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Teresianum 68 (2017/2) 327-361

Die Analogia-entis-
und Bild-Problematik
bei Erich Przywara
Mit Blick auf Edith Stein
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd
Pontificia Facoltà Teologica Teresianum, Roma
strzyz@teresianum.net

Einleitung

Im Blick auf die Situation des deutschen Katholizismus der Zwi-


schenkriegszeit wurde über Erich Przywara SJ (1889-1972) gesagt, dass
unter den vielen, die sich damals um eine intellektuelle und geistige
Erneuerung bemühten, er derjenige war, der «eigentlich theologisch
innovativ und inspirierend» gewirkt hat, «dessen Fernwirkungen je-
doch schwer abzuschätzen sind»1. Sein vielschichtiges Denken, das

1
Vgl. K. Schatz, Geschichte der deutschen Jesuiten (1814-1983), III: 1917-1945,
Aschendorff Verlag, Münster 2013, 76. Grundlegendes über Przywaras Leben,
Werk und Denken vor allem in: H.U. von Balthasar, «Erich Przywara», in: H.J.
Schultz (Hrsg.), Tendenzen der Theologie im 20. Jahrhundert. Eine Geschichte in Port-
räts, Kreuz Verlag, Stuttgart 1966, 354-359; Ders., «Erich Przywara», in: L. Zimny
(Hrsg.), Erich Przywara. Sein Schrifttum 1912-1962. Mit einer Einführung von Hans
Urs von Balthasar, Johannes, Einsiedeln 1963, 5-18; P. Molteni, Al di là degli estremi.
Introduzione al pensiero di Erich Przywara, Ares, Milano 1996; Th.F. O’Meara, Erich
Przywara, S.J. His Theology and His World, University of Notre Dame Press, Notre
Dame, Indiana 2002; G. Wilhelmy, «Vita Erich Przywara», in: Erich Przywara 1889-
1969. Eine Festgabe, Patmos, Düsseldorf 1969, 7-34; F. Wulf, «Christliches Denken.
Eine Einführung in das theologische Werk von Erich Przywara (1889-1972)», in: P.
Imhof (Hrsg.), Gottes Nähe. Religiöse Erfahrung in Mystik und Offenbarung, Echter,
Würzburg 1990, 353-366. Besonders wertvolle Studien über Przywaras Theologie
und Philosophie: B. Gertz, Glaubenswelt als Analogie. Die theologische Analogie-Lehre
Erich Przywaras und ihr Ort in der Auseinandersetzung um die analogia fidei, Patmos,
Düsseldorf 1969; Ders., «Kreuz-Struktur. Zur theologischen Methode Erich Przy-
waras», ThPh 45 (1970) 555-561; M. Schneider, „Unterscheidung der Geister“. Die
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Welt, Schöpfer
und Geschöpf, ihrer Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, kreiste, fand seine
Mitte und sprachlichen Ausdruck im scholastischen Terminus analogia
entis, den er auf originelle Weise neu interpretierte und ins Gespräch
mit der zeitgenössischen Problematik brachte. Seine Zeitgenossen
prägte Przywara jedoch nicht so sehr durch direkten Einfluss einer
systematischen Lehre, sondern durch eine brodelnde Fülle an Motiven
und Fragestellungen, die zum Weiterdenken oder zum Widerspruch
anregten, um auf diese Weise bei vielen zum Teil sehr unterschiedliche
und oft verborgene Spuren zu hinterlassen2.
Um diese These zu veranschaulichen, genügt es H.U. von Balthasar
und K. Rahner, die zwei wohl bedeutendsten katholischen Theologen
des letzten Jahrhunderts, zu erwähnen. Balthasar zeichnet Przywaras
Rolle für seine theologische Entwicklung in folgenden Worten: «ein un-
vergeßlicher Wegweiser; eine solche Verbindung von Tiefe und Fülle,
ordnender Klarheit und all-umfassender Spannweite ist mir nie mehr
begegnet»3. Für Rahner ist Przywara «der Lehrer der Unabschließbar-
keit metaphysischen Denkens geworden, das er an die Grenze führt,
wo es sich entscheiden muß»4. Obwohl Przywara beide in ihren frühen
Ausbildungsjahren im Jesuitenorden geprägt hat, stehen ihre theolo-
gischen Entwürfe für zwei von Grund auf verschiedene Auffassungen
der Theologie.

ignatianischen Exerzitien in der Deutung von E. Przywara, K. Rahner und G. Fessard, Ty-
rolia, Innsbruck – Wien 1983, bes. 26-78; K.-H. Wiesemann, Zerspringender Akkord:
das Zusammenspiel von Theologie und Mystik bei Karl Adam, Romano Guardini und
Erich Przywara als theologische Fuge, Echter, Würzburg 1999, bes. 274-400; M. Zech-
meister , Gottes-Nacht. Erich Przywaras Weg negativer Theologie, Lit, Münster 20002.
Darüber hinaus siehe auch meine bis jetzt nur als Exzerpt veröffentlichte Doktorar-
beit Israel als Urgeheimnis Gottes? Die Analogik des christlich-jüdischen Verhältnisses bei
Erich Przywara, PUL, Rom 2017. Ganzveröffentlichung wird angestrebt.
2
Vgl. H. Wulf, «Erich Przywara. Zu den gesammelten Werken», StZ 171
(1962/1963) 401-408, hier 404.
3
H.U. von Balthasar, Zu seinem Werk, Johannes, Freiburg im Breisgau 20002,
76.
4
K. Rahner, «Laudatio auf Erich Przywara», in: Ders., Gnade als Freiheit. Kleine
Theologische Beiträge, Herder, Freiburg im Breisgau – Basel – Wien 1968, 267-273,
hier 270.

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Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

Eine andere theologische Koryphäe, Karl Barth, fragt nach persönli-


cher Begegnung und Disput mit Przywara im Februar 1929 in Münster
perplex, was über das „Phänomen“ Przywara zu denken sei: «Wars
(sic!) ein Engel des Antichrist (sic!) oder ein auserwähltes Rüstzeug des
Herrn? Der Großinquisitor oder wirklich ein Jünger des „Völkerapo-
stels“?» Und weiter gibt er zu: «Ich empfinde es irgendwie als sehr
gesund, über ein Staunen voll Abscheu und Bewunderung vorläufig
gar nicht weit hinaus gekommen zu sein»5.
Im Licht dieser Erfahrungen muss auch die Frage nach dem mögli-
chen Einfluss Przywaras auf Edith Stein angegangen werden6. Sie kam
in direkte Berührung mit Przywaras Werk und seiner Person. Der Ver-
such, ihre Philosophie, besonders ihre Auffassung und Anwendung der
analogia entis, sowie die daraus folgenden Implikationen für das Bild-
verhältnis von Gott und Mensch, zu deuten, muss dies berücksichtigen.
In diesem Artikel, der keinen direkten Vergleich anstrebt noch auf
Vollständigkeit pocht, sondern einen möglichen Zugang vorschlagen
will, werden deswegen das denkerische Grundanliegen Przywaras
und die charakteristischen Züge seiner Analogie-Lehre umrissen, um
ferner seinen Blick auf Edith Stein sowie seine Deutung ihres philo-
sophischen Anliegens darzustellen. All das erfolgt unter einer beson-
deren Berücksichtigung der Bild-Problematik, die mit der analogia entis
auf Engste verbunden ist.

1. Das philosophisch-theologische Grundanliegen von Erich Przy-


wara

1.1. Die Katastrophe des I. Weltkriegs als Aufgabe und Chance des Katholi-
zismus

Przywaras Denkweg und seine Denkfiguren sind nicht ohne die


geschichtliche Situation zu verstehen, in der sich der deutsche Katho-

5
K. Barth – E. Thurneysen, Briefwechsel, II: 1921-1930, Karl Barth Gesamtaus-
gabe 5, TVZ, Zürich 1974, 652f.
6
Einige Beobachtungen und Vorerwägungen in K.-H. Wiesemann, «Edith
Stein im Spiegel des Denkweges Erich Przywaras», in: B. Beckmann – H.-B. Gerl-
Falkovitz (Hrsg.), Edith Stein. Themen – Bezüge – Dokumente, Königshausen u. Neu-
mann, Würzburg 2003, 189-200, hier 189.

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Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

lizismus nach der Katastrophe des I. Weltkriegs befand7. Przywara be-


richtet in diesen Jahren von einer katholischen Aufbruchsstimmung, in
der «die Schöpferkraft und die Lebenskraft unseres deutschen Katho-
lizismus in einem Maße entbunden ist, wie es die Vorkriegsjahre nicht
ahnen ließen»8. Die Erschütterung der durch den Kulturprotestan-
tismus maßgeblich geprägten gesellschaftlichen Ordnung, in der die
Katholiken einerseits marginalisiert wurden, andererseits einer Getto-
Mentalität verfallen sind, bewirkt, dass der Katholizismus «auf einmal
aus seinem Aschenbrödel-Dasein» herauszukommen scheint und zur
«letzte[n] Mode»9 wird.
Nicht nur eine Erstarkung des konfessionellen Katholizismus ist
damit gemeint, sondern eine allgemeine Zuwendung zu dem, was
man als katholische Werte bezeichnen könnte, also Gemeinschaft statt
Individualismus, das Objektive statt Subjektivismus, Leiblichkeit statt
Intellektualismus. Eben darin erspähen viele eine «Bewegung zum
Katholizismus hin, d.h. zum mindesten in der Form einer positiven
Wertung des „Katholischen“ als eines schöpferischen Faktors des all-
gemeinen Geisteslebens»10. Man schwärmt vom «geistigen Katholi-
zismus», «katholischen Menschen» und «katholischen Ethos», die die
neue Epoche prägen sollen11. Und ein bisschen vorauseilend können
wir an dieser Stelle anmerken, dass der damalige Gebrauch des Ter-
minus analogia entis im Zusammenhang mit dieser pathosaufgela-
denen Stimmung gesehen werden muss. Als Mitbeteiligter beschreibt
G. Söhngen die Dynamik der damaligen Disputanten: «In der katholi-

7
H.-B. Gerl-Falkovitz, «Die Newman Rezeption in den 20er Jahren in Deutsch-
land. Edith Stein im Umkreis von Maria Knoepfler, Romano Guardini und Erich
Przywara», IKaZ 30 (2001) 434-449, hier 441. Siehe auch Dies., «Il “ver sacrum ca-
tholicum” in Germania come reazione alla prima guerra mondiale, con particolare
attenzione alla figura di Erich Przywara», AnScRel 6 (2001) 105-121.
8
E. Przywara, «Katholizität» (1925), in: Ders., Katholische Krise, Hrsg. und mit
Nachwort versehen von B. Gertz, Patmos, Düsseldorf 1967, 20-40, hier 40. Im Wei-
teren werden E. Przywaras Werke ohne Autorenangabe angeführt.
9
«Die fünf Wenden. Eine Grundlegung» (1930), in: Katholische Krise, 106-122,
hier 118.
10
«Vorwort», in: Ringen der Gegenwart. Gesammelte Aufsätze 1922-1927, Bd. I, Dr.
Benno Filser-Verlag, Augsburg 1929, VII.
11
«Custos, quid de nocte?», in: Ringen der Gegenwart, Bd. I, 37-47, hier 37.

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Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

schen Theologie wurde die analogia entis gleichsam zum Feldgeschrei,


in welchem sich katholische Siegesgewißheit kundgab […]»12.
Als ein besonderes Zeichen dieser allgemeinen Wende zum Katholi-
schen wird die phänomenologische Bewegung gesehen. So spricht auch
Przywara auf der Akademikertagung 1923 in Ulm über die Phänome-
nologie, «die in keiner Hinsicht eine innerkatholische Bewegung» ist,
dafür aber «Durchbruch», «Heimweg» und im «letzten Grunde eine
ungestüme Sehnsucht», die die Philosophie aus den kantischen Veren-
gungen der Neuzeit heraus- und in «die Welt der katholischen Weite»
hineinführen kann13. Przywara warnt jedoch vor einem unkritischen
Liebäugeln der Katholiken mit dieser philosophischen Strömung. Bei
aller Berechtigung ihres Anliegens ist die Phänomenologie nicht frei
von bedenklichen Einseitigkeiten, die sich aus ihrer Protesthaltung
gegen das Bisherige erklären lassen. Ihr leidenschaftlicher Wille zum
Objekt will nichts «von subjektiven Bedingtheiten des Erkennens»14
wissen, ihr Wille zur direkten Anschauung des Wesentlichen igno-
riert «das indirekte Erkennen der Wesenheit in der scholastischen
„Abstraktion“»15.
Umso wichtiger ist es in dieser vielversprechenden aber delikaten
Situation, dass es den Katholiken bewusst wird, was eine echt katho-
lische Lösung ist. Von einem «würdelosen Mitläufertum», «Ungestüm
und Fieber» soll man sich lieber fernhalten. Die, die bereits in der
Weite der katholischen Heimat wohnen, in die andere erst heimkehren
wollen, haben die Pflicht, den «Geist katholischen Ausgleichs»16 zu
wahren. Das Katholische flieht nämlich vor jedem einfachen Entweder-
Oder und umfasst das Ganze der Wirklichkeit. Das ist, so Przywara,
der Adel unseres Standpunktes in „Gott, der aufgeleuchtet ist im
Antlitz Jesu Christi, dessen Leib die Kirche ist“, unseres Standpunktes
in Ihm, der als der Eine Unveränderliche über allen Menschlichen und
menschheitlichen Gegensätzen steht und doch in allem sich offenbart,

12
G. Söhngen, «Analogia entis oder analogia fidei?», in: Ders., Die Einheit in der
Theologie, Zink, München 1952, 235-247, hier 235.
13
«Gottgeheimnis der Welt» (1923), in: Religionsphilosophische Schriften, Erich
Przywara Schriften II, Johannes, Einsiedeln 1962, 121-142, hier 124f.
14
Ebd., 128.
15
Ebd., 131.
16
Ebd., 153.

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Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

ja sich gerade offenbaren muß, weil erst die Gegensatzfülle der ganzen
Schöpfung in eins geschaut einigermaßen eine Ahnung zu geben
vermag von Seiner Unendlichkeitsfülle17.

1.2. Das Verhältnis zwischen Gott und Welt als Grundproblem

In seinem Versuch, das philosophische und theologische Grund-


problem der Gegenwart am Schopf zu packen, bringt Przywara alle
Denkströmungen auf zwei Begriffe zurück: Pantheismus und Theopa-
nismus18. Es handelt sich um eine einseitige Betonung der Immanenz
oder der Transzendenz Gottes.
Die auslaufende Neuzeit versuchte Gott in die Welt einzuschließen,
sei es in die idealistischen Systeme, wie bei Hegel, sei es in die Inner-
lichkeit des religiösen Menschen, wie bei Schleiermacher, sei es in den
Fortschrittsoptimismus der sich in ihren unbegrenzten Möglichkeiten
wähnenden Menschlichkeit. Die Humanität ist die allesumfassende
Größe und der Gottesgedanke dient als Horizont ihrer Fragen, Chiffre
des Daseins, ethisches Ideal, so der gemeinsame Nenner dieser Strö-
mungen nach Przywara19. Gott ist ganz und ausschließlich „in“ der
Welt, ihr restlos immanent.
Die Erschütterung durch den I. Weltkrieg hatte hingegen zur Folge,
dass sich ein Protest gegen diese Antropozentrik und Instrumentali-
sierung Gottes erhob, wofür vor allem K. Barth steht, in dessen dialek-
tischer Theologie das Anliegen Kierkegaards zum Durchbruch kam.
Diesem theozentrischen Aufbruch weiß sich Przywara nahe. Dennoch
attestiert er ihm eine verhängnisvolle Einseitigkeit. «Gott wird leiden-
schaftlich bejaht, aber als Glorie über der Welt, nicht als Macht und
Vollmacht in der Welt»20. Der völlig „andere“ Gott ist eine «reine „Ne-

17
Ebd., 137.
18
Vgl. z.B. «Neue Philosophie», in: Ringen der Gegenwart, Bd. I, 286-333, hier
308; Vgl. «Analogia entis I» (1932), in: Analogia entis. Metaphysik. Ur-Struktur und
All-Rhythmus, Erich Przywara Schriften III, Johannes, Freiburg im Breisgau 19963,
19-210, hier 21.
19
Vgl. H.U. von Balthasar, «Erich Przywara», in: L. Zimny (Hrsg.), Erich Przy-
wara, 5.
20
Humanitas, Glock und Lutz, Nürnberg 1952, 309. Vgl. auch M. Zechmeister,
Gottes-Nacht, 17.

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Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

gation“», «das Nein zur Kreatur»21. Gott ist hier ausschließlich „über“
der Welt zu finden.
Die beiden oben beschriebenen Lösungen, mögen sie so gegensätz-
lich anmuten, bilden keine wirkliche Alternative. In Przywaras Sicht
sind sie als zwei Momente des einen dialektischen Umschlags zu ver-
stehen, der im reformatorischen Protest gegen die sichtbare Kirche
und in ihrem rein transzendenten Gottesbild wurzelt22. Wenn mensch-
lichem Handeln jede Heilsrelevanz abgesprochen wird und es Gott al-
lein ist, der im restlos korrupten Sünder zum Heil wirkt, so wird der
Mensch zur «Erscheinungsform» Gottes23. Der Mensch agiert hier nur
als eine Hülle des direkten Handeln Gottes. Auf diese paradoxe Weise
stiftet der einseitige Theozentrismus eine Identität zwischen Gott und
Mensch, das Prinzip des «In-Eins-Fallen von Gott und Geschöpf»24, das
sich dann im «beständigen Umschlag von völliger Negation des Ge-
schöpflichen zu seiner völligen Vergöttlichung»25, «einer weltvernei-
nenden Religiosität» des ursprünglichen Protestantismus oder «einer
letztlich gottauflösenden Weltlichkeit“ des Kulturprotestantismus»26,
zeigt.
Das, was Przywara an der Entwicklung im Protestantismus ablesen
zu können glaubt, erklärt für ihn die Dialektik der Neuzeit, die in den
verschiedenen Philosophien als «doch immer irgendwie Vergötzung
eines Geschöpflichen»27, sei es des Individuums oder der Menschheit,
sei es der Idee oder der Realität, ihren Ausdruck findet. Laut Przywara
ist der Protest gegen die Heilsrelevanz der sichtbaren Kirche, wie sie
tatsächlich ist, de fact+o eine Ablehnung des Paradoxons der Mensch-

21
«Gott in uns und über uns», in: Ringen der Gegenwart, Bd. II, 543-578, hier 554.
22
«Gott. Fünf Vorträge über das religionsphilosophische Problem» (1926), in:
Religionsphilosophische Schriften, 243-372, hier 265.
23
«Gott, der Alleinwirkliche und Alleinwirksame, und das allein im Innern be-
schlossene christliche Leben als seine Erscheinungsform. Die bis zum äußersten
aufgerissene Distanz zwischen dem „Gott des Gerichts“ und dem seinshaft not-
wendigen Sünder formt sich zur äußersten Einheit, indem der „Gott der Gnade“
alleiniges Wirk- und Formprinzip des Gerechten wird» («Custos», 38).
24
«Die religiöse Krisis in der Gegenwart und der Katholizismus» (1925), in: Ka-
tholische Krise, 41-53, 51.
25
«Custos», 38.
26
«Die religiöse Krisis», 51.
27
Ebd.

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werdung, das doch darin besteht, dass sich der absolute Logos als end-
licher Mensch zeigt und sich durch die irdische Kontingenz vermittelt.
Das Absolute ist nirgendwo unmittelbar erfahrbar und erfassbar, son-
dern nur durch die Vermittlung des Endlichen und Relativen.
Die theologische Unfähigkeit, das Paradoxon des Verhältnisses
zwischen Absolut und Relativ auszuhalten, setzt sich in der Philo-
sophie fort, die innerhalb der irdischen Kontingenz einen absoluten
Standpunkt gewinnen will. Da «Welterkenntnis und Gotterkenntnis
ein geheimnisvolles Ineinander» bilden, «trägt jede Philosophie in
ihrem noch so verhüllten Grunde ein Gottesbild. Das Gottgeheimnis
ist das Geheimnis ihrer Geheimnisse»28. In allen menschlichen Fragen
ist die Gottesfrage mitpräsent als die Frage nach dem Verhältnis zwi-
schen Absolut und Relativ. Die Wirklichkeit ist aber endlich, was sich
daran zeigt, dass sie gegensätzlich ist und keinem logischen System
oder Prinzip folgen will. Deswegen werden in den verschiedenen Phi-
losophien einzelne Pole zu Kosten der anderen, und im Endeffekt des
Ganzen, verabsolutiert. Przywara ist überzeugt, dass die absoluten
Philosophien der Neuzeit «tatsächlich ent-theologisierte Theologien»
sind und im dialektischen Umschlag die Theologie säkularisieren. «Als
Beispiel kann dienen: wie Hegels Philosophie aus Theologie entsteht
und wächst, – und umgekehrt […] dazu führt, aus Theologie philoso-
phische Dialektik zu machen»29.
«Für das Katholische als solches» gelten aber die Grundsätze: «Ein
Leib der vielen Glieder» und «Haupt und Leib Ein Christus»30. Die ka-
tholische Lösung, die Lösung der Menschwerdung und der sichtbaren
Kirche, sucht Gott in der Kontingenz des Irdischen, innerhalb der es
kein ideales Element gibt, das im unmittelbaren Verhältnis zu Gott
stehen würde. Das katholische Denken ist weder linear noch dialek-
tisch. Die neuzeitliche Dialektik zwischen Pantheismus und Theopa-
nismus kann nur aus dem Ur-Katholischen Prinzip der «Einheit Gottes
mit der Welt und Unterschiedenheit von ihr»31 heraus überwunden
werden. Es sind die Gegensätze des Realen, die in ihrer Fülle und

28
«Gottgeheimnis», 214.
29
«Analogia entis I», 70.
30
Vgl. «Die fünf Wenden», 106.
31
«Die religiöse Krisis», 51. Vgl. B. Gertz, Glaubenswelt, 169.

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Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

dynamischer Einheit Gottes Abbild sind, ohne aber dadurch absolut


zu werden. Der Katholizismus sagt also nicht Immanenz oder Trans-
zendenz, Gott oder Mensch, Absolut oder Relativ, sondern immer das
eine und das andere. «Gott in uns und über uns»32 lautet die Formel,
die Przywara als Ergebnis seines Ringens um den Katholischen Stand-
punkt ausarbeitet. Ihre Sinnspitze wird deutlich, wenn man sie mit
dem Motto der dialektischen Theologie zusammenstellt: «Gott ist im
Himmel und du auf Erden»33.
Den Katholiken muss es also «um die Liquidation der Reformation,
aber hier entscheidend der Reformation in uns selbst, ihres „Protestes“
in uns»34, gehen. Przywara spricht davon, dass «eine echte Lebenslö-
sung und gerade eine Lösung von Gott her nicht gegensätzlich über
dem Menschen stehen darf, wie sie vielmehr (gerade als Lösung der
„Menschwerdung“!) im Leben sein muß, im Leben als neuer Rhythmus
seines Gegensatzspiels selbst»35.

2. Analogia entis als die formale Mitte des Katholischen

2.1. Philosophie der Polarität

Diese katholische Haltung muss aber in formalen Denkprinzipien


ihren Ausdruck finden. Umgekehrt müssen diese geklärt werden,
bevor man über konkrete inhaltliche Fragen zu sprechen beginnt.
Nur so können alle verfehlten und «peinlichen»36 Fragestellungen, die
vielen aussichtslosen Debatten zugrunde liegen, vermieden werden.
Przywara, der einerseits eine bunte Fülle von Themen behandelt, ist
andererseits ständig bemüht, alle einzelnen punktuellen Debatten zu
überwölben und sie auf die Frage nach dem grundlegenden Modell
des Verhältnisses zwischen Gott und Welt durchsichtig zu machen.

32
«Gott in uns und über uns», 543. Vgl. «Religionsphilosophie katholischer
Theologie» (1927), in: Religionsphilosophische Schriften, 373-511, hier 404; «Analogia
entis I», 9.
33
K. Barth, Der Römerbrief (Zweite Fassung) 1922, TVZ, Zürich 201219, xx.
34
«Der Ruf», 101.
35
«Liebe. Der christliche Wesensgrund» (1924), in: Frühe Religiöse Schriften,
Erich Przywara Schriften I, Johannes, Einsiedeln 1962, 323-377, hier 363.
36
«Weg zu Gott» (1923-1927), in: Religionsphilosophische Schriften, 1-120, hier 114.

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Seine Leidenschaft gilt der formalen Struktur der Welt- und Gottes-
rede. Deswegen ist es richtungsweisend, wenn Edith Stein über Przy-
waras Analogia entis I, sein wichtigstes, wenn auch wenig rezipiertes
Buch, schreibt, in diesem Werk handle es sich um «eine methodisch-
kritische Vorerwägung»37 zur Behandlung der Seinsfrage, nicht um die
Beantwortung ihrer selbst.
In den ersten Jahren seines Wirkens bezeichnet Przywara die Pola-
rität als die formale Struktur des Katholischen38. Er glaubt sie als die
verbindende Denkfigur bei den markantesten katholischen Denkern
– vor allem Augustinus und Newman, aber auch Thomas von Aquin –
feststellen zu können39.
Preist Przywara jedoch in seinen ersten Schriften die Haltung der
katholischen Mitte, die jedes „Entweder-Oder“ meidet und sich um ein
ausgewogenes „Und“ bemüht, so verlagern sich mit der Zeit die Ak-
zente in seinem Denken. Der Gedanke eines «christlichen Ausgleichs»40
oder einer harmonischen Einheit der Gegensätze kann auch auf Holz-
wege der Selbstgenügsamkeit und Verschlossenheit des Geschöpfes
führen. Gott könnte ja als eine immanente Einheitsformel der inner-
weltlichen Gegensätze gelten. Die Gefahr der Polarität besteht darin,
Schöpfer und Geschöpf als zwei gleichberechtigte Pole derselben
Spannungseinheit aufzufassen41.
Parallel zu den denkerischen Schwierigkeiten folgt auf die enthu-
siastischen Hoffnungen der ersten Nachkriegsjahre die Ernüchterung
über die tatsächliche Entwicklung. 1926 fragt Przywara, ob die so viel-
beschworene Einheit der Gegensätze nicht nur ein ästhetisches Kons-
trukt ist: «Was soll aber das Leben mit einem Chaos immer nur „auf-

37
E. Stein, Endliches und ewiges Sein, Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins,
Herder, Freiburg – Basel – Wien 2006, ESGA 11/12, 5.
38
«Nicht die ruhelose Antithetik eines „Entweder-Oder“ zwischen Objekt-
Subjekt, Werden-Sein, Person-Idee […,] nicht diese Antithetik kann uns den Weg der
Lösung weisen. Was wir brauchen und was wir heute darum als unser Programm
aufstellen, ist eine Philosophie des Ausgleichs, eines Ausgleichs nicht „heute für
immer“, eines Ausgleichs vielmehr „ins Unendliche weiter“: Die Philosophie der
Polarität, gleichweit entfernt von einer Philosophie ruhelosen Umschlags, wie
statischer Mitte, die Philosophie dynamischer Polarität» («Gottgeheimnis», 215).
39
Ebd., 193. Vgl. «Liebe», 333.
40
«Gott in uns und über uns», 544.
41
Vgl. B. Gertz, Glaubenswelt, 176.

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Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

gegebener“, niemals praktisch gelöster Gegensätze?»42. Das Paradoxon


des kontigenten Bildes, in dem Gott erkannt werden soll, wird bedrän-
gender. Przywara schreibt:

Es genügt darum nicht unsere frühere Betonung der „Polarität“ […] zu


benutzen für eine Theorie eines „schwebenden Ausgleichs“ […]. Die
„Polarität“ ist, wie wir von Anfang an scharf betonen mußten, nicht
eine immanente, sondern weist als der(?) letzte Aspekt des Kreatürli-
chen über sich in das Geheimnis des souveränen Gottes43.

Die katholische Polarität darf nicht wie eine schlüssige Gottesformel


der Welt klingen. Gott kann nicht aus der Welt errechnet werden.
Ihre Aufgabe war ja, das Gott-Geheimnis der Welt in philosophischer
Sprache zu formulieren. Gottes Immanenz und Transzendenz, Absolut
und Endlich, können nicht nur nebeneinander gestellt werden. Wie
können sie aber aufeinander bezogen werden, um das Prius Gottes
und seine Unbegreiflichkeit unmissverständlich auszudrücken?

2.2. Lateranensische Analogieformel

Den entscheidenden Ausdruck für die Überwindung der letzten


möglichen Verschlossenheit des Geschöpfes, das wie Gott sein will,
fand Przywara in der Formel des IV. Laterankonzils (1215): «Inter crea-
torem et creaturam non potest tanta similitudo notari, quin inter eos maior sit
dissimilitudo notanda» (DH 806). Schon in seinem am 1. Dezember 1925
in der Münchner Universität gehaltenen Vortrag spricht Przywara,
wohl zum ersten Mal, vom «Katholizismus der analogia entis», der die
angemessene Antwort auf die Krisis der Gegenwart sei. Es handle sich
um das Grundprinzip jenes Katholizismus, «wie ihn der Sache nach
alle großen katholischen Denker bis in die letzte Konsequenz ihres
Denkens bekannt haben»: «zwischen Schöpfer und Geschöpf kann

42 
«Tragische Welt», in: Ringen der Gegenwart, Bd. I, 343.
43 
«Corpus Christi Mysticum. Eine Bilanz» (1940), in: Katholische Krise, 123-152,
hier 144f.

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keine Ähnlichkeit so groß sein, daß nicht die Unähnlichkeit größer ge-
nannt werden müsste»44.
Ähnlichkeit und Unähnlichkeit halten sich nicht in Waage, wie es
die Formel der Polarität hätte vermuten lassen. Die größere Unähn-
lichkeit zwischen Gott und Geschöpf geht durch jede Ähnlichkeit. Jede
noch so große feststellbare Ähnlichkeit, jede Gestalt und jedes Bild, in
die man Gott einzufangen versucht, werden aufgesprengt durch die
größere Unbegreiflichkeit Gottes. Dass Gott unbegreiflich ist, kann
aber nicht unabhängig von der Welterfahrung erfahren werden. Die
Erfahrung von Gottes Transzendenz entzündet sich an der Erfahrung
seiner Immanenz. Konsequent wird die ursprüngliche Formel «Gott in
uns und über uns» mit der Zeit in «Gott in-über Geschöpf»45 umformu-
liert, um zu unterstreichen, dass die Immanenz und die Transzendenz
Gottes, die Ähnlichkeit und Unähnlichkeit zwischen Gott und Welt als
seinem Abbild nicht gleichgewichtig nebeneinander gestellt werden
dürfen, sondern dynamisch-komparatistisch aufeinander bezogen
werden müssen. Charakteristisch für die Dynamik Przywaras Denkens
ist, dass die Übersetzung der lateranensischen Analogieformel mit der
Zeit um die Konjunktion „je“ ergänzt wird. Die Unähnlichkeit ist nicht
nur größer, sondern je größer46. Um Przywaras hier folgen zu können,
müssen wir seine augustinisch-ignatianische Religiosität berücksich-
tigen, die sich im Titel seines Exerzitienkommentars verdichtet: Deus
semper maior47. Der Gott der analogia entis ist nicht nur maior, sondern

44
«Katholische Totalität», in: Ringen der Gegenwart, Bd. I, 579-608, hier 605.
45
«Analogia entis I», 42, Anm. 2. Vgl. auch ebd., 58ff., 153ff. Seltener benutzt
Przywara auch die Formel „Gott über-in Geschöpf“ (vgl. B. Gertz, Glaubenswelt,
178f.).
46
Vgl. z.B. Logos. Logos – Abendland – Reich – Commercium, Patmos, Düsseldorf
1964, 61.
47
Deus semper maior. Theologie der Exerzitien, 3 Bde., Herder, Freiburg im Brei-
sgau 1938-1940. «Das augustinische Sich-Bedingen zwischen „unendlichem Su-
chen“ „unendlichem Gotte“ ist die innerste Bedingung des „Jeweils mehr“: das
„je immer größere Suchen“, weil Gott der Deus semper major ist, der über alles
noch so große Suchen je immer größere Gott ist. Der menschliche Dynamismus ist
durch den des Unendlichen Gottes als den unendlichen Actus purus zugleich je
neu aufgerufen und in seine echt menschlichen Grenzen ernüchtert und so befreit»
(Crucis Mysterium. Das christliche Heute, Paderborn 1939, 47f.)

338
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

semper maior. Zwischen Gott und Mensch gibt es keinen statischen


Punkt, sondern nur einen Weg, der immer weiter führt.

2.3. Vertikale und horizontale Analogie

Nach Balthasar kann der Ausgangspunkt Przywaras Denkbewe-


gung als ein «fundamental-ontologischer»48 Dynamismus bezeichnet
werden. Grundlegend dafür ist der scholastische Grundsatz von der
distinctio realis im Fundament des geschaffenen Seins, der Unterschei-
dung zwischen Essenz und Existenz, die im göttlichen Sein nur eine
distinctio rationis ist. Przywara setzt das Problem dieser Distinktion mit
Fragen in Verbindung, die ihm im Zuge seiner Lektüre von Augustinus,
Denkern der negativen Theologie, der Romantik, Newman, ferner aber
auch Kierkegaard und Nietzsche aufgingen49. Jedes Mal handelt es sich
um die Empfindung der Fraglichkeit und Nichtidentität des Daseins,
um das Gefühl der existentiellen Unruhe, das unter der optimistischen
Kruste des selbstsicheren XIX. Jahrhunderts brodelte, um mit dem I.
Weltkrieg beherrschend zu werden. Man braucht nur den autobiogra-
phischen Text über seine oberschlesische Heimat zu lesen, um gewahr
zu werden, wie sehr Przywara in diesem Lebensgefühl zu Hause war50.
Diesem Empfinden schien keine überlieferte Lösung der Schule eine
Antwort bieten zu können. Mehr noch, sie schien auch nicht dem ge-
recht zu sein, was Przywara selbst in Thomas von Aquins Texten ent-
deckte.
Przywara geht von der Erfahrung aus, dass alles, was existiert,
sich im Zustand eines stetigen Wandels befindet. In dieser Erfahrung
lassen sich zwei Gegenpole unterscheiden. Es ist einerseits das wesen-
hafte „Ist“, das «in der Erfahrung der Fülle des Werdestromes immer
stärker in der Fülle seiner seinshaften Unendlichkeit erfahren wird»51.
Andererseits ist es die Erfahrung des „Ist“ als eines reinen Übergangs

48
H.U. von Balthasar, «Erich Przywara», in: L. Zimny (Hrsg.), Erich Przywara,
15.
Vgl. «Analogia entis I», 7.
49

Vgl. «Oberschlesien» (1949-1951), in: In und Gegen. Stellungnahmen zur Zeit,


50

Glock und Lutz, Nürnberg 1955, 11-17.


51
«Gott», 279.

339
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

zwischen „War“ und „Wird“, als eines «ist-losen Fließens»52. Endliches


Sein ist zwischen diesen beiden Polen ausgespannt.
Weder ist die Essenz des Geschöpflichen ein unmittelbares Gleichnis
«des Soseins Gottes, gleichsam die Bildersprache des Göttlichen We-
sens», noch ist die Existenz, das geschöpfliche Werden, ein direktes
Abbild des «göttlichen Actus»53. Das Gleichnisverhältnis zwischen
Gott und Geschöpf betrifft die Einheit von Essenz und Existenz im
Geschöpf. Entsprechend der unleugbaren Wandelbarkeit des geschaf-
fenen Seins ist jedoch «keine andere Einheitsform als die ständig „of-
fene“ Spannung von Sosein und Dasein» möglich: «Sosein als innerlich
werdehaftes Sosein dem Dasein wesenhaft „inne“ und doch als nie-
mals vollverwirklichtes Sosein dem Dasein ebenso wesenhaft „über“:
Sosein in-über Dasein»54. Die Essenz ist nie einfachhin da, sie ist das
Telos der Existenz, ihr wird zugestrebt, ohne sie voll zu verwirklichen.
Aber auf diese Weise ist die Essenz der Existenz inne.
Als Verhältnis von Essenz und Existenz ist das geschöpfliche Sein
Analogie des göttlichen Seins. Als Einheit von Sosein und Dasein ist
es ihm ähnlich. Aber in dieser Ähnlichkeit zeigt sich die wesenhafte
Unähnlichkeit zwischen Gott und Geschöpf, weil «Gottes Einheits-
form von Sosein und Dasein „Wesensidentität“ ist, des Geschöpfes
Einheitsform aber „Spannungseinheit“»55. Die in diesen Termini ausge-
drückte analogia entis will sagen: «im selben Akt, in dem der Mensch
im Gleichnis der Kreatur Gottes „inne“ wird, wird er Seiner inne als
desjenigen, der über allem Gleichnis steht»56. Durch Selbsterfahrung
erfährt der Mensch seinen Einheitsgrund nicht in sich selbst, sondern
über sich selbst. Er erfährt sich selbst in seiner Bezogenheit auf die
Quelle des Seins.

52
Ebd.
53
«Religionsphilosophie», 402.
54
Ebd., 403.
55
Ebd.
56
Ebd., 404. Analogia entis besagt, dass «in dem, was das Letzte von allem ist,
im „Sein“, Schöpfer und Geschöpf zugleich zusammenkommen und zugleich
unendlich getrennt sind. […] Damit ist gegeben, daß der Schöpfer gleichzeitig über
dem Geschöpf ist und im Geschöpf sich offenbart und doch gleichzeitig über dem
Geschöpf ist und alle Offenbarung durch seine Unbegreiflichkeit übersteigt» («Ka-
tholische Totalität», 605).

340
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

Przywara betrachtet die Formel „Sosein in-über Dasein“ als Über-


windung aller Einseitigkeiten und Verabsolutierungen der Philoso-
phien der Essenz oder der Existenz. In Analogia entis I zeigt er die zwei
möglichen Zugänge zur Wirklichkeit, von der Seite der Essenz oder
der Existenz, des Seins oder des Bewusstseins. Es gibt jedoch keinen
absoluten Standpunkt des Denkens, da dieser dem Standpunkt Gottes
entsprechen würde. Die beiden Möglichkeiten der Philosophie ver-
weisen aufeinander und somit auf die Analogie als das Letzte, wessen
man innewird. Analogia entis ist «durchgehende Struktur eines rein frei
Faktischen»57 als «letzter objektiver Rhythmus im Sein und letzter sub-
jektiver Rhythmus im Denken»58. Man kann aus ihr nichts ableiten, es
kann aber auch jenseits von ihr nichts gedacht werden.
Auf diesem Weg erhellt sich, wie Gott zum Problem der «kreatür-
lichen Metaphysik» wird: «ihr „Sosein in-über Dasein“ ist senkrecht
durchschnitten durch das „Gott über-in Geschöpf“»59.
Analogie als katholische Grundform bedeutet eine Analogie zwi-
schen der innergeschöpflichen Analogie und der Analogie zwischen
Gott und Geschöpf. Die Betonung der dynamischen Unähnlichkeit gilt
sowohl für das Verhältnis zwischen den Gegensätzen der Schöpfung,
wie für das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf. Sie beziehen
sich auf kein Drittes. Przywara macht darauf aufmerksam, dass schon
die aristotelische Analogie nichts anderes als «Beziehung gegenartigen
Andersseins»60 und den Rhythmus zwischen den Gegensätzen des
Kosmos als die schwingende Bezogenheit zwischen Je-Anders und Je-
Anders meint61. Die «lateranensische Analogie der „je immer größeren
Unähnlichkeit“ ist das (selber analogiehafte) „in-über“ zur aristoteli-
schen Analogie des „je andern zu andern“»62. Die Analogie zwischen

57
«Um die analogia entis» (1952-1955), in: In und gegen, 277-281, hier 279. Die
analogia entis ist «nicht Prinzip, in dem das Kreatürliche begriffen und handhabbar
ist, sondern in dem es in seiner restlosen Potentialität unverkrampft schwingt»
(«Analogia entis I», 206); «in keiner Weise „Prinzip“, insofern etwas urhaft Stati-
sches damit vermeint sein könnte» (Ebd., 210).
58
«Analogia entis», II-IV, in: LThK2 I, 468-473, hier 471 (weiter zit. als Art. «Ana-
logia entis»).
59
«Analogia entis I», 65f.
60
Ebd., 136.
61
Vgl. Mensch. Typologische Anthropologie I, Glock und Lutz, Nürnberg 1959, 73.
62
Ebd., 77.

341
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Gott und Welt pulsiert in der innerweltlichen Analogie, indem sie alle
Geschlossenheit der innerweltlichen Analogie aufbricht und sie auf
Gott als ihr Grund und Geheimnis bezieht. «Der aristotel.[ische] „Kreis-
umschwung des All“ wird gleichsam über sich hinausgerissen»63.
Man spricht zur Recht von Przywaras rhythmischer Metaphysik64,
da die Analogie des Seins nicht ein statisches Prinzip, sondern den
Rhythmus der Bewegung im Fundament des Seins bedeutet. Bezeich-
nend dafür ist, dass Przywara in der Neuauflage seines philosophi-
schen Hauptwerks auf den Untertitel «Prinzip» verzichtete und ihn mit
«Ur-Struktur und All-Rhythmus» ersetzte. Die Analogie ist, schreibt er
im zugefügten Schlussabsatz,

wesentlich das Ur-Dynamische, darin sowohl das Inner-Geschöpfliche


schwingt, wie das Zwischen-Gott-und-Geschöpf-liche, wie das
Inner-Göttliche, das im Theologumenon von den innergöttlichen Be-
ziehungen (relationes), die Vater, Sohn und Geist sind, seinen hyper-
transzendenten Ausdruck hat. Jenes „Sein“, das alle Philosophien als
Ur-Frage und Ur-Datum alles übrigen nehmen, „hat“ nicht (nachfol-
gend) Analogie als ein Eigenschaftliches oder aus ihm Entfaltetes, son-
dern Analogie ist Sein, und hierin ist (noetisch) Denken Analogie65.

In diesem extrem angestrengten Versuch, die formalen Strukturen


des Verhältnisses zwischen Gott und Welt zu formulieren, ist etwas
sichtbar, was in den offenbarungstheologischen Schriften des späten
Przywara dominierend wird. Die senk- und waagrechten Analogien
überschneiden sich. Die Mitte zwischen Gott und Welt ist das Kreuz,
das Gleichnis Gottes in der Welt. Menschwerdung ist für Przywara we-
sentlich Kreuzwerdung: «nicht nur Kreuz, an dem der Herr am Kar-
freitag hängt, sondern Kreuz, das Er eigentlich als Sein Wesen ist»66.

63
Art. «Analogia entis», 472.
64
Vgl. L. Eikelboom, «Erich Przywara and Giorgio Agamben: Rhythm as a Space
for Dialogue between Catholic Metaphysics and Postmodernism», HeyJ (2014) Ear-
ly View (Online Version of Record published before inclusion in an issue), http://
onlinelibrary.wiley.com/wol1/doi/10.1111/heyj.12149/full (Zugang: 16.09.2017).
65
«Analogia entis I», 210.
66
Was ist Gott? Summula, Glock und Lutz, Nürnberg 1947, 49. „Christus ist als
der Erlöser vom ersten Lebenshauch an und immer der Gekreuzigte, weil das der

342
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

3. Analogie und Bild im Verhältnis zwischen Gott und Welt

3.1. Analogie in Theologie: reductio in mysterium

Die analogia entis ist laut Przywara «das Grundprinzip des Katho-
lischen überhaupt, weil sie […] das Grundprinzip zwischen Gott und
Geschöpf überhaupt»67 ist. Dieser kompromisslose Satz kann leicht
missverstanden werden, wenn man Przywaras kreative Umdeutung
des Grundanliegens des analogischen Denkens aus den Augen verliert.
Es wird bei ihm nicht angewendet, um über die Ähnlichkeit trotz aller
Unähnlichkeit zu sprechen. Nicht die Einordnung des Unbekannten
ins Bekannte wird durch sie beabsichtigt, sondern die ständige Auf-
sprengung von allem Vertrauten auf das Geheimnis hin.
Przywara hebt empor, dass die lateranensische Analogieformel
nicht irgendeine Form der natürlichen Beziehung zwischen Gott und
Geschöpf betrifft, die dann in einer übernatürlichen Einheit überhöht
werden könnte. Analogia entis gilt keiner natürlichen Theologie, die im
Gegensatz zur Offenbarungstheologie stehen könnte. Przywara macht
darauf aufmerksam, dass das IV. Laterankonzil seine Lehre gerade
«Aug in Aug zur höchsten, übernatürlichen Einheit und für jegliche
Einheit überhaupt» formuliert. Es «erklärt dieses Gesetz Aug in Aug
zum Supranaturalismus des Joachim von Fiore, für den das Eins im
pneumatischen C.[orpus] Chr.[isti] m.[ysticum] mit dem Eins der drei
göttlichen Personen zueinander sich ununterschieden bindet»68. Das
Konzil spricht über die Distanz zwischen Gott und dem höchstbegna-
deten Geschöpf, das am trinitarischen Leben teilnimmt. Von da aus gilt
diese je immer größere Unähnlichkeit für jedes mögliche, auch und ge-
rade für das theologale, Verhältnis von Gott und Geschöpf und wird
somit «zum ersten, letzten und allumfassenden Grundgesetz jeder
möglichen Theologie»69.

Sinn seines Erlösertums ist“ (Crucis Mysterium. Das christliche Heute, Ferdinand
Schöningh, Paderborn 1939, 297).
67
«Reichweite der Analogie als katholischer Grundform» (1940), in: Analogia
entis. Metaphysik. Ur-Struktur und All-Rhythmus, 247-301, hier 261.
68
«Corpus Christi», 148f. Vgl. «Analogia entis I», 138; «Die Reichweite der Ana-
logie», 251-261.
69
Art. «Analogia entis», 472. «Es heißt einerseits: für eine „noch so große“

343
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Przywaras Interpretation des paulinisch-augustinischen Diktums


«Haupt und Leib Ein Christus», mit dem ja auch Edith Stein den
letzten Punkt von Endliches und ewiges Sein betitelt, mag dieses theolo-
gische Prinzip veranschaulichen. Einerseits werden hier Christen mit
Christus so eng zusammengefügt, dass Augustinus von ihnen sagt, sie
seien nicht nur Glieder Christi, sondern „Christus“. Andererseits «zer-
sprengt [er] mit rücksichtsloser Entschiedenheit» eine individualisti-
sche Christusmystik und verweist den Einzelnen auf das Ganze. «Der
ganze Leib Christi ist „Christus“, als „Glied“ nur ist der Einzelchrist
ein „anderer Christus“». Aber auch die Einheit aller Zeiten und Völker
im kirchlichen Leib Christi ist nur «ein Vorüber», eine Pilgerschaft zur
Einheit mit Gott. «„Christus-Gott“ ist das Ziel, zu dem der Christ em-
porsteigt durch „Christus-Mensch“ hindurch»70. Przywara betont die
Einheit zwischen Christus und Kirche, um das Paradoxon der Nich-
tidentität, das Gegenüber zwischen Kirche als irdischem Leib und
Christus als erhöhtem Haupt hervorzuheben. Die Einheit der ganzen
Schöpfung in Christus wird in der Kirche im Bild der Einheit zwischen
Juden und Heiden sichtbar, wie Paulus mit ihr in Röm 9-11 ringt. Sie
verweist auf die unergründlichen Ratschlüsse von Gottes Barmherzig-
keit.
Theologie bedeutet also «im höchsten Sinn „reductio in myste-
rium“: Rückführung alles theologisch Angebbaren ins unangebbare
Mysterium»71. Jede theologische Aussage ist soweit eine gültige Aus-

Übernatürlichkeit ist die Natürlichkeit des Verhältnisses zwischen Schöpfer und


Geschöpf das bestimmende Weil (quia); und innerhalb dieses Verhältnisses selbst
ist die „je immer größere Unähnlichkeit“ das bestimmende Nicht-kann (non po-
test… notari) und Muß (sit… notanda) der „noch so großen Ähnlichkeit“. Es heißt
aber andererseits: Die Natürlichkeit des Verhältnisses zwischen Schöpfer und Ge-
schöpf erscheint faktisch einzig „in“ der „so großen“ Übernatürlichkeit (der Einen
faktisch geschichtlichen Ordnung von übernatürlicher Teilnahme und Erlösung);
und innerhalb des Verhältnisses zwischen Schöpfer und Geschöpf erscheint die „je
immer größere Unähnlichkeit“ wesenhaft einzig „in“ der „so großen Ähnlichkeit“.
Diese „Analogie“ ist, gemäß dem Konzil, die Form für Gegenstand und Akt der
einzig möglichen Theologie» («Reichweite der Analogie», 273f.). Über die Einheit
von Philosophie und Theologie in analogia entis siehe auch B. Gertz, Glaubenswelt,
245-251.
70
«Gott in uns und Gott über uns», 545. Vgl. «Corpus Christi Mysticum», 144f.
71
Art. «Analogia entis», 472.

344
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

sage über Gott, als sie eine reductio in mysterium vollzieht. Analogie be-
siegelt also gleichzeitig die Unverzichtbarkeit und die Relativierung
der irdischen Bilder für Theologie. Da es «[w]eder in Metaphysik noch
in Theologie» die Möglichkeit «eines „direkten einlinigen“ Erfassens»
gibt, gilt nur der «Weg eines „analogen“ Erfassens: durch alle „noch
so großen Ähnlichkeiten“ (der Bilder oder Gleichnisse oder Begriffe)
hindurch»72. Die je größere Unähnlichkeit zwischen Gott und Welt
löscht die Ähnlichkeit der Bilder nicht aus. Przywara spricht vom «je
neuen Rhythmus», in dem jede Ähnlichkeit aufgebrochen wird,

aber so, daß auch und gerade diese „je immer größere Unähnlichkeit“
nicht in ein alogisch logisches Prinzip eines absolut „ganz Anderen“
hinein umgreifbar ist, sondern den erfahrenden und denkenden Men-
schen jeweils neu aus „schwindelnden Höhen“ hinunter-weist in eine
je neue Erfahrung „noch so großer Ähnlichkeiten“ im (auch religiös
und theologisch) „fruchtbaren Bathos der Erfahrung“73.

3.2. Analogisches Bildverhältnis

Mit Hilfe von analogia entis will Przywara das einfache Bildver-
hältnis zwischen Gott und Welt überwinden, ohne in eine Dialektik ab-
zugleiten. Der Mensch der analogia entis ist «zugleich ein „Nichts gegen
Gott“ und doch ein „Etwas vor Gott“»74. Die Welt ist ein Gleichnis
Gottes. Gott ist aber an kein Gleichnis, das seinen unerforschlichen
Wegen Grenzen setzten könnte, gebunden. So kritisiert Przywara z.B.
H. Cohens Begriff der „Korrelation“ zwischen Gott und Welt, da er in
seiner Sicht ein unmittelbares Verhältnis stiftet, in dem sie so aufein-
ander angewiesen sind, so dass Gott «nicht „ohne die Welt“ gedacht

72
Ebd., 472.
73
«Um die analogia», 280. Zu diesem, vor allem von Seite der protestantischen
Theologie, vielfach wiederholten Vorwurf, äußerte sich Przywara unmissverständ-
lich: «Ich habe bereits in dem großen Religionsgespräch mit Karl Barth in Münster
1928 scharf betont, daß aus einer „analogia entis“ sich nichts ableiten lasse, und daß
„Rom mich als den größten Ketzer verurteilen“ müsse, wenn ich, wie Barth es sich
vorstellte, alle theologischen Dogmen aus einer „analogia entis“ herleiten wollte,
und damit, wie ich scherzhaft sagte, dann „Papst des Papstes“ werden müßte»
(Ebd., 279).
74
«Weg zu Gott», 102.

345
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

werden kann»75 und notwendigerweise «in einer letzten inneren, in-


nerlich notwendigen Relation zum Menschen» erfasst wird76. Die Ana-
logie betont dagegen, dass die Welt nicht ohne Gott gedacht werden
kann. Sie ist auf Gott angewiesen, Gott dagegen braucht kein Korrelat77.
Diese Problematik setzt sich fort in der Frage nach dem trinitarischen
Abbild in der Welt. Przywara meint, dass die Entwicklung, die zur
moderneren Identitätsdialektik geführt hat, in «der protestantischen
Theologie […] mit der Auflösung der Trinitätslehre in die „ökonomi-
sche Trinität“ (Trinität nur als Ausdruck einer Heilsordnung Gottes)»78
begonnen hat. Umgekehrt gilt aber für Przywara, gegenüber der ab-
strakten scholastischen Spekulation des Katholizismus einen Bezug
zur Heilsgeschichte und zur geschichtlichen Welt herzustellen, da
diese sonst den Eindruck erweckt, über Gottes Wesen am Bild vorbei
reden zu können. Deswegen muss geklärt werden, wie die Trinität in
der Heilsökonomie als übergeschichtliche, immanente Trinität erkannt
werden kann. Die Entscheidung des IV. Laterankonzils gegen Joachim
von Fiore deutet Przywara als eine «Ablehnung des identischen Trini-
tarismus zwischen Schöpfer und Geschöpf»79, sowohl in der (Heils)Ge-

75
«Judentum und Christentum», in: Ringen der Gegenwart, Bd. II, 624-661, hier
658, Anm. 94.
76
«Neue Theologie?», in: Ringen der Gegenwart, Bd. II, 669-725, hier 693.
77
Przywara sieht somit den entscheidenden Unterschied zwischen jüdischer
und christlicher Theologie dort, wo F. Bruckmann die wichtigste Gemeinsamkeit
erblickt, als er in Berufung auf Rahners anthropologische Wende über die Verzah-
nung von Anthropologie und Gotteslehre in Christologie spricht: «Nach Rahner
kann vom Menschen nicht gesprochen werden, ohne von Gott zu sprechen, und
es kann nicht von Gott gesprochen werden, ohne vom Menschen zu sprechen» (F.
Bruckmann, In Ihm erkannt: Gott und Mensch. Grundzüge einer anthropologischen Chris-
tologie im Angesichte Israels, Paderborn 2014, 9).
78
«Neue Theologie», 693.
79
«Die Reichweite der Analogie», 260. «Augustinus selber schon hatte, in den
letzten Büchern von de Trinitate, in der Ähnlichkeit der imago Trinitatis zum Urbild
die „so große Unähnlichkeit“ scharf betont (XV 20,39), bis dazu, fast mit den Worten
des kommenden Konzils zu sagen: auch im Zustand der ewigen Seligkeit „kommt
nicht mit Dem, was von Natur unwandelbar ist, zur Gleichung das, was durch die
Gnade keine Wandlung mehr erfahren soll: weil nicht zur Gleichung kommt das
Geschöpf mit dem Schöpfer“ (ebd 23, 43). Ja, der Sermo 52 geht so weit, die imago
Trinitatis nicht einmal als eine „Analogie“ anzusehen, sondern wie ein „argumentum
ad hominem“: „glaube schon das Dort (des trinitarischen Urbilds), wenn du hier (in
der imago Trinitatis) hörtest und schautest und festhieltest. Was in die ist, kannst

346
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

schichte, wie in der Person. Die Trinität ist nie ein lineares Prinzip der
Schöpfung und es gibt keine direkten trinitarischen Muster in Welt und
Geschichte, da die Sichtbarkeit Gottes in der Welt die Sichtbarkeit des
Menschgewordenen Sohnes in der Geschichte des Alten und Neuen
Bundes, und nur so der Trinität, ist.
Mit der Zeit betont Przywara immer stärker, die bleibende Unab-
schließbarkeit der Gegensätze. «Das Geheimnis Gottes offenbart sich
im Geheimnis der auseinanderfallenden Geschöpflichkeit»80. Nicht
eine in sich ruhende Gestalt verweist gleichnishaft auf Gott, sondern
eine die in Gott «hangt» und unter sich den «Abgrund der Leere» hat.
«Dann aber: daß er gerade darum restlos Dem überantwortet ist, „in“
dem er hangt. Der Boden, auf dem er steht, ist einzig das, worin er
hangt: er „steht“ „über sich“»81.
Przywaras analogisches Denken kann also nicht als Versuch gelten,
Gott und Welt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wenn es
aber eine ernste Anfrage an dieses Denken gibt, dann wird sie in die
entgegengesetzte Richtung gehen müssen: ob sie die sich faktisch und
souverän zeigende Nähe Gottes und das Positive der Einheit und Be-
ziehung zwischen Gott und Mensch, sowie zwischen Mensch und
Mensch nicht übergeht82? Laut B. Gertz hat der betagte Przywara im

du kennen: was in Ihm aber ist, der dich schuf…, wann kannst du es kennen? Und
wenn du es kannst, kannst du es noch nicht. Und doch, wenn du es kannst, wirst du
Gott kennen können, wie Gott sich kennt?“ (ebd 10, 23)» (Ebd., 259).
80
«Analogia entis I», 160.
81
Vgl. «Augustinus» (1954), in: In und Gegen, 294-306, hier 296f.; «Analogia entis
I», 183.
82
Vgl. E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des
Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 20108, 385-391;
R. Stolina, Niemand hat Gott je gesehen. Traktat über negative Theologie, Berlin – New
York 2000, 64. L.B. Puntel vertritt die These, Przywara sei unfähig, das Eine zu
denken. Sein ganzes Analogiegefüge sei nichts anderes als «eine ins Unendliche
gezogene und aufgeschichtete proportionale Polarisierung der einfachen Bezie-
hung als des gegenseitigen Andersseins. […] Die große Aporie der Position Przy-
waras besteht darin, daß er weder die Beziehung selbst noch die beiden Anderen
als solche, d. h. in ihrer Andersheit erklären kann. Seine Analogielehre ist eine ins
Unendliche projizierte Feststellung der Bezogenheit zwischen Anders (Anderem)
und Anders (Anderem). „Wie“ diese Beziehung möglich und „als was“ sie aufgeht
und die beiden Anderen enthüllt, das wird im Grunde nicht gesagt und kann auch
nicht gesagt werden. […] Die Beziehung als schwingende Proportion besagt zwar
das Verhältnis der beiden Pole, nicht aber die Einheit des Verhältnisses» (L.B. Puntel,

347
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

persönlichen Gespräch zugegeben, dass «in dem Denken der latera-


nensischen Analogie auch eine geradezu dämonische Versuchung»
lauert.

Sie könnte vielleicht dadurch gekennzeichnet werden, daß der Mensch


in Gefahr ist, auch gegenüber einer jeweils ausbrechenden Überra-
schung einer unbegreiflichen Nähe Gottes der im voraus Wissende sein
zu wollen, nämlich einer, der schon zuvor und für immer um eine je
größere Unähnlichkeit und Ferne Gottes zu wissen meint. Liegt nicht
vielleicht auch ein dämonischer Trotz in dem doch aus Demut gespro-
chenen Wort Augustinus: „Du, magst Du auch sagen: Freund, ich doch
bekenne: Knecht!“83?

4. Przywaras Blick auf Edith Stein

4.1. Dialogische Begegnung

E. Stein betont, dass der «lebhaft[e] Gedankenaustausch», in dem


sie mit Przywara 1925-1931 gestanden hat, «wohl auf seine wie auf ihre
Fragestellung bestimmend eingewirkt» hat84. Er unterstreicht die fast
spontane Übereinstimmung zwischen ihnen beim Projekt der Über-
setzung einiger Newman-Schriften nicht «dem Sinne nach, sondern
streng sachlich dem Worte nach»85, sowie bei der Verdeutschung der
Quaestiones disputatae de veritate Thomas von Aquins und anderen phi-

Analogie und Geschichtlichkeit, I: Philosophiegeschichtlich-kritischer Versuch über das


Grundproblem der Metaphysik, Freiburg im Breisgau 1969, 547f.).
83
B. Gertz, Glaubenswelt, 281.
84
E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 5 (mein kursiv). Im Zuge der Befragung
für den Seligsprechungsprozess schreibt der betagte Przywara, ihre Beziehungen
waren „rein philosophischer Natur“. «Natürlich haben Edith Stein und ich uns
mehrfach in wissenschaftlichen Angelegenheiten gesprochen; nach ihrem Eintritt
in den Orden sprach ich mit ihr ein einziges Mal im Karmel von Köln. Ein Briefwe-
chsel nach ihrem Eintritt bestand nicht, weil unsere philosophischen Fragen er-
ledigt waren» (Brief an Prälat [J.] Queck (Erzbischöfliches Offizialat in Köln), vom
26. Mai 1968 [Abschrift], Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten in München
47-182-923).
85
«Edith Stein» (1951-1954), in: In und Gegen, 61-73, hier 61.

348
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

losophischen Arbeiten. Wie sah Przywara aus dem Standpunkt seines


analogischen Denkens das philosophische Werk Edith Steins?
Eine Anekdote, die diese Periode betrifft, sei hier erzählt. Wie Stein
schreibt, durfte sie die ersten Entwürfe Przywaras Analogia entis I ein-
sehen86. In Przywaras Kurzbiographie finden wir seine Erinnerung an
diesen Austausch. Demnach pflegte er ihr sein Manuskript vorzulegen,
da ihm an ihrer Meinung viel gelegen war – und das, obwohl sie eine
sehr anspruchsvolle Zensorin war. Bei der Endfassung zog er es aber
dennoch, wohl aus diesem Grund, vor, sie zu umgehen und den Text
direkt in Druck zu geben. «Als sie später das fertige Buch in Händen
hielt, schien sie soweit zufrieden, nur meinte sie: „Der zweite Teil hätte
der erste sein müssen und der erste der zweite“»87. Diese Anekdote
illustriert sowohl die Nähe und Vertrautheit zwischen den beiden Den-
kern, als auch die herausfordernde und anregende Andersartigkeit
ihrer Denkarten88.
Wie Przywara schreibt, Stein, eine «klare und tiefe Philosophin»89,
zeichnete sich durch «ein harmonisch ausgleichendes Denken», das
«allem Systematisieren aus dem Weg geht»90, aus.

So kann als letzte Folge das Werk Edith Steins wie ein einziges na-
chdenkendes Ausgleichsdenken erscheinen, zuerst innerhalb der
Phänomenologie Husserls, dessen Manuskripte und Skizzen sie nicht
selten zu den endgültigen Werken ausglich, und dann zwischen tho-
mistischer Phänomenologie Husserls und Metaphysik Thomas von

86
E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 5.
87
G. Wilhelmy, Vita 17.
88
Über die Affinität zwischen Przywaras und Steins Denken siehe F. Tommasi,
«L’analogia della persona in Edith Stein», Archivio di Filosofia 79 (2011) 3-157, hier
75f. Ein Versuch, Steins und Przywaras Konzeption des Verhältnisses zwischen
Philosophie und Theologie zu vergleichen, findet sich in Ph. Gonzalez, «Edith
Stein and Erich Przywara and the Pace of Love in Christian Philosophy», in M.
Lebech – J.H. Gurmin (Hrsg.), Intersubjectivity, Humanity, Being: Edith Stein’s Phe-
nomenology and Christian Philosophy, Peter Lang, Oxford 2015, 229-245, bes. 237-245.
89
«Edith Stein», 63.
90
«Edith Stein und Simone Weil. Zwei philosophische Grund-Motive» (erst. er-
schienen in franz. Übersetzung 1956), in: W. Herbstrith (Hrsg.), Edith Stein – eine
grosse Glaubenszeugin. Leben – neue Dokumente – Philosophie, Anweiler 1986, 231-247,
hier 231.

349
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Aquins (von ihrer phänomenologischen Interpretation der „quaestio


de veritate“ zum Nachgespräch zwischen Husserl und Thomas von
Aquin), hin zur endgültigen Ausarbeitung einer Thomas-Metaphysik
im Geiste Husserls in ihrem „Endlichen und ewigen Sein“, – als ein
einziges Ausgleichsdenken, so objektiv, daß ein ‚persönliches Denken‘
ganz darin aufgeht […]91.

Diese dialogische Begegnung zwischen verschiedenen philosophi-


schen Ansätzen, die sich weder ausschließen, noch sich in ein System
einordnen lassen, dafür aber aufeinander verweisen und sich beziehen,
um so zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen, verbindet zweifelsohne
die beiden Denker. Nach ihren eigenen Worten will Stein auch in ihrem
Werk ähnlich wie Przywara kein Entweder-Oder zwischen Aristoteles
und Plato, Augustinus und Thomas von Aquin aufstellen, sondern
beiden Seiten gerecht werden92. In diesem Zusammenhang ist auf das
zweite Buch von Przywara hinzuweisen, das, neben Analogia entis I, in
Endliches und ewiges Sein präsent ist. Es handelt sich um die Augustinus-
Auswahl Augustinus. Die Gestalt als Gefüge, aus der Stein an einigen
Stellen zitiert. Beachtenswert ist Przywaras ausführliche Einleitung, in
der er die augustinischen Motive in der Tradition des abendländischen
Denkens sichtet, und die in die innerkatholische Grundspannung zwi-
schen Augustinus und Thomas mündet93.

4.2. Überschneidung und Distanz

In dieser Nähe zeichnet sich aber die Distanz zwischen den beiden
Denkern ab. Stein verweist ja in Endliches und ewiges Sein auf die Über-
schneidung mit Przywaras analogischem Denken, «da auf der einen

91
Vgl. E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 6.
92
Ebd., 232. «Dieses für das gesamte neuzeitliche Denken entscheidende Ge-
genüber hat sie dann im Karmel in ihrem letzten großen Werk systematisch ausge-
formt» («Edith Stein», 63). Gleichzeitig befürchtete Przywara, in der Atmosphäre
der Nachkriegszeit werde «sich kaum eine wahre Leserschaft für das Werk Edith
Steins finden, das gewiß das Gegenüber zwischen Phänomenologie und Thomas
von Aquin zum Ziel hat, aber in klarer und sauberer Unterscheidung» (Ebd., 66).
93
Augustinus. Die Gestalt als Gefüge, Jakob Hegner, Leipzig 1934. Die Einleitung
ist leicht zugänglich als Augustinisch. Ur-Haltung des Geistes, Johannes, Freiburg im
Breisgau 20002.

350
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

Seite die Analogie als das Grundgesetz aufgewiesen wird, das alles Sei-
ende beherrscht und darum auch für das Verfahren maßgebend sein
muss, auf der anderen Seite die sachliche Untersuchung des Seienden
auf den Sinn des Seins hin zur Aufdeckung desselben Grundgesetzes
führt»94. Nach Przywaras eigener Einschätzung konnte aber Stein mit
seiner «Philosophie und Theologie einer Polarität oder Analogie sich
nie recht ganz befreunden»95, da sie doch zum linearen Denken des
Essentialismus neigte96.
Obwohl sie auf ihrem Denkweg «aus Husserls transzendentalem
Idealismus herausstrebte in eine wirkliche Metaphysik, so ist doch auch
noch im Thomas-Werk „Endliches und ewiges Sein“ ihre Methode die
einer echten essentialen Philosophie der Essenz». Ihre Denkbewegung
führt eigentlich nicht zu «„letzte[n] Probleme[n]“ oder letzte[n] „Apo-
rien“ oder letzte[n] „Gegensätze[n]“, in denen ein Geheimnis des Seins
sich enthüllt, aber eigentlich immer tiefer hinein in seine Verhülltheit».
Als getreue Schülerin Husserls überführt sie vielmehr «alle Realbe-
stände auf die Ebene des „Essentialen“, sodaß zwar nicht eine in sich
geschlossene „ideale Welt“ entsteht […], aber eine „freie, ideale Welt“,
in der es auf „Zusammenhänge“ gar nicht ankommt, sondern einzig
auf die jeweilige „Wesenheit“, die für sich „geschaut“ wird»97.

94
E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 5.
95
«Edith Stein», 65.
96
Da Przywara Steins Denken vor allem in der Gegenüberstellung zwischen
ihrem Essentialismus und dem Existentialismus Simone Weils betrachtet und es
somit einem Pol zuordnet, scheint er nicht immer der tatsächlichen Nuancierung
von Steins Seinslehre gerecht zu werden. Seine Ausführungen über Stein müssen
die eigentliche Intention und die Grenzen seiner originellen Theologie berück-
sichtigen, auf die u.a. Karl Rahner aufmerksam macht: «Przywara mag manchmal
selbst der erschreckenden und unheimlichen Kunst seiner „universalen Klassifika-
torik“ (Balthasar) erliegen und ungerecht gegen die werden, deren wirkliche oder
bloß vermeintliche Systematik er zu Paaren treibt in den Abgrund des Geheim-
nisses Gottes hinein, er mag in Versuchung sein, die Destruktion aller Systeme
selbst wiederum zum System zu erheben. Aber weil seine Radikalität eben doch
die der Liebe sein will, die die Torheit des Kreuzes und die Schande der wehrlosen
Liebe annimmt, darum – kann er in seiner Radikalität doch auch der Lehrer einer
kommenden Zeit sein, mag sie äußerlich bürgerlich bleiben und so erst recht ge-
warnt werden müssen, mag sie in Abgründe stürzen, die ihr als Abgründe Gottes
verkündigt werden müssen, in denen die Unbegreiflichkeit des Erbarmens wohnt»
(K. Rahner, «Laudatio auf Erich Przywara», 272).
97
«Edith Stein und Simon Weil», 233.

351
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Przywara verweist darauf, dass Edith Stein die analogia entis bei
Aristoteles und Thomas von Aquin von vorneherein unter dem As-
pekt des «gemeinsamen Sinnbestandes»98 behandelt. Nicht das zwei-
malige „je anders“ und somit die „je größere Unähnlichkeit“, sondern
das Gemeinsame der zwei Seinsweisen und die Proportion zwischen
ihnen ist für sie ausschlaggebend. Der phänomenologischen Methode
der unmittelbaren Wesensschau folgend, untersucht sie die Wesensbe-
stände des endlichen und ewigen Seins auf ihre kategorialen Unter-
schiede hin. Die Andersheit der jeweiligen Seinsweise stellt für sie ein
zu untersuchendes materiales Objekt dar, ist aber kein Prinzip ihrer
Methode. Sie vergleicht die Unähnlichkeiten, um die Ähnlichkeiten
zwischen ihnen festzustellen, sie ins Wort und Bild zu fassen und als
ein anzuschauendes Endergebnis der Untersuchung zu präsentieren.

Ihre Methode ist nicht die eines „Unerkennen des Unerkannten“


(wie es den beiden X in ihrem „allo“ entspräche), sondern der jeweils
objektive „andere“ Wesensbestand wird unmittelbar und voll in der
„Wesensschau“ erfaßt. Ihre Methode ist nicht Realisierung des „pros“
zwischen beiden „allo“, d. h. „Analogie als noetische Methode“, son-
dern die jeweilig statisch direkte „Wesensschau“, in der jeweilig statisch
direkt der „Wesensbestand“ „sichtig“ wird. Und folgerichtig ist es (ge-
sehen von der lateranensischen Analogie aus) bei ihr nicht eine „noch
so große Ähnlichkeit“ zwischen endlichem und ewigem Sein, durch
die eine „je immer größere Unähnlichkeit“, in wahrem „Rhythmus ins
Unendliche“ schnitte, sondern es bestehen für ihre Sicht, umgekehrt,
primär jeweils „andere“ (und also „unähnliche“) Wesensbestände, die
sie miteinander vergleicht, um ihre etwaige „Ähnlichkeit“ zu unter-
suchen. So bedeutet für sie „Analogie“ praktisch Beziehung zwischen
verschiedenen Wesensbeständen, niemals aber die einzigartige und
völlig unrückführbare Rhythmik zwischen Ja und Nein, In und Über,
Eins und Distanz, die in der lateranensischen Formel gemeint ist, in
der der alte Rhythmus zwischen apophatisch positiver und katapha-

98
Vgl. Ebd., 237. Als Beleg zitiert Przywara die Stelle, wo Edith Stein über den
Ort der Analogie «als des eigentümlichen Verhältnisses von endlichen und ewigen
Sein, das es gestattet, auf Grund eines gemeinsamen Sinnbestandes hier und dort
von „Sein“ zu sprechen» (E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 288).

352
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

tisch negativer Theologie, wie er von den griechischen Kirchenvätern


zu Dionysius Areopagita zu Nikolaus von Kues das „Eigentliche“ ist,
seine klassische Ausformulierung hat99.

Nicht der Rhythmus der Analogien ist bei ihr das Letzte, sondern
die erkannte Essenz. Liegt bei Przywara der Akzent auf der „je grö-
ßeren Unähnlichkeit“, so betont Stein „die noch so große Ähnlichkeit“.
Przywara erkennt, dass Endliches und ewiges Sein auch eine inten-
sive Auseinandersetzung mit Heidegger darstellt, die sich in einigen
Punkten mit seiner eigenen Position berührt. Er bemerkt aber, dass
es nicht nur ihm, sondern auch Hans Lipps und anderen philosophi-
schen Freunden auffiel, «wie weithin positiv sie Heideggers Richtung
beurteilte»100. Laut Przywara hat Stein Heideggers Existentialismus
nicht ganz durchschaut. Heidegger ist für Przywara kein echter Exis-
tentialist, da er, indem er die Essenz leugnet, die Grundspannung des
kreatürlichen Denkens löst, was zwangsweise zu einem verkappten
Identitätsdenken führen muss. Heideggers Phänomenologie hat «mit
einer Real-Metaphysik nichts zu tun, sondern seine „Existenz“ meint
das Sein im Menschen und als Mensch und zielt im Grund hierin doch
wieder auf ein „ideales Wesen“: das Wesen des realistisch existenti-
ellen Menschen»101. Was ist aber nach Przywara die letzte Intention
von Steins Philosophieren und wo sieht er Perspektiven und Anknüp-
fungspunkte für ein Weiterdenken?
Stein erliegt nicht der Versuchung eines logischen Systems. Laut
Przywara «entfesselt» sie die «freien Wesenheiten» aus allen idealis-
tischen Systemen und lässt sie als «freie Fülle» schweben102. Ihrer Be-
schäftigung mit Husserl, Thomas von Aquin und Heidegger liegt ihre
Frage nach dem Verhältnis zwischen Kosmos und Mensch zugrunde.
«In letzter Intention zielte Edith Stein auf eine philosophische Form
dessen, was die Psalmen […] künden: Kosmos und Mensch als ein be-
wegtes Zueinander, in dem das Ewige Sein Gottes sich im endlichen

99 
«Edith Stein und Simon Weil», 238.
100  
«Edith Stein», 69.
101 
Ebd., 69f.
102 
«Edith Stein und Simon Weil», 233.

353
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Sein der Kreatur kundtut. Eine Phänomenologie der Psalmen wäre die
Antwort, zu der die Frage Edith Steins zielte»103.
Auf Steins Vorliebe für die Gestalt des Propheten Elija anspielend,
formuliert Przywara, dass es für ihre Phänomenologie im Letzten
heißen muss «Mensch im Kosmos, aber einsam im Kosmos»104. In
seiner Verflechtung und Einsamkeit im Kosmos ist der Mensch ein
Gleichnis der Verflechtung und der Einsamkeit Gottes in der Welt – in
der Schmach des Kreuzes. Und auf diese Weise ist er Imago Dei.
Hilfreich sind hierzu Przywaras Überlegungen zur theologischen
Botschaft von Max Picard, die er unter dem Titel Imago Dei ausführt. Die
Nähe zu Gott und das Eingebunden-Sein in die materielle und vegeta-
tive Welt heben sich im Menschen nicht auf, sondern bilden die innere
Form der imago Dei, «was seit Aristoteles und dem Vierten Lateran-
konzil „Analogie“ heißt». Der Mensch als Gottes Abbild bedeutet, dass
«er so zu Gott hin eingeähnlicht ist (in einer „tanta similitudo“), dass
er doch, als Geschöpf inmitten der Schöpfung, zum selben Gott hin in
„je größerer Unähnlichkeit“ (in einer „maior dissimilitudo“) steht». Und
unter Anwendung seiner Formel „in-über“, schreibt Przywara: «Wie
Gott in Seiner Ur-Beziehung zum Geschöpflichen das „In-Über“ zu
ihm ist (was Analogie heißt), so ist der Mensch in seiner Ur-Beziehung
zwischen Schöpfung und Gott das „In-Über“»105.

4.3. Edith Steins Leben und Denken als Imago Dei


Schließlich betrachtet Przywara Edith Stein selbst als Symbol und
Konkretisierung dessen, was es für einen Menschen bedeutet, Imago
Dei zu sein.
Er stellt sie mit Simone Weil zusammen, um darin den wichtigsten
Gegensatz der Gegenwart aufzuzeigen, nämlich zwischen Existenti-

103
«Edith Stein», 70. Weiter schreibt Przywara, dass diese Frage in ihrer Phäno-
menologie der Frau eine besondere Ausformulierung bekommt: «Denn jenes Zuei-
nander von Kosmos und Mensch, das die Frage ihres Philosophierens ist, hat hier
ihre Konkretheit Frau in der Weite des Kosmos und Frau im Abgrund des Men-
schlichen» (Ebd., 71).
104
Ebd., 72.
105
«Imago Dei. Zur theologischen Botschaft von Max Picard» (1958), in: Analogia
entis. Metaphysik. Ur-Struktur und All-Rhythmus, 479-493, hier 483.

354
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

alismus und Essentialismus106. Im Gesamtblick will Przywara sehen


können, wie ihre Philosophie eines «frei schwebenden Essentialismus»107
und das radikal echte Existenzdenken Weils eine über sich hinauswei-
sende Gegensatzspannung bilden. In diesem Versuch der Zusammen-
stellung mag man eine Ausführung dessen sehen, worauf Stein selbst
hindeutet. In Endliches und ewiges Sein gibt sie ja zu, dass bei ihr das von
Przywara geforderte «innergeschichtliche» Denken gegenüber dem
Streben nach «übergeschichtlicher Wahrheit» zurücktritt, wodurch ihr
Philosophieren eine gewisse Einseitigkeit aufweist. Gleichzeitig will
sie für ihren Ansatz eine Rechtfertigung darin sehen, was Przywara als
die Realität des «kreatürliche[n] Denken[s]» bezeichnet: «verschiedene
Geistesart bedingt auch eine Verschiedenheit des wissenschaftlichen
Verfahrens, und aus der wechselseitigen Ergänzung der Beiträge, die
verschiedene Geister auf Grund ihrer einseitigen Begabungen leisten
können, ergibt sich der Fortschritt in der Annäherung an die „überge-
schichtliche Wahrheit“»108.
Diese „übergeschichtliche Wahrheit“ geht für Przywara in dieser
Zusammenstellung noch durch etwas anderes auf. Beide Frauen sind
Jüdinnen, die zum Christentum gefunden haben. Mögen sie so ver-
schieden sein, «die fast klassisch ausgewogene Thomistin und Karme-
litin Edith Stein und die vom Feuer Heraklits durchbrannte Simone
Weil», sind sie für Przywara eben darin «eine Manifestation organi-
scher Begegnung zwischen jüdischem und christlichem Geist, daß

106
«Es ist zuerst der Gegensatz zwischen essentialer Philosophie der Essenz
und existentialer Philosophie der Existenz […]» («Edith Stein und Simone Weil»,
232).
107
Ebd., 234 (kursiv E.P.).
108
E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 6. Weiter schreibt E. Stein: «Zu diesen
natürlich bedingten Einseitigkeiten gehört es, daß es für einen Denker der gewiese-
ne Weg ist, den Zugang zu den „Sachen“ durch die begriffliche Fassung zu finden,
die ihnen andere Geister bereits gegeben haben – seine Stärke ist das „Verstehen“
und das Aufdecken der geschichtlichen Zusammenhänge; ein anderer ist durch
seine Geistesart zu unmittelbaren Sachforschung gerufen und gelangt zum Ver-
ständnis fremder Geistesarbeit nur mit Hilfe dessen, was er sich selbst zu erarbei-
ten vermag – diese Geister begingen (als große Meister oder kleine Handlanger)
die „Urgeschichte“, d.h. das Geschehen, dem alle Geistesgeschichte nachgeht. Die
zweite Geistesart ist die aller geborenen Phänomenologen».

355
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

in Ihnen Alter Bund der Propheten sich in Neuen Bund des Kreuzes
erfüllt»109.
Für Steins forma mentis will Przywara das Milieu des säkularisierten
Judentums, aus dem sie hervorgegangen war, als die wichtigste Prä-
gung betrachten. Die «reine Klarheit […] der Hingabe in die reine
Wahrheit»110 führt er auf die Auswirkungen der religiösen Obser-
vanz zurück: «strenge Gradlinigkeit eines gesetzlich streng geregelten
Kultes zu Einem Gott des Einen Gesetzes: Ein Gott, Ein Gesetz, ein
Kult»111. Diese Einflüsse soll sie nach Przywara sowohl ihrer Mutter
verdanken, «eine[r] echte[n] Patriarchen-Gestalt», die die mosaischen
Gesetze streng beobachtete, als auch dem unbestechlichen Sucher nach
der Wahrheit Edmund Husserl, «selber eine ehrfurchtgebietende Patri-
archen-Gestalt»112. Beide verkörpern den Primat des jüdischen Dienstes
am Objektiven.
Mit der zuweilen angestrengter Stilisierung wird man hadern
können. Ich will jedoch fragen, ob Przywara dadurch nicht doch auf
einen wichtigen Aspekt der Bedeutung Edith Steins aufmerksam
macht. Wie Elmar Salman beobachtet, ist es auffallend, dass die schöp-
ferischen Geister der Moderne, und das auf allen ihren Gebieten, auf-
geklärte Juden waren. «Man könnte fast von einer Erfindung postmo-
derner Mentalität und ihrer unbewussten Selbstpräsenz aus dem Geist
eines säkularisierten Judentums sprechen. Jene Religion, die wir seit
dem Hebräerbrief und der frühen Kirche für überwunden gehalten

109
«Begegnungen jüdischen und christlichen Geistes», in: H.J. Schultz (Hrsg.),
Juden, Christen, Deutsche, Stuttgart 1961, 239-248, hier 248.
110
E. Stein, Endliches und ewiges Sein, 6. Weiter schreibt E. Stein: «Zu diesen
natürlich bedingten Einseitigkeiten gehört es, daß es für einen Denker der gewiese-
ne Weg ist, den Zugang zu den „Sachen“ durch die begriffliche Fassung zu finden,
die ihnen andere Geister bereits gegeben haben – seine Stärke ist das „Verstehen“
und das Aufdecken der geschichtlichen Zusammenhänge; ein anderer ist durch
seine Geistesart zu unmittelbaren Sachforschung gerufen und gelangt zum Ver-
ständnis fremder Geistesarbeit nur mit Hilfe dessen, was er sich selbst zu erarbei-
ten vermag – diese Geister begingen (als große Meister oder kleine Handlanger)
die „Urgeschichte“, d.h. das Geschehen, dem alle Geistesgeschichte nachgeht. Die
zweite Geistesart ist die aller geborenen Phänomenologen».
111
«Begegnungen jüdischen und christlichen Geistes», in: H.J. Schultz (Hrsg.),
Juden, Christen, Deutsche, Stuttgart 1961, 239-248, hier 248.
112
«Begegnungen», 242.

356
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

haben, sie bestimmt auf einmal unser Unbewusstes, unseren Lebens-


still und unser Lebensempfinden». Laut Salman wird über diesen As-
pekt «in der geistigen Tiefentektonik des letzten Jahrhunderts» und
über die Frage, warum «die jüdische Art, das Leben zu erfahren, in
diesen Jahren so fruchtbar werden» konnte, zu wenig nachgedacht113.
Eine Erklärung will Salman im ständigen Fremdheitsgefühl der eu-
ropäischen Juden sehen, sei es im Exil, sei es in der Assimilation.

Es ist sozusagen die ständige Einübung in einen drei-, vielleicht sogar


vierfachen Außenblick: Man sieht sich mit den Augen der herrschenden
Gesellschaft. Man sieht sich selbst als Assimilierten und merkt (vielleicht
unbewusst), dass man etwas verrät. Man will aber auch nicht mehr im
diktierten Exil bleiben und man sieht sich zugleich in der Entfremdung
von der eigenen Religion. Dieser vierfache Außenblick schafft eine Sen-
sibilität, schafft eine Kunst des vielperspektivischen Bildes, der Nega-
tiven Dialektik, der Dialogik und der Arbeit am Unbewussten, die sich
nicht mehr einfach vergessen lässt114.

Dass die oben beschriebene Erfahrung Edith Stein nicht fremd war,
braucht hier nicht belegt zu werden. Für Przywara ist die nüchterne
gradlinige Kompromisslosigkeit des jüdischen Denkens, die jede Syste-
matisierung der Wirklichkeit aufsprengt, ausschlaggebend. Lesenswert
ist in diesem Zusammenhang Przywaras später Aufsatz über Simmel,
Husserl und Scheler, «die drei großen vergessenen Juden», die «das
radikal neue Denken des 20. Jahrhunderts» initiiert haben115. Ihnen ver-
dankt die Philosophie vor allem die Neuentdeckung der Aporetik des
Gegebenen und des Urgegensatzes zwischen Existenz und Essenz, was
sie zu einer radikalen Positionierung zwingt, meint Przywara. Phäno-
menologie als «die Methode, alles System, alles Apriori zu sprengen,
daß die ursprüngliche, unsystematisierbare Fülle offenbarwerde»116 ist

113
E. Salmann, «Der Geist der Avantgarde und der Große Krieg – mit Parallel-
und Gegenstimmen aus der katholischen Welt», in: J. Negel – K. Pinggéra (Hrsg.),
Urkatastrophe. Die Erfahrung des Krieges 1914-1918 im Spiegel zeitgenössischer Theolo-
gie, Freiburg – Basel – Wien 2016, 19-32, hier 23.
114
Ebd., 24.
115
«Simmel – Husserl – Scheler» (1954), in: In und Gegen, 33-54, hier 34.
116
Ebd., 49.

357
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

demnach etwas Jüdisches. Bei Scheler und Stein, so Przywara, berührt


sich an dieser Stelle das Jüdische mit dem Katholischen: «Weil beide,
Scheler und Edith Stein, innerlichst empfanden, daß nur so echter Alter
Bund sich in echten Neuen Bund erfülle»117.
Laut Salman ist die Dominanz der formalen Strukturen der jüdi-
schen Sichtweise «vielleicht einer der Gründe, warum es im 20. Jahr-
hundert und erst Recht heute so schwierig ist, Christ zu sein»118. Für
Przywara ist es – abgesehen von seinen nicht selten eigenwilligen Pa-
rallelen – diese herausfordernde Andersheit, der das Christentum die
Antwort schuldet, wie es Gott in der Welt sieht. Auch wenn diese The-
matik an dieser Stelle nicht weiterverfolgt werden kann, scheint es mir
wichtig, auf sie hinzuweisen. Wenn es «im 20. Jahrhundert und erst
Recht heute so schwierig ist, Christ zu sein», wie kann die moderne
Lebenserfahrung und Betrachtungsweise, die in der Fülle des Daseins
keinen systematischen Plan finden kann, als Weg zum Christentum
erfahren werden? Vielleicht kann Edith Steins Leben und Werk unter
dieser Hinsicht reflektiert werden.
Seine Überlegungen über die bleibende Gültigkeit Steins von Werkes
fortführend, schreibt Przywara, dass ihr essentialistisches Denken
seine Vollendung in ihrer Beschäftigung mit Johannes vom Kreuz
findet. Für sie, als «Phänomenologin eines „reinen Essentialismus“,
wird die Analyse der verschiedenen Stufen des „Aufstiegs zum Berge
Karmel“ in ihrer „Kreuzeswissenschaft“ zur Vollendung dessen, was
die „epochè“ in der phänomenologischen Methode besagt»119. Przywara
unterscheidet zwischen den Bedeutungen der „epochè“ als „Anhalten“
und „Hinhalten“ des Blickes. „Epochè“ besagt also nicht nur eine Ein-
klammerung der realen Welt, sondern auch eine Konzentrierung auf
die „reinen Wesenheiten“. Diese zweite Denkbewegung, absolut ge-
nommen, führte laut Przywara zum Transzendentalismus des späten
Husserls. Bei Edith Stein hingegen, mündet sie in die Mystik der Nacht,
in der der Auszug aus allem Erfahrbaren der Sinne und des Geistes zur

117
Ebd.
118
E. Salmann, Der Geist der Avantgarde, 23.
119
«Edith Stein und Simone Weil», 242.

358
Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara

Begegnung mit dem Göttlichen führt, das «als „Lichte Nacht“ uner-
fahrsam erfahren wird, über alles Erfahren hinaus»120.
Gleichzeitig stellt Przywara fest, dass das phänomenologische Hin-
halten des Blickes auf das Wesentliche allen mystischen Stufen- und
Entäußerungs-Lehren, sei es fernöstlichen, sei es christlich-neuplato-
nischen, innerlich verwandt ist. Im Christentum ist jedoch nicht der
menschliche Aufstieg zu Gott entscheidend, sondern der Abstieg
Gottes in die menschliche Welt, seine Entäußerung in die Kontingenz
der Materie, des „Fleisches“, das zum Bild Gottes wird. Das Gegenüber
von beiden Akzentuierungen findet sich jedoch laut Przywara bei Jo-
hannes vom Kreuz selbst. Der Nacht, in der der Mensch alles Geschaf-
fene verlässt, um mit Gott eins zu werden, entspricht die «Nacht der
Gottheit in der Unerforschlichkeit der Ursprünge in ihr»121, das Myste-
rium der innertrinitarischen Beziehungen als Quelle der sich dem Men-
schen darbietenden Liebe, die sich aber nie direkt, rein erfassen lässt,
sondern nur im Bild des Geschaffenen, in der geschöpflichen Nacht122.
«Das „Letzte“ im Mystiker der „Nacht“ ist dann nicht Ein-Nachtung
alles sinnenhaft Geschöpflichen, sondern Sakramentalisierung seiner
bunten Fülle zu „Bild und Gleichnis“ der Einen Ein-Hochzeitung des
gesamten Geschöpflichen in den „Gott alles in allem“»123.
Wie wird aber die Nacht der Welt, die scheinbare Abwesenheit
Gottes in der Welt, zum Bild Gottes und zum Erfahrungsort der Ein-
heit. Durch die Liebe, die sich in diese Nacht hinein verschenkt, analog
zur Liebe des Gekreuzigten. Deswegen schreibt Przywara, Edith Steins
Gang in die «Todesnacht der Gaskammer» ist das Gleichnis einer
«Nacht Gottes als Überschwang Seines Lichtes» und der «Nacht des

120
Ebd., 243.
121
Ebd., 245.
122
«Nacht der Hochzeit Gottes, in der das Geschöpfliche weder „entäußert“
wird noch „entschaffen“, sondern in Gott eingehochzeitet wird, ist zuletzt das
Geheimnis der „Ökumenischen“ [sic!] Trinität, d. h. Offenbarung und Mitteilung
der „Nacht Gottes in Sich“ (als Nacht der „Ursprünge in Gott“), in den zu Gott
hinein gehochzeiteten Kosmos in dieser Einen Hochzeit Alten und Neuen Bundes»
(Ebd.).
123
Ebd., 246.

359
Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Geblendet der Kreatur in dieses Licht», «weil das eigentliche „Ist“


Gottes jene „Agape“ ist, die Seele und Leben gibt für die Geschwister»124.

124
Ebd., 247.

360
Teresianum 68 (2017/2) 327-361

Lukasz Strzyz-Steinert, ocd

Die Analogia-entis- und Bild-Problematik bei Erich Przywara.


Mit Blick auf Edith Stein

ZUSAMMENFASSUNG: In ihrem Werk Endliches und ewiges Sein betont Edith


Stein den regen Gedankenaustausch mit Erich Przywara, der auf ihre philosophi-
sche Fragestellung nach der Konversion eingewirkt hat. Darüber hinaus verweist
sie auf die Überschneidungen und Differenzen zwischen ihrer Seinslehre mit Przy-
waras religionsphilosophischen Hauptwerk Analogia Entis I. Der Artikel zeichnet
die Entwicklung und das Grundanliegen von Przywaras Analogielehre, die sich
durch die Hervorhebung des Unähnlichkeitsmomentes im Verhältnis zwischen
Gott und Welt auszeichnet. Vor allem die Konsequenzen der so interpretierten
analogia entis für das Bild-Verhältnis zwischen Gott und Welt werden aufgezeigt.
Schließlich wird Przywaras Deutung von Steins philosophischen Anliegen und
ihrer Gestalt aus dem Standpunkt seiner Analogielehre dargestellt, sowie einige
Interpretationen seiner Sichtweise vorgeschlagen.

SCHLÜSSELWORTE: Erich Przywara, Edith Stein, analogia entis, Polarität, Bild-


verhältnis.

The analogia entis- and the Image-Problem in Erich Przywara,


with a side-glance to Edith Stein

ABSTRACT: In her work Finite and Eternal Being, Edith Stein bears witness to her
lively exchange of ideas with Erich Przywara, influential in her philosophical
research after her conversion. She also points out the similarities and the diffe-
rences between her philosophy of being and Przywara’s major philosophical work
Analogia Entis I. This article draws on the development and the basic concern of
Przywara’s teaching on analogy, which is characterized by emphasis on dissimila-
rity in the relationship between God and the world. The consequences of analogia
entis (thus interpreted) on the imago relationship between God and the world are
especially brought forth. In conclusion, Przywara’s interpretation of Stein’s philo-
sophical concerns and her position in regard to his teaching on analogy are pre-
sented, and some interpretations of his view are proposed.

KEYWORDS: Erich Przywara, Edith Stein, analogia entis, polarity, imago rela-
tionship.

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