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Praxis der Naturwissenschaften- Physik 43/4 (1994) , S.

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Die Kerzenpumpe
H. Joachim Schlichting

In der Flamme eines Lichts sind alle Naturkräfte tätig


Novalis

Das Phänomen Leider sind die Erklärungen, die für das Phänomen
des Wasseranstiegs gegeben werden widersprüch-
In einer mit Wasser gefüllten Schale steht oder
lich und uneinheitlich. Am weitesten verbreitet ist
schwimmt eine Kerze. Ein Glas wird langsam über
eine "chemische" Erklärung, bei der davon ausge-
die Kerze gestülpt. Die Kerzenflamme erlischt all-
gangen wird, daß "die Kerzenflamme ...den Sauer-
mählich (Bild 1). Schon während die Flamme klei-
stoff der in der Flasche enthaltenen Luft..." ver-
ner wird, beginnt das Wasser im Becherglas zu stei-
braucht. "Durch das Aufzehren des Sauerstoffs er-
gen, und legt nach dem Erlöschen der Flamme noch
niedrigt sich der Luftdruck in der Flasche, und der
einen kräftigen Anstieg zu. Mit Hilfe der Kerze ge-
(größere) äußere Luftdruck drückt einen Teil des
lingt es gewissermaßen, Wasser hochzupumpen.
Wassers aus der Untertasse in die Flasche hoch"
Wir wollen daher kurz von Kerzenpumpe sprechen.
[1].
Manchmal tritt dieser Versuch auch in Varianten
In einer anderen Erklärung wird der Wasseranstieg
auf. Eine dieser Varianten besteht darin, in das leere
im Glas als thermischer Effekt dargestellt. Aufgrund
Glas beispielsweise einen Spiritus getränkten und
der Erwärmung der Luft durch die Kerzenflamme
zum Brennen gebrachten Wattebausch zu werfen
beim langsamen Überstülpen des Glases dehnt sie
und das Glas, unmittelbar nachdem die Flamme er-
sich aus und verläßt teilweise das Glas. Nachdem
loschen ist, mit der Öffnung nach unten in die Was-
die Flamme erloschen ist, kühlt sich die Luft im
serschale zu stellen. In diesem Fall wird der Ver-
Glas wieder ab und ruft einen entsprechenden Un-
such meist in die Aufgabe eingekleidet, eine mit ei-
terdruck hervor. Dadurch überwiegt der äußere
ner flachen Wasserschicht bedeckte Münze an sich
Luftdruck und drückt soviel Wasser in das Glas, bis
zu nehmen, ohne sich die Finger naß zu machen.
schließlich wieder Druckgleichgewicht zwischen
Obwohl dieser Freihandversuch seit langem be- innen und außen herrscht. Der Wasseranstieg im
kannt ist, vermag er auch heute immer wieder zu Glas, kann als ungefähres Maß für das Volumen der
begeistern. Dabei spielen der unerwartete Ver- durch die Erwärmung verdrängten Luft angesehen
suchsausgang und die Einfachheit seiner Darstel- werden. .
lung eine wesentliche Rolle.
Argumente
Obwohl die "chemische" Erklärung auf den ersten
Blick plausibel erscheint, läßt sich nach kurzer Ü-
berlegung einwenden, daß durch die Verbrennung
im Glas zwar Sauerstoff (O2) verbraucht wird, aber
auch gasförmige Verbrennungsprodukte z.B. Koh-
lenstoffdioxid (CO2) entstehen. Nur in dem Fall,
daß weniger gasförmige Rückstände entstehen als
O2 verschwindet, wäre das obige Argument weiter
wenn auch nur eingeschränkt aufrechtzuerhalten.
Um diese Frage zu beantworten, muß man sich die
chemische Reaktionsformel anschauen.
Kerzen bestehen in der Regel aus Stearin oder Pa-
raffin. Beides sind komplizierte organische Verbin-
dungen. Paraffin ist beispielsweise ein Stoffgemisch
Abb. 1: Beim Überstülpen des Glases muß darauf geach-
aus n Alkanen mit der Summenformel Cn H2n+2 mit
tet werden, daß der innere und äußere Wasserspiegel
gleich hoch sind. n zwischen 22 und 32. Statt mit dem Stoffgemisch

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rechnen wir der Einfachheit halber mit der auch für selbe Glas über zwei brennende Kerzen stülpt. Die
Stearin näherungsweise gültigen Formel CH2. Die Volumenabnahme
entsprechende Reaktionsgleichung lautet dann:
beträgt dann sogar 142 ml, was einer Änderung von
CH2 + 3/2 O2  CO2 + H2O + Energie. 28% entspricht. Dieser Anstieg ist wesentlich grö-
ßer als dem gesamten Sauerstoffgehalt im Gefäß
Da das freiwerdende Wasser zunächst als Gas an-
entspricht. Damit wird auch das häufig vorgebrach-
fällt, entsteht sogar eine halbe Volumeneinheit mehr
te Argument ausgeräumt, das entstehende
an gasförmigen Verbrennungsrückständen. Wie
man jedoch am inneren Beschlag des Glases erken- Kohlenstoffdioxidgas werde im Wasser gebunden,
nen kann, kondensiert der Wasserdampf bald nach ein Argument, das natürlich auch durch Versuche
seiner Entstehung wieder aus. Deshalb muß davon mit Kohlenstoffdioxidgas über Wasser direkt wider-
ausgegangen werden, daß eine halbe Volumenein- legt werden kann.
heit mehr an Sauerstoff verbraucht wird als Kohlen-
stoffdioxid entsteht. Mit anderen Worten: Die che- Energetik
mische Erklärung könnte allenfalls zur Hälfte stim-
men. Trotz der eindeutigen Aussage des Versuchs blei-
ben Fragen offen. Beispielsweise legt der Befund,
Um mehr über das "könnte" zu erfahren, reichen daß mit mehreren brennenden Kerzen offenbar die
qualitative Argumente nicht mehr aus. Wir müssen Sauerstoffausbeute vergrößert werden kann, die
wenigstens größenordnungsmäßig abschätzen, ob Frage nahe, wieviel Sauerstoff bei den Versuchen
der beobachtete Wasseranstieg auch quantitativ tatsächlich verbraucht wird.
durch die fehlende halbe Volumeneinheit erklärt
werden kann oder ob vielmehr das thermische Ar- Da der von der brennenden Kerze pro Zeiteinheit
gument gestützt wird. verbrauchte Sauerstoff gemäß obiger Formel in ein-
deutiger Weise mit dem Verbrauch an Paraffin oder
Stearin verknüpft ist, kann der Sauerstoffverbrauch
Experimente
durch den Massenverlust der Kerze bestimmt wer-
Die folgenden Experimente fallen in ihrem Ergebnis den.
so eindeutig aus, daß sie auch ohne größeren Auf- Je nach Empfindlichkeit der zur Verfügung stehen-
wand mit Mitteln der Schulphysik durchgeführt den Waage läßt man eine oder mehrere Kerzen
werden können. Bereits ohne eine detaillierte Ana- mehr oder weniger lange auf der Waage brennen
lyse der Energetik des Verbrennungsvorgangs läßt und ermittelt anschließend den Massenverlust pro
sich eine Entscheidung zwischen beiden Erklä- Zeiteinheit. (Steht nur eine relativ unempfindliche
rungsmöglichkeiten herbeiführen. Waage zur Verfügung, so empfiehlt es sich, mehre-
Da die Luft zu etwa 21% aus Sauerstoff besteht, re gleichartige Kerzen möglichst lange brennen zu
dürfte aufgrund der obigen Reaktion bei einer 100% lassen und dann das Ergebnis auf eine Kerze umzu-
Ausnutzung des Sauerstoffs durch die Verbrennung rechnen). In unseren Versuchen benutzen wir Tee-
der Wasseranstieg im Glas einen Anteil von 10,5% lichter, und stellen eine Massenabnahme pro Zeit-
des Gasvolumens nicht übersteigen. einheit von 0,6 mg/s fest. Bei einem Heizwert des
Paraffins von ca. 47000 kJ/kg entspricht dem eine
(Es wurden zylinderförmige Glasgefäße (Becher- Leistung P = 28 J/s = 28 W.
gläser) benutzt. Bei diesen Gläsern kann von einer
Proportionalität zwischen Volumen und Höhe aus- Jetzt muß man nur noch die Brenndauer der Kerze
gegangen werden, so daß sich die Volumenände- unter der Glashaube feststellen, um den Massenver-
rung unmittelbar an der Höhenänderung ablesen lust in dieser Zeit berechnen zu können. Dabei ist
läßt. Da man auch bei langsamem Überstülpen des durch eine passende Mittelung die Tatsache zu be-
Gefäßes nicht ausschließen kann, daß der Ausdeh- rücksichtigen, daß die Kerze nicht instantan er-
nungsvorgang der Luft bereits abgeschlossen ist, lischt, sondern die Flamme allmählich kleiner wird.
sollte eine mögliche Absenkung des Wasserniveaus Unsere Beobachtungen ergeben, daß eine unter dem
stets durch entsprechendes Anheben des Bechergla- Glas erlöschende Kerze innerhalb von 2 bis 4 Se-
ses ausgeglichen werden (siehe Bild 1)). kunden relativ gleichmäßig von normaler Flam-
Mit einem Glas von 500 ml tritt eine Volumenab- mengröße auf Null abnimmt. Es liegt dann nahe, ei-
nahme von 68 ml auf. Das sind bereits gut 13% des ne mittlere Brenndauer (bei normaler Flammengrö-
Gesamtvolumens, eine Änderung, die mit der che- ße) von 1 bis 2 Sekunden zugrundezulegen. Wir
mischen haben festgestellt, daß auch bei längeren Brenndau-
ern von bis zu 60 Sekunden die Kerze bis kurz vor
Erklärung nicht in Einklang zu bringen ist. Die Ent- dem Erlöschen die normale Flammengröße auf-
scheidung fällt noch deutlicher aus, wenn man das- weist, so daß es ausreicht, von diesem Wert einige

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Sekunden abzuziehen. über; das sind knapp 8%, also ähnlich wie bei Ge-
fäß 1. Bei den größeren Gefäßen 3 und 4 beträgt,
Der oben genannte Vorversuch zeigt bereits, daß
wie man leicht nachrechnet, der Anteil 14% und
die Sauerstoffausbeute offenbar von der Zahl der
12%.
brennenden Kerzen, also von der Leistung abhängt.
Außerdem liegt die Vermutung nahe, für den Ver- Benutzt man mehrere Kerzen, so ergibt sich folgen-
suchsausgang die Größe der benutzten Glasgefäße des Bild: Bei zwei Kerzen unter Gefäß 2 beträgt die
zu berücksichtigen. Daher führen wir Versuche mit Volumenabnahme aufgrund des Sauerstoffmehr-
unterschiedlich großen Glasgefäßen und unter- verbrauchs nur noch 1%, bei Gefäß 3 und 4 beträgt
schiedlicher Kerzenzahl durch. Jeder Versuch wird sie jeweils 2%. Bei drei Kerzen erhält man für Ge-
einige Male wiederholt. Die im Anhang angegebe- fäß 2, 3 und 4 eine Volumenabnahme von 0,3%,
nen Werte stellen Mittelwerte dieser Wiederholun- 0,2% und 0,7%.
gen dar.
Mit anderen Worten: Die chemische Erklärung, der
Die Kerzenpumpe stellt energetisch gesehen eine Sauerstoffverbrauch sei für die Volumenabnahme
originelle Vorrichtung zur (einmaligen) Umwand- unter dem Glas verantwortlich, läßt sich um so we-
lung von thermischer Energie in potentielle Energie niger rechtfertigen, je kleiner das benutzte Gefäß
dar. Die Höhendifferenz des inneren und äußeren und/oder je größer die Anzahl der brennenden Ker-
Wasserspiegels sind ein Maß für die gewonnene po- zen, d.h. je größer die Leistung ist.
tentielle Energie. Beispielsweise steigt in Gefäß 1
Bezieht man die Menge des verbrauchten Sauer-
das Wasser um h = 1,4 cm entsprechend einer Vo-
stoffs auf die Menge des in dem jeweiligen Luftvo-
lumenabnahme der Luft um 13,9 ml. Da der
lumen enthaltenen Sauerstoffs, so zeigen diese Ver-
Schwerpunkt des Wassers um h/2 = 0,7 cm gehoben
suche, daß bei den kleineren Gefäßen nur wenige
wird, ist dafür eine potentielle Energie von E =
Prozent des Sauerstoffs tatsächlich ausgenutzt wer-
mgh/2 = 0,97 mJ nötig. Die Kerze hat während ih-
den. In den größeren Gefäßen, in denen die Kerzen
rer Brenndauer (von 2 s bei voller Flammengröße)
lange brennen ist die Sauerstoffausnutzung besser.
unter der Glashaube im Mittel 56 J an thermischer
Hier erhalten wir Werte bis maximal 20% des vor-
Energie abgegeben, so daß sich ein Wirkungsgrad
handenen Sauerstoffs.
von 0,0017 % ergibt. Der geringe Wirkungsgrad
darf allerdings angesichts der relativ geringen Tem- Die Ursache für die relativ geringe Ausnutzung des
peraturdifferenzen und der Primitivität des Ener- Sauerstoffs liegt zum einen darin, daß die Kerzen-
giewandlers nicht verwundern. flamme bereits erlischt, wenn der Sauerstoffgehalt
einen bestimmten Wert unterschreitet. So schlägt
Auswertung beispielsweise der Versuch fehl, eine Kerze in aus-
geatmeter Luft eines Menschen brennen zu lassen.
Der Sauerstoffverbrauch Da der Mensch wie andere terrestrische, luftatmen-
de Tiere den Sauerstoffgehalt der Luft nur zu
Um den Einfluß des Sauerstoffverbrauchs auf die höchstens 20 25 % ausnutzen kann [2], bedeutet
Volumenänderung abschätzen zu können muß man dieses, daß der Ausnutzungsgrad des Sauerstoffs
noch wissen, daß mit dem Verbrennen von Paraffin durch eine brennende Kerze eher noch niedriger zu
mit µ = 0,6 mg/s, ein Sauerstoffverbrauch von 1,4 veranschlagen ist.
ml/s und eine Kohlenstoffdioxidzunahme von 0,96
ml/s, insgesamt also eine Volumenabnahme von Zum anderen ist eine gute Ausnutzung davon ab-
0,44 ml/s einhergeht (siehe Anhang). Im kleinsten hängig, daß der Sauerstoff auch in dem Maße an die
Gefäß (1), mit dem nur ein Teelicht abgedeckt wer- Kerze herangeführt wird, wie diese ihn benötigt.
den kann, messen wir eine Brenndauer von im Mit- Die brennende Kerze nutzt dazu die Konvektion
tel 2 Sekunden. Dem entspricht also eine Volumen- aus. Wenn die Konvektion gestört ist, was um so
abnahme von 0,88 ml. Bezogen auf die gesamte eher der Fall ist, je kleiner, insbesondere je enger
Volumenabnahme von 14 ml sind dies nur 6%, was der Brennraum ist, kommt es zu einer entsprechend
im Rahmen unserer Meßgenauigkeit vernachlässig- schlechteren Ausnutzung. Daher erklärt sich auch
bar ist. Ändert sich der Einfluß der Volumenab- die deutlich bessere Sauerstoffausnutzung in den
nahme infolge des Sauerstoffverbrauchs bei anderen großen Gefäßen, in denen sich die Konvektion voll
Gefäßgrößen und bei Benutzung mehrerer Kerzen? ausbilden und auch den Sauerstoff aus den entlege-
Im Gefäß 2 mit einem Volumen von 500 ml erlischt nen Winkeln an die Kerze heranführen kann.
eine Kerze nach 14 s. Das entspricht nach den obi-
gen Überlegungen einer Brenndauer bei normaler Ein Freihandversuch
Flamme von 12 s. Die Änderung des Volumens
durch Sauerstoffverbrauch beträgt demnach 5,3 ml Ein Freihandversuch, der die Bedeutung der Kon-
und steht einer Volumenänderung von 68 ml gegen- vektion für das Brennen einer Kerze demonstriert,

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besteht darin, daß man die Konvektion durch "Aus- zungen.


schalten" der die Konvektion "antreibenden"
In den skizzierten Versuchen haben wir uns bewußt
Schwerkraft unterbindet. Dazu fixiert man die Ker-
auf Probleme beschränkt, die mit Mitteln der Se-
ze in einem höheren Gefäß, in dem sie ungestört
kundarstufe I zugänglich sein sollten. Vertiefungen,
brennen kann. Ein Schüler oder eine Schülerin läßt
die sich an der einen oder anderen Stelle geradezu
dieses Gefäß aus möglichst großer Höhe, z.B. von
aufdrängen, erfordern in der Regel eine sorgfältige-
einer Leiter, fallen und von einem anderen Schüler
re, damit aber auch wesentlich aufwendigere Durch-
oder einer anderen Schülerin möglichst sanft auf-
führung der Versuche und darüber hinaus ein ver-
fangen. Je nach Höhe, aus der man die Kerze fallen
tieftes theoretisches Wissen. Beispielsweise spielt
läßt, (entsprechend der Zeitdauer, in der die Kerze
die Lage der Kerze innerhalb des Glasgefäßes eine
ohne Konvektion auskommen muß), erlischt sie,
nicht unerhebliche Rolle, weil dadurch die für die
oder die Flamme wird zumindest äußerst klein, um
Sauerstoffversorgung und Kohlenstoffdioxidentsor-
sich nach Beendigung des freien Falls wieder zu er-
gung wichtige Konvektion beeinflußt wird.
holen.

Die Gefäßgröße Anhang


In der Sekundarstufe I wird man auf Einzelheiten
Die Untersuchung der Kerzenpumpe zeigt darüber
der stöchiometrischen Betrachtung, insbesondere
hinaus, daß der Effekt des Wasseranstiegs umso
auf die Zusammenhänge zwischen Stoffmenge und
größer ist, je schneller der Vorgang der Erwärmung
Volumen nicht eingehen können. Man wird den
und anschließenden Abkühlung abläuft. Zwar bren-
Schülern etwa so wie im Text geschehen das Er-
nen die Kerzen um so länger, je weniger es sind
gebnis mitteilen, daß dem Verbrennen von sound-
und/oder je größer das benutzte Gefäß ist, aber der
soviel Paraffin soundsoviel Sauerstoffverlust und
Verlängerung der Brenndauer entspricht keine ver-
soundsoviel Kohlenstoffdioxidgewinn entsprechen.
gleichbare Vergrößerung der Luftverdrängung.
Hinter dieser Angabe verbirgt sich im Wesentlichen
Dieser Sachverhalt läßt sich damit erklären, daß bei die folgende Überlegung:
längerer Zeitdauer die Wechselwirkung der durch
Die chemische Reaktionsgleichung bezieht sich auf
die Kerze erwärmten Luft mit der Glaswandung
Mengeneinheiten, die üblicherweise in Mol gemes-
immer stärker ins Gewicht fällt. Es kommt zu einem
sen werden. Ein Mol Paraffin (näherungsweise
Temperaturausgleich an der Glaswand, ein Vor-
CH2) reagiert mit 2/3 Mol O2 und hinterläßt 1 Mol
gang, der dem gewünschten Effekt der thermischen
H2O und 1 Mol CO2. Der Menge 1 Mol CH2 ent-
Ausdehnung der Luft entgegenwirkt. Wird die Grö-
spricht (12 + 2) g = 14 g an Masse. Mit anderen
ße der Kerzenflamme bzw. der von der Kerze er-
Worten: Dem Mengenverlust
wärmte Raum über der Kerze vergleichbar mit dem
Gefäßvolumen, so erlischt die Kerze zwar schneller, - µCH2/(14 g/Mol) = 0,6 mg Mol/ 14000 mg s =
kann aber das gesamte Luftvolumen erwärmen, be- 0,043 mMol/s
vor es zu nennenswerten Energieverlusten kommt.
entspricht wegen µ O2 = 2/3 µCH2 ein Sauerstoff-
verbrauch von 0,064 mMol/s und eine Kohlen-
Fazit stoffdioxidzunahme von µ CO2 = µCH2.
Das Phänomen des Wasseranstiegs als Folge einer Da 1 Mol einer gasförmigen Substanz (ideales Gas,
erlöschenden Kerze ist nicht nur überraschend und was hier näherungsweise angenommen werden
interessant. Es läßt sich auch leicht unter Benutzung kann) 22,4 l entspricht, nimmt das Sauerstoffgas um
von Alltagsgegenständen von jedem Schüler selbst 1,4 ml/s ab und das Kohlenstoffdioxidgas um 0,96
realisieren. ml/s zu.
Darüber hinaus ist es in mehrfacher Weise "lehr-
reich". Zum einen stellt es eine äußerst trickreiche
Vorrichtung zur Umwandlung von thermischer E- Zahlenangaben zu den Messungen
nergie in potentielle Energie dar. Zum anderen kön- Gefäßgröße Kerzen Brenn- Volumenab-
nen Schüler und Schülerinnen im Zusammenhang zahl dauer (s) nahme (ml)
mit den beschriebenen Versuchen erfahren, daß bei
gleich plausibel erscheinenden alternativen Erklä- Gefäß 1 (170 ml) 1 4 13,9
rungen Nachdenken allein nicht notwendig zur ge-
wünschten Entscheidung für die eine oder andere Gefäß 2 (500 ml) 1 14 68
Erklärung führen muß. In solchen Fällen müssen
2 5 142
Messungen durchgeführt werden, und seien es auch
nur wie in unserem Fall eher quantitative Abschät- 3 2 165

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Gefäß 3 (920 ml) 1 31 85


2 9 170
3 2 240
Gefäß 4(1970 ml) 1 51 170
2 20 290
3 9 430

Literatur
[1] K. Goldstein Jackson: Experimente spielend
leicht. Freiburg: Herder 1976
[2] K. Urich: Vergleichende Physiologie der Tiere.
Berlin etc.: de Gruyter 1977, S. 56.

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