schiefen Wurf auftauchen, berechnen und auf diese Weise verständlich machen.
1. Ein Körper wird mit der Anfangsgeschwindigkeit 32 ms unter einem Winkel von 65◦
geworfen.18
a) Berechne die Gleichung der Bahnkurve der Bewegung.
Um die Bahnkurve gemäß Gleichung (2.9) zu ermitteln, benötigt man v0x und
v0y :19
91
2 Mehrdimensionale Bewegungen
y
m
S
ymax b
40 ts
#»
v 0y
#»
v0
20
ϕ
tges
0 b
#»
v 0x 20 x
0 40 60 80
xS xmax m
Abbildung 2.6: S ist der Scheitel der Parabelbahn. ts bezeichnet die und tges heißt Flug-
dauer. Entsprechend nennt man xmax Wurfweite und ymax Wurfhöhe.
x(tges ) 79,93 m
tges = = = 5,92 s .
v0x 13,5 ms
1
Entsprechend berechnet man die Wurfhöhe mit der Steigzeit ts = 2 · tges :20 21
1
ymax = y(ts ) = − · g · t2s + v0y · ts
2
1 m 5,92 s 2 m 5,92 s
= − · 9,81 2 · + 29 ·
2 s 2 s 2
= 42,86 m .
Es zeigt sich, dass zur Lösung der Aufgabe unterschiedliche Wege möglich sind. Man
kann sich aber auf eine einheitliche Strategie einlassen und gleichsam eine Menge an
Gleichungen (Formeln) entwickeln, um schneller an eine Lösung zu kommen.
Bahnkurve Wir starten wieder mit den bereits hergeleiteten Gleichungen (2.10) auf
der vorherigen Seite v0x = v0 · cos ϕ sowie v0y = v0 · sin ϕ und (2.9):
v0y 1 g
y(x) = · x − · 2 · x2 ;
v0x 2 v0x
v0 · sin ϕ 1 g
y(x) = ·x− · · x2 .
v0 · cos ϕ 2 (v0 · cos ϕ)2
20
Aus Symmetriegründen (Parabel) und wie in Abschnitt 2.2.5 (S. 88)
21
Eine Alternative bietet sich in der Bestimmung der Scheitelpunktform der Parabelgleichung [46].
92
2.2 Wurfbewegungen
sin ϕ
Mit tan ϕ = (C.4) (S. 619) folgt:
cos ϕ
g
y(x) = x · tan ϕ − 2 ·x (2.11)
2 · v0 · cos2 ϕ
Benutzt man noch die Beziehung22 2 cos ϕ sin ϕ = sin 2ϕ, so folgt insgesamt:
v02 · sin 2ϕ
xmax = (2.12)
g
Anmerkung Bei gleicher Anfangsgeschwindigkeit (und am gleichen Ort) ist die Wurf-
weite maximal, wenn sin 2ϕ = 1, also wenn 2ϕ = 90◦ .
Satz 15. Die größte Wurfweite ergibt sich, wenn ein Körper unter dem Winkel ϕ = 45◦
geworfen wird. Sie beträgt
v02
xmaxmax = (2.13)
g
Flugdauer Dazu benutzen wir eine der Gleichungen der Parameterdarstellung des schie-
fen Wurfs:
2v0 · sin ϕ
tges = (2.14)
g
22
Siehe C.33 (S. 632)
93
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Steigzeit
1 v0 · sin ϕ
ts = · tges = (2.15)
2 g
g
yS = xS · tan ϕ − 2 · xS
2 · v0 · cos2 ϕ
v 2 · sin ϕ cos ϕ sin ϕ v02 · sin ϕ cos ϕ
!
g
= 0 · − ·
g cos ϕ 2 · v02 · cos2 ϕ g
v02 · sin2 ϕ 1 v02 · sin2 ϕ
= − · ;
g 2 g
1 v02 · sin2 ϕ
yS = ymax = · (2.17)
2 g
94
2.2 Wurfbewegungen
2
1 32 ms · sin2 65◦
(2.17) ymax = · = 42,87 m ;
2 9,81 sm2
2 · 32 ms · sin 65◦
(2.14) tges = = 5,91 s .
9,81 sm2
x(t)
Allgemein gilt t = ; das setzen wir ein:
v0x
1 x 2 x
y(x) = − · g · + v0y · + 12 m ;
2 v0x v0x
g v0y
y(32 m) = − 2 · (32 m)2 + · 32 m + 12 m = 0 ;
2 · v0x v0x
23
Eigenverantwortliches Arbeiten; auf Deutsch: für einen Vertretungsunterricht (14.12.2006)
24
Siehe (2.3) und (2.4) (S. 88).
95
2 Mehrdimensionale Bewegungen
y
m
b
S(15, 05|56, 40)
50
40
#»
v 0y #» #»
v 0x
v0
30 ϕ2
20
ϕ1
y0 = 12 m
#»
v 0x #» #»
10 v (t) v y (t)
xN1 = 32, 01 m
b b
x
−10 xN2 = −1.912 m 10 20 30
m
96
2.2 Wurfbewegungen
29,5
ϕ1 = arctan = 80,4◦ ;
5
!2
1 m x m x
y(x) = − · 9,81 2 · m + 29,5 · m + 12 m ;
2 s 5 s s 5 s
0,196 2
y(x) = − · x + 5,90 · x + 12 m .
m
Nullstellen und Scheitelpunkt25 lassen sich aus der letzten Gleichung ermitteln.
Zur Berechnung der Endgeschwindigkeit und des Auftreffwinkels benötigt man vy (t) für
t = 6,4 s. Dies kann mit der Gleichung vy (t) = −g · t + v0y erreicht werden:26
m m m
vy (6,4 s) = −9,81 · 6,4 s + 29,5 = −33,3 ;
s2 s s
m 2 m 2 m
s
v(6,4 s) = 2 =
vy2 (t) + v0x + 5 = 33,7 ;
q
−33,3
s s s
vy (t) −33,3
ϕ2 = arctan = arctan = −81,5◦ .
v0x 5
Betrachte Abbildung 2.8 auf der nächsten Seite. Es handelt sich um den Scan eines origi-
nalen Streifenausdrucks. Man kann die angegebenen Daten mit den von uns hergeleiteten
(allgemeinen) Formeln vergleichen.
2
2,57 ms · sin (2 · 45◦ )
(2.12) xmax = = 0,6733 m ;
9,81 sm2
2
1 2,57 ms · sin2 45◦
(2.17) ymax = · = 0,1683 m ;
2 9,81 sm2
2 · 2,57 ms · sin 45◦
(2.14) tges = = 0,3705 s .
9,81 sm2
In einer Messreihe mit dem Wurfgerät der Firma PHYWE auf Seite 98 wurde am
15.09.1993 mit einer Kugel von D = 2 cm Durchmesser die Wurfweite in Abhängig-
keit vom Abwurfwinkel ϕ gemessen. Die zum Vergleich mit den berechneten Werten
erforderliche Anfangsgeschwindigkeit v0 wurde durch die Verdunklungszeit tD an einer
Lichtschranke bestimmt. In der nachfolgenden Tabelle sind die Messdaten und die theo-
retischen Daten zum Vergleich aufgeführt.
25
Siehe [46].
26
Siehe (2.8) (S. 90).
97
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Abbildung 2.8: Messung zum schiefen Wurf am 25.01.1986 (Tag der offenen Türe:
„Kunststückchen“); Messung und Auswertung mit dem programmier-
baren Rechner Sharp MZ-700
tD xmax xmax
ϕ
ms cm cm
gemessen berechnet
15◦ 9,564 24,5 22,29
20◦ 9,603 29,0 28,42
25◦ 9,729 33,8 33,00
30◦ 9,681 39,5 37,68
35◦ 9,732 43,2 40,46
40◦ 9,908 43,3 40,90
45◦ 9,832 44,7 42,18
50◦ 10,070 42,1 39,60
55◦ 9,836 42,0 39,60
60◦ 9,981 38,5 35,45
65◦ 10,000 32,7 31,24
70◦ 10,267 26,3 24,86 Wurfgerät von Phywe 11221.00
75◦ 10,057 21,2 20,16 Foto: Axel Tobias
80◦ 10,457 14,4 12,75
98
2.2 Wurfbewegungen
Berechnungsbeispiel:
2 cm
1. v0 = .
tD
2. Für die Wurfweite gilt (siehe (2.12) (S. 93)) etwa für ϕ = 15◦ :
2
2 cm
· sin (2 · 15◦ )
v 2 · sin 2ϕ 9,564 ms
xmax = 0 = = 0,223 m = 22,3 cm .
g 9,81 sm2
Diese Daten sind als rote Punkte in Abbildung 2.9 eingezeichnet.
xmax tD
cm ms
bc
bc bc
bc bc
40 bc
bc 20
bc
bc
30 bc
bc
bc
bc bc bc
20 bc bc bc bc bc bc bc bc bc bc bc bc
10
bc
10
0
ϕ
0 10 20 30 40 50 60 70 80 ◦
Abbildung 2.9: Rot: gemessene und berechnete Wurfweiten (gestrichelt) zum schiefen
Wurf; blau: Verlauf der Verdunklungszeit in Abhängigkeit vom Winkel
2 cm
3. Mit dem Mittelwert 9,91 ms aus allen Zeitmessungen erhält man: v0 = =
9,91 ms
m
2,02 . Damit wurde die Funktion
s
2
v 2 · sin 2ϕ 2,02 ms
xmax (ϕ) = 0 = · sin 2ϕ = 41,6 cm · sin 2ϕ
g 9,81 sm2
gezeichnet: Abbildung 2.9 rot gestrichelt.
Ich hatte erwartet, dass die letztgenannte Kurve die Messdaten in richtiger Weise
reproduziert. Offenbar liegt aber noch ein systematischer Fehler vor. Die mit der
Anfangsgeschwindigkeit berechneten Werte der Wurfweite sind im Prinzip alle zu
klein. Gründe dafür vermag ich nach der langen Zeit nicht mehr zu nennen.
Wendet man lineare Regression auf die Funktion xmax (ϕ) = konst · sin 2ϕ an, so
ergibt sich (R2 = 0,9834):
y = 44,8 · x − 0,467 ;
xmax (ϕ) = 44,8 cm · sin 2ϕ − 0,467 cm .
99
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Zum Abschluss und als Nachtrag zum horizontalen Wurf möchte ich eine kleine Rechnung
zu einem Vorgang angeben, welchen ich in früheren Zeiten in einer Veröffentlichung
gelesen habe.
Ein zylindrisches Gefäß ist mit einer Flüssigkeit (Wasser) bis zur Höhe h0 gefüllt. Durch
einen Zu- und Überlauf kann der Flüssigkeitsstand zeitlich konstant gehalten werden
(h0 = konst). Bohrt man in das Gefäß ein Loch in der Höhe h (0 < h < h0 ), so
fließt die Flüssigkeit aus und bildet eine bestimmte Parabelbahn (horizontaler Wurf).
Bei konstantem Wasserstand ändert sich diese Parabel nicht. Die Aufgabe besteht nun
zunächst darin, die Gleichung der Bahnkurven in Abhängigkeit von h zu bestimmen.
Es kann benutzt werden, dass die Geschwindigkeit der Flüssigkeitsteilchen beim Austritt
am Fuße einer Flüssigkeitssäule der Höhe H genauso groß ist wie die eines aus der Höhe
H frei fallenden Körpers – siehe (1.29) (S. 65):
Wir beziehen uns auf die Gleichung (2.2) (S. 83) und erhalten mit den von uns gewählten
Bezeichnungen für einen Wasserstrahl, der aus dem Gefäß in der Höhe h austritt:
1 g
y(x) = − · 2 · x2 + h
2 v0x
denn für x = 0 ist y = y0 = h und die Orientierung von y ist hier nach oben.
Für v0x schreiben wir im vorgegebenen Fall gemäß Gleichung (2.18):
q
v0x = 2 · g · (h0 − h) .
Die letzte Gleichung setzen wir ein und erhalten die Bahnkurvengleichung:
1
yh (x) = − · x2 + h
4 · (h0 − h)
Die Funktionen yh (x) sind für h0 = 10 Einheiten die Graphen der Funktionen yh ge-
zeichnet für h ∈ {0,5; 2,5; 5; 7,5; 9,5} in gleichen Einheiten.
100
2.2 Wurfbewegungen
h0
h0 − h
h0
h= 2
xmax (h) h0 x
Sehr interessant ist die Tatsache, dass die Parabelbahnen unabhängig von der Art der
Flüssigkeit und vom Ort sind (g kürzt sich heraus).27
Betrachtet man nun die Wurfweite des Flüssigkeitsstrahls, so überlegt man, dass ganz
oben die Geschwindigkeit sehr klein, die Wurfweite also klein ist. Mit geringer werdender
Höhe h steigt die Ausflussgeschwindigkeit und damit die Wurfweite an. Ganz unten in
der Nähe des Bodens ist die Möglichkeit, eine große Wurfweite zu erzielen, eben durch
diesen geringeren Abstand nicht mehr gegeben. Die Wurfweite ist wieder klein. Es wird
also eine bestimmte Höhe hmax geben, bei der die Wurfweite xmax besonders groß ist.
Diese Höhe ist zu bestimmen.
Die Wurfweite ist die (positive) Nullstelle der jeweiligen Parabel:
1
− · x2 + h = 0
4 · (h0 − h) max
1
− · x2 = −h
4 · (h0 − h) max
x2max (h) = 4 · h · (h0 − h)
q
xmax (h) = 4 · h · (h0 − h)
Am Verlauf von xmax (h) muss man jetzt den größten Wert heraussuchen. Man kann aber
auch den Verlauf von x2max (h) heranziehen, denn ein größter Wert einer Funktion bleibt
27
Auf dem Mond kann das Experiment allerdings wegen des fehlenden Atmosphärendrucks mit Flüssig-
keiten nur in einer Raumstation durchgeführt werden.
101
2 Mehrdimensionale Bewegungen
Diese Situation ist in Abbildung 2.10 auf der vorherigen Seite rot eingezeichnet.
102
3 Masse und Kraft
In den Physikbüchern1 für die Eingangsphase der gymnasialen Oberstufe (G9: Jgst. 11
oder G8: EF) findet keine strikte Trennung zwischen der Kinematik und der Dynamik
statt. Dass es möglich ist, ohne den Kraftbegriff auszukommen, wurde in den ersten bei-
den Kapiteln meiner Ausführungen dargelegt. Die in der Mittelstufe aufgebauten Begriffe
„Masse“ und „Kraft“ wurden nicht explizit eingesetzt oder gar definiert. Selbstverständ-
lich ist auch in der „reinen“ Kinematik eine gewisse Vorstellung von diesen Begriffen
sinnvoll und auch zum allgemeinen Verständnis nützlich. Einen definierten Einsatz die-
ser Begriffe benötigt man allerdings nicht.
Im Folgenden soll untersucht werden, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit
Bewegungen gleichförmig oder gleichmäßig beschleunigt ablaufen. Der Abschnitt befasst
sich also mit der Dynamik als der Lehre von den Bewegungsursachen.
Mir erscheint der starke Rückgriff auf die Physik der Mittelstufe bezüglich der Begriffe
„Kraft“ und „Masse“ beim Eintritt in die Oberstufenphysik nicht schlüssig. Man verharrt
in einem undurchsichtigen Gemisch aus träger und schwerer Masse, Kraft als Gewichts-
kraft und Ursache für Bewegungs- oder Formänderungen. Schließlich wird unter alles ein
Strich gezogen und mit den Newtonschen Axiomen für „Klarheit“ gesorgt. Es wird je-
doch nicht deutlich, dass der Kraftbegriff tatsächlich nur ein Konzept der Vereinfachung
ist, weil man statt einer Wechselwirkung nur noch einen Körper betrachten muss. In der
Tat ist es nämlich so, dass ein Körper allein keine Bewegungsänderung bewirken kann.2
Man benötigt stets einen anderen Körper, um eine Wechselwirkung hervorzurufen.
Da aus der täglichen Erfahrung bekannt ist, dass die „Materialmenge“ eines Körpers
Einfluss auf die Wirkung von Körpern aufeinander hat, soll in diesem Abschnitt die
Masse eines Körpers unabhängig vom Kraft- oder Gewichtskraftbegriff (Balkenwaage)
definiert werden.3 Um zu experimentell gesicherten Aussagen zu kommen, benutzen wir
1
Vergleiche dazu [9, S. 10 und S. 31] oder auch [13, S. 14 und S. 28]
2
Auch eine Rakete benötigt weitere Körper, nämlich die ausgestoßenen Gase, um sich fortbewegen zu
können. Einen Einblick in den Problemkreis vermittelt auch [1, S. 152–165].
3
Zur Einstimmung in die Problematik eignet sich eine Diskussion über das Bestimmen der Masse einer
100 g-Tafel Schokolade in der ISS.
103
3 Masse und Kraft
die Luftkissenfahrbahn mit zwei Lichtschranken4 L1 und L2 ( Abbildung 3.1) und zwei
Gleitern5 . Diese sollen genau gleich ausgestattet sein: beide mit einer Unterbrecherfahne
für die Lichtschranken, beide mit der zugehörigen Feder und der Prallplatte. Zu den
Gleitern gehören auch je zwei sogenannte Zusatzmassescheiben, die jede für sich einen
baugleichen Gleiter repräsentieren, denn für die Schule ist es nicht möglich, baugleiche
Gleiter in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben. Jede Zusatzmassescheibe stellt al-
so im Prinzip einen weiteren Gleiter zur Verfügung.6 Auf diese Weise stehen 6 baugleiche
Körper zur Verfügung.7
✄
⊗
W1 W2
L1 vorher L2
W1 W2
L1 na hher (′ ) L2
Abbildung 3.1: Die Papierfixierung wird abgebrannt (daher Abbrennversuch) und die
Gleiter können untereinander wechselwirken.
Zur Durchführung des Experiments schiebt man auf der Fahrbahn zwei Gleiter zu-
sammen, sodass die Feder etwas zusammengedrückt ist. Mit einem Streifen Papier (ca.
10 cm · 1,5 cm) verbindet man beide Gleiter, indem man den Streifen auf zwei Dornen
drückt, die oben auf den Gleitern herausragen. Bei eingeschaltetem Gebläse kann man
erreichen, dass die gekoppelten Gleiter auf der Fahrbahn in Ruhe sind. In Abbildung 3.1
ist diese Situation mit „vorher“ gekennzeichnet.
Nun ist es nicht möglich, mit einer Schere (rotes Symbol) die Gleiter zu trennen, da
nur die Gleiter untereinander eine Wechselwirkung ausführen sollen und keine Einflüsse
von außen wirken sollen. Die Trennung kann man wie folgt erreichen: ein Metalldraht
4
[27] Gerätenummer 337 46
5
[27] Gerätenummer 337 55
6
Dass dies gilt, dafür hat der Hersteller gesorgt: die Zusatzmassescheiben haben die gleiche „Masse“,
also prinzipiell gleiche Materialart und -menge.
7
Es ist ja nicht „verboten“, sich außer der Reihe mit einer Waage von den in sehr guter Näherung
gleichen Massen (knapp 100 g) der Gleiter zu überzeugen. Der Fehler ist kleiner als 0,5 %.
104
3.1 Definition der Masse eines Körpers
Man sollte sich vor Durchführung der Messung darüber klar werden, welche Vorstellun-
gen in den zu definierenden Begriff „Masse eines Körpers“ investiert werden.
1. Alle Wagen8 , die verwendet werden, sind baugleich. Wir bemühen also die Vorstel-
lung, dass Körper gleicher Materialmenge und -art gleiche Masse besitzen: Gleiche
Objekte teilen gleiche Eigenschaften.
2. Wir wollen die Massen der Wagen W1 und W2 verändern, indem wir sie verviel-
fachen. Wenn man also beispielsweise 2 Wagen koppelt, so soll ihnen die doppelte
Masse zukommen. Hier setzen wir also die Additivität der Masse voraus. Das Vo-
lumen ist z. B. nicht additiv, was man etwa beim Auflösen von Zucker in Obstsaft
zur Herstellung von Gelee gut beobachten kann: die Masse verdoppelt sich bei
Verwendung von Gelierzucker 1:1. Das Volumen vergrößert sich nicht im gleichen
Maße.
Die Messdaten und auch Teile des Quelltextes dazu stammen aus einem mit LATEX
gesetzten Physik-Protokollheft eines Schülers der Jgst. 11.1.9
105
3 Masse und Kraft
Aus der Messreihe ergibt sich die Möglichkeit der nachstehenden Definition der Masse.
2. Vielfachheit Ein Körper besitzt die n-fache Masse wie ein zweiter Körper, wenn
im Abbrennversuch für das Geschwindigkeitsverhältnis gilt:
m1 v0 1
= n ⇐⇒ 10 = (3.2)
m2 v2 n
3. Einheit Die Einheit der Masse ist das (aus historischen Gründen) in Paris auf-
bewahrte Urkilogramm.10 11 Daher folgt:
106
3.2 Impulserhaltung
Länge
In Paris befindet sich auch das sogenannte Urmeter, auf dem zwei Markierungen den
Abstand 1 m als Grundeinheit für die Längenmessung repräsentieren. Kurz: 1 m ist der
Abstand zweier Striche auf dem Urmeter.
Eine jetzt gültige Definition der Länge durch ein Vielfaches einer festgelegten Lichtwel-
lenlänge kann an dieser Stelle des Physiklehrgangs noch nicht sinnvoll erklärt werden.
Im Übrigen ist die neuere Definition so getroffen worden, dass die alte Einheit im Prinzip
weiter Bestand haben kann [24, S. 3].
Es war ursprünglich gedacht, die Einheit 1 m so zu definieren, dass ein Viertel des Erd-
umfangs am Äquator gerade 107 m ergeben. Kein Wunder, dass die Erde einen Umfang
von etwa 40 000 km = 4 · 107 m hat.
Zeit
1 d = 24 h = 24 · 60 min = 24 · 60 · 60 s = 86 400 s .
Eine Sekunde stellte also die Zeitspanne dar, dass ein sogenannter mittlerer Sonnentag
gerade 86 400 s dauerte [24, S. 3].
Heute benutzt man Atomuhren. Hier werden die Schwingungen bei Licht, welches von
Caesiumatomen ausgestrahlt wird, gezählt. Nach dem Erreichen einer festgelegten An-
zahl ist 1 s vergangen. Auch hier wurde die Anzahl der Schwingungen so festgelegt, dass
die ursprüngliche Definition von 1 s im Wesentlichen erhalten geblieben ist.
3.2 Impulserhaltung
3.2.1 Impuls
Nachdem wir also die Masse unabhängig von Waage, Balkenwaage allein mit Maßstab
(Längenmessung) und Stoppuhr (Zeitmessung) bestimmt haben, stellt sich die Frage
107
3 Masse und Kraft
nach den physikalischen Gesetzen, die eine solche Massenbestimmung überhaupt möglich
machen. Ferner möchten wir schließlich auch die Masse eines Koffers (umgangssprachlich:
das Gewicht eines Koffers) für die Flugreise einfach mit einer Kofferwaage12 bestimmen
können, ohne immer eine Fahrbahn aufbauen zu müssen.
Dazu gehen wir folgendermaßen vor: Wir erweitern das durchgeführte Experiment (Ab-
brennversuch; siehe 3.1 (S. 104)) durch geschickte gedankliche Verallgemeinerungen
(Theorie) zu einer Aussage, die zunächst als Hypothese im Raum steht. In nachfol-
genden Experimenten wird die Hypothese überprüft, sodass man auf diese Weise eine
gültige physikalische Aussage erhält.
Wir beginnen also mit den zur Definition der Masse verwendeten experimentellen Er-
gebnissen (3.1) und (3.2) (S. 106), d. h. mit der Gleichung
m1 v0
= 20
m2 v1
Wir sortieren die Gleichung nach dem Index – also nach Körper 1 und Körper 2:
Offenbar spielt für jeden Körper das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit eine be-
sondere Rolle.
Def. 13. Unter dem Impuls eines Körpers versteht man die Größe
kgm
p = m · #»
#» v Einheit: [p] = (3.7)
s
Die Geschwindigkeit ist eine vektorielle Größe. Die Masse ist ein Skalar 13 . Das Produkt
eines Vektors mit einem Skalar ergibt einen Vektor (siehe Abschnitt 2.1.3). Somit ist der
Impuls eine vektorielle Größe.
Beispiel Wir bestimmen zum einen den Impuls einer Gewehrkugel mit 400 ms Ge-
schwindigkeit und 40 g Masse und vergleichen das mit einem Auto von 1 200 kg Masse,
welches auf einer Autobahn mit der Richtgeschwindigkeit 130 km
h fährt.
m kgm
p1 = 40 g · 400 = 16 ;
s s
km 1000 m kgm
p2 = 1 200 kg · 130 = 1 200 kg · 130 = 43,3 · 103 .
h 3600 s s
3.2.2 Impulserhaltungssatz
Wir setzen die Betrachtung ab Gleichung (3.6) unter Verwendung des Impulsbegriffes
(Definition 13) fort.
12
http://kofferwaagen-test.de/; besucht am 24.01.2017
13
m stellt ja im Prinzip die Anzahl von Wagen im Abbrennversuch (siehe 3.1 (S. 104)) dar.
108
3.2 Impulserhaltung
pges = m1 · v1 + m2 · v2 = 0 .
Schließlich berücksichtigen wir noch, dass der Impuls eine vektorielle Größe ist. Dabei
beachte man, dass das Minuszeichen in Gleichung (3.8) die Orientierung von v20 in Bezug
zu v10 angibt. In der Vektorschreibweise gehört diese Information zum Vektor selbst:
v 1 + m2 ·
m1 · #» v 2 = m1 · #»
#» v 01 + m2 · #»
v 02 ;
p +
#»
1 p 2 = #»
#» p 01 + #»
p 02 ;
#»
p ges = #»
p0 .
ges
Offenbar ändert sich der Gesamtimpuls zwischen zwei Zuständen nicht, wenn man nicht
von außen in die Bewegung eingreift; umgangssprachlich: „dran rumfummeln“ verboten.
Ein System, welches frei von äußeren Wechselwirkungen ist, nennt man abgeschlossenes
System. Hier gilt der Impulserhaltungssatz
Satz 16. In einem abgeschlossenen System ist der Gesamtimpuls zu jedem Zeitpunkt
gleich groß.
p ges = konst
#» (3.10)
Die Gültigkeit des Impulserhaltungssatzes soll an einem speziellen Fall experimentell un-
tersucht werden, dem sogenannten unelastischen Stoß.14 Auf der Fahrbahn werden zwei
Wagen W1 und W2 mit den Massen m1 und m2 vorbereitet (Abbildung 3.2). Der zweite
Wagen ruht und der erste Wagen wird angestoßen. Eine Hülse, die mit Klebwachs gefüllt
ist, steckt im zweiten Wagen und eine Nadel im ersten.15 Trifft nun der erste Wagen auf
14
Eine weitergehende Betrachtung im Zusammenhang mit dem elastischen Stoß kann an dieser Stelle
noch nicht erfolgen, da dazu der Energieerhaltungssatz benötigt wird (Abschnitt 4.4.1 (S. 144)).
Beispiele zum elastischen Stoß findet man daher in Abschnitt 5.2 (S. 159).
15
[27] Zubehör zur Luftkissenfahrbahn 337 501: 1 Hülse mit Stecker und 1 Nadel mit Stecker
109
3 Masse und Kraft
den ruhenden zweiten, so bleibt die Nadel im Wachs stecken und beide Wagen fahren
gemeinsam weiter. Die Geschwindigkeiten von W1 und den gekoppelten Wagen W1 + W2
bestimmt man wieder durch die Verdunklungszeit tD1 bzw. tD2 an zwei Lichtschranken
durch die 5 mm breiten Unterbrecherfahnen aus dem Zubehör zu den Wagen (Gleitern).
Damit lassen sich v1 und v10 ermitteln.
W1 W2
L1 vorher L2
W1 W2
L1 na hher (′ ) L2
Abbildung 3.2: Unelastischer Stoß; typisch für einen Auffahrunfall, bei dem sich die
Fahrzeuge ineinander verhaken.
Zum experimentellen Nachweis der Gültigkeit des Impulserhaltungssatzes kann v10 auch
aus m1 , m2 und v1 berechnet werden. In der Tabelle erscheint dieser Wert in der Spalte,
die mit v1,ber
0 überschrieben ist.
0
m1 m2 tD1 tD2 v1 v10 v1,ber
m m m rel. Fehler
g g ms ms s s s
97,5 100,0 11,94 24,53 0,419 0,204 0,207 1,4 %
197,2 100,0 11,16 16,98 0,448 0,294 0,297 0,9 %
296,1 100,0 7,92 10,59 0,631 0,472 0,472 -0,0 %
296,1 199,5 21,70 36,84 0,230 0,136 0,138 1,4 %
Die dazu benötigte Rechnung ergibt sich wie folgt: Man berechnet den Gesamtimpuls
vorher und nachher, wobei man berücksichtigt, dass v2 = 0 ist, da W2 vorher in Ruhe
ist. Nach dem Stoß fahren beide zusammen mit der gleichen Geschwindigkeit: v10 = v20 .
Daher:
pges = m1 · v1 + m2 · v2 = m1 · v1 ;
p0ges = m1 · v10 + m2 · v20 = (m1 + m2 ) · v10 .
Nach dem Impulserhaltungssatz (Satz 16 (S. 109)) gilt: pges = p0ges :
m1 · v1 = (m1 + m2 ) · v10 ;
110
3.2 Impulserhaltung
m1
v10 = · v1 .
(m1 + m2 )
Beispielrechnung:
97,5 g 5 mm m
v10 = · = 0,207 .
(97,5 g + 100,0 g) 11,94 ms s
Anmerkung Die Bestimmung der Massen von W1 und W2 erfolgte aus praktischen
Gründen selbstverständlich mit einer heutzutage in der Physik gängigen Digitalwaage.
Man erkennt aber, dass auch die mit Nadel und Hülse sowie Klebwachs ausgestatteten
Wagen recht genau 100 g Masse besitzen.
Es müssen also keine Eisenbahnwagen sein, da die gleiche Masse der einzelnen Stoßpart-
ner im Verhältnis gerade wegfällt.
Ein Lieferwagen und ein Auto stoßen auf einer rechtwinkligen, vereisten18 Kreuzung zu-
sammen und verhaken sich mit ihren Karosserien. Berechne ihre gemeinsame Geschwin-
v 0 nach dem Zusammenprall.19
digkeit #»
Daten zum Einsetzen: mL = 2,1 t; vL = 39 km km
h von S nach N; mA = 870 kg; vA = 53 h
von W nach O.
16
Siehe [24, S. 14, 15]: 1 t = 1 000 kg = 1 Mg; die Verwendung von zusammengesetzten Vorsätzen ist
nicht zugelassen (z. B. 1 kkg für 1 t).
17
Siehe auch [9], S. 94, Aufg. 4
18
Also ein reichlich reibungsfreier Vorgang; das ist notwendig wegen der geforderten Wechselwirkungs-
freiheit für das betrachtetet System der zwei Autos im Impulserhaltungssatz.
19
Siehe auch [9], S. 91
111
3 Masse und Kraft
N
p ges = #»
#» p L + #»
pA;
p ges = (mL + mA ) · #»
#» 0
v 0A ;
#»
pL #»
pL
p L + #»
p A = (mL + mA ) · #»
v 0A ;
#» #»
p ges
1
v 0A =
#» · ( #»
p L + #»p A) ;
mL + mA ϕ
1 q S
vA0
= · p2L + p2A ; W #»
pA O
mL + mA
pL Maßstäbliche Zeichnung:
tan ϕ = .
pA 103 kgm
s = b 0,15 cm
km kgm
pL = mL · vL = 2,1 t · 39 = 22,8 · 103 ;
h s
km kgm
pA = mA · vA = 870 kg · 53 = 12,8 · 103 ;
h s
2 2
s
1 kgm kgm
0
vA = · 22,8 · 103 + 12,8 · 103 ;
2,1 t + 870 kg s s
km
vA0
= 31,7 ;
h
kgm
pL 22,8 · 103 s
tan ϕ = = kgm
= 1,78 ;
pA 12,8 · 103 s
ϕ = 60,7◦ .
• In der Mathematik erhält man durch logisches Schließen eine Menge von Sätzen
(wahre Aussagen). Nun muss man allerdings irgendwo anfangen, z. B. mit dem
üblichen Beginn von Aufgaben: „Sei . . . “ oder „Gegeben sei . . . “. Dabei sind Auf-
gaben ebenfalls Aussagen, die auf der Grundlage von anderen Aussagen getroffen
werden, die schon vorher als wahr nachgewiesen wurden.
In mathematischen Theorien versucht man nun, die Menge der Sätze in der Weise
zu ordnen, dass möglichst wenige Aussagen unbewiesen (aber hoffentlich einsich-
tig) an den Anfang der Theorie gestellt werden, aus denen die anderen Sätze durch
logisches Schließen ermittelt werden können. Diese grundlegenden Aussagen nennt
man Axiome oder auch zusammenfassend Axiomensystem. Natürlich ist man
nicht ganz so frei, beliebige Aussagen an den Anfang zu stellen, denn es dürfen sich
keine Widersprüche ergeben, das Axiomensystem sollte alle Aussagen der mathe-
112
3.3 Die Newtonschen Axiome
matischen Theorie liefern und die Axiome dürfen sich nicht auseinander herleiten
lassen.20
• Newton21 formulierte 1687 in den Philosophiae Naturalis Principia Mathemati-
ca 22 drei grundlegende Aussagen zur klassischen Mechanik, die sog. Newtonschen
Axiome, die im folgenden Teil des Lehrgangs dargestellt werden sollen. Dabei han-
delt es sich nicht um Axiome im mathematischen Sinn wie oben dargestellt, son-
dern um ganz grundsätzliche physikalische Aussagen, die eher den Charakter von
physikalischen Gesetzen haben, die durch Experimente – allerdings auch durch
Nachdenken – gefunden wurden und aus denen die wesentlichen Aussagen der
klassischen Mechanik herleitbar sind.
Wir erinnern uns noch einmal an den Impulserhaltungssatz Satz 16 (S. 109): In ei-
nem abgeschlossenen System ist der Gesamtimpuls zu jedem Zeitpunkt gleich groß:
p ges = konst. Ein abgeschlossenes System ist ein System, welches frei von äußeren
#»
Wechselwirkungen ist. Für dieses gilt #»
p = konst, also m · #»
v = konst und #»
v = konst.
Daher erhält man als Folgerung die Aussage:
20
Natürlich kann man ein Axiom durch eine äquivalente (gleichwertige) Aussage ersetzen, aber nur eine
der beiden Sätze gehört zum Axiomensystem.
21
Isaac Newton, 1643–1727, engl. Naturforscher; siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_
Newton, zuletzt besucht am 30.01.2017.
22
https://de.wikipedia.org/wiki/Newtonsche_Gesetze, zuletzt besucht am 30.01.2017.
23
Siehe auch Abschnitt 1.1.2 (S. 27).
24
Kreisbewegungen sind beschleunigte Bewegungen; siehe dazu den Abschnitt 6.1.5 (S. 176).
25
Albert Einstein, 1879–1955, theor. Physiker; siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_
Einstein, zuletzt besucht am 30.01.2017.
113
3 Masse und Kraft
Wir erinnern uns noch einmal an den Impulserhaltungssatz Satz 16 (S. 109), jetzt aber
in der Formulierung als Summe von Produkten aus Masse und Geschwindigkeit zu zwei
verschiedenen Zeitpunkten.
v 1 + m2 · #»
m1 · #» v 2 = m1 · #»
v 01 + m2 · #»
v 02 .
Wir formen die Gleichung so um, dass auf der einen Seite die Daten des Körpers 1 und
auf der anderen Seite die des Körpers 2 stehen.
m1 · #»
v 1 − m1 · v 01 = m2 · #»
#» v2;
v 02 − m2 · #»
1 v 1 = − m2 · v 2 − m2 · v 2 ;
#» #» 0 #» #»0
m · v −m ·
1 1
∆ #»
p = −∆ #»
1 p .
2
Durch Division mit ∆t erhält man die Impulsänderungsrate des ersten Körpers in
Bezug zum zweiten:
∆ #»
p1 ∆ #»
p2
=− NA3*
∆t ∆t
Die Impulsänderungsrate des einen Körpers ist stets gleich der entgegengesetzten des
zweiten Körpers.
Experiment Zum Verständnis dieses Sachverhaltes kann man zwei Wagen auf die
Luftkissenfahrbahn stellen, auf denen je ein kleiner Magnet festgemacht ist. Ein Wagen
soll in der Mitte stehen und den anderen Wagen erwarten, den man leicht angeschubst
hat. Sobald der erste Wagen in (abstoßender) magnetischer Reichweite ist, beginnt eine
Wechselwirkung derart, dass dieser langsamer wird, während der andere Wagen die Än-
derung des Impulses für sich zur Geschwindigkeitszunahme verwendet. Diesen Vorgang
beschreibt die Gleichung NA3*.
Experiment Wir betrachten noch einmal die beiden gemäß Gleichung NA3* wechsel-
wirkenden Wagen. Eine Impulsänderungsrate kann nur eintreten, wenn es Wechselwir-
kungspartner gibt, so dass der eine die Impulsänderung des anderen Wagens ermöglicht.
Versteckt man nun den zweiten Wagen hinter einem Vorhang, so beobachtet man nur
noch einen Wagen, dessen Geschwindigkeit abnimmt und sich vielleicht sogar umkehrt,
ohne dass man einen Grund für dieses Verhalten entdecken kann. Da man aber eine
Erklärung für die Impulsänderung angeben muss, formuliert man – so wie man das
gewöhnt ist: „Es muss eine Kraft gewirkt haben.“
114
3.3 Die Newtonschen Axiome
#» ∆ #»
p kgm def
F = Einheit: [F ] = =N NA2
∆t s2
Damit kann der Trägheitssatz (siehe Satz 17 (S. 113)) in der üblichen weise formuliert
werden:
Satz 19. 1. Newtonsches Axiom; Trägheitssatz
Ein kräftefreier Körper bewegt sich stets geradlinig gleichförmig oder nicht. NA1
Löschflugzeug Bei der Waldbrandbekämpfung aus der Luft wird Wasser fast im
Flug geschöpft. Sobald die Maschine die Wasseroberfläche streift, gibt der Pilot Gas,
um eine Geschwindigkeit von etwa 180 km h beizubehalten. Zwei 1 566 kW-Motoren geben
jetzt fast ihre volle Leistung. In nur 12 s sind die Tanks mit 6 000 ` Wasser gefüllt. Das
Einziehen der Schöpfdorne reicht, um die auf vollen Touren laufende Maschine sofort
abheben zu lassen. Welche Kraft müssen die Motoren beim Schöpfen aufbringen?28
∆m km 6 000 kg kgm
F =v· = 180 · = 25 000 2 = 25 kN .
∆t h 12 s s
26
Grundgleichung der Mechanik: siehe auch Satz 21 mit Gleichung (3.12) auf der nächsten Seite.
27
Die Kraft ist mit dem Impuls eine vektorielle Größe, die mit der Zeit im Kehrwert als Skalar multi-
#» 1
pliziert wird: F = ∆t · ∆ #»
p.
28
[9, S. 88]
115
3 Masse und Kraft
Rückstoß bei einem Gewehr Ein Geschoss der Masse 20 g verlässt den Lauf eines
Gewehrs der Masse 4 kg mit 800 ms Geschwindigkeit. Wie groß ist die Rückstoßgeschwin-
digkeit des Gewehrs? Welche Kraft hat der Schütze auszuhalten, wenn er den Rückstoß
in 0,1 s abfängt?29
m
0 = pges = p0ges = 20 g · 800 − 4 kg · v20 ;
s
20 g · 800 ms m
v20 = =4 .
4 kg s
∆m m 20 g
F =v· = 800 · = 160 N .
∆t s 0,1 s
Raketenantrieb II Aus der 1. Stufe der Saturn-V-Rakete strömen die Gase mit 4,6 km
s
aus und erzeugen die Schubkraft 3,4 · 107 N während 2,5 min. Berechne die Masse der
ausgestoßenen Gase.31
2. Fall: Konstante Masse Dieser Fall kommt sehr häufig vor. Daher findet sich die-
ser hauptsächlich in den Lehrbüchern und Formelsammlungen unter der Bezeichnung
Grundgleichung der Mechanik.
Aus Gleichung NA2 folgt, falls m = konst:32
#» ∆ #»p ∆ (m · #»
v) ∆ #»
v
F = = =m· = m · #»
a.
∆t ∆t ∆t
#»
Satz 21. Für den Zusammenhang zwischen der Kraft F auf einen Körper der (konstan-
ten) Masse m und der daraus resultierenden Beschleunigung #»a gilt:
#»
F = m · #»
a (3.12)
116
3.4 Experiment: Dynamische und statische Kraftmessung
Gewichtskraft Jeder Körper wird mit der für den speziellen Ort geltenden Fallbe-
schleunigung g beschleunigt. Diese spezielle Kraft, mit der ein Körper von der Erde (und
anderen Himmelskörpern) angezogen wird, heißt Gewichtskraft.
#»
Satz 22. Für die Gewichtskraft F G eines Körpers der Masse m gilt:
#»
F G = m · #»
g (3.13)
m N
FG = m · 9,81 = m · 9,81 . (3.14)
s 2 kg
| {z }
Ortsfaktor
Kräfte und Beschleunigungen Ein Zug der Masse 700 t fährt mit der Beschleunigung
0,15 sm2 an. Berechne die dazu erforderliche Kraft und vergleiche mit der Gewichtskraft
des Zuges. Welche beschleunigende Kraft erfährt ein Fahrgast (90 kg)?33
m 0,15
F = m · a = 700 t · 0,15 = 105 kN = · FG = 1,5 % · FG ;
s2 9,81
m
FG = m · g = 700 t · 9,81 2 = 6,87 · 103 kN .
s
m
FPers = mPers · a = 90 kg · 0,15 2 = 13,5 N .
s
117
3 Masse und Kraft
Federkraftmesser zu vergleichen. Dazu kann man von Leybold den Düsengleiter34 für
die Luftkissenfahrbahn von Leybold verwenden. Dieser wird (ohne Gewichtskräfte) durch
einen Luftstrom aus der Fahrbahn angetrieben. Mit verschiedenen Düsenöffnungen lassen
sich unterschiedliche Schubkräfte erzeugen. Zur Bestimmung der Beschleunigung habe
ich seinerzeit 4 Lichtschranken35 und den LH-Digitalzähler36 verwendet.
Die statische Messung erfolgt mit der Kraftmesseinrichtung37 zum Düsengleiter.
Die nachstehenden Messdaten habe ich am 17.01.1989 ermittelt.
s t a Fdyn Fstat
cm %CHG
cm s s2
mN mN
0 0 2,5
24,5 4,44 2,49 2,49 0,4 %
43,7 5,92 2,49 2,50 0,0 %
66,6 7,35 2,47 2,47 1,2 %
85,5 8,4 2,42 2,43 3,0 %
0 0 2,0
24,5 5,6 1,56 1,57 27,7 %
43,7 7,4 1,60 1,60 25,1 %
66,6 9,15 1,59 1,59 25,5 %
85,5 10,4 1,58 1,58 26,3 %
Man startet den Düsengleiter an einem Haltemagnet an der Position 0 zugleich mit dem
Digitalzähler. Dieser besitzt dazu ein Relais.38 die vier anderen Lichtschranken werden
im Zähler programmiert und ihre Wegmarken s notiert. Nach dem Start durchläuft
der Düsengleiter die Lichtschranken. Die zugehörigen Zeitmarken t kann man aus dem
Speicher des Geräts auslesen.
Nimmt man an, dass es sich um eine glm. beschl. Bewegung handelt – was letztlich
auch durch die Messdaten nachgewiesen wird, so erhält man die Beschleunigung aus
1
s = · a · t2 beispielhaft zu:
2
2·s 2 · 24,5 cm cm
a= 2 = 2 = 2,49 2 ;
t (4,44 s) s
Mit der Masse m = 100,2 g des Düsengleiters erhält man:
cm
Fdyn = m · a = 100,2 g · 2,49 2 = 2,45 mN .
s
Zum Vergleich ergibt die statische Messung Fstat = 2,5 mN. Dieses Ergebnis kann durch-
aus überzeugen.
34
[27], Gerätebeschreibung 337 56
35
[27], Gabellichtschranke; Gerätebeschreibung 337 46
36
[27], Gerätebeschreibung 575 40
37
[27], Gerätebeschreibung 337 59
38
Sollte das Relais prellen, kann ein Kondensator von ca. 1 µF parallel zu den Eingangsbuchsen des
Magnets geschaltet werden.
118
3.5 Vermischte Beispiele zur Dynamik
In einer weiteren Messung habe ich eine andere Düse verwendet, die eine geringere kon-
stante Beschleunigung hervorruft. Hier ist das Ergebnis der statischen Messung nicht
überzeugend. Weitergehende Gründe habe ich in meinen Unterlagen leider nicht ver-
merkt.
1. Ein Wagen der Masse 552 g wird durch das Gewichtsstück G mit 10 g Masse (Ab-
bildung 3.3) in 2,82 s aus der Ruhelage 70 cm weit beschleunigt bewegt.39
a) Berechne die Beschleunigung aus Weg und Zeit.
1 2·s 2 · 70 cm cm
s= · a · t2 =⇒ a = 2 = 2 = 17,6 2 .
2 t (2,82 s) s
b) Welche Beschleunigung erfährt der Wagen, wenn das Gewichtsstück die Masse
20 g hat?
F 20 g · 9,81 sm2 cm
F = m · a =⇒ a = = = 34,3 2 .
m 552 g + 20 g s
c) Welche Beschleunigungen ergeben sich aus 1a und 1b, wenn man den Wagen
mit weiteren 500 g belastet?
F 10 g · 9,81 sm2 cm
a= = = 9,24 2 ;
m 552 g + 10 g + 500 g s
F 20 g · 9,81 sm2 cm
a= = = 18,3 2 .
m 552 g + 20 g + 500 g s
39
[20] 2.4.1.12. Zeichnung: Daniela Tobias, 2000; http://photozeichen.de
119
3 Masse und Kraft
mG · g = (mW + mG ) · a ;
mW + mG
g= ·a
mG
552 g + 10 g cm m
= · 17,6 2 = 9,89 2 .
10 g s s
2. Auf der einen Seite einer Rolle, deren Masse vernachlässigt werden darf, hängt ein
Körper der Masse 202 g, auf der anderen Seite ein Körper der Masse 200 g.40
a) Berechne die Beschleunigung.
(m2 − m1 ) · g = (m1 + m2 ) · a ;
m2 − m1 2g m cm
a= ·g = · 9,81 2 = 4,88 2 .
m1 + m2 402 g s s
1 1 cm
s= · a · t2 = · 4,88 2 · (3 s)2 = 22,0 cm .
2 2 s
3. In einem Testbericht41 über einen Kraftwagen ist angegeben: Der Bremsweg bei
der Geschwindigkeit 30 km
h beträgt 7 m.
a) Berechne hieraus die mittlere Verzögerung.
Wir setzen eine glm. beschl. Bewegung an mit v = a · t:
2
1 1 v v2
s = · a · t2 = · a · = ;
2 2 a 2·a
2 2
30 km 30 m
v2 h 3,6 s m
a= = = = 4,96 .
2·s 2 · 7m 2 · 7m s2
b) Welche Kraft wirkt während des Bremsens auf eine Person von 70 kg?
m
F = m · a = 70 kg · 4,96 = 347 N .
s2
4. a) Wie groß muss die Abwärtsbeschleunigung eines Aufzuges sein, damit ein
Fahrgast 71 seiner Gewichtskraft „verliert“?
1 1 1 m m
m·g−m·a=m·g− · m · g =⇒ a = · g = · 9,81 2 = 1,40 2 .
7 7 7 s s
40
[20] 2.4.1.13. Atwoodsche Fallmaschine; George Atwood 1745–1807, englischer Physiker. Man kann
das auch als Experiment nachstellen und die Beschleunigung messen.
41
[20] 2.4.1.15.
120
3.5 Vermischte Beispiele zur Dynamik
b) Wieviel % seiner Gewichtskraft wird der Fahrgast schwerer bei einer Auf-
wärtsbeschleunigung von 150 cm
s2
?
a 1,50 sm2
m · g + m · a = m · g + α · m · g =⇒ α = = = 0,153 = 15,3 % .
g 9,81 sm2
5. Welche Kräfte wirken bei der Anordnung gemäß Abbildung 3.4? Die Masse des
Wirtshausschildes beträgt m = 48,3 kg und der Winkel ist α = (CBA) = 51◦ .
#» α
F2 #»
FG
B B'
F1
= tan α =⇒ F1 = FG · tan α = 474 N · tan 51◦ = 585 N ;
FG
121
3 Masse und Kraft
FG FG 474 N
= cos α =⇒ F2 = = = 753 N .
F2 cos α cos 51◦
#»
Die Orientierung ergibt sich so, dass F 1 in C (und damit in A (Abb. 3.4 auf der
#»
vorherigen Seite)) eine Zugkraft und F 2 in B eine Druckkraft ist.
6. Diese Aufgabe42 kann man mit etwas Geschick als Experiment nachbauen, um
die Wirkung der fallenden Gewichtsstücke eindrucksvoll zu demonstrieren. Der
A B C
⊗
m2
D
m1 m3 m1
Hebel ABC in Abbildung 3.6 hat in B seine Drehachse. Welche Bewegung führt
der Hebel aus, wenn man den Faden bei D abbrennt? Welches Übergewicht müsste
man auflegen, um diese Bewegung zu verhindern? Wo müsste man das Übergewicht
auflegen?
Zunächst betrachten wir die Atwoodsche Fallmaschine43 nach dem Abbrennen:
(m1 + m2 ) · a = (m1 − m2 ) · g ;
m1 − m2 2,1 − 2,0 m m
a= ·g = · 9,81 2 = 0,239 2 .
m1 + m2 2,1 + 2,0 s s
Kraft in A: FA = m1 · (g − a) ;
#»
Kraft in C: FC = m1 · g ; a
m · g + m1 · g − m1 · a = m1 · g ;
m · g = m1 · a ;
42
[20] 2.4.1.22
43
Siehe Aufgabe 2 (S. 120)
122
3.6 Reibungskräfte
a 0,239 sm2
m = m1 · = 2,1 kg · = 51,2 g ;
g 9,81 sm2
oder allgemein
a m1 − m2
m = m1 · = m1 · .
g m1 + m2
7. Zum Abschluss noch ein Beispiel, welches die glf. beschl. Bewegung und den An-
trieb über die Gewichtskraft untersucht.44
Ein Fahrbahnwagen (m1 = 2 kg) steht reibungsfrei auf waagerechter Unterlage.
Über einen Faden beschleunigt ihn ein Körper der Masse m2 = 100 g (Abbil-
dung 3.3 (S. 119)). Wie groß sind die Beschleunigung und der nach 2 s zurück-
gelegte Weg sowie die erreichte Geschwindigkeit? Welche Beschleunigung ist die
größte, die auf diese Weise erreicht werden kann? Betrachte dazu die Frage, ob
man mit einem Antriebskörper von m3 = 100 kg Masse eine 1 000mal so große
Beschleunigung erreichen könnte.
(m1 + m2 ) · a = m2 · g ;
m2 0,1 m m
a= ·g = · 9,81 2 = 0,467 2 .
m1 + m2 2 + 0,1 s s
1 1 cm
s = · a · t2 = · 46,7 2 · (2 s)2 = 93,4 cm .
2 2 s
cm cm
v = a · t = 46,7 2 · 2 s = 93,4 .
s s
Für die Beschleunigung gilt in jedem Fall:
m3
a= ·g;
m1 + m3
Für sehr großes m3 folgt (m1 = konst):
1
!
m3
agrenz = lim · g = lim ·g = g.
m3 →∞ m1 + m3 m3 →∞
m3 + 1
m1
Das numerische Beispiel kann man einsetzen, wenn man möchte; es ändert aber
nichts am Ergebnis.
3.6 Reibungskräfte
3.6.1 Reibungskoeffizient
Ein interessantes Zusatzkapitel ist das über Reibungskräfte. Zunächst stellt man mit
Handexperimenten fest, dass gilt:
44
[13, S. 31, A4]
123
3 Masse und Kraft
Satz 23. Haftreibung ist größer als Gleitreibung und Gleitreibung ist größer als Rollrei-
bung.
Dazu nimmt man einen Kraftmesser und z. B. Holzklötze für Reibungsversuche.45 Zieht
man mit dem Kraftmesser am Holzklotz, so wächst die angezeigte Kraft bis zu einem
Maximalwert, um dann bei gleichmäßigen Ziehen auf einen konstanten kleineren Wert zu
fallen. Man kann das Experiment auch mit einem langsam laufenden Motor betreiben.
Die angezeigten Kräfte müssen beobachtet und im entsprechenden Moment abgelesen
werden. Rollreibung ist wesentlich kleiner als Gleitreibung. Dazu legt man die Klötze
auf Stativstangen und beobachtetet die zum gleichmäßigen Ziehen erforderliche Kraft.
In den nachfolgend beschriebenen Messungen wurde nur die Gleitreibung weiter unter-
sucht. Messdaten ermittelt am 03.02.1986:
FN
Normalkraft 1,5 2,5 3,5 4,5 5,5 6,5
N
FGl
Gleitreibungskraft 0,37 0,60 0,81 1,02 1,24 1,50 Holz/Tisch
N
FGl
0,51 0,81 1,26 1,56 1,91 2,10 Gummi/Tisch
N
FGl
N
2,25
bc
2,00
bc
1,75
bc
1,50 bc
1,25 bc bc
bc
1,00
bc bc
0,75
bc
0,50 bc
bc
0,25
0
0 1 2 3 4 5 6 7 FN
N
Die Messwerte sind in Abbildung 3.7 dargestellt. Man erkennt, dass die Gleitreibungs-
kraft FGl zur Normalkraft FN proportional ist. Dabei ist die Normalkraft die Kraft, die
senkrecht auf die Unterlage wirkt. Sie wird im Experiment durch die Gewichtskraft des
Klotzes und die aufgelegter weiterer Massestücke erzeugt.
45
[27] Gerätenummer 342 10
124
3.6 Reibungskräfte
Satz 24. Die Gleitreibungskraft FGl zur Normalkraft FN proportional. Der Proportio-
nalitätsfaktor µGl heißt Gleitreibungskoeffizient:
1. Welche Kraft ist erforderlich, um einen Schlitten (80 kg) mit Stahlkufen auf Eis in
Bewegung zu setzen bzw. mit konstanter Geschwindigkeit zu ziehen?46
Für Schlittschuhe auf Eis ist als Haftreibungskoeffizient µH = 0,03 angegeben.47
Damit kann die maximal mögliche Haftreibungskraft FH,max angegeben werden.
Für den Gleitreibungskoeffizient ist µGl = 0,01.
m
FH,max = 0,03 · 80 kg · 9,81 2 = 23,5 N ;
s
m
FGl = 0,01 · 80 kg · 9,81 2 = 7,85 N ;
s
2. Untersuche das Verhalten eines Körpers auf einer schiefen Ebene (Abbildung 3.8).
Beispielhaft vorgegeben seien der Haftreibungskoeffizient µH = 0,6 und der Glei-
treibungskoeffizient µGl = 0,45. Bei einem bestimmten Winkel bleibt der Körper
liegen, weil die (Haft-) Reibungskraft FR größer als die Hangabtriebskraft F1 ist.
46
[13, S. 47, A1]
47
[13, Tabelle 46.1]
125
3 Masse und Kraft
#»
FR
b
#»
F1
#»
FN
#»
FG
α
Wir fragen nun nach genau dem Winkel, unter dem der Körper gerade anfängt zu
gleiten. Damit das eintreten kann, muss gelten:48
F1 = FR ;
FG · sin α = µ · FN = µ · FG · cos α ;
FG · sin α sin α
µ= = = tan α .
FG · cos α cos α
Daher je nach Reibungskoeffizient:
αH = arctan µH = arctan 0,6 = 31,0◦ ;
αGl = arctan µGl = arctan 0,45 = 24,2◦ .
Vergrößert man langsam den Winkel der schiefen Ebene und erreicht αH = 31◦ , so
fängt der Körper an zu rutschen. Die Bewegung ist beschleunigt, weil µGl < µH .
Die Beschleunigung berechnet sich zu:
F = F1 − FR ;
m · a = m · g · sin α − µGl · m · g · cos α ;
a = g · (sin α − µGl · cos α) .
Um die Bewegung wieder gleichförmig zu bekommen, muss man den Winkel auf
24,2◦ verringern. Dann sind Gleitreibungskraft und Hangabtriebskraft wieder gleich.
Anmerkung Man beachte, dass die Masse des Körpers keine Rolle spielt.
Hat man loses Schüttgut (Sand, Getreide), so gilt49
Satz 25. Für den Böschungswinkel α, den ein Schüttkegel mit dem Boden bildet,
ist die Gleichung
tan α = µH (3.16)
126
3.6 Reibungskräfte
3. In einem Zeitungsartikel aus der Rheinischen Post vom 04.09.1982 unter dem Titel
Der Untergang der Pamir beschreibt der Autor Karl Morgenstern die Vorgänge
auf dem Segelschulschiff in einem Rückblick 25 Jahre nach der Katastrophe. Im
Artikel wird das Seeamt Lübeck zitiert:
[ . . . ] „Die Pamir führte sämtliche Marssegel, Fock und mehrere Stag-
segel und segelte hart angebraßt mit Steuerbordhalsen am Winde, als
der mit Stärke 9 wehende Sturm in kurzer Zeit stark zunahm. Das Schiff
war diesem Winddruck mit den geführten Segeln, der Segelstellung, sei-
nem Beladungszustand und dem nicht mit Ballastwasser gefluteten Tief-
tank stabilitä[t]smäßig so wenig gewachsen, daß es eine starke Backbord-
schlagseite erhielt. Infolge Überschreitung ihres Böschungswinkels kam
die – zum größten Teil lose geladene und während der Reise gesackte
– Gerste trotz aufgebauter Längsschotte in Bewegung und ging in zu-
nehmenden Maße über Backbord. Außerdem drang Wasser in die nicht
überall verschlossenen und auf Backbordseite bereits eingetauchten Auf-
bauten, so daß auch deren Auftriebskraft verloren ging. Auf diese Weise
ist das Schiff gekentert.“
Vor allem aber wurde die lose Gerstenladung dem Schiff zum Ver-
hängnis. Die Oldtimer der Fracht-Segelei haben Getreidefracht mit gu-
tem Grund wie die Pest gehaßt und solche Ladung, vor allem Gerste,
nach Möglichkeit nur in Säcken transportiert. Die Ladung der „Pamir“
war – das weiß man heute – angesichts der Kraft des Hurrikans „Carrie“
selbstmörderisch. Vielleicht hätten erfahrenere Segelschiff-Kapitäne als
Johannes Diebitsch daraus von vornherein Konsequenzen gezogen. [ . . . ]
4. Experiment Man legt einem Schüler ein Holzlineal auf die ausgestreckten Zeige-
finger und bittet ihn, die Finger langsam, aber gleichmäßig aufeinander zuzuführen.
Man erkennt, dass sich durch den Wechsel von Gleit- und Haftreibung die Finger
schließlich dem Schwerpunkt (Massenmittelpunkt) des Stabes nähern. Der Stab
fällt nicht herab.50
5. Ein Eisstock bewegt sich 30 m weit, bis er zur Ruhe kommt (f = 0,04). 51
m · a = µ · m · g =⇒ a = µ · g
50
Eine sehr genaue Beschreibung kann in[18, S. 223] nachgelesen werden.
51
[20] 2.4.2.1.
127
3 Masse und Kraft
Insgesamt:
√ m m
r
v = 2 · a · s = 2 · µ · g · s = 2 · 0,04 · 9,81 2 · 30 m = 4,85 .
p
s s
b) Berechne die Zeit, die er für diese Strecke braucht.
2·s 2·s 2 · 30 m
r s s
t= = = = 12,4 s .
a µ·g 0,04 · 9,81 sm2
6. In einem Zeitungsartikel aus dem Solinger Tageblatt vom 13.05.1995 unter dem
Titel Kollision auf Bahnübergang beschreibt der Autor mit dem Kürzel „-aa-“
den Bremsvorgang eines Güterzuges:
[ . . . ] Als der Lkw-Fahrer den Güterzug sah, rettete er sich aus dem
Fahrzeug. Durch die Wucht des Aufpralls des etwa 80 km/h schnellen
und 5000 Tonnen schweren Zuges mit 26 Waggons, der Kohle von Rot-
terdam ins Saarland transportierte, wurde der Lkw-Sattelzug abgerissen
und in einen Graben geschleudert. Obwohl der Lokführer eine Notbrem-
sung eingeleitet hatte, schleifte der Zug den Auflieger mit Schotter noch
über 500 Meter mit, bevor er zum Stehen kam. Der Lokführer wur-
de mit Prellungen, Schnitten und Schock in ein Krankenhaus gebracht.
Der Schaden wird auf 800 000 Mark geschätzt, da durch umherfliegende
Schottersteine auch neun Autos beschädigt wurden. [ . . . ]
Aus den gegebenen Daten soll der Gleitreibungskoeffizient µGl ermittelt werden.
Erwartet wird µGl = 0,05 für Stahl auf Stahl.52
√
Wie in Aufgabe 5a auf der vorherigen Seite erhält man aus v = 2 · µ · g · s:
2
80 km
v2 h
µGl = = m = 0,0503 .
2·g·s 2 · 9,81 s2 · 500 m
Die Daten sind verlässlich. Allerdings ist die Masse des Zuges unerheblich.
7. Wie groß war die Geschwindigkeit eines Autos, welches bei blockierten Rädern
(ohne ABS natürlich) eine Bremsspur von 20 m hinterließ, wenn dabei µGl = 0,5
(trockene Straße) war.53
Wie in Aufgabe 5a auf der vorherigen Seite hat man:
m m km
r
v= 2·µ·g·s= 2 · 0,5 · 9,81
· 20 m = 14,0 = 50,4
p
.
s 2 s h
Man überlege, dass bei trockener Straße der Bremsweg bereits 20 m beträgt. Für
eine nasse Straße54 ist µGl = 0,3, also der Bremsweg
2
v2 14,0 ms
s= = = 33,3 m .
2·µ·g 2 · 0,3 · 9,81 sm2
52
[13, Tabelle 46.1]
53
[20] 2.4.2.2.
54
[13, Tabelle 46.1]
128
3.6 Reibungskräfte
8. In einem Güterwagen steht eine Kiste von 200 kg Masse. Der Wagen fährt mit
45 km
h . Welche Bremsdauer ist mindestens erforderlich, wenn die Kiste nicht von
ihrem Platz wegrutschen soll (f = 0,15)? Wie verhält sich eine Kiste mit doppelter
Masse?55
Wie in Aufgabe 5a (S. 127) erhält man aus v = a · t:
v v 45 kmh
t= = = = 8,5 s.
a µ·g 0,15 · 9,81 sm2
55
[20] 2.4.2.4.
129
4 Arbeit, Leistung, Energie
Wir übernehmen als Einstieg für den folgenden Abschnitt grundsätzliche Kenntnisse
über die Definition der physikalischen Größe Arbeit aus der Sekundarstufe I:
Def. 15. Unter Arbeit versteht man das Produkt aus Kraft in Wegrichtung und Weg.
#»
W =F ·s (4.1)
F k #»
s
Als Beispiel und zum Verständnis weiterer Begriffsbildungen betrachten wir die Abbil-
dung 4.1.
#»
F⊥
#»
F
#»
ϕ Fs
b b
#»
s
Zur numerischen Berechnung nehmen wir an, dass wir einen Wagen mit der Kraft F =
47,2 N ziehen. Zur Erleichterung für die Person, die die Kraft aufbringen muss, ist am
Wagen eine Zugstange angebracht, die mit der Horizontalen den Winkel ϕ = 32◦ bildet.
Wenn man nun den Wagen die Strecke s = 6 m zieht, so kann man nicht einfach F · s
s nicht in die gleiche Richtung zeigen.1
#»
rechnen, da F und #»
#»
Nach Gleichung (4.1) auf dieser Seite müssen wir die Kraft F in Richtung #» s und senk-
#»
recht dazu zerlegen (hier ist der Anteil von F in Wegrichtung gerade Null). Dies ist in Ab-
1
Für die Arbeit wird grundsätzlich nur der Teil der Kraft angesetzt, der in Wegrichtung weist. Das
#»
muss man so machen, da F und #» s vektorielle Größen sind, aber die Arbeit W eine skalare Größe
ist. Für das Zusammensetzen ist es also erforderlich anzugeben, wie die Vektoren zueinander liegen
müssen, damit man ihre Beträge anschließend multiplizieren kann.
131
4 Arbeit, Leistung, Energie
Fs
bildung 4.1 auf der vorherigen Seite dargestellt. Nun gilt: = cos ϕ, also Fs = F · cos ϕ.
F
Daher
#»
W = Fs · s = (F · cos ϕ) · s = F · s · cos ϕ ϕ = F ; #»
s .
#»
| {z }
F s k #»
s
#» #»
W = F · #»
s = F · s · cos ϕ ϕ = F ; #» (4.2)
s
#»
Anmerkung Arbeit ist eine skalare Größe. Daher heißt F · #»
s auch Skalarprodukt der
#»
Vektoren F und #»
s.
Man erkennt also, dass die Einheit der Arbeit 1 Nm (lies: Newtonmeter) ist. Dafür
gibt es die Abkürzung 1 J (Joule). Die Einheit ist nach dem britischen Physiker James
Prescott Joule, 1818–1889 benannt.2
def
[W ] = Nm = J (4.3)
Beispiel Ein Eisenbahnzug3 mit 10 Wagen der Masse 17,8 t und einer Lokomotive der
Masse 35,7 t durchläuft gleichförmig eine 10 km lange horizontale Strecke. Welche Arbeit
muss die Maschine verrichten, wenn die Reibung 0,3 % beträgt?4
W = FR · s = µH · FG · s = µH · mges · g · s
0,3 m
= · (10 · 17,8 t + 35,7 t) · 9,81 2 · 10 km
100 s
= 62,9 MJ .
4.1.2 Leistung
Von Leistung spricht man in der Physik, wenn Arbeit in einer bestimmten Zeit verrichtet
wird. Daher
2
Die Aussprache des Wortes „Joule“ ist uneinheitlich: Im deutschen Sprachraum ist die Aussprache
[dZu:l] gebräuchlich, wahrscheinlich sprach auch James Prescott Joule seinen Namen so aus. Siehe
dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Joule#cite_note-3, besucht am 17.02.2017.
3
[20] 2.5.1.4.
4
Zu Reibung siehe Abschnitt 3.6.
132
4.2 Spezielle Formen der Arbeit und Energie in der Mechanik
W Nm J def
P = Einheit: [P ] = = =W (4.4)
t s s
Die Einheit wurde nach dem schottischen Wissenschaftler und Ingenieur James Watt,
1736–1819 benannt. Die Einheit J kann man auch mit der Einheit W ausdrücken:
Beispiel (1) Beim Wandern im Gebirge gilt die Faustregel, dass man für 100 Höhen-
meter eine Viertelstunde benötigt. Welche Leistung bringt also eine Person von 80 kg
Masse (mit einem zusätzlichem Rucksack von 15 kg) auf?
1 PS =
b 0,736 kW 1 kW =
b 1,36 PS
Natürlich fährt man lieber ein Auto mit 136 PS statt mit 100 kW . . . Im gewerblichen
Bereich ist die Verwendung der Einheit PS alleine nicht mehr erlaubt.
4.1.3 Energie
Verrichtet man an einem Körper Arbeit, indem man z. B. ein Glas hebt, so ist die Arbeit
nicht weg, sondern im Körper in einem besonderer Zustand gespeichert. Man kann ja
mal das Glas fallen lassen. Daher gilt
Für manche Zwecke ist es nützlich, zur Berechnung der Arbeit Kraft und Weg in ei-
nem sF -Diagramm (Weg-Kraft-Diagramm) darzustellen. Als einfaches erstes Beispiel
133
4 Arbeit, Leistung, Energie
F -A hse
F (s) = konst
F
W =F ·s
s s-A hse
betrachten wir in Abbildung 4.2 die Arbeit bei einer Kraft, die längs des Weges s kon-
stant ist.
Man erkennt, dass die Arbeit dadurch berechnet werden kann, dass man die entspre-
chende Fläche im sF -Diagramm angibt.
W = F · s=
b Fläche unter F (s) im sF -Diagramm
Diese Aussage gilt auch dann, wenn die Kraft längs des Weges nicht konstant ist. Die
Idee dazu ist in Abbildung 4.3 skizziert. Man sieht den Verlauf der Kraft längs des Weges
als stückweise konstant an und betrachtet die Summe der Streifenflächen näherungsweise
als Maß für die Fläche. Wenn der Fehler zu groß ist, kann man ja die Streifenbreite ver-
ringern. In vielen Fällen ist es auch mit mathematischen Methoden möglich, die Fläche
zu bestimmen (Integralrechnung).
F (s)
Abbildung 4.3: Arbeit allgemein als Fläche unter dem Graph von F (s) im sF -Diagramm
134
4.2 Spezielle Formen der Arbeit und Energie in der Mechanik
Betrachten wir jetzt eine Schraubenfeder, so stellt man in einem einfachen Experiment5
fest, dass die Verlängerung s der Feder umso größer ist, je größer die Kraft F ist, die die
Feder auslenkt. In der Tat ist die Verlängerung der Feder zur wirkenden Kraft propor-
tional, d. h. die Feder verlängert sich um das doppelte (dreifache . . . ), wenn die Kraft
verdoppelt (verdreifacht . . . ) wird. Diese Eigenschaft formulieren wir in folgendem
Satz 26. Hookesches Gesetz6
Bei Schraubenfedern besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der wirkenden Kraft
und der Verlängerung:
F =D·s (4.5)
135
4 Arbeit, Leistung, Energie
1
Wspann = · D · s2 (4.6)
2
1
Wpot,elast = · D · s2 (4.7)
2
20 N N
D= = 200 ;
10 cm m
1 1 N
W1 = · D · s21 = · 200 · (10 cm)2 = 1 J .
2 2 m
1 1
W2 = · D · s2 − · D · s21
2
2 2
1 1 N
= · D · s22 − s21 = · 200 · (20 cm)2 − (10 cm)2 = 3 J .
2 2 m
F
N
50
N
F (s) = 2 cm ·s
40
30
20
10
0
s
0 5 10 15 20
cm
8
[9, S. 77, A6]
136
4.2 Spezielle Formen der Arbeit und Energie in der Mechanik
Nun berechnen wir die Arbeit, die erforderlich ist, um einen Körper von v = 0 auf die
Geschwindigkeit v zu beschleunigen. Der Einfachheit halber rechnen wir mit einer glm.
beschl. Bewegung. Das Ergebnis gilt allerdings auch ganz allgemein.
1 1 1
Wbeschl = Fs · s = m · a · s = m · a · · a · t2 = · m · (a · t)2 = · m · v 2 .
2 2 2
Dabei haben wir die Gleichungen (3.12) (S. 116), (1.18) (S. 49) und (1.16) (S. 49) ver-
wendet.
Satz 29. Beschleunigungsarbeit
Die zum Beschleunigen eines Körpers erforderliche Arbeit berechnet sich zu:
1
Wbeschl = · m · v2 (4.8)
2
137
4 Arbeit, Leistung, Energie
Die im letzten Beispiel bestimmten Energien lassen sich daher auch so angeben:
∆Wkin = 531 kJ = 531 · 103 · 278 · 10−9 kWh = 0,15 kWh ;
Wkin = 1,48 MJ = 1,48 · 106 · 278 · 10−9 kWh = 0,41 kWh .
Bei der Hubarbeit berechnet man die Arbeit, die erforderlich ist, um einen Körper von
der Höhe h = 0 auf eine Höhe h („gerade nach oben“, also in Richtung der Gewichtskraft)
zu bringen. Man erhält sofort wegen W = F · s und F = m · g die Aussage
Satz 31. Hubarbeit
Die zum Hochheben eines Körpers um die Höhe h erforderliche Arbeit berechnet sich zu:
Whub = m · g · h (4.10)
Anmerkung Für eine erste Betrachtung genügt die Kenntnis der Gleichungen (4.10)
und (4.11). Man muss allerdings
#» auch beachten, dass „Richtung der Gewichtskraft“
bedeutet, dass der cos F ; #»
s +1 oder −1 sein kann (siehe Anhang C.5 (S. 622)).
Beim Heben wird Arbeit aufgebracht, die Kraft (gegen die Gewichtskraft) und der Weg
(nach oben) bilden den Winkel 0◦ . Beim Fallenlassen wirkt die Gewichtskraft (nach un-
#»
ten) und bei gleicher Orientierung des Wegvektors h (nach oben, denn da ändert sich
nichts) beträgt der Winkel zwischen Kraft und Weg 180◦ . Daher ist die Arbeit negativ
(cos 180◦ = −1; siehe Tabelle C.1 (S. 623)). Das System gibt die Arbeit wieder frei.
Betrachte dazu auch den folgenden Abschnitt.
In Abbildung 4.5 (s. rechts) haben wir eine schiefe Ebene. Auf dieser befindet sich ein
Körper (reibungsfrei). Die einzige Kraft, die wirkt, ist die Gewichtskraft. Diese kann
vektoriell zerlegt werden in die Kräfte F1 (Hangabtriebskraft) und FN (Normalkraft).
Man überlege, dass der Neigungswinkel α der schiefen Ebene wieder an den schwarz
eingezeichneten Stellen auftritt.
#» # »
Sei ` = AC. Aus der Geometrie der Zeichnung folgt (siehe Anhang C.1 (S. 619) „Tri-
gonometrie in 5 Minuten“):
h F1
= sin α ; = sin α ;
` FG
138
4.2 Spezielle Formen der Arbeit und Energie in der Mechanik
C
#»
Fa
b
#»
F1
#» #»
FN h
#» # »
ℓ = AC #»
FG
α
A B
#»
s
h
`= ; F1 = FG · sin α .
sin α
#» #»
Zur Berechnung der Arbeit WAC von A nach C ist die Kraft F a = −F 1 aufzubringen.
Nach (4.2) (S. 132) gilt:
#» #» # » #»
WAC = F a · ` = Fa · ` · cos α α = Fa ; `
= F1 · ` · cos 0◦
h
= (FG · sin α) · ·1
sin α
= FG · h = m · g · h .
Offenbar ist die Arbeit vom Winkel der schiefen Ebene unabhängig. Letztlich zählt, dass
der Körper oben in C angekommen ist und die Höhe h überwunden hat.
Die Arbeit ist darüber hinaus auch vom Weg unabhängig, denn siehe (4.10) (s. links):
#» # »
WAB = F G · #»
s = FG · s · cos ϕ ϕ = FG ; #»
s
= FG · s · cos 90◦ = 0 .
#» #»
WBC = −F G · h = FG · h · cos 0◦ = m · g · h .
139
4 Arbeit, Leistung, Energie
#»
h
A B
#»
s
Abbildung 4.6: Ein beliebiger Weg kann aus kleinen geraden Wegstücken zusammenge-
setzt gedacht werden.
Satz 33. Beim Heben eines Körpers um die Höhe h ist unabhängig vom Weg die Hub-
arbeit Whub = m · g · h erforderlich. Umgekehrt wird diese Arbeit wieder frei, wenn der
Körper wieder nach unten fällt:
Bei einem Rundweg ist die Gesamtarbeit, die an dem Körper verrichtet wird, Null.
Welche Arbeit muss ein Kind aufbringen, um einen Turm aus n = 10 aufeinander gestell-
g
ten Holzwürfeln (Dichte % = 0,6 cm 3 ) mit einer Kantenlänge von a = 7,5 cm aufzubauen?
Welche potentielle Energie besitzt der aufgebaute Turm?
Wges = m · g · hges
= % · V · g · (h1 + · · · + hn )
= % · a3 · g · (0 · a + 1 · a + 2 · a + · · · + (n − 1) · a)
= % · a4 · g · (1 + 2 + · · · + (n − 1))
n · (n − 1)
= % · a4 · g · (4.14)
2
11
% lies: rho, griechischer Buchstabe; alternative Schreibweise für rho: ρ; Schreibweise des Großbuchsta-
bens rho: P.
140
4.3 Ergänzende Beispiele zu Arbeit und Leistung
g m 9 · 10
= 0,6 · (7,5 cm)4 · 9,81 2 ·
cm 3 s 2
g · cm 4·m
= 838 · 103 ·
cm3 · s2
10−3 · kg · 10−2 · m · m
= 838 · 103 · = 8,38 J .
s2
Wges = 8,38 J .
Die in (4.14) eingesetzte Gleichung ist die Formel für die Summe sn−1 der ersten n − 1
natürlichen Zahlen. Man erhält diese Formel leicht gemäß folgender vereinfachten Dar-
stellung. Man schreibt die Summen einmal vorwärts und einmal rückwärts untereinander
und betrachtet die Ergebnisse, die sich spaltenweise ergeben. Danach löst man die Glei-
chung nach sn−1 auf.
1 + 2 + 3 + 4 + · · · + (n − 1) = sn−1
(n − 1) + (n − 2) + (n − 3) + (n − 4) + · · · + 1 = sn−1
n + n + n + n + ··· + n = 2 · sn−1
(n − 1) · n = 2 · sn−1
Satz 34. Die Summe der ersten n − 1 natürlichen Zahlen12 berechnet sich zu:
(n − 1) · n
sn−1 = (4.15)
2
W = FG · h = m · g · h = P · t ;
P ·t
m=
g·h
37,5 kW · 10 h
=
9,81 sm2 · 250 m
12
Normalerweise findet man in der Literatur die Angabe der Summe der ersten n natürlichen Zahlen.
Da man dann aber noch wieder die Formel für n − 1 spezialisieren müsste, habe ich die Herleitung für
n − 1 durchgeführt. Verwendet man die Formel aus einer Formelsammlung, so entfällt die Herleitung
und eine Spezialisierung ist notwendig. Die besagte Formel ergibt sich durch Ersetzen von n − 1 mit
n·n+1
n bzw. n mit n + 1: sn =
2
13
[20] 2.5.2.1.
141
4 Arbeit, Leistung, Energie
37,5 kJ
s · 10 · 3 600 s
=
9,81 sm2 · 250 m
= 550 · 103 kg = 550 t =
b 550 m3 Wasser
Man beachte, dass für die Dichte von Wasser recht genau gilt:14
g kg kg t
1 =1 =1 =1 3 (4.16)
cm3 dm3 ` m
Leistung und Höchstgeschwindigkeit Ein Auto fährt unter Ausnutzung der Höchst-
leistung von 90 kW auf einer ebenen Straße mit der konstanten Geschwindigkeit 190 km
h .
Berechne die auf das Auto ausgeübte (konstante) Kraft durch Luftwiderstand und Rei-
bung.
Zunächst zeigen wir
P =F ·v (4.17)
∆W ∆ (F · s) F · ∆s
P = = = = F ·v.
∆t ∆t ∆t
P 90 kW 90 kNm
s
F = = = 190 m = 1,71 kN .
v 190 km
h 3,6 s
Darüber hinaus erkennt man, dass die Höchstgeschwindigkeit bei gleichen Reibungsein-
flüssen von der Leistung des Antriebs abhängt.
142
4.3 Ergänzende Beispiele zu Arbeit und Leistung
2
v2 1 ms m
a= = =5 2;
2·s 2 · 10 cm s
1
F m·a · 10 t · 5 sm2 kN
D= = = 2 = 250 .
s s 10 cm m
b b
D1 D2
#» #»
F1 F2
b b b
#»
F ges
Bei zwei gleichen Federn erhalten beide die gleiche – also halbe – Kraft. Daher der Faktor
1
2 . Allgemein sieht das so aus (Abbildung 4.7):
Fges = F1 + F2 .
Nun ist die Verlängerung s ist für beide Federn gleich.
Dges · s = D1 · s + D2 · s .
Dges = D1 + D2 (4.18)
Bei der Parallelschaltung von Schraubenfedern addieren sich die einzelnen Feder-
konstanten zur Federkonstante der Kombination.
Der Vollständigkeit halber betrachten wir jetzt noch die Reihenschaltung von Schrau-
#»
benfedern (Abbildung 4.8). Dabei wirkt an beiden Federn die gleiche Kraft F . Wegen
der unterschiedlichen Federkonstanten verlängern sich die Federn unterschiedlich. Das
führt zu folgender Betrachtung:
sges = s1 + s2 .
D 1 , s1 D 2 , s2
#»
b b b
F
143
4 Arbeit, Leistung, Energie
F F F
= + .
Dges D1 D2
1 1 1
= + (4.19)
Dges D1 D2
Bei der Reihenschaltung von Schraubenfedern addieren sich die Kehrwerte der
einzelnen Federkonstanten zum Kehrwert der Federkonstante der Kombination.
Man könnte auch sagen, dass sich bei der Parallelschaltung die Härte der Feder, bei der
Reihenschaltung die Weichheit der Feder addiert – also letztlich vergrößert.
4.4 Energieerhaltung
Wkin Wpot
P2 P3 P3 0 mgh
h−y
1 2 mgy
P4 2 mvy
h
m y
1 2
P1 P5 2 mv0 0
P1 Ein Körper der Masse m befinde sich in der Position y = 0. Er wird dann nach P2
gehoben.
P2 In der Höhe y = h ist der Energiegehalt wegen der verrichteten Arbeit Wges =
m · g · h. Diese Energie ändert sich nicht, wenn der Körper reibungsfrei in die
Position P3 überführt wird.
P3 In dieser Lage ist die kinetische Energie Null, da die Geschwindigkeit vh = 0 ist.
Die potentielle Energie beträgt Wpot = m · g · h. Die Gesamtenergie daher
144
4.4 Energieerhaltung
P4 Lässt man den Körper in P3 los, so wird er schneller und erreicht die Position P4
in der Höhe y. Die verbleibende potentielle Energie beträgt Wpot = m · g · y. Der
fehlende Teil der potentiellen Energie ist in Bewegungsenergie umgewandelt wor-
den. Wir rechnen mit kinematischen Methoden nach, p wie groß die Gesamtenergie
16
an dieser Stelle ist. Für die Fallbewegung gilt vy = 2 · g · (h − y). Daher folgt
für die Gesamtenergie:
1
Wges (y) = Wkin (y) + Wpot (y) = · m · vy2 + m · g · y
2
2
1
q
= ·m· 2 · g · (h − y) + m · g · y
2
1
= · m · 2 · g · (h − y) + m · g · y
2
=m·g·h−m·g·y+m·g·y
= m · g · h.
P5 Dieser Zustand ist dadurch gekennzeichnet, dass der Körper ganz unten ist, aber
noch nicht auf dem Boden aufgeschlagen ist. Er ist an der Stelle, an der er genau
die Strecke h zurückgelegt hat. Für die Energie gilt wieder:
1
Wges (0) = Wkin (0) + Wpot (0) = · m · v02 + 0 (y = 0)
2
1 2
= 2·g·h
p
·m·
2
1
= ·m·2·g·h
2
= m · g · h.
Man erkennt, dass die Summe aus potentieller und kinetischer Energie zu jedem Zeit-
punkt gleich der von vorneherein vorhandenen Energie ist. Zwischen den Zuständen P3 ,
P4 und P5 wechselt zwar die Energieform, aber nicht der Energiegehalt. Diese Tatsache
ist eine ganz wesentliche physikalische Aussage:17
Betrachten wir nun den Abschluss des Falls des Körpers in Abbildung 4.9 (s. links).
16
Siehe (1.29) (S. 65) mit der Ersetzung h → h − y.
17
Siehe dazu auch das Experiment in Abschnitt 4.4.4 (S. 152).
145
4 Arbeit, Leistung, Energie
1. Der Körper ist aus einem weichen, unelastischen Material (Knetmasse). Nachdem
er die Höhe h durchfallen hat, prallt er auf den Boden auf und liegt dann da. Das
bedeutet, dass seine kinetische und potentielle Energie Null sind. Man kann sich
nun fragen, wo die Gesamtenergie Wges = m · g · h geblieben ist. In der Tat ist sie
in Wärme umgewandelt worden.
Experiment Man nimmt eine Plastikdose mit Bleikugeln18 (Tarierschrot) und
misst mit einem Temperaturfühler19 die Temperatur. Dazu steckt man die Spitze
des Fühlers langsam in die Bleikugeln hinein und ermittelt die Temperatur ϑ1
(lies: theta, griech. Buchstabe). Man klettert auf den Experimentiertisch und hält
die Dose unter die Decke des Unterrichtsraums und lässt sie auf den Fußboden
fallen. Ein Helfer reicht die Dose wieder an. Das wird noch 5 mal wiederholt.
Die Temperatur ϑ2 des Bleischrots wird erneut bestimmt. Sie ist ca. 1,5 K höher:
ϑ2 − ϑ1 = 1,5 K.
Man erkennt, dass die vorhandene Energie in Wärme umgewandelt wurde. Dies ist
erkennbar an der Temperaturerhöhung des Bleischrots.
2. Der Körper ist aus elastischem Material (Flummi). Dann wird unten bei y = 0 die
kinetische Energie zur elastischen Verformung verwendet. Als elastischer Vorgang
läuft dieser wieder rückwärts ab und der Körper gewinnt wieder an Höhe auf Kosten
der kinetischen Energie. Allerdings erreicht auch ein sehr elastischer Flummi nicht
mehr seine Ausgangshöhe. Hier ist die fehlende Energie ∆W = m · g · (h − y)
ebenfalls ein Maß für die im Körper durch die Verformung entstandene Wärme.
Unter Einbeziehung aller Energieformen formuliert man den
Satz 37. Energieerhaltungssatz der Physik In einem abgeschlossenen System ist
die Gesamtenergie zeitlich konstant.
Anmerkung Temperaturen sind ein Maß für die Wärme oder innere Energie der un-
geordneten Bewegung der Atome bzw. Moleküle. Sie wird in den Einheiten ◦ C und K
(lies: Kelvin20 ) gemessen. Temperaturen in ◦ C bezeichnen solche auf der Celsius-Skala21 .
Sie ist in der Schrittweite („Grad“) der Kelvin-Skala angepasst. Da es keine beliebig tie-
fen Temperaturen gibt, ist der Anfang der Temperaturskala bei 0 K = −273,16◦ C . Der
zweite fundamentale Fixpunkt ist gegeben durch den Tripelpunkt des Wassers. Dort
existieren Wasser (flüssig), Wasserdampf und Eis gleichzeitig. Daher 273,16 K = 0◦ C .
Temperaturdifferenzen werden in K angegeben. Die Verwendung von ◦ C ist nicht verbo-
ten.22 . Ich schreibe es so:
∆ϑ = ϑ2 − ϑ1 = 11 ◦ C − 7 ◦ C = 4 K .
146
4.4 Energieerhaltung
Die verwendeten Größenzeichen sind ϑ oder t für Angaben in ◦ C, sowie T für Angaben
in der Einheit K.
Anmerkung Die Energie, die erforderlich ist, um einen Stoff der spezifischen Wärme-
kapazität c und der Masse m um ∆ϑ zu erwärmen, berechnet sich zu:
Q = c · m · ∆ϑ (4.21)
J kJ
Blei hat die spez. Wärmekapazität c = 0,129 g·K = 0,129 kg·K . Mit welcher Temperatur-
erhöhung kann man rechnen, wenn das Bleischrot 5-mal von der Zimmerdecke fallenge-
lassen wird? Die Deckenhöhe wurde mit 3,15 m gemessen.
Nach dem Energieerhaltungssatz Satz 37 (s. links) erhält man:
W = Q = c · m · ∆ϑ ;
m · g · h = c · m · ∆ϑ ;
m·g·h g·h
∆ϑ = = ;
c·m c
9,81 sm2 · 5 · 3,15 m
∆ϑ = kJ
= 1,2 K .
0,129 kg·K
m m
s2
·m kg · ·m·K
s2
Einheitenbetrachtung: J
= = K.
kg·K
Nm
Um die „Wucht“ eines Aufprall mit 100 kmh zu demonstrieren, soll ein Auto von einem
Hubschrauber aus fallengelassen werden. Berechne die Höhe, aus der das Auto frei fallen
müsste mit dem Energieerhaltungssatz.
1
m·g·h= · m · v2 ;
2
2 2
100 km 100 m
v2 h 3,6 s
h= = = = 39,3 m .
2·g 2 · 9,81 sm2 2 · 9,81 sm2
Berechne jeweils die Geschwindigkeiten, mit denen ein Körper der Masse 10 kg am Boden
ankommt.23
23
[13, S. 79 A1]
147
4 Arbeit, Leistung, Energie
148
4.4 Energieerhaltung
1
· m · v02 = m · g · h ;
2
v2 h
h = 0 ; mit sin α = folgt:
2·g `
2
72 m
h v02 3,6 s
`= = = = 254 m .
sin α 2 · g · sin α 2 · 9,81 sm2 · sin 4,6◦
Ein Klein-LKW (mW = 5 t) wird von 100 km h zum Stillstand abgebremst. Berechne die
Temperaturerhöhung der Bremsen. Masse der Bremsen: 10 kg; spezifische Wärmekapa-
J
zität von Eisen c = 0,45 g·K (vergleiche (4.21) (S. 147)).24
1
· mW · v02 = c · mB · ∆ϑ ;
2
2
5 t · 100 m
mW · v 2 3,6 s
∆ϑ = = = 429 K .
2 · c · mB kJ
2 · 10 kg · 0,45 kg·K
Springende Feder
Eine 20 cm lange Schraubenfeder der Masse 50 g wird auf die Hälfte zusammengedrückt
und so losgelassen, dass sie lotrecht nach oben schnellt. Welche Höhe erreicht das untere
N
Ende, wenn die Federkonstante 150 m beträgt? Die Eigenschwingung der Feder soll un-
berücksichtigt bleiben. Tipp: Die Lösung ist 1,48 m; der Ansatz soll begründet werden.25
Drückt man die Feder um 10 cm (. . . auf die Hälfte . . . )
zusammen, so liegt der Schwerpunkt S1 5 cm über der
Nulllinie der potentiellen Energie (Tischplatte; graue Li-
20 cm b
S2
nie). Die Gesamtenergie im Zustand (1) beträgt daher
1
Wges,(1) = m · g · 5 cm + · D · (10 cm)2 .
2
Im höchsten Punkt ist die Feder in Ruhe. Die potentielle
Energie setzt sich aus der (gesuchten) Höhe h und der h
Lage des Schwerpunktes S2 zusammen. Daher gilt für
Zustand (2): 10 cm S1
b
149
4 Arbeit, Leistung, Energie
1
m · g · h + m · g · 10 cm = m · g · 5 cm + · D · (10 cm)2 ;
2
1
m·g·h= · D · (10 cm)2 + m · g · 5 cm − m · g · 10 cm ;
2
1
m · g · h = · D · (10 cm)2 − m · g · 5 cm ;
2
1
· D · (10 cm)2 − m · g · 5 cm
h= 2
m·g
1
· D · (10 cm)2 m · g · 5 cm
= 2 −
m·g m·g
2
D · (10 cm)
= − 5 cm
2·m·g
150 mN
· (0,1 m)2
= − 0,05 m
2 · 0,05 kg · 9,81 sm2
= 1,48 m .
Betrachte die Abbildung 4.10 (s. rechts). Ein Fadenpendel der Länge ` wird um den
Winkel ϕ ausgelenkt. Berechne zunächst die Lageenergie des Pendelkörpers gegenüber
dem tiefsten Punkt A in Abhängigkeit von ϕ. Ermittle anschließend die Geschwindigkeit
in A, wenn man ihn in D (ohne Anfangsgeschwindigkeit) losgelassen hat mit den Daten
ϕ ∈ {8◦ ; 25◦ } und ` = 1 m.
x
Mit = cos ϕ, also x = ` · cos ϕ erhält man:
`
h = ` − x = ` − ` · cos ϕ = ` · (1 − cos ϕ) ;
Wpot = m · g · ` · (1 − cos ϕ) ;
1
Wkin = · m · v 2 = m · g · ` · (1 − cos ϕ) = Wpot ;
2
2
v = 2 · g · ` · (1 − cos ϕ) ;
q
v= 2 · g · ` · (1 − cos ϕ) ;
m m
r
v (8◦ ) = 2 · 9,81
· 1 m · (1 − cos 8◦ ) = 0,437 ;
s2 s
m m
r
v (60◦ ) = 2 · 9,81 2 · 1 m · (1 − cos 60◦ ) = 3,13 .
s s
150
4.4 Energieerhaltung
b
B
M
b
x
ϕ
ℓ
x
C
d D
h
Zusatz Man kann zeigen, dass für kleine Winkel ϕ die folgende Aussage gilt:26
Satz 38. Die horizontale Auslenkung d ist zur Geschwindigkeit v in A proportional.
Beweis. Wir betrachten dazu den zur Satzgruppe des Pythagoras gehörigen Höhen-
satz27 , der mit den gegebenen Bezeichnungen von Abbildung 4.10 lautet:
2
CD = BC · CA ;
d2 = 2 · (` − h) · h .
151
4 Arbeit, Leistung, Energie
2 d2
v2 = ·m·g· ;
m 2·`
g
r
v= · d , also v ∼ d .
`
Rechnet man nun mit der letzten Gleichung die Geschwindigkeit erneut aus, so hat man
d
wegen = sin ϕ:
`
g g
r r
v= ·d= · ` · sin ϕ
` `
9,81 sm2
s
m
v (8◦ ) = · 1 m · sin 8◦ = 0,436 ; rel. Fehler: 0,2 %.
1m s
9,81 sm2
s
m
v (60◦ ) = · 1 m · sin 60◦ = 2,71 ; rel. Fehler: 15,5 %.
1m s
Man kann nachrechnen: Bleibt der Winkel unter 15◦ , so ist der Fehler kleiner als 1 %.
Man muss eben wissen, was man haben will.
Nach den ganzen Überlegungen und Übungen ist es an der Zeit, den Energieerhaltungs-
satz in einem Experiment nachzuprüfen.
Wir betrachten dazu die Abbildung 4.11, in der die Bezeichnungen und die zu messenden
Größen dargestellt sind.
(1) (2) (3) (4)
b b b b
s1
s3
s2
y1 m s4 LS, tD , d
y2
y3 y5
y4
152
4.4 Energieerhaltung
1
Wges,(3) = · D · (y1 − y3 )2 .
2
1 1
Wges,(4) = · m · v 2 + m · g · (y5 − y4 ) + · D · (s2 − s4 )2
2 2
1 1
= · m · v 2 + m · g · (y5 − y4 ) + · D · ((y1 − y3 ) − (y5 − y4 ))2 .
2 2
153
4 Arbeit, Leistung, Energie
m y1 y2 y3 y4 y5 tD d
g cm cm cm cm cm ms mm
301,5 32,9 20,0 10,3 2,85 10,35 5,997 5,0
1 1
Wges,(4) = · m · v 2 + m · g · (y5 − y4 ) + · D · ((y1 − y3 ) − (y5 − y4 ))2
2 2
1 m 2
= · 0,3015 kg · 0,834
2 s
m
+ 0,3015 kg · 9,81 2 · (0,1035 m − 0,0285 m)
s
1 N
+ · 22,9 · ((0,329 m − 0,103 m) − (0,1035 m − 0,0285 m))2
2 m
= 105 mJ + 222 mJ + 261 mJ = 588 mJ
Ich habe das Experiment einige Male in verschiedenen Kursen durchgeführt. Die Er-
gebnisse waren weitgehend überzeugend. Hier die Daten mit den Ergebnissen aus dem
Schuljahr 2003/04 (Feb/März 2004; Schülerprotokoll ohne Datum):
m y1 y2 y3 y4 y5 tD d
g cm cm cm cm cm ms mm
301 34,8 22,6 10,1 2,87 10,85 5,07 5,0
m·g N
D= = 24,2 ;
y1 − y2 m
d 5 mm m
v= = = 0,986 ;
tD 5,07 ms s
1
Wges,(3) = · D · (y1 − y3 )2 = 738 mJ
2
Wges,(4) = s. o. = 146 mJ + 236 mJ + 338 mJ = 720 mJ
154
4.4 Energieerhaltung
Die Abweichung beträgt 2,5 %, was in der Schule noch vertretbar ist.
Anmerkung Man kann auch am Pendel (S. 151) die kinetische und potentielle Energie
experimentell miteinander vergleichen. Ein Praktikant hat dies in einem Kurs durchge-
führt. Die Ergebnisse waren nach den mir vorliegenden Protokollen nicht besonders gut,
da die Positionsbestimmung für die Messung der potentiellen Energie nicht einfach ist.
Ferner ist bei diesem Experiment die Spannenergie nicht eingebunden.
155
5 Erhaltungssätze in Kombination;
Stoßversuche
Teile der nachfolgenden Abschnitte gehörten nicht zu den Standardunterrichtsinhalten,
wurden aber vereinzelt durchgeführt. Zur Vertiefung sind sie sicher zu empfehlen.
mK · v = (mK + mW ) · vW 0
;
mK + mW 0
v= · vW (5.1)
mK
50 g + 1,5 kg m m
= · 9,5 = 295 .
50 g s s
3. Berechne die noch vorhandene kinetische Energie Wkin,2 nach dem Beschuss.
2
1 0 2 1 m
Wkin,2 = · (mK + mW ) · vW = · (50 g + 1,5 kg) · 9,5 = 69,9 J .
2 2 s
1
Nicolas Léonard Sadi Carnot, 1796–1832, franz. Physiker und Ingenieur
2
Die Bezeichnung „Satz von Carnot“ findet man in [20] 2.6.2.3. Im Internet ist die Begriffsbildung
nur für eine mathematische Aussage im Dreieck zu finden. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/
Satz_von_Carnot. Dieser Satz stammt allerdings von Sadis Vater Lazare Carnot.
3
Aus der Klausur Nr. 2, LK PH/375, Jgst. 11, 30.04.1999, L9822A.TEX
157
5 Erhaltungssätze in Kombination; Stoßversuche
1
4. Zeige, dass die Differenz der in 2 und 3 berechneten Energien gerade 2 · µ · v2
1 1 1
beträgt, wobei = + (Satz von Carnot).
µ mK mW
Energiedifferenz, „Energieverlust“:
Bestimmung von µ:
1 1 1
= +
µ mK mW
1 1 1
= + = 20,67
50 g 1,5 kg kg
µ = 48,4 · 10 kg .
−3
∆W = Wkin,1 − Wkin,2
1 1 0 2
= · mK · v 2 − · (mK + mW ) · vW
2 2
2
1 1 mK
= · mK · v 2 − · (mK + mW ) · ·v
2 2 mK + mW
2 !
1 mK
= · mK − (mK + mW ) · · v2
2 mK + mW
1 mK · (mK + mW ) − m2K 2
= · ·v
2 mK + mW
1 mK · mW
= · · v2
2 mK + mW
1 1
= · mK +mW · v 2
2 mK ·mW
1 1 1 1 2 1
= · 1 1 · v2 = · · v = · µ · v2 ,
2 mW + mK
2 µ1 2
158
5.2 Der gerade elastische Stoß
1 1 1
mit = + .
µ mW mK
Gleichungen dieser Form treten in der Physik häufiger auf. µ wird auch reduzierte
Masse genannt. Diese Ersetzungsmasse spielt bei der Behandlung von Zweikörperpro-
blemen ( 7.5.2 (S. 207)) eine Rolle.
Wir betrachten im Folgenden den Stoß eines Körpers (1) der Masse m1 auf einen Körper
(2) der Masse m2 längs einer Geraden. Die rechnerischen Ergebnisse lassen sich etwa auf
einer Luftkissenfahrbahn experimentell nachprüfen. Allerdings liegen mir keine Messda-
ten vor. Das Thema wurde allein rechnerisch behandelt. Betrachtete Spezialfälle wurden
bezüglich ihrer praktischen Auswirkungen diskutiert.
v 1 und #»
#» v 2 bzw. #»
v 01 und #»
v 02 bezeichnen die Geschwindigkeiten der einzelnen Körper
vor und nach dem Stoß. Richtung mit Orientierung von #» v sei längs einer Gerade von
1
links nach rechts „−→“ festgelegt. In Bezug dazu werden alle anderen Orientierungen
interpretiert.
Zunächst formulieren wir das Stoßereignis mit den beiden uns bekannten Erhaltungssät-
zen:
Energieerhaltungssatz
1 1 1 2 1 2
· m1 · v12 + · m2 · v22 = · m1 · v10 + · m2 · v20 ; (5.2)
2 2 2 2
Impulserhaltungssatz
Nach Multiplikation von (5.2) mit 2 sortieren wir die Gleichungen nach den Indizes 1
und 2:
2 2
m1 · v12 − v10 = m2 · v20 − v22 ; (5.4)
Nun dividiert man (5.4) durch (5.5) und beachtet die 3. binomische Formel a2 − b2 =
(a + b) · (a − b):
= ;
m1 · (v1 − v10 ) m2 · (v20 − v2 )
m1 · (v1 + v10 ) · (v1 − v10 ) m2 · (v20 + v2 ) · (v20 − v2 )
= ;
m1 · (v1 − v1 )0 m2 · (v20 − v2 )
159
5 Erhaltungssätze in Kombination; Stoßversuche
v1 + v10 = v20 + v2 ;
m1 · v1 − v10 = m2 · v10 + v1 − v2 − v2 ;
m1 · v1 − m1 · v10 = m2 · v10 + m2 · v1 − m2 · v2 − m2 · v2 ;
−m1 · v10 − m2 · v10 = m2 · v1 − 2 · m2 · v2 − m1 · v1 ;
m1 · v10 + m2 · v10 = −m2 · v1 + 2 · m2 · v2 + m1 · v1 ;
v10 · (m1 + m2 ) = 2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1 ;
2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1
v10 = (5.8)
m1 + m2
2 · m1 · v1 + (m2 − m1 ) · v2
v20 = (5.9)
m1 + m2
Damit ist es möglich, den Zustand nach dem Stoß aus dem Zustand vor dem Stoß zu
beschreiben.4
1 2
1 2
Abbildung 5.1: Beide Körper tauschen ihre Geschwindigkeit aus. Speziell gilt: Wenn der
zweite Körper ruht, so bewegt er sich mit der Geschwindigkeit des sto-
ßenden Körpers fort. Der erste Körper bleibt stehen.
4
Diese Aussage ist typisch für die klassische Physik. Aus der Kenntnis eines Ausgangszustandes ist der
nachfolgende Zustand determiniert, also vorherbestimmt.
160
5.2 Der gerade elastische Stoß
2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1 2 · m · v2 + (m − m) · v1
v10 = = = v2 (= 0) ;
m1 + m2 m+m
2 · m1 · v1 + (m2 − m1 ) · v2 2 · m · v1 + (m − m) · v2
v20 = = = v1 .
m1 + m2 m+m
1 2
1 2
Abbildung 5.2: Nach dem Stoß bewegt sich der Körper zwei langsam nach rechts; der
kleinere Körper verliert etwas an Geschwindigkeit, deren Orientierung
sich umkehrt. Die Pfeile sind maßstabsgerecht eingezeichnet; siehe nach-
folgenden Zusatz.
Vorausgesetzt ist also m2 > m1 , v1 > 0 und v2 = 0. Mit (5.8) und (5.9) (s. links) gilt:
2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1 m1 − m2
v10 = = · v1 < 0 .
m1 + m2 m1 + m2
−v1 < v10 < v1 oder speziell −v1 < v10 < 0.
2 · m1 · v1 + (m2 − m1 ) · v2 2 · m1
v20 = = ·v1 ; daraus folgt 0 < v20 < v1 .
m1 + m2 m1 + m2
| {z }
<1
Zusatz Wenn man die Massen der Körper 1 und 2 mit den Geschwindigkeiten ins
richtige Verhältnis setzen will, ergeben sich folgende Daten:
Vor dem Stoß gibt es in der Abbildung 5.2 zwei kugelförmige Körper mit den Radien
r1 = 0,25 cm und r2 = 0,65 cm. Nimmt man gleiche Materialien an, so gilt für das
Massenverhältnis:
% · 43 πr13
3 3
m1 % · V1 r1 0,25 cm
= = = = = 0,0569 .
m2 % · V2 % · 43 πr23 r2 0,65 cm
161
5 Erhaltungssätze in Kombination; Stoßversuche
2 · m1 2 · 0,0569
v20 = · v1 = · 1,75 cm = 0,188 cm .
m1 + m2 0,0569 + 1
b
Vorausgesetzt ist also m2 < m1 , v1 > 0 und v2 = 0. Mit (5.8) und (5.9) (S. 160) ist:
2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1 m1 − m2
v10 = = · v1 > 0 .
m1 + m2 m1 + m2
2 · m1 · v1 + (m2 − m1 ) · v2 2 · m1
v20 = = ·v1 ; daraus folgt 0 < v1 < v20 .
m1 + m2 m1 + m2
| {z }
>1
1 2
1 2
Abbildung 5.3: Nach dem Stoß bewegt sich der Körper 2 sehr schnell nach rechts.
Zusatz Wenn man die Massen der Körper 1 und 2 mit den Geschwindigkeiten ins
richtige Verhältnis setzen will, ergeben sich folgende Daten:
Vor dem Stoß gibt es in der Abbildung 5.3 zwei kugelförmige Körper mit den Radien
r1 = 0,65 cm und r2 = 0,25 cm. Nimmt man gleiche Materialien an, so gilt für das
Massenverhältnis:
% · 43 πr23
3 3
m2 % · V2 r2 0,25 cm
= = = = = 0,0569 .
m1 % · V1 % · 43 πr13 r1 0,65 cm
162
5.2 Der gerade elastische Stoß
Wir wählen nun m1 = 1 ME und m2 = 0,0569 ME (Masseneinheiten) und setzen für die
Geschwindigkeit gemäß der in Abbildung 5.3 gezeichneten Länge v1 =
b 0,5 cm fest. Damit
berechnet man:
m1 − m2 1 − 0,0569
v10 = · v1 = · 0,5 cm = 0,446 cm ;
m1 + m2 1 + 0,0569
b
2 · m1 2·1
v20 = · v1 = · 0,5 cm = 0,946 cm .
m1 + m2 1 + 0,0569
b
Diese Pfeillängen sind eingezeichnet. Die Positionen der Körper 1 und 2 sind relativ
zueinander korrekt dargestellt.
Man erkennt ferner, dass der Geschwindigkeitsverlust von Körper 1 nur gering ist. Dafür
ist die Beschleunigung (Geschwindigkeitsänderung) von Körper 2 unvermittelt sehr groß.
Man kann nun verstehen, dass es sehr kritisch ist, wenn ein LKW auf einen stehenden
PKW (Stauende) auffährt, obwohl der Stoß auch teilweise unelastisch ist.
m1
1 ≈0
m2
sowie v1 > 0 und v2 = 0. Dabei bedeutet m2 die Masse der Wand. Mit (5.8) und (5.9)
(S. 160) folgt:
m −1
1
2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1 m1 − m2 m2 · m
v1 =
0
= · v1 = 2 · v1 ≈ −v1 ; (5.10)
m1 + m2 m1 + m2 m2 · m 1
+ 1
m2
2 · m1 · v1 + (m2 − m1 ) · v2 2 · m1
v20 = = · v1
m1 + m2 m1 + m2
2 · m1
v20 = · v1 ≈ 0 . (5.11)
+ 1
1
m2 · m m2
Ein Körper prallt also mit der gleichen Geschwindigkeit wieder von der Wand ab, die
fest stehen bleibt, und er behält wegen v12 = v10 2 seine kinetische Energie.
Die Impulsänderung beträgt aber insgesamt Null, denn man hat für den Körper:
163
5 Erhaltungssätze in Kombination; Stoßversuche
1 4 · m1 · m12
m
2
= · 2 · v1 ≈ 0 .
2 m1
+1
m2
Mit v20 ≈ 0 lässt sich das schon nach dem zweiten Gleichheitszeichen feststellen. Wenn
man aber die inneren Abhängigkeiten vom Massenverhältnis sehen möchte, ist die ge-
zeigte Umformung nützlich.
Wasserteilchen treffen (senkrecht) auf eine Turbinenschaufel.5 Wir simulieren die Turbine
wie bei der Betrachtung des Stoßes auf eine Wand (Seite 163) durch den Ansatz m2
m1 , d. h.
m1
1 ≈0
m2
sowie v1 = u und v2 = α · u. Dabei bedeutet m2 die Masse der Turbinenschaufel und
m1 die Masse eines Wasserteilchens. u ist die Geschwindigkeit der Wasserteilchen (v1 ).
Gesucht ist die Geschwindigkeit der Turbinenschaufel (v2 ) als Anteil von u, so dass die
Energieübertragung maximal ist. Mit (5.8) folgt:
1
2 · m2 · v2 + (m1 − m2 ) · v1 2 · m2 · α · u + m1 · u − m2 · u
v10 = = · m2
1
m1 + m2 m1 + m2 m2
2·α·u+ m1
·u−u
= m2
m1
m2 +1
≈ (2 · α − 1) · u
Wählt man nun α = 21 , so ist v10 = 0, der Energieübertrag daher maximal. Die gesamte
kinetische Energie wird an der Turbinenschaufel abgegeben.
Fazit Eine Turbine hat dann ihren höchsten Wirkungsgrad, wenn die Geschwindigkeit
der Schaufeln halb so groß ist wie die des einströmenden Wassers.
5
[20] 2.6.3.9.
164
5.2 Der gerade elastische Stoß
Ein 10 t schwerer Güterwagen wird mit der Geschwindigkeit 3 ms gegen einen zweiten
stehenden gestoßen. Dieser bewegt sich nach dem Stoß mit der Geschwindigkeit 2 ms .
Welche Masse hat der zweite Güterwagen? Mit welcher Geschwindigkeit bewegt sich der
erste Wagen nach dem Stoß? (Der Vorgang wird als völlig elastisch angenommen.)6
Benutzt man die Gleichungen (5.8) und (5.9) (S. 160), so gestaltet sich die Rechnung
überschaubar7 , da die Gleichungen ohne Quadrat auskommen. Daher ist mit v2 = 0:
m1 − m2 10 t − m2 m
v10 = · v1 = ·3 ; (5.12)
m1 + m2 10 t + m2 s
2 · 10 t m m
v20 = ·3 =2 ;
10 t + m2 s s
60 t = 20 t + 2 · m2 ;
m2 = 20 t . (5.13)
Klick-Klack-Kugeln
Sieben gleiche und völlig elastische Kugeln der Masse m sind an Fäden so aufgehängt,
dass sie eine gerade Reihe bilden und sich in Ruhelage ohne Druck berühren. Man hebt
nun links zwei Kugeln hoch und lässt sie los, so dass sie mit der Geschwindigkeit v auf
die restliche Reihe der Kugeln aufprallen.8
1. Energie- und Impulssatz sind erfüllt, wenn zwei Kugeln rechts abgestoßen werden
und dabei die Geschwindigkeit v erhalten.
Der Impuls- und Energieerhaltungssatz gelten beide trivialerweise:
1 1
(2 · m) · v = (2 · m) · v und · (2 · m) · v 2 = · (2 · m) · v 2 .
2 2
2. Dies ist nicht der Fall, wenn rechts nur eine Kugel mit doppelter Geschwindigkeit
abgestoßen würde.
6
[20] 2.6.3.2.
7
Benutzt man den Ansatz über den Impuls- und Energieerhaltungssatz, so führt die Rechnung auf eine
quadratische Gleichung. Von den beiden Lösungen ist dann eine physikalisch nicht sinnvoll.
8
[20] 2.6.3.5.
165
5 Erhaltungssätze in Kombination; Stoßversuche
Die Funktionsweise der Klick-Klack-Kugeln hängt also von beiden Erhaltungssätzen ab.
Eisstockschießen
Ein Eisstock prallt mit der Geschwindigkeit v1 in zentralem, völlig elastischem Stoß auf
eine kleine Eisenscheibe. Welche Geschwindigkeit erhält diese, wenn ihre Masse so klein
ist, dass man sie gegenüber dem Eisstock vernachlässigen darf?9
Die Daten für den Eisstock sind: v1 , m1 und v10 . Die Daten für die Eisenscheibe ergeben
sich aus dem Text: v2 = 0, m2 m1 und v20 . Nach (5.9) (S. 160) erhält man dann:
2 · m1 2 · m1 · m11 2
v20 = · v1 = 1 · v1 = · v1 ≈ 2 · v1 ,
m1 + m2 (m1 + m2 ) · m1 1+ m 2
m1
Untersuche den Stoß zweier gleicher Massen m1 = m2 = m. Für den Körper 1 sei #»
v 1 = #»
v
und für Körper 2 gelte v 2 = o .
#» #»
Mit dem Impulserhaltungssatz Satz 16 (S. 109) setzt man an:
v = m · #»
m · #» v 01 + m · #»
v 02 = m · #»
v0;
v = #»
#» v 0 + #»
1 v 0 = #»
v0; 2 (5.14)
02 02
v2 = v1 + v2 −2 · v10 · v20 · cos (180◦ − α) ; (5.15)
2 2 2
v = v10 + v20 + 2 · v10 · v20 · cos α . (5.16)
Die in den Gleichungen (5.15) und (5.16) auf dieser Seite benutzten Beziehungen sind
im Anhang „Der Cosinussatz“ C.6.1 (S. 626) bzw. „Skalarprodukt von Vektoren und
Cosinussatz“ C.6.2 (S. 627) und Satz 152 (S. 623) erklärt. Mit dem Energieerhaltungssatz
folgt nun:
1 1 2 1 2
· m · v 2 = · m · v10 + · m · v20 ;
2 2 2
9
[20] 2.6.3.8.
166
5.2 Der gerade elastische Stoß
#»
v ′1
α
#»
v 180◦ − α
1 2 α #»
v′
#»
v ′2
Abbildung 5.4: Zwei Körper gleicher Masse machen entweder einen geraden elastischen
Stoß oder laufen unter einem Winkel von 90◦ auseinander. Das Experi-
ment lässt sich einfach mit zwei gleichen Münzen nachstellen.
2 2
v 2 = v10 + v20 . (5.17)
167
6 Kreisbewegung
In der Abbildung 6.1 fährt eine Eisenbahn im Kreis. Nun muss man etwas genauer
sehen, dass eine Kreisbewegung, so wie wir sie hier betrachten wollen, die Bewegung
eines Punktes (Massenpunktes) auf einer Kreisbahn bedeutet. So etwas gibt es nicht,
aber eine Eisenbahn, die auf einem Schienenkreis unterwegs ist – viele Kinder fangen ja
mit einer solchen Ausstattung an und liegen oft minutenlang mit dem Kopf neben den
Schienen und beobachten das Fahren des Zuges oder einfach nur der Lokomotive – ist
in guter Näherung ein Modell für die nun zu entwickelnde Vorstellung. Wenn man nicht
am Trafo dreht, so bewegt sich der Zug auf der Kreisbahn gleichförmig. Diese Bewegung
wollen wir im Folgenden genauer betrachten.
Ort
Die Position eines Körpers lässt sich mit Polarkoordinaten beschreiben. Dazu gibt man
den Winkel ϕ und den Abstand von einem Koordinatenursprung r an. Die Umrechnung
in kartesische Koordinaten erläutert die Abbildung 6.2 (S. 170). Da eine Kreisbewegung
eine ebene Bewegung ist, erübrigt sich die Angabe einer dritten Koordinate z.
169
6 Kreisbewegung
r sin ϕ
r
ϕ
x
r cos ϕ
Abbildung 6.2: Der Ort des Körpers m lässt sich mit Polarkoordinaten recht einfach
beschreiben.
Zeit
Der zeitlichen Verlauf der Kreisbewegung lässt sich über die Zeit für einen vollständigen
Durchlauf des Kreises (Umlaufdauer) beschreiben.
Def. 21. Zeit für einen Umlauf ; Größenzeichen: T .
1 1
T = und f= (6.1)
f T
170
6.1 Kinematik der Kreisbewegung
In den obigen Beispielen hätte man auch schreiben können: Die Eisenbahn hat eine
Frequenz von 0,133 s−1 und T = 20 ms bedeuten eine Frequenz von f = 50 Hz.
Bahngeschwindigkeit
Unter der Bahngeschwindigkeit versteht man den Quotienten aus dem auf dem Kreis
zurückgelegten Weg und der dazugehörigen Zeit:
Weg (auf dem Kreis)
Bahngeschwindigkeit = (6.2a)
zugehörige Zeit
2πr
v= (6.2b)
T
Mit der Definition
Def. 23. Kreisfrequenz
2π
ω= = 2πf (6.3)
T
erhält man:
v = ω · r = 2πf · r (6.4)
171
6 Kreisbewegung
1 mm
v = ω · r = 0,838 · 1 020 mm = 855 .
s s
Geschwindigkeit
Bei einer gleichförmigen Kreisbewegung ist nur der Betrag der Geschwindigkeit kon-
stant. da die Richtung von #»
v sich stets ändert, ist die gleichförmige Kreisbewegung eine
beschleunigte Bewegung. Wir erwarten also gemäß
#» ∆ #»
v
F =m·
∆t
Kräfte. Vergleiche dazu Abbildung 6.4 (S. 172) und das Kapitel über Dynamik der
Kreisbewegung 6.2 (S. 178).
y
#»
v1
#»
v2
#»
v3
Gradmaß
Das Gradmaß für Winkel ist natürlich bekannt; es umfasst die Winkelmaße 0◦ . . . 360◦ .
Wenn man den Kreis fortgesetzt durchläuft, ordnet man diesen Positionen Winkel über
172
6.1 Kinematik der Kreisbewegung
b
1
x
ϕ
1 r x
360◦ zu. Entsprechendes gilt für eine vorangegangene oder anders orientierte Bewegung
auf dem Kreis. Diese Positionen können mit negativen Winkeln ausgedrückt werden.
Bogenmaß
Der Einheitskreis hat den Radius 1 (beachte die Fußnote 1 ). Also gilt für das Bogenmaß
ϕ
x= ·π →RAD
180◦
1
Längen wie der Radius eines Kreises sind in der Mathematik reelle Zahlen und daher einheitenfrei.
Vergleiche dazu auch die Ausführungen zur Einheit „rad“.
173
6 Kreisbewegung
b=x·r (6.5)
Beispiel Für den Winkel ϕ = 90◦ berechnet sich das Bogenmaß zu:
ϕ 90◦ 1 π
x= · π = ·π = ·π = .
180◦ 180◦ 2 2
Zur besonderen Kennzeichnung der Herkunft der Zahl „Winkel im Bogenmaß“ führt man
die Einheit 1 rad ein.
b def 1m
1 rad = = = 1. (6.6)
r 1m
Beispiel
π π
90◦ = = rad
2 2
180◦
ϕ= ·x →DEG
π
180◦
ϕ= · 1 = 57,3◦ .
π
1m 1m
ϕ = 57, 3◦
1m
2 b x
Man kann sich das leicht als „Strahlensatz“ merken: = .
r 1
174
6.1 Kinematik der Kreisbewegung
6.1.4 Beispiele
1. Ein Karussell dreht sich mit der Umlaufdauer T = 5 s. Wie lange benötigt ein
Körper für einen Winkel von 43,2◦ ?
Man könnte sofort wie in (6.7) (S. 175) eine Verhältnisgleichung ansetzen:
43,2◦ t
= ;
360◦ 5s
43,2◦
t= · 5 s = 0,6 s .
360◦
Genauso – nur anders – stellt sich die formale Rechnung mittels Gleichung (6.8)
(S. 175) dar:
ϕ ϕ 43,2◦ π
180◦ · 43,2◦
t= = 2π = · 5s = · 5 s = 600 ms .
ω T
2π 2π
2. Die Frage3 , wie viele Umdrehungen pro Sekunde ein Autoreifen von 72 cm Durch-
messer bei einer Geschwindigkeit von 90 km
h macht, lässt sich wie folgt beantworten.
2πr
Aus v = berechnet man (siehe (6.1), (6.2b), S. 171):
T
1 v 90 km
h 90 · 103 m 1
=f = = = = 11,1 .
T 2πr 2π · 36 cm 2π · 0,36 m · 3 600 s s
Daher macht der Autoreifen 11,1 Umdrehungen je Sekunde.
3
[20] 2.7.1.1.
175
6 Kreisbewegung
2π 2π 2π rad
ω= = = = 1,75 · 10−3
T 1h 3 600 s s
1
= 1,75 · 10−3 = 1,75 · 10−3 Hz .
s
4. a) Welche Geschwindigkeit hat ein Punkt des Äquators bei der Erdrotation (sie-
he (6.2b), S. 171)? 5 6
b) Wie groß ist die Geschwindigkeit eines Punktes des 60. Breitengrades? 7
Betrachte die Abbildung 6.2 (S. 170). Die Lösung erfolgt wie bei Aufgabe
4a, nur ist hier der wirksame Radius r die Länge des Lotes von m auf die
y-Achse (Rotationsachse der Erde), also genauso lang wie die blaue Linie auf
der x-Achse. Daher gilt:
2π · r 2π · rE cos ϕ m m
v= = = 463 · cos 60◦ = 232 .
T T s s
v 463 ms rad
ω= = = 72,7 · 10−6 .
rE 6,371 · 10 m
6 s
6.1.5 Beschleunigung
Betrachte die Abbildung 6.7 (S. 177) 9 . Sie zeigt einen Körper m im Punkt A, der
sich auf einer Kreisbahn mit der Geschwindigkeit v gleichförmig bewegt. Ohne weitere
Wechselwirkungen würde sich der Körper von A aus geradlinig tangential zum Kreis
weiterbewegen und in einer Zeit t bis zum Punkt B gelangen. Da der Körper aber auf
dem Kreis bleibt, muss eine Kraft – und damit eine Beschleunigung – dafür sorgen, dass
er sich nach der Zeit t im Punkt C befindet. Diese Überlegung kann man in C erneut
denken, so dass man auf diese Weise eine „Sägezahn-Kreisbahn“ des Körpers erhält.
Wählt man die Zeit t für die einzelnen Vorgänge aber beliebig klein (berechnet also den
Grenzwert für t → 0), so werden die „Zähne“ beliebig klein, und man beschreibt auf
diese Weise die Kreisbahn des Körpers.
4
[20] 2.7.1.4.b
5
[20] 2.7.1.5.
6
[32] Der (mittlere) Erdradius beträgt rE = 6,371 · 106 m.
7
[20] 2.7.1.6.
8
[20] 2.7.1.7.
9
[20] 2.7.2.2.
176
6.1 Kinematik der Kreisbewegung
A m ℓ B
s
C
r
r
Abbildung 6.7: Wir zerlegen nach dem Unabhängigkeitsprinzip (siehe 2.1.1 (S. 73)) die
Bewegung des Körpers in eine gleichförmige Bewegung von A nach B
und eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung von B nach C.
Aus den geometrischen Zusammenhängen ergibt sich nach dem Satz des Pythagoras:
`2 + r2 = (r + s)2 = r2 + 2rs + s2 ; | − r2 (6.9)
`2 = 2rs + s2 . (6.10)
Die gleichförmige Bewegung wird beschrieben durch:
` = v · t. (6.11)
Die beschleunigte Bewegung wird beschrieben durch:
1
s = at2 . (6.12)
2
Dabei bedeutet t die für beide Vorgänge gemeinsame Zeit.
Setzt man (6.12) und (6.11) in (6.10) ein, so hat man:
1 1
v 2 t2 = 2r · at2 + a2 t4 ; | : t2
2 4
2 1 2 2
v = ra + a t
4
1 2
=a at + r .
4
Betrachtet man nun den Grenzwert für t → 0, so folgt, da a = konst und r = konst:
v 2 = ar
177
6 Kreisbewegung
Zentripetalbeschleunigung
#»
v1
#»
v2
a# »
Z1
a# »
Z2
a# »
Z3
#»
v3
178
6.2 Dynamik der Kreisbewegung
Zentripetalkraft
v2
FZ = m · aZ = mω 2 r = m (6.15)
r
#»
FZ ist nur der Betrag von F Z ; dieser hat immer die gleiche Richtung und Orientierung
wie #»
a Z.
#»
F Z ist die Kraft, die ein nicht mitbewegter Beobachter feststellt, damit ein Körper an
der Kreisbahn teilnimmt. Andernfalls würde sich ja der Körper geradlinig gleichförmig
weiterbewegen.
Zentrifugalkraft
#»
F ∗Z
#»
v
#» #»
FZ FZ
Abbildung 6.9: Der außenstehende Beobachter sieht den Körper mit der Bahngeschwin-
#»
digkeit #»
v und der daraus resultierenden Zentripetalkraft F Z , die den
Körper auf den Kreis zwingt (links). Der mitbewegte Beobachter ist kräf-
#»
tefrei und muss daher die Zentrifugalkraft F ∗Z annehmen.
Etwas anders beschreibt ein mitbewegter Beobachter die wirkenden Kräfte. Als Astronaut
in der ISS ist man kräftefrei. Das gleiche gilt für ein Kind, welches im Karussell auf der
Kirmes mitfährt.
Nun ist aber bekannt, dass eine Kraft dafür verantwortlich ist, dass man sich im Kreis
bewegt. Die Kräftefreiheit kann man sich also nur so erklären, dass eine Gegenkraft zur
Zentripetalkraft, nämlich die Zentrifugalkraft (auch Fliehkraft genannt)
F ∗Z = −F Z
#» #»
(6.16)
wirken muss. Man spürt sie ja auch. Man wird nach außen gedrückt, bewegt sich aber
nicht, denn der Sitz hält einen fest. Den besten Eindruck bekommt man davon, wenn
man im Karussell den eigenen Sitz fixiert (er ist in Ruhe), aber beobachten kann, wie
die Welt sich um einen herumdreht.
#»
Ein außenstehender Beobachter sieht nur die Zentripetalkraft F Z ; ein mitbewegter Beob-
achter führt die Zentrifugalkraft als Scheinkraft ein, um seine Kräftefreiheit zu erklären.
179
6 Kreisbewegung
r ω
FZ∗
ω2 = .
m·r
Die beiden in der „Luft schwebenden Rollen“ sind natürlich in einer durchsichtigen Hal-
terung verbaut, die in der Abbildung 6.10 weggelassen wurde. m stellt variable Schei-
bengewichte dar und F die durch ein Massenstück hervorgerufene Zentripetalkraft. Der
Abstand r ist in Stufen variabel.
10
[27] Gerätebeschreibung 347 23
11
[27] Gerätebeschreibung 347 24
180
6.3 Experiment mit Zentralkraftgerät
Nun versetzt man das Gerät in schnelle Rotation, so dass die Kraft F nicht ausreicht,
m an die Begrenzung in Richtung der Mitte zu ziehen. Wartet man eine Weile, so wird
die Drehfrequenz wegen der Reibung langsam abnehmen. Bei einer bestimmten Fre-
quenz zieht die Kraft F die Gewichte m an die innere Begrenzung. Man erkennt das am
schlagartigen Absinken des Massenstückes. Die zugehörige Umlaufdauer wird mit einer
auf den Drehteller aufgedruckten Winkelskala über einen Fototransistor gemessen und
kann in dem Augenblick den Absinkens von einer Digitalanzeige verhältnismäßig gut
abgelesen werden. Ich habe diese Messungen mehrfach durchgeführt und möchte einige
Messergebnisse an dieser Stelle angeben.
Wir wollen in diesem Experiment zeigen, dass die in Abschnitt 6.1.5, (S. 176) über einen
Grenzprozess hergeleitete Gleichung (6.15)
FZ = mω 2 r
quantitativ bestätigt wird. Dazu gehen wir wie folgt vor. Wir formen die eben genannte
Gleichung um, wobei wir F statt FZ schreiben, da F die Gewichtskraft des Massenstücks
ist, welche die Zentripetalkraft für den passenden Fall von ω angibt, wie es eingangs
beschrieben wurde:
F
ω2 = .
mr
1
1. Messreihe ω 2 ∼ , wenn F = 0,01 kg · g = konst und r = 0,06 m. Verändert
m
wird m im Bereich 10 g > m > 45 g.
Dann sollte für ω gelten: 345◦ 1s < ω < 733◦ 1s oder im Bogenmaß 6,03 rad
s < ω <
12,8 rad
s .
Messdaten (1989):
m
0,010 0,015 0,020 0,025 0,030 0,035 0,040 0,045
kg
ω
◦ /s
731 600 523 472 434 400 378 360
ω
12,8 10,5 9,13 8,24 7,57 6,98 6,60 6,28
rad/s
1/m
100,00 66,67 50,00 40,00 33,33 28,57 25,00 22,22
1/kg
ω2
162,78 109,66 83,32 67,86 57,24 48,74 43,52 39,48
(rad/s)2
Lineare Regression ergibt (Regressionskoeffizient R2 = 1,000):
y = 1,588 · x + 3,983 ;
1
ω2
2 = 1,588 · + 3,983 .
m
1
rad
kg
s
181
6 Kreisbewegung
ω2
rad 2
s
bc
160
120 bc
bc
80
bc
bc
bc
bc
40 bc
0
1
0 20 40 60 80 100 m
1
kg
Zum Vergleich:
F 0,01 kg · g N
= = 1,64 .
r 0,06 m m
1
2. Messreihe ω2 ∼ , wenn F = 0,005 kg · g = konst und m sich zusammensetzt
r
aus der Masse eines Halters mit zwei Ringblechen (10 g) und dazu paarweise auf-
gesteckten Lochtalern je 5 g: m = 20 g = 0,020 kg = konst. Verändert wird r im
Bereich 8 cm > r > 3 cm.
Dann sollte für ω gelten: 314◦ 1s < ω < 513◦ 1s oder im Bogenmaß 5,49 rad
s < ω <
8,96 rad
s .
Messdaten (1989):
r
0,08 0,07 0,06 0,05 0,04 0,03
m
ω
◦ /s
330 367 373 424 476 536
ω
5,76 6,41 6,51 7,40 8,31 9,35
rad/s
1/r
12,5 14,3 16,7 20,0 25,0 33,3
1/m
ω2
33,2 41,1 42,4 54,8 69,1 87,4
(rad/s)2
Lineare Regresson liefert die Gleichung (Regressionskoeffizient R2 = 0,990):
y = 2,613 · x + 1,605 ;
182
6.3 Experiment mit Zentralkraftgerät
ω2
rad 2
s
bc
80
bc
60 bc
bc
bc
40
bc
20
0
1
0 5 10 15 20 25 30 35 40 r
1
m
1
ω2
2 = 2,613 · 1 + 1,605 .
r
rad
m
s
Zum Vergleich:
F 0,005 kg · g N
= = 2,45 .
m 0,020 kg kg
y = 329 · x + 1,55 ;
183
6 Kreisbewegung
ω2
rad 2
s
150
bc
bc
100 bc
bc
bc
50 bc
bc
bc
0
0 0,1 0,2 0,3 0,4 F
N
ω2 F
2 = 329 · + 1,55 .
rad N
s
Zum Vergleich:
1 1 1
= = 333 .
mr 0,050 kg · 0,06 m kgm
Schleudert man einen Stein von 200 g immer schneller an einem Bindfaden in einem
horizontalen Kreis, so wird der Faden irgendwann reißen. Bei welcher Frequenz tritt das
ein, wenn der Faden 50 cm lang ist und 100 N aushält?
Aus (6.15) (S. 179) erhält man:
FZ = mω 2 r = m · 4π 2 f 2 · r ;
FZ 100 N 1
f2 = 2 = 2 = 25,3 2 ;
4π mr 4π · 0,2 kg · 0,5 m s
f = 5,03 Hz .
Nehmen wir an, die Erde sei eine Kugel mit dem Radius R = 6 378 km. Berechne die
Zentripetalkraft, die ein Beobachter (75 kg) am Nordpol, am Äquator und am 50. Brei-
184
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung
tengrad – das ist zum Beispiel wenige Kilometer nördlich von Bingen am Rhein – erfährt.
N
m
g = 9, 8322
s2
r m
g = 9, 8126 2
s
R
ϕ m
g = 9, 7805
O s2
r = R cos ϕ
Abbildung 6.14: Kreisbewegung mit der Erde um ihre eigene Drehachse; man beachte
die unterschiedlichen Werte für die Fallbeschleunigung g. Der mittlere
Wert bezieht sich auf Berlin; siehe [13, S. 282].
Am 50. Breitengrad muss man entsprechend Abbildung 6.14 nur R durch r = R cos ϕ
ersetzen, da der Abstand zur Drehachse den Radius der Kreisbahn angibt:
4π 2
FZ = mω 2 r = m · · R cos ϕ
T2
4π 2
= 75 kg · · 6 378 km · cos 50◦
(24 · 3 600 s)2
= 2,53 N · cos 50◦ = 1,63N .
185
6 Kreisbewegung
Man kann nun noch die Frage stellen, wie groß die Umlaufdauer ist, d. h. wie lang ein
Tag sein muss, damit am Äquator aZ = g ist. Dann könnte ein Affe im Urwald seine
Banane loslassen, ohne dass sie auf den Boden fällt, da die gesamte Gewichtskraft für
die Zentripetalkraft – also zur Teilnahme an der Kreisbewegung – benötigt wird. Dies
gilt für alle Körper gleichermaßen. Kürzer sollte ein Tag aber nicht sein.
4π 2
g = aZ = ω 2 r = ·R;
T2
4π 2 R
T2 = ;
g
6 378 km
s
r
r
T = 2π = 2π ;
g 9,81 sm2
T = 5 066 s = 84,44 min = 1,41 h = 1 h 24 min 26 s .
Nun wollen wir die Verhältnisse in einem Looping untersuchen. Die Frage lautet: Wie
groß muss die Geschwindigkeit beim Eintritt in den Looping –also im Punkt A – mindes-
tens sein, damit ein Körper den Looping durchfahren kann, ohne in B herunterzufallen.
Vergleiche dazu die Abbildung 6.15 (S. 186).
#»
F ∗Z
#»
FG
r
In B (hier einmal mit der Zentrifugalkraft argumentiert) muss gelten (siehe 6.15; S. 179):
F∗ = F ; Z G
186
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung
mvB2
= m·g;
r
√
vB = gr .
Oft wird das Looping-Problem noch durch die Frage ergänzt, aus welcher Höhe ein
Körper (reibungsfrei) losfahren muss, um in B nicht herunterzufallen, wenn er in A in den
Looping eintritt. Auch hier hilft wieder der Energieerhaltungssatz. Grundsätzlich muss
die Höhe so gewählt werden, dass die potentielle Energie für die soeben ausgerechnete
Geschwindigkeit in A ausreicht:
1 2
mgh = mvA ;
2
1 v2 1 5gr 5
h= · A = · = r.
2 g 2 g 2
Im Grunde ist das erstaunlich wenig, nämlich nur 25 % über der Höhe d des ganzen
Loopings (d = Durchmesser des Kreises): h = 52 r = 52 · d2 = 54 · d = 1,25d.
Mit einem Motor, dessen Drehzahl verändert werden kann, betreibt man eine Scheibe,
auf der ein Gummistopfen liegt. Die Frequenz, bei der sich der Stopfen selbstständig
macht, kann man bei bekanntem Haftreibungskoeffizienten fH abschätzen12 . Umgekehrt
bietet sich die Möglichkeit, die Reibungszahl über die Bestimmung der Frequenz zu
ermitteln. Die Abbildung 6.16 (S. 188) erläutert den Ansatz.
Wir nehmen an, dass der Gummistopfen die Masse 30 g besitzt und sich 20 cm von der
Drehachse auf dem Drehteller befindet. Wir bestimmen nun die Frequenz, bei der der
Stopfen vom Drehteller rutschen muss, wenn die Haftreibungszahl fH = 0,4 beträgt.
Der Körper bleibt liegen, wenn die Zentripetalkraft kleiner gleich der Haftreibungskraft
ist. Diese hängt mit der Gewichtskraft über die Gleichung FH = fH · FG zusammen. Man
kann das im Kapitel 3.6 (S. 123) nachlesen. Somit gilt (vergl. 6.15, S. 179):
FZ ≤ FH = fH · FG ;
12
Aufgabe z. B. in [13, S. 112]
187
6 Kreisbewegung
r
#» #»
m F Z ≤ fH · F G
#»
FG
mω 2 r ≤ fH · mg ;
fH · g
4π 2 f 2 ≤ ;
r
fH · g
f2 ≤ ;
4πs2r
mv 2
≤ fH · mg ;
r
m m
r
fH · gr = 0,4 · 9,81 · 0,2 m = 0,886 . (6.17)
p
v≤
s 2 s
m
Bei v ≈ 1 Wird der Stopfen wohl nicht mehr liegenbleiben. Dies ist unabhängig von
s
m.
Anmerkung Mit der Gleichung (6.17) lässt sich angeben, welche Geschwindigkeit ein
Auto beim Durchfahren einer Kurve höchstens haben darf.
Experiment: Zwei Körper mit den Massen m1 und m2 sind auf einer Stange frei beweglich
angebracht und durch eine 20 cm lange dünne Stange verbunden (siehe Abbildung 6.17,
S. 189). Welchen Abstand müssen die Körper vom Drehpunkt haben, damit bei der
Rotation Gleichgewicht herrscht? Welche Art von Gleichgewicht besteht? 13
Für die Berechnung starten wir mit der Gleichgewichtsbedingung und verwenden den
für diesen Fall günstigen Rechenausdruck aus (6.15) (S. 179).
13
Im Röntgen-Gymnasium Remscheid-Lennep gibt es eine solche (alte) Vorrichtung. Siehe auch
[20] 2.7.2.12.
188
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung
m1 d m2
r1 r2
FZ1 = FZ2 ;
m1 ω12 r1 = m2 ω22 r2 ; ω1 = ω2 ;
m1 r1 = m2 r2 ; (6.18)
m1 r1 = m2 (d − r1 ) ; r2 = d − r1 ;
m1 r1 = m2 d − m2 r1 ;
m1 r1 + m2 r1 = m2 d ;
r1 (m1 + m2 ) = m2 d ;
m2 d m1 d
r1 = ; r2 = .
m1 + m2 m1 + m2
Die letzte Gleichung ergibt sich nicht nur analytisch, sondern auch auch aus der Sym-
metrie des Vorgangs.
Aus (6.18) folgt, dass sich die Massen umgekehrt wir die Radien verhalten14 . Der Schwer-
punkt liegt im Gleichgewichtsfall auf der Drehachse. Jede Verrückung bedeutet ein Her-
ausgleiten aus dem Gleichgewicht. Es handelt sich also um ein labiles Gleichgewicht.15
6.4.6 Kettenkarussell
Abbildung 6.18, S. 190 zeigt ein Kettenkarussell mit dem entsprechenden Vektordia-
#» #» #»
gramm der Kräfte, die an einer Person wirken. F Z und F G werden von der Kraft F
aufgebracht:
#» #» #»
FZ = FG + F
14
Ein analoges Beispiel ist das Hebelgesetz (siehe (7.7) (S. 201)); allerdings gilt hier Gleichgewicht im
Falle der Gleichheit der entsprechenden Drehmomente; der Gleichgewichtszustand ist darüber hinaus
(im Idealfall) indifferent.
15
Mit dem im Röntgen-Gymnasium vorhandenen Gerät konnte man prinzipiell die entsprechenden Ab-
stände abschätzen. Nach der Einstellung war die Drehfrequenz in weiten Grenzen regelbar, ohne dass
sich die Kugeln aus der Gleichgewichtslage entfernt haben. Dabei half natürlich auch die Reibung
der Kugeln an der Verbindungsstange. Sollten sich aber die Körper aus der Gleichgewichtslage ent-
fernen, so ist bei hohen Drehzahlen eine großen Unwucht gegeben. Das Experiment muss so schnell
wie möglich beendet werden. Es ist also kein Schülerversuch.
189
6 Kreisbewegung
Die Kette richtet sich gerade so ein, dass die Vektoren das passende Parallelogramm
bilden.
r0
#»
F ϕ
ℓ
#» ℓ sin ϕ
FZ
r
#»
FG
2
FZ mv
v2
tan ϕ = = r = ;
FG mg rg
r = r0 + ` · sin ϕ ;
q
v= g · (r0 + ` · sin ϕ) · tan ϕ .
Dazu berechnen wir jetzt die Umlaufdauer T . Aus (6.4) (S. 171) erhält man:
2πr r0 + ` · sin ϕ
s
r r
r
T = = 2π · √ = 2π · = 2π · = 5,33 s .
v gr · tan ϕ g · tan ϕ g · tan ϕ
Darüberhinaus beträgt die von der Kette aufzuwendende Kraft, wenn eine Person der
Masse m = 85 kg im Stühlchen sitzt:
190
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung
v
u 11,89 m 4 m 2
u
s
= 85 kg · t
2 + 9,81 s2
(10,10 m)
= 1,45 kN .
Bei der Kurvenfahrt mit einem Fahrrad muss sich der Fahrer mit seinem Rad neigen.
Der Winkel hängt vom Radius der Kurve und der Geschwindigkeit des Radfahrers ab.
Zur Berechnung meditiere man über der Abbildung 6.19, die ein Vektordiagramm zum
vorgestellten Problem zeigt. Die Verhältnisse sind vergleichbar mit der Abbildung 6.18
(S. 190). Die Neigung ist erforderlich, damit aus FG ein Anteil für FZ erwächst.
#»
FZ
#»
F ϕ
#»
FG
km
Wählt man als Daten16 etwa r = 10 m und v = 18 , so erhält man:
h
FG mg gr 9,81 sm2 · 10 m
tan ϕ = = mv2 = 2 = 2 = 3,92 ;
FZ r
v 18 · 13000 m
600 s
ϕ = 75,7◦ .
FH = fH · FG > FZ ;
FH 1
fH > = cot ϕ = = 0,255 .
FG tan ϕ
Drehfrequenzregler und Kugelschwebe verhalten sich ähnlich. Es genügt daher, die Ku-
gelschwebe etwas genauer zu betrachten. Meine Ausführungen dazu findet man in [48].
16
Vergleiche [13, S. 112].
191
6 Kreisbewegung
6.4.9 Kugelrutschbahn
Manchmal findet man auf Spielplätzen eine Halbkugel aus Edelstahl, auf der Kinder
hinaufklettern können, um anschließend von oben hinabzurutschen. Die Frage ist, wann
„heben sie ab“, denn es scheint einleuchtend, dass sie nicht immer mit dem Kugelkörper
Kontakt haben. Das sei nachfolgend etwas abstrakter formuliert.
Ein Körper der Masse m bewegt sich vom höchsten Punkt einer Kugel mit dem Radius
r ohne Anfangsgeschwindigkeit herab. 17
1. Welche Geschwindigkeit besitzt der Körper, wenn er den Bogen ϕ durchlaufen hat?
h m
#» #»
FN F
r−h
ϕ
#»
FG
Betrachte die Abbildung 6.20. Zunächst gilt nach Definition der cos-Funktion:
r−h
= cos ϕ ;
r
r − h = r cos ϕ ;
−h = −r + r cos ϕ ;
h = r (1 − cos ϕ) .
192
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung
Die Bedingung ist ja, dass die Normalkraft gerade vollständig als Zentripetalkraft
#» #»
eingesetzt wird: F N = F Z . Also FN = FZ :
mv 2
= mg cos ϕ0 ;
r
2
2gr (1 − cos ϕ0 )
p
m
= mg cos ϕ0 ;
r
m · 2gr (1 − cos ϕ0 )
= mg cos ϕ0 ;
r
2 − 2 cos ϕ0 = cos ϕ0 ;
3 cos ϕ0 = 2 ;
2
cos ϕ0 = ;
3
ϕ0 = 48,19◦ = 48◦ 110 .
Abbildung 6.21: Links eine ruhende Flüssigkeit und rechts die gleiche, aber in Rotation
versetzt.
Satz 39. „Die Ortslinie aller Punkte einer rotierenden Flüssigkeit ist eine Parabel.“
(vergleiche Abbildung 6.21, S. 193)
193
6 Kreisbewegung
y -A hse
#»
F
ϕ
#»
FZ #»
FG
x x-A hse
Abbildung 6.22: Kräfte an der Oberfläche einer rotierenden Flüssigkeit; vergleiche auch
die ähnlichen Zeichnungen in [48].
Betrachtet man Abbildung 6.22 (S. 194), so gilt das Vektordiagramm für ein Flüssig-
#»
keitsteilchen in einer bestimmten Entfernung x von der Drehachse genau dann, wenn F
senkrecht zur Tangente im betreffenden Punkt wirkt; andernfalls würde sich das Teilchen
soweit verschieben, bis dies der Fall ist.
#» #» #»
Genauer: F G und F Z sind vorgegeben; F Z hängt bei fester Frequenz nur noch vom
Abstand von der Drehachse ab. Das Teilchen wird sich also solange verschieben, bis die
Bedingung
#» #» #»
F = F Z + −F G
#»
erfüllt ist, und F in normaler Richtung zur Flüssigkeitsoberfläche verläuft.
Daher hat man für den Ansatz y = k · x2 einer Gleichung für die Parabel19 :
0
tan ϕ = y 0 = k · x2 = 2kx ;
18
Grundlage für den nachfolgenden Abschnitt ist das Manuskript eines Schülervortrags von Jutta Zing-
ler. Zur Person siehe u. a. [64, 63]
19
Beachte, dass die Steigung einer Funktion an einer Stelle dort gleich dem Tangens des Steigungswinkels
ist.
194
6.4 Beispiele zur Dynamik der Kreisbewegung
FZ mω 2 x ω2x
tan ϕ = = = ;
FG mg g
ω2x
2kx = .
g
Damit – falls x 6= 0 –
ω2
k= .
2g
Die Parabelgleichung lautet daher:
ω2 2
y= ·x ;
2g
k ist konstant für konstante Drehfrequenz ω.
Der Fall x = 0 bedeutet gerade, dass sich das Teilchen in P0 (0|0) (auf der Drehachse)
befindet. Dort ist die Zentripetalkraft aber Null, die Flüssigkeit ist dort horizontal.
FZ mω 2 x ω2x
y 0 = tan ϕ = = = ;
FG mg g
ω2x
y 0 (x) = ;
g
1 ω2 2
y(x) = x .
2 g
Die letzte Gleichung gilt bis auf einen konstanten Summand; die Parabelform wird da-
durch aber nicht verändert.
Die kinetische Energie eines Teilchens im Abstand x von der Drehachse beträgt:
1 1 1
Wkin = mv 2 = m (ωx)2 = mω 2 x2 . (6.19)
2 2 2
Wpot = mgy .
In P0 (0|0) ist die Gesamtenergie Null, da y = 0 und x = 0. Bei der Verschiebung eines
Teilchens von P0 nach A längs der Bahnkurve (rot) wird keine Arbeit verrichtet, da
195
6 Kreisbewegung
y -A hse
y A
P0 x x-A hse
#»
der Weg tangential zu ihr verläuft und die Resultierende F (vgl. Abb. 6.22, S. 194) die
Normale dazu ist. Der Kraftanteil in Wegrichtung längs der Oberfläche ist also an jeder
Stelle des Weges Null20 . Daher ist die Gesamtenergie des Teilchens in A gleich Null.
Bringt man jedoch das Teilchen von P0 über den mit Pfeilen gekennzeichneten Weg
(blau), so ergibt sich auf dem horizontalen Stück ein Zuwachs an kinetischer Energie
1
gemäß (6.19) von Wkin = mω 2 x2 . Auf dem vertikalen Wegstück wird diese Energie in
2
potentielle Energie umgewandelt. Wegen des Energieerhaltungssatzes müssen die Arbei-
ten von P0 nach A (rot) und von P0 nach A (blau) gleich sein:
Wkin − Wpot = 0 ;
1
mω 2 x2 − mgy = 0 ;
2
1 ω2 2
y= x .
2 g
20 #»
Man denke an die Definition der Arbeit: W = Fs · s = F · s · cos α, wobei α der Winkel zwischen F
und #»
s ist. Wegen cos 90◦ = 0 ist W = 0.
196
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
In diesem Abschnitt sollen als Ergänzung einige Besonderheiten zur Bewegung des so-
genannten starren Körpers betrachtet werden. Es ist durchaus angebracht, die Begriffe
Rotationsenergie, Trägheitsmoment, Drehimpuls sowie Drehmoment im Vergleich zu den
bereits bei der Translationsbewegung behandelten Größen zu betrachten. Insbesondere
kommt es mir auf die Analogien an. Durch die Behandlung des Drehmoments ergibt sich
ferner die Möglichkeit, das Vektorprodukt einzuführen und eine Abgrenzung zur ska-
laren Größe Arbeit (Skalarprodukt) deutlich zu machen. Schließlich haben die beiden
letztgenannten Größen die gleiche Einheit (Nm), sind jedoch in entscheidend anderer
Weise definiert.
1
geradlinige Bewegung Wkin = · m · v2 ;
2
1 1
Kreisbewegung (Rotation) = · m · (ω · r)2 = · m · r2 ·ω 2 .
Wk,rot
2 2 | {z }
J
197
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
Das Trägheitsmoment hängt bei ausgedehnten Körpern von der Massenverteilung ab. Es
kennzeichnet allgemein das Trägheitsverhalten von Körpern bei Drehungen. J ist kein
Skalar, aber auch kein Vektor. J ist ein sog. Tensor, denn die Größe hängt von der Wahl
der Drehachse ab.
Bei mehreren Punktmassen bildet man die Sum-
me aller Trägheitsmomente, um das gesamte
Trägheitsmoment des Körpers zu berechnen:
∆m1 , r1
n n ∆m2 , r2 b b
. ∆mk , rk b ∆mn , rn
k=1 k=1
Satz 40. Die kinetische Rotationsenergie, die ein mit der Frequenz ω rotierender Körper
mit dem Trägheitsmoment J besitzt, berechnet sich zu
1
Wk,rot = · J · ω2 (7.3)
2
198
7.2 Experimentelle Bestimmung des Trägheitsmoments
1 2·h 2 1
m·g·h= ·m· + · J · ω2 ;
2 t 2
1 1 4 · h2
· J · ω2 = m · g · h − · m · 2 .
2 2 t
h2
2·m·g·h−4·m· t2
J=
ω2
Messdaten Mai 1986:
m h t tD (10◦ ) T ω J
g cm s ms s Hz 10−3 kgm2
3 93,0 10,075 57,0 2,052 3,062 5,83 Vorversuch
3 65,4 8,811 67,7 2,437 2,578 5,78 Vorversuch
3 65,5 9,60 67,3 2,423 2,593 5,72
3 65,5 9,60 67,0 2,412 2,605 5,67
5 65,5 6,75 50,1 1,804 3,484 5,28
5 65,5 6,75 50,4 1,814 3,463 5,34
7 65,5 5,30 41,8 1,505 4,175 5,14
7 65,5 5,30 42,0 1,512 4,156 5,18
Tabelle 7.1: Messdaten zur Bestimmung des Trägheitsmoments mit dem Drehsystem;
die mit Vorversuch gekennzeichnete Daten stammen aus dem ersten Ver-
suchsaufbau zur Vorbereitung des Unterrichts.
Für die protokollierten Messdaten habe ich das Drehsystem5 von Leybold benutzt. Dazu
gibt es eine Blende von 10◦ zum Aufstecken. Man kann aber auch den großen Kreisel6
verwenden. Der Aufbau erfolgt wie in der letzten Abbildung dargestellt. Ein Stück ausge-
messenes Papier zur Verdunklung der Lichtschranke genügt. Leider habe ich dazu keine
Messdaten.
5
[27] Gerätebeschreibung 347 23
6
[27] Gerätebeschreibung 348 18
199
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
Berechnungsbeispiel mit den Daten aus der ersten Zeile von Tabelle 7.1 auf der vorherigen
Seite:
T 360◦
= ;
tD (10◦ ) 10◦
360◦
T = · tD (10◦ ) = 36 · 57,0 ms = 2,052 s ;
10◦
2π 2π
ω= = = 3,062 Hz ;
T 2,052 s
h2
2·m·g·h−4·m· t2
J=
ω2
(93,0 cm)2
2 · 3 g · 9,81 sm2 · 93,0 cm − 4 · 3 g · (10,075 s)2
= = 5,83 · 10−3 kgm2 .
(3,062 Hz)2
Im Abschnitt 4.1.1 (S. 131) wurde im Zusammenhang mit der physikalischen Größe
Arbeit definiert (siehe (4.2) (S. 132)):
#» #»
W = F · #»
s = F · s · cos ϕ ϕ = F ; #» (7.4)
s
#»
Dazu erfolgte die Bemerkung: Arbeit ist eine skalare Größe. Daher heißt F · #»
s auch
#»
Skalarprodukt der Vektoren F und s .
#»
Zum Begriff Skalarprodukt gehört allgemein die Gleichung7 :
#» #»
a · b = a · b · cos α α = #»
a; b (7.5)
#»
[W ] = Nm = J (7.6)
Schon sehr früh lernen Kinder auf dem Spielplatz, dass bei einer Wippe die Wirkung der
Gewichtskraft umso größer ist, je weiter man vom Drehpunkt entfernt ist. Die zum Hebel
7
Siehe Anhang C.6.2 (S. 627).
200
7.3 Arbeit vs. Drehmoment
Für das Produkt aus Kraft F und Abstand r zum Drehpunkt D wird eine neue Größe
definiert, das Drehmoment. Betrachte dazu das nachstehende Beispiel mit Abbildung.
#»
M =F ·r (7.8)
F ⊥ #»
r
Beispiel Für F = 400 N (Gewichtskraft eines Kindes) und r = 3 m ergibt sich ein
Drehmoment vom Betrag
Ein Erwachsener mit der Gewichtskraft 800 kN müsste sich in der Entfernung 1,5 m vom
Drehpunkt setzen, um den gleichen Betrag des Drehmoments zu erzeugen. Natürlich ist
darauf zu achten, dass zusätzlich die Orientierung der Drehung geändert wird, was aber
intuitiv richtig gemacht wird.
b
[M ] = Nm (7.9)
#»
F
Die Abkürzung 1 J für 1 Nm ist allein der Größe Ar-
beit vorbehalten.
Mit der letzten Bemerkung wird herausgestellt, dass sich Arbeit und Drehmoment als
physikalische Größen deutlich unterscheiden. Die maximale Drehwirkung hat man dann,
#»
wenn die Richtungen von F und #» r senkrecht zueinander verlaufen. Andernfalls hätte
#»
man einen Anteil der Kraft F in #» r -Richtung, die nicht zur Drehung beiträgt. Diese
Anteile brauchen also bei der Berechnung von M nicht berücksichtigt zu werden.9
Betrachten wir das genauer in der Abbildung 7.1 auf der nächsten Seite.
Auch hier bezeichnet D den Drehpunkt und #» r den Verbindungsvektor von D bis zum
#»
Angriffspunkt der Kraft F . Im vorgegebenen Fall (z. B. schrägstehende Wippe) beträgt
8
Die Formulierung ist unscharf, aber einprägsam. Rechts (-drehend) bzw. links (-drehend) steht für die
Orientierung der Wirkung der angreifenden Kraft beim Hebel.
9
Bei der Arbeit ist es in der Tat so, dass gerade nur die Anteile in Wegrichtung zur Berechnung der
Arbeit herangezogen werden.
201
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
#»
der Winkel α zwischen #» r und F nicht 90◦ . Dabei beachte man die Konvention des
Winkels zwischen zwei Vektoren: Beide Vektoren werden so parallel verschoben, dass sie
einen gemeinsamen Anfangspunkt haben. Der kleinere der beiden sich bildenden Winkel
ist der Winkel zwischen diesen Vektoren.
D
b
#»
r J #»
M
b
#»
F⊥
#»
F
F⊥
Gemäß Definition 26 auf der vorherigen Seite gilt:10 M = r · F⊥ . Mit = sin α folgt:
F
#»
M = r · F · sin α , wobei α = #»
r;F .
Beispiel Für r = 3 m, F = 400 N und α = 74◦ ergibt sich ein Drehmoment vom
Betrag
M = 3 m · 400 N · sin 74◦ = 1,154 Nm .
Für den Erwachsenen mit der Gewichtskraft 800 kN in der Entfernung 1,5 m vom Dreh-
punkt hat man auf der anderen Seite:
Ordnete man bei der Arbeit dem Produkt der vektoriellen Größen Kraft und Weg eine
skalare Größe zu (Skalarprodukt), ist es zweckmäßig, hier anders vorzugehen. Das Dreh-
moment wird wegen D (dreidimensional: Drehachse) als axialer Vektor angesehen,
dessen Eigenschaften allgemein wie folgt definiert werden.
#» #»
M = #»
r ×F (7.10)
#»
Die Schreibweise bedeutet: M ist ein Vektor mit den Eigenschaften
10
Die Reihenfolge von r und F⊥ sind vertauscht worden, damit der nachfolgenden Verallgemeinerung
(Vektorprodukt) bereits an dieser Stelle Rechnung getragen wird.
202
7.4 Die Analogie zwischen geradlinigen und Drehbewegungen
#»
Betrag M = r · F · sin α , wobei α = #» r;F .
#» #» #» #» #» # »
r , F und M stehen paarweise senkrecht aufeinander: #»
Richtung #» r ⊥F , #»
r ⊥M und F ⊥M .
#» # »
Orientierung #» r ,F ,M bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem.
Die letzte Aussage bedeutet anschaulich: Ordnet man Daumen (D), Zeigefinger (Z) und
Mittelfinger (M) der rechten Hand paarweise senkrecht an, so bilden die drei Finger
(D,Z,M) in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem (Abbildung 7.2). Dann kann man fol-
gende Zuordnung angeben (Dreifingerregel der rechten Hand):
dargestellten Fall senkrecht zur Zeichenebene mit der Orientierung auf den Betrachter
hin – man blickt gleichsam auf die Spitze eines Pfeils.11
#»
ob M
hi
#» #»
M = #»
r ×F #» #»
F
F #»
r
li b
re α
#»
r
vo
un
Abbildung 7.2: Die Dreifingerregel der rechten Hand dient der Ermittlung von Richtung
#» #»
und Orientierung des Drehmomentvektors M = #» F . Der Betrag er-
r ×
#»
rechnet sich stets zu M = r · F · sin α , wobei α = #»r;F .
203
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
irgendwie gefüllt, sondern gemäß der angegebenen Nummerierung, um die neuen Sach-
verhalte in den bekannten einbetten zu können. Die Erläuterung im Anschluss an die
Tabelle soll die Vorgehensweise zeigen. Die Tabelle 7.3 (s. rechts) stellt eine Präsentation
dar, welche die Vorgehensweise widerspiegelt.12
1 #»
s Weg 7 ϕ Drehwinkel 13 s=r·ϕ
(Bogenmaß)
2 #»
v Geschwindigkeit 8 #»
ω Winkelgeschwindigkeit 16 v =ω
#» #» × #»
r
3 m Masse 9 J Trägheitsmoment 11 J = r2 · m
#» #» #» #»
4 F Kraft 10 M Drehmoment 12 M = #»
r ×F
5 #»
p Impuls 6 p = m · #»
#» v
#» #»
14 L Drehimpuls 15 L=J·ω
#»
17 Impulserhaltungssatz 18 Drehimpulserhaltungssatz
19 Energieerhaltungssatz
Anmerkung Die Felder 1–6 werden mit den bekannten Größen Weg, Geschwindigkeit,
Masse, Kraft und Impuls gefüllt. Die Doppellinie wird später eingezeichnet.
7–10 sind die zu 1–4 analogen Größen. ω muss zunächst jedoch ohne Vektorpfeil gezeich-
net werden, weil der Vektorcharakter erst später erklärt werden kann.
Die Zusammenhänge 11–13 sind aus den vorherigen Abschnitten13 bekannt. Feld 16
könnte mit v = ω · r ausgefüllt werden. Es wird später erfolgen. Das Problem liegt darin,
dass #»
v wegen des fehlenden Vektorcharakters von ω noch nicht richtig in diese Gleichung
eingebaut werden kann.
Nun überlegt man, dass zwischen der Gleichung 6 und den Gleichungen 11–13 (und ggf.
16) ein Unterschied besteht: #»
p = m · #»
v verbindet Größen der ersten Spalte, während
in 11–13 (und ggf. 16) Größen der mittleren Spalte stets mit r oder #»
r verbunden sind.
Daher füge ich einen weiteren Trennstrich (Doppellinie) ein, der die entsprechenden
Zeilen voneinander abgrenzt.
12
Die Präsentation läuft mit Adobe Acrobat Reader.
13
Siehe (7.1) (S. 197), (7.10) (S. 202) und (6.5) (S. 174).
204
7.4 Die Analogie zwischen geradlinigen und Drehbewegungen
205
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
In 14–15 wird die neue physikalische Größe Drehimpuls eingeführt. Als Fortsetzung der
Analogie ergibt sich einerseits L = J · ω, andererseits die Überlegung, dass L eine vek-
torielle Größe sein muss. Das funktioniert, da J im einfachen Fall eine skalare Größe,
verallgemeinert eine Matrix (Tensor), ist. Allerdings muss dafür ω ein Vektor sein. Die
Konstruktion erfolgt in 16.
Zu 16 und 8: Zunächst ist gemäß (6.4) (S. 171) bekannt, dass gilt v = ω · r. Wenn ω
ein (axialer) Vektor (Drehachse) ist, muss man schreiben #»
v =ω r . Zur weiteren Er-
#» × #»
läuterung betrachte man die nachstehende Abbildung 7.3 und vergleiche die vektoriellen
Zusammenhänge mit der des (axialen) Vektors Drehmoment.
ob #»
ω
hi
#»
ω #» #» × #» #»
v
v =ω r
α #»
r
li b
#»
re 90◦
r
vo
un
Abbildung 7.3: Die Dreifingerregel der rechten Hand dient der Ermittlung von Richtung
und Orientierung des Vektors #» v = ω r . Der Betrag errechnet sich
#» × #»
stets zu v = ω · r · sin α , wobei α = ( ω ; #»
#» r ).
7.5 Erhaltungssätze
p ges = #»
#» p 0ges .
206
7.5 Erhaltungssätze
Satz 41. Bei fehlenden äußeren Drehmomenten ist der Gesamtdrehimpuls eines Systems
zeitlich konstant:
#» #»
L ges = L 0ges .
7.5.2 Zweikörperproblem
#» #»
K2
r 1 ⊥ L 0 und #»
#» r 2 ⊥ L0 ,
S
J r2
#»
r1 L′
K1
14
[27] Gerätebeschreibung 331 661, Drehscheibe nach Prandtl mit Schemel (Ludwig Prandtl, 1875–
1953, deutscher Ingenieur)
15
[27] Gerätebeschreibung 348 18
16
Siehe z. B. [18, S. 110–112].
17
https://de.wikipedia.org/wiki/Poincar%C3%A9-Gruppe, zuletzt besucht am 07.07.2017
18
Jules Henri Poincaré, 1854–1912, französischer Mathematiker und theor. Physiker
19
https://de.wikipedia.org/wiki/Bewegung_(Mathematik)#Die_Bewegungsgruppe_
.28Euklidische_Gruppe.29, zuletzt besucht am 07.07.2017
20
https://de.wikipedia.org/wiki/Zweik%C3%B6rperproblem, zuletzt besucht am 07.07.2017
207
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
#»
wobei L 0 den Drehimpulsvektor im Schwerpunktsystem darstellt. Mit diesen beiden zu-
sätzlichen Informationen lässt sich das Zweikörperproblem berechnen.
Man sieht, dass ein Mehrkörperproblem (Sonnensystem) höchstens näherungsweise be-
trachtet werden kann. Bei einem Gas mit 1023 Atomen erkennt man die Unmöglichkeit,
für jedes einzelne Objekt eine Vorhersage zu treffen.
7.6 Beispiele
Wenn eine Garnrolle unter das Sofa gerollt ist, so bekommt man sie einfach wieder
darunter hervor, da sie beim Ziehen am Faden bei den gegebenen Bedingungen auf
einen zurollt. Will man jedoch bei einer auf dem Boden liegenden Garnrolle, dass sie
näher an einen herankommt, so rollt sie in der Regel weg und man muss vom Stuhl
aufstehen, um ihrer habhaft zu werden. Bei geschickter Wahl der Kraftrichtung kann
man die Rolle allerdings über den Boden ziehen, ohne dass sie sich abwickelt.
Als Experiment ist dies für Schüler leicht durchführbar und das Verhalten normalerweise
auch nicht bekannt. Eine Analyse des Vorgangs liegt allerdings nicht unmittelbar auf der
Hand. Der Sachverhalt ist aber gut zu verstehen und zu erklären.
Um ein Verständnis für das Verhalten zu bekommen, betrachte man die Abbildung 7.4.
#»
D bedeutet den momentanen Drehpunkt, #» r und F die Größen, die das Drehmoment
# » #» #»
M = r × F ergeben („Kraftarm mal Kraft“).
#»
F
#»
F
#»
F
#»
r #»
b b b
r
#» #» #»
D ⊗M D M = #»
o D ⊙ M
Abbildung 7.4: Links: Es ergibt sich ein Drehmoment, welches die Rolle in Richtung
der Zugkraft mitrollen lässt. Mitte: Wegen des fehlenden Abstandes
vom Drehpunkt ist das Drehmoment Null, die Rolle rutscht über den
Boden, ohne sich zu drehen. Rechts: Jetzt rollt die Garnrolle von der
Kraft weg, da sich die Orientierung des Drehmomentes im Vergleich zur
Situation links geändert hat.
208
7.6 Beispiele
Im diesem Beispiel sollen ausgehend von einer konstruierten Anordnung die unterschied-
lichen Größen, die in diesem Abschnitt 7 angesprochen wurden, rechnerisch ermittelt
werden. Wir gehen von der Abbildung 7.5 aus.
#» #»
L ω
3 kg
2 kg 3, 2 m
D
1, 5 m b
1, 5 m
2 kg
3, 2 m
3 kg
2. Berechne Umlaufdauer und Frequenz für eine Rotationsenergie von Wk,rot = 100 J.
Siehe (7.3) (S. 198) und (6.7) (S. 175):
1 1 4 · π2
Wk,rot = · J · ω2 = · J · ;
2 2 T2
70,44 kgm2
s s
J
T =2·π· =2·π· = 3,73 s ;
2 · Wk,rot 2 · 100 J
1 1
f= = = 268 mHz ;
T 3,73 s
ω = 2 · π · f = 2 · π · 268 mHz = 1,68 Hz ; genauer: 1,6850 Hz.
209
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
kgm2
L = J · ω = 70,44 kgm2 · 1,68 Hz = 119 .
s
Zusatz Die nachfolgende Berechnung war eigentlich nur als Fortsetzung des Gedanken-
gangs für mich selbst gedacht. Da man als mitbewegter Beobachter die 2 kg-Massenstücke
gegen die Zentrifugalkraft22 in Richtung Drehachse zieht, muss die Energie des Systems
zunehmen. Diese Zunahme ergibt sich aus der an den Körpern verrichteten Arbeit. Für
das richtige Ergebnis sorgt der Drehimpulserhaltungssatz. Eine Kraft senkrecht in Rich-
tung zur Drehachse bewirkt nämlich kein Drehmoment.
1 0 02 1
0
Wk,rot = · J · ω = · 61,44 kgm2 · (1,932 Hz)2 = 114,67 J ;
2 2
∆Wk,rot = Wk,rot − Wk,rot = 114,67 J − 100 J = 14,67 J .
0
Beachte, dass in Punkt 2 auf der vorherigen Seite von 100 J ausgegangen wurde.
Die Kraft zur Berechnung der Arbeit ist nicht konstant, so dass hier Methoden der
Analysis verwendet werden müssen (siehe Abschnitt 4.2.1 (S. 133)). Den Betrag der für
die Arbeit erforderlichen Kraft erhält man aus der Zentrifugalkraft FZ = 2 · m · ω 2 · r
(vergleiche (6.15) (S. 179)), wobei m = 2 kg und r der Abstand der beiden Massen m
von der Drehachse ist:
F (r) = 2 · m · ω 2 · r ;
ω = ω(r) hängt von der Lage der einzuziehenden Körper in Bezug zur Drehachse ab:
J
ω(r) = · ω, wobei J = 70,44 kgm2 , ω = 1,6850 Hz sowie
J(r)
J(r) = 61,44 kgm2 + 2 · m · r2 ; eingesetzt:
21
Siehe Versuche mit dem Drehschemel, Pirouetten von Eiskunstläufern bzw. eigene Erfahrungen mit
Drehsystemen auf einem Spielplatz, wenn man seinen Körper oder entfernte Gegenstände nahe an
die Drehachse heranzieht.
22
Zur Zentrifugalkraft siehe Abschnitt 6.2 (S. 179).
210
7.6 Beispiele
2
J 2 · m · J 2 · ω2 · r
F (r) = 2 · m · ·ω ·r = 2 .
J(r) 61,44 kgm2 + 2 · m · r2
Für den konkreten Fall tragen wir nun alle Daten ein und erhalten die F (r)-Funktion,
die dann in ein rF -Diagramm eingezeichnet wird. Der Flächeninhalt (Integralrechnung)
unter dem Graph ergibt dann die durch F (r) längs des Weges von 1,5 m bis zur Drehachse
(r = 0) verrichtete Arbeit, die den Zuwachs der kinetischen Rotationsenergie ∆Wk,rot
beschreibt.
2 · m · J 2 · ω2 · r
F (r) = 2
61,44 kgm2 + 2 · m · r2
2
2 · 2 kg · 70,44 kgm2 · (1,6850 Hz)2 · r
= 2
61,44 kgm2 + 2 · 2 kg · r2
kg · kg2 · m4 · 1
r
= 56,351 · 103 · s2
· ;
kg2 (61,44 m2 + 4 · r2 )2
1
kg·kg2 ·m4 · kgm
Einheit: kg 2
s2
= s2
· m3 = Nm3 .
r
F (r) = 56,351 · 103 Nm3 ·
(61,44 m2 + 4 · r 2 )2
Z0 #»
∆W = F (r) dr · cos ϕ ϕ = F ; d #»
r .
1,5
Z0 1,5
Z m
∆W = − F (r) dr = F (r) dr .
1,5 m 0
x
Eine Stammfunktion zu f (x) = mit a,b > 0 ist die Funktion G mit:23
(ax2 + b)2
1
G(x) = − .
2a · (ax2 + b)
1 −1 0 1
23
· ax2 + b · ax2 + b
−2
G0 (x) = − = · 2ax = f (x). Für x 6= 0 kann man das mit der
2a 2a
2
Substitution z := ax + b erreichen. Es ist dz = 2ax · dx.
211
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
F
N
18
16
14
12
10
0
r
0 0,25 0,50 0,75 1,00 1,25 1,50 1,75
m
Abbildung 7.6: Rot: Graph der Funktion F (r); zur Berechnung der Arbeit ∆W beim
Heranziehen der Massenstücke benötigt man den grau eingefärbten Flä-
cheninhalt.
r
Eine Stammfunktion zu F (r) = 56,351 · 103 Nm3 · ist die Funktion
(61,44 m2 + 4 · r2 )2
H mit:
1
H(r) = −56,351 · 103 Nm3 · .
2 · 4 · (4 · r2+ 61,44 m2 )
1,5
Z m
∆W = F (r) dr
0
1,5 m
1
3 3
= −56,351 · 10 Nm ·
2 · 4 · (4 · r2 + 61,44 m2 )
0
1 1
= −56,351 · 103 Nm3 · −
2 · 4 · 4 · (1,5 m)2 + 61,44 m2 2 · 4 · 61,44 m2
= 14,648 J .
Dies ist bis auf Rundungsfehler der bereits berechnete Wert des Energiezuwachses.
212
7.6 Beispiele
Im Anschluss an die Betrachtung fragte ein Schüler „Was ist, wenn die Körper nur
wegfallen?“. Ich habe folgendermaßen geantwortet:
Die Körper fallen ab und nehmen kinetische Energie mit sich:
1
Wkin = 2 · · m · v 2 = m · (ω · r)2 = 2 kg · (1,685 Hz · 1,5 m)2 = 12,78 J .
2
Der Energiegehalt des Systems beträgt daher nur noch:
Andererseits hat sich das Trägheitsmoment auf J 0 = 61,44 kgm2 verringert. ω ist aber
unverändert24 geblieben. Damit berechnet man jetzt für den Energiegehalt des Systems:
1 0 2 1
0
Wk;rot = · J ω = · 61,44 kgm2 · (1,685 Hz)2 = 87,22 J .
2 2
7.6.4 Coroliskraft
Betrachte dazu die Abbildung 7.7 auf der nächsten Seite. Startet man auf einer rotieren-
den Platte eine Kugel an der Position 0 und lässt sie gleichförmig Richtung Position 10
rollen (von außen betrachtet), so legt sie auf der Scheibe den blau eingezeichnete Weg
zurück (mitbewegter Beobachter im Mittelpunkt der Kreise). Wegen der gekrümmten
Bahn muss eine (Trägheits-) Kraft gewirkt haben. Man nennt sie Corioliskraft25 . In
der gezeichneten Situation erfolgt stets eine Ablenkung nach rechts.
In den Bildern kann der Mittelpunkt der Kreise als Nordpol der Erde interpretiert wer-
den. Die Erde dreht sich beim Blick von oben auf den Nordpol im Gegenuhrzeigersinn:
24
Man prüfe das auf einem Spielplatz: Springt man von einem Karussell ab, so dreht es sich unvermindert
weiter.
25
Gaspard Gustave de Coriolis, 1792–1843, französischer Physiker
213
7 Rotationsbewegungen (starrer Körper)
0 b
2 b
4 b
6 b
b
8 b
b
b
10 8 6 4 2 0
6
4 b b
8
b b
b
2
b
b
b
b b
0 2 4 6 8 10
Abbildung 7.7: Rechtsdrehung auf der Nordhalbkugel; Blick von oben; Weg von außen
nach innen (oben) und von innen nach außen (unten)
214
7.6 Beispiele
im Osten geht die Sonne auf. Im alltäglichen Leben merkt man auf der Erde nicht sehr
viel von der Corioliskraft. Wenn man aber auf einer rotierenden Scheibe (Kirmes) von
innen nach außen geht, erfährt man eine nach rechts gerichtete Kraft, die es zu kom-
pensieren gilt, um weiter geradeaus (über Grund) zu laufen. In der Wüste genügt ein
„Geradeauslaufen“ auch nicht. Man trifft wegen der Rechtsablenkung schließlich wieder
auf seine eigenen Spuren.
In der unteren Abbildung ist der Weg von der Mitte nach außen dargestellt. Auch hier
erfolgt eine Rechtsablenkung.
Anwendungen: Auf der Nordhalbkugel beobachtet man eine Rechtsablenkung der Winde
von Norden in Richtung Äquator (Nordostpassat). Ferner dreht sich der Wind im Uhr-
zeigersinn um ein Hochdruckgebiet, da die Luft aus dem Gebiet mit hohem Luftdruck
in das mit niedrigem Luftdruck strömt.
Auf der Südhalbkugel kehrt sich die Orientierung um.
215
8 Schwingungen
8.1 Grundlagen
8.1.1 Hookesches Gesetz
Zunächst sei zur Wiederholung auf den Abschnitt 4.2.2 (S. 135) mit dem Hookeschen
Gesetz (4.5) hingewiesen: Bei einer Schraubenfeder ist die Verlängerung s der Feder zur
wirkenden Kraft F proportional.
Hookesches Gesetz Bei Schraubenfedern gilt das lineare Kraftgesetz:
F =D·s (8.1)
8.1.2 Schwingung
Experiment Man hängt einen Körper K der Masse m an eine Schraubenfeder, lenkt
sie weiter aus und gibt den Körper frei. K führt dann eine Schwingung aus. In einer
Diskussion mit den Schülern kann die Bewegung analysiert werden.
Die Schwingung entsteht, weil der Körper (unten) von der Kraft der Feder nach oben
gezogen wird. Wegen seiner Trägheit schwingt K über die Nulllage hinaus und wird dann
durch die Federkraft der zusammengedrückten Feder abgebremst, um danach (oben)
wieder beschleunigt zu werden, und er so seinen Ausgangspunkt (unten) wieder erreicht.
Die Schwingung gehört zu den periodischen Bewegungen. Solche Vorgänge sind dadurch
gekennzeichnet, dass diese nach einer bestimmten Zeit erneut in gleicher Weise ablaufen.
Folgende Begriffe werden zur Beschreibung verwendet:
• T heißt Schwingungsdauer (Periodendauer) und ist die Zeit zwischen zwei glei-
chen Zuständen der periodischen Bewegung.
• f heißt Frequenz der Schwingung und gibt die Anzahl der Schwingungen (Pe-
rioden) pro Zeiteinheit an.
1
Beträgt die Frequenz einer Schwingung f = 5 , so bedeutet das, dass 1 Schwin-
s
1 1
gung s = 0,2 s dauert, also T = s.
5 5
217
8 Schwingungen
1 1 1
T = und f= Einheit: [f ] = = Hz (8.2)
f T s
Beispiel
1. Das Pendel einer Wanduhr macht 150 Schwingungen in 2 Minuten. Berechne Pe-
riodendauer und Frequenz des Pendels. Wie viele Schwingungen macht das Pendel
an einem Tag?
2 min 1 1
T = = 0,8 s ; f= = = 1,25 Hz .
150 T 0,8 s
1d 86 400 s
1 d = n · T =⇒ n = = = 108 000 .
T 0,8 s
2. Zwei Pendel mit den Schwingungsdauern T1 = 1,5 s und T2 = 1,6 s starten gleich-
zeitig aus der Ruhelage. Nach welcher Zeit gehen beide wieder genau gleichzeitig
durch die Ruhelage? Wie viele Schwingungen hat jedes Pendel in dieser Zeit ge-
macht?
Sei i ∈ {1; 2} und ni die Anzahl der Schwingungen in der Zeit t für das i-te Pendel
mit der Schwingungsdauer Ti . Dann gilt ni · Ti = t, d. h.
n1 · T1 = t = n2 · T2 .
(n2 + 1) · T1 = n2 · T2 ;
n2 · T1 + T1 = n2 · T2 ;
n2 · T1 − n2 · T2 = −T1 ;
−T1 T1 1,5 s
n2 = = = = 15 ;
T1 − T2 T2 − T1 1,6 s − 1,5 s
n1 = n2 + 1 = 16 ;
t = n1 · T1 = n2 · T2 = 16 · 1,5 s = 15 · 1,6 s = 24 s .
218
8.2 Die harmonische Schwingung
Experiment Für die Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Schwingung einer Schrau-
benfeder benutzt man zweckmäßigerweise den Bewegungs-Messwandler1 . Es soll der
zeitliche Verlauf einer langsamen, mechanischen Schwingungsbewegung mit einem xy-
Schreiber aufgezeichnet werden. Das Ergebnis ist in Abbildung 8.1 dargestellt2 . Nahe-
liegend ist ein sin-förmiger Verlauf. Allerdings ist die Schwingung gedämpft, erfüllt also
eigentlich die oben gemachte Voraussetzung nicht. In der Praxis lässt sich eine solche
Schwingung in der Tat nur näherungsweise realisieren.
2 ,9 0 c m
5 ,0 0 c m
5 ,0 0 c m
1 6 ,2 7 c m
Abbildung 8.1: Zeitlicher Verlauf der Schwingung (Elongation y(t)) einer Schraubenfe-
der. Eingezeichnet sind die Amplitude und die Länge von 3,5 Perioden.
Aus Platzgründen ist die Zeichnung skaliert. Die Beschriftung stammt
aus dem Unterricht vom 12.08.1999.
• y-Richtung
1
[27] Gerätebeschreibung 337 63 und 337 631
2
Ich habe das Original 1:1 gescannt, nachträglich seitenverhältnisgleich um den Faktor 2 verkleinert
und mit Micrografx Designer 7.1 mit Bemaßungslinien versehen. Das Programm habe ich 1990 im
ALDI für 29 DM vom Stapel gekauft. Es lässt sich jetzt nicht mehr unter Windows 10-64 Bit per
Setup installieren, läuft aber dort noch in einer VM mit Windows 10-32 Bit.
219
8 Schwingungen
– Meßwandler 1 V =
b 1 m, also 0,01 V =
b 1 cm;
– xy-Schreiber 0,01 V =
b 1 cm;
1 cm der zu messenden Entfernung wird also als 1 cm vom Schreiber dargestellt.
• t-Richtung: xy-Schreiber 1 cm =
b 0,2 s.
Daraus erhält man für die Schwingungsdaten der Feder: 3
yb = 2,90 cm ;
16,27 cm s
T = · 0,2 = 0,930 s ;
3,5 cm
1 1
f= = = 1,08 Hz ;
T 0,930 s
2π 2π
ω= = = 6,76 Hz .
T 0,930 s
b b
b b
220
8.2 Die harmonische Schwingung
y -A
hse Betrachte die Abbildung links. Die Lage des mit der
Schraubenfeder schwingenden Massenstücks m lässt
sich nach dem letzten Satz 42 (s. links) mit der Pro-
r jektion eines Körpers auf einer Kreisbahn darstellen.
b
m Das heißt:
y(t) = r · sin ϕ .
r y
ϕ
Bei der Kreisbewegung entspricht r der Amplitude yb :
Nun erfolgt noch die Umrechnung vom Winkel in eine Zeit in Einheiten von T : 6
ϕ 360◦ 2π 2π
= = =⇒ ϕ = ·t=ω·t
t T T T
Eingesetzt erhalten wir den
Satz 43. Das Zeit-Weg-Gesetz der Schwingung (einer Schraubenfeder) lautet:
Def. 29. Harmonische Schwingung Eine Bewegung mit dem Zeit-Weg-Gesetz (8.3)
nennt man harmonische Schwingung.
Satz 44. Harmonische Schwingungen sind als Projektion einer (gleichförmigen) Kreis-
bewegung7 sin-Schwingungen.
Das Prinzip der Projektion einer Kreisbewegung lässt sich auch auf die Berechnung der
Geschwindigkeit und der Beschleunigung anwenden. Das erspart in diesem Zusammen-
hang die Verwendung von Methoden der Differentialrechnung. Ich sehe das als ein ge-
eignetes physikalisches Vorgehen an, zumal die Grenzprozesse bereits bei der Herleitung
der Bahnbeschleunigung8 bei der Kreisbewegung durchgeführt wurden.
Im linken Teil der Abbildung 8.3 auf der nächsten Seite ist #»v der Geschwindigkeits-
vektor des Körpers m auf der Kreisbahn. Nach Gleichung (6.2b) (S. 171) beträgt die
Bahngeschwindigkeit
2πr
v= = ωr .
T
etwa der sin-Funktion. Vergleiche dazu auch die Ausführungen in Abschnitt C.5 (S. 622).
6
Zur Definition von ω siehe Definition 23 (S. 171), Gleichung (6.3).
7
Siehe Definition 20 (S. 169).
8
Siehe Abschnitt 6.1.5 (S. 176).
221
8 Schwingungen
y -A hse y -A hse
#»
v
r #»
vy r
ϕ
m m
#»
aZ
#»
ay
r y
ϕ ϕ
r x-A
hse r x-A
hse
Abbildung 8.3: Zur Berechnung der Geschwindigkeit und der Beschleunigung bei der
harmonischen Schwingung
vy
Da wir nur die Projektion #»
v y betrachten, gilt mit = cos ϕ:
v
ay
Da wir nur die Projektion #»
a y betrachten, gilt mit = sin ϕ:
aZ
Mit einem Minuszeichen wird noch die stets entgegengesetzte Orientierung von #» a y in
Bezug zu y berücksichtigt, denn oberhalb der x-Achse ist a y nach unten, y nach oben
#» #» #»
und unterhalb ist #» y nach unten orientiert. Genauer ist also ay = −ω 2 · y.
a y nach oben, #»
222
8.2 Die harmonische Schwingung
n 0 1 2 3 4 5 6 7 8
t
0,00 0,25 0,50 0,75 1,00 1,25 1,50 1,75 2,00
s
y
0,00 7,07 10,00 7,07 0,00 −7,07 −10,00 −7,07 0,00
cm
vy
31,4 22,2 0,0 −22,2 −31,4 −22,2 0,0 22,2 31,4
cm/s
ay
0,0 −69,8 −98,7 −69,8 0,0 69,8 98,7 69,8 0,0
cm/s2
y
cm
10 bc
bc bc
0 bc bc bc
−10 bc
−15
9
Siehe [19, S. 100, Aufg. 1].
223
8 Schwingungen
vy
cm/s
bc bc
30
bc bc
20
10
0 bc bc
−20 bc bc
−30 bc
−40
ay
cm/s2
100 bc
75 bc bc
50
25
0 bc bc bc
−125
Betrachtet man die Graphen in den Abbildungen 8.4 auf der vorherigen Seite, 8.5 und 8.6,
so erkennt man, dass in Bezug zur Elongation y(t) die Geschwindigkeit vy (t) beim
Durchgang durch die Nulllage (t = 0, t = 1 s und t = 2 s) maximal mit wechselnder
Orientierung ist. Bewegt sich der schwingende Körper zu Beginn nach oben, so wird er
langsamer, um danach die Nulllage mit maximaler Geschwindigkeit von oben nach un-
ten zu durchqueren. Die Beschleunigung ist in Bezug zur Bewegung Abbildung 8.4 zu
Beginn negativ (orientiert), d. h. der schwingende Körper wird abgebremst. Die Verzöge-
rung wird immer größer und erreicht ihren größten Wert, wenn der obere Umkehrpunkt
mit vy = 0 erreicht wird. Danach wird der Körper nach unten bewegt, wobei die Be-
schleunigung wieder abnimmt und im unteren Punkt der Bewegung ein weiteres Mal den
größten Wert annimmt.
Kurz: Die Beschleunigung ist dort maximal/Null, wo die Geschwindigkeit Null/maximal
ist, denn dort ist eben ihre Änderung maximal/Null.
224
8.2 Die harmonische Schwingung
Ziel des Versuchs ist die experimentelle Bestätigung der im letzten Abschnitt berechneten
Bewegungsgleichungen. Dazu bestimmen wir zunächst die Gleichungen einer harmoni-
schen Schwingung allein aus der Aufzeichnung der Elongation y(t).
Für die Ermittlung des zeitlichen Verlaufs der Schwingung einer Schraubenfeder benutzt
man wieder den Bewegungs-Messwandler10 mit Halte- und Startmagnet und der xy-
Steuerung. In der Anleitung zum Messwandler gibt es eine Vektorgraphik mit Aufbau
und Schaltung zu diesem Versuch. Das Ergebnis dieses Versuchs ist in Abbildung 8.7 in
Originalgröße dargestellt.11
3 ,8 5 c m
9 ,4 6 c m
Abbildung 8.7: Zeitlicher Verlauf der Schwingung (Elongation y(t)) einer Schraubenfe-
der. Eingezeichnet sind die Amplitude und die Länge von 5 Perioden.
225
8 Schwingungen
• x-Richtung
– Meßwandler 0,1 V =
b 1 s, also 1 mV = 0,001 V =
b 0,01 s;
– xy-Schreiber 50 mV =
b 1 cm.
Daraus erhält man für die Schwingungsdaten der Feder:
mV m
yb = 3,85 cm · 5 ·1 = 3,85 · 5 mm = 19,25 mm ;
cm V
9,46 cm mV s 9,46
T = · 50 · 0,01 = · 50 · 0,01 s = 0,946 s ;
5 cm mV 5
1 1
f= = = 1,06 Hz ;
T 0,946 s
2π 2π
ω= = = 6,64 Hz .
T 0,946 s
Nacheinander kann man nun angeben:
• Das Zeit-Weg-Gesetz (8.3) (S. 221) der Schwingung der Schraubenfeder:
2π
y(t) = yb · sin ωt = 19,25 mm · sin ·t .
0,946 s
Die in den Gleichungen (8.6) und (8.7) berechneten Einträge sollen nun experimentell
überprüft werden.
In den Abbildungen 8.8 (s. rechts) und 8.9 (s. rechts) sind die Messergebnisse aus den
dazu durchgeführten Experimenten abgebildet. In allen Fällen wurden der Schreiber und
die Schwingung über den Bewegungsmesswandler gleichzeitig gestartet. Zum Vergleich
bei der Auswertung habe ich den Nullpunkt in den drei Abbildungen (eingezeichnete
y-Achse) nach 5 41 Perioden gesetzt12 und die sich dann ergebende Amplitude gemessen.
12
Grund: der Anfang in den Originalen war nicht immer sauber aufgezeichnet. Das ty-Diagramm hatte
auch eine etwas zu große Amplitude für eine 1:1-Abbildung. Ferner war die original aufgezeichnete
Schwingung proportional zu − cos und daher die Geschwindigkeit zu − sin, die Beschleunigung zu
cos proportional. Das wollte ich hier in der einführenden Betrachtung vermeiden. In allen Fällen ist
aber der Einfluss der Dämpfung auf die Amplitude vergleichbar.
226
8.2 Die harmonische Schwingung
2 ,6 3 c m
7 ,5 6 c m
Abbildung 8.8: Zeitlicher Verlauf der Geschwindigkeit vy (t) einer Schraubenfeder. Ein-
gezeichnet sind die Amplitude und die Länge von 4 Perioden, die der
Schreiber auf dem Papier gezeichnet hat.
1 ,6 7 c m
7 ,75 ,75 7c m c m
Abbildung 8.9: Zeitlicher Verlauf der Beschleunigung ay (t) einer Schraubenfeder. Ein-
gezeichnet sind die Amplitude und die Länge von 4 Perioden, die der
Schreiber auf dem Papier gezeichnet hat.
227
8 Schwingungen
m
mV mm mm
vby = 2,63 cm · 50 · 1 s = 2,63 · 50 = 131,5 ;
cm V s s
7,56 cm mV s 7,56
T = · 50 · 0,01 = · 50 · 0,01 s = 0,945 s .
4 cm mV 4
Man vergleiche die hier gemessenen mit den in Gleichung (8.6) (S. 226) berechneten
Daten.
m
mV 2 mm mm
by = 1,67 cm · 500
a · 1 s = 1,67 · 500 2 = 835 2 ;
cm V s s
7,57 cm mV s 7,57
T = · 50 · 0,01 = · 50 · 0,01 s = 0,946 s .
4 cm mV 4
Man vergleiche die hier gemessenen mit den in Gleichung (8.7) (S. 226) berechneten
Daten.
228
8.2 Die harmonische Schwingung
Wir fragen nun nach den Kräften, die eine harmonische Schwingung hervorrufen können.
Dazu starten wir mit dem Spezialfall der Grundgleichung der Mechanik (3.12) (S. 116):
#»
F = m · #»a.
Bei der Schwingung betrachten wir wieder die Projektion auf die y-Achse:
Fy = m · ay = −m · ω 2 y . (8.8)
Dass umgekehrt bei Gültigkeit des linearen Kraftgesetzes die Schwingung harmonisch
(also eine sin-Schwingung) ist, kann an dieser Stelle14 nicht gezeigt werden. Dazu muss
ausgehend von einem linearen Kraftgesetz zusammen mit der Grundgleichung der Me-
chanik die Differentialgleichung
Wegen der Gültigkeit des letzten Satzes 48 gilt mit der Gleichung (8.1) (S. 217) F = D ·s
oder in der Schreibweise der Projektion:15
Fy = −D · y (8.9)
D = m · ω2 (8.10)
13
Siehe 8.1.1 (S. 217).
14
Siehe [9, S. 134] und [10, S. 110].
15
Vergleiche die Argumentation vor Satz 46 (S. 222): Mit einem Minuszeichen wird noch die stets
#»
entgegengesetzte Orientierung von F y in Bezug zu #»
y berücksichtigt, denn oberhalb der x-Achse ist
#» #»
F y nach unten, y nach oben und unterhalb ist F y nach oben, #»
#» y nach unten orientiert. Genauer ist
also Fy = −D · y.
229
8 Schwingungen
2
2π
D =m· ;
T
m
T 2 = 4π 2 · .
D
Satz 49. Die Schwingungsdauer einer harmonischen Schwingung der Masse m an einer
Schraubenfeder mit Federkonstante D berechnet sich zu:
m
r
T = 2π · (8.11)
D
Eine Kugel durchläuft mit konstanter Geschwindigkeit eine Kreisbahn mit 12 cm Radius
einmal je Sekunde. Ihr Schatten führt auf einem Schirm harmonische Schwingungen aus
(vergleiche Def 29 und Satz 44 (S. 221)). 16
Bestimme jeweils die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Schattens
1. im Mittelpunkt seiner Bewegung;
1
Für alle Aufgabenteile gilt yb = 12 cm, f = 1 Hz, T = f = 1 s und ω = 2πf = 2π Hz.
cm
= yb · ω · cos ωt = 12 cm · 2π Hz · cos (2π Hz · 0,5 s) = −75,4 ;
T
vy 2 s
ay T2 = −yb · ω 2 · sin ωt = −12 cm · (2π Hz)2 · sin (2π Hz · 0,5 s) = 0 .
1
2 = y · sin ωt ; ωt = arcsin ;
y
b
2
b
1
arcsin
1 2
2 = sin ωt ; t= = 83,3 ms .
2π Hz
16
[20] 3.1.1.1.
230
8.3 Beispiele für Schwingungen
Damit ist
cm
vy (83,3 ms) = yb · ω · cos ωt = 12 cm · 2π Hz · cos (2π Hz · 83,3 ms) = 65,3 ;
s
ay (83,3 ms) = −yb · ω 2 · sin ωt
cm
= −12 cm · (2π Hz)2 · sin (2π Hz · 83,3 ms) = −237 .
s2
Anmerkung Berücksichtige bei der Bearbeitung mit einem Taschenrechner den rich-
tigen Winkelmodus RAD (vergleiche Abschnitt 6.1.2 (S. 172)). Beachte ferner, dass
sin 30◦ = sin π6 = 12 . Daher ist die Mitte nicht bei 45◦ .
Statt der Zeit t = T2 hätte man auch t = 0 zur Berechnung der Geschwindigkeit bzw.
Beschleunigung verwenden können. Der Unterschied besteht allein in der Orientierung.
Entsprechendes gilt für die anderen Zeiten in diesem Beispiel.
An einer Schraubenfeder hängt ein Körper der Masse 400 g. Durch einen Stoß in verti-
kaler Richtung wird die Feder in Schwingungen versetzt. Die Amplitude beträgt 5 cm,
die maximale Geschwindigkeit 20 cms .
17
cm
20 = ω · 5 cm ,
s
20 cm
s
denn cos ωt ist maximal 1. Daher ist ω = = 4 Hz. Also
5 cm
2π 2π 2π π
ω= =⇒ T = = = s = 1,57 s .
T ω 4 Hz 2
4. Berechne die größte und die kleinste Kraft, mit der die Feder im Laufe einer Schwin-
gung belastet wird!
17
[20] 3.1.1.2.
231
8 Schwingungen
Beim Durchgang durch die Nulllage ist ay = 0. An der Feder wirkt nur die Ge-
wichtskraft FG = 9,81 sm2 · 400 g = 3,92 N. Nun ist aber die Beschleunigung in den
Umkehrpunkten gerade T = π2 s :
T
2
−5 cm · (4 Hz) · sin 4 Hz · , oben
4
2
ay = −yb · ω · sin ωt =
3T
2
−5 cm · (4 Hz) · sin 4 Hz · , unten
4
cm π m
−80 2 · sin = −0,8 2 , oben
s 2 s
=
cm 3π m
· sin = 0,8 2 , unten
−80
s 2 2 s
Die größte Kraft wäre daher unten
m
Fmax = (9,81 + 0,8) · 400 g = 4,24 N ,
s2
und die kleinste Kraft wäre oben
m
Fmax = (9,81 − 0,8) · 400 g = 3,60 N .
s2
1
W = · D · yb 2 (8.12)
2
Beachte dabei, dass die Energie quadratisch mit der Amplitude wächst.
m
r
Aus der Gleichung (8.11) (S. 230) T = 2π · folgt:
D
4π 2 kg m N
D= · m = ω 2 · m = (4 Hz)2 · 400 g = 6,4 2 · = 6,4 ;
T 2 s m m
1 2 1 N 2
W = · D · yb = · 6,4 · (5 cm) = 8 · 10 Nm = 8 mJ .
−3
2 2 m
Zusatz Bei der harmonischen Schwingung ist Summe aus kinetischer und po-
tentieller Energie zu jedem Zeitpunkt gleich der Gesamtenergie.
232
8.3 Beispiele für Schwingungen
Dabei haben wir die Gleichungen (4.8) (S. 137) mit (8.4), (4.6) (S. 136) mit (8.3),
(8.10) sowie die trigonometrische Beziehung (C.5) (S. 619)verwendet.
m
r
T = 2π · (8.13)
D
experimentell auf den Prüfstand gestellt werden. Dazu wird die Federkonstante D dy-
namisch durch Messung der Schwingungsdauer T in Abhängigkeit von der angehängten
Masse m ermittelt. Zum Vergleich bestimmt man D vorher durch eine statische Messung
gemäß (8.1) (S. 217)
F = D · s. (8.14)
Das Experiment eignet sich sehr gut als Schülerversuch.18 Verwendet werden die Mess-
daten einer Schülergruppe19 aus einem LK vom 05.09.1999.
18
Es ist sogar durchaus möglich, im Rahmen eines Differenzierungsprojektes in der 9./10. Klasse so
vorzugehen, dass man die Gesetzmäßigkeit (8.11) zu analysieren versucht, da es sich hier um eine
quadratischen Zusammenhang handelt – eben einmal nicht linear – und die Behandlung der quadra-
tischen Funktionen (auch: Wurzel) in diese Jahrgangsstufen fällt.
19
Dominik Pyschny, Matthias vom Baur und Thomas Nagel; LK Physik Jgst. 12, 1999/2000
233
8 Schwingungen
Statische Messung Man nimmt Massenstücke von 50 g, hängt sie an die zu untersu-
chende Feder und bestimmt die Verlängerung s. Wegen (8.14) wird in der Tabelle zuerst
die Verlängerung und dann die Kraft (Gewichtskraft der Massenstücke) eingetragen. In
der graphischen Darstellung sind F an der Hoch- und s an der Rechtsachse aufgetragen.
s
1,3 2,4 4,2 5,6 8,3 11,2
cm
F
0,49 0,98 1,47 1,96 2,94 3,92
N
N
F = 0,343 · s + 0,073 N .
2 bc
cm
bc
bc
messen:
0 N
0 2 4 6 8 10
s D = 34,3 (8.15)
cm m
m
0,100 0,150 0,200 0,250 0,300 0,400
kg
T
0,40 0,45 0,52 0,57 0,64 0,70
s
T2
0,160 0,203 0,270 0,325 0,410 0,490
s2
Die 3. Zeile in der obigen Tabelle enthält die Quadrate der gemessenen Schwingungs-
dauer, denn man erhält einen linearen Zusammenhang zwischen T 2 und m wegen
m 4π 2
T 2 = 4π 2 · = · m.
D D
234
8.3 Beispiele für Schwingungen
T T2
s s2
0,7 bc
0,7
bc
0,6 bc
0,6
bc
0,5 0,5 bc
bc
bc
0,4 bc
0,4
bc
0,3 0,3 bc
0,2 0,2 bc
bc
0,1 0,1
bc
0 0
m m
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0 0,1 0,2 0,3 0,4
kg kg
Abbildung 8.10: Links: Beachte, dass T (m) eine Wurzelfunktion darstellen sollte. Rechts:
Die prinzipiell erwartete lineare Funktion T 2 (m).
Trägt man die Messwerte in ein mT -Diagramm ein (siehe Abbildung 8.10, links), so
wundert man sich, dass die Punkte scheinbar auf einer Gerade liegen. Startet man eine
lineare Regression, so wird danach die Lage der Punkte durch die Funktion y = 1,04 ·
x + 0,304 mit R2 = 0,981 beschrieben. Dies ist eigentlich nicht schlecht, aber leider nicht
sinnvoll, denn die Schwingungsdauer wird immer kleiner, je kleiner die angehängte Masse
ist. Genauer sollte bei einer Beschreibung durch eine Wurzelfunktion der Nullpunkt (0|0)
des KOS bei kleiner werdender Masse Ziel der Messdatenfolge sein.20
Vielleicht trägt ja eine Linearisierung der Messdaten zu weiteren Erkenntnissen bei. Nach
Gleichung (8.13) (S. 233) erwarten wir eine Gerade durch den Nullpunkt, wenn man ein
mT 2 -Diagramm erstellt. Dieses ist in der Abbildung 8.10, rechts gezeichnet.
Lineare Regression ergibt (Regressionskoeffizient R2 = 0,9893):
y = 1,151 · x + 0,041 ;
T2 m
= 1,151 · + 0,041 ;
s2 kg
s2
T 2 = 1,151 · m + 0,041 s2 .
kg
Auch hier ergibt sich ein y-Achsenabschnitt ungleich Null, der in der Größenordnung
von etwas unter 10 % der mittleren gemessenen Zeit T 2 liegt. Nun ergibt aber dieser
Achsenabschnitt tatsächlich einen Sinn, denn für m = 0 (m ist die angehängte Masse)
20
Die Auswertung als Wurzelfunktion muss an dieser Stelle zurückgestellt werden, da vorher noch weitere
Informationen gewonnen werden müssen.
235
8 Schwingungen
gibt es eine nichtverschwindende Schwingungsdauer der Feder. Sie schwingt auch für
sich, weil sie auch selbst eine Masse mF hat. m∗ sei der Teil an der Gesamtmasse der
Feder (Federersatzmasse), der für die Schwingung mit m = 0 verantwortlich ist. Eine
Berechnung (siehe Zusatz ab Seite 237) zeigt genauer den Zusammenhang:
1
m∗ = · mF .
3
Dies soll nun hier ebenfalls überprüft werden.
T2 T
s2 s
0,7 0,7 bc
bc
0,6 0,6 bc
bc
0,5 bc 0,5
bc
0,4 bc
0,4 bc
bc
0,3 0,3
bc
0,2 bc 0,2
bc
0,1 0,1
bc
bc bc
m m
−0,1 0,1 0,2 0,3 0,4 −0,1 0,1 0,2 0,3 0,4
−0,1 kg −0,1 kg
Die Masse der Feder wurde mit mF = 102 g bestimmt. Aus der Regression berechnet
man für T 2 = 0:
0,041 s2
m=− s2 = −35,6 g . (8.16)
1,151 kg
s2 s
s
T (m) = 1,151 · m + 0,041 s2 = 1,151 √ · m + 0,0356 kg ,
p p
kg kg
236
8.3 Beispiele für Schwingungen
welche die Federersatzmasse berücksichtigt und den Graph einer um m∗ = 35,6 g nach
links verschobenen Wurzelfunktion darstellt.21 Die schwarz gepunktete Linie ist wie in
Abbildung 8.10 (links) der Graph der linearen Regression aus den vorhandenen Mess-
daten. Man erkennt, dass in dem entsprechenden Teil des Graphen der Wurzelfunktion
die Abweichung von einer linearen Funktion nicht mehr so groß sind.
Zum Schluss ermitteln wir noch die Federkonstante. Aus (8.13) (S. 233) erhält man durch
Vergleich
m
r
T = 2π · ;
D
s
= 1,151 √ · m + 0,0356 kg ;
p p
T
kg
1 s
r
2π · = 1,151 √ ;
p
D kg
4π 2 s 2
= 1,151 ;
D kg
4π 2 4π 2 m
D = s2 = · .
kg m
1,151 kg 1,151 2
s
N
34,3 (8.17)
m
Zusatz Die Größe der Federersatzmasse m∗ kann wie folgt eingesehen werden.
Sei mF die Gesamtmasse der Feder, ` die Länge der Feder. Bei
einer homogenen Massenverteilung gilt das Verhältnis
∆m ∆y
= . (8.18)
mF `
y
∆m ∆y Entsprechend für die Geschwindigkeitsverteilung an der Stelle y:
vy y
= . (8.19)
mF ℓ v` `
Das betrachtete Federstück besitzt nun die kinetische Energie:
m
1
· ∆m · vy2 ;
y -A
hse
∆W =
2
21
Zum Verständnis der oben fehlenden Zwischenschritte möchte ich ergänzen:
v !
s2 0,041 s2 s
u
T (m) = 1,151 · m+ = 1,151 √ m + 0,0356 kg .
u p p
·
kg
t
s2
1,151 kg
kg
237
8 Schwingungen
Benutzt man nun die Gleichungen (8.18) und (8.19), so hat man:
2
1 ∆y y
∆W = · mF · · v` ·
2 ` `
1 y 2
= · mF · v`2 · 3 · ∆y .
2 `
Die Gesamtenergie berechnet sich daher zu:
Z`
1 y2
W = · mF · v`2 · 3 · dy
2 `
0
`
1 1 y 3
= · mF · v`2 · · 3
2 3 `
0
1 1 `3
= · mF · v`2 · · 3 − 0
2 3 `
1 1
= · · mF · v`2 .
2 3
mit der Lagrange-Funktion22 wurde von mir im Skript korrigiert, aber hier nicht mehr
aufgeführt.
Klassische Herleitung der Schwingungsdauer Mit den Bezeichnungen gemäß der nach-
stehenden Abbildung erhält man wegen
F F
= = sin δ, also F = mg sin δ .
FG mg
22
Nützlich erscheint mir das als Facharbeit bezeichnete Dokument http://theory.gsi.de/~vanhees/
faq-pdf/lagrange.pdf (zuletzt besucht 23.10.2017), welches sich mit der Lagrange-Funktion und
einigen Anwendungen auseinandersetzt.
238
8.3 Beispiele für Schwingungen
s
Mit δ = (Bogenmaß; vergleiche (6.5) (S. 174))
`
δ und unter Berücksichtigung der Orientierung kann
ℓ man schreiben:
s
F (s) = −mg sin .
`
m
s Bei der Pendelschwingung handelt es sich somit
nicht um eine harmonische Schwingung, da F (s)
F δ
kein lineares Kraftgesetz darstellt.a
δ
#» Für kleine Winkel gilt allerdings sin ϕ ≈ x.b Daher
Fℓ
mg mg
#»
FG F (s) = − · s = −konst · s , mit konst = .
` `
a
Die Schwingungsdauer hängt demnach von der Amplitude
ab.
ϕ
b
x ist das Bogenmaß von ϕ, kurz: x = arc ϕ = · π.
180◦
sin ϕ x tan ϕ Siehe (6.1.2) (S. 173). Beispiel: sin 5 = 0,087156 und
◦
5◦
arc 5◦ = · π = 0,087266. Die Abweichung beträgt
ϕ 180◦
0,13 %.
Wir verallgemeinern den Satz 49 (S. 230) über die Schwingungsdauer beim Federpendel
zu der Aussage, um damit die Schwingungsdauer eines Fadenpendels angeben zu können:
Satz 51. Die Schwingungsdauer einer harmonischen Schwingung der Masse m mit dem
linearen Kraftgesetz F = −D · s mit Direktionskonstante D berechnet sich zu:
m
r
T = 2π · (8.20)
D
Für die Schwingungsdauer eines Fadenpendels erhalten wir demnach durch Vergleich
mg mg
F (s) = − · s = −D · s , mit D = ;
` s`
s
m m `
r
T = 2π · = 2π · mg = 2π · .
D ` g
Satz 52. Die Schwingungsdauer eines Fadenpendels der Länge ` berechnet sich bei klei-
nen Amplituden näherungsweise zu:
s
`
T = 2π · (8.21)
g
T hängt dabei am gleichen Ort (g) nur von der Pendellänge ` ab, aber nicht von m.
239
8 Schwingungen
δ
ℓ
h
r m #»
FZ
s δ
#» #»
FG Fℓ
Abbildung 8.12: Wir betrachten ein konisches Pendel, auch Kegelpendel, Kreispendel,
Rundlaufpendel oder Zentrifugalpendel, bei dem sich die Pendelmas-
se auf einer horizontalen Kreisbahn und der Faden deshalb auf einer
Kegelfläche bewegt.
Herleitung über die Projektion eines Kreispendels Betrachtet man ein Kreispendel23
h
wie in Abbildung 8.12, so folgt mit (6.15) (S. 179), (6.3) und cos δ = , also h = ` cos δ:
`
FZ r
= ;
FG h
2
2π
m· r ·r
; =
T
mg h
4π 2 g
2
= ;
T h
h ` · cos δ
T 2 = 4π 2 · = 4π 2 · ;
g g
` · cos δ
s
T = 2π · .
g
Fasst man das ebene Pendel als Projektion eines Kreispendels auf, was für kleine Winkel
möglich ist, weil dann r ≈ s, so kann man wiederum den Satz 52 (S. 239) formulieren.
23
Zur Begriffsbildung siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Sph%C3%A4risches_Pendel, zuletzt be-
sucht am 25.10.2017.
240
8.3 Beispiele für Schwingungen
F = −mg = −% · V · g = −% · A · 2s · g ;
m m
r r
T = 2π · = 2π · (8.22)
D 2A%g
408 g
s
T = 2π · g m
2· 1 cm2 · 13,6 cm 3 · 9,81 s2
408 cm · s2
s
= 2π · · = 777 ms .
2 · 1 · 13,6 · 9,81 m
3. Wieviel Wasser müsste man an Stelle von Quecksilber in die Röhre füllen, um
dieselbe Schwingungsdauer zu erzielen?
24
Siehe (4.13) (S. 140).
25
[20] 3.1.1.5.
241
8 Schwingungen
Zusatz Interessant ist, dass die Länge der Flüssigkeitssäule für die beiden Flüssigkeiten
gleich ist, denn man rechnet allgemein:
s s s
m %V %`A `
r
T = 2π · = 2π · = 2π · = 2π · . (8.23)
2A%g 2A%g 2A%g 2g
Einzelfragen: Arbeit, Energie, nicht mischbare Flüssigkeiten In ein U-Rohr mit dem
Querschnitt 0,8 cm2 werden 34 cm3 Quecksilber (Hg) gegossen.26
1. Welche Arbeit ist nötig, um das Quecksilber 4 cm aus der Ruhelage zu bringen?
1 1
W = · D · s2 = · (2 · A · % · g) · s2
2 2
g m
= 0,8 cm2 · 13,6 · 9,81 2 · (4 cm)2
cm 3 s
cm2 · g · m · cm2
= 0,8 · 13,6 · 9,81 · 16
cm3 · s2
g · cm · m kgm
= 1,71 · 103 = 1,71 · 103 · 10−5 2 · m
s 2 s
= 17,1 mJ .
242
8.3 Beispiele für Schwingungen
4. Welche Schwingungsdauer erhält man, wenn man in den rechten Schenkel zusätz-
lich 10 cm3 Wasser gießt?
Gemäß (8.23) (s. links) hängt T nicht vom Material, sondern nur von der Länge `
der Flüssigkeitssäule ab. Die Volumina von Quecksilber und Wasser sind additiv27 .
Daher:
`Hg+W = `Hg + `W .
Nun ist V = A · `. Das setzen wir ein:
2g 55 cm
r
2π · 2·9,81 m2 = 1,05 s
, für Hg+W
s
Eine Messung zum U-Rohr Mit dem U-Rohr von Leybold (siehe Abbildung 8.13 auf
der nächsten Seite) kann man die im letzten Abschnitt durchgeführten Überlegungen
experimentell einigermaßen genau nachprüfen. Das verwendete U-Rohr28 ist eigentlich
als Manometer gedacht. Besser geeignet wäre ein etwas dickeres Rohr, was aber nicht
zur Verfügung stand.
Das Experiment wurde am 21.09.2010 in einem LK in der Jgst. 12 durchgeführt. Ich
wollte versuchen, zu Hause eine etwas genauere Auswertung durchzuführen und habe das
U-Rohr mit einem (Nokia-Knochen) Handy kurz entschlossen fotografiert. Die Schärfe
des linken Bildes in der Abbildung 8.13 lässt zu wünschen übrig. Es gibt aber leider
keine anderen Dokumentationen.
Die eingetragenen Linien und Abstandsdaten sind mit Micrografx Designer 7.1 über
die Fotos gelegt worden. Da keine 1:1 Abbildung vorliegt, habe ich die cm-Skala als
Maß herangezogen und die anderen Längen auf den Bildern mit dieser Einheit bemaßen
lassen. Danach wurden die Bilder entsprechend ihrem Gebrauch im Dokument auf gleiche
Bildhöhe skaliert.
Die Länge der Flüssigkeitssäule ergibt sich aus der Länge, die durch die Skala angegeben
wird. Dazu kommen der Abstand von der unteren Marke der Skala bis zum Halbkreisbo-
gen des U-Rohres sowie die Länge des Halbkreisbogens, der auf der Mittellinie bestimmt
wird.
1 3,74 cm 0,8 cm
` = 2 · 12 cm + 2 · 3,76 cm + ·2·π· − = 36,1 cm ;
2 2 2
36,1 cm
s s
`
T = 2π · = 2π · = 853 ms .
2g 2 · 9,81 sm2
243
8 Schwingungen
4 ,0 0 c m
1 2 ,0 c m
3 ,7 6 c m
,8 0 c m
3 ,7 4 c m
Die direkte Messung der Schwingungsdauer erfolgte durch alle Teilnehmer des Kurses,
die von ihren Plätzen aus mehrere Zeitmessungen vornahmen. Gestartet wurde von mir
durch Rückwärtszählen (3–2–1–los!). Man braucht dann nur einen Schenkel des Rohres
mit dem Finger freizugeben. Die Schwingung ist allerdings so stark gedämpft, dass nicht
mehr als 4 Perioden sinnvoll gezählt werden konnten.
70 Daten wurden zusammengetragen und ergaben für 4 Perioden mit Standardabwei-
chung:
4 · T = (3,047 ± 0,290) s .
T
689 ≤ ≤ 834
ms
Tendenziell ist T zu klein gemessen worden. Das verwundert nicht wegen der ungewöhn-
lichen Messmethode. Man ist geneigt, die Stoppuhr zu spät zu starten und hinterher zu
früh zu stoppen, da das erreichen des Maximums nach 4 stark gedämpften Schwingungen
nicht mehr richtig abgeschätzt werden kann.
Unabhängig davon ist das gemeinsame Messen ein nettes Erlebnis für den Kurs und
bindet alle Schüler hautnah in die Messproblematik ein.
244
8.4 Gedämpfte Schwingungen; Resonanz
gedämpfte Schwingung betrachtet werden, die ja bisher nicht weiter untersucht wurde.29
In der Folge stellt sich die Frage nach einer Möglichkeit, eine gedämpfte Schwingung zu
entdämpfen. Die führt über die erzwungene Schwingung zum Begriff Resonanz.
Da die zugehörigen Experimente30 teilweise zeitaufwendig sind und die Theorie der er-
zwungenen Schwingung für das weitere Verständnis nicht unbedingt erforderlich scheint,
ist es vertretbar, das Thema im Rahmen eines Vortrags mit wenigen Experimenten ver-
ständlich zu machen. Aus den eigenen Unterlagen möchte ich eine Messung zur Abnahme
der Amplitude bei einer freien Schwingung hinzufügen (siehe Abschnitt 8.4.3).
Als Literatur zur Vorbereitung habe ich [19, S. 119] und [18, S. 189–197] herangezogen.
Bisher haben wir sogenannte freie Schwingungen betrachtet. Das sind Schwingungen,
die für sich alleine schwingen: Schraubenfeder mit angehängtem Massenstück, Faden-
pedel, Flüssigkeit im U-Rohr. Nun wird aber immer ein Teil der Schwingungsenergie
etwa durch Luftreibung, Reibung in der Aufhängung oder Reibung zwischen Flüssigkeit
und Gefäßwand in Wärme umgewandelt. Wegen Gleichung (8.12) (S. 232) W = 12 Dyb 2
nimmt daher die Amplitude ab. Das formulieren wir im nachstehenden
1
s
D
f0 = (8.24)
2π m
Möchte man nun die Reibungsverluste ausgleichen, so muss die nach jeder Periode feh-
lende Energie der Schwingungsbewegung durch von außen einwirkende Kräfte wieder
zugeführt werden. Man erhält dann idealerweise eine ungedämpfte Schwingung. Diese
ist allerdings keine freie Schwingung mehr, sondern eine erzwungene Schwingung.
Experiment Ein einfacher Versuch soll die letzte Aussage belegen. Dazu erstellen wir
einen Aufbau gemäß Abbildung 8.14. Ein Exzenter31 wird von einem Motor mit steu-
erbarer Drehzahl gedreht und bewegt dadurch eine schwingungsfähige Anordnung aus
Schraubenfeder und Massenstück. Das Becherglas mit Flüssigkeit dient zur Dämpfung
29
Siehe Abschnitt 8.2.1 (S. 219).
30
Mit dem Drehpendel nach Pohl [27, Gerätebeschreibung 346 00] lassen sich viele Experimente qua-
litativ durchführen. Im Rahmen einer Facharbeit – insbesondere für eine Arbeitsgruppe – sind die
Versuche gut durchführbar.
31
[27] Gerätebeschreibung 347 28
245
8 Schwingungen
der Bewegung. Aus der Federkonstante und der angehängten Masse bestimmt man die
Eigenfrequenz f0 des Federpendels (siehe (8.24) auf der vorherigen Seite). Man kann
diese Frequenz natürlich auch messen.32 Dann schaltet man den Motor ein und lässt ihn
den Exzenter nicht zu schnell drehen.
b
b
Abbildung 8.14: Ein einfaches Experiment zur Demonstration der Eigenschaften einer
erzwungenen Schwingung
Man erkennt nach kurzem Warten (Einschwingvorgang), dass das Federpendel mit der
Erregerfrequenz ferr mitschwingt und eine bestimmte konstante33 Amplitude yb an-
nimmt. Diese Schwingung ist nun nicht mehr gedämpft.
Für den Erreger der erzwungenen Schwingung gilt yberr = konst, seine Frequenz ferr ist
aber veränderbar. Man beobachtet, dass ferr die Amplitude yb der Schwingung beeinflusst:
Mit wachsender Frequenz des Erregers nimmt die Amplitude in einem engen Frequenz-
bereich sehr stark zu und später wieder ab. Das Maximum der Amplitude nennt man
Resonanz. Dies ist bei nicht zu großer Dämpfung der Fall bei der Resonanzfrequenz
ferr = f0 .
Der Graph der Funktion yb (ωerr ) = yb (2πferr ) heißt Resonanzkurve 34 . Solche sind in
Abbildung 8.15 gezeichnet.
Ein Parameter muss doch noch genauer betrachtet werden. Der Resonanzfall tritt umso
deutlicher auf, je geringer die Dämpfung ist. Ungedämpft (bei zu kleiner Dämpfung) kann
32
Durch die Dämpfung verändert sich diese Frequenz etwas. Das kann hier bei der einfachen Betrachtung
unberücksichtigt bleiben.
33
Bei geringen Frequenzunterscheiden zwischen ferr und f0 treten Schwebungen auf, die bei schwacher
Dämpfung immer wieder angefacht werden. Zu Schwebungen siehe Abschnitt 10.3.2 (S. 285).
34
Diese lässt sich quantitativ mit dem Drehpendel nach Pohl ([27], Gerätebeschreibung 346 00) ermit-
teln.
246
8.4 Gedämpfte Schwingungen; Resonanz
die Amplitude tatsächlich so groß werden, dass das schwingende System zerstört wird.
Im Experiment gemäß Abbildung 8.14 (s. links) kann sich das Massenstück durchaus
aus dem Glas bewegen und samt Feder vom Experimentiertisch hopsen.
Satz 54. Für den Resonanzfall bei einer erzwungenen Schwingung ist eine Dämpfung
mitunter unbedingt erforderlich.
yb
Skt b
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2 b
0,1
0
ωerr
12 12,2 12,4 12,6 12,8 13,0 13,2 13,4 13,6 13,8 14,0 14,2
Hz
Abbildung 8.15: Zwei Resonanzkurven: die blaue Linie kennzeichnet den Verlauf der Am-
plitude in Längeneinheiten bei einer stärkeren Dämpfung als bei der
roten Linie unter sonst gleichen Bedingungen. Die Lage des Maximums
liegt bei kleiner Dämpfung in guter Näherung bei der Eigenfrequenz des
schwingenden Systems (gestrichelte Linie: 13,1 Hz).
Nach dem Einschwingvorgang erfolgt die angeregte Schwingung mit der Frequenz des
Erregers. Sie läuft aber der Erregerschwingung hinterher. So erreicht die Schwingung des
Systems immer nach der Schwingung des Erregers die gleiche Phase (Winkel, Schwin-
gungszustand, z. B. Nulldurchgang): die Schwingungen sind zueinander phasenverscho-
ben. Die Phase hängt ebenfalls von der Erregerfrequenz ab.
Man betrachte etwa ein Kind auf einer Schaukel. Bei langsamer Bewegung der Beine
und des Körpers zum Antrieb der Schaukel folgt die Schaukelschwingung nur kurz ver-
zögert. Die Phasenverschiebung (Phasendifferenz) ist etwas größer als 0◦ = 0 rad. Bei zu
schneller Beinbewegung bewegen sich Schaukel und Beine nahezu entgegengesetzt. Die
Phasendifferenz ist in der Nähe von 180◦ = π rad. Das für Kinder interessante Optimum
247
8 Schwingungen
müssen sie lernen: Für eine Resonanz sollte die Phasendifferenz 90◦ = π2 rad betragen.
Auch hier hängt die Ausprägung des funktionalen Verlaufs ϕ (ωerr ) von der Dämpfung
ab. Betrachte dazu die Abbildung 8.16.
ϕ
π
2
ωerr
8 10 12 14 16 18
Hz
Abbildung 8.16: Verlauf der Phasendifferenz bei der erzwungenen Schwingung; rot klei-
ne, blau größere Dämpfung
Anmerkung
• Im Resonanzfall erfolgt eine optimale Energieübertragung zwischen Erreger und
Schwinger. Genauer: um die Schwingungsamplitude konstant zu halten, ist im Re-
sonanzfall die Energiezufuhr am kleinsten. Wenn sich dieser Zustand selbst steuert,
spricht man von Rückkopplung.
• Weitere nennenswerte Beispiele für erwünschte oder auch unerwünschte Resonanz
sind: Schaukel, rappelnde Teile bei einem Auto oder einer Waschmaschine bei
bestimmten Frequenzen (Umdrehungen pro Sekunde), akustisches Pfeifen durch
Lautsprecher- und Mikrophon-Rückkopplung.
• Stichwort Resonanzkatastrophe: Brücken (Aufschaukeln durch Wind, marschieren-
de Kolonnen), Gebäude (auch Erdbeben). Im atomaren Bereich ist der Energie-
austausch im Wesentlichen ein Resonanzphänomen.
Zusatz Nachfolgend möchte ich noch erläutern, auf welcher Grundlage die graphischen
Darstellungen Abbildungen 8.15 und 8.16 zustande gekommen sind und welche Daten
ich benutzt habe. In [6] findet man in § 19. Erzwungene Schwingungen. Resonanz die
Bewegungsgleichung (Differentialgleichung) der erzwungenen Schwingung notiert mit
mẍ = −kx − β ẋ + F0 cos ωt. (8.25)
Dabei bedeuten m die Masse des schwingenden Systems, k die Federkonstante (bei uns
mit D bezeichnet), β einen Dämpfungsfaktor (siehe auch 8.4.3 (S. 251)) und F0 cos ωt
eine mit ω (bei uns ωerr ) periodisch wirkende Kraft.35
35
Der Ansatz erklärt sich anschaulich aus der Grundgleichung der Mechanik F = ma = mẍ, dem linearen
248
8.4 Gedämpfte Schwingungen; Resonanz
k β F0
ω02 = , κ= , f0 = , (8.26)
m 2m m
so stellt sich die Gleichung (8.25) folgendermaßen dar:
wobei
f0 2κω
A= q und tan ϕ = . (8.29)
ω02 − ω 2
2
+ 4κ2 ω 2 ω02 − ω2
als physikalisch sinnvolle Lösung hat man für ω 6= 0 und daher ω02 − 2κ2 > 0:
−4ω02 + 4ω 2 + 8κ2 = 0 ;
−ω02 + ω 2 + 2κ2 = 0 ;
Kraftgesetz, einer der Geschwindigkeit proportionalen Reibung und der von außen wirkenden Kraft.
36
Siehe [6, S. 96].
249
8 Schwingungen
q
ωres = ω02 − 2κ2 (8.30)
Ein mathematisch erforderlicher Test mit der zweiten Ableitung zeigt, dass R(ω) tat-
sächlich ein relatives Minimum an der Stelle ωres besitzt:
R00 (ω) = −8ω0 + 12ω 2 + 8κ2 = 12ω 2 − 4 ω02 − 2κ2 ;
Die Phasenverschiebung ϕ in Gleichung (8.29) hängt ebenfalls von ω ab. Für ω = ω0 ist
der Ausdruck nicht definiert, der Winkel also 90◦ = π2 rad. Für Frequenzen ω < ω0 ist
tan ϕ > 0, also 0◦ < ϕ < 90◦ . Entsprechend ist tan ϕ < 0 für ω > ω0 , also in unserem
Fall 90◦ < ϕ < 180◦ .37
Die in der Abbildung 8.15 (S. 247) verwendeten Funktionen lauten:
2 Skt
s2
rot: yb (ω) = r 2 ;
2 2
(13,1 Hz) − ω2 + 4 · (0,1 Hz) · ω2
2 Skt
s2
blau: yb (ω) = r 2 .
2 2
(13,1 Hz) − ω2 + 4 · (0,4 Hz) · ω2
250
8.4 Gedämpfte Schwingungen; Resonanz
κ ∈ {0,1 Hz; 0,4 Hz} wird gemäß der unterschiedlichen Dämpfungen gewählt; ferner ist
ω0 = 13,1 Hz. In Fußnote 37 (s. links) wird erläutert, dass die Funktion abschnittsweise
definiert werden muss.
2κω
arctan , falls ω < ω0
ω02 − ω 2
π
ϕ (ω) = , falls ω = ω0
2
2κω
arctan +π , falls ω > ω0
ω02 − ω 2
Mit dem Pohlschen Drehpendel39 kann eine Dämpfungskurve gut gemessen werden.
Nachstehende Daten habe ich im Unterricht am 11.06.1989 aufgenommen.40
t t yb yb t t yb yb
n= log n= log
T s Skt Skt T s Skt Skt
0,00 0,0 19,7 1,294 8,00 15,2 2,8 0,447
1,00 1,9 15,4 1,188 9,00 17,1 2,2 0,342
2,00 3,8 12,4 1,093 10,00 19,0 1,6 0,204
3,00 5,7 9,8 0,991 11,00 20,9 1,4 0,146
4,00 7,6 7,8 0,892 12,00 22,8 1,0 0,000
5,00 9,5 6,0 0,778 13,00 24,7 0,8 -0,097
6,00 11,4 4,8 0,681 14,00 26,6 0,6 -0,222
7,00 13,3 3,6 0,556
Der Strom für die Wirbelstrombremse betrug 0,3 A. Der Pendelkörper wurde ganz nach
links gedreht und dann losgelassen. Die Amplituden bei aufeinanderfolgenden Perioden
wurden abgelesen und von einer anderen Person mitgeschrieben. Um eine Skalierung
in der Einheit s zu bekommen, habe ich die in der Gerätebeschreibung41 angegebene
Schwingungsdauer verwendet: T = 1,90 s. Diese sollte eigentlich gemessen werden. Ein
Messergebnis findet sich allerdings nicht in meinen Unterlagen, da sie für die seinerzeit
durchgeführte Auswertung nicht erforderlich war.42
39
[27] Gerätebeschreibung 346 00
40
log = log10
def
41
[27] Gerätebeschreibung 346 00; Ausgabe: 6/75, Seite 2
42
Für den Text und den Ablauf der Auswertung vergleiche Abschnitt 17.5.5 (S. 399). Es ist nicht erfor-
derlich im Rahmen einer exemplarischen Betrachtung des Auswertungsverfahrens beide Experimente
durchzuführen. Ziel ist vielmehr die Bestimmung einer Größenordnung der Konstanten κ (siehe (8.25)
und (8.26) (S. 249).
251
8 Schwingungen
yb
Skt
20 bc
bc
15
bc
10 bc
bc
bc
5 bc
bc
bc
bc
bc bc
bc bc bc
0
0 5 10 15 20 25 t
s
yb
log
Skt
1.5
bc
bc
bc
1.0 bc
bc
bc
bc
bc
0.5 bc
bc
bc
bc
0 bc
bc
5 10 15 20 25 bc t
s
−0.5
Aus der ersten Abbildung kann man schon die Eigenschaft einer Exponentialfunktion
entnehmen: geht man in gleichen Schritten auf der Rechts-Achse, so ändern sich die
Werte auf der Hoch-Achse um einen gleichen Faktor. Hier bei den gegebenen Messdaten
erfolgt eine Halbierung etwa alle 5,3 s.
Man erhält als Regressionsgerade für die zweite Abbildung die Gleichung (Regressions-
koeffizient R2 = 0,9991):
y = −0,0570 · x + 1,3115 ;
yb t
log = −0,0570 · + 1,3115 ;
Skt s
log y
10 = 10−0,0570· s +1,3115 ;
b t
Skt
yb
= 10−0,0570· s · 101,3115 ;
t
Skt
yb = 20,5 Skt · 10−0,00570· s .
t
Das wäre jetzt ein Ausdruck mit log10 bzw. mit der Basis 10. Jeden Logarithmus kann
252
8.4 Gedämpfte Schwingungen; Resonanz
man aber in eine andere Basis umrechnen, also z. B. in die Basis e der natürlichen
Logarithmusfunktion ln.
t
= ln (20,5 Skt) − 0,0570 · · ln 10 ;
s
yb = eln(20,5 Skt)−0,0570· s ·ln 10 ;
t
t
yb = 20,5 Skt · e −0,131· st
= 20,5 Skt · exp −0,131 · .
s
Eine Formulierung mit exp(x) statt ex ist in manchen Fällen übersichtlicher. Die soeben
berechnete Funktion ist in der ersten Abbildung eingezeichnet und stellt letztlich die
Exponentialanpassung für die Messreihe dar.
Anmerkung Grundsätzliche Informationen über die Eigenschaften von Logarithmus-
und Exponentialfunktionen findet man im Anhang D (S. 637 ff.).
Gemäß [6, S. 91, Gleichung (10)] wird die Abnahme der Amplitude bei einer gedämpften
Schwingung beschrieben durch:
A = konst · e−κt .
κ = 0,131 Hz (8.31)
253
Teil II
Wellen
255
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
An dieser Stelle könnte man sich wundern, dass nicht etwa (endlich) die Elektrizitätslehre
beginnt, sondern der Lehrgang scheinbar weiter mit Fragestellungen aus der Mechanik
fortgesetzt wird. Das ist so in dieser Form nicht richtig und für die Wellenlehre an dieser
Stelle gibt es einige Gründe:
• Im Hinblick auf die angestrebte Betrachtung der Strukturbegriffe Wellen, Felder
und Teilchen darf der Wellenlehre nicht zu wenig Raum gegeben werden. Der Ab-
schnitt soll nämlich so dargestellt werden, dass nicht nur mechanische Wellen wie
Seil- und Wasserwellen, sondern auch Licht als Wellenerscheinung erkannt wer-
den soll. Als Beispiele können ebenfalls akustische Phänomene herangezogen wer-
den, einerseits zur begrifflichen Abgrenzung und andererseits als Hilfsmittel, die
eingeführten Begriffe alternativ zu betrachten. Man lernt auf diese Weise unter-
schiedliche Vorgänge mit einheitlicher Begriffsbildung zu beschreiben. Das wird im
weiteren Verlauf dieses Teils des Lehrgangs deutlich werden. Die Begriffe und nicht
mehr die Phänomene bestimmen die Reihenfolge des Vorgehens von der Anschau-
ung (oft aus der Mechanik) bis zur abstrakteren Anwendung (meistens aus der
Optik).
• Ein weiterer wichtigere Aspekt für die Wellenlehre an dieser Stelle ist die Möglich-
keit zur Zurückstellung der Verwendung der Differential- und Integralrechnung.
Sie wird in der Wellenlehre eher weniger benötigt. Analytische Methoden versteht
man besser, wenn man etwas älter ist. G9 bot (und bietet neuerdings wieder) dazu
etwas mehr Raum zum Reifen.
Allerdings benötigt man Kenntnisse über die trigonometrischen Funktionen und
ihre Eigenschaften. Diese gehen in der Regel über die Trigonometrie in 5 Minuten
(siehe C.1 (S. 619)) hinaus. Durch den Abschnitt Schwingungen ist die Handhabung
aber nicht mehr fremd. In Anhang C findet man die notwendigen Hinweise.
9.1.1 Doppelpendelversuch
Zur Einführung1 habe ich das Doppelpendel von Leybold2 verwendet. Zwei Pendel mit
Metallstangen werden an Stativmaterial befestigt und auf gleiche Schwingungsdauer ein-
1
Zur Vor- und Nachbereitung habe ich [22] ab S. 214 und [19] S. 121 benutzt.
2
[27] Gerätebeschreibung 346 45
257
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
gerichtet (Abbildung 9.1, schwarz). Dazu können Gewichte an den Stangen verschoben
werden. Lässt man nun eins der Pendel schwingen, so bleibt das zweite Pendel in Ruhe.
Allerdings muss man darauf achten, dass durch das Stativmaterial und die Befestigung
am Tisch keine Übertragung stattfinden kann. Es sollte möglichst keine Kopplung zwi-
schen den Pendeln bestehen.
Stellt man nun bewusst eine Kopplung zwischen den Pendeln her, indem man beide
Pendelstangen mit einem Faden und einem Gewicht verbindet, so beobachtet man einen
Übergang der Schwingungsbewegung von einem Pendel zum zweiten und auch wieder
zurück. Nach einer gewissen Zeit, die von der Kopplung abhängt, ruht Pendel 1 und
Pendel 2 erreicht maximale Schwingungsweite. Anschließend kehrt sich der Vorgang um.
Eine Simulation dazu findet man unter dem Stichwort „gekoppelte Pendel“ im Internet3 .
Es bietet sich an, verschiedene Fragestellungen experimentell zu erkunden. So kann eine
Auslenkung in Richtung der Verbindungsgeraden der beiden Pendelkörper oder auch
senkrecht dazu erfolgen. Ein Pendel kann auch kreisende Bewegungen durchführen, die
sich entsprechend übertragen. Ferner kann der Einfluss der Kopplung betrachtet werden,
wenn das Kopplungsgewicht oben oder weiter unten an den Pendeln angebracht ist.
Auf jeden Fall kann als Ergebnis festgehalten werden:
Satz 55. Zwischen zwei gekoppelten Pendeln können Bewegung und Energie ausge-
tauscht werden. Die Übertragung hängt von der Kopplung ab.
b b b
b b b
Nach der Untersuchung des Doppelpendels betrachten wir eine Reihe gekoppelter Pendel
wie in Abbildung 9.1. Dazu findet man sicher Experimentiergerät in der Physiksamm-
lung, vielleicht sogar eine Wellenmaschine (siehe z. B. [27] Gerätebeschreibung 401 20–
24). Lenkt man das erste Pendel aus, so pflanzt sich diese Störung von Pendel zu Pendel
3
http://www.walter-fendt.de/html5/phde/coupledpendula_de.htm; zuletzt besucht am 28.12.2017.
Hier ist als Kopplung allerdings eine Schraubenfeder verwendet. Für das Verständnis spielt das aber
keine Rolle.
258
9.1 Vom Doppelpendel zur Welle
fort, da sie untereinander gekoppelt sind. Bei einer Hin- und Herbewegung des ersten
Pendels setzt sich diese Bewegung in gleicher Weise über die Pendelreihe fort, so dass
man anschaulich von einer Wellenbewegung sprechen kann. Wir halten fest:
Satz 56. Für das Entstehen einer Wellenbewegung benötigt man ein gekoppeltes System.
Wir wollen nun den Unterschied zwischen einer Schwingung und einer Welle klären.
Zeichnet man eine (harmonische4 ) Schwingung und eine Wellenbewegung wie man sie so
kennt, so sehen die Bilder auf den ersten Blick gleich aus (Abbildung 9.2). Bei genauerer
y y
b
t x
Abbildung 9.2: Links: zeitlicher Verlauf (ty-Diagramm) einer Schwingung; rechts: Wel-
lenbewegung mit exemplarisch herausgegriffenem Teilchen (Pendelkör-
per), welches eine Schwingung ausführt.
Betrachtung erkennt man, dass eine Schwingung ein zeitlich periodischer Vorgang, eine
Welle ein zeitlich und räumlich periodischer Vorgang ist. Wir definieren daher:
Def. 30. Mechanische Welle Eine Bewegung, die zeitlich und räumlich periodisch
verläuft, nennen wir mechanische Welle.
Def. 31. Harmonische Welle Ist die Schwingung der einzelnen Teilchen (Körper)
harmonisch, so sprechen wir von einer harmonischen Welle. Sie breitet sich sin-förmig
über den Wellenträger (die gekoppelten Teilchen) aus.
Betrachtet man die Abbildung 9.3 auf der nächsten Seite, so erkennt man, dass sich der
Schwingungszustand (Phase) nach rechts bewegt. Dabei schwingen die Teilchen (Pendel-
körper) stets am gleichen Ort x um ihre Ruhelage. Die Phasen der einzelnen Schwingun-
gen sind zeitlich versetzt, abhängig vom Ort x, an dem sie schwingen. Die Pfeile deuten
an, welchen Weg die einzelnen Teilchen zwischen den beiden gezeichneten Wellenzustän-
den zurückgelegt haben.
Fassen wir zusammen:
Satz 57. Bei einer Welle wird der Schwingungszustand (Phase) transportiert. Dies er-
folgt ohne Transport des Wellenträgers. Daher kann durch eine Welle Energie ohne Mas-
sentransport übertragen werden.
4
Siehe Definition 29 (S. 221).
259
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
y
b b b
b b
b b b
b b
b
λ b b
b b
b b
b
b b b b
b
b
b x
b b b b
b b b
b b b b
b b b b
b b b b
b b b b b b
Abbildung 9.3: Die Phase einer fortschreitenden harmonischen Welle wandert mit der
Geschwindigkeit v nach rechts.
Def. 32. Die Geschwindigkeit, mit der sich eine Welle ausbreitet, heißt Phasenge-
schwindigkeit.
Die Geschwindigkeit vS , die die Teilchen im Rahmen ihrer Schwingungsbewegung besit-
zen, heißt Schnelle.
Mit T bezeichnen wir wieder die Schwingungsdauer eines Teilchens. Diese Größe be-
schreibt die zeitliche Periodizität.
Mit λ bezeichnen wir die Wellenlänge. Sie ist der Abstand von einem zum nächs-
ten im gleichen Schwingungszustand befindlichen Teilchen. Diese Größe beschreibt die
räumliche Periodizität (Abbildung 9.3).
Satz 58.
λ
v= =λ·f (9.1)
T
Wenn nämlich der räumliche Abstand zweier Teilchen λ beträgt, so befinden sich diese
Teilchen im gleichen Schwingungszustand. Der zeitliche Abstand beträgt also T . Daher
gilt für die Ausbreitungsgeschwindigkeit v = ∆s 1
∆t = T = λ · f , denn f = T .
λ
260
9.1 Vom Doppelpendel zur Welle
In Abbildung 9.1 (S. 258) ist die Ausbreitungsrichtung einer Störung oder Welle durch die
Aufhängung vorgegeben. Man kann nun das erste Pendel in dieser Richtung auslenken
oder auch senkrecht dazu. In beiden Fällen setzt sich die Art der Auslenkung über
die Pendelkette fort. Auch eine Mischung aus beiden Bewegungen ist denkbar, indem
man das erste Pendel im Kreis bewegt. Dadurch ergeben sich Anteile in Richtung zur
Aufhängung und senkrecht dazu.
Standardmäßig wird eine „Welle“ wie in Abbildung 9.2 (S. 259) (rechts) gezeichnet, weil
man annimmt, so etwas von den Wasserwellen zu kennen. Eine solche Welle hat die
Ausbreitungsrichtung in x-Richtung und eine Schwingungsrichtung senkrecht dazu in
y-Richtung. Solche Wellen bezeichnet man als Transversalwellen oder Querwellen.
Def. 33. Transversalwelle Bei einer Transversalwelle (Querwelle) steht die Ausbrei-
tungsrichtung der Welle senkrecht zur Schwingungsrichtung der Teilchen (Richtung der
Schnelle).
Def. 34. Longitudinalwelle Bei einer Longitudinalwelle (Längswelle) verläuft die Aus-
breitungsrichtung der Welle parallel zur Richtung der Schnelle.
Letzteren Fall beobachtet man zum Beispiel bei einer Reihe von Güterwagen, wo sich eine
Störung (Stoß) von Wagen zu Wagen fortsetzt. Zur Demonstration dieser Stoßkopplung
auch ohne mechanische Berührung ist das Magnetrollengerät5 von Phywe gut geeignet.
Da nun bekannt ist, dass es auch Schallwellen gibt, sollen diese ebenfalls betrachtet
werden.
Experiment Eine Stimmgabel wird angeschlagen und man stellt zunächst einmal fest,
dass sich die Zinken bewegen. In manchen Sammlungen gibt es Schreibstimmgabeln6 ,
mit denen die Schwingung sehr schön nachgewiesen werden kann. Oft reicht es auch,
einen Schlüssel am Schlüsselbund an die Stimmgabel zu halten.
Wie kommt nun diese Schwingung vom Ort der Stimmgabel durch den Raum an un-
ser Ohr? Bei Gasen (und ebenso bei Flüssigkeiten) ist die einzige Kopplungsmöglichkeit
durch Stoßkopplung gegeben, da die Querkopplung fehlt (siehe Magnetrollengerät). Folg-
lich gilt der
Satz 59. Schall breitet sich in Gasen und Flüssigkeiten nur als Longitudinalwelle aus.
In Festkörpern kann sich Schall auch als Transversalwelle ausbreiten.
261
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
entstehen verschieden hohe Töne, die man gut mit den unterschiedlichen
Kopplungen erklären kann. Bei quer Anschlagen klingt der dunkle Ton relativ
schnell ab und am Ende hört man leise den hohen Ton, der sich bei dem
anderen Schlag ergibt. (A. Sieghart)
Weitere Experimente siehe Abschnitt 9.2. Beispiele siehe ab Seite 271.
Die Abbildung 9.3 (S. 260) zeigt eine Welle, die in x-Richtung fortschreitet. Es ist eine
eindimensionale Welle. Als Transversalwelle gezeichnet benötigt sie dazu noch eine
Richtung y als Schwingungsrichtung der Teilchen.
(1)
f (x, y)
y
(2)
262
9.2 Experimente und Messungen an Schallwellen
Damit man sich den Unterschied klarmachen kann, habe ich eine zweidimensionale har-
monische Transversalwelle berechnet und gezeichnet. Betrachte dazu die Abbildung 9.4
(s. links).
Rechts in Teilbild (3) erkennt man den Aufbau mit technischen Mitteln von 1986: Ta-
schenrechner HP 41CX mit IL-Interface, Extended I/O-Modul und PacScreen-Videoin-
terface7 und NEC-Monitor (12 Zoll, bernsteinfarben, JB-1205M(E)). 2 500 Bildpunkte
wurden berechnet. Etwa 3 Stunden hat der Rechner dafür gebraucht (erstmals berechnet
am 10.05.1986). Die Programme werden im nachstehenden Zusatz notiert und erläutert.
Teilbild (1) zeigt etwas deutlicher das mit einem Smartphone aufgenommene Foto der
Monitoranzeige.
Teilbild (2) stellt eine modernere Lösung des gleichen Problems dar. Ich habe wie in den
meisten Zeichnungen PSTricks-Makros8 verwendet. Hier ist die Funktion
q
f (x,y) = cos x2 + y2
Siehe dazu die Tabelle 9.1 auf der nächsten Seite und Tabelle 9.2 (S. 265).
9.2.1 Frequenz
Bei den vorgeführten Stimmgabeln ist es angebracht, die Frequenz zu ermitteln. Dazu
benutzt man ein Mikrofon9 und einen kleinen elektronischen Zähler10 . Der Aufbau ist
einfach und z. B. in den angegebenen Gerätebeschreibungen erklärt.
7
Die Firma PAC Hardware GmbH, Keithstr. 26, Berlin lässt sich auch im Internet nicht mehr finden
(zuletzt gesucht am 06.02.2018).
8
[50]
9
[27] Universalmikrofon; Gerätebeschreibung 586 26
10
[27] Zählgerät P; Gerätebeschreibung 575 451
263
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
Tabelle 9.1: Harmonische Kreiswelle als HP 75-Programm zu Abschnitt 9.1.6 (S. 263)
Neben der Frequenzermittlung per Zähler wird man eine Darstellung des zeitlichen Ver-
laufs der Schwingung einer Schallquelle (Stimmgabel, Sprechen, Singen, Lautsprecher)
mit einem Oszilloskop darstellen. Für einen stabilen sin-Ton benutzt man einen RC-
Oszillator11 mit angeschlossenen Lautsprecher, wählt eine Frequenz von etwa 1,7 kHz
und stellt das Signal am Oszilloskop dar. Mit Abbildung 9.5 liegt der Ausdruck eines
Handyfotos vom 29.11.2010 vor, den ich gescannt und mit Micrografx Designer 7.1 be-
arbeitet habe. Die 3 schwarzen Linien sind alte Auswertungslinien auf dem Ausdruck.
Folgende Daten sind zur Auswertung erforderlich:
• Eingezeichnetes 1 cm-Gitter: 8 cm =
b 9,40 LE (Längeneinheiten)
ms
• Zeitbasis am Oszilloskop: 0,1 cm
Daher gilt
8 cm ms 1 1
T = 6,48 LE · · 0,1 = 551 µs ; f= = = 1,81 kHz .
9,40 LE cm T 551 µs
9.2.3 Schallgeschwindigkeit
Wenn man nun noch die Schallgeschwindigkeit bestimmt, kann mit der Frequenz die
Wellenlänge von Schallwellen berechnet werden. Nun gibt es viele Möglichkeiten, die
11
[27] Gerätebeschreibung 522 57
264
9.2 Experimente und Messungen an Schallwellen
Tabelle 9.2: Harmonische Kreiswelle als HP 41-Programm zu Abschnitt 9.1.6 (S. 263);
Hinweis: Zeichenketten werden ohne Hochkommata ins Alpharegister einge-
tragen.
265
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
9 ,4 0 L E
6 ,4 8 L E
Abbildung 9.5: Ansteuerung eines Lautsprechers mit f = 1,81 kHz dargestellt mit einem
Oszilloskop. Zur Auswertung siehe Abschnitt 9.2.2 (S. 264).
S2 b
b
S1 b
Mikrofon
E F
12
[27] Gerätebeschreibung 524 000
13
[27] Gerätebeschreibung 524 111 (S. 104–105)
266
9.2 Experimente und Messungen an Schallwellen
s
20 30 40 50 60 70 80 90 100
cm
t
0,67 0,91 1,20 1,53 1,78 2,07 2,35 2,64 2,97
ms
s
cm
100 bc
bc
80 bc
bc
60 bc
bc
40 bc
bc
20 bc
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 t
ms
Abbildung 9.7: Graphische Darstellung der Messreihe zur Bestimmung der Schallge-
schwindigkeit
y = 34,8 · x − 2,33 ;
s t
= 34,8 · − 2,33 ;
cm ms
cm
s = 34,8 · t − 2,33 cm .
ms
267
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
Damit kann man den gemessenen Wert überprüfen. Bei einer angenommenen15 Raum-
temperatur von 21,5 ◦C hätte man gemäß (9.2):
s
21,5 ◦C m
c = 331,3 · 1+ = 344 .
273 C
◦ s
9.2.4 Wellenlänge
Gemäß der Gleichung (9.1) (S. 260) c = λ · f lässt sich nun die Wellenlänge der Schall-
wellen berechnen. Wir rechnen mit 340 ms .
• Unterhalb der Hörschwelle von 16–20 Hz spricht man von Infraschall.
c 340 ms
λ= = = 17,0 m .
f 20 Hz
• Oberhalb der Hörschwelle von 16–20 kHz spricht man von Ultraschall.
c 340 ms
λ= = = 17,0 mm .
f 20 kHz
268
9.3 Die Wellengleichung
y #»
v
x
b
tB
xB
A B
xB xB xB · T
tB = = λ = . (9.3)
v T
λ
Eine Uhr zeige die Zeit t in B an. Dann war der Schwingungszustand von B zur Zeit
t − tB in A. Das heißt, es gilt stets:
Der zeitliche Verlauf der harmonischen Schwingung in A sei nun durch yA (t) = yb · sin ωt
beschrieben. Dann folgt mit (9.3):
yB (t) = yA (t − tB )
= yb · sin (ω (t − tB ))
2π xB · T
= yb · sin ωt − ·
T λ
2π
= yb · sin ωt − · xB
λ
2π
y (x,t) = yb · sin ωt − ·x .
λ
Wir führen jetzt zur Kennzeichnung der räumlichen Periodizität den Wellenvektor ein:
#»
Def. 35. Unter dem Wellenvektor k verstehen wir einen Vektor mit dem Betrag
#»
k
2π
k= (9.4)
λ
269
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
#»
k steht senkrecht auf den Wellenfronten und die Orientierung erfolgt mit der Ausbrei-
tung der Wellenfront.
Mit Definition 35 auf der vorherigen Seite erhalten wir den
Satz 61. Die eindimensionale Wellengleichung17 lautet:
Anmerkung
2π
1. Wie oben bereits bemerkt, steht k = für die räumliche Periode in Analogie18
λ
2π
zur Kreisfrequenz ω = . Letztere beschreibt die zeitliche Periode. Der Kehrwert
T
der Schwingungsdauer T ist bekanntlich die Frequenz f . Sie beschreibt die Anzahl
der Schwingungen pro Zeiteinheit. Entsprechend bedeutet der Kehrwert der Wel-
lenlänge λ die Anzahl der Wellenlängen pro Längeneinheit. Man nennt diese Größe
die Wellenzahl.
2. In der Literatur wird die Wellengleichung oft ohne k und ω dargestellt:
t x
y (x,t) = yb · sin 2π − (9.6)
T λ
3. Wegen der Annahmen in der Herleitung von Satz 61 gilt, dass zum Zeitpunkt
t = 0 am Ort x = 0 die Elongation y = 0 ist. Die Welle bewegt sich nach „rechts“
(in x-Richtung positiv). Beim Start der Welle bewegt sich das Teilchen im Null-
punkt nach „oben“ (in y-Richtung positiv). Betrachte dazu auch die Abbildung 9.3
(S. 260).
4. Für eine eindimensionale Welle ist der Wellenvektorvielleicht
nicht einsichtig. Bei
kx
#»
einer dreidimensionalen Welle allerdings ist k = ky . Für diesen Fall kann
kz
man die Wellengleichung in folgender Weise schreiben:
kx x
y (x,y,z,t) = yb · sin ωt − ky · y ;
kz z
oder vektoriell mit dem Skalarprodukt:
#»
y ( #»
r ,t) = yb · sin ωt − k · #»
r .
Das Produkt der Vektoren ist das (Standard-) Skalarprodukt in Koordinaten. Eine
etwas genauere Betrachtung findet man im Anhang C.6.4 (S. 630).
17
Mit der Kurzbezeichnung Wellengleichung ist hier nicht die Differentialgleichung für Wellen gemeint.
Mit der Gleichung 9.5 hat man aber Zugriff auf Orte und Zeiten bei einer harmonischen Welle.
18
Analogie: „Genauso, nur anders.“
270
9.4 Beispiele
9.4 Beispiele
Anmerkung Die Aufgaben lassen sich mit etwas Gefühl für die Graphen der sin-
Funktion auch ohne Verwendung der Wellengleichung (9.5) (s. links) bearbeiten.
1. Berechne die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle mit 90 cm Wellenlänge, wenn
die Schwingungsdauer der Teilchen 0,6 s beträgt.19
λ 90 cm m
c=λ·f = = = 1,5 .
T 0,6 s s
3. Über eine Reihe von 25 gekoppelten Pendeln (T = 0,72 s) schreitet eine Quer-
welle mit der Amplitude 1,5 cm und der Wellenlänge 6 cm. Die Pendel haben den
Abstand 0,5 cm. Zeichne Bilder der Welle nach 0,36 s, 1,08 s und 1,26 s.21
Die Zeiten sind nicht zufällig gewählt, sondern 0,36 s = 21 T , 1,08 s = 32 T und
1,26 s = 47 T . Das entspricht bei einer sin-Funktion den Winkeln 180◦ , 360◦ + 180◦
und 360◦ + 270◦ . Eine Welle, die zur Zeit t = 0 an der Stelle x = 0 startet, kommt
in den angegebenen Zeiten genau die λ = 6 cm entsprechenden Wellenlängenanteile
weit: 3 cm, 9 cm und 10,5 cm Damit lassen sich die Funktionswerte gemäß Punkt 5
1
(S. 621) angeben, denn der Abstand von 0,5 cm von Pendel zu Pendel entspricht 12 λ
oder einem Winkel von 30◦ . Zu berücksichtigen wäre schließlich noch die Amplitude
von 1,5 cm.
Will man die Wellengleichung (9.5) (s. links) verwenden, so muss man sich bei der
Zeichnung darauf verständigen, dass die erste Auslenkung des Pendels an der Stelle
x = 0 nach oben erfolgt. Andernfalls ist das Ergebnis an der x-Achse gespiegelt,
was letztlich auch kein Problem darstellt. Abbildung 9.9 auf der nächsten Seite
zeigt die Lösung.
Anmerkung Man merke sich folgende lineare Entsprechung:
Winkel 0◦ 30◦ 45◦ 60◦ 90◦ 180◦ 270◦ 360◦
3π
Winkel in rad 0 π
6
π
4
π
3
π
2 π 2 2π
1 1 1 1 1 3
x in Wellenlängen 0λ 12 λ 8λ 6λ 4λ 2λ 4λ 1λ
1 1 1 1 1 3
t in Schwingungsdauern 0T 12 T 8T 6T 4T 2T 4T 1T
19
[20] 3.2.1.4.
20
[20] 3.2.1.5.
21
[20] 3.2.1.1.
271
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b
x
1,5 3,0 4,5 6,0 7,5 9,0 10,5 12,0
t = 0s
b
b b
b b
b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b
t = 0, 36 s
b b
b b b b
b b b b
b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b
b b
t = 1, 08 s
b b
b
b b
b b b b
b b b b
b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b
b b b
t = 1, 26 s
b b b
b b
Man kann ohne Kopfrechnen Gleichung (9.5) verwenden. Zunächst berechnen wir die
Funktion und damit anschließend einige der Funktionswerte.
2π 2π
y (x,t) = yb · sin (ωt − kx) = 1,5 cm · sin ·t− ·x .
0,72 s 6 cm
Beispiel:
2π 2π π x
y (x; 0,36 s) = 1,5 cm · sin · 0,36 s − · x = 1,5 cm · sin π − · ;
0,72 s 6 cm 3 cm
π 2 cm π
y (2 cm; 0,36 s) = 1,5 cm · sin π − · = 1,5 cm · sin = 1,30 cm .
3 cm 3
272
9.4 Beispiele
4. Über eine Punktreihe von 15 Punkten mit je 1 cm Abstand läuft eine Längswelle
(Longitudinalwelle), die zur Zeit t = 0 beim ersten Punkt beginnt und die Wellen-
länge λ = 8 cm besitzt.22
Zeichne ein Momentbild der Welle (Amplitude 1 cm)
a) für den Zeitpunkt, in dem das 6. Teilchen zu schwingen beginnt;
b) für die Zeit t = 45 T ;
c) für den Zeitpunkt, in dem das 4. Teilchen erstmalig die größte Auslenkung
erreicht;
d) für den Zeitpunkt, in dem das 15. Teilchen zu schwingen beginnt.
Erläuterungen: Die Verteilung der Positionen ist nun nicht senkrecht zur x-Achse, son-
dern in Richtung der Achse. Um der Wellengleichung (9.5) entsprechende Ergebnisse
zu erhalten, beachte man, dass die erste Auslenkung in positiver Orientierung gewählt
wurde: bei Transversalwellen also nach oben und bei Longitudinalwellen nach rechts
(Standardorientierung der x-Achse). Zum Zeichnen der Punkte überlegt man sich die
Auslenkung gemäß der sin-Funktion und trägt diese von der Teilchenposition abhängig
vom Vorzeichen nach rechts oder links ab. Es ist nützlich, die Teilchennummern mitzu-
schreiben.
Die Wellenlänge ist durch λ = 8 cm vorgegeben. Daher gilt
λ T π
1 cm = = =
b =b 45◦
8 8 4
b b
Die Amplitude beträgt yb = 1 cm. Ein Teilchen kann sich also höchstens 1 cm aus der
Ruhelage nach links oder rechts entfernen.
a) Das 6. Teilchen befindet sich an der Stelle x = 5 cm. Dort ist eine Nullstelle der
sin-Funktion nach Aufgabenstellung. Die Elongation des Teilchens an dieser Stelle
ist Null. Von dort folgt nach links nach 2 cm = b π2 =
b 90◦ ein Hochpunkt der sin-
Funktion: x = 3 cm (beachte die Konvention über die erste Auslenkung; meditiere
erneut über der Abbildung 9.3 (S. 260)). Die Elongation √ ist +1 cm. An den be-
1
nachbarten Stellen trägt man den Wert sin 45 = + 2 2 ab Bei x = 1 cm ist eine
◦
√
weitere Nullstelle. Für x = 0 muss daher − sin 45◦ = − 12 2 eingezeichnet werden.
Will man die Werte berechnen, so kann die Wellengleichung (9.5) effektiv eingesetzt
werden. Für den aktuellen Fall ist der Zeitpunkt, an dem die Welle beschrieben
werden soll entsprechend dem Fortschreiten um 5 cm = b 58 T gegeben. Daher
b 58 λ =
2π 5 2π x
= 1 cm · sin · T− ·
T 8 8 cm
π π x π x
= 1 cm · sin 5 · − · = 1 cm · sin 5− . (9.7)
4 4 cm 4 cm
22
[20] 3.2.2.1.
273
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
b b b b b b b b b b b b b b
t = 0s
b
Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
x 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
cm
t = 58 T
b b b b b b b b b b b b b b b b b b
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
λ
2
t = 54 T
b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b
1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011 12 13 14 15
λ
t = 58 T
b b b b b b b b b b b b b b b b b b
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
λ
2
t = 74 T
b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 1415
Abbildung 9.10: Die erste Punktreihe stellt die Ausgangslage dar. Man muss zwischen
den Koordinaten x und der Nummerierung der Teilchen unterscheiden.
Die nachfolgenden Punktreihen beziehen sich auf die Problemstellungen
a), b) c) und d) der Aufgabe 4.
Anmerkung Man könnte – wie oben bereits erwähnt – die Aufgabe auch ohne Wellengleichung an-
b 2π
setzen. Für die Funktion sin x beträgt die Periode 2π entsprechend λ = 8 cm. Daher 1 cm = 8
. Die
Funktion lautet also mit der Amplitude 1 cm
π x
y(x) = 1 cm · sin · .
4 cm
Es fehlt nun noch die Berücksichtigung der zeitlichen Verschiebung. Diese erreicht man durch Verschie-
bung der sin-Funktion um 1 cm entsprechend π4 nach rechts:
π x π π x
y(x) = 1 cm · sin · − = sin · −1 .
4 cm 4 4 cm
Das sieht nun nicht wie Gleichung (9.7) auf der vorherigen Seite aus:
π x
y x, 58 T = 1 cm · sin 5−
.
4 cm
Das liegt daran, dass die Wellengleichung eine Verschiebung der (− sin)-Funktion nach rechts vornimmt.
Die Differenz beträgt also 4 Einheiten: 4 λ8 oder 4 π4 . Analytisch kann man das formelmäßig nachrechnen.
Dazu benutzt man das Additionstheorem (C.35) (S. 632):
sin (a + b) = sin (a) cos (b) + cos (a) sin (b) .
π π π π π π
sin x + − = sin x cos − + cos x sin −
4 4 4 4 4 4
274
9.4 Beispiele
1 1√
√
π π
= sin x 2 + cos x − 2 ;
4 2 4 2
5π π 5π π 5π π
sin + − x = sin cos − x + cos sin − x
4 4 4 4 4 4
1 1
√ √
π π
= − 2 cos − x + − 2 sin − x
2 4 2 4
1 1
√ √
π π
= − 2 cos x + 2 sin x .
2 4 2 4
b) In der Zeit t = 45 T kommt die Welle an die Stelle x = 54 λ = 10 cm. Von dort kann
die Welle von Teilchen 11 rückwärts in gleicher Wiese wie zuletzt beschrieben
konstruiert werden. Die Wellengleichung lautet für diesen Fall:
2π 5 2π x π x
x, 45 T = 1 cm · sin = 1 cm · sin 10 −
y · T− · .
T 4 8 cm 4 cm
0
x
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
cm
−1
−2
−3
275
9 Grundbegriffe der Wellenlehre
x
y (x,t) = 2 cm · sin 2π 50 Hz · t −
5 cm
t x
= 2 cm · sin 2π 50 · − 0,2 ·
s cm
0,050 s x
y (x; 0,050 s) = 2 cm · sin 2π 50 · − 0,2 ·
s cm
x
= 2 cm · sin 2π 2,5 − 0,2 ·
cm
x
y (x; 0,055 s) = 2 cm · sin 2π 2,75 − 0,2 ·
cm
t 3,75 cm
y (3,75 cm; t) = 2 cm · sin 2π 50 · − 0,2 ·
s cm
t
y (3,75 cm; t) = 2 cm · sin 2π 50 · − 0,75
s
y
cm
0
0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10 t
s
−1
−2
−3
1
Abbildung 9.12: Zu Aufgabe 5b; die Schwingungsdauer beträgt T = 50 s = 0,020 s.
276
10 Interferenz
10.1 Einführung
Experiment Um das Verhalten von Wellen zu untersuchen, eignet sich eine Wellen-
wanne. Diese steht in der Regel in unterschiedlichen Experimentieranordnungen zur Ver-
fügung. Gute Eindrücke kann man mit einer flachen, wassergefüllten Schale vermitteln,
die an den Rändern „strandartig“ ansteigt.1
Die Schale wird horizontal ausgerichtet. Dann legt man ein passendes Tuch hinein. Dar-
auf kommt ein ebener Spiegel. Nun füllt man Wasser ein, bis der Wasserstand ca. 4 mm
die Spiegeloberfläche übersteigt. Das Ganze wird so mit einer Experimentierleuchte von
oben angestrahlt, dass unter der Zimmerdecke ein helles rechteckiges Bild der Spiegelo-
berfläche zu sehen ist. Jede Störung der Wasseroberfläche lässt sich auf diese Weise gut
verfolgen.
Nach einer Erklärung der Wellenwanne genügt es, das Phä-
b nomen der Interferenz auf ganz einfache Weise zu zeigen:
von den mit Wasser benetzten Fingern lässt man einzel-
W2
Umgekehrt kann man mit dem Begriff nun formulieren: Autos (Teilchen) interferieren
nicht. Interferenz ist also (klassisch) ein Alleinstellungsmerkmal für Wellen.
Experiment Mit 6 langen Schraubenfedern2 kann man versuchen, diese ungestörte
Überlagerung zu zeigen. Auf dem Boden des Experimentierraums legt man die Federn
aneinandergehakt aus. Zwei Helfer halten den Federwurm auf leichter Spannung. Mit
etwas Übung können Störungen von beiden Seiten des Federwurms gleichzeitig losge-
schickt werden. In der Mitte beobachtet man mit etwas gutem Willen, dass die Störungen
1
[27] Gerätebeschreibung 401 60/61/62/63/64; Hinweis: gute Ergebnisse lassen sich auch mit einer
Projektion unter die Raumdecke erreichen, was m. E. einen intensiveren Eindruck hinterlässt.
2
[27] Gerätebeschreibung 401 01
277
10 Interferenz
durcheinander durch laufen. Allerdings erzeugen sie kurzzeitig einen besonders großen
Ausschlag. Bei Störungen, die von einer Seite gesehen als Berg und als Tal anzusehen
sind, bleibt von der gesamten Amplitude während des Durchdringens der Störungen
nicht mehr viel übrig (Abbildung 10.1).
Wir halten daher folgende Aussage fest:
Satz 62. Treffen mehrere Wellen zusammen, so addieren sich die Elongationen in jedem
Zeitpunkt vektoriell. Sie überlagern sich ungestört. Diese ungestörte Überlagerung heißt
Interferenz (Definition 36).
10.2 Interferenzmuster
Experiment An die schmale Seite der Wellenwanne schiebt man einen Motor mit
Exzenter, befestigt zwei Stifte an den dafür vorgesehenen Stellen und benutzt diesen
jetzt als Erreger für zwei Kreiswellenfelder, die sich durchdringen. Nach einer kurzen
Eingewöhnungszeit kann man eine Art Muster im Wellenfeld beobachten. Der Experi-
mentator wird gegebenenfalls auf die zu beobachtenden Stellen hinweisen. Es bildet sich
ein Interferenzmuster aus.
Um eine etwas genauere Betrachtung der Vorgänge zu erreichen, sollte jeder Schüler
einmal eine Zeichnung wie Abbildung 10.2 (s. rechts) angefertigt und analysiert haben.
Mit Abbildung 10.2 lässt sich das im Experiment beobachtete Interferenzmuster nach-
vollziehen. An den Stellen, wo gleichfarbige Kreise zusammenkommen, addieren sich die
Elongationen zu besonders großen Amplituden. An Stellen, wo verschiedenfarbige Kreise
zusammenkommen, trifft immer ein Wellenberg auf ein Wellental. Genauer: dort sind
die Elongationen der einzelnen Wellen stets entgegengesetzt orientiert. Daher ist die Ge-
samtelongation an diesen Stellen Null. Diese Aussagen treffen für alle Punkte auf den
durchgezogenen bzw. gestrichelten Linien zu.
278
10.2 Interferenzmuster
b b
W2 W1
Abbildung 10.2: Interferenzmuster von zwei Kreiswellen; blaue Linien stellen Wellenber-
ge, rote Linien Wellentäler einer harmonischen Welle dar. Die Wellen-
länge beträgt 1 cm. Die durchgezogenen Linien verbinden Punkte mit
maximaler Amplitude. Die gestrichelten Linien verbinden Punkte stän-
diger Auslöschung. Das (schwarze) Muster ist zeitlich unveränderlich.
Pmax
Pmin
b
r2 r1
r2 r1
b b
W2 W1
Abbildung 10.3: Zum Begriff Gangunterschied; es gelten die gleichen Konventionen wie
bei der obigen Abbildung.
10.2.1 Gangunterschied
Die Bedingungen für Auslöschung und Verstärkung der Wellen hängt von ihrem Gang-
unterschied ab. Dazu betrachte man die Abbildung 10.3.
1. Verstärkung tritt ein, wenn die von W1 und W2 ausgesandten Wellen in Pmax
279
10 Interferenz
∆s = r2 − r1 = n · λ mit n ∈ Z. (10.1)
2. Auslöschung tritt ein, wenn die von W1 und W2 ausgesandten Wellen in Pmin
zusammentreffen und die sin-Kurven der harmonischen Wellen gerade 180◦ pha-
senverschoben verlaufen, also so übereinander passen, dass sie sich auslöschen wie
in Abbildung 10.4 rechts. Das ist immer dann der Fall, wenn die Wellen Wege r1
von W1 und r2 von W2 bis Pmin zurücklegen, die sich um λ2 , 3 λ2 , 5 λ2 . . . unterschei-
den. Der Gangunterschied kann aber auch wieder − λ2 , −3 λ2 , −5 λ2 , . . . betragen.
Wir fassen zusammen:
Satz 64. Destruktive Interferenz tritt ein, wenn der Gangunterschied ∆s = r2 −r1
ein ungeradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge beträgt:
λ
∆s = r2 − r1 = (2n − 1) · mit n ∈ Z. (10.2)
2
3
Z = {. . . , − 3, − 2, − 1,0,1,2,3, . . . } bedeutet die Menge der ganzen Zahlen.
280
10.2 Interferenzmuster
• Eine Ellipse ist die Menge aller Punkte, die von zwei festen Punkten (Brennpunk-
te F1 ,F2 ) eine konstante Abstandssumme haben (Gärtnerkonstruktion mit einer
Kordel und zwei Pflöcken zur Gestaltung elliptisch geformter Beete). Die Gleichung
lautet:5
x2 y 2
+ 2 =1
a2 b
• Hyperbel nennt man hingegen die Menge aller Punkte , die von zwei festen Punk-
ten (Brennpunkte F1 ,F2 ) eine konstante Abstandsdifferenz haben. Die Gleichung
lautet:6
x2 y 2
− 2 =1 (10.3)
a2 b
Dazu gehören die Gleichungen:
r2 − r1 = 2a und e2 = a2 + b2 (10.4)
wobei F1 (e | 0), F2 (−e | 0) und r1 ,r2 den Abstand eines Punktes P (x | y) von F1
bzw. F2 bedeuten.
• Der Vollständigkeit halber ergänzen wir: Eine Parabel ist die Menge aller Punkte,
die von einem Punkt (Brennpunkt F ) und einer Gerade den gleichen Abstand
haben.
Da die Linien für Verstärkung (Auslöschung) in Abbildung 10.3 (S. 279) die Bedingung
des gleichen Gangunterschieds erfüllen, muss es sich um Hyperbeln handeln. Man spricht
in diesem Zusammenhang auch von Interferenzhyperbeln.
Zusatz Im Folgenden möchte ich exemplarisch die Gleichung für denjenigen Zweig der Hyperbel be-
rechnen, auf dem Pmax liegt. Mit der gefundenen Gleichung kann dann auch eine Zeichnung auf rechne-
rischer Grundlage erfolgen.7
4
In Mittelpunktform mit M (0 | 0)); betrachte zur Herleitung Anhang C.1 (S. 619) und dort Gleichung
(C.5). √Durch Auflösen nach y erhält man die Gleichungen für den oberen und unteren Halbkreis
y = ± r2 − x2 . √
5
In Mittelpunktform als gestauchter Kreis: y = ± ab a2 − x2 . Der Wurzelterm stellt einen oberen und
unteren Halbkreis mit Radius a dar. a, b sind die Halbachsen.
6
Weitere Erläuterungen siehe unten unter Zusatz.
7
Mit GeoGebra https://www.geogebra.org/classic kann man die fraglichen Kurven einfach und
schnell ermitteln. Allerdings erinnert das Vorgehen an eine mathematische „black box“. Und: so
schrecklich kompliziert ist es nun doch nicht, wenn man von der Hyperbelgleichung ausgeht.
281
10 Interferenz
1. Zunächst rechnen wir nach, dass die Gleichung einer Hyperbel durch (10.3) auf der vorherigen
Seite gegeben ist.
y Nach Definition der Hyperbel ist
P (x | y) r2 − r1 = konst .
4 b
2 r 2 − r 1 = F2 N1 − F1 N1
r2 r1
= (e + a) − (e − a) ;
1 r2 − r1 = 2a . (10.5)
F2 F1
b b
N1
b b Für die Abstände r1 ,r2 des Punktes P (x | y)
x
−4 −3 −2 −1 a 1 2 3 von F1 (e | 0) ,F2 (−e | 0) gelten die Bedingun-
−1 e gen:
q
−2 P F1 = r1 = (x − e)2 + y 2 ;
q
−3 P F2 = r2 = (x + e)2 + y 2 .
a2 x2 − 2a2 xe + a2 e2 + a2 y 2 = x2 e2 − 2xea2 + a4 .
Wir vereinfachen und ersetzen e mit der Abkürzung e2 = a2 + b2 : (*Hy)
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 4
a x +a a +b +a y =x a +b +a ;
a x + a + a b + a y = x a + x b + a4 ;
2 2 4 2 2 2 2 2 2 2 2
a2 b2 + a2 y 2 = x2 b2 ;
x2 b2 − a2 y 2 = a2 b2 ;
x2 b2 a2 y 2
2 2
− 2 2 = 1;
a b a b
x2 y2
− 2 = 1.
a2 b
Fazit: Für die Hyperbel gelten also (10.3), (10.5) und (*Hy); siehe (10.4) auf der vorherigen Seite.
282
10.2 Interferenzmuster
2. Wenn man die Gleichungen (10.3) und (10.4) (S. 281) als gegeben ansieht, kann
man sofort mit der nachstehenden Berechnung starten. Ziel ist die Bestimmung
der Hyperbelgleichung in Abbildung 10.3 (S. 279), auf der der Punkt Pmin (x | y)
liegt.8
Man benötigt die Parameter a und b in der Hyperbelgleichung.
a) Aus der Zeichnung liest man ab: r1 = 4 cm und r2 = 5,5 cm. Damit ermitteln
wir a aus r2 − r1 = 2a:
r2 − r1 5,5 cm − 4 cm 3
a= = = 4 cm .
2 2
3
b) Aus (*Hy) folgt b2 = e2 − a2 . Mit e = 2 cm ist:
√ 2 2 √
r
3 3 9 9 27 3
b= e2 − a2 = cm cm = cm = cm = 3 cm .
q q
2 − 4 4 − 16 16 4
x2 y 2 x2 b2 2
!
− 2 =1 =⇒ y 2 = b2 · −1 = 2
;
· x − a
a2 b a2 a2
√ 2
( 34 · 3)
s
√ 2
b2 2− 3 · 3 27
q
y=± · x2 − b2 = ± cm 2 = ± 3x2 − cm2 .
q
a2 2 · x 4 16
( 43 )
An dieser Stelle wäre man bereits mit den wesentlichen Berechnungen fertig.
Die positive Lösung liefert den Graphen im 1. und 2., die negative Lösung
den im 3. und 4. Quadrant. Die Definitionsmenge beider Wurzelfunktionen
bestimmt man zu (Daten in cm):
9 3 3
3 · x2 − =3· x+ ≥ 0;
16 4 x− 4
3 3 3 3
⇐⇒ x + ≥0∧x− ≥0 ∨ x+ 0∧x− ≤0 ;
4 4 4 ≤ 4
3
⇐⇒ x≥ 4 ∨x≤ − 43 ;
3 3
Dy = −∞, −
i i h h
4 ∪ 4 ,∞ .
d) Schließlich müssen wir noch die Koordinaten von Pmin angeben. Dazu berech-
nen wir den Schnittpunkt der beiden Kreise durch W1 und W2 im 1. Quadrant
(Daten in cm):
2
Kreis um W1 mit Radius 4 : 3
+ y 2 = 42 ;
x− 2
2 2
3 11
Kreis um W2 mit Radius 5,5: x+ + y2 =
2 2 .
8
Eine Vertauschung der Indizes für W1 , W2 oder r1 ,r2 wirkt sich nur im Vorzeichen der Differenzen aus,
hat aber wegen der Quadrate keinerlei wesentliche Konsequenzen.
283
10 Interferenz
2 5√
r
27 19 27
3x2
q
y= − 16 = 3 8 − 16 = 39 = 3,903 ;
8
19 5 √
Pmin 39 = Pmin (2,375 | 3,903) .
8 8
Faszinierend ist die Tatsache, dass ungeachtet der über die ganze Fläche erfolgenden
Bewegung der Wasserteilchen in der Wellenwanne (siehe Abschnitt 10.2 (S. 278)) an
bestimmten Stellen die Elongation immer Null ist, also keine Wasserteilchen in Bewe-
gung sind. Im Folgenden wollen wir daher überlegen, unter welchen Bedingungen ein
Interferenzmuster entsteht, welches über längere Zeit beobachtet werden kann.
Wenn Wellen zusammenkommen, so interferieren sie. Sie überlagern sich ungestört. Das
passiert auch im Schwimmbad, wo Badende die unterschiedlichsten Wellen erzeugen,
die sich im Becken ausbreiten. Scheinbar wird keine Interferenz beobachtet. Ein weiteres
Beispiel: wenn man etwa mehrere Glühlampen einschaltet, so beobachtet man in gleicher
Weise keine Interferenz – obwohl man wahrscheinlich doch schon etwas über Lichtwellen
weiß. Nun bedeutet Interferenz nicht notwendig das Entstehen eines zeitlich konstan-
ten Interferenzmusters, mit dem tatsächlich der Wellencharakter eines physikalischen
Vorgangs nachgewiesen werden könnte.
Das Muster in der Wellenwanne ist nur deshalb orts-
Pmaxb
Pmin
b
fest und zeitunabhängig, weil zwischen den aussen-
denden Wellenzentren Gleichtakt herrscht: die Wel-
lenerreger tauchen gleichzeitig ins Wasser, da sie zu-
sammen am Motor festgeschraubt sind. Es könnte
aber auch ein weiterer Motor, der vom ersten un-
abhängig ist, den zweiten Erreger eintauchen lassen.
Trotzdem würde sich ein Muster ausbilden. Die Hy-
perbeln für Auslöschung und Verstärkung verteilen
b
W2
b
284
10.3 Beobachtbare Interferenz
W1 und W2 senden Wellen aus mit λ = 1 cm, die zueinander phasenverschoben sind. Die
Welle aus W1 läuft der Welle aus W2 um 0,15 cm voraus:
0,15 cm =
b 0,15λ =
b 0,15 · 2π rad =
b 0,3π rad =
b 54◦ .
Diese Phasenbeziehung bleibt zeitlich unverändert, so dass sich in ähnlicher Weise ein
Interferenzmuster ergibt. Berechnungsergebnisse findet man im nachfolgenden Zusatz.
In der genannten Abbildung ist allerdings vorausgesetzt, dass die Wellen überall die
gleiche Ausbreitungsgeschwindigkeit haben. Um die gleiche Wellenlänge λ = 1 cm zu
besitzen, muss also die Frequenz der Erreger gleich sein. Andernfalls kann ein Muster
nicht ohne Weiteres erkennbar gemacht werden. Näheres dazu im Abschnitt 10.3.2.
Wir fassen zusammen:
Satz 65. Interferenz ist nur beobachtbar, wenn die interferierenden Wellenzüge kohärent
sind, d. h. die Wellen haben gleiche Frequenz, gleiche Wellenlänge und stehen in einer
festen Phasenbeziehung zueinander.
Zusatz Wie in Punkt 2 auf Seite 283 berechnet man für Pmin mit r1 = 4,5 cm und r2 = 5,85 cm bei
e = 1,5 cm: (nachfolgende Daten in cm; y ≥ 0)
1 1
a= 2
· (r2 − r1 ) = 2
· (5,85 − 4,5) = 0,6750 ;
b= e2 − a2 = 1,52 − 0,67502 = 1,3395 ;
p p
r
b2 1,33952
r
y= · x2 − b2 = · x2 − 1,33952 = 3,9383 · x2 − 1,7944 .
p
a2 0,67502
Die gültige Definitionsmenge ist hier nur x ≥ 0,675. Pmin (2,3283 | 4,4230) .
Für Pmax mit r1 = 5 cm und r2 = 4,85 cm bei e = 1,5 cm berechnet man entsprechend:
1 1
a= 2
· (r2 − r1 ) = 2
· (4,85 − 5) = −0,075 ;
b= = 1,52 − 0,0752 = 1,4981 ;
p
e2 a2
p
−
r
b2 1,49812
r
y= · x2 − b2 = · x2 − 1,49812 = 399,9873 · x2 − 2,2444 .
p
2
a2 (−0,075)
Die gültige Definitionsmenge ist hier nur x ≤ −0,075. Pmin (−0,2463 | 4,6851) .
Eine weitere Verallgemeinerung würde zu weit führen.
285
10 Interferenz
Im Vergleich zur Abbildung 10.2 (S. 279) bedeutet also 1 Kästchen 10 cm. Daher stellen
wir die beiden Lautsprecher etwa 60 cm auseinander, um das Interferenzfeld der Schall-
quellen zu produzieren.11
Der Nachweis der Maxima und Minima (konstruktive und destruktive Interferenz) erfolgt
subjektiv: Die Schüler werden aufgefordert, durch das Wellenfeld zu wandern. Ein Auf-
und Abschwellen der Lautstärke ist deutlich zu vernehmen. Bei 2 m Abstand von den
Lautsprechern folgen die Maxima und Minima gemäß Abbildung 10.2 mindestens in
einem Abstand von 30 cm aufeinander.
Die Schallquellen senden kohärente Wellen aus. Frequenz und Wellenlänge sind gleich
und es gibt eine feste Phasenbeziehung zwischen den Lautsprechern. Die Membranen
schwingen entweder im Gleichtakt oder um 180◦ phasenverschoben – je nach Schaltung.
Experiment Bei dem zuletzt durchgeführten Experiment handelt es sich um ein zeit-
lich konstantes Interferenzmuster. Um das festzustellen, musste man sich in das Mus-
ter hineinbegeben. Mit einem Trick kann man aber die Interferenz für jeden Beobach-
ter an seinem Platz vorführen. Wählt man zwei leicht unterschiedliche Frequenzen mit
zwei Stimmgabeln12 , von denen eine leicht verstimmt wird, so kann jeder ein An- und
Abschwellen der Lautstärke deutlich vernehmen, wenn beide Stimmgabeln gleichzeitig
Schallwellen aussenden. Man spricht in diesem Fall von Schwebung.
Da beide Schallquellen wegen der unterschiedlichen Frequenz keine kohärenten Wellen-
züge aussenden, gibt es auch kein zeitlich konstantes Interferenzmuster. Nur sind die
Änderungen bei geringen Unterschieden der Frequenz so langsam, dass man gut hören
kann wie das Interferenzfeld über einen hinwegzieht.
Mit einem Oszilloskop können die zeitlichen Verläufe am Ort eines Mikrofons recht gut
dargestellt werden. Dafür ist es günstig, ein anderes Stimmgabelpaar zu verwenden, etwa
die beiden Stimmgabeln aus Aluminium13 mit der Frequenz 1,7 kHz. Verstimmen kann
man eine davon mit etwas Klebwachs. Man triggert das Oszillogramm auf die niedrige
Frequenz der Schwebung.
Leider besitze ich in meinen Unterlagen kein Schirmbild. Es ist aber unabhängig davon
sehr nützlich, sich den Sachverhalt einmal etwas genauer in einem rechnerischen Modell
anzusehen. Dazu formuliere ich folgendes
Beispiel Zwei Stimmgabeln der Frequenz 1,70 kHz bzw. 1,73 kHz werden gleichzeitig
angeschlagen. Berechne mit Hilfe der Wellengleichungen die Schwebungsfrequenz. Be-
nutze Gleichung (C.39) aus Satz 162 (S. 634)
a+b a−b
sin (a) + sin (b) = 2 · sin · cos . (10.6)
2 2
11
Im Experiment sind die Hyperbeln genauer Hyperboloide; siehe auch https://de.wikipedia.org/
wiki/Hyperboloid (zuletzt besucht am 19.03.2018). Die Abbildung 10.2 ist ein ebener Schnitt durch
das räumliche Interferenzmuster.
12
[27] Gerätebeschreibung 414 72
13
[27] Gerätebeschreibung 411 83
286
10.3 Beobachtbare Interferenz
Zur Bearbeitung benutzen wir die Wellengleichung (9.5) aus Satz 61 (S. 270):
y (x,t) = yb · sin (ωt − kx) .
Gegeben sind zwei Wellen y1 (x,t), y2 (x,t) mit den (Kreis-) Frequenzen und Wellenvek-
toren (Wellenlängen):
ω1 = 2π · f1 = 2π · 1,70 kHz ω2 = 2π · f2 = 2π · 1,73 kHz ,
2π 2π
k1 = k2 = .
λ1 λ2
Wir betrachten die Wellen in ihrem zeitlichen Verlauf an einem festen Ort. Dazu wäh-
len wir x = 0. Ferner setzen wir hier für eine einfachere Rechnung gleiche Lautstärke
(Amplitude) voraus: yb1 = yb2 .
Man hört beide Wellen nicht getrennt, sondern ihre Überlagerung (Interferenz). Daher
können wir ansetzen:
y (t) = y1 (t) + y2 (t) = yb1 · sin (ω1 t − k1 x) + yb2 · sin (ω2 t − k2 x) .
Speziell für x = 0, yb1 = yb2 und einer Umformung mit (10.6):
y (t) = yb1 · (sin (ω1 t) + sin (ω2 t))
ω1 + ω2 ω1 − ω2
= 2 · yb1 · sin · t · cos ·t
2 2
ω1 − ω2 ω1 + ω2
= 2 · yb1 · cos · t · sin ·t
2 2
| {z } | {z }
yb (t) sin (ωt)
= yb (t) · sin (ωt) .
Man hört also am Ort des Beobachters einen Ton (als Resultat der harmonischen Schwin-
gung y(t)), dessen Frequenz der arithmetische Mittelwert der beiden Frequenzen ω1 und
ω2 ist. Die Schwingung hat eine zeitabhängige Amplitude (Lautstärke), deren Frequenz
sich aus der halben Differenz der beiden Frequenzen ω1 und ω2 ergibt. Da das menschli-
che Ohr Lautstärke orientierungsunabhängig wahrnimmt, errechnet sich die Schwebungs-
frequenz ωS aus der Differenz der Frequenzen der einzelnen Schwingungen.
Satz 66. Zwei harmonische Schwingungen gleicher Amplitude yb1 und den Frequenzen
ω1 , ω2 ergeben in der Summe eine harmonische Schwingung y (t) = yb (t) · sin (ωt) mit
ω1 + ω2
ω= (10.7)
2
ω1 − ω2
yb (t) = 2 · yb1 · cos ·t (10.8)
2
Für die Schwebungsfrequenz gilt:
ωS = ω1 − ω2 (10.9)
287
10 Interferenz
Bei den gegebenen Frequenzen f2 = 1,70 kHz und f1 = 1,73 kHz hört man also eine
Schwebung der Frequenz14
Zum Abschluss betrachten wir noch die zugehörigen Abbildungen 10.5 und 10.6.
• Abbildung 10.5 entspricht dem Experiment mit den Stimmgabeln aus Alumi-
nium mit 1,70 kHz und 1,73 kHz. Für ein Beispiel zum Verstehen der Funktionen,
die eine Schwebung beschreiben, sind die Daten allerdings nicht geeignet. Für eine
Zeichnung sind die Verhältnisse zu ungünstig. Es wird aber genau das beobachtete
Oszillogramm nachgebildet, welches mit den Stimmgabeln erzielt werden kann.15
y
LE
0
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 t
ms
−1
y
LE
0
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 t
ms
−1
y
LE
0
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 t
ms
−1
−2
Abbildung 10.5: Schwebung 30 Hz mit den Frequenzen 1,70 kHz und 1,73 kHz
Man mache sich klar, dass bei 1,70 kHz die Schwingungsdauer T = 588 µs beträgt.
50 ms
Wenn nun 50 ms dargestellt werden sollen, fallen in diese Zeit 588 µs = 85 Perioden
bzw. 8,5 Perioden auf 5 ms. Es ist notwendig, eine Zeit von etwa 50 ms darzustellen,
denn die Schwebung hat die Frequenz 30 Hz = 0,030 kHz bzw. T = 33,3 ms. Damit
14
Die Reihenfolge in der Differenz spielt für die cos-Funktion keine Rolle, da cos (−a) = cos (a).
15
Oszilloskope sind sehr schnelle analoge Messgeräte. Für eine einigermaßen gute Digital-Darstellung
der sin-Funktion habe ich jeweils 20 000 Datenpunkte berechnen müssen. Andernfalls werden die sehr
schnell aufeinanderfolgenden Extremwerte der sin-Funktion nicht sauber angezeigt. Mit modernen
Rechnern und digitalen Aufzeichnungsmöglichkeiten stellt das allerdings kein Problem mehr dar. So
bemerkt man als Benutzer nicht, ob 200 oder 20 000 Messpunkte berechnet werden.
288
10.3 Beobachtbare Interferenz
lassen sich also 1 21 wesentliche Teile der Schwebung darstellen. Für 1,73 kHz beträgt
50 ms
die Schwingungsdauer T = 578 µs. Auf 550 ms entfallen 578 µs = 86,5 Perioden.
Die Hüllkurve wird beschrieben durch die zeitabhängige Amplitudenfunktion
ω1 − ω2
yb (t) = 2 · yb1 · cos ·t
2
0,030 t t
= 2 LE · cos 2π · · = 2 LE · cos 0,030 · π · .
2 ms ms
Zur besseren Sichtbarkeit ist neben yb (t) auch −yb (t) gestrichelt eingezeichnet. Man
beachte, dass zwischen den „Bäuchen“ eine Nullstelle ist, weil die Lautstärke der
einzelnen Stimmgabeln als gleich angenommen wurde. Dies war in der Herleitung
von Satz 66 (S. 287) vorausgesetzt worden.
• Abbildung 10.6 Besser geeignet ist eine Darstellung zweier Schwingungen mit
50 Hz und 60 Hz. Hier betragen die Periodendauern 20 ms und 16,7 ms. Die Schwe-
bung hat die Frequenz 10 Hz bzw. T = 100 ms. Damit lassen sich wieder 1 21 we-
sentliche Teile der Schwebung in der Zeit 150 ms darstellen.
y
LE
0
20 40 60 80 100 120 140 t
ms
−1
y
LE
0
20 40 60 80 100 120 140 t
ms
−1
y
LE
0
20 40 60 80 100 120 140 t
ms
−1
−2
10 t t
yb (t) = 2 LE · cos 2π · · = 2 LE · cos 0,01 · π · .
2 s ms
289
10 Interferenz
ω1 + ω2
Die Frequenz der Funktion f (t) = 1 LE · sin · t mit konstanter Amplitu-
2
de 1 LE (Abbildung 10.6, hellgrau gestrichelt) beträgt 55 Hz bzw. T = 18,2 ms. Auf
die Zeit 50 ms entfallen 2 34 Perioden. Nach der Nullstelle bei 50 ms verlaufen die
rote Kurve und die hellgrau gestrichelte um 180◦ phasenverschoben. Dies kehrt sich
an der nächsten Nullstelle wieder um. Der Grund dafür ist der Vorzeichenwechsel
der cos-Funktion.
Ergänzend möchte ich noch auf einen Fachausdruck hinweisen. Die rote Kur-
ve geht aus dem Produkt der hellgrau gestrichelten sin-Funktion und der cos-
Amplitudenfunktion hervor. Dies nennt man Amplitudenmodulation.
Zusatz Anti-Schall Eine nette Anwendung der Interferenz bei Schallwellen fand
ich bereits am 09.05.1980 im Solinger Tageblatt unter dem Titel
Elektronik frißt Geräusche
London (dpa). Ein geräuschhungriges Gerät haben Forscher der britischen
Universität Essex erfunden. Die elektronische Apparatur, die „Krach ver-
schluckt“, nimmt über ein Mikrophon die Geräusche auf und gibt sie an einen
Mikroprozessor weiter. Hier werden die elektronischen Schwingungen verrech-
net und sozusagen in ein „Spiegelbild“ umgeformt. Original-Schwingung und
Spiegelbild heben sich gegenseitig auf. Je exakter das Spiegelbild, desto bes-
ser werden die Geräusche gedämpft. Erste Versuche mit einem 2-Kilowatt-
Einzylinderdieselmotor dämpften die Geräusche um zwanzig Dezibel. Der
laufende Motor war kaum zu hören.
Ein interessanter Beitrag, den ich seinerzeit im Unterricht vorgelesen