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Thomas Auinger

Sprachphilosophie
Robert B. Brandom
Biographisches

Geboren am 13.3.1950
1972 B.A. an der Yale University (summa cum laude)
1974-76 Whiting Fellow
1975-76 Porter Ogden Jacobus Fellow, Princeton
1977 Ph.D. an der Princeton University (Thesis: Practice and Object, Director: Richard Rorty)
1976-81 Assistant Professor, Philosophy Department (University of Pittsburgh)
1977- Fellow, Center for the Philosophy of Science (University of Pittsburgh)
1981-90 Associate Professor, Philosophy Department (University of Pittsburgh)
1991-98 Professor, Philosophy Department (University of Pittsburgh)
2000- Fellow, American Academy of Arts and Sciences
2002-03 Fellow, Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences (Stanford University)
1998- Distinguished Service Professor of Philosophy (University of Pittsburgh)
Ausgewählte Literatur:
Making It Explicit. Reasoning, Representing and Discursive Commitment, Harvard University Press,
Cambridge (Mass.) 1994. [abgekürzt mit MIE] Dt. als: Expressive Vernunft. Begründung,
Repräsentation und diskursive Festlegung, Frankfurt am Main 2000. [abgekürzt mit EV]
Articulating Reasons. An Introduction to Inferentialism, Harvard University Press, Cambridge (Mass.)
2000. Dt. als: Begründen und Begreifen. Eine Einführung in den Inferentialismus, Frankfurt am
Main 2001.
Tales of the Mighty Dead. Historical Essays in the Metaphysics of Intentionality, Harvard University
Press, Cambridge (Mass.) 2002.
Robert B. Brandom
Was sind die hervorstechenden Unterschiede zwischen einem Messinstrument wie
einem Thermometer oder Spektrophotometer und einem Beobachter, der nichtinferentiell
zu Überzeugungen gelangt oder Behauptungen über Temperaturen und Farben aufstellt?

Zwei Beispiele: Spektrophotometer-Beispiel und Papagei-Beispiel:

Suppose a spectrophotometer is hooked up to a tape


recorder in such a way that it produces a noise of the
acoustic type „That’s red“ when and only when it is
irradiated with light of the proper frequency:

A parrot trained to utter„That’s red“


in the presence of red things:
Robert B. Brandom
„Die Reaktion des Berichterstatters ist bedeutungsvoll – nicht nur, wie bei Messinstrument
und Papagei, für andere, sondern auch für ihn selbst. Das Spektrometer und der Papagei
verstehen ihre Reaktionen nicht, sie bedeuten nichts für sie, obgleich sie für uns etwas
bedeuten können. Der Reporter versteht seine Reaktion, er gibt ihr eine Signifikanz, für die
das Messinstrument und der Papagei blind sind. Erklärt werden muss, in welcher praktischen
Fähigkeit dieses Verstehen besteht, und zwar ohne einen letzten Endes zirkulären Rückgriff
auf intentionale Begriffe wie intentionaler Gehalt, Begriffsgebrauch oder Erfassen der
Repräsentationsabsicht (als erklärende Grundbegriffe).
Der Leitgedanke der hier zu entwickelnden Analyse von Gehalt und Verstehen stammt von
Sellars: Das Entscheidende, das dem Papagei und dem Messinstrument fehlt – der
Unterschied zwischen bloß responsiver und begrifflicher Klassifikation -, seien Praktiken des
Lieferns und Forderns von Gründen, in deren Rahmen die responsiven Reaktionen die
Rolle spielen können, Überzeugungen und Behauptungen zu rechtfertigen. Einen Begriff
begreifen oder verstehen heißt nach Sellars, die Inferenzen praktisch zu
beherrschen, in denen er vorkommt – heißt wissen (in dem praktischen Sinn von fähig
sein, zu unterscheiden), was aus der Anwendbarkeit eines Begriffs folgt und woraus
sie folgt. Der Papagei behandelt weder >Das ist rot< als inkompatibel mit >Das ist grün<
noch als aus >Das ist purpurrot< folgend, noch als dessen Folgerung >Das ist farbig<. →
Robert B. Brandom

Da die wiederholbare Reaktion für den Papagei nicht mit praktischen Richtigkeiten der
Inferenz und der Rechtfertigung [practical proprieties of inference and justification], also dem
Fällen weiterer Urteile, verquickt ist, ist sie überhaupt keine begriffliche oder kognitive
Angelegenheit. Dem Papagei und dem Messinstrument fehlt ein Verständnis für die
Signifikanz ihrer Reaktion als Grund [!] [appreciation of the significance their response has
as a reason], weitere Behauptungen aufzustellen und Überzeugungen zu erlangen, für deren
Rolle als Rechtfertigung, weitere Einstellungen zu haben und diese Akte zu vollziehen, andere
aber auszuschließen. Begriffe sind wesentlich inferentiell gegliedert. Sie in der Praxis
zu begreifen heißt sich bei den Richtigkeiten der Inferenzen und Inkompatibilität
auskennen, in die sie eingebunden sind. Eine Klassifikation verdient begrifflich genannt
zu werden aufgrund ihrer inferentiellen Rolle. Die praktische Beherrschung der inferentiellen
Einbindung einer Reaktion, dass der Reagierende sie in diesem Sinn versteht, macht die
Reaktion zu einem intentionalen Zustand oder Akt, der für den Betreffenden selbst und nicht
bloß für die anderen Beteiligten einen Gehalt hat.“ (EV,151f.) [Die Hervorhebungen sind
hinzugefügt]
Robert B. Brandom
Wir befinden uns im Raum der Gründe:

„Wir sind diejenigen, für die Gründe bindend sind, die der eigentümlichen Kraft des
besseren Grundes [force of the better reason] unterliegen.“ (EV,37)

Diese Kraft wirkt normativ, sie begründet ein rationales Sollen [a rational ‚ought’]. Die
Rationalität und Vernünftigkeit besteht dann darin, dieser spezifischen Autorität von Gründen
unterworfen zu sein.
Durch diesen Hintergrund wird es sinnvoll zu sagen, dass wir einerseits Überzeugungen
[beliefs] (d.h. etwas, das ein Grund sein kann und wofür ein Grund verlangt werden kann)
ausbilden und andererseits Handlungen [actions] (d.h. etwas Getanes, das begründet
werden kann und wofür man nach Gründen fragen kann) vollführen.

Das Verstehen ist das praktische Beherrschen von Richtigkeiten des Folgerns:
„Unsere Einstellungen und Handlungen zeigen einen verstehbaren Inhalt, der erfasst und
begriffen werden kann, indem er in ein Netz von Gründen [web of reasons] eingefügt,
indem er inferentiell gegliedert wird. Verstehen in diesem ausgezeichneten Sinne ist das
Begreifen von Gründen, das Beherrschen der Richtigkeiten des theoretischen und
praktischen Folgerns (der Inferenz). [„Understanding in this favored sense is a grasp of
reasons, mastery of proprieties of theoretical and practical inference.” (MIE,5)]” (EV,37)
Robert B. Brandom

„Was als Grund angegeben, was für wahr gehalten oder wahr gemacht werden kann, das
hat einen propositionalen Gehalt, wie wir ihn durch Aussagesätze [declarative
sentences] ausdrücken und mittels »dass«-Sätzen [‚that’ clauses] zuschreiben.
Propositionale Gehalte stehen in inferentiellen Beziehungen, und sie haben
Wahrheitsbedingungen.“ (EV,38)
---
„Das Ziel ist, uns selbst als Urteilende und Handelnde zu verstehen, als Verwender von
Begriffen, die mit der Fähigkeit zum theoretischen wie praktischen Denken und
Begründen ausgestattet sind.“ (EV,40)
---
„Es muss also eine Geschichte über Praktiken erzählt werden, die hinreichen, um
denen, die sie ausüben, propositional gehaltvolle intentionale Zustände verleihen
zu können, ohne aber diese bei den Praxisteilnehmern vorauszusetzen.“ (EV,41)
[“What is needed is to tell a story about practices that are sufficient to confer propositionally
contentful intentional states on those who engage in them, without presupposing such states
on the part of the practitioners.“ (MIE,7)]
[Hervorhebungen hinzugefügt]
Robert B. Brandom

Ein Leitgedanke Brandoms lässt sich in dem Slogan ausdrücken:


„»Einen intentionalen Zustand zuweisen heißt einen normativen Status
zuweisen.«“ (EV,54) [„»Attributing an intentional state is attributing a
normative status.«“ (MIE,16f.)]
Intentionale Zustände unterliegen Beurteilungen der »Kraft des besseren Grundes«
[»force of the better reason«]. Diese normative Kraft ist der Kern der sozialen
Praktiken des Gebens und Verlangens von Gründen. „Sie hat damit zu tun, welche
weiteren Überzeugungen anzuerkennen man festgelegt ist, zu welchen Schlüssen man
kommen sollte, was zu sagen oder zu tun man festgelegt [committed] oder
berechtigt [entitled] ist.“ (EV,54)

Brandom zufolge sollte man das explizite Wissen-dass anhand der grundlegenderen
Strukturen des impliziten praktischen normativen Wissens-wie erläutern.
Robert B. Brandom
Holistische Konsequenzen des inferentiellen Zugangs zu
Begriffen
Die unmittelbare Konsequenz, die aus einem solchen inferentiellen
Verständnis des Begrifflichen folgt, ist, dass man viele Begriffe
haben muss, um überhaupt welche zu haben. Intentional
gehaltvolle Zustände hängen gleichsam in einem Netz [web]
von Richtigkeiten inferentieller Übergänge.

Demgegenüber steht ein empiristisches (und atomistisches)


Verständnis, das repräsentationale Relationen als isolierte
Bausteine [separate building blocks] versteht. Die Regeln
ihrer richtigen Zusammensetzung werden erst im Nachhinein
aufgestellt. Man könnte aber nicht verstehen, warum ein
Gedanke, der irgendetwas repräsentiert oder repräsentieren
soll, mit irgendeinem anderen repräsentationalen Gedanken
‚notwendig‘ zusammenhängen sollte. Es war Kants Verdienst,
sich an der Möglichkeit dieser Notwendigkeit zu orientieren
und damit über Hume hinauszugehen.
Robert B. Brandom
Materiale Richtigkeiten der Inferenz

Materiale Inferenzen sind Inferenzen, deren Richtigkeiten wesentlich vom begrifflichen


Inhalt der Prämissen und Konklusionen abhängen. (Best. v. Sellars)
Beispiele: Die Folgerung von
>Pittsburgh liegt westlich von Philadelphia<
auf >Philadelphia liegt östlich von Pittsburgh<.

Oder von: >Heute ist Mittwoch< auf >Morgen wird Donnerstag sein<.
Oder von: >Jetzt ist ein Blitz zu sehen< auf >Bald wird ein Donner zu hören sein<.
Alle diese Inferenzen sind richtig aufgrund des Inhalts der verwendeten Begriffe, auch wenn in
den Prämissen und Konklusionen keine logischen Begriffe vorkommen. Deshalb unterscheiden
sie sich von Inferenzen, deren Richtigkeit nur von der logischen Form abhängig ist.
Wichtig: Das Verstehen oder der Umgang mit solchen Aussagen hängt wesentlich
davon ab, ob man die Inferenz bzw. den folgernden Übergang eines Satzes zum
nächsten billigt oder billigen will [endorse]. Der Grund für eine Billigung kann sich
einfach dadurch einstellen, dass diese materialen Inferenzen in einer bestimmten
Kommunikationspraxis als richtig betrachtet oder auch behandelt werden. Somit wird ein
immanenter Praxisbezug virulent, der bei der formalistischen Interpretation dieser Art von
Inferenzen sekundär ist, weil man die Gültigkeit hier quasi am Reißbrett, fern aller konkreten
Handhabung durch Akteure entscheiden könnte.
Robert B. Brandom
3 Arten von Inferentialismus:

1. Schwacher Inferentialismus: Die inferentielle Gliederung ist notwendig


für das Verfügen über spezifisch begriffliche Gehalte.

2. Starker Inferentialismus: Die inferentielle Gliederung ist, in einem weiten


Sinne aufgefasst, hinreichend für das Verfügen über spezifisch begriffliche
Gehalte. Der begriffliche Gehalt erschöpft sich weitgehend in seiner inferentiellen
Gliederung.

3. Hyper-Inferentialismus: Die inferentielle Gliederung ist, in einem engen


Sinne aufgefasst, hinreichend für das Verfügen über spezifisch begriffliche
Gehalte. Die inferentielle Gliederung wäre nach dieser (von Brandom abgelehnten)
Auffassung stets für das Verfügen über begrifflichen Gehalt hinreichend.
Robert B. Brandom

Die implizit normative Praxis ist strukturiert durch


2 deontische Status: Festlegung und Berechtigung.
Dazu kommen 2 deontische Einstellungen: Zuerkennen und Eingehen:
„Es gibt also zwei Arten praktischer deontischer Einstellungen gegenüber Festlegungen:
sie (anderen) zuerkennen und sie (für sich selbst) anerkennen oder eingehen. Das
Zuerkennen ist das Grundlegende.“ (EV,252)

Brandom fasst die implizit normative soziale Praxis also folgendermaßen:


„Soziale Praktiken sind Spiele, in denen jeder Teilnehmer verschiedene
deontische Status hat – d.h. Festlegungen und Berechtigungen -, und jede
praktisch signifikante Performanz ändert in irgendeiner Weise diese Status.
[…] Die Praktiker betrachten oder behandeln sich und andere als im Besitz von
verschiedenen Festlegungen und Berechtigungen. Sie führen Konto über die
deontischen Status, indem sie sie anderen zuweisen und selbst einnehmen.“
(EV,252)
Robert B. Brandom

In der sozial strukturierten Behauptungspraxis gibt es drei grundlegende Arten, wie


man die Berechtigung zu einer Behauptung nachweisen (und damit
Verantwortung erfüllen) kann, und zwar durch:

1-die eigene Rechtfertigung des Inhalts (aufgrund des selbst Gesagten)


2-die Berufung auf die Autorität eines anderen Behaupters
3-die Berufung auf die eigene Autorität als verlässlicher nichtinferentieller
Berichterstatter

Wichtig dabei ist: Indem diverse Gehalte die Doppelrolle als Rechtfertiger und als
Gerechtfertigte spielen, erhalten sie hierdurch allererst einen propositionalen Gehalt.
Aus der Praxis des Nachweisens von Berechtigungen ergibt sich also erst ein
propositionaler (=behauptbarer und glaubbarer) Gehalt.
Robert B. Brandom
Die Möglichkeit einer objektiven repräsentationalen Dimension des
begrifflichen Gehalts ergibt sich für Brandom aus der Dynamik des
Unterschieds von Anerkennen (als eine Festlegung selbst eingehen)
und Zuweisen (als die Tätigkeit, jemand anderen in irgendeiner Weise als festgelegt zu
betrachten). Dazu heißt es:
„Durch die Fokussierung auf den Unterschied in der sozialen Perspektive zwischen
selbst eine Festlegung anzuerkennen [acknowledging] (und damit einzugehen
[undertaking]) und jemand anderem eine Festlegung zuzuweisen [attributing a
commitment to another] wird es möglich, die Objektivität der begrifflichen Normen
zu verstehen, die darin besteht, dass die Unterscheidung zwischen den in ihnen
enthaltenen normativen Status und den normativen Einstellungen sogar der
gesamten Gemeinschaft aufrechterhalten wird – wobei diese Status
nichtsdestotrotz als durch die praktischen normativen Einstellungen und
Beurteilungen der Gemeinschaftsmitglieder instituiert aufgefasst werden. Dieses
Verständnis des wesentlich sozialen Charakters diskursiver Praxis, in der
begriffliche Normen implizit enthalten sind, ist weit davon entfernt, die Möglichkeit
begrifflicher Objektivität auszuschließen. Im Gegenteil, gerade dieses Verständnis
macht eine solche Objektivität überhaupt erst verstehbar.“ (EV,105f.)
Robert B. Brandom
Es geht um die Suche nach objektiven Richtigkeiten des Urteilens und Folgerns:
„Solche Richtigkeiten des Urteilens und Folgerns gehen über die tatsächlichen
Einstellungen, etwas als richtig zu betrachten oder zu behandeln, hinaus. Sie hängen
davon ab, wie die Dinge wirklich sind, ungeachtet dessen, als was sie betrachtet
werden. Unsere kognitiven Einstellungen müssen sich letzten Endes an diesen
einstellungstranszendenten Tatsachen orientieren.“ (EV,214) [Hervorhebungen
hinzugefügt]
Die Akzeptanz von Richtigkeiten der Inferenz innerhalb einer Gemeinschaft
ist zu wenig.
---
Die wichtige Frage, die sich daraus ergibt lautet:
„Wie kann unser Gebrauch einem Ausdruck einen Gehalt verleihen, der
sicherstellt, dass wir uns alle darüber irren können, wie er, zumindest in einigen
Fällen, richtig gebraucht wird?“ (EV,214) [Hervorhebungen hinzugefügt]
Die Objektivität ergibt sich also ganz wesentlich aus einem Vergleich von
Normen! Es wird damit also zwar eine Einstellungstranszendenz erreicht,
gleichzeitig aber eine Normenimmanenz konstituiert.
Robert B. Brandom
Drei Ebenen von Normen
Die drei Levels zeigen, wie (zur Bestimmung der Objektivität) über die Einstellungen selbst
noch einmal einstellungs-mäßig hinausgegangen wird!!!

1. – Normative Rekonstruktion des Diskursiven in Begriffen deontischer Status.


(Primäre Zuweisungspraktiken) Reden und Denken, also das Erfassen und Anwenden
von Begriffen, wird hier „anhand inferentiell gegliederter Normen beschrieben; Züge im
Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen werden auf jeder Stufe in Begriffen von
Veränderungen dessen einsichtig gemacht, worauf man festgelegt und wozu man
berechtigt ist.“ (EV,882f.)

Das ist also die erste Interpretationsebene, wo das deontische Kontoführungsmodell


eingeführt wird und in gewisser Weise zunächst nur beschrieben wird, d.h. dass hier die
Status von Festlegungen und Berechtigungen quasi als Rechnungseinheiten auftreten,
die von den Gesprächspartnern gegenseitig verzeichnet werden. Auf dieser Stufe ist
jedoch noch nicht klar, auf welche Weise diese Status eigentlich zustande kommen. Das
ist dann schon der nächste Interpretationsschritt.
Robert B. Brandom

2. – Das Instituieren der deontischen Status geschieht über deontische


Einstellungen. Das Normative betrifft hier die praktischen Richtigkeiten der
Kontoführung, ob die primären Zuweisungspraktiken richtig oder unrichtig vollzogen
werden. Das Kundgeben des als richtig oder unrichtig Betrachtens vollzieht sich auch
hier noch in einer impliziten Praxis, indem man praktisch mit den Festlegungen und
Berichtigungen anderer verfährt. Dazu heißt es:

„Was es bedeutet, Gesprächspartner in der Praxis als festgelegt oder berechtigt, als in
deontischen Status befindlich zu betrachten oder zu behandeln, wird anhand von
Kontoführungspraktiken erklärt. Die in diesen Praktiken implizit enthaltenen Normen
sind maßgebend für die Veränderung deontischer Einstellungen. Auf dieser Stufe der
Analyse werden deontische Status als instituiert durch Richtigkeiten des Kontoführens
verstanden – des systematischen Änderns deontischer Einstellungen, wodurch
Performanzen, paradigmatischerweise dem grundlegenden Sprechakt der assertionalen
Äußerung, pragmatische Signifikanzen zugeordnet werden.“ (EV,883)
Robert B. Brandom

3. – Diese deontischen Einstellungen werden nun ihrerseits in einer expliziten Praxis


zugewiesen bzw. explizit zugeschrieben. Das ist ein durch Einstellungen vermitteltes
Zuweisen bzw. Zuschreiben von Einstellungen! [also dasjenige, was durch die
expressiven Ressourcen der de dicto und de re Zuschreibungen ermöglicht wird] Auf
dieser Ebene kommt auch der Standpunkt des Theoretikers ins Spiel, der das
Interpretations-Gefüge einer Gemeinschaft seinerseits interpretiert, indem er aber, wie
Hegel sagen würde, den Interpretations-Dynamiken nur zusieht, was heißt, dass er
dasjenige konstatiert, was durch die Angehörigen der interpretierten Gemeinschaft
konstituiert wird. (Diese methodische Unterscheidung von >für die Kontoführer< und
>für uns< [bei Hegel: >für das Bewusstsein< und >an sich/für uns<] ist eben das
entscheidende Interpretament bei der Frage nach der Objektivität.

„Die phänomenalistische Erklärungsstrategie zieht sich auf zwei Ebenen vom Status auf
die Einstellung zurück: einmal innerhalb der Interpretation und das andere mal bei der
Beziehung zwischen Interpretation und Interpretiertem.“ (EV,883f.)
Robert B. Brandom
Brandom beschreibt genau jenes methodologische Zusammenfallen der
Ebenen [hegelisch von >für das Bewusstsein< und >an sich oder für uns<],
das bei Hegel das >Absolute Wissen< kennzeichnet. In Brandomscher
Terminologie geht es dabei um „die Beziehung zwischen der diskursiven
Kontoführungseinstellung der Mitglieder einer Sprachgemeinschaft
(im Sinne einer Interpretation) und der des Interpreten…“ (EV,885)
Hierzu heißt es treffend:
„Auf den ersten Blick scheint ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden
Einstellungen darin zu bestehen, dass die diskursiven Kontoführer Einstellungen
gegenüber anderen Mitgliedern ihrer Gemeinschaft ausbilden, während der Interpret, der
ursprüngliche Intentionalität zuerkennt, die Mitglieder einer anderen Gemeinschaft als
diskursive Kontoführer betrachtet. Doch dieser Eindruck ist irreführend. Der
ausschlaggebende Unterschied zwischen diesen beiden Arten der normenzuweisenden
Einstellung ist ein anderer. Unter geeigneten Umständen löst er sich sogar völlig auf,
und die beiden Einstellungen verschmelzen. Dieses Zusammenfallen der
Ebenen ist der Schlüssel zum Verständnis des Status der in unserer
diskursiven Praxis implizit enthaltenen begriffegliedernden Normen wie auch
der Schlüssel zu unserem Selbstverständnis als nicht bloß rationale, sondern
auch logische normative Wesen, als nicht nur expressive, sondern sich selbst
explizit machende Wesen.“ (EV,885)
Danke für ihre Aufmerksamkeit !

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